Wer bezahlt unsere Kleidung bei und kik ?

disc-brosch_080109.indd 1 09.01.2008 21:51:22 Uhr disc-brosch_080109.indd 2 09.01.2008 21:51:22 Uhr Wer bezahlt unsere Kleidung bei Lidl und KiK ? Eine Studie über die Einkaufspraktiken der Discounter Lidl und KiK und ihre Auswirkungen auf die Arbeits- bedingungen bei den Lieferanten in Bangladesch

mit Beiträgen von: Khorshed Alam, Evelyn Bahn, Sarah Bormann, Gisela Burckhardt, Gudrun Giese, Dirk Saam, Christina Schröder, Uwe Wötzel

disc-brosch_080109.indd 3 09.01.2008 21:51:22 Uhr Impressum

Herausgeber: Danksagung: Kampagne für ‚Saubere’ Kleidung, insbesondere Der Dank geht an alle, die an der Erstellung dieser folgende Trägerorganisationen: Broschüre mitgeholfen haben. Der Dank geht ganz Inkota-netzwerk besonders an Khorshed Alam von AMRF für die NETZ Bangladesch Erstellung der Grundlagenstudie und aller damit ver- TERRE DES FEMMES bundenen Arbeiten. Der Dank geht auch an eine ak- ver.di-Bundesverwaltung, Bereich Politik und tive Frauengruppe in Rellingen, die durch den Planung Verkauf von Altkleidern einen Beitrag zum Druck die- ser Broschüre geleistet hat sowie an den Ausschuss Gesamtkoordination und Redaktion: für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik Gisela Burckhardt (ABP), dessen Beitrag ebenfalls die Finanzierung von Druck und Layout ermöglicht hat. AutorInnen: Khorshed Alam, Evelyn Bahn, Sarah Bormann, Gisela Burckhardt, Gudrun Giese, Gedruckt auf 100% chlorfrei gebleichtem Papier. Dirk Saam, Christina Schröder, Uwe Wötzel Erscheinungsdatum: Januar 2008 Layout und Reinzeichnung: Bertram Sturm

Druck: h&p Druck, Berlin

Titelbild: Bertram Sturm

Fotos: Gisela Burckhardt: S. 8, 15, 24, 29, 30, 32, 34, 36, 38, 39, 40, 42, 43, 44, 47, 48, 49, 65, 69 Christian Jungeblodt: S. 60 Andreas Hamann: S. 50 NETZ Bangladesch: S. 28 Istockphoto.com: Handschelle im Titelbild Bert Wibel: S.18 ver.di: S.22 Gpa-dja: S. 57,58,59 Einkaufstüten: Gestaltungswettbewerb „fair kaufen“ von ver.di, April 2006

4 – Impressum

disc-brosch_080109.indd 4 09.01.2008 21:51:23 Uhr Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung Gisela Burckhardt 7 2. Wie Discounter ihre Macht nutzen: Konzentration und Expansion im Einzelhandel Gisela Burckhardt 8 3.Die Discounter Lidl und KiK 3.1 Lidl - der Discount Gigant Evelyn Bahn 18 3.2 Für wen stimmt der Preis bei KiK? Gisela Burckhardt 24 4. Bangladesch: Arbeitsrechtsverletzungen bei den Lieferanten von Lidl und Kik 4.1 Die Bekleidungs- und Textilindustrie Bangladeschs Dirk Saam 28 4.2 Portrait einer Näherin - Rekha 34 4.3 Arbeitsrechtsverletzungen bei Lieferanten von Lidl und KiK Khorshed Alam und Gisela Burckhardt 36 4.4 Einkaufspraktiken und ihre Aus- wirkungen auf die Arbeitsverhältnisse Khorshed Alam und Gisela Burckhardt 46 5. Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse im Einzelhandel 5.1 Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse im deutschen Einzelhandel Sarah Bormann 50 5.2 Arbeitskampf bei KiK in Österreich Christina Schröder 56 5.3 Der erfolglose Versuch von Lidl, die Gründung von Betriebsräten zu verhindern – der lange Kampf von ver.di Gudrun Giese 60 6. Aufgaben des Staates: Einführung verbindlicher Sozialstandards Uwe Wötzel 64

Anhang 1a. Ergebnisse der Befragung von 105 ArbeiterInnen bei den sechs Lieferanten von Lidl und/oder KiK in Bangladesch 70 1b. Informationen zu den sechs Lieferanten von Lidl und/oder KiK in Bangladesch 74 2. Mindestlohn-Tabelle Bangladesch 76 3. Verhaltenskodex der CCC 77 4. Die wichtigsten Forderungen des CORA Netzwerkes an die Politik 78 5. Literaturverzeichnis 80 6. Aktionsmaterial 82 7. Liste der Trägerkreisorganisationen der CCC und Links 83

Inhaltsverzeichnis – 5

disc-brosch_080109.indd 5 09.01.2008 21:51:23 Uhr disc-brosch_080109.indd 6 09.01.2008 21:51:23 Uhr 1. Einleitung

Globalisierung und Discountierung hängen eng mit- Arbeitskraft zum Niedrigstpreis – in Bangladesch einander zusammen. Unsere Kleidung wird zu rund und in Deutschland. Das sind die Folgen von Globa- 90 Prozent in Asien, Mittelamerika, Osteuropa und lisierung und Discountierung. Bangladesch ist nicht einigen Ländern Afrikas hergestellt. Die meisten mehr weit weg, ähnliche Arbeitsverhältnisse haben Einzelhandelsunternehmen wie auch die Discounter wir schon um die Ecke bei unserem Discounter. Lidl und KiK lassen dort produzieren . Das „Alterna- tive Movement for Resources and Freedom Socie- Was können wir dagegen tun? Die freiwilligen Selbst- ty“ (AMRF) untersuchte die Einkaufsstrategien von verpflichtungen der Handelskonzerne haben bisher Discountern und die Arbeitsbedingungen bei sechs zu keinen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ausgewählten Lieferanten von Lidl und KiK in Bang- geführt – sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie ladesch. Die Ergebnisse – massive Verletzungen von stehen. Denn: Sie werden nicht umgesetzt. Sie sehen Arbeits- und Menschenrechten - werden in dieser gut aus und dienen den Unternehmen als Schutz- Broschüre vorgestellt. schild vor Kritik nach dem Motto: ‚Wir wollen ja bessere Arbeitsbedingungen, aber wir können sie bei Durch den Konzentrationsprozess im Einkauf ha- unseren Lieferanten nicht durchsetzen.’ Die großen ben die Discounter eine gewaltige Macht entwickelt, Handelsunternehmen können sehr wohl die Qualität durch die sie imstande sind, die Preise zu drücken, ihrer Ware prüfen – und tun dies bis in die Fabriken Lieferfristen zu kürzen und immer mehr Verantwor- in den Niedriglohnländern hinein – aber sie sehen tung auf ihre Lieferanten abzuschieben. Das Motto sich angeblich außer Stande, ihre Lieferanten bei der lautet: Billiger, schneller, flexibler, das Risiko sollen Einhaltung von Sozialstandards zu kontrollieren. die Lieferanten tragen. Die Produzenten in Bang- Die Unternehmen, hier die Discounter, sind nur an ladesch stehen diesen großen Konzernen machtlos der Ware – zum niedrigsten Preis – interessiert; un- gegenüber. Sie geben den Druck weiter an die Nä- ter welchen Bedingungen sie hergestellt wird, inter- herInnen, auf deren Rücken letztlich der Kampf um essiert sie nicht wirklich. die niedrigen Preise ausgetragen wird. Die NäherIn- nenarbeiten ohne Arbeitsverträge zu Niedrigstlöh- Folglich müssen der Staat oder die Staatengemein- nen, Überstunden werden nicht oder nicht korrekt schaften verbindliche grenzüberschreitende Unter- bezahlt, das Recht sich zu organisieren, wird ihnen nehmensregeln aufstellen und ihre Einhaltung kon- verwehrt. Frauen werden diskriminiert – sie werden trollieren. Einzelne Länder wie Bangladesch sind zu von Vorarbeitern schlecht behandelt. Sie werden schwach, die Regierungen zu korrupt, um die Inte- schlechter bezahlt als die Männer. ressen der eigenen Bevölkerung zu verteidigen. Sie befürchten, dass die Handelskonzerne in andere – Aber nicht nur die NäherInnen in Bangladesch, auch billigere – Länder abwandern, wenn zu sehr auf die die VerkäuferInnen in Deutschland spüren tagtäg- Einhaltung von Menschenrechten geachtet wird. Die lich die Folgen der Discountierung. Das Konzept der Bundesregierung aber und die Europäische Kom- Discounter lautet: Billig-billig-billig. Nicht nur die mission stellen eine große Wirtschaftsmacht dar. Sie Waren und ihre Präsentation sollen billig sein, auch können verbindliche Regeln für Unternehmensver- die VerkäuferInnen. Stellen für Vollzeitbeschäftigte antwortung einführen und müssen endlich transna- sinken – seit 2003 gingen 180.000 Stellen verloren – tionale Unternehmen zu einer Rechenschaft über ihr Teilzeitbeschäftigte mit Niedrigstlöhnen machen die Tun verpflichten. Arbeit. Arm trotz Arbeit ist deshalb die Folge und dies trifft vor allem Frauen – 70 Prozent der Beschäf- tigten im Einzelhandel sind weiblich. Gisela Burckhardt

Einleitung – 7

disc-brosch_080109.indd 7 09.01.2008 21:51:23 Uhr 2. Wie Discounter ihre Macht nutzen: Konzentration und Expansion im Einzelhandel Von Gisela Burckhardt

Durch den Konzentrationsprozess im Einkauf ha- Der Konzentrationsprozess in der ben große Handelshäuser und Discounter eine ge- Lebensmittelbranche waltige Macht entwickelt, durch die sie imstande Im sog. Einzelhandel verkaufen Handelsunter- sind, im Einkauf die Preise fast nach Belieben zu nehmen Waren an den Endkunden im Gegensatz bestimmen, d.h. natürlich zu drücken. Die Produ- zum Großhandel, der an Wiederverkäufer ver- zenten in Asien, Mittelamerika und Osteuropa ste- kauft. Man kann den Einzelhandel nach unter- hen diesen großen Konzernen machtlos gegenüber. schiedlichen Kriterien definieren, die wichtigsten Sie geben den Druck weiter an die NäherInnen, auf sind: deren Rücken letztlich der Kampf um die niedrigen Preise ausgetragen wird. • die Branchen (nur eine oder viele), • die Größe der Verkaufsfläche sowie Im Folgenden wird die Entwicklung von Handelsun- • die Sortimentsbreite. ternehmen mit Fokus auf den Textilsektor und auf die Einkaufspraktiken von Discountern dargestellt Man unterscheidet zwischen dem Fachhandel, der werden. Zunächst wird der Konzentrationsprozess Waren aus nur einer Branche (z.B. Bekleidung) am Beispiel des Lebensmittel-Einzelhandels be- führt und dem Kaufhaus mit vielen verschiede- schrieben, anschließend wird auf die Tendenzen im nen Waren. Nach Größe der Verkaufsfläche lassen Textilsektor eingegangen. Besonderes Augenmerk sich vier Kategorien unterscheiden: a) Lebens- gilt dabei den Einkaufspraktiken der Discounter. mittelgeschäfte mit Bedienung oder mit Selbst- bedienung (SB) mit einer Verkaufsfläche bis zu 200 qm, b) Lebensmittel SB-Markt (Selbstbedingungs-Markt) mit einer Ver- kaufsfläche von 200-400 qm, c) Discounter mit einer Verkaufsfläche bis zu 1000 qm, d) Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von 400-1.500 qm. Bei der Sortimentsbreite wird unterschieden zwischen Vollsortimen- ter (z.B. Supermärkte, Kaufhäuser mit bis zu 25.000 Artikeln) und Discounter (bis zu 1.500 Artikel).

Während in Italien auf 100.000 Einwohner 124 Lebensmittelläden kommen, sind es in Deutschland nur noch 50. Dies bringt auto- matisch für die Verbraucher einen Verlust an lokalen Produkten mit sich, das Ange- bot wird zu einem Standard, das überall im Land gleich aussieht. Der Anteil der fünf größten Einzelhandelsunternehmen am Umsatz der Lebensmittel lag 2003 in Ita- lien bei 39 Prozent, in Deutschland war er

8 – Wie Discounter ihre Macht nutzen

disc-brosch_080109.indd 8 09.01.2008 21:51:24 Uhr aber fast doppelt so hoch: rund Die Superreichen des Einzelhandels 2006

70 Prozent (Bormann, 2005, Angaben in Mrd. EUR S.42 und 2007).1 Die Großen des Einzelhandels bestimmen, Aldi Nord 35 und Süd was in deutschen Landen auf 32,15 den Tisch kommt. 30 25 Fast drei Viertel der Deut- schen kauft in Kaufhäusern 20 ein, der Fachhandel dagegen METRO Group 15 schrumpft. Betrachtet man nun Lidl Kaufland Galeria noch zusätzlich den Discount- 10 Kaufhof 10,25 anteil am Lebensmittelmarkt, 9,10 Kaiser Tchibo Beisheim Tengelmann so lässt sich feststellen, dass 5 real 5,00 4,15 4,20 Globus im Jahr 2006 in Deutschland 3,20 0 1,25 42 Prozent des Lebensmittel- Theo u. Karl Dieter Ingeborg Fam. Otto Fam. Fam. Thomas Albrecht Schwarz Herz Haniel Beisheim Schmidt- Haub Bruch handels über Discounter lief. Ruthenbeck In England ist der Konzentra- tionsprozess noch einen Schritt März 2007 Quelle: manager magazin Spezial, „Die 300 reichsten Deutschen“, Oktober 2006, weiter: Dort beherrschen heute zitiert und übernommen von ver.di, Handel Nr. 4, 2006, S. 1 die „Großen Vier“ (Tesco, Asda, Sainsbury’s und Safeway) drei Viertel des Lebensmittelhandels. Der Konzentrati- Negative Auswirkungen onsprozess verlief rasant, denn 1990 beherrschten Der kleine Lebensmittelfachhandel mit seinem Be- sie noch nicht einmal die Hälfte (47 Prozent) des ratungsangebot – mit Ausnahme der Delikatesslä- Marktes (Action Aid, 2006). den – verschwindet zunehmend, da er nicht gegen die niedrigen Preise der Supermärkte und Discoun- In Deutschland haben sich die Verkaufsflächen im ter konkurrieren kann. Die Großen verdrängen die Einzelhandel seit 1970 fast verdreifacht (Super- Kleinen. Die KundInnen profitieren zwar von den märkte auf der grünen Wiese), die Zahl der Ver- niedrigen Preisen, doch gibt es auch zahlreiche kaufsstellen ist aber von 75.667 (1996) auf 61.460 negative Auswirkungen: Das Sterben der kleinen (2005) zurückgegangen. Der Umsatz von kleineren Läden verhindert eine wohnortnahe Versorgung. Geschäften mit einer Verkaufsfläche unter 400 qm Zum Einkaufen benötigt man einen Wagen, für hat sich allein innerhalb der letzten 10 Jahre hal- ältere Menschen ist dies ein Problem. Serviceleis- biert (von rund 18 Prozent 1995 auf fast 9 Prozent tungen werden bei den Discountern nicht mehr im Jahr 2005) (Bormann, 2007, S.17). Die Tendenz angeboten, der Kunde muss sich selber informie- zeigt sich also bisher in einem Konzentrationspro- ren. KundInnen irren oft suchend nach einem zess: Kleinere Geschäfte müssen schließen, dafür bestimmten Produkt durch die Gänge und finden breiten sich die Warenhäuser und Discounter mit kaum noch jemanden, den sie fragen können. In Verkaufsflächen über 400qm aus. Zukunft wird es vermutlich mit Hilfe der RFID- Chips nicht einmal mehr Kassen geben. Dann Dieser Konzentrationsprozess zeigt sich auch im werden die Preise der Waren im Einkaufswagen Gewinn nach Steuern der Einzelhandelsunterneh- per Funk vollautomatisch beim Verlassen des La- men, der von 9,3 Mrd. im Jahr 1998 auf 11,6 dens erfasst und per Kreditkarte vom Konto des Mrd. Euro im Jahr 2004 (WABE-Institut, 2007) Kunden abgebucht. gestiegen ist. Im Einzelhandel lässt sich viel Geld machen: Nicht umsonst stehen auf der Liste der Des Weiteren geht die Vielfalt der Angebote, insbe- reichsten Deutschen die Brüder Albrecht (Aldi) und sondere von regionalen Waren, zurück. Lokale In- Dieter Schwarz (Lidl). dustrie und Landwirte verlieren ihre Absatzmärkte. Beschäftigte in den kleinen Läden verlieren ihre Ar-

Wie Discounter ihre Macht nutzen – 9

disc-brosch_080109.indd 9 09.01.2008 21:51:24 Uhr beitsplätze oder diese werden in Teilzeitarbeitsplät- handel, u.a.) 44,5 Prozent (alle Angaben aus: www. ze umgewandelt, das trifft ganz besonders Frauen twnetwork.de, TW Studien, Marktstrukturdaten (siehe hierzu den Artikel von Sarah Bormann in die- Handel, 24.11.2007). ser Broschüre). Die folgende Tabelle zeigt den Rückgang der Ausga- Der Expansionsprozess ben für Bekleidung und Schuhe in Deutschland seit 2001 an den Gesamtausgaben der privaten Haus- Die Expansion geschieht auf mehreren Ebenen: Zum halte. einen haben sich die Verkaufsfl ächen verdreifacht, wie oben beschrieben. Zum an- Ausgabenstruktur der privaten deren vergrößern die Discounter Haushalte in Deutschland ihre Basisartikel. Aldi begann Angaben der Gesamtaus- 2001 2002 2003 2004 mit 400 Artikeln, heute sind es gaben in % rund 700. Schließlich expandie- ren die Discounter nicht nur in Bekleidung und Schuhe 5,4 5,2 4,9 4,8 Deutschland (Aldi: 4.200 Lä- Quelle: Zahlen zur Textil- und Bekleidungsindustrie 2006, den, Lidl: 2.750 Läden, Kik: über Gesamtverband textil + mode, S. 3 2.000 Läden), sondern auch im Ausland. Lidl ist in 23 Ländern Die Deutschen gaben 1992 für Kleidung 64 Mrd. mit 7.500 Filialen präsent, Aldi in 15 Ländern mit Euro aus, 2005 aber nur noch 56 Mrd. Euro. Die 7.299 Filialen. Aldi macht seinen größten Umsatz geringeren Ausgaben bedeuten allerdings nicht, (55 Prozent) jedoch in Deutschland und ist hier mit dass volumenmäßig weniger eingekauft wird. Das Abstand der größte Discounter. Während Lidl in Gegenteil trifft zu. In Großbritannien hat sich das Deutschland nur die 2. Stelle unter den Discoun- Volumen der Kleidung allein in den letzten zehn tern einnimmt, liegt sein Umsatz weltweit über dem Jahren verdoppelt, die Durchschnittspreise sind von Aldi. Lidl expandierte stark nach Osteuropa und aber im gleichen Zeitraum um 30-40% gefallen wuchs wesentlich schneller als Aldi. (Beckett 2006). Wir konsumieren also mehr, aber billiger. Es werden immer mehr Waren zu Die deutsche Metro AG, das viertgrößte Handelsun- immer niedrigeren Preisen angeboten. Auf wen ternehmen der Welt, mit 2.458 Verkaufsstellen und werden die Kosten dafür abgewälzt? einem Umsatz von fast 70 Mrd. US$ im Jahr 2005 (EHI zitiert nach Wick, 2007, S.27) ist in 30 Län- Die 32 Mio Engländer kaufen mittlerweile 30 Pro- dern präsent (Metro Group, zitiert nach Wick, 2007, zent ihrer Kleidung bei vier der größten Kaufhäuser S.30). Der Konzern ist auch auf dem chinesischen (Tesco, Asda, Sainsbury’s, Marks & Spencer) ein. Markt aktiv und betreibt dort 23 Cash & Carry Märk- Die großen Discounter zahlen bis zu 15-20 Prozent te (Bormann, 2005, S.46). weniger für die Waren an ihre Lieferanten als die normalen Warenhäuser (ActionAid, 2007, S.16). Entwicklung im Textil- und Mit den großen Mengen, die sie abnehmen kön- Bekleidungssektor nen, drücken sie massiv die Einkaufspreise. Aber auch die Warenhäuser haben sich mittlerweile Ge- Die Umsätze in der Textil- und Bekleidungsbranche genstrategien ausgedacht: Sie bilden Kaufgruppen in Deutschland waren von 1996 (62,89 Mrd. Euro) mit Unternehmen aus anderen europäischen Län- bis 2004 (56,27 Mrd Euro) rückläufi g und steigen dern, wodurch ihr Gewicht ähnlich stark wird wie seit 2005 wieder leicht an. Im Jahr 2006 betrug der das der Discounter. Die Lieferanten in den Ent- Umsatz an Bekleidung und Textilien in Deutsch- wicklungsländern geraten in immer stärkere Ab- land insgesamt 55,2 Mrd. Euro.2 Daran hat der Tex- hängigkeit von wenigen multinational agierenden tilfachhandel (Textil und Bekleidung) einen Anteil Unternehmen und deren Importeuren. Mit immer von 55,5 Prozent, (der Bekleidungseinzelhandel geringeren Preisen drücken sie die Löhne. Letzt- allein 50 Prozent) und der Nicht-Textilfachhandel endlich sind die NäherInnen in den Fabriken die (Kaufhäuser, Discounter, Sportgeschäfte, Versand- Leidtragenden.

10 – Wie Discounter ihre Macht nutzen

disc-brosch_080109.indd 10 09.01.2008 21:51:24 Uhr Man sollte aber nicht meinen, dass die großen Ein- dische Bekleidungshaus H&M, an 2. Stelle das käufer alle aus Europa und den USA stammen. Das spanische Unternehmen Inditex (Zara) und an 3. börsennotierte Familienunternehmen Li&Fung aus Stelle das deutsch-niederländische Textilkaufhaus Hongkong ist der größte Beschaffer (nicht nur von C&A. Ihr Jahresumsatz ist gewaltig, bei H&M lag er Textilien) weltweit geworden. Das Unternehmen be- 2005/6 bei über 6 Mrd. Euro. In Deutschland hin- liefert die großen Handelskonzerne Wal-Mart, Carre- gegen liegt H&M an 5. Stelle unter den größten Tex- four, Hilfi ger, Esprit und seit Herbst 2006 auch Ar- tileinzelhändlern, nach C&A (siehe unten). candor, früher Karstadt/Quelle. „Unsere Marge verbessert sich Umsätze der größten Textileinzelhänd- damit um 10 bis 15 Prozent“ ler weltweit (ohne Großbritannien) gibt Einkaufsvorstand Helmut Merkel von Karstadt bekannt Unternehmen Ursprungsland 2005/6 Umsatz (Handelsblatt 27.3.2007). Das (Millionen Euro) Betriebskapital würde sich laut H&M Schweden 6,128 Angaben des Konzerns um eine Grupo Inditex Spanien 5,514 halbe Mrd. Euro verringern, da C&A Deutschland/Nieder- 4,563 Li&Fung gegenüber den Liefe- lande ranten ein „längeres Zahlungs- Esprit Hong Kong 1,810 ziel“ besäße, als es Arcandor Benetton Gruppe Italien 1,481 oder die frühere KarstadtQuelle Peek & Cloppenburg Deutschland 1,425 AG hatte. (Wikipedia, 10.10.07) Spanien 1,144 Übersetzt heißt dies: Li&Fung Vivarte Frankreich 953 kann die Preise noch stärker drü- Grupo Cortefi el Spanien 916 cken und zahlt offenbar mit Ver- Varner Group Norwegen 873 zögerung. Das ist kein Wunder, Charles Vögele Schweiz 870 denn Li&Fung ist ein asiatischer Etam Development Frankreich 725 Riese, der 70 Einkaufsbüros in Gap USA 662 44 Ländern mit 7.000 Mitarbei- Quelle: ECRA, 2007 S. 25 tern unterhält, die gegeneinan- der konkurrieren müssen. „Das stärkt den Wettbewerb und die Eigeninitiative“ meint Wo kaufen die Deutschen ihre William Fung. An seiner roten Windjacke zeigt er den Bekleidung? Journalisten, wie global sein Unternehmen arbeitet: „Das Obermaterial haben wir in Korea besorgt, der In Deutschland kauft die Hälfte aller Kunden Be- Reißverschluss stammt aus Japan, die Füllung aus kleidung teilweise bei Discountern wie Aldi und Lidl China, die Gummizüge aus Hongkong und das Futter (TextilWirtschaft 33 vom 18.8.2005). Aldi hat es ge- liefert Taiwan“ (Handelsblatt 27.3.2007). schafft, alle Käuferschichten anzusprechen, nicht nur die mit dem schmalen Geldbeutel. Zwar macht der Insider schätzen, dass Li&Fung eine Vermitt- Anteil der Textilien an allen Warengruppen der Dis- lungsprämie von rund fünf Prozent des Umsatzes counter nur rund 5 Prozent aus. Aber innerhalb von kassiert. Sein Umsatz im Jahr 2006 belief sich 10 Jahren (1992-2002) hat der Umsatz an Bekleidung auf 8,7 Mrd. US Dollar, der Nettogewinn stieg bei Aldi um 222% zugenommen (Erlinger zitiert nach im Jahr 2006 um 23 Prozent auf 282 Millionen Wick, 2007, S.12). Im Jahr 2005 lag der Aldi-Umsatz US Dollar. William und sein Bruder Victor Fung mit Textilien und Bekleidung bei knapp 1,1 Mrd. verfügen mittlerweile über ein geschätztes Ver- Euro. Mittlerweile haben die Konkurrenten (Lidl, mögen von je 2,4 Milliarden US Dollar (Handels- Kik, Tchibo) nachgezogen. Die Tengelmann Gruppe blatt 27.3.2007) (KiK und Plus) hat Aldi seit 2005 sogar im Umsatz bei der Bekleidung überrundet. Laut der von der Tex- Schaut man nur auf die Bekleidungseinzelhändler tilWirtschaft veröffentlichten Liste der größten Texti- (ohne Großbritannien), steht an 1. Stelle das schwe- leinzelhändler in Deutschland (2006, siehe Tabelle)

Wie Discounter ihre Macht nutzen – 11

disc-brosch_080109.indd 11 09.01.2008 21:51:25 Uhr liegt Tengelmann mittlerweile an 7. Stelle vor Tchibo, Der größte Textileinzelhändler ist jedoch mit Ab- Aldi und Lidl. So hat Tengelmann mit seinen 2.897 stand Arcandor/KarstadtQuelle mit einem Umsatz Plus- und 2.100 Kik-Filialen einen Umsatz mit Tex- von 4,2 Mrd. Euro 2006. Ihm folgen der Ottover- tilien von 1,27 Mrd. Euro. Andere Discounter (Aldi, sand mit 3,5 Mrd. Euro Umsatz und Metro (Kaufhof Lidl, Tchibo) liegen bei rund 1 Mrd. Textilumsatz. und Adler u.a.) mit 3 Mrd. Euro Umsatz. Auch die

Die größten Textilhändler in Deutschland 2006

Rang Unternehmen Umsatz in Millionen Euro Veränderung Bemerkung in Prozent 2005 2006 # 1 Arcandor/KarstadtQuelle, Essen 4207 4424 -4,9 Umsatz nicht vergleichbar, neue Schätzgrundlage. 120 Metro C+C-Filialen, 286 Real SB-Warenhäuser, # 2 Otto, Hamburg 3548* 3650* „Textilumsätze im Katalog- und Onlineversand im We- sentlichen mit Otto, Schwab, Heine, Witt Weiden, Baur, Sport Scheck, Frankonia, Discount24.de, Bon Prix und Frankonia. Stationär auch Castro, Witt, Bonprix, Sport Scheck, Frankonia, Heine, Witt und Baur. Wegen Minder- heitsbeteiligung 2006 erstmals ohne Zara, daher Umsatz nicht vergleichbar“ # 3 Metro, Düsseldorf 3074* 3245* „Umsatz nicht vergleichbar, neue Schätzgrundlage. 120 Metro C+C-Filialen, 286 Real SB-Warenhäuser, 85 per 1.11. übernommene SBW Wal-Mart, 259 Extra-Verbrau- chermärkte, 127 Kaufhof-Häuser und 109 Adler-Filialen“ # 4 C&A, Düsseldorf 2810 2700 4 400 C&A-Filialen # 5 Hennes&Mauritz, Hamburg 2175 2120 2,6 303 Filialen # 6 Peek&Cloppenburg, Düsseldorf 1496* 1453 3 88 Filialen inkl. Anson’s # 7 Tengelmann, Mülheim/R. 1274* 1244* 2,4 Textilumsätze mit 2897 Plus- und 2100 KiK-Filialen # 8 Tchibo, Hamburg 1077* 1077* Rund 1000 Filialen, E-Commerce und Katalogversand # 9 Aldi-Gruppe, Essen/Mülheim/R. 1050* 1095* -4,1 Aldi Nord mit rund 2400, Aldi Süd mit etwa 1800 Fili- alen # 10 Lidl, Neckarsulm 1010 1055 -4,3 2800 Filialen # 11 Takko, Telgte 790* 770* 2,6 850 Filialen # 12 Klingel, Pforzheim 700 720* -2,8 Versand per Katalog und Internet mit Klingel, Mona, Babista, Wellsana, Meyer Mode sowie 5 stationäre Ein- heiten # 13 Esprit, Ratingen 650 490 32,7 117 Filialen sowie E-Commerce unter www.esprit.de # 14 New Yorker, Braunschweig 582 513 13,5 278 Filialen # 15 Ernsting’s Family, Coesfeld 530* 460* 15,2 1240 Filialen # 16 SinnLeffers, Hagen 500 563 -11,2 47 Filialen # 17 Peek&Cloppenburg, Hamburg 480* 460* 4,3 27 Häuser. Neu eröffnet in Münster (9/06, 9000m²), Flä- che verdoppelt im AEZ auf 6000m² (9/06), Filiale in HH- Harburg geschlossen (Sommer 06) # 18 NKD, Bindlach 465 446 4,3 924 Filialen # 19 Woolworth, Frankfurt 435 445 -2,2 325 Filialen # 20 Breuninger, Stuttgart 423 389 8,7 13 Breuninger-Häuser sowie bis 12/06 Modehaus Heine- mann, Düsseldorf # 16 SinnLeffers, Hagen 500 563 -11,2 47 Filialen # 17 Peek&Cloppenburg, Hamburg 480* 460* 4,3 27 Häuser. Neu eröffnet in Münster (9/06, 9000m²), Flä- che verdoppelt im AEZ auf 6000m² (9/06), Filiale in HH- Harburg geschlossen (Sommer 06) # 18 NKD, Bindlach 465 446 4,3 924 Filialen # 19 Woolworth, Frankfurt 435 445 -2,2 325 Filialen # 20 Breuninger, Stuttgart 423 389 8,7 13 Breuninger-Häuser sowie bis 12/06 Modehaus Heine- mann, Düsseldorf Quelle: Ausschnitt aus : www.twnetwork.de/unternehmenundmaerkte/twranglisten/pdf/GroesstenTextil2006

12 – Wie Discounter ihre Macht nutzen

disc-brosch_080109.indd 12 09.01.2008 21:51:25 Uhr so genannten Vertikalen (H&M, C&A), die nur ihre dem Export stark abhängig ist. Die WTO erlaubte Eigenmarke verkaufen, konnten ihren Umsatz um allerdings bei erheblichen Marktstörungen erneu- 2-4 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern und te Mengenbeschränkungen gegen China-Importe. liegen bei 2,8 Mrd. Euro (C&A) und 2,17 Mrd. Euro So wurden Quoten wieder neu geschaffen, die eine (H&M). Der Umsatz der Fachgeschäfte hingegen Einfuhr von chinesischen Importen in die EU bis hat sich von 1992-2004 auf 29 Mrd. Euro fast hal- Ende 2007, in andere Länder (u.a. USA) bis Ende biert. Auch ihre Anzahl ist stark zurückgegangen: 2008 begrenzt. Eine vollständige Liberalisierung 1996 gab es noch über 55.000 selbständig geführ- des Textil- und Bekleidungsmarktes soll schließ- te Bekleidungsunternehmen, 2005 waren es nur lich ab 2015 bestehen. noch 38.000. Dennoch haben sie noch immer die meisten Kunden (55,5 Prozent der Umsätze wer- Der Konkurrenzkampf der armen Länder um die den noch immer im Textil-Fachhandel gemacht, Erhaltung ihrer Bekleidungsindustrie konzent- s.o.) Als Konkurrent hat der Versandhandel in den riert sich oft darauf, die niedrigsten Löhne anprei- letzten Jahren stark zugenommen. Mehr Kunden sen zu können. Betrachtet man die verschiedenen bestellen dort Ihre Kleidung als sie in (Multi-Label) Kostenanteile hingegen aus Sicht der Einkäufer/ Bekleidungshäusern wie z.B. Peek & Cloppenburg Unternehmen, haben die Löhne am Endverkaufs- kaufen (www.twnetwork.de, TW Einkaufsstätten- preis eines Produktes nur einen Anteil von 0.5-1 Studie 18.8.2005). Prozent, wie das Schaubild anbei zeigt. Marketing und Werbung sowie der Profi t für das Unterneh- Die Einkaufsstättenstudie der TextilWirtschaft men in Deutschland/Europa haben dagegen einen (2005) kommt zu dem Schluss: Der Trend geht zur Anteil von ca. 25 Prozent am Endverkaufspreis. Kombination, Tabus gegenüber den Discountern gibt Eine Lohnerhöhung ist daher eher „Peanuts“ in es nicht mehr. KundInnen wechseln heute zwischen den Augen der Einkäufer. Dennoch feilschen sie Discount und Fachgeschäft: Das Discount T-Shirt um jeden Cent. von Aldi wird mit der Brax-Hose kombiniert, H&M Kundinnen verschönern ihr Outfi t mit Lagerfeld. Preiszusammensetzung eines T-Shirts

11% Transport Woher kommt unsere 1% Lohnkosten und Steuern Kleidung? Zu ca. 90 Prozent wird die Kleidung in Ländern im Süden, insbesondere Süd- und 13% Fabrik- kosten Südostasien, Mittelamerika, einigen Län- 50% Gewinn dern Afrikas sowie auch in Osteuropa her- und Kosten des Einzelhandels gestellt. Nach dem Auslaufen des Welttex- tilabkommens Ende Dezember 2004 fi elen die bisher festgesetzten Exportquoten für Textilprodukte für einzelne Länder weg. Er- 25% Marken- wartungsgemäß stiegen die Exporte Chinas werbung rasant an. 2005 wuchsen die Exporte Chi- nas in die USA um 47 Prozent, in die EU um 43 Prozent (Wick, 2007, S.24). Der Markt- anteil Chinas an den weltweiten Bekleidungsex- Das Schaubild zeigt, wie sich der Preis einer Ware insgesamt porten stieg von 20 auf 27 Prozent an, d.h. China aufteilt, d.h. nur rund ca. 14 Prozent (Fabrik- plus Lohnkosten) bleiben im Land, z.B. in Bangladesch. produziert heute mehr als ein Viertel der weltwei- ten Bekleidung. Der Quotenwegfall führte zu Preis- Interessant ist auch ein Blick auf die Kostenauftei- reduktionen und einem starken Konkurrenzkampf lung, sobald die Ware verschifft wird. Vom Verlas- der armen Länder untereinander, die Bekleidung sen der Ware von der Fabrik bis zum Endverkauf an exportieren und deren Nationaleinkommen von die KonsumentInnen im Laden kann sich der Preis

Wie Discounter ihre Macht nutzen – 13

disc-brosch_080109.indd 13 09.01.2008 21:51:25 Uhr verzehnfachen, wie folgendes Beispiel aus Däne- märkten ist. Die kommunale Verkaufsfl ächenre- mark zeigt: gulierung begrenzt die Ansiedlung von Unternehmen in Kommunen Preisstruktur für Kleidung auf eine Fläche von max. bis (von einem dänischen Großhändler) zu 700 qm. Die großen Su- Preisstruktur für Kleidung US$ permärkte mit riesigen Ver- Free on Board (FOB)3 6.44 kaufsfl ächen müssen deshalb Versicherung und Fracht etc. 0.64 auf die „grüne Wiese“ gehen. Kosten Versicherung und Fracht (CIF) Preis 7.09 • sie die Lagerbestände und Zölle, Steuern u.a. Verplichtungen (Duty) sofern 0.85 damit die Kosten für Vorrats- vorhanden haltung äußerst gering halten Kosten einschl. Ausladen und Zoll 7.94 (lean retailing). Großhandelaufschlag 35-70% 3.97 • sie deutlich weniger für Großhandelspreis 11.91 Werbung als Supermärkte Einzelhandel Aufschlag 200-300% 35.72 oder Kaufhäuser ausgeben. Einzelhandelspreis ohne MWST 47.63 • sie beim Einkauf von riesigen MWST 25% (in Dänemark) 11.91 Mengen die Preise ungehörig Verkaufspreis an Endverbraucher, 59.53 drücken und ihre Markt- incl. MWST macht insgesamt ausspielen können. Quelle: Danish Import Promotion Programme, zitiert nach ECRA, 2007, S.27 • sie mit „Schnäppchen“/Akti- onsware die Kunden locken. Discounter • sie beim Personal sparen (kein Service, dazu müssen die Angestellten unbezahlte Überstun- Was unterscheidet den Discounter von einem Super- den leisten für z.B. die Abrechnung der Kasse markt oder einem Kaufhaus? Der Discounter wird und das Putzen der Filiale). Bei Discountern im Brockhaus folgendermaßen defi niert: „Discoun- beträgt der Arbeitskostenanteil an den Gesamt- ter – Einzelhandelsgesellschaft, das ein begrenztes, kosten nur 6,7 Prozent. Zum Vergleich: bei auf raschen Umschlag ausgerichtetes Sortiment von Supermärkten liegt der Lohnkostenanteil bei Waren dauerhaft zu niedrig kalkulierten Preisen über 14 Prozent (WHI 2006, S. 287). anbietet und auf Dienstleistungen wie Bedienung, • sie die Organisierung der Beschäftigten verhin- Beratung und Kundendienst weitgehend verzichtet. dern (siehe die Fälle Schlecker, Lidl, Aldi Süd Um die Betriebskosten möglichst gering zu halten, und KiK) und damit die Löhne niedrig halten. werden unter anderem größere Warenmengen un- ter Ausschaltung des Großhandels beschafft, auf Einkaufspraktiken von niedrige Lagerhaltung geachtet, kosten- und ver- Discountern kehrsgünstige Standorte bevorzugt und wenig Per- sonal beschäftigt.“ Die meisten Discounter kaufen über Importeure ein und kümmern sich oft wenig, wo die Waren herkom- Zusätzlich lässt sich festhalten, dass Discounter men und unter welchen Bedingungen sie hergestellt deshalb so billig sind, weil: wird. Die Tendenz in der Bekleidungsbranche geht dahin, dass sich die großen Handelshäuser und ihre • das Sortiment begrenzt auf ca. 700 (Aldi) bis Importeure auf immer weniger ausgewählte Produ- 1000 (Lidl) Produkte ist. Ein Supermarkt da- zenten in wenigen sog. „strategischen“ Ländern kon- gegen bietet ca. 25.000 Artikel an. Die Begren- zentrieren und immer mehr Schritte (vom Einkauf zung auf weniger Artikel ermöglicht gleichzeitig von Waren wie Knöpfen und Reißverschlüssen bis den Einkauf von größeren Mengen. zum Design) an diese Lieferanten auslagern. Kür- • die Produkte schmucklos in Kartons in den Rega- zung der Lieferkette und Konzentration auf wenige len stehen. Auf Dekoration wird völlig verzichtet. Länder und Lieferanten ist das Ziel. Das bedeutet • die Verkaufsfl äche nicht so groß wie bei Super- konkret, dass die Unternehmen mit ihren Lieferan-

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disc-brosch_080109.indd 14 09.01.2008 21:51:26 Uhr ten immer enger zusammen arbeiten wollen. Dies die Mengen in nicht so kurzer Zeit liefern können. kann sogar so weit gehen, dass die Unternehmen In der Regel werden die Sozialstandards bei den einen Teil des Kapitals ihres Lieferanten besitzen Sub-Lieferanten und deren Sub-Lieferanten noch (z.B. Nähmaschinen). Adidas hat z.B. in den letzten viel weniger befolgt und ihre Einhaltung wird zwei Jahren über 200 Zulieferer weltweit ausgelis- noch weniger bis gar nicht extern überprüft. Ei- tet und kauft nur noch in 5-6 Ländern ein. Seit 2005 nerseits ist es zu begrüßen, dass die Beziehungen hat Aldi 80 Prozent seiner Aufträge aus der Türkei zwischen einigen Einkäufern und ihren Lieferan- abgezogen. Tchibo will sich nur noch auf fünf stra- ten enger, vor allem zuverlässiger, werden, wo- tegische Länder konzentrieren. mit in einigen Fällen eine stärkere Verpflichtung zur Einhaltung von Sozialstandards einhergehen Diese neue Tendenz führt zu einer starken gegen- mag. Andererseits bringt dieser Konzentrations- seitigen Abhängigkeit, wobei die Abhängigkeit des prozess es mit sich, dass die Produktionskette we- Lieferanten vom Einkäufer (Unternehmen oder Im- gen der Unterauftragnahme weniger sichtbar und porteur) in der Regel aufgrund dessen Marktmacht transparent nach außen wird. größer ist als umgekehrt. Aufträge von wenigen Importeuren/Unternehmen, dafür aber mit einem Viele Unternehmen und Importeure nutzen ihre unge- großen Volumen, machen die Lieferanten extrem heuere Macht, um die Lieferanten zu zwingen, billiger abhängig von ihren Auftraggebern. Aufgrund der und schneller zu produzieren. So wurden laut einer großen Menge oder auch mehrerer Aufträge sind Studie von Action Aid (2007) im Lebensmittelbereich die Kapazitäten des Lieferanten ausgelastet, er kann zwei Drittel der Lieferanten der vier größten Super- keine weiteren Aufträge annehmen. Dies hat zur marktketten Großbritanniens aufgefordert, Exklusiv- Folge, dass die Einkäufer die Bedingungen (Preis, verträge mit nur einer Handelskette abzuschließen. Die Lieferzeit, u.a.) diktieren können. Hälfte der Lieferanten willigte – notgedrungen – ein.

Zudem liegt die Gefahr auf der Hand, dass die Die Einkaufspraktiken der Unternehmen weisen Lieferanten die Aufträge weiter nach unten an folgende drei Tendenzen auf: „billiger, schneller, Sub-Lieferanten weiterreichen werden, weil sie Risiko abwälzend“:

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disc-brosch_080109.indd 15 09.01.2008 21:51:26 Uhr Billiger:

• Preise werden gedrückt: Die Preise für können dort sehen, zu welchem Preis andere Frauenkleidung fielen in den letzten 10 anbieten, was zu einem skandalösen Unterbie- Jahren um ein Drittel. Dies geschah, ten führt. In der Regel muss schnell gehandelt obwohl in den meisten Entwicklungslän- werden, innerhalb weniger Stunden ist ein dern die Produktionskosten allein schon Auftrag weg, der Lieferant kann also nicht lange aufgrund höherer Energiepreise gestiegen kalkulieren. sind. • Lieferanten wird gedroht, dass sie aus- Risiko abwälzend: gelistet werden, wenn sie den Preis nicht reduzieren. • Lieferanten müssen sich darauf einstellen, dass • Spezialrabatte und Preisabschläge werden Waren je nach der Absatzlage kurzfristig geor- ausgehandelt. dert werden. Die Unternehmen reduzieren ihre • Multis bilden Kaufgemeinschaften gegen- Lagerhaltung auf ein Minimum, um Kosten zu über Lieferanten. AMS (Associate Marke- sparen. „Quick response“ ist eine Informations- ting Services) kauft für 8 Supermarktket- technologie, die folgendermaßen funktioniert: ten mit 40 Mrd. Pfund für 14 europäische Einmal in der Woche, in der Regel am Sonntag Länder ein! (Action Aid, 2007) nach dem Wochenendverkauf, schickt das Un- ternehmen eine Bestellung an den Lieferanten, Schneller: die dieser am Sonntagabend noch empfängt. Bis Mittwoch muss er dann die Ware liefern.“ • Kollektionen wechseln immer häufiger: Früher (Abernathy et al 2005). Das Unternehmen gab es zwei Mal im Jahr einen Wechsel, heute spart nicht nur Lagerkapazitäten, sondern wälzt findet er je nach Handelshaus bis zu 12 Mal im zusätzlich alle Risiken auf die Lieferanten ab Jahr statt. Für besonders häufige Wechsel ist (die ja Kosten für den Einkauf der Materialien das spanische Bekleidungsunternehmen Zara haben). Immer häufiger wird es Praxis, dass das bekannt. In dem 4-5 Wochen Produktionszyk- Unternehmen nur noch für den ersten Teil der lus von Zara sind nur 10 Tage für die eigentliche Lieferung einer Ware eine Abnahmegarantie Produktion vorgesehen. gibt, weitere Teile hängen vom Absatz ab, im • Lieferzeiten werden immer kürzer: „2003 be- Fachjargon heißt dies: ECR= Efficient Consu- trugen sie noch 90 Tage, 2004 schon 60 Tage, mer Response). manchmal sogar 45 Tage“ klagt ein Fabrikbe- • Lieferanten müssen zunehmend mehr Aufga- sitzer aus Sri Lanka (Oxfam 2004). Marok- ben übernehmen, die früher die Textilhändler kanische Lieferanten müssen heute für das ausführten. So müssen immer mehr Lieferan- spanische Kaufhaus El Corte Ingles Aufträge ten Stoffe und Garne und andere Zubehöre innerhalb von 7 Tagen erfüllen, die Produkti- (Knöpfe, Reißverschlüsse, etc.) selber auf onszeit reduzierte sich von 2000 bis 2005 um eigenes Risiko einkaufen. Einkäufer können 30%. (ECRA, 2007, S.28). Ein anderer Fabrik- dadurch Lieferzeiten verkürzen und Kosten besitzer aus Marokko erzählt: „Vor drei Jahren einsparen. dauerte eine Standardlieferung einen Monat. Heutzutage haben wir Aufträge, wo der Lastwa- Die Einkaufspraktiken haben direkte Auswirkungen gen am Dienstag kommt, und am Samstag ist er auf die Arbeitssituation der NäherInnen. Die Liefe- schon mit der Ware zurück auf dem Weg nach ranten geben den Druck in Form von Preisen und Spanien“ (Oxfam 2004). Lieferfristen weiter auf ihre ArbeiterInnen, die im- • Einkäufer können heutzutage mit Hilfe der mer häufiger Nachtschichten leisten müssen, weil weltweiten elektronischen Vernetzung die ein Auftrag verschifft werden muss. Überstunden gesamte Lieferkette (value chain) kontrollie- sind die Regel, die gar nicht oder schlecht entlohnt ren. Im Internet werden Aufträge mit Hilfe von werden. In Kapitel 4 werden die Auswirkungen im „online reverse auctions“ vergeben. Die Bieter Einzelnen dargestellt.

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disc-brosch_080109.indd 16 09.01.2008 21:51:26 Uhr „Ich habe meine Arbeiterinnen regelmä- ßig jede Woche ins Krankenhaus geschickt Die hohen Kosten – sie litten unter Erschöpfung, wurden der niedrigen Preise ohnmächtig und bekamen psychische Pro- Gestaltungswettbewerb »fair-kaufen« bleme…manchmal laufe ich auf der Straße an ehemaligen Arbeiterinnen vorbei – Ich wage nicht, sie nach ihrer Gesundheit zu fragen.“ Ehemaliger Fabrikbesitzer in Thai- land (ECRA, 2007)

Für die meisten NäherInnen hat die welt- weite Beschleunigung des Umsatzes und der verstärkte Wettbewerbsdruck der Lieferan- ten innerhalb eines Landes und zwischen den Ländern zu sinkenden Sozialstandards geführt. Discounter betreiben eine beson- ders aggressive Einkaufspolitik. Da sie meis- tens nicht direkt bei den Lieferanten einkau- fen, sondern häufi g Importeure dazwischen schalten, haben sie kein direktes Verhältnis www.lidl.ver.di.de zu ihren Lieferanten, können schon deshalb keine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf- bauen.

Dr. Gisela Burckhardt ist entwicklungspolitische Gutachterin und Beraterin und ist berufl ich in zahl- reichen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens tätig. Sie unterstützt ehrenamtlich die deutsche „Kampagne für saubere Kleidung“.

1 Unter den Top Fünf des deutschen Einzelhandels steht an erster Stelle die Metro Gruppe mit Real, Saturn, Mediamarkt und Kauf- hof. An zweiter Stelle befi nden sich die Aldi Brüder mit Aldi Nord und Aldi Süd, an dritter Stelle steht die REWE Gruppe mit dem Discounter Penny, den Fachmärkten HL und Minimal, die Drogeriekette Idea und der Verbrauchermarkt Toom. Die Edeka Gruppe und die Schwarzgruppe (Lidl, Kaufl and) folgen an vierter und fünfter Stelle. 2 Der Umsatz nach Absatzwegen beruht auf vorläufi gen Angaben, daher vermutlich die Differenz in der Gesamtsumme zwischen 57,18 Mrd und 55,24 Mrd Euro. Beide Angaben stammen aus der gleichen Quelle 3 FOB ist der Wert der Ware nach dem Ende der Herstellung und vor Verschiffung.

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disc-brosch_080109.indd 17 09.01.2008 21:51:26 Uhr 3. Die Discounter Lidl und KiK

3.1 Lidl – Der Discount-Gigant Von Evelyn Bahn

Typische Lidl Filiale - Das äußere Erscheinungsbild ist in allen Ländern gleich.

Die Jagd nach Schnäppchen und Purzelpreisen ein. In jedem Land tritt Lidl mit demselben Unter- führt unwillkürlich zu dem Unternehmen, das mit nehmensdesign auf – Logo, Architektur der Filia- dem Slogan „Gute Qualität zum billigen Preis“ wirbt. len, Einkaufswagen, Anordnung der Produkte und „Lidl ist billig!“ versprechen bunte Werbeprospek- Werbeprospekte unterscheiden sich, abgesehen von te mit den neuesten Angeboten für Deutschlands der Sprache, nicht. Doch nicht nur das äußere Er- Schnäppchenjäger. In den vergangenen Jahren scheinungsbild des Discounters ist in jedem Land erlebte Lidl einen massiven Boom. In inzwischen gleich, sondern auch hinter den Kulissen lassen sich 2.700 Filialen in Deutschland finden Konsumen- ähnliche Strukturen feststellen. Aus allen Ländern tInnen Lebensmittel und andere Artikel zu Dis- gibt es Berichte über massive Arbeitsrechtsverlet- countpreisen, allein im Jahr 2005 kamen 200 neue zungen in den Lidl-Filialen. VerkäuferInnen müs- Filialen hinzu. sen zu Niedrigstlöhnen an den Kassen schuften und Überstunden stehen auf der Tagesordnung. Wollen Das Lidl-Billig-Prinzip hat nicht nur in Deutsch- die VerkäuferInnen ihre Rechte einfordern und bei- land Erfolg, sondern auch in 23 weiteren Ländern spielsweise einen Betriebsrat gründen, werden sie Europas. Von Spanien bis Norwegen, von Groß- diskriminiert oder gar entlassen. Wie diese Studie britannien bis Slowenien – überall kaufen immer am Beispiel der Bekleidungsindustrie zeigt, geht die mehr Menschen in einer der 7.500 Filialen des Billigpreis-Politik des Discounters auch auf Kosten Discount-Marktes mit dem gelb-blau-rotem Logo der ArbeiterInnen in den Produktionsländern.

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disc-brosch_080109.indd 18 09.01.2008 21:51:28 Uhr Lidl Buch Europa_final 02.06.2006 15:49 Uhr Seite 10

opponierte gegen höhere Löhne im öffentlichen Dienst. In Rumänien wollte er keinen Mindestlohn von 75 Euro im Monat.

Auch in allen anderen Staaten ist »das freie Spiel der Marktkräfte« ober- stes Prinzip für Weltbank und IWF. Dass die großzügig finanzierte Expansion

EINLEITUNG der Schwarz-Gruppe gen Osten und Südosten die Wettbewerbschancen gerade für die lokalen Anbieter noch weiter verzerren wird, ist da nur Die Wurzeln des Discountersscheinbar ein Widerspruch.viele Presseanfragen Der Kapitalismus blieben war noch unbeantwortet. nie ein freier Wett- Erst bewerb zum Wohle aller. 10 in jüngster Zeit und durch die öffentlichkeitswirk- Hinter dem Discount-Giganten steckt das Unterneh- samen Kampagnen von ver.di und Attac versuchte Gerade die IFC habe schon viele Beispiele geliefert, wie von ihr finan- men „Schwarz“. Bereits im Jahr 1930 gründete Josef das Unternehmen durch Öffentlichkeitsarbeit mög- zierte Projekte zu Umweltzerstörung, Armut und steigender sozialer Schwarz das Südfrüchte-Großhandelsunternehmen lichen Schaden von sich abzuwenden (Hamann u.a.: Ungleichheit führen. Das betonten im Dezember 2004 in einem gemeinsa- Lidl & Co. Schon wenige Jahre nach der Eröffnung 2006). des ersten Ladens wei- tete Josef Schwarz sein Lebensmittelangebot Schwarz Dieter Schwarz Stiftung Unternehmenstreuhand KG gGmbH auf andere Produkte (SUT) Finanzholding, hält fast alle aus und zog 1972 mit Strategische Schaltzentrale, Anteile, aber keine Stimmrechte hält alle Stimmrechte aber kaum Anteile a.o. Mitglieder: GF: Dieter Schwarz, der Firmenzentrale zum Dieter Schwarz, Komplementär (Sprecher): Klaus Gehrig Dr. Erhard Klotz

heutigen Standort nach 0,1% 99,9% Neckarsulm um. Doch erst als Josef Schwarz 1977 starb und sein Schwarz Beteiligungs- Sohn Dieter das Ge- 100% gesellschaft mbH 100% schäft übernahm, wurde 1978 das erste Discoun- ter-Geschäft eröffnet. LidI Stiftung & Co. KG Kaufland Stiftung & Co. KG phG: Dieter Schwarz, Schwarz Beteiligungs phG: Familienstiftung Schwarz, Dieter Schwarz GmbH, Handelshof Stiftung, LidI Stiftung & Geschäftsführungs KG, Kaufland Stiftung & Co. Dieter Schwarz kopierte Co. Beteiligungs-GmbH Beteiligungs GmbH Kommanditistin: LidI Stiftung & Co. Kommanditist: Dieter Schwarz das Aldi-Konzept. Die Verwaltungs-GmbH Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht hatten

bereits Ende der 1940er Diverse Immobiliengesellschaften, die von der Schwarz Immobilienverwaltung GmbH & Co. KG oder von der Familie erste Discount-Läden Schwarz gehalten werden unter dem Namen Aldi eröffnet und waren mit Lidl Europa Kaufland Europa dem Konzept „Weniger Landesgesellschaften Landesgesellschaften ist Mehr“ erfolgreich. Heute ist das Schwarz- Das Schwarz Imperium (Die Infografik stützt sich auf Informationen der „Wirtschaftswoche“ und zum Teil auf anonym zugespieltes Material. Sie wurde dem Schwarzbuch Lidl; ver.di entnommen). Imperium ein komple- xes Geflecht aus verschiedenen DASBeteiligungsunter SCHWARZ-IMPERIUM- nehmen, Stiftungen und Tochtergesellschaften.Das Imperium Das des MassiveUnternehmers Gewinne Dieter Schwarz zu billigsten ist in über 600 Firmen Unternehmen ist nicht an der Börse notiertverschachtelt, und gilt u.a.Preisen um möglichst wenig Einblick geben zu müssen. weiterhin als Familienunternehmen. DieterSchwarz Schwarz selbst ist Jein allen komplexer entscheidenden die Struktur Gremien eines vertreten. Unternehmens Die stra- ist zwar nicht mehr im operativen Geschäfttegische tätig, Schaltzentrale steht über ist Tochtergesellschaften die SUT, die über die und Schwarz Anteilseigner Beteiligungs- ist, dem Unternehmen als Hauptanteilseignergesellschaft jedoch mbH desto das operativeschwieriger Geschäft lassen sich von Zahlen Lidl und zu KauflandProfiten, weiterhin vor. Insider geben an, dass Dieterbeherrscht. Schwarz Finanzen und anderen relevanten Informationen weiterhin massiven Einfluss auf alle Geschäftsent- ermitteln. Dies trifft(Die auch Infografik auf stützt den sich öffentlichkeits auf Informationen- der »Wirtschaftswoche« und zum Teil auf anonym zugespieltes Material) scheidungen nimmt (vgl. Manager Magazin 2/2007). scheuen Discounter Lidl zu, über den es selbst Die Struktur der Schwarz-Gruppe und die Gründung in der Fachpresse zu Gewinnen und Profiten nur verschiedener Stiftungen ermöglichen es dem Unter- Schätzungen gibt. Nach Schätzungen der Lebens- nehmen, enorme Steuererleichterungen zu erzielen. mittelzeitung erwirtschaftete die Schwarz-Gruppe Über die Aktivitäten der Schwarz-Stiftungen ist in im Jahr 2006 einen Nettoumsatz von 50,224 Mil- der Öffentlichkeit wenig bekannt. Grundsätzlich ist liarden Euro und belegte damit Platz 13 der welt- das Unternehmen darauf bedacht, wenig über das in- weit 30 größten Lebensmitteleinzelhändler. Laut terne Management in der Öffentlichkeit verlauten zu Lebensmittelzeitung erwirtschaftet die Schwarz- lassen. Über Jahre hinweg hat es keinerlei öffentliche Gruppe mittlerweile 46 Prozent seines Umsatzes Kommentare durch das Unternehmen gegeben und im Ausland. Ein Jahr zuvor lag das Unternehmen

Die Discounter Lidl und KiK – 19

disc-brosch_080109.indd 19 09.01.2008 21:51:29 Uhr noch auf Platz 16, verdrängte jedoch schon damals Produkte). Jede Woche fi nden sich in den Brief- seinen größten Konkurrenten Aldi auf die hinte- kästen tausender Haushalte die bunten Werbepro- ren Plätze. Der Aufstieg im weltweiten Vergleich spekte von Lidl mit den aktuellen Billig-Angeboten basiert vor allem auf der aggressiven Expansion in der Woche. Die so genannte Aktionsware reicht von andere europäische Länder in den letzten Jahren. Computern, Haushaltsgegenständen, Bürobedarf Ein Blick auf die Umsätze der Discounter auf dem bis hin zu Kosmetikprodukten. Jede Woche fi nden deutschen Markt zeigt jedoch, dass Lidl hier wei- sich auf den Wühltischen der Lidl-Filialen auch terhin hinter Aldi liegt. Textil- und Bekleidungsprodukte. Das Angebot reicht von allgemeiner Frauen-, Die sechs größten Discounter Männer- und Kinderbekleidung Deutschlands bis hin zu spezieller Sport- bekleidung, Schuhen, Bett- Umsatz Umsatz 2006 2005 Zahl der Zahl der wäsche und Handtüchern. Lidl Unternehmen in Mrd. in Mrd. Outlets Outlets verkauft auch Telefon- und Euro Euro 2006 2005 DSL-Verträge und bietet einen (brutto) (brutto) Blumenliefer- sowie Fotoent- Aldi Gruppe 27,4 25,8 4.200 4.100 wicklungsservice an. Zudem Lidl (Schwarz-Gruppe) 12,1 10,8 2.800 2.600 können die Schnäppchenjäger Plus (Tengelmann) 6,7 6,5 2.800 2.800 beispielsweise Pauschalrei- Penny (Rewe Group) 6,1 6,1 2.000 2.100 sen nach Thailand oder einen Netto (Edeka-Grup- 3,2 3,1 1.100 1.000 Wochenendausfl ug nach Rom pe) buchen. Die Aktionswaren Norma Lebensmittel- 3,0 2.8 1.200 1.200 werden als spezielles Discount- fi lialbetrieb Angebot verkauft, wechseln GmbH & Co.KG wöchentlich und sind somit Quelle: www.lz-net.de/rankings/ nicht Teil des permanenten Sortiments.

Dieter Schwarz gilt heute als drittreichster Mensch Der Anteil der Non-Food-Artikel am gesamten in Deutschland. Die enormen Gewinne zu billigsten Sortiment beläuft sich mittlerweile auf 19 Pro- Preise lassen sich jedoch nur durch den massiven zent, wobei der Anteil an Textilien und Beklei- Druck auf die Angestellten, Lieferanten und Arbei- dung schätzungsweise ein Viertel an den Non- terInnen erzielen. Lidl nutzt seine wachsende Markt- Food-Artikeln ausmacht. Dass immer mehr macht, um immer härtere Preise und Lieferfristen zu Menschen ihre Bekleidung beim Discounter Lidl diktieren. Lieferanten und Produzenten laufen Ge- kaufen, verdeutlichen auch die Textilumsätze des fahr, Aufträge zu verlieren, wenn sie den Forderun- Unternehmens: gen nicht nachgeben. Um den Anforderungen des Discounters gerecht zu werden, werden Löhne der Geschätzter Textilumsatz der ArbeiterInnen gedrückt und Arbeitsstandards her- Schwarz-Gruppe untergeschraubt (vgl. Kapitel 4.3.). Informationen über Stückpreise und Lieferfristen hält Lidl streng • 2005: 1055 Millionen € geheim und alle Manager werden der Stillschwei- • 2004: 1040 Millionen € gung verpfl ichtet (vgl. Furstenborg 2004: 6). • 2003: 1000 Millionen € • 2002: 750 Millionen € Lidl-Produkte: Pullover, Schuhe und • 2001: 570 Millionen €

Pauschalreisen – Hauptsache billig! (Quelle: www.twnetwork.de) Obwohl Lidl in erster Linie als Lebensmitteleinzel- händler bekannt ist, verkauft der Discounter immer Während Mitte der neunziger Jahre der Discoun- mehr Non-Food-Produkte (Nicht-Lebensmittel- ter im Textil- und Bekleidungssektor noch den 53.

20 – Die Discounter Lidl und KiK

disc-brosch_080109.indd 20 09.01.2008 21:51:29 Uhr Platz der deutschen Textil- und Bekleidungsunter- Menschen in die Arbeitslosigkeit führt, scheint nehmen belegte, spielt Lidl heute auf Platz 10 in der IFC noch nicht bemerkt zu haben. (vgl. Ha- der Liga der größten Unternehmen mit. mann u.a.: 2006). Für Lidl stellen die Aktionswaren eine zentrale Ver- kaufsstrategie dar, denn mit den Billigangeboten Nicht überall geht die Strategie des Discounters im Non-Food-Bereich erzielt Lidl einen doppelten auf. Aus den baltischen und skandinavischen Län- Effekt. Zum einen lockt die Aktionsware viele Kon- dern vermeldet das Unternehmen Schwierigkei- sumentInnen in die Filialen, die dann zusätzlich ten. In Estland, Lettland und Litauen gab Lidl be- Lebensmittel und weitere Produkte kaufen. Zum reits Filialen auf, da sie sich nicht rentierten (vgl. anderen werden Menschen zum Kauf der Aktions- manager-magazin.de, 2. Nov. 2006). Während ware verführt, die lediglich ihren Lebensmittelein- Aldi auch auf dem australischen und US-ameri- kauf bei Lidl tätigen wollten. In jeder Lidl-Filiale kanischen Markt vertreten ist, gibt es außerhalb führt der Weg zur Kasse an der Aktionsware vor- von Europa noch keine Lidl-Filialen. Doch das bei. Schnell verführt der Dumping-Preis dazu, ne- Schwarz-Unternehmen hat bereits angekündigt, ben den Spaghettis, Tomaten, Käse und Brot auch mit Lidl auch auf den kanadischen Markt expan- noch ein paar Socken oder einen Flaschenöffner zu dieren zu wollen. kaufen. Als Lidl sich im Jahr 2007 in die Biomarktkette Ba- Expansionsbestrebungen in allen sic einkaufen wollte, ging ein Aufschrei durch die Bereichen Öffentlichkeit. Aufgrund des öffentlichen Drucks wurde der Verkauf von Basic-Aktien an Lidl ge- Kein anderes europäisches Handelsunternehmen stoppt. Sowohl KonsumentInnen der Biomarktkette weitet seinen Einfluss so aggressiv aus wie Lidl. als auch deren Lieferanten hatten eine Aufweichung Schon jetzt gibt es in 23 Ländern Filialen des Dis- von Biostandards aber auch eine soziale Verschlech- counters und die Expansionsbestrebungen des terung für Lieferanten und ArbeiterInnen befürch- Schwarz-Unternehmens sind ungebrochen. Auf tet. seiner Suche nach neuen Absatz- märkten hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren insbeson- dere die neuen EU-Mitgliedsländer für sich entdeckt. Auf dem osteuro- päischen Markt breitet sich Lidl mit seinen Discount-Angeboten unge- bremst aus. Hier bekommt das Un- ternehmen durchaus erstaunliche finanzielle Unterstützung. Seit 2004 unterstützen die zur Weltbank-Grup- pe gehörende International Finance Corporation (IFC) und die Europä- ische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung mit mehreren Millionen Euro die Eröffnung von Lidl- und Kaufland-Filialen in Osteuropa. Der IFC gibt an, nachhaltiges privates In- vestment zu fördern, das zu einer Re- duzierung von Armut und einer Ver- besserung der Lebenssituation führe. Dass die Eröffnung von Discountern zu einer Verdrängung von lokalen Kleingeschäften und damit viele

Die Discounter Lidl und KiK – 21

disc-brosch_080109.indd 21 09.01.2008 21:51:30 Uhr Soziale Unternehmensverantwor- tionalen Arbeitsorganisation und schließt darüber tung: Lidl geht den einfachen Weg! hinaus weitere Standards bezüglich Arbeitsstunden sowie Sicherheits- und Gesundheitsaspekten mit Lidl hat sich jahrelang nicht zum Thema soziale Un- ein. Eine unabhängige Kontrolle des Kodexes durch ternehmensverantwortung geäußert. Anfragen der lokale Gewerkschaften und Nichtregierungsorgani- Kampagne für ‚Saubere’ Kleidung, wie das Unter- sationen findet nach Erfahrungen der Clean Clothes nehmen die Einhaltung von internationalen Arbeits- Campaign nicht statt. Die Kampagne für ‚Saubere’ standards sicherstellt, sind unbeantwortet geblieben. Kleidung kritisiert zudem das intransparente Vor- Erst im Jahr 2007 schloss sich Lidl der Business So- gehen der BSCI. Ergebnisse von Sozialaudits wer- cial Compliance Initative (BSCI) an, ohne dies in der den nicht offen gelegt und auch zu den Fragen Preis Öffentlichkeit zu publizieren. Die in der BSCI vertre- und Lieferfristen gibt es keine Informationen. Lidl tenen Einzelhandelsunternehmen haben sich einen versucht sich somit ein Feigenblatt anzulegen. Von Verhaltenskodex bezüglich der Arbeitsbedingungen einem wirklichen Engagement zur Verbesserung entlang ihrer Produktionskette gegeben. Der Kodex der Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern bezieht sich auf die Kernarbeitsnormen der Interna- kann nicht gesprochen werden.

22 – Die Discounter Lidl und KiK

disc-brosch_080109.indd 22 09.01.2008 21:51:31 Uhr Lidl im Fokus der kritischen Öffent- auch auf die Arbeitsrechtsverletzungen entlang der lichkeit Lieferketten von Nahrungsmitteln und Non-Food- Produkten aufmerksam machte. Auch in vielen an- Die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Lidl- deren europäischen Ländern regt sich der Wider- Filialen sind nicht unbemerkt geblieben. Im Jahr stand gegen den Discount-Giganten Lidl. Menschen 2004 startete ver.di eine Kampagne, um auf die in allen Ländern kritisieren die aggressive Expansi- Situation der VerkäuferInnen aufmerksam zu ma- ons- und Preispolitik auf Kosten der ArbeiterInnen chen und bemühte sich, Betriebsräte in Filialen zu weltweit. gründen. Mit dem „Schwarzbuch-Lidl“ erregte ver. di bundesweit Aufmerksamkeit und überall wur- den kritische Stimmen laut. Auch in vielen anderen europäischen Ländern sprachen Gewerkschaften die ausbeuterischen Arbeitsbedingungen bei dem Evelyn Bahn ist diplomierte Politikwissenschaftlerin Discounter an. Neben den Gewerkschaften wur- und arbeitet beim INKOTA-netzwerk als Campaig- den zudem die kritischen Stimmen von Menschen- nerin zum Thema Arbeitsstandards in der globalen rechts- und Umweltorganisationen sowie sozialer Textil- und Bekleidungsindustrie. Für die deutsche Bewegungen lauter. In Deutschland startete Attac Kampagne für ‚Saubere’ Kleidung koordiniert sie in enger Kooperation mit ver.di eine Kampagne, die die Eilaktionen.

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disc-brosch_080109.indd 23 09.01.2008 21:51:31 Uhr 3.2 Für wen stimmt der Preis bei KiK? von Gisela Burckhardt

Das Rot sticht ins Auge, Rot ist überall. Knallbunt bei KiK? Auf wessen Rücken werden die „stimmen- und trostlos – das ist ein KiK-Laden. Der Raum ist den“ Preise bestimmt? voll mit dicht bepackten Kleiderkarussellen, auf je- dem Karussell steckt ein großes rot-gelbes Schild mit KiK ist eine Tochter von Tengelmann der Aufschrift „Der Preis stimmt“. Nicht die Ware soll anziehen, sondern der Preis – das ist die Ge- KiK steht für „Kunde ist König“ und wurde 1994 von schäftspolitik von KiK. Kinderjeans für 4,99 Euro Stefan Heinig (45), Vorsitzender Geschäftsführer oder Damenshorts für 1,99 Euro hängen gedrängt und Gesellschafter, gegründet. Der Textildiscoun- auf Bügeln. Und damit die Kunden es auch wirklich ter ist ein Tochterunternehmen der Tengelmann- kapieren, hängen von der Decke noch mal zahlreiche Gruppe, zu der auch die Handelsketten Plus und Schilder mit dem roten T-Shirt-Maskottchen von KiK Kaiser´s , die amerikanische Tochter A&P sowie der und dem Text auf gelbem Band „Der Preis stimmt“. Baumarkt Obi gehören. Die Tengelmann Holding gehört dem Familienclan Haub und ist eines der Fragt sich, für wen der Preis stimmt. Auch für die ältesten deutschen Handelsunternehmen, das 2007 Näherin in Bangladesch? Auch für die Verkäuferin sein 140. Firmenjahr feierte. Die Familie Haub

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disc-brosch_080109.indd 24 09.01.2008 21:51:32 Uhr ist mit einem Privatvermögen von 4,2 Mrd. Euro wo auch die anderen Discounter Takko und Wool- (2006, siehe die Grafik auf S. 9) eine der reichsten worth ihre Lager haben, ausbauen. 2006 wurde dort Familien Deutschlands. Vater Erivan lebt auf einer ein Lager mit 41.000 Palettenstellplätzen geschaf- Ranch in Wyoming in den USA. Von den drei Söh- fen. Das 34 m hohe Hochregallager wird vollauto- nen Karl Erivan, Christian und Georg ist nur ers- matisch ohne Personal betrieben und kann täglich terer voll im operativen Geschäft. Der ehemalige über 100 Be- und Entladungen mit funkgesteuerten McKinsey-Berater führt die Geschäfte bei Tengel- Fahrzeugen vornehmen. mann, wo 2005/06 ein Umsatz von 25,7 Mrd. Euro verbucht wurde. Während es Probleme bei den Le- Wer kauft bei KiK? bensmittelketten Plus und Kaiser´s gibt, blüht beim Textildiscounter KiK das Geschäft. Ganz offensichtlich kümmert es die Konsumentin oder den Konsumenten nicht, unter welchen Bedin- Umsatz und Läden gungen die Kleidung hergestellt und verkauft wird. Kaum jemand scheint sich zu fragen, warum die Der KiK Umsatz stieg, laut der jährlich von der Tex- Ware so billig angeboten wird. Laut einer Studie, die tilwirtschaft erstellten Rangliste der größten Tex- im Auftrag von TextilWirtschaft 2005 durchgeführt tileinzelhändler in Deutschland, im Jahr 2006 auf wurde, gibt es immer weniger Tabus bei der Wahl 1,27 Mrd. Euro, ein Plus von 2,4 Prozent gegenüber der Einkaufsstätten. Kunden kombinieren Discoun- dem Vorjahr. 80 bis 90 Prozent des Warenangebots ter Ware mit Designer-Labels. Nicht nur Hartz IV sind Textilien, davon ein großer Teil für Kinder. Der Empfänger kaufen bei KiK, sondern auch diejenigen, Rest sind non-food-Artikel wie Spielwaren, Acces- die sich teure Waren leisten können. Geiz ist eben soires oder Kosmetika, die nicht auf der Webseite in Mode. In einem Interview mit der Berliner Mor- erscheinen, sie sind letztlich nur Beiwerk. Sie sind genpost (vom 16.9.2007) antwortete der sonst die zum Teil auch lästig, so z.B. Elektroartikel, denn die Medien meidende Gründer von KIK, Stefan Heinig, müssen laut Gesetz gesondert entsorgt werden. Das auf die Frage, wer bei ihm einkaufe, salopp: „Sparer stört KiK , O-Ton: „Wir möchten Sie jedoch freund- und Clevere“. Die Frauenzeitschrift „Brigitte“ ermit- lich darum bitten, alte Geräte nicht in unsere Filia- telte kürzlich in einer Umfrage, dass jede fünfte Frau len zurück zubringen, da diese Artikel in jeder Stadt ihre Oberbekleidung vor allem bei Textildiscountern oder Gemeinde bei Sammelstellen kostenlos abge- einkauft. KiK wirbt mit dem Slogan „Kleidung clever geben werden können.“ kaufen!“ Im Umkehrschluss heißt dies: Alle anderen, die teurer einkaufen, sind eben blöd! Das einzige, KiK´s Ziel ist es, jährlich 300 zusätzliche Filialen zu das zählt, ist ein niedriger Preis. Warum die Ware so eröffnen, was dem Billigdiscounter offensichtlich billig ist, wird nicht verraten. VerbraucherInnen wer- auch gelingt. KiK hatte schon im zweiten Jahr nach den nicht aufgeklärt, sie können nur vermuten, dass seiner Gründung 225 Filialen und verfügt mittler- bei einem solch niedrigen Preis irgendwo gespart weile über mehr als 2000 Filialen in Deutschland werden muss (vgl. Bode, 2007). und 240 Filialen in Österreich. Zum Vergleich: Dis- counterkönig Lidl hat 2750 Läden in Deutschland. Offensichtlich geht das Konzept auf: Die Tengel- Im Jahr 2007 ging KiK auch nach Slowenien und mann Gruppe ist mit ihren Textilverkäufen in den Tschechien, die Schweiz ist ebenfalls im Visier. Zwi- Ketten Plus und KiK inzwischen Deutschlands sieb- schen 2000 und 2005 verdreifachte sich die Zahl der tgrößter Textileinzelhändler und liegt damit kurz Filialen. „Wir eröffnen jeden Tag eine neue Filiale“ hinter Peek & Cloppenburg. wird von der Pressesprecherin von KiK verkündet. Bevorzugte Lagen sind Stadtränder und Kleinstädte, Wie kann KiK so billig verkaufen? wo die Ladenmieten billig sind. KiK ist Deutschlands expansionsstärkstes Unternehmen. Das Geschäft mit Die Werbung verheißt, dass sich jeder Kunde für der „Geiz ist geil“ Haltung wächst und gedeiht. 30 Euro komplett beim Textildiscounter einkleiden kann. Das Konzept dahinter: Keine Bedienung, so we- Um die Anzahl seiner Filialen auf 3000 erhöhen zu nig wie möglich feste Arbeitsplätze, niedrigste Bezah- können, musste KiK sein Logistikzentrum in Bönen, lung derjenigen, die dort arbeiten, Stundenlöhne für

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disc-brosch_080109.indd 25 09.01.2008 21:51:32 Uhr Aushilfen, die unter fünf Euro liegen, Auszubildende, einst mit Trikots ausgestattet; inzwischen hat KiK die als Arbeitskräfte missbraucht werden sowie Be- ihm den Rücken gekehrt. War er zu teuer? Offiziell hinderung gewerkschaftlicher Aktivitäten durch das begründete KiK diesen Schritt damit, dass das Un- Management, uvm. Dazu kommen weitere Kosten- ternehmen seine Marketingstrategie an die „wirt- einsparungen durch eine günstige Lage der Filialen schaftlichen Gegebenheiten“ anpassen müsse. Seit (nicht in teuren Shoppingzentren), keine Dekoratio- Sommer 2007 lauten diese: Ausstattung der Spieler nen, ein schlichtes Sortiment. Dazu Geschäftsführer von VfL Bochum und Hansa Rostock mit Trikots. Heinig (Berliner Morgenpost,16.9.2007): „Das klei- Die stellen vermutlich nicht so hohe Ansprüche. ne Schwarze für den Abend suchen Sie bei uns ver- Aber das ist nicht alles. KiK hat sich von der Spe- gebens.“ Und auch: „Bei uns gibt es keine Klimaanla- zial Media Agentur Mediascale ein neues Produkt- gen“. Und angesprochen auf die vielen unbezahlten marketing entwickeln lassen. Mediascale soll nicht Überstunden, die seine MitarbeiterInnen machen nur die Markenbotschaft transportieren, sondern müssen, antwortet Heinen: „Das ist die Ausnahme. präsentiert eine komplette Internetseite, den KiK- Außerdem habe ich für dieses Unternehmen schon shop, für das Unternehmen. Dort kann jede Ama- so viel gearbeitet, dass ich auch was von meinen Mit- teurfußballmannschaft für rund 100 Euro alle seine arbeitern verlangen kann.“ Spieler mit Trikots, Sporttasche und Ball ausstatten, natürlich immer mit KiK auf der Brust. KiK spart auch durch die Ausschaltung von Zwi- schenhändlern. Die Waren werden direkt bei den Betriebsräte? Unbekannt Fabriken in Asien bestellt. Dort in China, Indien und Bangladesch werden die Arbeitsrechte in noch Personal ist teuer, also muss man davon so wenig wie größerem Maße als hier mit Füßen getreten. möglich haben. Dennoch beschäftigt KiK immerhin 14.000 MitarbeiterInnen. Dort, wo es ohne Men- Marketingkonzept schen nicht geht, nämlich in den Läden, arbeitet KiK vor allem mit Auszubildenden und Aushilfen. KiK wirbt im Fernsehen, „Die sind billig und wehren sich nicht“, sagt wo das T-Shirt-Maskott- Malene Volkers, Einzelhandelsexpertin von chen mit gequetschter ver.di in einem Bericht der Zeitschrift „Stern“ Stimme die Billigware über KiK (4.5.2007). Deshalb gibt es nicht ei- anpreist. Hauptzielgrup- nen einzigen Betriebsrat bei KiK in Deutsch- pe sind Frauen und Kin- land, denn bevor ein solcher sich auch nur bil- der, denn letztere werden den kann, werden die Angestellten entlassen. als Käufergruppe immer Die MitarbeiterInnen von KiK in Österreich wichtiger. KiK betont im können davon ein Lied singen, denn dort ist TV-Spot seine Größe (bald 2.500ste Filialeröffnung) es nach einem langen Arbeitskampf gelungen, einen und den Spottpreis seiner Waren. Da kosten die Da- Betriebsrat zu gründen. Die österreichische Gewerk- men-Fleecejacke und die Kinder-Skilatzhose jeweils schaft für Privatangestellte (GPA) hatte KiK im Laufe 4,99 Euro, so viel wie ein Pfund Kaffee. Das T-Shirt des Kampfes Stasi-Methoden vorgeworfen, erreichte (1,99 Euro) weniger als ein Brot. aber letztlich die Schaffung eines Betriebsrates (siehe Menschen mit Migrationshintergrund, eine Käufer- Artikel in dieser Broschüre). schicht mit oft schmalem Geldbeutel, werden von KiK ganz gezielt angesprochen. So verteilt KiK Pro- Anzeige gegen KiK wegen Lohn- spekte in russisch und übersetzt seine Webseite in wuchers tschechisch, slowenisch, türkisch und russisch. Um Fachkräfte einzusparen, kann bei KiK ein Sportsponsoring Lehrling schon nach rund einem Jahr die Leitung einer Filiale übernehmen – zu einem Mindestlohn Seinen Bekanntheitsgrad versucht KiK auch über von 750 Euro monatlich. Unterstützung bekommt ein gezieltes Sport Sponsoring zu erhöhen. Den er von ein paar Aushilfen, die mit einem Stunden- Bundesliga-Fußballverein Werder Bremen hat KiK lohn von unter fünf Euro zurechtkommen müssen.

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disc-brosch_080109.indd 26 09.01.2008 21:51:32 Uhr Wer bei KiK als Aushilfskraft beginnt, fängt mit Ausbeutung auf dem Rücken der einem Stundenlohn von 4,50 Euro an, so die TAZ NäherInnen (2.6.2007). Die Gewerkschaft ver.di hat im Okto- ber 2007 Klage gegen KiK wegen Lohnwucher bei Nicht nur auf dem Rücken von weiblichem Per- der Staatsanwaltschaft Duisburg eingereicht. Eine sonal hier in Deutschland – Frauen stellen einen KiK-Mitarbeiterin, die seit sechs Jahren in der Sty- hohen Anteil in den Läden – macht KiK seine Ge- rumer Filiale arbeitete, erhielt als Stundenlohn nur schäfte, sondern auch auf dem Rücken der Tausen- 5,20 Euro und zudem hatte sie keinen Anspruch auf den von NäherInnen in den Zulieferfabriken von bezahlten Urlaub. Der Tariflohn einer Verkäuferin KiK in Bangladesch und anderswo. Über 100 Mit- im sechsten Berufsjahr beträgt dagegen 12,30 Euro. arbeiterInnen von KiK kümmern sich vor Ort um Selbst ein nicht tarifgebundenes Unternehmen wie den Einkauf, beobachten, wo Fabriken Restposten KiK darf laut Rechtsprechung höchstens um ein von Markenfirmen nicht mehr loswerden und kau- Drittel unter dem Tariflohn bleiben, das wären 8,21 fen diese zu Spottpreisen auf oder drücken ohne Euro. Deshalb erstattete ver.di Strafanzeige gegen Rücksicht auf die Menschen vor Ort die Preise auf KiK Geschäftsführer Stefan Heinig. die schlimmste Weise. Zwar besitzt KiK einen so genannten Verhaltenskodex. Er nennt allerdings Die Azubis bei KiK müssen auch die Toiletten put- nur einige international anerkannte Sozialstan- zen und den Laden abends staubsaugen – so lässt dards und ist gemessen an den Verhaltenskodizes sich gleich das Putzpersonal einsparen. KiK hat ge- anderer Unternehmen eher dünn. Vor allem aber merkt, dass sich Auszubildende hervorragend aus- erklärt KiK nicht, ob und wie das Unternehmen beuten lassen, deshalb hat das Unternehmen die die Einhaltung der Sozialstandards überprüft. Pa- Zahl der Azubis von 750 im Jahr 2006 auf 1100 im pier ist geduldig. Alle größeren Unternehmen ha- Jahr 2007 erhöht. Im O-Ton KiK lautet das so: „Die ben sich inzwischen einen Verhaltenskodex zuge- Nachwuchsförderung liegt uns sehr am Herzen, da legt, doch ist die Umsetzung bei den Lieferanten wir in unseren eigenen Nachwuchs große Hoffnung meilenweit von den Vorgaben entfernt. In dieser und viele Erwartungen stecken.“ Broschüre werden die massiven Arbeits- und Men- schenrechtsverletzungen der KiK Lieferanten in Bangladesch beschrieben.

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disc-brosch_080109.indd 27 09.01.2008 21:51:33 Uhr 4. Bangladesch: Arbeitsrechtsverletzungen bei den Lieferanten von Lidl und KiK 4.1. Die Bekleidungs- und Textil- industrie Bangladeschs Von Dirk Saam

Bangladesch - Gegenwärtige Auf 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Situation wird Reis angebaut. Dazu kommen Weizen, Gerste, Bangladesch wird in der deutschen Öffentlichkeit Mais, Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Bananen und Man- wenig wahrgenommen. Allenfalls wenn der som- gos. Dennoch leiden etwa 35 Millionen Menschen merliche Monsun für verheerende Überschwem- des 145 Millionen Einwohner zählenden Landes mungen sorgt oder ein Fährunglück zu beklagen unter chronischem Hunger. Trotz bemerkenswerter ist, fällt der Blick auf das Land im Ganges-Delta – Entwicklungserfolge ist die soziale und wirtschaft- zuletzt im November 2007, als dem Wirbelsturm liche Verwundbarkeit, insbesondere von Frauen, „Sidr“ 3.500 Menschen zum Opfer fielen. noch immer vorherrschend. In der patriarchalisch strukturierten Gesellschaft werden Frauen nicht als Bangladesch zählt zu den fruchtbarsten Ländern politische und wirtschaftliche Akteure angesehen. der Erde. Das Land lebt von seiner Landwirtschaft. Doch in Wirklichkeit leisten Frauen einen bedeut-

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disc-brosch_080109.indd 28 09.01.2008 21:51:33 Uhr samen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des bei gleicher Qualifikation und Arbeit, noch immer Landes. Neben der zunehmenden Integration von um 28% niedriger ist als der für Männer. Mit ihrem Frauen in wirtschaftliche Prozesse in ländlichen eigenen Verdienst verändert sich auch das Gesell- Gegenden hat sich vor allem die Bekleidungs- und schaftsbild der Frau. Ökonomische Unabhängigkeit Textilindustrie zu einem Wirtschaftszweig entwi- von den Ehemännern oder Vätern trägt nach und ckelt, der vornehmlich Frauen Arbeitsplätze zur nach zu einer Gleichberechtigung der Geschlech- Verfügung stellt. ter bei. Frauen haben die Möglichkeit an Entschei- dungsprozessen über die Einkommensverwendung Sozio-ökonomische Auswirkungen teilzunehmen. Ein Vorgang, der in einer patriarcha- lisch strukturierten Gesellschaft noch immer in wei- Die Bekleidungsindustrie beschäftigt in ihren 3.500 ten Teilen des Landes unmöglich ist. Fabriken knapp 2 Millionen Menschen, etwa 85% davon sind junge Frauen. Die jungen Frauen stam- Ökonomische Auswirkungen men zumeist aus ländlichen Gebieten und gehören zur unterhalb der Armutsgrenze lebenden Bevölke- Bangladesch kann seit 1990 ein spektakuläres rung. Viele von ihnen haben keine oder eine geringe Wachstum im Bereich Bekleidung und Textilien Schulbildung. Aufgrund des Arbeitsplatzmangels in verzeichnen. Lag der Wert der Exporte 1990 noch den ländlichen Regionen sind sie gezwungen in die bei 600 Millionen US-Dollar, stieg er bis 2006 Städte zu ziehen, um dort Geld zu verdienen. Trotz auf knapp 8 Milliarden US-Dollar. Grund: Bang- größtenteils miserabler Arbeits- und Sozialstan- ladesch gehört zu der Gruppe der ärmsten Länder dards bietet die Bekleidungs- und Textilindustrie der Welt und durfte in der Vergangenheit und unter für die Frauen die einzige Möglichkeit, ein Einkom- bestimmten Bedingungen zollbegünstigt und ohne men zu erzielen. Viele können mit diesem Einkom- Mengenbeschränkung Kleidung nach Europa und men dazu beitragen, das Überleben ihrer Familien in die USA ausführen. Bei anderen Ländern hinge- zu sichern. Für viele ist es ein Weg, der Einkom- gen hatten die Großabnehmer im Einklang mit dem mensarmut zu entfliehen. Auch für junge Witwen, Welttextilabkommen der Welthandelsorganisation Verstoßene oder Waisen, die einen Großteil der (WTO) die Einfuhr durch Quoten beschränkt. Die- weiblichen Arbeitnehmerschaft ausmachen, bietet sen Handelsvorteil konnte Bangladesch nutzen, um die Bekleidungsindustrie eine Möglichkeit, Geld sich im Schatten der Textilriesen China, Indien und zu verdienen – auch wenn der Lohn für Frauen, Hongkong auf dem Weltmarkt zu etablieren.

Im Zuge dieser bevorzugten Be- handlung konnte Bangladeschs Bekleidungsindustrie in den Be- reichen Arbeitsplätze, Investitio- nen, Exporteinnahmen und Bei- trag zum Bruttoinlandsprodukt enorme Wachstumsraten erzie- len. Die 100%ig export-orientierte Industrie hat den Inhalt und die Zusammensetzung des Export- warenkorbs Bangladeschs in den vergangenen Jahrzehnten grund- legend verändert. Zu Beginn der 70er bestand der Exportwaren- korb zu 90% aus Rohjute und Ju- teprodukten. Mittlerweile macht die Textil- und Bekleidungsin- dustrie 76% des Gesamtexport- volumens Bangladeschs aus. Be-

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disc-brosch_080109.indd 29 09.01.2008 21:51:34 Uhr trachtet man die in den Exportstatistiken auf Platz den meisten Fabriken werden Arbeitsrechte massiv zwei und drei stehenden Produkte (tiefgefrorene Fi- verletzt. So ist das extrem geringe Lohnniveau der schereierzeugnisse mit 7% und Jute mit 5%) erkennt Hauptgrund, dass Aufträge durch Einkäufer aus der man die Dominanz der Bekleidungsindustrie. Man EU und den USA nicht verloren gingen. Niedrige realisiert aber auch die Abhängigkeit des Landes von Lohnkosten machen es für die Einkäufer attraktiv, dieser Industrie und die Gefahr, die das Ende des weil billig, weiterhin in Bangladesch produzieren zu Welttextilabkommens und damit der bevorzugten lassen – zu Lasten der ArbeiterInnen, die mit diesen Behandlung für Bangladesch darstellen kann. Am 31. Löhnen kaum ihren Lebensunterhalt bestreiten kön- Dezember 2004 lief das Welttextilabkommen aus. nen. So war kurz nach Ablaufen des Abkommens zu Bangladesch sieht sich seitdem in direktem Kon- beobachten, dass NäherInnen vermehrt eine hohe kurrenzkampf mit „großen“ Textilexporteuren wie Zahl an Überstunden leisten und sieben Tage in der Indien und Hongkong. Die Ausnahme: Exporte aus Woche arbeiten mussten. Aus Furcht die Arbeit zu China unterliegen weiterhin Quoten – bis 2008 für verlieren, nahmen viele ArbeiterInnen dies ohne Kla- den europäischen und bis 2009 für den US-amerika- gen hin. nischen Markt. Eine Schonfrist für Bangladesch? Bangladesch – auch nach Auslaufen des Welttex- Bangladesch nach Auslaufen des tilabkommens wettbewerbsfähig? Davon kann Welttextilabkommens nicht ausgegangen werden. Der marktmächtige Konkurrent China unterliegt noch Quoten, die ab Entgegen aller düsteren Voraussagen brach die Be- 2008 nach und nach aufgehoben werden. Die USA kleidungsindustrie Bangladeschs nach Auslaufen und die EU haben diese Quoten für China verlän- des Abkommens und der bevorzugten Behandlung gert, um ihre einheimische Produktion gegenüber nicht zusammen. Schließungen von Fabriken und Massen-Importen aus China zu schützen. Seit Juli Entlassungen von Arbeiterinnen waren nicht zu 2005 – also ein halbes Jahr nach Auslaufen des beobachten. Im Haushaltsjahr 2003/2004 (Juli Welttextilabkommens – sind diese so genannten 2003-Juli 2004) lagen die Exporteinnahmen aus China-Schutzklauseln rechtswirksam. Für Bang- der Bekleidungs- und Textilindustrie bei 7,6 Milliarden US-Dollar. Im folgenden Haus- haltsjahr, welches die ersten sechs Monate nach Einführung der Quotenfreiheit beinhal- tet, stieg dieser Wert um eine weitere Milliar- de – ein Wachstum von 19%. Im Haushalts- jahr 2005/2006 lag das Wachstum gar bei 23,5%. Auch im Haushaltsjahr 2006/2007 konnte weiteres Wachstum verzeichnet wer- den. Was sind die Gründe?

Einigen bangladeschischen Unternehmern ist es gelungen, langfristige Handelsbeziehungen mit Einkäufern aus den USA und Europa auf- zubauen. Überdies konnten teilweise Moder- nisierungen innerhalb der Fabriken (Nutzung von Informationstechnologien, innovative Managementstrukturen) die Produktivität erhöhen. Auch hat sich in ausgewählten Fa- briken die Qualität der Produkte verbessert, da ArbeiterInnen besser qualifiziert sind – ein Ergebnis, das in den meisten Fällen durch „learning by doing“ erzielt wurde. Doch sind diese „Vorzeigefabriken“ eher selten. In Rina, ehemalige Näharbeiterin 30 – Bangladesch: Arbeitsrechtsverletzungen

disc-brosch_080109.indd 30 09.01.2008 21:51:34 Uhr ladesch bedeutete dies, dass lediglich die Zeit von oder weniger die gleichen Einnahmen des Vorjahrs Januar bis Juli 2005 als Phase bezeichnet werden zu erzielen. Statt den Wegfall der Quotenprämie kann, in dem das Land in einem freien Wettbewerb für eine Erhöhung der Löhne zu nutzen, wurden mit China konkurrierte. In dieser Zeit stieg das die Lieferanten von den großen europäischen und Exportvolumen Chinas in die EU wertmäßig um amerikanischen Handelshäusern zu niedrigeren 40% und mengenmäßig um 34%. Ein noch höhe- Preisen gezwungen. res Wachstum konnte China in den USA verzeich- nen. Die günstigen Zahlen des Haushaltsjahres Überdies steht zu befürchten, dass Großabnehmer 2004/2005 (Juli 2004-Juli 2005) verdecken, das ihre Handelspolitik zuungunsten Bangladeschs am Ende des Kalenderjahres 2005 Bangladeschs verändern könnten. Die USA als größter Abneh- Textilexporte in die EU von knapp 4 Milliarden mer von Webwaren aus Bangladesch haben seit auf 3,7 Milliarden US-Dollar zurückgingen, eine 2000 im Rahmen von Freihandelsabkommen vor Verringerung um 5,1%. Bangladesch erstarkte erst allem karibischen Textilexporteuren, die in engem wieder im ersten Halbjahr 2006 – dank der Schutz- Wettbewerb mit Bangladesch stehen, den Zugang klauseln. Zudem konnte im 1. Halbjahr 2005 be- zu amerikanischen Märkten erleichtert. Ergebnis obachtet werden, dass die Stückpreise der Waren des verschärften Wettbewerbs: Ein Null-Wachs- aus Bangladesch in die EU um über 15% sanken. tum des Textilhandelsvolumens Bangladeschs mit Obwohl Bangladesch seine Exporte in diesem Zeit- den USA zwischen 2000 und 2001 und die Entlas- raum um 7,7 Prozent steigern konnte, nahm durch sung von 300.000 ArbeiterInnen. Im Jahre 2002 Preissenkungen ihr Wert um 7,5 Prozent ab. Ban- hatte sich die Lage zwar stabilisiert, jedoch kann gladesch musste also mehr exportieren, um mehr mit dem Ablaufen des Welttextilabkommens, des

1 Farida und Kleidung zu kaufen und die Schulgebüh- ren der Kinder aufzubringen. Es reicht nicht „Mein Ehemann war bereits verheiratet und einmal immer für die Nahrungsmittel. Wenn hatte ein Kind, als er mich heiratete. Ich wusste mein Mann krank ist, bleibt bei allen der Bauch nichts über die frühere Frau, weil er all das ge- leer. Ich kann nicht zum Arzt gehen, nicht ein- heim hielt. Später hat er noch eine dritte Frau mal, wenn es ernst ist. Medizin ist ein andres geheiratet ohne meine Einwilligung. Als ich pro- großes Problem. Beide Kinder sind in die Schu- testierte, schlug er mich. Mein Mann, seine gan- le eingeschrieben, aber die Gebühren für die ze Familie hat mich gequält, richtig körperlich, Prüfungen (240 Taka) konnte ich in den letz- und haben Druck auf ihn ausgeübt, mich zu ver- ten drei Monaten nicht bezahlen. Zwei Monate lassen. Mein Mann misshandelt mich immerzu. bin ich arbeitslos, ich habe um Arbeit an jede Oft gibt er mir kein Geld für den Haushalt. So Tür geklopft, vergebens. Ich lebe in einem ein- ist es für mich und meine Kinder ganz natürlich zigen Wellblechzimmer (4x4 m). In dem Haus zu hungern. Ich wünschte, ich könnte mir genug sind vier Kochstellen, zwei Toiletten und zwei verdienen für Miete, Nahrung und die Schulkos- Waschräume für 13 Familien. ten meiner Kinder, obwohl, wenn beide arbeiten, sind die Kinder allein, und sie haben Angst. Ich verbringe viele Tage und Nächte auf der Straße. Ich weiß, was Hunger ist. Ich kann nichts Mein Mann verdient nur zwischen hundert andres tun, als irgendeine Arbeit in einer Fabrik und hundertfünfzig Taka (1,- bis 1,50 EUR) am oder als Haushilfe anzunehmen. Ich denke nicht Tag. Es ist schwierig, davon Nahrungsmittel an die Zukunft. Die Zukunft ist finster.“

1 Name wurde von der Redaktion geändert

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disc-brosch_080109.indd 31 09.01.2008 21:51:34 Uhr Fallens der Schutzklauseln für China ab 2008 und fen des Welttextilabkommens und der bevorzugten der einhergehenden Umstrukturierung der Han- Behandlung werden jedoch auch andere Kosten delspolitik der Großabnehmer Bangladesch zum relevant, die durch die geringen Lohnkosten nur Verlierer werden. Die bisher nicht eingetretenen schwerlich kompensiert werden können und die Berechnungen des Entwicklungsprogramms der Kostenvorteile bei den Löhnen sukzessive aufzehren Vereinten Nationen könnten dann Realität wer- werden. Bangladesch muss künftig institutionelle den: Bis zu einer Million Näherinnen könnten ent- Rahmenbedingungen schaffen, um Kosten zu mini- lassen werden, sollte Bangladesch massiv Markt- mieren, v. a. auf dem Finanz- und Bankensektor, der anteile verlieren. Das international agierende noch immer durch mangelnde Transparenz und Re- Netzwerk „Make Trade Fair“ rechnet weiter: Der chenschaftslegung charakterisiert ist. Ein gesundes Haushalt einer Näherin besteht durchschnittlich Banken- und Finanzsystem ist jedoch Grundlage für aus fünf Personen. Ihr Lohn ist ein wichtiger Be- Geld-Transaktionen im Außenhandelsverkehr. Eine standteil des Haushaltseinkommens – häufig sind effiziente Infrastruktur, insbesondere der Transport- die Frauen gar Alleinverdienerinnen. Werden eine wege zwischen den ausbaufähigen Vorleistungsin- Millionen Frauen entlassen, sind folglich etwa fünf dustrien und den nachgelagerten Wirtschaftszweigen Millionen Menschen betroffen. sowie die Verbindung zwischen Dhaka und dem Ha- fen von Chittagong, wo die Fertigprodukte verschifft Bangladeschs Hausaufgaben: Aufbau werden und wo der größte Teil des Außenhandels von Vorleistungsindustrien abgewickelt wird, muss auf- und ausgebaut werden, um in diesem Bereich künftig Transaktionskosten zu Die Bekleidungsindustrie stellt 76% der Exporter- minimieren. Maßnahmen der gegenwärtigen Über- löse. Beachtet werden muss dabei jedoch, dass die gangsregierung, um die Effizienz des Hafens von Netto-Deviseneinnahmen deutlich niedriger sind, Chittagong zu erhöhen, vor allem Eindämmung von da Bangladesch kaum Vorleistungsindustrien besitzt Korruption und Bürokratie, sind ein Schritt in die und Garne oder Stoffe aus dem Ausland importieren richtige Richtung. muss, um die Bekleidungs- und Textilindus- trie am Leben zu halten. Das Ende des Welt- textilabkommens und der Schutzklauseln für China könnte daher mittel- und langfristig ein weiterer erheblicher Nachteil für Bangladesch sein. Die Industrien Indiens und Chinas sind vertikal integriert, d.h. der Wertschöpfungs- prozess der aufeinander folgenden Produk- tionsstufen vom Roh- zum Endprodukt wird im eigenen Land durchgeführt. Wenn diese Produktionsstufen in einem Land möglich sind, sind die Herstellungskosten entspre- chend geringer als für ein Land wie Bangla- desch, das keine Baumwolle anbaut und die Stoffe importiert. Zur Kostensenkung und der damit einhergehenden Wettbewerbsfähigkeit wäre der Ausbau der Vorleistungsindustrie von Nutzen.

Interne Probleme lösen

Die Zahlung von Löhnen, die unter einem Existenz sichernden Niveau liegen, ist bis heute Bangladeschs Kostenvorteil gegenüber anderen Wettbewerbern. Nach dem Ablau-

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disc-brosch_080109.indd 32 09.01.2008 21:51:34 Uhr Ein weiteres internes Problem sind Politiker und der Opfer und ihrer Familien sind bisher nur an- Bürokraten, die durch korruptes Verhalten die Ent- satzweise vorgenommen worden. Einige verletzte wicklung der Bekleidungsindustrie behindern. Die ArbeiterInnen erhielten in den Monaten nach dem Duldung und Erlaubnis von Schutzgelderpressung Unglück eine finanzielle Unterstützung, um die not- durch die Exekutivorgane führen zu einem Klima wendige medizinische Versorgung zu gewährleis- des Terrors, das negative Auswirkungen auf den ten. Die Forderung von lokalen und internationalen Handel und die Produktion hat. Wenn Einkäufer NGOs und Gewerkschaften, einen Entschädigungs- aus dem Ausland voraussehen, dass politische In- fonds aufzustellen, wurde jedoch bis heute nicht stabilitäten zu längeren Lieferzeiten führen, werden erfüllt. Zwar wurden erste Zahlungen an Opfer und sie möglicherweise in andere Länder ausweichen. Hinterbliebene geleistet, doch ist der bereits 2005 Das häufige Auftreten von Streiks v.a. im größten versprochene Entschädigungsfonds in Höhe von Hafen des Landes, in Chittagong, ist für die Textil- 533.000 Euro immer noch nicht aufgestellt worden. und Bekleidungsexporteure immer wieder Grund Viele Unternehmen, die bei Spectrum produzierten, für Lieferprobleme. lehnen eine Teilnahme an dem Entschädigungs- fonds bis heute ab (Steilmann, New Yorker, Kirsten Kämpfe der ArbeiterInnen um die Mode, Bluhmod, , Scapino). Anerkennung ihrer Rechte Im Mai und Juni 2006 gingen über 10.000 Arbei- Nach wie vor sind die Arbeitsbedingungen und terInnen auf die Straße, um für eine Erhöhung der Sicherheitsvorkehrungen in den Fabriken katast- Mindestlöhne und für die Bezahlung von Überstun- rophal (siehe zu Arbeitsbedingungen Kapitel 4.3). den zu demonstrieren. Die Demonstrationen waren Die Zahlen der verunglückten ArbeiterInnen in der Ausdruck der wachsenden Frustration der Arbeiter- Textil- und Bekleidungsindustrie sind alarmierend: Innen über Hungerlöhne, überlange Arbeitszeiten, Rund 300 ArbeiterInnen sind in den vergangenen die Fälschung von Überstundenzuschlägen sowie 15 Jahren bei Bränden ums Leben gekommen. die missbräuchliche Behandlung von männlichen Trauriger Höhepunkt: Im April 2005 ignorierte Vorgesetzten und die miserablen Bedingungen bei das Management der Fabrik Spektrum Hinweise Sicherheit und Gesundheitsschutz. Die Demonstra- der ArbeiterInnen auf Risse im Gemäuer. Vielmehr tionen wurden von der Polizei gewaltsam niederge- wurde angeordnet, weiter zu arbeiten, um Termine schlagen. Auch hier waren Todesopfer und Verletzte europäischer Einkäufer fristgerecht einzuhalten. zu beklagen. Zu lange haben internationale Einkäu- Wenige Stunden später stürzte die Fabrik ein. 64 fer, Fabrikbesitzer und die Regierung Bangladeschs ArbeiterInnen kamen ums Leben, 74 wurden zum eine Vogel-Strauß-Politik betrieben und die Forde- Teil schwer verletzt. Angemessene Versorgungen rungen der ArbeiterInnen ignoriert.

Dirk Saam ist Referent für Entwicklungspolitik bei der Bangladesch-Organisation NETZ.

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disc-brosch_080109.indd 33 09.01.2008 21:51:34 Uhr 4.2 Portrait einer Näherin: Rekha1

Ich bin gerade 19 Jahre alt. Aber ich habe schon drei Jah- re Erfahrung mit der Arbeit in einer Bekleidungsfabrik. Ich komme aus einem Dorf im Süden. Ich bin die älteste (insgesamt vier Mädchen und zwei Jungen). Bis zum Jahr 2000 ging ich zur Schule bis zur siebten Klasse. Beim Va- ter zeigten sich immer öfter Störungen, eine Art Verwir- rung. Ich musste die Schule verlassen. Die Krankheit des Vaters führte dazu, dass er nicht mehr arbeiten konnte. Ich war gezwungen, eine Ar- beit anzunehmen, um etwas zum Einkommen der Familie beizutragen. Also gaben sind so, dass es unmöglich ist, nach acht auf dem Lande aufgewachsen, sechzehn Jahre Stunden den Arbeitsplatz zu verlassen. Jede alt, sieben Jahre Schule, da hatte ich nicht vie- Arbeiterin hat eine festgelegte Arbeitsmenge le Möglichkeiten. Alles, was ich finden konnte, zu erledigen, bevor sie geht. Sie kennen unsere war eine Stelle in den Textilfabriken. Möglichkeiten und unsere Fähigkeiten ziemlich gut, und mit Absicht verlangen sie mehr von Ich bot mich 2004 sozusagen auf dem Markt uns, so dass wir über unsere Kräfte hinausge- an. Ich bekam in einer Bekleidungsfabrik eine hen müssen, um mit der Arbeit fertig zu wer- Arbeitsstelle bei der Firma X2. Die Fabrik liegt den. Wenn eine Arbeiterin früher gehen will, eine Stunde Fußmarsch weg von meinem El- weil sie zu weit weg wohnt, wird ihr gesagt, sie ternhaus. Eine Rikshaw würde 15 Taka3 kosten, müsste ja die Arbeit nicht machen, niemand also musste ich laufen, hin und zurück, mit ei- hält sie, sie könnte die Arbeit gleich ganz auf- nem anderen Mädchen aus ihrem Dorf. Manch- geben. Manchmal müssen wir auch am Freitag mal blieb mir die Rikshaw nicht erspart. Ich fing arbeiten. In der letzten Woche habe ich sieben an als Hilfe mit monatlich 930 Taka (9,30 EUR, Tage gearbeitet, auch am Freitag. Um die Arbeit der Übers.). Jetzt bin ich Näherin und kriege zu behalten, muss ich zu jeder Zeit bereit sein 1800 Taka (18,- EUR, der Übers.) monatlich. zu arbeiten und mit jeder Arbeitszeit einver- Vor dem Eintritt in die Fabrik gab es so etwas standen sein. Oft arbeite ich die ganze Nacht, wie eine Aufnahmeprüfung. Ausführlich wur- die Fabrik spendiert eine Banane und ein Stück de ich nach meinem Herkunftsdorf befragt. Ich Brot (im Wert von 2 Taka). Die Fabriken ziehen durfte in der Fabrik anfangen, aber ich bekam unverheiratete Frauen vor. Man kann uns zwin- weder einen Arbeitsvertrag noch ein Einstel- gen, mehr und länger zu arbeiten, wir hätten ja lungsschreiben. sonst nichts zu tun.

In der Fabrik arbeite ich täglich so lange, wie Unregelmäßige Lohnauszahlung, falsche Lohn- angeordnet wird. Die Aufträge oder Arbeitsauf- abrechnung, kein Urlaub, Täuschung, das ist

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disc-brosch_080109.indd 34 09.01.2008 21:51:35 Uhr meine Erfahrung in meiner Arbeit. Die Fabrik fragen. Es ist so niederdrückend, so hoffnungs- zahlt uns die Löhne erst am 23sten des folgen- los, ich kann nicht verstehen, warum sie uns so den Monats aus, aber selbst diese lange Frist gemein behandeln. Wir sind einfach nichts für wird nicht immer eingehalten. Die Bezahlung sie, bei jeder Gelegenheit sagen sie uns, wenn von Überstunden wird noch viel weiter hinaus- wir gehen, gibt es immer genug Frauen, die un- gezögert. sere Arbeit übernehmen.

Bei der Bezahlung werden wir auf verschiedene Es ist wirklich so, ich fühle mich in der Fabrik Weise betrogen. Der Lohn wird auf Grund der wie am Ersticken. Oft werden wir Arbeiterin- so genannten Anwesenheitskarte berechnet. Die nen ohnmächtig. Die Toiletten sind einfach Karte muss am Monatsende dem Aufseher aus- grauenhaft. Ich fürchte mich geradezu, sie zu gehändigt werden. Bei der Lohnauszahlung, auch benutzen. Das Trinkwasser ist nicht sauber, wenn die Arbeiterin nicht einen Tag fehlte, wer- ein Wasserfilter wurde installiert, funktioniert den Abwesenheitstage berechnet und der Lohn aber nicht. Ich wünsche mir, und ich bin nicht entsprechend gekürzt. Wer protestiert, wird als allein, wir hätten eine Gewerkschaft. Aber wer Lügnerin beschimpft und bedroht, vor allem mit einmal protestiert, verliert sofort seine Arbeit. Entlassung. Mehr als 28 Überstunden werden Die Polizei, die so genannten Sicherheitskräf- auf der Anwesenheitskarte nicht eingetragen; al- te, wurden von der Fabrik zweimal angefordert les was darüber liegt, wird in einem gesonderten und stellten sich außerhalb der Fabrik auf; das Register erfasst. Ich bekomme 10 Taka für jede war, um uns zu zeigen, wer der Stärkere ist, Überstunde. Ich weiß nicht, ob das so richtig ist? um uns einzuschüchtern. In unserer Fabrik haben wir keine Möglichkeit, gegen die Obe- Ich werde in der Arbeit immer gedemütigt und ren etwas zu sagen, sogar wenn sie Schlimmes erniedrigt. Wir Arbeiterinnen werden bei je- tun, sind wir verpflichtet, ihren Anordnungen der Gelegenheit beschimpft, gequält, fertig ge- zu gehorchen. macht. Wir fürchten am meisten den Vorwurf, abwesend gewesen zu sein; die Anschuldigung, Ich verbringe die meiste Zeit meines Lebens in man sei abwesend, ist die Strafe für alles, Ab- der Fabrik, ich habe keine Zeit für mich selber, wesenheit bedeutet Lohnabzug. Wir wollen für meinen kranken Vater und für meine Fami- manchmal einen freien Tag oder nur ein paar lie. Wir haben kein Fernsehen, wir können es freie Stunden, und nur dann, wenn es unbedingt uns nicht leisten. Für ein bisschen Erholung wie nötig ist. Aber nein, sie sagen, bleibt weg, ihr Fernsehen muss ich zu den Nachbarn gehen. seid abwesend. Das bedeutet Lohnabzug. Und Ich weiß nicht, was ich tun werde oder was mit dann beschimpfen sie uns, weil wir nach Urlaub mir wird.

1 Name wurde von der Redaktion geändert 2 Eine der sechs untersuchten Firmen 3 1 Taka ist rund 1 Cent (0,01 EUR)

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disc-brosch_080109.indd 35 09.01.2008 21:51:35 Uhr 4.3 Arbeitsrechtsverletzungen bei Lieferanten von Lidl und KiK von Khorshed Alam, AMRF unter Mitarbeit von Gisela Burckhardt

Die Untersuchung

Die „Kampagne für ‚Saubere’ Klei- dung“ (Clean Clothes Campaign) beauftragte die Gesellschaft „Al- ternative Movement for Resour- ces an Freedom Society“ (AMRF) mit der Durchführung einer Stu- die über die Arbeitsbedingungen bei Lieferanten von Lidl und KiK in Bangladesch. Ein Team von Feldforschern (drei Frauen und drei Männer) führte Gespräche mit insgesamt 136 ArbeiterIn- nen, darunter 107 Frauen und 29 Männer, die in sechs unter- suchten Fabriken arbeiten. 105 ArbeiterInnen beantworteten im Interview einen Fragebogen und Unterkünfte der Näherinnen 31 Personen nahmen an Grup- pendiskussionen teil. Pro Fabrik wurden mindes- Die sechs Lieferanten tens 14 Arbeiterinnen befragt. Die Interviews fan- den meistens in den Wohnungen der ArbeiterInnen Die Suche nach den Lieferanten von Lidl und KiK spät abends nach der Arbeit statt. Die Frauen waren war eine schwierige Arbeit. Wie kann man unter rund dann oft müde von der Arbeit und mussten zudem 3.500 Fabriken, die in Bangladesch für den Welt- das Essen für sich für den Abend und den nächs- markt produzieren, genau diejenigen finden, die Lidl ten Tag zubereiten. Teile der Interviews wurden und/oder KiK beliefern? Besonders schwer war es, während des Ramadan durchgeführt, wo erst nach die Sub-Lieferanten zu finden. Sechs Fabriken konn- Sonnenuntergang gegessen werden darf. Obwohl es ten schließlich anhand der Etiketten (labels) der Fir- sonst in dieser Zeit üblich ist, dass weniger Stunden men, z.T. auch anhand der Lieferscheine, ausfindig gearbeitet werden, wurde in den untersuchten Fa- gemacht werden. Fünf beliefern Lidl und drei belie- briken die Arbeitszeit oft bis 22 Uhr hinaufgesetzt, fern KiK. Zwei Fabriken gehören demselben Unter- um die verlorene Zeit durch die folgenden Feiertage nehmer. Namen und Details der Fabriken werden in (Ifter und Eid) im Vorhinein auszugleichen. diesem Bericht zum Schutz der ArbeiterInnen nur in begrenztem Umfang genannt. (Im Anhang befindet Zusätzlich war es Aufgabe des Forschungsteams, De- sich ein Überblick über die sechs Fabriken.) tails über die Einkaufspraktiken von Unternehmen im Allgemeinen und von Discountern im Besonderen in Einige der Lieferanten gehören zu einem größeren Erfahrung zu bringen. Deshalb wurden auch Mana- Konglomerat, zu dem auch vorgelagerte Fabriken ger und Aufsichtspersonal von lokalen Fabriken in- (wie z.B. Tuchherstellung und Färberei) gehören; terviewt. Allerdings waren Manager erst nach langem einige arbeiten auch als Importhäuser für Unter- Zögern und nur eingeschränkt zu Aussagen bereit. nehmen und vergeben dann Aufträge an die eige-

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disc-brosch_080109.indd 36 09.01.2008 21:51:35 Uhr nen Fabriken, wodurch sie zusätzliche Einnahmen der Importeur u.a. Die Textilindustrie ist stark mit verbuchen können. der Politik verstrickt, zahlreiche Textilfabrikanten sitzen selber im Parlament in Bangladesch und be- Die beiden Fabriken, die einem Besitzer gehören, stimmen die Politik nach ihren Wünschen. scheinen folgendermaßen zusammenzuarbeiten: Die eine Fabrik gilt nach außen hin als die Haupt- Ergebnisse der Untersuchung fabrik und wird den Einkäufern und Auditoren ge- zeigt. Die andere Fabrik fungiert als Sublieferant für Die Befragung der ArbeiterInnen stellt massive Ver- erstere. Dort sind die Arbeitsbedingungen wesent- stöße gegen international anerkannte Sozialstan- lich schlechter. dards fest. Bangladesch ist Mitglied der Internatio- nalen Arbeitsorganisation (ILO) und hat sich damit In Bangladesch ist allgemein Korruption weit ver- zur Einhaltung zumindest der Kernarbeitsnormen breitet. Bestechung gehört zum Alltag. So wer- der ILO verpflichtet. (Siehe hierzu im Anhang den den z.B. Angestellte von Dienstleistungsbehörden Verhaltenskodex der CCC, der sich auf die ILO Nor- (Strom, Wasser, Telefon, Gas) bestochen, um die men bezieht und dessen erster Teil die Kernarbeits- wirklichen Kosten nicht zu bezahlen. Bestechungs- normen umfasst, selber aber darüber hinausgeht.) gelder erhalten in der Regel auch das Bankpersonal, Die beiden deutschen Unternehmen verfügen über der Beamte für die Vorverschiffungsabnahme (Pre einen Verhaltenskodex als Grundlage ihrer Bezie- Shipment Inspection Agent, PSI), der die Qualität hungen zu ihren Lieferanten, der jeweils zumindest und Quantität der Waren vor Verschiffung prüft, die Kernarbeitsnormen enthält.

Suhada1, 25 Jahre schmerzten vor Anstrengung. Ich war todmüde. Wir wurden schwer bestraft für jeden Fehler. „Im letzten Jahr arbeitete ich als Näherin in ei- Einmal war ich abwesend für einen Tag wegen ner Fabrik. Ich sollte 1800 Taka im Monat be- meiner Magenschmerzen, am nächsten Tag kommen, aber ich bekam zwischen 1400 und wurde ich herausgerufen und musste eine Stun- 1600, und mein Lohn wurde trotz Versprechun- de Strafe stehen. Vor allen anderen ArbeiterIn- gen das ganze Jahr über nicht angehoben. Die nen. An einem andern Tag, als es mir wieder Überstunden haben sie nicht bezahlt, wie es aus- so schlecht ging, war ich vielleicht ein bisschen gemacht war. Sie bestraften uns, indem sie den länger auf der Toilette, sofort wurde ich bestraft, Lohn von zwei Arbeitstagen einbehielten, wenn sie zogen mir den Lohn für einen ganzen Tag ab. wir einen Tag gefehlt hatten. Der Fabrikbesit- Der Vorarbeiter hat des Öfteren versucht, mich zer erlaubte uns zu gehen, aber der anfallende zu schlagen. Regelmäßig werde ich vom Aufse- Lohn wurde nicht ausgezahlt. Die ArbeiterIn- her heruntergemacht. nen bekamen nie einen Bonus. Für gewöhnlich, bevorzugen sie junge und hübsche Mädchen Vor zwei Monaten hatte ich zwei Tage ohne und zahlen ihnen mehr als uns. Sie sind wenig Nahrung gearbeitet. Natürlich war ich müde, bereit, ältere Frauen einzustellen. Ich hörte, hungrig und schwach, ich konnte mich nicht dass ein Vorarbeiter ein Mädchen während der konzentrieren und prompt unterlief mir ein Nachtschicht belästigt hat, deshalb haben Frau- Fehler. Der Vorarbeiter spielte sich fürchterlich en Angst, in der Nachtschicht zu arbeiten. auf wegen des Fehlers und entließ mich auf der Stelle. Ich flehte ihn an und weinte sogar, mich Meistens arbeite ich von 7 bis 19 aber auch ab nicht zu entlassen, aber es half nichts. Ich habe und an bis 22 Uhr. Wir arbeiten auch in der dort ein Jahr lang gearbeitet. Sie gaben mir mei- Nacht. Ich arbeitete kürzlich sechs Nächte hin- nen Lohn ohne jeden Bonus, wie er mir zuge- ter einander mit einer kleinen Ruhepause von standen hätte. So bin ich jetzt seit zwei Monaten 3.30 bis 8 Uhr. Mein Magen und meine Augen ohne Stelle.“

1 Name wurde von der Redaktion geändert

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disc-brosch_080109.indd 37 09.01.2008 21:51:35 Uhr • Frauen werden schlechter bezahlt als Männer, was damit begründet wird, dass sie angeblich „leichtere“ Arbeit verrichten als Männer. • Aufseher verhalten sich Frau- en gegenüber diskriminierend, beschimpfen sie und schlagen sie teilweise. • Nur sechs ArbeiterInnen haben einen schriftlichen Arbeitsvertrag, 99 besitzen keinen Vertrag, 68 haben eine monatlich ausgestellte „Personalkarte“. • Wer krank wird, verliert den Job, Medizin muss sie/er selber bezah- len. Nur erste kleinere Ausgaben werden von einigen wenigen Fab- riken übernommen. Dennoch konnten folgende schwerwiegende Ar- • Nach der Geburt ihrer Kinder werden Frauen beitsrechtsverletzungen festgestellt werden: zwar in einigen Fabriken wieder eingestellt, doch verlieren sie ihre Ansprüche aus früheren • In keiner Fabrik gibt es eine Gewerkschaft oder Zeiten, d.h. müssen wieder mit einem Anfän- eine Art Betriebsrat. gergehalt anfangen. • Die NäherInnen leisten fast regelmäßig zwei • Geht eine ArbeiterIn schon nach einem halben unfreiwillige Überstunden am Tag, manchmal Tag (nach der Mittagspause), wird sie dafür mit arbeiten sie noch länger in die Nacht hinein. dem Abzug eines ganzen Tageslohns bestraft. • Überstunden sind mit Ausnahme von einer Fa- • Trinkwasser wird nur in einer Fabrik gefiltert brik nicht freiwillig, werden auch vorher nicht zur Verfügung gestellt. angekündigt. Wer keine Überstunden leistet, • Einige der Fabriken haben zwar offiziell (auf fliegt aus der Fabrik. ihrer Webseite) eine Kantine, doch die Mehr- • In zwei Fabriken wird an sieben Tagen/Woche heit der befragten Frauen gaben an, dass sie die gearbeitet, in zwei Fabriken an sechs Tagen/ Kantinen nicht nutzen können, also sich zum Woche, in den verbleibenden zwei Fabriken Essen dort nicht aufhalten können. Das Glei- wird mal sechs Tage, mal sieben Tage/Woche che betrifft die Kindertagesstätte, die zwar in gearbeitet. einigen Fabriken vorhanden ist, doch nur um • Eine der sechs untersuchten Fabriken bezahlte sie den Auditoren zu zeigen, genutzt werden sie nicht einmal den seit Oktober 2006 angehobe- nicht. nen Mindestlohn. • Die meisten ArbeiterInnen haben noch nichts • Die Abrechnung des Lohnes erfolgt bei allen von einem Verhaltenskodex gehört. Aber sie nicht nach transparenten Kriterien. kennen natürlich die Kontrollbesuche von • Löhne werden in mindestens drei der sechs Einkäufern, denen sie bei Drohung des Raus- Fabriken erst Mitte bis Ende des Folgemonats schmisses aus der Fabrik nicht die Wahrheit gezahlt. erzählen dürfen. • Überstunden werden unregelmäßig und in- • Schließlich: Eine Fabrik wurde wegen des transparent bezahlt. Die ArbeiterInnen erhalten Aufstands der ArbeiterInnen für einen Monat ge- keine Abrechnung, auf der sie nachvollziehen schlossen. Bei Wiedereröffnung wurden die An- können, wie viel Überstunden zu welchem Preis führerInnen entlassen und ihnen wurden nicht ihnen gezahlt werden. einmal ihre letzten Monatslöhne ausgezahlt.

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disc-brosch_080109.indd 38 09.01.2008 21:51:35 Uhr Im Folgenden wird auf die einzelnen Arbeitsrechts- Personen gaben an, bis 22 Uhr arbeiten zu müssen. verletzungen näher eingegangen (siehe dazu auch Mit anderen Worten: Die Arbeitszeit beträgt zwi- im Anhang die Tabellen 1-6 sowie die Vergleichsta- schen 9 und 14 Stunden, mit einer Stunde Mittags- belle der sechs Fabriken). pause. In zwei Fabriken wird an sieben Tagen/Wo- che gearbeitet, in zwei anderen Fabriken wird mal Keine Arbeitsverträge sechs Tage, mal sieben Tage/Woche gearbeitet. Nur zwei Fabriken halten die 6 Tage Woche ein. Mit Ausnahme von sechs Frauen sagten alle ande- Während des Ramadan (Fastenmonat der Musli- ren, dass sie keine Arbeitsverträge oder ähnliche me) wird in manchen Fabriken von morgens 7 bis Nachweise der Beschäftigung hätten. 68 Personen abends 20.30 Uhr oder 22.00 Uhr gearbeitet, mit gaben an, dass sie eine Personalkarte erhalten hät- weniger als 2 Stunden Pause am Tag. Die Frauen ten. Die Personalkarte wird monatlich neu auf den arbeiten also zeitweise 80-100 Stunden die Woche, Namen der ArbeiterIn ausgestellt, und dient dazu, nach der ILO Konvention Nr. 1 (siehe im Anhang die Identität der Arbeiterin festzuhalten und ist den Verhaltenskodex der CCC mit den ILO Kon- gleichzeitig ein Nachweis der Anstellung. ventionen) sind jedoch nur maximal 60 Stunden/ Woche erlaubt. ArbeiterIn hat Status der Gelegen- heitsarbeiterIn Überstunden ArbeiterInnen der Bekleidungsindustrie sollten im Die ArbeiterInnen müssen Tagesziele erfüllen und Prinzip auf einer monatlichen Basis von 30 Tagen Überstunden ohne Bezahlung leisten, sollten die arbeiten. In Wirklichkeit aber werden sie wie Gele- Ziele nicht erreicht werden. Überstunden sind kei- genheitsarbeiterInnen behandelt, d.h. wenn es kei- ne Option, sie sind verpflichtend, dies wurde von ne Arbeit gibt, gibt es auch keinen Lohn. Faktisch fast allen befragten Personen so angegeben. Nur in heißt dies: Die ArbeiterInnen bekommen weder die einer Fabrik kommt es kaum zu Überstunden und Leistungen normal Angestellter noch die von Gele- wenn, dann sind sie freiwillig. Die Fabriken infor- genheitsarbeiterInnen, sind also doppelt benach- mieren die ArbeiterInnen nicht im Voraus, wann teiligt. Sie haben keine Arbeitsplatzsicherheit wie sie Überstunden machen müssen. Sie bekommen reguläre ArbeiterInnen. Wenn sie mal krank sind dies erst am Morgen bei Arbeitsbeginn mitgeteilt. und einen Tag fehlen, wird ihnen dieser Tag vom So haben sie keine Möglichkeit, sich darauf vorzu- Lohn abgezogen. Hat aber die Fabrik keine Arbeit, bereiten. dann werden die ArbeiterInnen ein- fach nicht bezahlt. Wie für Gelegen- heitsarbeiterInnen üblich, werden sie aber auch nicht nach jedem Ar- beitstag bezahlt, sondern erst am Ende des Monats, oft sogar erst im Verlauf des nächsten Monats.

Arbeitsstunden und Ar- beitstage ArbeiterInnen in den hier unter- suchten Fabriken beginnen um 8 Uhr morgens. Mit Ausnahme von 23 ArbeiterInnen, die eine Regel- arbeitszeit von 8 Stunden haben, arbeiten alle anderen länger. 38

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disc-brosch_080109.indd 39 09.01.2008 21:51:35 Uhr Verspätete Auszahlung des Lohnes Lohnniveau und Bezahlungssystem

Die Fabriken bezahlen die ArbeiterInnen zu unter- Nachdem 12 Jahre lang der Mindestlohn von der schiedlichen Zeitpunkten. Die „besseren“ Fabriken Regierung Bangladeschs trotz Inflation und steigen- bezahlen den Lohn am Siebten des folgenden Monats der Lebenshaltungskosten nicht angehoben worden oder kurz danach, die Mehrheit der Fabriken zahlt war, kam es 2006 zu massiven Protesten. Nach den Lohn aber erst ab Mitte des Folgemonats, eine langwierigen Verhandlungen unter allen Beteiligten Fabrik sogar erst am 23. des Folgemonats (siehe im (Arbeitgeberverbände, Regierung, Gewerkschaften) Anhang Tabelle der sechs Fabriken). Wenn die Arbei- wurde der monatliche Mindestlohn auf 16,- bis terInnen ihren Lohn so spät erst erhalten, bedeutet 25,- Euro (1.600- 2.500 Taka, 100 Taka sind ca. 1,- dies für viele von ihnen, dass sie einen Zwischenkredit Euro) neu festgesetzt. Trotz Veröffentlichung des aufnehmen müssen, um ihre Miete zahlen zu können, neuen Lohnsystems im Amtsblatt der Regierung, die meistens am Monatsanfang gezahlt werden muss. haben viele Fabriken das neue Lohnsystem immer Mit dem wenigen Geld leben sie von der Hand in den noch nicht eingeführt (siehe im Anhang die Min- Mund. Viele schicken sogar von dem Wenigen, das destlohntabelle). Die Anhebung der Mindestlöhne sie erhalten, noch etwas zu ihrer Familie aufs Land. garantiert allerdings bei weitem nicht die Befriedi- Rücklagen können sie praktisch nie bilden. gung elementarer Bedürfnisse. Entsprechend der Aussagen der befragten ArbeiterInnen benötigt eine Vor den Feiertagen (Eid) wurde der Lohn allerdings vierköpfige Familie zwischen 35,- und 100,- EUR bei einigen Fabriken soweit hinaus gezögert, dass pro Monat. Die Miete für einen 4x4 Meterraum = die Bezahlung erst kurz vor den Feiertagen statt- Wohnung für nur eine Person kostet 9,- EUR mo- fand. Doch wurden nicht allen ArbeiterInnen alle natlich. 1 kg Reis kostet: 0,25 EUR, 1kg Linsen: 0,65 gearbeiteten Tage bezahlt, sondern nur ein Teil EUR und 1l Speiseöl: 0,92 EUR. davon. Der Rest wurde zurückgehalten, damit die ArbeiterInnen nach den Festtagen, wo sie zu ihren Von den sechs untersuchten Fabriken wird in einer Familien in die Dörfer fahren, auch wieder zurück- Fabrik nicht der Mindestlohn gezahlt. Nur 7 Befrag- kommen und nicht zu anderen Fabriken abwandern te (6,6 %) konnten einen Lohn zwischen 35,- und oder auf dem Land bleiben. 55,- EUR aufweisen, die anderen lagen bei einem

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disc-brosch_080109.indd 40 09.01.2008 21:51:36 Uhr Lohn von 14,30 EUR bis 29,70 EUR. Bei diesen ge- In einer Fabrik wird ein doppeltes Bezahlungssystem ringen Bezahlungen kommt es vor, dass ArbeiterIn- geführt. Das eine zeigt die fiktiven Löhne, das andere nen aus Hunger ohnmächtig werden. die wirklich gezahlten. Die fiktive Liste wird natür- lich den Auditoren gezeigt. Die Fabrik behauptet von Intransparente Bezahlung und betrü- sich, demnächst den Standard SA 8000 zu erfüllen, gerisches Verhalten eine Norm, die die Sozialstandards von Unterneh- men gegenüber ihren ArbeiterInnen festlegt. In allen sechs Fabriken erhalten die ArbeiterInnen keine Nachweise über ihre geleistete Arbeit. Die Es ist üblich, dass ArbeiterInnen als Auszubilden- oben genannte Personalkarte zeigt die monatliche de eingestellt werden und vor Beendigung dieser Anwesenheit sowie den täglichen Arbeitsbeginn dreimonatigen Periode wieder entlassen werden. und das Arbeitsende auf. Am Ende des Monats wird Einige verbleiben weit über die drei Monate hinaus die Karte an die Buchhaltungsabteilung abgegeben. Auszubildende – mit entsprechend geringem Lohn. So haben die ArbeiterInnen keinen Überblick über die Anzahl der gearbeiteten Stunden und haben Abzüge vom Lohn die Angaben der Firmenleitung zu akzeptieren. Die ArbeiterIn erhält keine Kopie und hat keine Mög- Wenn eine ArbeiterIn die Fabrik während der Ar- lichkeit, die Eintragungen auf ihre Richtigkeit zu beitszeit verlässt, besteht für sie keine Möglichkeit prüfen. Sie weiß deshalb nicht, wie sich ihr Lohn mehr, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, da zusammensetzt. das Tor geschlossen ist. Die Folge ist, dass der Lohn nicht eines halben, sondern eines ganzen Tages ab- Besonders häufig fühlen sich die ArbeiterInnen bei gezogen wird. Dies ist auch der Fall, wenn die Nä- der Abrechnung der Überstunden hintergangen. Sie herin nach dem Mittagessen die Fabrik verlässt. Es werden nach ihren Aussagen sowohl bei der Lohn- wird für sie dann der Lohn eines ganzen Arbeitstags höhe als auch bei der Anzahl der gearbeiteten Stun- abgezogen. Ebenso wird der Lohn gekürzt, wenn den betrogen. Einige wenige sagten aus, dass sie ArbeiterInnen zu spät kommen, oder ohne offizielle für ihre Überstunden nach Gesetz bezahlt werden, Genehmigung nicht zur Arbeit erscheinen oder kei- allerdings kannten sie auf Nachfrage die Gesetze ne Überstunden machen wollen. nicht. 63 Befragte gaben an, dass sie bei „schlechtem“ Ver- halten Abzüge vom Lohn erhalten und 31 sagten, Die Festlegung des Lohnes scheint sich nach Aus- dass ihnen bei Fehlern Abzüge gemacht werden. sage der ArbeiterInnen nach subjektiven Kriterien zu vollziehen, abhängig von der jeweiligen Fabrik, Referenzen, Alter sowie Kommunikation mit den Vorgesetzten. ArbeiterInnen mit gleichen Qualifika- Banu tionen werden sehr unterschiedlich innerhalb und zwischen den Fabriken bezahlt. „Ich erhielt meinen Lohn, doch zwei Tage wur- den mir abgezogen. Ein Tag, weil ich abwesend In zwei Fabriken haben die ArbeiterInnen über- war, der 2. Tag, weil die Fabrik keine Arbeit hat- haupt keine Anwesenheitskarte. Ein Zeitnehmer te. Wenn Aufträge da sind, sind wir gezwungen, schreibt die Anzahl der Stunden auf und die Arbei- Überstunden zu machen. Wenn keine Aufträge terInnen haben keinerlei Kontrolle über ihre ge- mehr da sind, werden wir gezwungen, ohne Be- leistete Arbeit. Während Tageszahlungen wird der zahlung Urlaub zu nehmen.“ Daumenabdruck der ArbeiterIn genommen, bevor sie bezahlt wird. Betrügereien bei der Überstunden- abrechnung sind üblich in den Fabriken. Einige Ar- Krankheit, Schwangerschaft beiterInnen (inkl. ein Aufseher) gaben an, dass 50 Nach mehreren Jahren Arbeit in diesen Fabriken % der Überstunden nicht bezahlt werden. Fragen sind die Frauen ausgelaugt und erschöpft. Sie lei- nach Bezahlung der Überstunden werden mit An- den an Gliederschmerzen, nachlassender Sehkraft, drohung der Entlassung im Keim erstickt. chronischen Kopfschmerzen und Symptomen der

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disc-brosch_080109.indd 41 09.01.2008 21:51:36 Uhr von einem Erst-Hilfe-Kas- ten über keine medizinische Versorgung. Der Kasten enthält nur Binden, Desin- fektionsmittel und Medi- zin gegen Kopfschmerzen. Einige der Fabriken haben Vereinbarungen mit Ärzten getroffen: Sie sind vor al- lem bei Inspektionen durch ausländische Unternehmen anwesend.

Wenn ArbeiterInnen erkran- ken oder Unfälle passieren, erhalten sie Erste-Hilfe. Zwar wird in der Regel eine Stunde Unterkünfte der Näherinnen Pause erlaubt, danach müs- sen die ArbeiterInnen aber Unterernährung. ArbeiterInnen, die erkranken, bis 17 Uhr trotz Verletzungen oder Erkrankungen müssen unbezahlten Urlaub nehmen. Die Arbeite- weiterarbeiten. In Fällen von ernsten Erkrankun- rinnen können zwar nach der Geburt ihres Kindes gen und Verletzungen werden die ArbeiterInnen von wieder in der gleichen Fabrik anfangen zu arbeiten, KollegInnen zum Arzt gebracht. Die Manager der Fa- aber ihre bisherige Zeit in der Fabrik wird nicht briken bezahlen in der Regel einen kleinen Teil der angerechnet; sie werden wie Neulinge mit einem medizinischen Versorgung, der größere Teil muss je- niedrigen Lohnniveau eingestuft. In zwei der Fab- doch von dem oder der ArbeiterIn selber aufgebracht riken besteht die Regelung, dass Arbeiterinnen, die werden. Die Erkrankte erhält im besten Fall einen länger als drei Jahre in der Fabrik gearbeitet haben, Tag bezahlten Urlaub. Die ArbeiterInnen müssen drei Monate Mutterschaftsurlaub bei halber Bezah- sich für die medizinische Versorgung zumeist Geld lung bekommen. Auffällig ist, dass die beiden Fa- leihen, müssen sich also verschulden. Bei schweren briken des gleichen Besitzers sehr unterschiedliche Erkrankungen kehren sie in ihre Heimatdörfer zu- Arbeitsbedingungen haben. rück, wo ihre Familie sie pflegt.

Bonna, 23 Jahre Nur eine der sechs Fabriken stellt Trinkwasser zur Verfügung. Alle Fabriken haben Toiletten, aber „Also, fürs Heiraten bin ich eigentlich zu alt. Ich diese sind nicht immer sauber und hygienisch. In habe mich entschieden, nicht zu heiraten - zu- einer Fabrik werden Toilettenpässe verwendet, mindest für eine Weile. Meine jüngere Schwes- um die Benutzung der Toiletten zu kontrollieren. ter geht zur Schule, ich möchte, dass sie weiter- Überstunden werden abgezogen, falls die Toilet- macht. Ich werde sie unterstützen, was immer tenbenutzung ohne den vorgeschriebenen Pass mir das abverlangt. Das ist mein Traum, ihr eine stattfindet. Zukunft zu sichern, und dieser Traum hält mich bei der Arbeit und am Leben.“ Einige der Fabriken haben zwar offiziell (auf ihrer Webseite und gegenüber den Auditoren) eine Kan- tine, doch die Mehrheit der befragten Frauen gab Gesundheit, Hygiene und Sicherheit an, dass sie die Kantinen nicht nutzen können, also in den Fabriken ihr mitgebrachtes Essen dort nicht einnehmen kön- In zwei Fabriken stehen für die ArbeiterInnen Ärz- nen. Die ArbeiterInnen essen, wo immer es möglich te bereit und einfache Medikamente sind vorhan- ist, zumeist in Treppenhäusern oder direkt an den den. Die anderen Fabriken verfügen, abgesehen Nähmaschinen. Das Gleiche betrifft die Kinderta-

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disc-brosch_080109.indd 42 09.01.2008 21:51:36 Uhr gesstätte, die zwar in einigen Fabriken vorhanden die Fabrik wechseln. Frauen leisten Überstunden, ist, doch nur um sie den Auditoren zu zeigen; ge- wie die Fabrik es von ihnen verlangt. Frauen wer- nutzt werden sie nicht. den geringer bezahlt. Warum erdulden Frauen die- se Diskriminierung? Die Antwort ist einfach: Sie Sicherheitsaspekte wie Feuerlöscher und frei zugäng- haben keine Alternative. Es gibt keine anderen Ar- liche Notausgänge werden trotz der verheerenden beitsplätze für Frauen – außer die Arbeit als Stei- Unfälle in mehreren Fabriken in den letzten Jahren neklopferin oder als Dienstmädchen, wo sie noch (siehe Artikel hierzu von Dirk Saam) nicht zufrieden schlechter bezahlt werden. Letztere können sich stellend berücksichtigt. Es gab in den hier untersuch- zudem gegen sexuelle Belästigungen des Hausherrn ten Fabriken sowohl kürzlich als auch vor einigen nicht wehren. Wie wenig sie auch immer in den Fa- Jahren Feuerbrände mit Toten und Verletzten. Eini- briken verdienen, es ist besser als gar nichts. ge Opfer oder deren Familien er- hielten Schadensersatz vom Ver- band der Bekleidungshersteller BGMEA, doch die Fabriken sel- ber zahlten den ArbeiterInnen, insbesondere den Frauen, keine Entschädigung. Nur einige Män- ner (Aufsichtspersonal) erhielten eine kleine Entschädigung laut Aussage der ArbeiterInnen. Ei- nige wenige Bedingungen haben sich nach den Unfällen verbes- sert, so wurden Notausgänge ein- gerichtet und ein Feueralarmsys- tem eingeführt.

Kinderarbeit

In keiner der sechs Fabriken wurde Kinderarbeit (unter 14 Jahren) festgestellt. Allerdings arbeiten zahlreiche junge Mäd- chen unter 18 Jahren in den Fa- briken (über 10 Prozent der Be- fragten waren 17 Jahre alt). Die meisten Frauen sind zwischen 18-24 Jahre alt.

Diskriminierung und Belästigung der Arbeiterinnen Die offene Diskriminierung wird auch daran deut- Die Bekleidungsindustrie ist ein geschlechtsspezifi- lich, dass Frauen nur einfache Maschinen bedie- scher Sektor. Nach Angaben der Befragten stellen nen dürfen. Sie schneiden Fäden ab und arbeiten Fabrikeigentümer bevorzugt Frauen ein, da die- als Helferin oder Näherin. Männliche Kollegen se, im Gegensatz zu den Männern, mehr arbeiten bügeln und bedienen die größeren Maschinen. und nicht protestieren. Frauen können zudem aus Frauen werden normalerweise nicht zur Aufsehe- Sicherheitsgründen und aufgrund ihrer Unterbrin- rin (Supervisor) ernannt. In den sechs Fabriken gung – sie wohnen häufig bei Verwandten oder mit gab es nur eine Frau, die diesen Arbeitsplatz in- anderen Näherinnen zusammen – nicht so leicht nehatte.

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disc-brosch_080109.indd 43 09.01.2008 21:51:37 Uhr Verbale und physische Diskriminierungen sind häu- spielt „Purdah“ auch heute noch eine gewisse Rolle, fig, manchmal gibt es auch körperliche Bestrafung wenn es darum geht, die Ehre der Frau und damit (z.B. Schlag auf den Kopf). Eine beleidigende Spra- der Familie zu wahren. In den Fabriken sollen Män- che ist üblich. In einer der sechs Fabriken allerdings ner und Frauen nicht miteinander sprechen, die wird solch ein Verhalten von Seiten des Führungs- Aufseher sollen keine „privaten“ Beziehungen oder stabs angezeigt. Frauen wurden in entwürdigender persönlichen Gespräche mit Frauen führen. Weise aus der Fabrik geworfen. Die Frauen sind se- xueller Belästigung ausgesetzt, Vorgesetzte locken mit Gehaltserhöhungen und Beförderung. Muni, eine Näherin, erzählt: Eine Erklärung für die schlechte Behandlung der jungen Frauen liegt auch in den patriarchalischen „Obwohl wir mit Männern zusammen arbei- Strukturen Bangladeschs begründet. „Purdah“ ten, manchmal sogar im gleichen Raum, haben spielt immer noch eine gewisse Rolle: Männer und wir keinen Kontakt zu ihnen. Das Management Frauen dürfen theoretisch nicht an einem Arbeits- schreibt dies vor. Zum Beispiel ist es nicht er- platz zusammen arbeiten, da Männer- und Frau- laubt, mit Männern zu sprechen, weil es den enwelt im islamischen Bangladesch getrennt sein Arbeitsprozess stören würde und die anderen sollen. In der Praxis können sich das nur reiche Fa- könnten anfangen zu klatschen. Ich rede mit milien leisten, arme Frauen mussten schon immer Männern nur, wenn es um die Arbeit geht. Wenn im sog. „öffentlichen“ Bereich, auf den Märkten, ein Mann mit mir reden will, sage ich ihm, dass im informellen Sektor, arbeiten. Als die Textil- und ich verheiratet bin. Auf diese Weise kann ich ihn Bekleidungsindustrie in den 80er Jahren des 20. von mir fern halten.“ Jahrhunderts zu boomen begann, wurden die jun- gen Frauen als Arbeiterinnen gebraucht. Dennoch (zitiert nach Dannecker, S. 137)

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disc-brosch_080109.indd 44 09.01.2008 21:51:37 Uhr Eine Frau in Bangladesch untersteht grundsätzlich Verhaltenskodex der männlichen Aufsicht und darf sich mit anderen Männern in der Öffentlichkeit nicht zeigen. Weil die Nahezu alle der interviewten ArbeiterInnen haben Frauen wegen der Überstunden oft spät nach Hause das Wort Verhaltenskodex noch nie gehört. Jedoch kommen, geraten sie leicht in den Verdacht, nicht ist ihnen bewusst, dass Unternehmen/Einkäufer/ „anständig“ zu sein. Diese Einstellung haben auch Auditoren die Fabrik besichtigen und teilweise auch viele Vorarbeiter und Aufseher, weshalb sie die Nä- mit den ArbeiterInnen reden. Während dieser Be- herinnen mit Verachtung behandeln. suche veranstalten die Besitzer der Fabriken eine Show. Toiletten werden geputzt. Die ArbeiterInnen werden angehalten zu erklären, dass in ihrer Fab- Keine Vereinigungsfreiheit, keine rik keine Kinderarbeit existiert, dass die Arbeitsat- Gewerkschaften mosphäre angenehm sei und der Lohn pünktlich gezahlt würde. Sie sollen außerdem erzählen, dass In keiner der sechs Fabriken gibt es eine Gewerk- sie regelmäßig Urlaub erhalten, keine erzwungenen schaft oder einen Betriebsrat. Auch den Versuch, Überstunden leisten und auch nicht nachts arbei- einen Betriebsrat zu gründen, gab es nur in einem ten müssen. Bei Fragen nach ihrem Lohn sollen die Fall. Die Angst vor Entlassungen ist zu groß, so dass ArbeiterInnen einen höheren Lohn angeben als sie die meisten es nicht wagen, sich zu organisieren, tatsächlich erhalten. Sehr junge und zu jung aus- und schon gar nicht, öffentlich zu protestieren und sehende ArbeiterInnen werden bei Besuchen von ihre Rechte einzuklagen. Fast alle ArbeiterInnen Einkäufern / Auditoren gezwungen, von der Arbeit wünschten sich allerdings eine Gewerkschaft in ih- wegzubleiben. Bei unangekündigten Besuchen wer- rer Fabrik und 53 ArbeiterInnen hatten in den letz- den sie auf den Toiletten eingesperrt. Es sind Fälle ten fünf Jahren demonstriert. bekannt, wo ArbeiterInnen den Einkäufern die rea- le Situation darlegten und daraufhin ihren Arbeits- In einer der Fabriken organisierte ein/e ArbeiterIn platz verloren. die Belegschaft und erreichte, dass die Arbeit nach einem Brand wieder aufgenommen wurde. Aller- dings wurde er/sie dafür entlassen. In einer ande- ren Fabrik gab es einen Aufruhr wegen schlechter Bezahlung. Die AnführerInnen wurden gefeuert Khorshed Alam ist Leiter des Alternative Movement und erhielten nicht einmal den ihnen zustehenden for Resources an Freedom Society (AMRF) , einer Lohn der letzten Monate. NGO in Bangladesch.

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disc-brosch_080109.indd 45 09.01.2008 21:51:37 Uhr 4.4 Einkaufspraktiken und ihre Auswirkungen von Khorshed Alam und Gisela Burckhardt

Die im obigen Kapitel dargestellten Arbeitsrechts- Fall eine Vertretung entweder vor Ort oder in der verletzungen sind zum einen im unerfahrenen und Region. Dieses Büro vergibt letztendlich den Auf- schlechten Management der lokalen Fabrikmanager trag an eine lokale Fabrik. Die Fabrik wiederum begründet, zum anderen sind sie die direkte Konse- stellt die Ware entweder selber her oder gibt den quenz der Einkaufspraktiken der Unternehmen aus Auftrag oder auch Teile davon an eine andere Fa- Europa und den USA. brik weiter (subcontracting), weil sie selber nicht die gewünschte Menge in der gewünschten – kur- Der Weg eines Auftrags zen – Zeit produzieren kann oder beispielsweise mit einem anderen Auftrag ausgelastet ist, etc. Die ArbeiterInnen in Ban- gladesch stehen am Ende dieser Leiter und müssen 1 Discountladen 1 ausbaden, was weiter oben auf den Zwischenstationen 2 Hauptsitz des Discounters in Deutschland 2 beschlossen worden ist. 3 Hauptsitz des Importeurs in Deutschland 3 Damit die Ware in der ge- 4 Regionalbüro des Discounters oder Importeurs (in Asien) 4 wünschten Qualität und

5 Fabrik, die den Auftrag erhält 5 schnell geliefert wird, spielen auch noch andere Akteure 6 6 Fabrik, die den Unterauftrag erhält Bangladesch ArbeiterInnen eine wichtige Rolle: z.B. die Person, die die Qualität der Ware vor Ort überprüft, näm- lich die Inspektion vor Ver- Die Graphik anbei zeigt, welche Instanzen ein Auf- schiffung der Ware (Pre Shipment Inspection, PSI) trag durchläuft: Das internationale oder deutsche sowie Auditkontrolleure, die Sozial- und Umweltstan- Unternehmen, im folgenden als Einkäufer bezeich- dards in der Fabrik überprüfen. net wie z.B. KiK, hat seinen Sitz in Deutschland und kann seine Aufträge auf unterschiedliche Art und Einkaufspraktiken Weise platzieren. Eine Möglichkeit ist, den Auftrag direkt an den Lieferanten in Bangladesch zu verge- Das System basiert auf Machtstrukturen. Die ben, das passiert jedoch relativ selten. Eine ande- Stärksten – die globalen Unternehmen/die Einkäu- re Möglichkeit ist der Weg über einen Importeur. fer-, stehen oben an der Spitze, die Schwächsten in Lidl und Aldi arbeiten vor allem mit Importeuren der Pyramide sind die ArbeiterInnen unten. Han- zusammen, von KiK ist das weniger bekannt. Der delsunternehmen/Einkäufer nutzen ihre gewaltige Importeur kann direkt mit einem Fabrikbesitzer in Kaufkraft, um Lieferanten zu zwingen, schneller, Bangladesch zusammenarbeiten und ihm den Auf- billiger und fl exibler zu produzieren. trag erteilen. Meistens aber haben die Importeure eigene Niederlassungen in den Produktionslän- „Die Preise haben sich in den letzten zehn Jahren dern, transferieren den Auftrag also an ihr Büro halbiert, die Lebenskosten haben sich dagegen z.B. in Bangladesch. Wenn der Einkäufer nicht mit verdoppelt“ klagt ein Lieferant. Bei einer Untersu- Importeuren zusammenarbeitet, hat er auf jeden chung von acht Fabrikbesitzern in Dhaka im Jahr

46 – Bangladesch: Arbeitsrechtsverletzungen

disc-brosch_080109.indd 46 09.01.2008 21:51:37 Uhr 2006/07 berichten die Lieferanten, dass die Preise der Hand des Einkäufers. Der Einkäufer stellt dem für Kleidung, die das englische Handelshaus Te- Lieferanten einen „Letter of credit“, auf Deutsch sco ihnen bezahlt, 5-10 Prozent niedriger sind als eine Zahlungsgarantie, aus, die allerdings erst nach 2003/04. Ein anderer Lieferant sagt: „ Wir können Erhalt der Ware in Deutschland vom Lieferan- nicht wirklich verhandeln, weil wir Angst haben, ten in Bangladesch eingelöst werden kann. In der dass sie den Auftrag an einen anderen Lieferanten Zwischenzeit müssen alle Kosten vom Lieferanten oder an ein anderes Land vergeben.“ (ActionAid, getragen werden. Die Lieferanten müssen also in 2007, S.46) Vorleistung treten für die Bezahlung des Stoffes, Garns und allen anderen Zubehörs, was gewöhn- Der Einkäufer nutzt seine immense Macht oft lich einen hohen Anteil am Auftrag ausmacht. Der schamlos aus. Zum Beispiel kommt es vor, dass der Lieferant trägt alle finanziellen Risiken. Die Ein- Einkäufer den Lieferanten nicht mehr um ein Ange- käufer können die Ware bei Ankunft in Deutsch- bot bittet, bevor er einen Auftrag vergibt. Er diktiert land aus verschiedenen Gründen und auch unter einfach den Preis und andere Bedingungen – der Vorwänden ablehnen. Dies passiert auch. Zum Lieferant kann nur akzeptieren oder es sein lassen. Vergleich: Sie lassen sich bei einem Schneider ein In dem starken Wettbewerbumfeld gibt es immer Hemd machen, ohne den Stoff vorher zu bezah- einen, der jeden noch so niedrigen Preis akzeptiert. len, kaufen aber das Hemd nicht, weil es Ihnen Der Einkäufer spielt die Anbieter/Lieferanten ge- aus irgendeinem Grund nicht gefällt. Das ist die geneinander aus und bekommt so den günstigsten Achillesferse, die den Lieferanten vom Einkäufer Preis. abhängig macht.

Die Bezahlungsweise in der Bekleidungsindustrie Über die schon oben genannten Einkaufspraktiken macht den Lieferanten verwundbar, er ist voll in hinaus, nannten die im Rahmen dieser Untersu-

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disc-brosch_080109.indd 47 09.01.2008 21:51:38 Uhr chung befragten Manager folgende weitere Prakti- Alle die genannten Praktiken zeigen, dass es keine ken (siehe auch die Darstellung von Einkaufsprak- stabile langfristige Beziehung und kein Vertrauens- tiken in Kapitel 2): verhältnis zwischen den hier untersuchten Fabriken und ihren Einkäufern gibt. Die Lieferanten sind den • Die Einkäufer verlangen Zugeständnisse über Einkäufern ausgeliefert. den schriftlichen Vertrag hinaus, inkl. schnelle- re Lieferung und niedrigere Preise. Auswirkungen der Einkaufsprakti- • Einkäufer verlangen eine schnellere Lieferung ken auf den Lohn und einen niedrigeren Preis als vereinbart war unter dem Vorwand, dass auf dem Heimat- Die oben genannten Praktiken zeigen, dass die Ein- markt der Verkaufspreis gesenkt worden ist. käufer sich größtenteils nach dem geringsten Preis Zusätzlich versucht der Einkäufer den Produk- für die Ware richten. Die Lieferanten sehen nicht tionsleiter zu bestechen, damit dieser den Liefe- viel Spielraum, um den Preis niedrig zu halten. ranten/Fabrikbesitzer – also seinen Arbeitgeber – Die Kosten für die Rohprodukte – die sie vielfach zu einem niedrigeren Preis drängt. importieren müssen – liegen fest, sind nicht ver- • Die Einkäufer sagen zunächst akzeptable Preise handelbar und müssen bezahlt werden, bevor der zu, aber verweigern hinterher die Annahme der Lieferant überhaupt anfängt zu produzieren. Die Ware unter einem lächerlichen Vorwand (z.B. einzigen flexiblen Kosten sind aus ihrer Sicht die Ar- angebliche Unzufriedenheit mit dem Design beitskosten. Nur hier sehen die Lieferanten für sich oder der Qualität). Dann verlangen sie eine gro- selber ein „Einsparpotential“, indem sie die Löhne ße Ermäßigung. Willigt der Lieferant nicht ein, so niedrig wie möglich halten, um den Gewinn für bleibt er auf den großen Mengen seiner Ware sich zu vergrößern. ohne Geld sitzen. • Der Einkäufer behauptet, dass die Lieferung Die Regierung Bangladeschs unterstützt sie darin, schon spät sei, nur um den Lieferanten zu Kon- indem sie lange Jahre den Mindestlohn nicht anhob zessionen zu zwingen. und er auch heute noch nicht dazu ausreicht, ein • Der Einkäufer hält den Lieferanten über eine menschenwürdiges Leben zu führen. Die Regierung Erneuerung des Vertrags im Ungewissen, ob- Bangladeschs vertritt nicht die Interessen ihrer ar- wohl der Lieferant mitunter schon über zehn Jahre für ihn produziert. • Durch Änderungen in letzter Minute und Aufträge von verschiedenen Designs in kleineren Mengen schafft der Einkäufer/ das Unternehmen Unsicherheit hinsicht- lich einer zuverlässigen und nachhalti- gen Zusammenarbeit. • Der Inspektor (PSI= Inspektion vor der Verschiffung), vom Unternehmen beauftragt, droht damit, eine Ware nicht als verladbar frei zu geben, um Beste- chungsgeld zu kassieren. • Auditoren der Einkäufer verlangen Bestechungsgelder für die Zertifizierung, dass die Ware den geforderten Qualitäts- ansprüchen genügt. • Wenn Defizite bei Sozialaudits festge- stellt werden, werden diese argumenta- tiv genutzt, um bei einem neuen Auftrag einen niedrigeren Preis und andere Konditionen herauszuschlagen. eine Textilfabrik in 48 – Bangladesch: Arbeitsrechtsverletzungen

disc-brosch_080109.indd 48 09.01.2008 21:51:38 Uhr Anforderungen durch den Einkäufer einstellen. Dies hat zur Folge, dass er seine Produktionslinie kurzfristig umstellen muss. Oft ist er damit überfordert, benötigt mehr Zeit als geplant, was dann die ArbeiterInnen mit Überstunden und Nachtar- beit ausbaden müssen.

Auswirkungen der Einkaufspraktiken auf Subcontracting und Arbeits- verhältnisse men Bevölkerung, sondern die der besser Gestell- Die Tendenz unter den Einkäufern zu einer Konzen- ten. Aus Angst davor, dass Einkäufer in andere Län- tration auf weniger Lieferanten (siehe Kap.2) führt der abwandern, sind sie bereit, die Löhne niedrig zum einen dazu, dass mehr NäherInnen nur kurz- zu halten. Die Leidtragenden sind die am Fuße der fristig für Spitzenzeiten beschäftigt werden, danach Pyramide Stehenden, die ArbeiterInnen. aber wieder auf der Straße sitzen. ZeitarbeiterInnen werden bei Engpässen eingestellt und danach wie- Auswirkungen der Einkaufsprakti- der entlassen. Zum anderen hat es zur Folge, dass ken auf die Überstunden mehr Aufträge als Unteraufträge vergeben werden, weil der Hauptlieferant die Menge in der Kürze der Überstunden sind in fünf der sechs Fabriken die Re- verlangten Zeit nicht mehr bewältigen kann. Fab- gel. Die Gründe für Überstunden liegen zum einen riken, die Unteraufträge erhalten, werden den Ein- beim Management des Lieferanten, zum anderen käufern und ihren Kontrolleuren in der Regel nicht bei den Einkäufern. Überstunden müssen geleistet gezeigt. Im Fall der sechs untersuchten Fabriken werden, weil das Fabrikmanagement den Arbeits- scheint es so zu sein, dass eine Fabrik als Subliefe- prozess nicht sinnvoll und effizient plant. Viele Ma- rantin für die andere fungiert. Beide Fabriken ge- nager haben keine Ausbildung und wissen oft nicht, hören demselben Besitzer. Während in der einen wie sie den Produktionsablauf optimieren können. Fabrik die Arbeitsstandards besser sind, sind sie in der anderen Fabrik katastrophal. In letzterer Fabrik Eine Planung des Produktionsprozesses ist aber sind die Überstunden nicht freiwillig, während in wiederum nur möglich, wenn Aufträge langfris- der „besseren“ Fabrik kaum Überstunden anfallen. tig und zuverlässig platziert werden. Aus Sicht der Auch Entlassungen gibt es häufig in der „schlech- Lieferanten ist eine langfristige Beziehung nicht ten“ Fabrik, nicht aber in der besseren Fabrik. gleichzusetzen mit einer zuverlässigen Beziehung. Gerade aber letztere ist notwendig, um dem Liefe- Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen und ranten Sicherheit zu geben. Wie oben dargestellt, Sozialstandards ist nur möglich, wenn endlich die nehmen Einkäufer kurzfristige Veränderungen bei multinationalen Einkäufer weltweit erkennen, dass den Aufträgen vor, wollen anders und schneller sie ihre Einkaufspraktiken ändern müssen. Prei- beliefert werden, was letztlich dazu führt, dass die se und Lieferzeiten dürfen nicht einseitig diktiert ArbeiterInnen Überstunden machen müssen. Die werden. Langfristige, sichere und vertrauensvolle Tendenz zur „fast fashion“, dem häufigen Wechsel Geschäftsbeziehungen zu den Lieferanten müssen von Kollektionen, hat direkte Auswirkungen auf die aufgebaut werden. Eine sichere und regelmäßige ArbeiterInnen. Mehr Flexibilität wird vom Liefe- Abnahme von Waren muss den Lieferanten garan- ranten verlangt, er soll sich auf schnell wechselnde tiert werden.

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disc-brosch_080109.indd 49 09.01.2008 21:51:38 Uhr 5. Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse im Einzelhandel 5.1 Prekarisierung der Arbeitsverhält- nisse im deutschen Einzelhandel Von Sarah Bormann

Der Trend hin zu einer Prekarisierung der Arbeits- Prekarisierung als Verunsicherung verhältnisse durchzieht im Handel alle Betriebs- Die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse be- formate, also sowohl Supermärkte, Warenhäuser, schreibt den Prozess der Aufl ösung des Normal- Discounter usw. Allerdings stellen die Discounter arbeitsverhältnisses, das im Regelfall zeitliche Si- mit ihrer Hauptsache-Billig-Strategie zweifelsohne cherheit und Stabilität sowie die Ernährung einer die Speerspitze dieser Entwicklung dar. Discounter Familie garantierte. Bildhaft gesprochen arbeitete gehen erfolgreich aus dem Konkurrenzkampf des der Familienvater vierzig Jahre lang für das glei- deutschen Einzelhandels hervor, indem sie vor al- che Unternehmen und das acht Stunden am Tag. lem auf niedrige Preise setzen – und niedrige Preise In Abgrenzung dazu sind prekäre Arbeitsverhält- verlangen sie nicht nur von ihren Zulieferern, son- nisse unsicher. Zum einen aufgrund des niedrigen dern auch von ihren Mitarbeitern. Einkommensniveaus und fehlender sozialer Absi-

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disc-brosch_080109.indd 50 09.01.2008 21:51:39 Uhr cherung wie z.B. die Einzahlung in die Rentenkas- Die Einzelhandelsbranche ist hierfür ein klassisches se oder der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Zum Beispiel. Heute sind 70 Prozent der Beschäftigten im anderen sind sie aufgrund der fehlenden zeitlichen Einzelhandel weiblich (Warich 2007a, 6) und weib- Planbarkeit unsicher: Befristete Arbeitsverhältnisse liche Teilzeit stellt die dominante Beschäftigungs- und ein mangelnder Kündigungsschutz erschweren form in der Branche dar (Voss-Dahm 2006, 81). die Gestaltung der eigenen Zukunft. Flexible Ar- Frauen sind verstärkt im Verkaufsbereich als Ver- beitszeitmodelle, insbesondere Teilzeitarbeit und käuferinnen tätig. Anspruchsvolle und auch besser Leiharbeit, erschweren es, Lohnarbeit und Freizeit bezahlte Arbeitsplätze im gehobenen Management aufeinander abzustimmen. und im technischen Bereich werden dagegen häu- fi ger von Männern besetzt. Von der Zunahme von Im Einzelhandel sind prekäre Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit, fl exiblen Arbeitszeitmodellen, einer wie Teilzeitarbeit nichts vollkommen Neues, aller- höheren Arbeitsbelastung und niedrigen Löhnen dings nehmen solche Arbeitsverhältnisse deutlich (s.u.) sind vor allem die überwiegend weiblichen zu. Auch werden sie von beschäftigten Frauen selbst Angestellten betroffen. Allerdings konkurrieren nun häufi ger als prekär empfunden. Viele Verkäu- zunehmend auch Männer mit Frauen um prekäre ferinnen im Einzelhandel üben freiwillig eine Teil- Beschäftigung und arbeiten z.B. als Kassierer im zeitarbeit aus, weil sie sich selbst primär als Mutter Lebensmitteleinzelhandel – ein Bild was sich noch defi nieren und ihre Zeit nach ihrer Familie aus- vor zehn Jahren selten bot. richten wollen. Im Einzelhandel werden nun aber die Arbeitszeiten verstärkt fl exibilisiert und an die Discounter als Speerspitze der Pre- schwankenden Kundenaufkommen angepasst. karisierung Folglich verlangt das Management von den Verkäu- ferinnen zeitlich verfügbar zu sein. Zudem haben Prekäre Arbeitsverhältnisse resultieren aus der Ein- sich aber auch in den letzten Jahrzehnten die Rol- sparung von Personalkosten. Dies ist zweifelsohne lenbilder stark geändert. Immer häufi ger sind Frau- nicht nur ein Anliegen von Discountern, sondern auch en nicht mehr nur Zuverdienerinnen, sondern sie Warenhäuser und Supermärkte würden gerne stärker sind von dem Arbeitsplatz fi nanziell abhängig. ihre Personalkosten senken, was jedoch nur begrenzt Die Arbeitsverhältnisse von Frauen waren auch möglich ist. Der Unterschied zu den Discountern schon früher prekär, nehmen aber immer mehr zu. liegt darin, dass der Kunde bei einem Discounter wie KiK oder Lidl weder eine aufge- Beschäftigte nach Beschäftigungsstatus räumte Filiale, noch kurze War- Angaben in Tsd. Personen tezeiten an der Kasse, noch eine 15,00000015,00000015,000000 freundliche Beratung erwartet. 1.349 1.357 1.423 1.409 1.305 1.382 Betritt der Kunde einen Dis- 1.213 12,85714312,85714312,857143 1.182 1.308 1.285 1.147 1.254 1.130 1.229 countmarkt, so versprechen ihm

10,71428610,71428610,714286 646 647 doch gerade all diese Widrig- 592 538 keiten, hier ein Schnäppchen zu 618 491 8,5714298,5714298,571429 588 machen, und genau aus diesem 6,4285716,4285716,428571 Grund nimmt er die Missstände auch in Kauf. Folglich kann die 4,2857144,2857144,285714 Unternehmensleitung an quali- 703 708 656 675 713 542 564 fi zierten Fachkräften sparen, ge- 2,1428572,1428572,142857 stresste Verkäuferinnen gehören 0,0000000,0000000,000000 zum Image und Frischetheken, 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 an denen auch mal ein Gespräch Vollzeitbeschäftigte Teilzeitbeschäftigte (sv-pflichtig) Teilzeitbeschäftigte (ausschl. geringf. Bt.) stattfi nden könnte, sind erst gar März 2007 Branchendaten Einzelhandel 2006 nicht vorhanden. Verkäuferin- Quelle: 2000-2004 Fachserie 6, Reihe 4, Beschäftigte, Umsatz, Aufwendungen, Lagerbestände, Investitionen und Warensortiment im Handel, erschienen im Januar2007, ab 2005 nen bei Discountern werden Hochrechnung auf der Grundlage der Messzahlen zur Entwicklung des Einzelhandels (Fachserie 6, Reihe 3.1.) Stand 31.12.2006 und eigene Berechnungen. Angabenzu den geringfügig nach ihrer Belastungsfähigkeit Beschäftigten: Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen, Ausschließlich geringfügig entlohnte Beschäftigte (Auswertung per 31.6.2006). ausgewählt.

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disc-brosch_080109.indd 51 09.01.2008 21:51:39 Uhr Ein weiterer wichtiger Grund für die relativ schlech- anzeige wegen Lohndumping erstattete (vgl. hierzu ten Arbeitsbedingungen ist die häufig fehlende Ver- Artikel über KiK). Da die Flexibilitätsanforderungen ankerung einer betrieblichen Interessensvertretung an die Verkäuferinnen hoch sind, ist es ihnen trotz in den Discounterfilialen. Diese erklärt sich aus der des geringen Einkommens oftmals nicht möglich, Beschäftigten- und Betriebsstruktur sowie aus dem eine zweite Stelle anzunehmen. So verfügen man- aggressiven Union-Busting der Unternehmenslei- che Teilzeitbeschäftigte über lange Mittagspausen tung. von bis zu vier Stunden:

Flexibel und billig: Arm trotz Arbeit „Das Gehalt reicht nicht aus, wenn man alleine ist und einen zweiten Job kann man nicht annehmen, Teilzeitarbeit entwickelt sich mit einem Anteil von weil man muss ja flexibel sein.“ bereits über 50 Prozent im Einzelhandel zum neu- so eine Verkäuferin im Gespräch mit der Autorin. en Normalarbeitsverhältnis. Während die Stellen für Vollzeitbeschäftigte rapide sinken - seit 2003 ist Die Anforderungen an die zeitliche Flexibilität der ein Rückgang um 180.000 Stellen (-12,8 Prozent) Verkäuferinnen äußern sich zum einen darin, dass zu verbuchen (Warich 2007a, 6) -, steigt die Teil- die Arbeitszeiten in der Regel mehrere Wochen im zeitbeschäftigung an. Über die Hälfte dieser Teil- Voraus festgelegt werden. Zum anderen ist jedoch zeitstellen sind mittlerweile geringfügige Beschäf- aufgrund der niedrigen Personaldecke auch „Arbeit tigungsverhältnisse. Diese so genannten Minijobs auf Abruf“ eine gängige Praxis. Oftmals sind die Fi- bieten weder eine Existenzgrundlage noch sind sie lialen auf einen möglichen Ausfall wegen Krankheit sozialversicherungspflichtig. Zunehmend werden nicht vorbereitet und es kann kein Ersatz gefunden auch Schüler, Studenten und Rentner als Minijob- werden. Eine Schlecker-Filiale verfügt z.B. über 85 ber eingestellt. Arbeitswochenstunden bei einer Öffnungszeit von 66 Wochenstunden, was einer Personalbesetzung Zwar ist der Trend zur Teilzeitarbeit im Einzelhan- von 1,3 Mitarbeiterinnen entspricht. Der Personal- del ein allgemeines Phänomen. Insbesondere im ausfall durch Urlaub und Krankheit wird nicht ex- Vergleich zu Warenhäusern aber auch Supermärk- tra berechnet, sondern muss ebenfalls über die 1,3 ten ist der Anteil von Teilzeitarbeit bei Dis- countern jedoch überdurchschnittlich hoch. Ein Grund hierfür sind die geringeren Qua- lifikationsanforderungen als auch die nied- rigere Personaldecke. So verfügen z.B. beim Drogeriediscounter Schlecker in der Regel nur die Filialleiterinnen über eine Vollzeit- stelle, bei KiK ist es ähnlich. In jeder Filia- le sind dann im Durchschnitt zwei bis drei weitere Verkäuferinnen angestellt, die in der Regel einen Teilzeitvertrag zwischen acht bis 22 Stunden erhalten (Bormann 2007a). Durch den weit verbreiteten Zwang zur Teil- zeit sind diese Frauen Niedrigverdienerin- nen. So liegt der Tariflohn in der Branche zwischen rund 1400 und 2000 Euro Brutto, Teilzeitbeschäftigte müssen folglich nicht selten mit einem Bruttoeinkommen weit un- ter 1000 Euro ihren Lebensunterhalt fristen. Zudem zahlen nicht alle Discounter nach Tarif: Bei dem Textildiscounter KiK liegt z.B. der Stundenlohn einer Arbeitskraft bei 5,20 Euro, weshalb ver.di im Herbst 2007 Straf-

52 – Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse 0017

disc-brosch_080109.indd 52 09.01.2008 21:51:40 Uhr Einsatz von Fremdfirmen zurück. Das Out- sourcing, insbesondere von Tätigkeiten wie der Verräumung von Waren, erhöht nicht nur die Flexibilität, sondern ist auch billiger und liegt oftmals unterhalb der Tariflöhne (Haase 2006). Outsourcing ist jedoch auch in Warenhäusern und Supermärkten eine zunehmend verbreitete Praxis. Typische Tä- tigkeiten, die von Fremdfirmen übernom- men werden, sind neben dem Verräumen der Ware: Inventur, Telefonservicedienste, Dekoration, Hausverwaltung, Reinigung und Buchhaltung (Schuhler 2005, 36). Die Voraussetzung hierfür liefert die starke Auf- spaltung der Verkaufstätigkeit in einzelne Arbeitsschritte, wobei einfache Dienstleis- tungen von Tätigkeiten mit höheren Quali- fikationsanforderungen abgespalten werden (Kalina/Voss-Dahm 2005, 7). Während also Kernaufgaben von einer fest angestellten Vollzeitbeschäftigten übernommen werden, können vergleichsweise einfache Tätigkei- 0370 ten an Teilzeitbeschäftigte delegiert oder an Personenbesetzung gedeckt werden. In der Folge Fremdfirmen ausgelagert werden. Im letzteren Fall müssen die Kolleginnen Mehrarbeit leisten, was aus handelt es sich um eine “Firma in der Firma”, und Unternehmensperspektive die flexibelste Form der die Kolleginnen verrichten in der Regel Seite an Arbeitszeiteinteilung ist. Den Beschäftigten nimmt Seite Dienste für zwei unterschiedliche Chefs. Aber die Mehrarbeit jedoch die Möglichkeit der persön- es können auch ganze Abteilungen, wie z.B. im Fall lichen Planung. Das Perfide ist jedoch, dass sie auf- Lidls der Fuhrpark ausgelagert werden. Grund hier- grund der niedrigen Bezahlung als Teilzeitfachkraft für war allerdings in erster Linie das Interesse der finanziell auf die Mehrarbeit angewiesen sind. Aller- Unternehmensleitung ,eine aktive Betriebsratsar- dings werden auch immer wieder Fälle unbezahlter beit zu verhindern (Hamann/Giese 2004). Mehrarbeit bekannt, die bei den Discountern zum Teil als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Weniger Arbeitsstunden = höhere Arbeitsleistung Prekär ist zudem die Situation jener Beschäftigter, die nur über einen befristeten Vertrag verfügen, was Laut einer Umfrage beklagen sich 44 Prozent der ebenfalls bei Discountern stark zunimmt: Bei KiK im Einzelhandel Beschäftigten über einseitige oder arbeiten z.B. die Hälfte der 18.000 Beschäftigten als körperlich schwere Arbeit sowie 31 Prozent über Aushilfen (LZ 2007). Bei Schlecker erhalten die Aus- Zeitdruck und die hohe Arbeitsintensivität (Fuchs, hilfen häufig nur Verträge für eine Woche oder gar 2004). Typische Erkrankungen sind Schlafstörun- nur einen Tag. Dennoch arbeiten manche im Rah- gen, Kopfschmerzen und Gelenkschmerzen. men dieser Tages- und Wochenverträge bereits seit Jahren für das Unternehmen (Bormann 2007a). Ein Grund für die zunehmende Arbeitsbelastung ist, dass trotz eines steigenden Umsatzes (im Jahr Eine andere Form der Flexibilisierung, die mit 2006 knapp ein Prozent), die Beschäftigtenzahl und der Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse ein- das Arbeitszeitvolumen insgesamt zurückging (im hergeht, ist die Auslagerung von Arbeitsschritten Jahr 2006 über ein Prozent) (Warich 2007a, 8 und (Outsourcing). So greifen Discounter, darunter 10). Der Umsatz je Beschäftigte nimmt also zu, was Aldi Süd, Plus, Penny und Lidl, verstärkt auf den einerseits auf eine zunehmende Standardisierung

Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse – 53

disc-brosch_080109.indd 53 09.01.2008 21:51:40 Uhr und Automatisierung zurückzuführen ist, ande- es eine betriebliche Interessensvertretung gibt oder rerseits für eine Leistungsverdichtung steht. Auch nicht. Bestes Beispiel hierfür ist das Unternehmen bei dieser Entwicklung stellen die Discounter die Schlecker: Während in ca. einem Drittel der Filialen Speerspitze der Entwicklung dar. Ihr Personalkos- mittlerweile die Einhaltung geltender Arbeitsrech- tenanteil am Umsatz liegt gerade einmal bei 6,7 Pro- te durch Betriebsräte durchgesetzt wird, hängt die zent, wogegen bei Verbraucher- und Supermärkten Situation in den übrigen Filialen von der Willkür der Anteil zwischen 12,5 und 14,4 Prozent variiert der Filialleitung ab, wie es auch von Aldi Süd oder (Warich 2007b, 19). Der Anteil der Personalkosten KiK bekannt ist. Es kommt zu unbezahlter Mehrar- ist hier also doppelt so hoch wie bei den Discoun- beit, Beleidigungen durch Vorgesetzte und einem tern. Für die Beschäftigten bedeutet dies eine enor- enormen Arbeitsdruck. In einem Fall bei Schlecker me Arbeitsbelastung. In der Regel erhalten sie kei- zahlten die Verkäuferinnen gar aus eigener Tasche ne Handlungsspielräume, um den Arbeitsprozess einen Fensterputzer, damit die Filiale sauber und selbst zu gestalten, trotzdem wird von ihnen abver- ordentlich wirkt (Bormann 2007a). langt, den gesamten Laden am Laufen zu halten: Regale einräumen, Waren annehmen, Fenster put- Bei einem Großteil der Discounter muss die Ver- zen, kehren, abkassieren. Sie müssen sich folglich ankerung von Betriebsräten gegen den Willen der zu wahren Allround-Talenten entwickeln, um den Unternehmensleitung durchgesetzt werden. Was permanenten Zeitmangel zu verwalten. Das geht in den USA unter dem Begriff Union-Busting dis- nur auf Kosten ihrer Gesundheit. Besucht man als kutiert wird, findet auch in Deutschland Verbrei- Kunde Aldi, Lidl oder KiK wird man kaum Verkäu- tung. Das Management, ob von Lidl, Aldi Süd, KiK, ferinnen im Gespräch überraschen, im Gegenteil: Bauhaus oder Media Markt versucht mit allen Mit- Vielen Verkäuferinnen bleibt kaum die Zeit, um in teln eine Interessensvertretung zu verhindern – Ruhe die Toilette aufzusuchen. vor allem dann wenn es sich um gewerkschaftlich organisierte Betriebsräte handelt. Diese Abwehr Da Discounter in der Regel einen stark autoritären erklärt sich mit der Hauptsache-Billig-Strategie. Führungsstil verfolgen, ist der Druck auf die Be- Betriebsräte verursachen Kosten und verhindern schäftigten, den Anforderungen gerecht zu werden, den allzu leichten Zugriff auf flexible und gehor- relativ hoch. same Arbeitskräfte. Die Verbreitung der Discoun- ter hat, so die Beobachtung 20,000000 von Gewerkschaftssekretä- Anteil der Personalkosten am Umsatz ren, auch zu einer Zunah- 17,142857 in32,15 Prozent me antigewerkschaftlichen Unternehmenshandelns im 14,285714 15,2 Einzelhandel geführt (Bor- 14,4 11,428571 13,4 mann 2007a). Die Metho- 12,5 den basieren dabei in erster 8,571429 11,4 9,9 Linie auf der Einschüch- terung der Beschäftigten 5,714286 6,7 6,7 durch Kontrollbesuche, Ab- 2,857143 mahnungen sowie subti- len als auch direkten An-

0,000000 Discounter Supermärkte VB-Märkte < 2.500qm VB-Märkte > 2.500qm drohungen von Nachteilen durch Führungskräfte (Bor-

Discounter 1006 Strukturwandel im Einzelhandel mann 2007a). Ein bekann-

Quelle: Handel aktuell 2006/2007 vom EHI Institut, Köln, 2006, S. 293 und S. 298. tes Beispiel ist hierfür z.B. der Lebensmitteldiscoun- ter Lidl (siehe Artikel von G. Giese) oder auch der Union-Busting made in Textildiscounter KiK, der in Österreich massiv Be- Die Arbeitsbedingungen sind nicht bei allen Dis- triebsratswahlen erschwerte (siehe Artikel von C. countern gleich schlecht. Vieles hängt davon ab, ob Schröder)

54 – Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse

disc-brosch_080109.indd 54 09.01.2008 21:51:40 Uhr Im Fall Schlecker kam es in einem solchen Fall jüngst sogar zu einer Verurteilung dreier Führungskräfte des Unternehmens wegen gemeinschaftlicher und versuchter Nötigung. Ein Mitglied des Wahlvorstands, welcher die Betriebsratswahl vorbereite- te, wurde unter Androhung des Verlusts des Arbeitsplatzes genötigt, eine Verset- zung außerhalb des Wahlkreises zu unter- zeichnen. Ihrer Kollegin wurde ebenfalls mitgeteilt, dass Betriebsräte in der Firma nicht erwünscht seien, da sie nur Kosten verursachen und gegen die Firma arbeiten. Würde sie das Unternehmen nicht freiwil- lig verlassen, hätte sie mit verstärkten Kon- trollen und Abmahnungen zu rechnen, was schließlich zur Kündigung führen würde, so die Drohung der Vorgesetzten (Landgericht Marburg, 2 Ns 2 Js 18719/05).

Die Be- und Verhinderung von Betriebsrä- ten hat bei Discountern System, ob nun bei Schlecker, Lidl oder KiK. Eine Verbesse- rung der prekären Arbeitsbedingungen setzt nicht zuletzt voraus, dass Mitbestimmung in den Filialen verankert wird.

Sarah Bormann ist Politikwissenschaftlerin. Sie ar- beitet im Projekt PC global bei WEED – Weltwirt- schaft, Ökologie & Entwicklung. Im Dezember 2007 erschien ihr Buch „Angriff auf die Mitbestimmung. Unternehmensstrategien gegen Betriebsräte – der Fall Schlecker.“ im Verlag Edition Sigma.

Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse – 55

disc-brosch_080109.indd 55 09.01.2008 21:51:41 Uhr 5.2 Arbeitskampf bei KiK in Österreich Von Christina Schröder

Die Beschäftigten im österreichischen Einzelhandel treuten Handelsangestellte, die keinen Betriebsrat sind zum Teil sehr widrigen Arbeitsbedingungen haben. Sie besuchten alle 250 Filialen der Textildis- ausgesetzt. Auch die Angestellten des Textil-Dis- kont-Handelskette und klärten sie über ihre Rechte konters KiK in den 250 österreichischen KiK-Fillia- als Angestellte auf. len leiden unter den für diesen Teil des Handels ty- pischen Problemen bei Arbeitszeitaufzeichnungen, Im Rahmen der Kampagne ANKi(c)K führte die nicht ausbezahlten Überstunden etc. Besonders bei GPA-DJP auch eine Fragebogenaktion bei den Be- Billigtextilien entsprechen die Arbeitsbedingungen schäftigten durch. Die Fragebogenaktion ergab, nicht immer den internationalen rechtlichen Stan- dass sich 98 % der MitarbeiterInnen bei KiK einen dards- weder in den Produktionsländern, noch dort, Betriebsrat wünschten. 85 % bekamen die Vor- und wo sie vertrieben werden. Abschlussarbeiten nicht bezahlt und 60 % beklag- ten, dass ihre Wochenstunden willkürlich hin- Textildiskonter KiK – ein langer Weg auf- und hinuntergesetzt werden. Die vereinbarte zum Betriebsrat Arbeitszeit wurde bei jeder/m zweiten Arbeitneh- merIn nicht eingehalten. Lange Zeit erschwerte die Geschäftsführung von KIK die Wahl eines Betriebsrates erheblich. Die Beschäf- KiK versucht erfolglos Kandidaten tigten hatten keine Möglichkeit, auf betrieblicher Ebe- für die Betriebsratswahl zu entlassen ne ihre Interessen nachhaltig zu vertreten. Wie in al- len Filialbetrieben ohne Betriebsrat war auch bei KiK Zum großen Eklat kam es 2007, als Andreas Fillei, der Informationsstand der Beschäftigten über ihre Spitzenkandidat für die Betriebsratswahl bei KiK, Rechte sehr niedrig. Bereits im Herbst 2004 wurde zwei Tage nach erneuter Ausschreibung der Wahl ein Wahlvorstand eingesetzt und mit der Ausschrei- ohne Angabe von Gründen fristlos entlassen wurde. bung der Betriebsratswahl beauftragt. Obwohl der Gleichzeitig erhielt er in allen KiK-Filialen Hausver- Wahlvorstand den gesetzlichen Auftrag hatte, inner- bot. Vorsorglich wurde auch gleich noch allen Ge- halb von drei Tagen die Betriebsratswahl einzuleiten werkschafterInnen der Zutritt zu den KiK-Filialen und binnen vier Wochen durchzuführen, wurde dieser untersagt. Die Gewerkschaft GPA-DJP hat selbst- gesetzliche Auftrag bei KiK nicht umgesetzt. verständlich gegen die Entlassung von Andreas Fil- lei Klage eingereicht, da WahlwerberInnen durch Vielmehr riet der Wahlvorstand, der der Geschäfts- einen besonderen Kündigungs- und Entlassungs- führung nahe stand, den MitarbeiterInnen davon schutz geschützt sind. ab, der Gewerkschaft beizutreten. Die Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck Journalismus, Papier Die Entlassung hatte zum Ziel, die Beschäftigten bei (GPA-DJP) brächte nur Unruhe und Missstimmung KiK einzuschüchtern. Dennoch wurden im Februar ins Unternehmen. 2007 österreichweit gewerkschaftliche Informati- onsabende der GPA-DJP für die Beschäftigten beim Im Herbst 2006 rief sie die Kampagne ANKi(c)K ins Textildiskonter KiK angeboten. Auch hier wieder Leben. GewerkschafterInnen informierten die Be- versuchte das Management, diese Veranstaltungen schäftigten des Textildiskonters KiK in ganz Öster- zu beeinflussen und zu sabotieren. Im Vorfeld hat- reich über ihre Rechte. Das Besondere dabei waren ten alle MitarbeiterInnen von der Unternehmens- die so genannten „Partnerschaften“: Erfahrene Be- führung ein Schreiben erhalten, in denen ihnen triebsrätInnen aus den verschiedensten Branchen nahe gelegt wurde, an keiner gewerkschaftlichen - z.B. aus der Industrie oder dem Finanzsektor - be- Veranstaltung teilzunehmen.

56 – Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse

disc-brosch_080109.indd 56 09.01.2008 21:51:41 Uhr Eine von der GPA-DJP am Abend des 22.Februars 2007 durchgeführte Informations- veranstaltung in Salzburg wurde seitens der Geschäfts- leitung nicht nur im Vorfeld boykottiert, sondern auch mit Stasi-Methoden bespitzelt. Die Bezirksleiter wurden von der Unternehmensführung beauf- tragt ihre eigenen Kollegen zu fotografieren, um zu kontrol- lieren, wer an dieser Veranstal- tung teilnahm. „KiK hat hier nicht nur im höchsten Maße die Versammlungsfreiheit miss- achtet“, kritisiert Walter Steidl, Regionalgeschäftsführer der GPA-DJP in Salzburg, „sondern auch durch die Bespitzelungs- aktion die Menschenwürde der eigenen Mitarbeiter verletzt.“ setzte sich aus ihm, dem Assistenten der Geschäfts- Hunderte Demonstranten fanden sich am selben führung und MitarbeiterInnen aus der Personal- Tag vor der KiK-Zentrale in Wien ein und machten abteilung zusammen. Die GPA-DJP hat daraufhin ihrem Unmut über die Machenschaften der Ge- entsprechend öffentlich reagiert und brachte vor schäftsführung bei KiK Luft. Zwei Stunden später Gericht Klage ein. kam endlich die Rückmeldung, dass die einstweilige Verfügung erlassen wurde, wonach Andreas Fillei in „Das Ergebnis der Betriebsratswahl bei KiK hat für der Ausübung seiner Tätigkeit als Wahlwerber nicht die GPA-DJP keine Relevanz, da der Ausschluss beschnitten werden dürfe und insofern das Haus- der von Andreas Fillei angeführten Liste bereits als verbot aufgehoben war. Das Verfahren wegen Fil- rechtswidrig anerkannt wurde. Die Wahl wird da- leis Entlassung lief jedoch weiter. Er galt zwar als her unmittelbar nach Abschluss der Wahlhandlun- freigestellt vom Dienst, hatte so aber sowohl aktives gen angefochten“, versprach damals Georg Grund- als auch passives Wahlrecht. ei, der für KiK zuständige Regionalsekretär bei der GPA-DJP. Erste Betriebsratswahl: eine Farce Damit konnte die aktive Wahlhandlung trotzdem Von diesem machte Andreas Fillei auch Gebrauch. von 13. bis 15. März 2007 abgehalten werden, ob- Am 26. Februar brachte er fristgerecht den Wahl- wohl sich die Wahl als reine Farce darstellte. vorschlag ein. Dann wurde ihm jedoch durch den Wahlvorstand schriftlich mitgeteilt, dass sein Wahl- Endlich regulärer Betriebsrat bei vorschlag nicht zugelassen würde. Begründet wurde KiK-Textil-Diskont das mit unlesbaren Unterschriften und der angebli- chen verbotenen Koppelung von Wahlvorschlägen. Nach der Betriebsratswahl beim Textildiskonter KiK teilte der Wahlvorstand den KiK-MitarbeiterInnen Das bedeutete, dass nur eine Liste zugelassen wurde, mit, dass die gewählten BetriebsrätInnen der Liste jene von Martin Reischl – dem Assistenten der Ge- Reischl die Wahl doch nicht annahmen. In Zusam- schäftsführung! Er war noch dazu gleichzeitig Vor- menarbeit mit der GPA-DJP konnte eine neue Wahl sitzender des Wahlvorstandes. Der Wahlvorstand vorbereitet werden.

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disc-brosch_080109.indd 57 09.01.2008 21:51:42 Uhr „Erstmals haben die Beschäftig- ten des Textil-Diskonters KiK einen gewählten Betriebsrat in einem europaweit agieren- den Unternehmen, das bislang immer grundsätzlich gegen eine Wahl eingestellt war. Das ist eine großer Erfolg“, erklärt der stellvertretende Bundes- geschäftsführer der GPA-DJP Karl Proyer, „Wir bieten dem gesamten neu gewählten Be- triebsrat eine konstruktive Zu- sammenarbeit an und werden in den nächsten Wochen darauf drängen, dass die bislang mit der Geschäftsführung verein- barten Maßnahmen zur Verbes- serung den Arbeitsbedingungen zügig umgesetzt werden.“

Conclusio

Aktuell wurde erreicht, dass den BetriebsrätInnen bei den regelmäßig stattfindenden Sit- zungen die Fahrtkosten rücker- stattet werden. Der Betriebsrat versucht unter diesen widrigen Umständen in Gang zu kom- men. „Wichtig ist, dass es nun einen Betriebsrat bei KiK gibt, dass diese Form der Organisie- rung für die Angestellten ver- traut wird und sie lernen damit zu arbeiten. Erst dann können auch die bis dato Nach zahlreichen Schikanen der Geschäftsleitung, nicht beseitigten Missstände bei KiK in Österreich mit denen sie auf jeden Fall die Gründung eines Be- bekämpft werden.“, meint Michaela Königshofer, triebsrates verhindern wollte, konnte schließlich im Koordinatorin der österreichischen Clean Clothes Juni 2007 dennoch ein Betriebsrat gewählt werden. Kampagne. KiK nahm auch die fristlose Entlassung von Wolf- gang Fillei zurück. Die problematischen Arbeitsbedingungen bei KiK, Auf Grund der Beschäftigtenzahl waren 14 Mandate beruhen sowohl in den Vertriebs- als auch in den zu vergeben. Zur Wahl standen zwei verschiedene Produktionsländern auf Einschüchterung und Un- Listen. Die Liste von Andreas Fillei, der sich im Vor- terdrückung durch das Management. Hier wie dort feld sehr für die Wahl engagierte, erreichte trotz der gibt es das Argument, dass aufgrund von Kritik von monatelangen Einschüchterungsversuche des Ma- außen - sei es von NGOs oder Gewerkschaften - bei- nagements vier Mandate. spielsweise die Umsatzzahlen zurückgehen würden,

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disc-brosch_080109.indd 58 09.01.2008 21:51:43 Uhr was eine Entlassung von ArbeiterInnen zur Folge Christina Schröder arbeitet bei der entwicklungs- hätte. Deswegen ist es wichtig, dass im Arbeits- politischen NGO Südwind Agentur im Bereich Öf- kampf, wenn er nicht direkt breit von den Arbei- fentlichkeits- und Kampagnenarbeit in Österreich terInnen selber getragen wird, sondern von deren und arbeitet für die dortige Clean Clothes Kam- VertreterInnen oder UnterstützerInnen, immer das pagne. Im Herbst 2006 war sie in Bangladesch, um Wohl der ArbeiterInnen im Vordergrund steht. die Missstände in der Bekleidungsindustrie zu do- kumentieren.

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disc-brosch_080109.indd 59 09.01.2008 21:51:44 Uhr 5.3 Der erfolglose Versuch von Lidl, die Gründung von Betriebsräten zu ver- hindern – der lange Kampf von ver.di Von Gudrun Giese

Der 1. November 2007 war ein guter Tag für die Be- wert? Wenn es um Lidl geht – neben Kaufland und schäftigten der Lidl-Filiale in Hamburg-Eimsbüttel. Handelshof Bestandteil des Neckarsulmer Schwarz- Konnten sie doch erstmals einen Betriebsrat grün- Konzerns – dann ist das durchaus berichtenswert. den. Mit neun zu acht Stimmen setzten sich am Existieren doch bei einem Filialnetz von bundes- Ende die gewerkschaftlich orientierten KollegInnen weit rund 2.800 lediglich in fünf Geschäften Be- der Filiale durch. Mittlerweile hat der Betriebsrat triebsräte. seine Arbeit aufgenommen. In der Vergangenheit haben die Lidl-Oberen viel- Eine Betriebsratswahl in einer Discounterfiliale mit fach demonstriert, dass sie nichts von gewählten 17 Beschäftigten – ist das überhaupt eine Nachricht Arbeitnehmervertretungen halten.

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disc-brosch_080109.indd 60 09.01.2008 21:51:44 Uhr ver.di-Kampagne gegen Lidl terstützen, um menschengerechte Bedingungen an den Arbeitsplätzen durchzusetzen“, hatten der ver. In dem 2004 von der Gewerkschaft ver.di heraus- di-Vorsitzende Frank Bsirske und die damalige ver. gegebenen Schwarz-Buch Lidl wird etwa geschil- di-Fachbereichsleiterin Franziska Wiethold im Vor- dert, mit welchen Mitteln die Geschäftsleitung im wort zum Schwarz-Buch geschrieben. Die ver.di- Raum Unna die Wahl eines Regionalbetriebsrates Kampagne sollte nun diesen Anspruch in die Praxis verhinderte. Da wurden Beschäftigte unter Druck umsetzen. gesetzt, eingeschüchtert und gehindert, an einer Wahlversammlung teilzunehmen. Am Ende muss- Groß war in den ersten Monaten 2005 das öffent- te die Wahl komplett abgesagt werden. Doch das liche Interesse an den Missständen bei Lidl, doch Beispiel Unna war einer der Ausgangspunkte für scheiterte der Versuch einer Filialbetriebsratswahl die Lidl-Kampagne von ver.di. Nach dem Erschei- aufgrund massiven Drucks von Lidl. Im Sommer nen des Schwarz-Buchs meldeten sich Tausende des Jahres gab es bereits KandidatInnen und einen von Lidl-Beschäftigten bei der Gewerkschaft, die in Termin für die Wahl in einem Münchener Geschäft. der Mehrzahl die Aussagen des Buches bestätigten: Doch die Vorgesetzten nahmen kurz vor dem ent- Über Arbeitshetze, zu wenig Personal in den Filia- scheidenden Tag jede/n Beschäftigten einzeln „ins len, allgegenwärtige Kontrollen der Beschäftigten Gebet“. Anschließend wollte die Belegschaft mehr- und teilweise rüde Umgangsformen der Vorgesetz- heitlich keinen Betriebsrat mehr, die engagierte ten wurde immer wieder berichtet. Auch überlange Spitzenkandidatin sah sich unversehens mit Belei- Arbeitszeiten, Arbeit auf Abruf und ungerechtfer- digungsvorwürfen und anschließender Kündigung tigte Diebstahlvorwürfe waren offenkundig an der konfrontiert. Die massive Unterstützung durch ver. Tagesordnung. di, das globalisierungskritische Netzwerk attac und andere Gruppen, ja, sogar die Tatsache, dass Mün- ver.di startete Anfang 2005 die Lidl-Kampagne mit chens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) die dem Ziel, die Rechte der Filialbeschäftigten zu stär- Patenschaft für die Filiale übernahm, interessierte ken. „Wir wollen Kolleginnen und Kollegen bei der dabei offenkundig niemanden im Lidl-Manage- Bildung von Betriebsräten für die Lidl-Filialen un- ment.

Betriebsräte werden kalt gestellt

Öffentliche Unterstützung und eine breite Lidl-kritische Berichterstattung hielten die Geschäftsleitung im Jahr darauf auch nicht davon ab, funktionierende Filialbetriebsräte kaltzustellen: Im baden-württembergischen Calw wurde eine gut gehende Filiale von heute auf morgen geschlossen. Dass dieser überraschende Schritt etwas mit dem akti- ven Betriebsrat in der Niederlassung zu tun hatte, wurde zwar von Lidl entschieden zu- rückgewiesen, dürfte dennoch ausschlagge- bend für die Schließung gewesen sein. Raffiniert verfuhr das Management im Fall von Lidl Forchheim. Der dortige Betriebsrat Frank Kalina hatte sich als besonders durch- setzungsstark erwiesen. Nach seiner Wahl sorgte er innerhalb weniger Monate dafür, dass die Filialbeschäftigten nicht mehr Ta- schen- und Autokontrollen unterzogen so- wie dass Überstunden exakt notiert und be-

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disc-brosch_080109.indd 61 09.01.2008 21:51:45 Uhr zahlt wurden. 2006 wurde die Filiale jedoch Knall Fest steht jedoch, dass die Lidl-Geschäftsleitung vor auf Fall in einen Schnäppchenmarkt umgewandelt dem Wahltermin versucht hat, massiv Einfluss auf – und gehört seitdem zumindest formal nicht mehr das Geschehen zu nehmen: So erhielten drei Tage zum Unternehmen Lidl. Zwar blieb Frank Kalina vor den Betriebsratswahlen Beschäftigte der Filiale Betriebsratsvorsitzender, aber seine Handlungs- zu Hause „Besuch“ von ihren Vorgesetzten, die sie möglichkeiten sind seit der Umwandlung deutlich von der Abstimmung über die Arbeitnehmervertre- begrenzt. tung abhalten wollten. Doch dieser Druck verfing nicht. Die Wahl fand statt. Erfolgreiche Betriebsratwahlen trotz zahlreicher Schikanen Allerdings sehen sich die KollegInnen in der Feuer- bacher Filiale auch seit der Wahl unter verstärkter In punkto Betriebsratswahlen erwies sich die Lidl- Beobachtung: So haben sich mittlerweile die Test- Kampagne von ver.di auf den ersten Blick als we- käufe massiv gehäuft. Einer Mitarbeiterin wurde nig erfolgreich. Bei genauerem Hinsehen allerdings innerhalb von sieben Minuten zweimal ein Testwa- baute ver.di mit Hilfe vieler Haupt- und Ehrenamt- gen an die Kasse geschoben. Wer bei diesen Tests licher in etlichen Orten in dieser Zeit ein dichtes den ein oder anderen trickreich im Einkaufswagen Kontaktnetz auf. „Eine derart groß angelegte Kam- versteckten Artikel übersieht, erhält in aller Regel pagne kann nicht von heute auf morgen Erfolge eine Abmahnung – auch dies ist in der Feuerbacher vorweisen“, erklärt Rainer Kau, der die ver.di-Lidl- Filiale seit den Betriebsratswahlen bereits zweimal Kampagne auf Bundesebene leitet. passiert. „Sicher haben wir im Moment eine schwie- rige Situation“, stellt Oliver Handel fest. „Doch es In Stuttgart beispielsweise arbeitete eine aus haupt- ist ein Erfolg, allen Widerständen zum Trotz den und ehrenamtlichen GewerkschafterInnen zusam- Betriebsrat gewählt zu haben.“ mengesetzte Kampagnengruppe rund ein Jahr an der Betriebsratsgründung in der Lidl-Filiale im Das sieht der Hamburger Organizer Björn Krings Stadtteil Feuerbach. „Es gab viel Unterstützung“, ganz ähnlich. Auch in der Hansestadt war die Be- erinnert sich Oliver Handel, der als Organizer die triebsratswahl möglich, nachdem ver.di-Vertre- Kampagne betreut. „Den letzten Schwung brachte schließlich der Besuch der Bamber- ger Lidl-Betriebsrätin Ulrike Schramm de Robertis bei den Stuttgarter KollegInnen. Ihr Bericht überzeugte sie vollends, dass ein Betriebsrat eine Menge erreichen kann.“ Am 4. Oktober 2007 wählten die Beschäftigten der Stuttgarter Filiale ihren Betriebsrat, ei- nen Tag später wurden die Briefwahlstim- men ausgezählt – und kurz darauf lag bereits die Wahlanfechtung der Geschäftsleitung auf dem Tisch. „Die behaupten, der Filial- leiter sei daran gehindert worden, für die Wahlen zu kandidieren“, sagt Oliver Handel und weist diesen Anfechtungsgrund als völ- lig unbegründet zurück. Anders sehe es wohl mit der Auszählung der Briefwahlstimmen aus, da habe es Probleme gegeben. Dennoch ändere das nichts am Wahlergebnis insge- samt. Die gerichtliche Entscheidung über die Wahlanfechtung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

62 – Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse 0018-02

disc-brosch_080109.indd 62 09.01.2008 21:51:45 Uhr Fundamentale Rechte erkämpft

Bis die Arbeit der Betriebsräte in Stuttgart und Hamburg rund läuft, dürfte noch einige Zeit vergehen: Zunächst werden sich die Ar- beitnehmervertreterInnen, das belegen Bei- spiele aus anderen Filialen, ihre fundamen- talen Arbeitsgrundlagen erkämpfen müssen. Einführungskurs ins Betriebsverfassungsge- setz, die nötigen Arbeitsmittel, ein Raum – das gibt es bei Lidl, wie auch anderen Dis- countern, nicht automatisch. Üblicherweise steht den Betriebsräten hier ihre erste Ausei- nandersetzung bevor, die äußerstenfalls bis vors Arbeitsgericht führen kann.

Umso erstaunlicher liest sich kurz nach den schwierigen Betriebsratswahlen in Stuttgart und Hamburg eine Aussage der Lidl-Leitung, die in der Lebensmittel-Zeitung vom 16. No- vember 2007 (online-Ausgabe) wiedergege- ben wird: „Lidl hat noch nie die Bildung von

terInnen rund anderthalb Jahre lang Kontakte0201 zu Betriebsräten behindert“, heißt es da. Rainer Kau Beschäftigten der Eimsbütteler Lidl-Filiale aufge- von der ver.di-Lidl-Kampagne versteht das als di- baut hatten. Ebenso wie in Stuttgart machte die Ge- rekte Aufforderung an die Filialbeschäftigten. „Die schäftsleitung Druck und stellte letztlich den Filial- KollegInnen sollten ihren Arbeitgeber beim Wort leiter als Gegenkandidaten auf. „Seit dem knappen nehmen und darauf pochen, dass Betriebsrats- Ergebnis von Neun zu Acht für den gewerkschaft- wahlen bei Lidl nie behindert werden“, meint er. lichen Kandidaten Tayeb Azzab für den Betriebsrat Unabhängig davon plant ver.di bereits die nächs- geht ein Riss durch die Belegschaft“, weiß Björn ten Wahlen – ohne Orte oder genaue Zeitpunkte Krings. Diese Spaltung zu überwinden gehört zu bekannt zu geben. So ganz möchte man sich in der den ersten Aufgaben des neuen Betriebsrates. Einen Gewerkschaft doch nicht darauf verlassen, dass die handfesten Erfolg konnte er allerdings schon wenige Lidl-Leitung künftig keinen Einfluss auf Wahlvor- Tage nach seiner Wahl vorweisen: Plötzlich durfte bereitungen und -abläufe nimmt. die dringend benötigte Ruheliege für eine schwan- gere Kollegin in der Filiale angeschafft werden.

Gudrun Giese: Diplom-Politologin und freiberuf- liche Journalistin, Ko-Autorin des „Schwarz-Buch Lidl“ (mit Andreas Hamann).

Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse – 63

disc-brosch_080109.indd 63 09.01.2008 21:51:45 Uhr 6. Aufgaben des Staates: Einführung verbindlicher Sozial- standards Von Uwe Wötzel

Worum geht es? In Europa expandieren Discounter und Billig-Ket- Gegen Willkür, Respektlosigkeit, gegen Unterdrü- ten. In diesem Prozess breiten sich prekäre Niedrig- ckung am Arbeitsplatz wehren wir uns. Wir wol- lohn- und Minijobs aus und verdrängen Normalar- len, dass den Beschäftigten bei Discountern und in beitsverhältnisse. Insbesondere Frauen, Migranten Billig-Ketten Fairness, Respekt und Wertschätzung und Menschen, die überwiegend unter prekären entgegengebracht wird. Wir streiten für Gewerk- Bedingungen bei Lidl, Aldi, Schlecker, KiK, Nor- schaftsrechte und damit Menschenrechte, auch und ma, Netto und anderen Billig-Ketten arbeiten, sind besonders bei Discountern und Billig-Ketten. Wir betroffen. Extremer Leistungsdruck und Überwa- treten dafür ein, dass Discounter in Deutschland, chung sind an der Tagesordnung. Grundrechte von Europa und den Zulieferländern die Menschenrech- Beschäftigten werden unterdrückt und die Wahl te einhalten und fordern, dass ArbeiterInnen und von ArbeitnehmervertreterInnen verhindert. Produzenten vor den negativen Auswirkungen der Einkaufsmacht von Discountern geschützt werden. Die Härte des Konkurrenzkampfes im Handel hat weitreichende Folgen für Beschäftigte, Kunden und Was sind die Hintergründe? die gesamte Gesellschaft. Das Schwarz Buch Lidl und das Schwarz Buch Lidl Europa von ver.di do- Die Politik, mit voran die Europäische Union, zielt kumentieren eindrucksvoll, wie die Billig-Kette bei systematisch und seit den 90er Jahren sehr dyna- ihrer Expansion ins europäische Ausland auch dort ihr Prinzip “Billig auf Kosten der Beschäftigten” eingeführt hat. Diese be- schäftigtenfeindliche Geschäftspraxis hat zur Folge, dass soziale Standards nicht nur in Deutschland, sondern auch bei unseren europäischen Nachbarn rapide sinken – So- zial-dumping als deutscher Exportschlager.

Grundrechte von Beschäftigten werden je- doch nicht nur im europäischen Handel missachtet, sondern auch bei den Zuliefe- rern der Discounter, insbesondere in den Entwicklungsländern. Mit der Konzentrati- on im Einzelhandel steigt die Verhandlungs- macht der Discounter. So können diese ihren Zulieferern die Produktions-, Preis- und Lie- ferbedingungen diktieren. Durch die rigoro- se Preispolitik der Discounter geraten Löhne und Arbeitsbedingungen bei den Zulieferern in den Entwicklungsländern immer mehr unter Druck.

64 – Die Aufgaben der Staaten und Unternehmen 0018-07

disc-brosch_080109.indd 64 09.01.2008 21:51:46 Uhr misch auf die globale Entgrenzung der Märkte für den erwerbstätige Menschen aus den vorher stark Finanzen, Waren, Arbeitskräfte und Dienstleistun- abgeschotteten Volkswirtschaften der ehemaligen gen. Sie bedient primär die Wünsche der Investoren Sowjetunion und ihrer Verbündeten sowie aus den und der transnationalen Unternehmen und fördert Entwicklungsländern wie China und Indien hinzu. ihren Expansionsdrang und Machtzuwachs. Dieser Prozess verläuft politisch asymmetrisch, das heißt er vernachläs- sigt die Möglichkeiten, um gleichsam mit der ökonomischen Entwick- lung die universellen Menschenrechte sowie international anerkann- ten sozialen und ökolo- gischen Standards welt- weit zu gewähren und zu sichern. Resultat dieser Prozesse ist die Zunah- me von politischen und sozialen Ungleichheiten in der Welt. Die Ent- grenzung von Wert- schöpfungsprozessen über Staatsgrenzen und Kontinente hinaus erhöht In den nächsten zehn Jahren wächst das Arbeits- den Machtzuwachs von Transnationalen Unterneh- kräftepotenzial um eine Milliarde Menschen. Die men. Heute agieren nahezu 90.000 Unternehmen gegenwärtige politische Schwäche dieses Arbeits- transnational. Die 500 mächtigsten kontrollierten kräftepotenzials erleichtert die fast schrankenlose im Jahr 2005 52,8 % des Weltsozialproduktes. Die Ausbeutung und die gleichzeitige Anhäufung un- 374 größten Unternehmen besitzen Finanzreserven vorstellbar großen Reichtums. Die Vermehrung des in Höhe von 555 Milliarden Dollar. Dieser Betrag Arbeitskräftepotenzials ist verbunden mit globaler hat sich seit 1999 verdoppelt. Der Return on Invest- Unterbeschäftigung und Massenarbeitslosigkeit. ment übersteigt den tatsächlichen Investitionsbe- Weltweit fehlen Hunderte von Millionen Arbeits- darf mehr als deutlich. Die enorme Höhe der Profite plätze. Doch 600 Millionen Menschen arbeiten beruht auf der politischen Schwäche der Arbeits- mehr als 48 Stunden in der Woche. Armut trotz Ar- kräfte und der Steuerpolitik der Regierungen. Die beit ist zur weltweiten Erscheinung geworden. 1,2 Unternehmen nutzen ihre Freiheit um Lieferanten Milliarden Erwerbstätige haben weniger als 1 US- und Arbeitskräfte unter Druck zusetzen. Ein Bei- Dollar, insgesamt 3 Milliarden haben weniger als spiel aus dem Handel ist Li & Fung (siehe hierzu 2 US-Dollar täglich für ihre Bedürfnisse. Die Aus- den Artikel von Gisela Burckhardt „Wie Discounter weitung von Zonen sozialer Unsicherheit ist global. ihre Macht nutzen“). Prekäre und informelle Arbeit dringen vor: In den 50er und 60er Jahren betrug der Anteil der sta- Die gewaltigen Veränderungen des globalen Ar- bilen Arbeitsverhältnisse im Westen zwischen 80 beitsmarktes haben bei gleichzeitiger Schwächung und 90 Prozent, in den Länder des Südens etwa 50 von sozialer Regulierung ein erhebliches Druck- Prozent. Heute sind es im Westen noch 60 Prozent potenzial auf die Löhne. Der Begriff „The Great und im Süden ganze 20 Prozent. Global verringer- Doubling“ meint die Verdoppelung der Zahl der te sich der Anteil von stabilen Arbeitsverhältnissen Arbeitskräfte, die den globalen Märkten zur Ver- von 75 auf 25 Prozent. Gewerkschaftlicher Wider- fügung stehen. Seit 1990 kamen etwa 1,47 Milliar- stand gegen schlechte Arbeitsbedingungen wird

Die Aufgaben der Staaten und Unternehmen – 65

disc-brosch_080109.indd 65 09.01.2008 21:51:46 Uhr weltweit behindert. Gewerkschaftsrechte werden • Organisationsfreiheit und das Recht auf in über 130 Ländern verletzt. Der Internationale kollektive Verhandlungen, Gewerkschaftsbund berichtet von Mord, Körper- • Angemessener Lohn, verletzungen, Haftstrafen, Streikverbote, Überwa- • Arbeitszeitregelungen und Überstunden- chungen und willkürlichen Entlassungen von Ge- zuschläge, werkschaftsmitgliedern. • Gesundheits- und Sicherheitsbestimmun- gen, Solidarität drängt Arbeitsrechtsver- • Mindestalter, Verbot von Kinderarbeit, letzungen zurück: Die Aktionen der • Schutz vor Diskriminierung, • Keine Zwangsarbeit, Kampagne für Saubere Kleidung • Stabile Arbeitsverhältnisse. Vor dem Hintergrund der aktuellen weltweiten Rahmenbedingungen für Lohnarbeit findet sich ein Konkretes Ziel der Kampagne ist die Verpflichtung bemerkenswertes Beispiel für grenzüberschreiten- von in Deutschland tätigen und ansässigen Einzel- de Kooperation von Menschenrechtsorganisationen handelsunternehmen zur Einhaltung von sozialen und Gewerkschaften in der Arbeit der Kampagne Mindeststandards bei der Herstellung aller ihrer Be- für ‚Saubere‘ Kleidung. Die 1990 in den Niederlan- kleidungsprodukte, das Unterschreiben des von der den gegründete Kampagne für ‚Saubere‘ Kleidung Kampagne geforderten Verhaltenskodizes und eine (Clean Clothes Campaign - CCC) engagiert sich für Kontrolle über die Einhaltung durch eine unabhän- bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie gige Instanz. Wichtigstes Instrument zum Erreichen weltweit. Zu den Trägern der Kampagne gehören der Ziele der Kampagne ist der Aufbau von massi- in Deutschland neben Frauenrechtsorganisationen vem öffentlichem Druck auf Einzelhandelsunterneh- und christlichen Initiativen auch die IG Metall, die men der Bekleidungsbranche, damit sich diese ihrer Gewerkschaft ver.di und das DGB Bildungswerk sozialen Verantwortung stellen. Zu den öffentlichen (siehe Verzeichnis der CCC im Anhang). Die Kam- Aktionsformen der Kampagne gehören u.a.: pagne leistet durch ein starkes Engagement Beiträ- ge, die zu messbaren Erfolgen, zu verbesserten Be- • Informationen für Kundinnen und Kunden der dingungen für Arbeitende in Bekleidungsfabriken Handelsunternehmen über Arbeitsrechtsverlet- Osteuropas und Asiens führten. Mehr als 90 % der zungen bei ihren Lieferanten, Kleidung, die über deutsche Ladentische geht, wird • Presse- und Medienarbeit, von Frauen aus Asien, Mittelamerika und Osteuro- • Informationsstände und Straßentheater, pa genäht. Sie arbeiten zum Teil unter miserablen • Globalisierungskritische Stadtrundgänge, Bedingungen, zu Hungerlöhnen und überlangen • E-Mail und Postkartenaktionen zu konkreten Arbeitszeiten, wie diese Studie zeigt. Die Kampag- Arbeitsrechtsverletzungen, nen-Träger haben auf der Basis der Empfehlungen • Informationsveranstaltungen mit Beschäftigten des Internationalen Gewerkschaftsbundes einen aus Zulieferbetrieben. Verhaltenskodex entwickelt, der die wichtigsten Normen der Internationalen Arbeitsorganisation Die Kampagne ruft nicht zum Boykott gegen Unter- beinhaltet und regelt, wie die Einhaltung der Nor- nehmen auf, jedoch machen die beteiligten Grup- men überprüft wird (siehe Anhang). pen und Organisationen auf vielfältige Weise Kritik Allgemeine Ziele der Kampagne sind: und Forderungen öffentlich. Die Ziele der Kampa- gne für ‚Saubere‘ Kleidung werden auch durch die 1. Verbesserung der Arbeitsbedingungen der betriebliche Gewerkschaftsarbeit in verschiedenen mehrheitlich weiblichen Beschäftigten in der Unternehmen unterstützt. Bekleidungsindustrie weltweit, insbesondere in der „Dritten Welt“, Unternehmen reagieren auf die Kritik. So hat die 2. Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Fol- KarstadtQuelle AG sich einen eigenen Kodex gege- gen unkontrollierter Globalisierungsprozesse, ben, Tchibo hat seinen Verhaltenskodex überarbei- 3. Die Einhaltung sozialer Mindeststandards, tet. Auf ständigen Druck der Kampagne verstärken auch bei den Lieferanten: die Unternehmen ihre Bemühungen zur Erfüllung

66 – Die Aufgaben der Staaten und Unternehmen

disc-brosch_080109.indd 66 09.01.2008 21:51:46 Uhr ihrer Verpflichtungen. Doch je nach Unternehmen sozialer Mindeststandards in Anlehnung an die sind sie vom Ziel noch weit entfernt. Die Außen- Kernarbeitsnormen der International Labour Orga- handelsvereinigung des deutschen Einzelhandels nisation (ILO) und nationale Gesetze binden. Das (AVE) folgte 1999 mit einem eigenen Kodex den Projekt erreichte Zulieferunternehmen mit insge- Forderungen der Kampagne für ‚Saubere‘ Kleidung. samt rund 1,25 Millionen Beschäftigten. Allerdings: Doch diese Erklärung führt nicht automatisch zu Die Ergebnisse des ersten Audits zeigten eindeutig, besseren Arbeitspraktiken in den Zulieferbetrieben. dass Instrumente der freiwilligen Selbstverpflich- tung nur selten zu akzeptablen Arbeitsbedingungen Das Engagement und der unnachgiebige Druck führen. Nach zuvor angekündigten Überprüfungen der Akteure der CCC hat großen Anteil daran, dass konnte die Einhaltung der geforderten Mindest- die AVE in Kooperation mit der Gesellschaft für standards nur bei 7% der Lieferanten festgestellt Technische Zusammenarbeit (GTZ) die Einhal- werden. Auch die etwas besseren Ergebnisse des tung der Sozialstandards bei Lieferanten auf den zweiten Audits konnten nicht überzeugen. Trotz des Prüfstand stellte. Im Jahr 2003 begann das Projekt großen Aufwands konnten letztlich nur wenig kon- zur „Einführung eines einheitlichen Modells zur krete Verbesserungen bei den ArbeiterInnen festge- Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Be- stellt werden. schaffungsmärkten des deutschen Einzelhandels in ausgewählten Ländern“. Die AVE, das Bundesmi- Freiwillige Selbstverpflichtungen nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und sind völlig ungenügend Entwicklung (BMZ) und die GTZ bauten in den elf größten Lieferländern des deutschen Einzelhandels Freiwillige Selbstverpflichtungen erfüllen eben in Kooperation mit der Industrie vor Ort ein Audi- nicht ihre wohlklingenden Versprechungen. Not- tierungs- und Qualifizierungssystem für Sozialstan- wendig sind verbindliche und von unabhängiger dards in 2.500 Zulieferbetrieben auf. Für die betei- Seite überprüfbare Regeln. Von der Politik erwarten ligten Unternehmen der AVE steht dabei der „Code wir konkrete Schritte zur Durchsetzung von Unter- of Conduct der AVE“ im Mittelpunkt. Mit dieser nehmensverantwortung: So sollen etwa öffentliche freiwilligen Selbstverpflichtung möchten die Un- Aufträge nur noch an Firmen vergeben werden, ternehmen ihre Zulieferbetriebe im Bereich Textil, die – ebenso wie ihre Zulieferer – die Menschen- Bekleidung, Leder und Spielzeug an die Einhaltung rechte sowie soziale und ökologische Normen ein- halten und darüber Rechenschaft ablegen. Menschenrechtliche und sozial-ökologische Anforderungen an Unternehmen müssen zudem in internationalen Wirtschaftsab- kommen und bei der Wirtschaftsförderung verankert werden.

Das kritische Spannungsverhältnis zwischen gesetzlichen Anforderungen und freiwilligen Selbstverpflichtungen erkennen inzwischen sogar die Arbeitsminister der G8-Gruppe. Im Mai 2007 erklärten sie in Dresden: „Es ist vor allem Aufgabe des Staats, Menschen- rechte und Arbeitsnormen umzusetzen und zu verbessern. Unternehmen können durch eine freiwillige Selbstverpflichtung mehr tun, als gesetzlich vorgegeben. Unternehmen sollten ihre Verantwortung gegenüber ihren Beschäftigten durch die Förderung von rechtsstaatlichem Handeln, Transparenz, guter Unternehmensführung

Die Aufgaben der Staaten und Unternehmen – 67

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disc-brosch_080109.indd 67 09.01.2008 21:51:46 Uhr und Beseitigung von Korruption sowie der Umset- derungen wie Gewährung von menschenwürdigen zung von guten Arbeitsbeziehungen zwischen Ar- Arbeitsbedingungen und befriedigenden Löhnen, beitgebern und Arbeitnehmern anerkennen.“1 Gewerkschaftsrechten, Diskriminierungsfreiheit, Ver- bot von Kinder- und Zwangsarbeit. Inzwischen wis- Soziale Standards in die globalen sen nahezu alle politischen Kräfte, dass Entgrenzung Zulieferketten der globalen Märkte dringend einer politischen Ein- bettung bedarf. Wie nutzen Kunden ihre Einkaufsmacht auf die Lie- Das CorA-Netzwerk hat für die Regulierung der ferbedingungen? Nehmen sie Einfluss auf die Qua- Märkte Forderungen formuliert, die auch auf die lität der Arbeitsbedingungen? Oder zählt nur der Praxis der Discounter gerichtet sind. Weil die Un- günstigste Preis? Erweiterte Wirtschaftlichkeitsrech- ternehmensphilosophie von freiwilligen und priva- nungen und verantwortungsvolles Einkaufen über- ten Initiativen der „Corporate Social Responsibility“ schreiten engstirnige Kalkulationen und beachten (CSR) die Kluft zwischen menschenrechtlichen, so- Menschenrechte. Das CorA-Netzwerk2 für Unterneh- zialen sowie ökologischen Problemen einerseits und mensverantwortung arbeitet an einem anspruchsvol- den normativen Werten unserer Zivilisation nicht len Projekt. CorA steht für Corporate Accountability, allein überwinden kann, darum müssen Transnati- für soziale Rechenschaftspflicht der Unternehmen. onale Unternehmen in ihrem Wirkungsbereich ak- Das Netzwerk wird getragen von umwelt-, entwick- tiv zur Einhaltung der genannten Normen beitragen lungs-, verbraucher- und menschenrechtspolitischen und ihr Verhalten der Öffentlichkeit transparent Gruppen sowie den Gewerkschaften IG Metall und und nachvollziehbar darstellen. ver.di. Dieses breite politische Bündnis will die ge- sellschaftliche Debatte über das wirtschaftliche und Das CorA-Netzwerk ist davon überzeugt, dass der politische Handeln von Unternehmen verstärken Weg zu verbindlichen, grenzüberschreitend wirksa- und für verbindliche politische Instrumente eintre- men Unternehmensregeln nicht nur ethisch geboten, ten, mit denen Unternehmen verpflichtet werden, sondern auch wirtschaftlich für das Wohl der Allge- die Menschenrechte sowie international anerkannte meinheit dringend notwendig ist. Die verbindliche soziale und ökologische Normen zu respektieren. Für Verantwortung kann mit einer Kombination von die Arbeitsbedingungen in der globalen Zulieferket- Instrumenten erreicht werden, insbesondere durch te bedeutet dies die Einhaltung der Mindestanfor- finanzpolitische Instrumente, durch Grenzwerte, durch Anreiz- und Sanktionssysteme, durch ordnungspolitische Vorgaben und langfristig durch veränderte Strukturen, die den Weg zu einer sozial- und ökologisch verträglichen sowie vor allem einer menschenrechtskonfor- men Wirtschaftsweise eröffnen. In demokratisch verfassten Staaten führen öffentliche Willensbildungsprozesse zu ge- setzlichen Regelungen, die Inhalt und Reich- weite der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen bestimmen. Für einen weltweit wirksamen Ordnungsrahmen brau- chen wir eine starke internationale Gemein- schaft von demokratischen und handlungs- fähigen Staaten. Unternehmen dürfen nicht dazu beitragen, dass staatliche Souveränität geschwächt wird, beispielsweise durch Be- stechung von Politikern oder Staatsbeamten. Die Wirkung verbindlicher Regeln gegenüber transnational tätigen Unternehmen entfaltet sich besser, wenn für diese Ziele möglichst

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disc-brosch_080109.indd 68 09.01.2008 21:51:46 Uhr viele Staaten koordiniert handeln, z.B. in der EU, OECD und in den Vereinten Nationen. Gleichzei- tig fordern wir auch auf kommunaler, Landes- und Bundesebene Beiträge zu einem Regelwerk im Sin- ne von ‚Corporate Accountability’. Uwe Wötzel ist 1956 in Hannover geboren, verhei- CorA fordert daher vom Bundestag und der Bun- ratet und Vater von drei erwachsenen Kindern. Er desregierung sowie vom Europäischen Parlament, studierte Sozial- und Rechtswissenschaften in Mar- dem Europäischen Rat und der Europäischen Kom- burg und Hannover. Seit vielen Jahren arbeitet er mission konkrete Schritte zur Einführung eines ver- als Gewerkschaftssekretär. Er vertritt die Vereinte bindlichen Rahmenwerkes für unternehmerische Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) im Trägerkreis Verantwortlichkeit (siehe im Anhang die wichtigs- der Kampagne für `Saubere‘ Kleidung und im Ko- ten Forderungen von CORA an die Politik). (www. ordinierungskreis des Netzwerkes für Unterneh- corA-netz.de ). mensverantwortung.

1 http://www.ilo.org/public/german/region/eurpro/bonn/aktuelles_g8arbeitsminister.htm 2 www.cora-netz.de

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disc-brosch_080109.indd 69 09.01.2008 21:51:47 Uhr Anhang

1.a Ergebnisse der Befragung von 105 Ar- beiterInnen bei den sechs Lieferanten von Lidl und/oder KiK in Bangladesch Tabelle 01: Basisinformationen über die ArbeiterInnen Alter bis 17 Jahre 18 - 20 21 - 24 25 - 34 35 - 44 45+ Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 12 44 29 16 02 02 Geschlecht weiblich: männlich: 83 22 Bildung keine Bis 5. Klasse 6.-10. Klasse 10. Klasse + 17 38 48 02 Jahre in der Beklei- unter 1 Jahr 1 - 3 Jahre 4-6 Jahre 7-9 Jahre 10-12 Jahre dungsindustrie 29 39 18 10 09 Jahre in dieser Fabrik unter 1 Jahr 1 - 3 Jahre 4-6 Jahre 7-9 Jahre 10-12 Jahre 44 41 11 07 02 Arbeitsbeginn um 8:00 h nach 8:00 h 9:00 h 105 0 0 Arbeitsende 17:00 h 19:00 h 20:00 h 21:00 h 22:00 h 23:00 h 23 26 14 03 38 01 Erziehungsurlaub ohne Bezah- mit 50% mit Bezahlung kein Urlaub weiß nicht (Mutterschaft) lung Bezahlung 34 03 36 22 10 Arbeitsvertrag haben Arbeitsvertrag keinen Arbeitsvertrag keinen Vertag, aber „Personen- karte“ 06 99 68 Länge der Arbeitsver- Zeitverträge unbefristet träge 101 04

Tabelle 02: Arbeitsdokumentation, Arbeitsbedingungen und Urlaubsrege- lung der ArbeiterInnen Nicht frei- freiwillig willig Überstunden 99 06 Vorankündigung von Vorankündi- keine Voran- Überstunden gung kündigung 02 103 Überstunden werden Ja Nein Weiß nicht nach Gesetz bezahlt 38 20 47 Bezahlte Urlaubstage 05 Tage 08 Tage 10 Tage 12 Tage 13-15 Tage Weiß nicht 14 02 17 22 21 29 Haben Probleme, Ur- Ja Nein laub zu nehmen 81 24

70 – Anhang

disc-brosch_080109.indd 70 09.01.2008 21:51:47 Uhr Tabelle 03: Lohn- und Lohnzahlungen der ArbeiterInnen Überstunden werden bezahlt am 7. des Nach der Keine Anga- nächsten Hälfte des ben Monats nächsten Monats 24 47 34 Lohn korrekt bezahlt Ja Nein 1-2 Std. weniger 4-8 Std. weniger Mehr als 10 Std. weniger 50 26 01 11 17 Lohnerhöhung pro Jahr Ja Nein 71 34 Anreize für die Anwesenheit Ja Nein 64 41 Andere Vergütungen Ja Nein *47 58 *Bananen, Brot: Nachtarbeit Rentenversicherung Ja Nein Weiß nicht 01 103 01 Abzüge bei Fehlern Ja Nein Keine Angaben 31 32 42 Abzüge bei schlechtem Ver- Ja Keine Angaben halten 63 42

Tabelle 04: Vereinigungsfreiheit und Status der ArbeiterInnen Fabrik hat Gewerkschaft Ja Nein 0 105 Mitglieder in Gewerkschaft Ja Nein 0 105 ArbeiterInnen wählen ihre Repräsen- Ja Nein tanten 0 105 ArbeiterInnen verloren Arbeitsstelle Ja Nein Weiß nicht aufgrund von Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft 01 51 53 Versuche des Gewerkschaftsaufbaus Ja Nein Weiß nicht 01 52 52 Wunsch nach einer Gewerkschaft Ja Nein Keine Antwort 100 02 03 Demonstration von ArbeiterInnen in Ja Nein Weiß nicht letzten 5 Jahren 53 36 16 Berufung auf Arbeitsgesetze Ja Nein Weiß nicht 39 49 17

Anhang – 71

disc-brosch_080109.indd 71 09.01.2008 21:51:47 Uhr Tabelle 05: Gesundheits- und Sanitärkonditionen der ArbeiterInnen Hygienische Toiletten Ja Nein 66 38 Begrenzte Toiletten- Ja Nein zeiten 04 101 Fabrik hat Tagesstätte Ja Nein Nicht funktionsfähig, nur um den Käufern zu zeigen 21 72 12 Fabrik hat Kantine Ja Nein 24 81 Medizinische Versor- Ja Nein Nicht funktionsfähig, nur um gung in der Fabrik den Käufern zu zeigen 60 40 05 Sauberes Trinkwasser Ja Nein Keine Antwort 41 54 10

Tabelle 06: Käuferbesuche und Verhaltenskodex für ArbeiterInnen Tabelle 06: Käuferbesu- Ja Nein che und Verhaltensko- dex für Arbeiter/innen 66 38 Begrenzte Toiletten- Ja Nein zeiten 04 101 Fabrik hat Tagesstätte Ja Nein Nicht funktionsfähig, nur um den Käufern zu zeigen 21 72 12 Fabrik hat Kantine Ja Nein 24 81

72 – Anhang

disc-brosch_080109.indd 72 09.01.2008 21:51:48 Uhr Anhang – 73

disc-brosch_080109.indd 73 09.01.2008 21:51:48 Uhr 1.b Informationen zu den sechs Lieferan- ten von Lidl und/oder KiK in Bangladesch

Fabrik Kriterien Fabrik Nr. 1 Fabrik Nr. 2 Fabrik Nr. 3

Ursprungsland des Unternehmens/ Bangladesch Korea Korea/Bangladesch Nationalität des Eigentümers Ausstattungsniveau hoch Deutschland, Gross- D, Frkr., GB, USA, Deutschland, Hol- Lieferung an folg. Länder britannien, USA und NL, Schweden land, USA Singapur

Anzahl ArbeiterInnen 1800 500 800

Anteil der weiblichen Beschäftigten > 75 % > 70 % 80% Arbeitsverträge vorhanden? nicht vorhanden z.T. vorhanden nicht vorhanden Mindestlohn gezahlt ja spätestens 7. des 15. des Folgemonats Zahlungstag 23. des Folgemonats Folgemonats oder später Überstunden? nicht freiwillig freiwillig nicht freiwillig keine Vergütung der Überstundenbezahlung? intransparent selten Überstunden Überstunden Arbeitszeit bewegt sich zwischen neun und Arbeitsstunden (pro Arbeitstag) 14 Stunden täglich Abzüge von der Lohnsumme bei Verspätungen und Abwesenheit Kündigung von ja; Entlassungen Entlassungen in letzter Zeit Arbeiter, der Beleg- nein in erheblichem schaft organisierte Umfang Frauendiskriminierung ja kostenpfl ichtiger Vertragsarzt da, Arzt steht der Be- keine Aussagen Medizinische Versorgung aber unzureichende legschaft täglich zur vorhanden Untersuchung Verfügung Wasserversorgung Wasserversorgung es existiert keine Zugang zu Trinkwasser gewährleistet? nicht auf Trinkwas- auf Trinkwasserni- gesicherte Wasser- serniveau veau versorgung keine Aussagen keine Aussagen nur während erwar- Verhaltenskodex aufgehängt in Fabrik vorhanden vorhanden teter Kundenvisiten Verhaltenskodex ArbeiterInnen bekannt? nein steht ArbeiterInnen steht ArbeiterInnen Kantine nicht zur Verfügung, vorhanden nicht zur Verfügung, sofern vorhanden sofern vorhanden steht Kindern von steht Kindern von Kindertagesstätte Babyraum Arbeiterinnen nicht Arbeiterinnen nicht vorhanden zur Verfügung zur Verfügung

74 – Anhang

disc-brosch_080109.indd 74 09.01.2008 21:51:48 Uhr Fabrik Kriterien Fabrik Nr. 4 Fabrik Nr. 5 Fabrik Nr. 6

Ursprungsland des Unternehmens/Nationalität Bangladesch Bangladesch Bangladesch des Eigentümers Ausstattungsniveau sehr hoch hoch USA, Kanada, USA, GB, Frkr., Frkr., Italien, D, GB, Lieferung an folg. Länder Deutschland u.a. Deutschland, Japan, USA, Spanien, NL EU-Staaten Holland 350, 800-1000 (laut Anzahl ArbeiterInnen 250 550 Arbeitnehmern) Anteil der weiblichen Beschäftigten 80% > 70 % 80% Arbeitsverträge vorhanden? nein Mindestlohn gezahlt ja nein ja 10. bis 15. des Folge- keine Aussagen Zahlungstag 15. des Folgemonats monats vorhanden Überstunden? nicht freiwillig Näherinnen fühlen wird oft verspätet keine Aussagen Überstundenbezahlung? sich betrogen bezahlt vorhanden

Arbeitsstunden (pro Arbeitstag) Arbeitszeit bewegt sich zwischen neun und 14 Stunden täglich

Abzüge von der Lohnsumme bei Verspätungen und Abwesenheit

Entlassungen in letzter Zeit nein starke Unruhen nein

Frauendiskriminierung ja

keine Aussagen ärztliche Versorgung Medizinische Versorgung nicht vorhanden vorhanden vorhanden

Zugang zu Trinkwasser gewährleistet? Wasserversorgung nicht auf Trinkwasserniveau

nur während erwar- nur während erwar- keine Aussagen Verhaltenskodex aufgehängt in Fabrik teter Kundenvisiten teter Kundenvisiten vorhanden Verhaltenskodex ArbeiterInnen bekannt? nein

Kantine steht ArbeiterInnen nicht zur Verfügung, sofern vorhanden

Babyraum steht Kindern von Arbeiterinnen nicht zur Verfügung

Anhang – 75

disc-brosch_080109.indd 75 09.01.2008 21:51:48 Uhr 2. Mindestlohn-Tabelle, Bangladesch, seit Oktober 2006 in Kraft

Die Bekleidungsindustrie Bangladeschs ist min- ten von der Regierung nicht angehoben wurde. Im destens 25 Jahre alt. Sie ist einer der wichtigsten Jahr 2006 kam es schließlich zu massiven Protes- Sektoren der bangladeschischen Wirtschaft. Dieser ten der ArbeiterInnen und der Mindestlohn wurde prosperierende Wirtschaftssektor bezahlte seinen nach langwierigen Verhandlungen zwischen allen ArbeiterInnen einem Mindestlohn, der über einen Beteiligten (Arbeitgeberverbände, Regierung, Ge- Zeitraum von 12 Jahren trotz Infl ation und damit werkschaften) folgendermaßen neu pro Monat fest- verbundener Erhöhung der Lebenshaltungskos- gesetzt:

Sl. No. Stufen Nettolohn Miete Medizinische Versor- Bruttolohn in 30% des gung („Krankenversi- Bangladesch Grund- cherung“) Taka lohns Lehrling Für alle einheitlich 1200.00 01 HelferIn (G- 7) 1125.00 337.50 200.00 1662.50 02 Näherin (G- 6) 1270.00 381.00 200.00 1851.00 03 Näherin (G-5) 1420.00 426.00 200.00 2046.00 04 Näherin (G-4) 1577.00 473.00 200.00 2250.00 05 Senior Näherin 1730.00 519.00 200.00 2449.00 (G-3) Lehrlinge: Die Ausbildungszeit dauert nicht länger als 3 Monate. Zum Ende dieser Periode müssen die Arbeiterin- nen soviel wie eine Arbeiterin der 7. Stufe erhalten. Diese neue Lohnstruktur ist seit dem 22. Oktober 2006 in Kraft. 1 Taka entspricht 0.01 EUR (Ende Dezember 2007).

Überstundenbezahlung Die Überstunden müssen mit dem doppelten Stun- denlohn bezahlt werden. Überstunden werden für alle Stunden bezahlt die über acht Stunden am Tag hinausgehen, weiterhin an allen Feiertagen. Zur Be- rechnung wird der respektive Mindestlohn durch 208 Arbeitsstunden an 26 Arbeitstagen pro Monat geteilt.

76 – Rubrik

disc-brosch_080109.indd 76 09.01.2008 21:51:48 Uhr 3. Verhaltenskodex der CCC

Die folgenden Sozialstandards beziehen sich auf die von der Internationalen Arbeitorganisation (IAO) verabschiedeten Übereinkommen (die ersten vier gehören zu den so genannten Kernarbeitsnormen) und die universelle Menschenrechtsdeklaration:

• Das Verbot von Zwangsarbeit und Arbeit in Schuldknechtschaft (ILO Übereinkommen 29 and 105) • Das Diskriminierungsverbot (ILO Überein- kommen 100 and 111) • Das Verbot der Beschäftigung von Kindern unter 15 Jahren (ILO Übereinkommen 138 + 182) • Die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Kollektivverhandlungen (ILO Übereinkommen 87, 98, 135 and ILO Empfehlung 143) • Wöchentliche Arbeitszeitbegrenzung von 48 Stunden und max. 12 freiwillige Überstunden (ILO Übereinkommen 1) • Das Recht auf einen existenzsichernden Lohn (“living wage” - ILO Übereinkommen 26 und 131 und die Universelle Menschenrechts- deklaration) • Das Beschäftigungsverhältnis ist stabil und vertraglich geregelt. • Bestmöglicher Arbeits- und Gesundheits- schutz (ILO Übereinkommen 155)

Rubrik – 77

disc-brosch_080109.indd 77 09.01.2008 21:51:48 Uhr 4. Die wichtigsten Forderungen des CorA-Netzwerkes an die Politik

1. Rechenschafts- und Publizitäts- 3. Verankerung von Unterneh- pflichten für Unternehmen menspflichten in internationalen Unternehmen sollen transparente, kostenlose und Wirtschafts¬abkommen und bei der vergleichbare Informationen veröffentlichen, die Wirtschaftsförderung zeigen, wie sie in ihrem Wirken die Menschenrechte Die vielfältigen Außenwirtschaftsverträge Deutsch- sowie die sozialen und ökologischen Normen ent- lands und der EU müssen menschenrechtliche und lang der Wertschöpfungskette respektieren. Unter- sozial-ökologische Anforderungen an die Unterneh- nehmen sollen an ihren Standorten darstellen, wie men formulieren, statt ihnen vorbehaltlos Marktzu- sie die Belange der Beschäftigten, Verbraucher/in- gang und Investitionsschutz zu gewähren. Unter- nen und anderer Betroffener beachten, wie sie Kor- nehmen sollen staatliche Bürgschaften, Zuschüsse, ruption bekämpfen, welche Steuern sie zahlen und staatlichen Investitionsschutz und andere öffentli- welche Folgen ihre Investitionspläne für die Allge- che Hilfen nur erhalten, wenn sie nachweislich die meinheit haben. Unternehmen sollen transparente Menschenrechte sowie die sozialen und ökologi- Energie- und Umweltbilanzen darstellen. Sie sollen schen Normen beachten. ihr Sponsoring, ihre Lobby-Arbeit und die Zahlun- gen an Regierungen und Politiker transparent ma- 4. Gerechte Unternehmensbesteue- chen. Die Überprüfung der Unter¬nehmensberichte rung zum Nutzen der Gesellschaft muss durch unabhängige Stellen erfolgen. Regierungen müssen die Unternehmen entspre- chend ihrer wirtschaftlichen und ökologischen Leis- 2. Gesellschaftliche Anforderungen tungen zur Finanzierung des Gemeinwesens heran- für die Vergabe öffentlicher Aufträge ziehen. Dazu müssen Regierungen durch verstärkte internationale Zusammenarbeit die Finanz¬märkte Öffentliche Aufträge dürfen nur an Unternehmen wirksam regulieren, ihre Steuerregeln harmonisie- vergeben werden, wenn sie und ihre Zulieferer ren, Steuerflucht stoppen, Steuervermeidung be- nachweislich die Menschenrechte sowie die sozi- grenzen, „Steueroasen“ schließen und Steuerhinter- alen und ökologischen Normen respektieren und ziehung in wirksamer Form verfolgen. ihre Berichtspflichten vollständig erfüllen. Erbrin- ger öffentlicher Aufträge und ihre Lieferanten sol- len tarifliche Leistungen gewähren. Alle Schritte der öffentlichen Beschaffungs- und Auftragsvergabe müssen transparent erfolgen.

78 – Anhang

disc-brosch_080109.indd 78 09.01.2008 21:51:48 Uhr 5. Wirksame Sanktionen und Haf- tungsregeln für Unternehmen

Unternehmen, die gegen die Menschenrechte sowie die sozialen und ökologischen Normen verstoßen, die ihre Rechenschafts- und Publizitätspflichten verletzen oder ihre Kontrolle behindern, müssen mit Sanktionen belegt werden. Unternehmen, ihre Vorstände und ihre leitenden Manager sollen für Pflichtverletzungen - auch im Ausland – haften und sind gegenüber den Opfern zu Schadensersatz- leistungen verpflichtet. Die Staaten müssen leis- tungsfähige Strukturen schaffen, um Unternehmen grenzüber¬schreitend kontrollieren und Sanktio- nen durchsetzen zu können.

6. Stärkung der Produktverantwor- tung und Förderung zukunftsfähiger Konsum- und Produktionsmuster Unternehmen müssen durch wirksame Regeln da- für verantwortlich gemacht werden, unter welchen Bedingungen und in welcher Qualität sie ein Pro- dukt herstellen. Darüber hinaus wollen wir eine ge- sellschaftliche Auseinandersetzung über sozial- und umwelt¬verträgliche Konsummuster. Regierungen müssen die Herstellung und Verbreitung von sozial- und umweltschädlichen Produkten – auch interna- tional – zurück¬drängen und klare Vorgaben zum Ressourcenverbrauch entwickeln. Die Erforschung und Vermarktung sozial- und umweltverträglicher Produkte muss dagegen verstärkt gefördert wer- den.

Anhang – 79

disc-brosch_080109.indd 79 09.01.2008 21:51:48 Uhr 5. Literaturverzeichnis

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80 – Anhang

disc-brosch_080109.indd 80 09.01.2008 21:51:49 Uhr • LZ, online Ausgabe der Lebensmittelzeitung: Gudrun Giese) Broschur, Berlin 2004/2005, Verdi wirft KiK Lohndumping vor, www.lz-net. 106 Seiten, € 8,00 zzgl. Versand, ISBN-Num- de, 11.10.2007. mer 3-932349-12-1 • Made by Women: Weltweit sind 75% der • Schwarz Buch Lidl Europa (Andreas Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie Hamann u.a.) Broschur, Berlin 2006, ca. 140 weiblich, eine Tatsache, die die Clean Clothes Seiten, € 9,90 zzgl. Versand, ISBN-Nummer Kampagne dazu bewegte, sich im speziellen mit 3-932349-21-0 Frauen und deren Rolle in der globalen Beklei- • TERRE DES FEMMES- Schriftenreihe „Nein dungsindustrie auseinander zusetzen. Englisch, zu Gewalt an Frauen“: Mode, Macht &Frau- 2006, 128 S. enrechte AutorInnen verschiedenster Länder • manager magazin: Das heimliche Imperium stellen die Situation der Frauen dar, die in der des Dieter S. - Wie und von wem der verschach- weltweiten Bekleidungsindustrie beschäftigt telte Handelskonzern gesteuert wird. Nr. 2/2007 sind, Hrsg.: TERRE DES FEMMES, Tübingen • manager magazin, Nr. 2. Nov. 2006: Schei- 2003 tern im Baltikum. download: http://www. • TextilWirtschaft (2005), Einkaufsstätten- manager-magazin.de/unternehmen/arti- Studie, Teil 1, 2005 www.twnetwork.de/unter- kel/0,2828,446019,00.html. (05. Jan. 2007). nehmenundmaerkte/twstudien • Musiolek (Hg.): Ich bin chic, und Du musst • Voss-Dahm, Dorothea/Kalina, Thorsten: schuften. Frauenarbeit für den globalen Markt. Mehr Minijobs = mehr Bewegung auf dem Ar- Frankfurt/M. 1997, 157 S. beitsmarkt? Fluktuation der Arbeitskräfte und • Musiolek (Hg.): Gezähmte Modemultis. Beschäftigungsstruktur in vier Dienstleistungs- Eine kritische Bilanz von Verhaltenskodizes. branchen, IAT-Report 2005-07, Gelsenkirchen. Frankfurt/M. 1999, 210 S. • Voss-Dahm, Dorothea: Minijobs als Trieb- • Musiolek u.a.: Made in … Osteuropa – Die kräfte der Ausdifferenzierung betrieblicher neuen ‚fashion Kolonien‘, Berlin 2002, 40 S. Beschäftigungssysteme – das Beispiel Einzel- • Nähen für den Weltmarkt: Frauenarbeit in handel. In: Nienhüser, Werner (Hg.): Beschäf- den Freien Produktionszonen und in der Schat- tigungspolitik von Unternehmen. Theoretische tenwirtschaft: Die Broschüre legt Fallbeispiele Erklärungsansätze und empirische Erkenntnis- über Arbeitsbedingungen von Frauen in freien se, München 2006, S. 75-94. Exportzonen und Sweatshops in China, Indo- • Warich, Bert: Einzelhandel Branchendaten nesien und Sri Lanka vor. Südwind Institut, 2006, hg. ver.di, 2007a Siegburg, 2005, 81 S. • Warich, Bert: Discounter 2006. Struktur- • NETZ Bangladesch Zeitschrift: Garantiert wandel im deutschen Einzelhandel, hg. ver.di, günstig, made in Bangladesch, Nr. 2, 24. Jahr- 2007b gang, 18. Juni 2002, S. 4-15. • Wick: Werbegag oder Hebel für Beschäftigte? • NETZ Bangladesch Zeitschrift: MODE – Ein Leitfaden für internationale Kodizes der Ar- made in Bangladesch, Nr. 1, 27. Jahrgang, 31. beitspraxis, Friedrich Ebert Stiftung, Südwind März 2005, S. 4-13. Institut, 2006 • Oxfam (2004), Trading away our rights – women working in global supply chains, Oxfam International 2004 • Schuhler, Conrad: Metro Total Global. Die internationale Kapitalstrategie des größten deutschen Handelskonzerns, isw-Forschungs- hefte 3, 2005. • Schwarz-Buch Lidl (Andreas Hamann u.

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disc-brosch_080109.indd 81 09.01.2008 21:51:49 Uhr 6. Aktionsmaterial

Aktionsmaterial zum Ausleihen • Made in Dignity, Faire Textilien aus und Kaufen (INKOTA) Simbabwe, 15 min. (VHS) Am Beispiel der T- Shirt-Produktion eines kleinen Unternehmens • Aktions- und Medienkiste „Textilien“ mit in Simbabwe und der Absatzmöglichkeiten in Büchern, Videos, CD-ROMs, Informations- und Zusammenarbeit mit Organisationen des Fairen didaktischem Material und einer Ausstellung Handels in Europa wird eine Alternative zu den auf der Wäscheleine, auf der die Textilkette in üblichen Bedingungen in der globalen Textil- Texten, Graphiken und Fotos dokumentiert ist. produktion gezeigt. Interessante Reportage, • Medieneinheit zur CCC-Ausstellung. auch einsetzbar im Schulunterricht bzw. in der Ton-Bild-Text-Collage: Zusammenfassung der Jugendbildung. wichtigsten Aspekte der Kampagne für ‚Saube- • Opfer der Globalisierung, 11 min. (VHS) re‘ Kleidung, 20 min (VHS oder CD-ROM). Reportage über die Arbeits- und Produktions- • Drei Schautafeln (180 x 100 cm) mit flexib- bedingungen in den sogenannten Freihandels- lem Ständersystem veranschaulichen prägnant zonen in Zentralamerika und Strategien des das Anliegen der Kampagne und die Missstän- Widerstands. de, gegen die sie sich wendet. • Mittendrin: FairKleiden, 30 min. (VHS) • Protestkarten, Faltblätter, KundInnen- Video zum Thema Ökologie, Altkleider und karten Textilien. Im Rahmen einer Spielhandlung wird • Ausstellungsbanner und aufblasbares der Textilkreislauf auf unterhaltsame und leicht Riesen-T-Shirt nachvollziehbare Art und Weise dargestellt. Sehr geeignet für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren. Filme: • Saubere Ernte – Mavuno Safi, 50 min. (VHS) Video über Baumwollanbau weltweit, • China Blue, 96 min. (DVD) Regisseur Peled den Einsatz von Pestiziden, die Folgen für teilt die Perspektive dreier Arbeiterinnen einer Landwirtschaft und Gesundheit. Insgesamt Jeansfabrik. Menschen, überwiegend junge kritisch und sehr informativ, für Jugendliche ab Frauen, die täglich unter Hochdruck bis zu 14 der 8. Klasse und für die Erwachsenenbildung Stunden schuften – illegal ohne einen Vertrag geeignet. in der Tasche und für einen Hungerlohn von • Weltreise einer Jeans, WDR-Kinderwelts- zwei Euro pro Tag. Dabei grenzen die Zustände piegel, 50 min. (VHS/DVD) Angefangen beim in diesen Betrieben schon an Sklaverei. Folglich Baumwollanbau in Usbekistan über das Faden sind Filmemacher bei den Unternehmern auch spinnen und Weben in Belgien, das ‚stonewa- nicht willkommen. Peled hat sie überlistet und shen‘ in Frankreich mit Steinen aus der Türkei, nur so Bilder eingefangen, denen die Augen mit dem Design made in USA weitergeleitet kaum trauen wollen: Einige Mädchen heften nach Polen zum Nähen um schließlich in Malta sich Wäscheklammern an ihre Lider, damit sie gebügelt zu werden und dann verkaufsfertig bei im Erschöpfungszustand nur ja nicht einschla- uns zu landen – dieser Herstellungsweg einer fen. Nachts drängen sie sich in enge Achtbett- Jeans zeigt auf sehr anschauliche Art und Weise Zimmer mit dürftigen Waschmöglichkeiten. ein typisches Beispiel der globalisierten Textil- An ein Privat- oder gar Intimleben in solch produktion. bescheidenen Behausungen ist nicht zu denken. Männerbesuch ist nicht gestattet, Schwangeren droht eine Kündigung, wenn sie nicht abtrei- ben.

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disc-brosch_080109.indd 82 09.01.2008 21:51:49 Uhr 7. Liste der Trägerkreisorganisationen der CCC und Links

• Kampagne für ‚Saubere’ Kleidung • Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft www.saubere-kleidung.de ver.di • Arbeitsgemeinschaft der evangelischen http://www.verdi.de Jugend in Deutschland e.V. • Vereinte Evangelische Mission Wuppertal (http://www.evangelische-jugend.de) http://www.vemission.org • Bund der Deutschen katholischen Jugend (http://www.bdkj.de) Links • Christliche Initiative Romero (http://www.ci-romero.de) • Clean Clothes Campaign International • DGB Bildungswerk www.cleanclothes.org http://www.dgb-bildungswerk.de • Kampagne für ‚Saubere’ Kleidung • EIRENE Lateinamerikareferat Österreich http://www.eirene.org www.oneworld.at/cck • Evangelische Frauenarbeit in Deutschland • Maquila Solidarity Network http://www.ekd.de/efd/index.php3 www.en.maquilasolidarity.org • Evangelische Frauenhilfe in Westfalen e.V. • Sweatshop Watch http://www.ekvw.de www.sweatshopwatch.org • Evangelische Studentlnnengemeinde • OECD-Leitsätze für multinationale Deutschlands Unternehmen http://www.bundes-esg.de www.oecd.org • IG-Metall • Fair Wear Foundation http://www.igmetall.de/cps/rde/xchg/inter- www.fairwear.nl net/style.xsl/view_3562.htm • INKOTA-netzwerk http://www.inkota.de • Katholische Arbeitnehmer Bewegung http://www.kab.de • Katholischer Deutscher Frauenbund http://www.frauenbund.de • Katholische Landjugendbewegung Deutschlands http://www.kljb.org/bund-v4.1.1 • NETZ Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit http://www.bangladesch.org • Ökumenisches Netzwerk Rhein-Mosel-Saar http://www.oekumenisches-netz.de • Südwind-Institut für Ökonomie und Ökumene http://www.suedwind-institut.de • TERRE DES FEMMES http://www.frauenrechte.de

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