Neues schaffen auf altem Grund Das Gewässerentwicklungskonzept für die Kander dokumentiert Fachwissen und Bürgersicht

Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Fischereiinspektorat – Renaturierungsfonds Tiefbauamt des Kantons Bern Oberingenieurkreis I Von der Quelle bis zur Mündung

1 Die Kander, ein alpiner Fluss im Berner Oberland, hat viele Gesichter: Der Oberlauf ist weitgehend naturnah, der Mittellauf überwiegend kanalisiert, der Unterlauf geprägt durch die Umleitung in den Thunersee, geschaffen von Menschenhand vor 2 bald dreihundert Jahren. Frank (3); Schweizer Luftwaffe (1)

3

Das Quellgebiet der Kander liegt am Fuss des Kanderfirns, zuhinterst im Gasteretal (Foto 1). Von dort aus windet sich die Kander, vielfach verzweigt, durch die alpinen Auen und Grau- erlen-Auenwälder, die charakteristisch sind für dieses Hochtal. Danach folgt eine steile Klus. Durch diesen felsigen Einschnitt stürzt die Kander hinunter auf das flache Zwischenstück von , und anschliessend folgt eine 4 weitere Steilstrecke. Erst in reduziert sich das Fliessgefälle merklich, und noch weiter unten ändern namhafte Zuflüsse wie die Engstlige oder die Chiene das Abfluss- regime. Die Kander fliesst nun über weite Strecken in einem monotonen Gerinne, das arm ist an lebendigen Sohlen- und Uferstrukturen (Foto 2). Bei vereinigt sich die Kander mit der , taucht ein in das tief einge- schnittene Augand, quert in der Kanderschlucht (Foto 3) den Strättlighügel und mündet im Kanderdelta in den Thunersee (Foto 4, Aufnahme

während der Hochwasser vom August 2005). Titelseite: Frank (1); StAB (1,Aufnahme vom 23.August 1913: Greifbagger am rechten Leitkanal bei km 16.000)

2 Liebe Leserin, lieber Leser

n Urtümliche, ungezähmte Flussabschnitte n Der Wasserbau hat vielen Ansprüchen zu sind auch im Kanton Bern rar geworden. Die genügen, und nicht immer sind die entspre- landwirtschaftlichen Meliorationen seit Mitte chenden Anstrengungen frei von Interessen- des 19. Jahrhunderts und danach der flächen- konflikten. Deshalb muss, lange bevor über deckende Ausbau der Verkehrsadern, die ra- konkrete Vorhaben entschieden werden kann, sante Ausdehnung der besiedelten Gebiete eine Gesamtschau erstellt werden, die alle und der durch diese Entwicklungen zwingend Sichtweisen zur Sprache bringt. Diese wich- nötig gewordene bauliche Schutz vor drohen- tige Vorarbeit liegt inzwischen vor, und das den Hochwassern haben dazu geführt, dass entsprechende Dokument basiert nicht nur praktisch alle grösseren Gewässer ihr natür- auf fachlichen Abklärungen. Es nimmt auch liches Aussehen verloren haben. die Wünsche und Befürchtungen der betrof- Diesem Verlust an natürlicher Schönheit und fenen Gemeinden und der dort lebenden und Dynamik steht ein gesellschaftlicher Gewinn arbeitenden Menschen auf. Die Rede ist vom gegenüber. Die Flusskorrektionen trugen ent- Gewässerentwicklungskonzept Kander (abge- scheidend dazu bei, dass grosse Gebiete im kürzt GEKa). Kanton Bern überhaupt an der wirtschaftli- Darin werden nicht etwa umsetzungsreife chen Prosperität in jüngerer Vergangenheit Bauvorhaben diktiert. Vielmehr bildet dieses teilhaben konnten. Deshalb verdienen die Entwicklungskonzept eine breit abgestützte mit dem Wasserbau verbundenen Ingenieur- Grundlage für alle Arbeitsschritte, mit denen leistungen noch heute ungeschmälerten Re- die Kander im Laufe der nächsten Jahrzehnte spekt, genauso wie der damals bekundete – bis etwa zum Jahr 2050 – stabilisiert, rena- politische Wille. turiert und hochwassersicherer gemacht wer- Doch der Preis für diesen Fortschritt, obwohl er den kann. Deshalb auch der Name für das sich nicht in Geldwerten ausdrücken lässt, ist Gesamtprojekt: «Kander.2050». hoch. Eingedämmt und begradigt, sind zahl- Die Umsetzung der entsprechenden Massnah- reiche Flüsse auf eine einzige Funktion re- men wird nicht nur Zeit beanspruchen, sondern duziert worden: auf die möglichst schadlose weitere Diskussionen auslösen, Entscheidun- Ableitung von Wasser und Geschiebe. gen erfordern und Geld kosten. Gleichzeitig werden diese Massnahmen aber dazu beitra- Im Vorfeld und Laufe des Pro- n Auch die Kander ist ein Fluss, der heute gen, dass die Talschaften entlang der Kander jekts «Kander.2050» sind schon nicht nur über weite Strecken in einem mo- an Attraktivität gewinnen – als Lebensräume, etliche Berichte, Broschüren und notonen Gerinne fliesst, sondern sich trotz als Wirtschaftsräume, als Erholungsgebiete. Newsletter erschienen (oben). zahlreicher Verbauungen übermässig ein- Sie vermittelten bedenkens- tieft. Gegenmassnahmen drängen sich daher Andreas Rickenbacher werte Fakten, stellten Absichten auf. Doch beim Wasserbau geht es inzwi- Regierungsrat und Volkswirtschaftsdirektor und Ziele vor, informierten über schen nicht mehr allein darum, ein Gewässer des Kantons Bern den Fortgang der Arbeiten und mit technischen Mitteln zu bändigen. Zeit- animierten zur Teilnahme an gemässer Wasserbau nimmt auch Rücksicht Barbara Egger-Jenzer den Kandergesprächen. Das auf die vielfältigen Funktionen der Gewässer Regierungsrätin und Bau-, Verkehrs- Heft, das Sie jetzt in den Hän- und sucht sie, wo immer es geht, zu erhalten und Energiedirektorin des Kantons Bern den halten, rundet das Projekt oder sogar wiederherzustellen. ab und hat zwei Aufgaben: Gesucht werden deshalb auch an der Kander Einerseits dokumentiert es den Lösungen, die dem Fluss vermehrt Freiräume Stand der Dinge heute, im Jahr gewähren. Dabei ist zu bedenken, dass sich 2009. Andererseits soll es Ih- jeder Eingriff mehr oder weniger stark auf nen, liebe Leserin, lieber Leser, andere Bereiche auswirkt: auf den Wald, auf als Begleitheft für die kommen- die landwirtschaftlich genutzten Wiesen und den Jahre dienen, in denen das Weiden, auf die Fischerei, auf die Wasserkraft- Projekt «Kander.2050» konkrete nutzung, auf die Wanderwege, auf die Infra- Formen annimmt und umgesetzt struktur, auf die Bauzonen. wird – Schritt für Schritt.

3 Generationenwerk an der Kander Frank (9)

Ein ausreichender Hochwasserschutz und eine Wasserqualität: Ressourcen: Wasserbau: naturnahe Aufwertung des Flussraums und der Das Wasser der Kander Aus der Kander wird Bau- Der Schutz vor Hochwas- Uferbereiche sind entscheidende Faktoren, um ist für die ganze Region material (Kies und Sand) sern hat in allen Siedlungs- die Talschaften entlang der Kander als attrak- eine wichtige Lebens- gewonnen, und das Was- gebieten entlang der Kan- tive Lebens- und Wirtschaftsräume zu stärken. grundlage. Der Umgang ser der Kander wird an vier der oberste Priorität. Bei Das Projekt «Kander.2050» liefert aber nicht mit diesem wertvollen Gut Orten für die Strompro- der Umsetzung der dazu nur die fachlichen Grundlagen, um diese beiden und dessen Nutzung erfor- duktion abgezweigt. Diese nötigen wasserbaulichen Hauptziele zu erreichen. Es respektiert auch die dern deshalb von allen beiden natürlichen Res- Massnahmen sind aber Bedürfnisse, denen die entsprechenden wasser- Akteuren ein sehr hohes sourcen sollen weiterhin auch die Anliegen von baulichen Massnahmen nach Meinung der be- Mass an Verantwortung auf nachhaltige Weise Natur und Landschaft zu troffenen Bevölkerung genügen müssen (rechts). und Respekt. genutzt werden können. berücksichtigen.

Eingedämmt, begradigt und durch viele Ver- der neuen Eisenbahnlinie und etappenweise der Kander gestoppt werden kann, ohne eine bauungen abgetreppt – der Lauf der Kander ausgeführt zwischen 1899 und den 1950er- gegenläufige Entwicklung – also eine über- ist heute in seinem Mittel- und Unterlauf über Jahren, hat allerdings nicht nur die Hoch- mässige Auflandung und Erhöhung der Ge- weite Strecken ausgesprochen monoton. Hohe wassergefahr verringert, sondern auch den rinnesohle – einzuleiten. Ufermauern haben die ursprüngliche, arten- Geschiebehaushalt des Flusses massgeblich reiche Auenvegetation fast überall verdrängt, verändert. Durch die Verschmälerung des Ge- Gegenmassnahmen Nutzungen aller Art rücken bis hart an den rinnes von seinem früheren, mäandrierenden Grundsätzlich könnte die Erosionstendenz ohnehin schmalen Ufersaum vor, und selbst Lauf auf seine heutige Breite von bloss noch durch weitere Verbauungen (Sperren, Schwel- den Fischen stellen sich hohe Wanderhinder- etwas mehr als zwanzig Metern erhöhten sich len, Rampen) unterbunden werden. Doch es nisse in den Weg. die Fliessgeschwindigkeit und die Transport- geht auch anders. Die problematisch ge- Andererseits haben die massiven Ufer- und leistung der Kander. wordene Sohlenerosion lässt sich auch mit Gerinneverbauungen ganz entscheidend dazu Die Gerinnesohle, die sich zuvor in einem ge- Massnahmen stabilisieren, die sowohl den Ge- beigetragen, dass die Hochwassergefahr im wissen Gleichgewicht zwischen Aufschotte- schiebehaushalt in ein Gleichgewicht bringen Frutig- und Kandertal weitgehend gebannt rung und Ausräumung befunden hatte, tiefte als auch dem Fluss mehr Freiräume gewähren. werden konnte. Nur noch bei extremen Ereig- sich bald nur noch ab, und das weit über das Denn in einem breiteren Bett fliesst das Was- nissen – wie jenen im August 2005 – besteht erwünschte Mass hinaus. Inzwischen hat die ser langsamer. Dadurch hat es weniger Kraft die Gefahr, dass die Kander aus ihrem Lauf Sohlenerosion, wie dieser hydraulische Pro- und transportiert weniger Geschiebe. ausbricht und grössere Schäden verursacht. zess genannt wird, ein so starkes Ausmass an- Solche Massnahmen, die eine bewusste Auf- Jede Anstrengung, den Lauf der Kander le- genommen, dass die bestehenden Längs- und weitung und Renaturierung ehemals verbau- bendiger zu machen, muss diesen Aspekt ge- Querverbauungen an vielen Stellen ernsthaft ter Gerinne einschliessen, sind das Resultat bührend berücksichtigen. Die durchgängige gefährdet sind. Seit einiger Zeit stellte sich einer veränderten Wasserbauphilosophie, die Korrektion der Kander, begonnen zum Schutz deshalb die Frage, wie die weitere Eintiefung verstärkt natürliche Prozesse einbezieht und

4 Infrastruktur: Landwirtschaft: Forstwirtschaft: Flora und Fauna: Erholungsgebiete: Auch flussnahe Stras- Wasserbauliche Vorhaben Bei der Schaffung von Die gewässertypischen An einigen gut erschlosse- sen und die Anlagen der und Renaturierungsmass- gewässernahen Puffer- Lebensräume – insbeson- nen Stellen sind geeignete Lötschbergbahn sind wir- nahmen nehmen Rück- zonen sollen Forst- und dere die artenreichen Plätze für die Naherho- kungsvoll vor Hochwas- sicht auf die Bedürfnisse Landwirtschaft möglichst Flussauen – sind längs der lung und zugunsten tou- sern zu schützen, um die der Landwirtschaft, um gleichwertig behandelt und Kander besser miteinander ristischer Aktivitäten zu Erreichbarkeit der Tal- die landwirtschaftlich ge- ihre Einbussen entschädigt zu vernetzen, und die noch schaffen. Gleichzeitig sind schaften entlang der Kan- nutzten Flächen zu erhal- werden. An geeigneten bestehenden Fischhinder- aber auch Vorkehrungen der mit Fahrzeugen und ten. In Flussnähe hat dabei Stellen fördern forstliche nisse sind durch geeignete nötig, um die Kernlebens- mit der Eisenbahn jeder- aber eine ökologische Be- Massnahmen den Bestand wasserbauliche Massnah- räume von Flora und Fauna zeit sicherzustellen. wirtschaftung Vorrang. von Auenwäldern. men zu beseitigen. ausreichend zu schonen.

Organisation und Ablauf Projekt «Kander.2050» den Gewässern wieder mehr Raum zugesteht. Auftraggeber: Amt für Landwirtschaft und Natur (LANAT); Tiefbauamt (TBA) Dadurch steigern solche Massnahmen auch die Attraktivität der betreffenden Lebens-, Mitwirkungsausschuss Begleitausschuss Fachstellen Wirtschafts- und Erholungsräume. (sachliche Mitwirkung) (politische Begleitung) (fachliche Mitwirkung) Damit ist das Hauptziel angesprochen, an dem sich alle künftigen Vorhaben entlang 2002 – 2005 Grundlegende Studien: der Kander zu orientieren haben: Das Projekt • Geschiebehaushalt Kander (GeHaK) «Kander.2050» beschränkt sich nicht bloss • Revitalisierungspotenzial Kander (RePKa) auf flussbauliche Lösungen, sondern bezieht • Erosion Kander (EroKa) die Bedürfnisse der betroffenen Bevölkerung gleichwertig mit ein. Die entsprechenden Rah- 2007 – 2008 Fachberichte: • Flussmorphologie/ menbedingungen, die zwangsläufig nicht frei Wasserbau Fachbericht: sind von Interessenkonflikten, sind in einem • Hydrologie • Gesellschaft/Wirtschaft • Ökologie Fachleitbild bzw. in einem Bürgerleitbild fest- Kandergespräche Fachleitbild gehalten (vgl. Grafik rechts). Bürgerleitbild Daraus wurde schliesslich das Gewässerent- wicklungskonzept Kander (GEKa) entwickelt. 2009 Gewässerentwicklungskonzept (GEKa) Es bildet die Grundlage für die Detailpro- jekte, die im Laufe der kommenden Jahr- zehnte ausgearbeitet werden sollen. Denn ab 2010 Detailprojekte Flussbau ist ein Werk für Generationen, auch Richtpläne; Wasserbaupläne an der Kander.

5 Schlüsselereignisse aus fünf Jahrhunderten Kanderlauf vor der Umleitung 1816: Trigonometrische Aufnahme des Oberamts (StAB)

Frutigtal Niedersimmental

Kander

Thunersee

Kander

Thun Zulg Grafikvorlagen: Hasler, Egli (2004)

Kander Kander- durchstich

Kanderdelta

Glütschbach

Thun Aare Zulg

Kanderlauf seit der Umleitung 1868: Flusskarte der Kander (StAB) 1700 1750 1800 1850

1714 1857 Schon während der Das Wasserbaupolizei- 1711 ersten sommerlichen gesetz von 1834 ändert Die Idee zur Kander- Hochwasser tieft sich nichts daran, dass die 1698 umleitung stammt ver- das in den Thunersee Zuständigkeiten und Ver- Ursprünglich mündet mutlich von dem in strömende Kanderwas- 1830 pflichtungen beim Was- die Kander unterhalb Amsoldingen ansäs- ser so stark ein, dass die Im Sommer 1830 ver- serbau unklar bleiben. von Thun in die Aare. sigen Samuel Bodmer. Hohlraumsicherungen wüsten schwere Un- Dieser Mangel wird erst Im flachen Unterlauf la- Unter seiner Leitung be- im Stollen einstürzen. Hoch aufgerichtet, wetter das Frutigtal und 1857 durch eine Neufas- gert der wilde Gebirgs- ginnen am 1. April 1711 Der Strättlighügel sackt umgürtet mit einem offenbaren die Mängel sung behoben: Das «Ge- fluss viel Geschiebe ab, die Aushubarbeiten für nach und weitet sich Schwert und die der bisherigen, unkoor- setz über den Unterhalt bricht oft genug aus sei- den nötigen Einschnitt schliesslich endgültig mächtige Pranke auf diniert erfolgten Schwel- und die Korrektion der nem Lauf aus und staut, im Strättlighügel. Kriegs- zur eigentlichen Bresche einen prallgefüllten lenarbeiten entlang der Gewässer und die Aus- zusammen mit den Ge- wirren unterbrechen das auf. Die Erosion ist da- Geldsack abgestützt, Kander. Solche Erfah- trocknung von Möösern schiebefrachten der Vorhaben, ausserdem mit nicht beendet. Die so ziert der Berner rungen tragen mit dazu und anderen Lände- Zulg, die Aare auf. 1698 mehren sich Zweifel an Kander tieft sich immer Bär die Kanderkarte bei, dass auch im Kanton reien» schafft den nöti- legen die von der Kan- der Zweckmässigkeit des weiter ein, auch fluss- von Samuel Bodmer Bern über umfassende gen Handlungsspielraum. der besonders bedroh- Vorgehens. Der Berner aufwärts, während das aus dem Jahr 1710 Strategien zum Schutz Auch die Kander wird ten Gemeinden dem Baumeister Samuel umgelagerte Material im (unten). Augenfällig vor Hochwassern de- nun inspiziert, und auf Rat von Bern eine ge- Jenner schlägt den billi- Thunersee ein grosses markiert das stolze battiert wird. Als Resul- der Flusskarte von 1868 meinsame Eingabe vor: geren Durchstich eines Delta aufschüttet. Tier den radikalen tat dieser fachlichen und ist eine Korrektionslinie Der Lauf der Kander sei Stollens vor, und er setzt Sinneswandel jener politischen Auseinander- für den «verwilderten durch den Strättlighügel sich durch. Im Frühjahr Zeit: Die altherge- setzung wird im März Fluss» festgelegt. Den umzuleiten, um den Thu- 1713 beginnen Berg- brachte Ordnung der 1834 ein «Gesetz über Talgemeinden mangelt es nersee als natürliches leute mit dem Vortrieb. Natur sei nicht fest- die Wasserbaupolizei» aber an Geld, um ihren Rückhaltebecken für die Bereits ein Jahr später geschrieben, lautet verabschiedet: Schiff- Beitrag an die vom Kan- Hochwasserspitzen zu kann ein Teil des Kan- die Botschaft, und und flössbare Gewässer, ton gewünschten Was- nutzen und die Geschie- derwassers durch den ein gut organisierter also auch die Kander, serbauten zu leisten. Es bemassen im Thuner- Stollen in den Thunersee und finanzkräftiger werden zu einer öffent- bleibt deshalb bei punk- see abzulagern. geleitet werden. Staat könne es sogar lichen Angelegenheit. tuellen Verbauungen. wagen, Naturgewalten zu bändigen. 6 1914: Altes und neues Flussbett (StAB) 20. Januar 2005: Spatenstich zur Gerinneaufweitung Augand (LANAT/FI)

1930: Kanderkorrektion (StAB) 2009: Gerinneaufweitung Schwandi-Ey (Frank) 1900 1950 2000 2050

1899 1990 1994 2007 Lokale Initianten be- Am 1. Januar 1990 Fischerei- und Wasser- Eine Studie zum werben sich im Oktober 1930 tritt im Kanton Bern ein baubehörden machen Geschiebehaushalt 1890 um eine Konzes- Mit den Arbeiten am neues «Gesetz über Ge- sich zunehmend Sor- der Kander, die 2004 sion, um das «verkehrs- fehlenden, etwas über wässerunterhalt und gen um den Zustand der vorliegt, und weitere und gewerbereiche einen Kilometer langen Wasserbau» (Wasser- Kander, denn das be- Arbeiten zeigen, dass Frutigthal» mit einer 1911 Abschnitt zwischen dem baugesetz) in Kraft. stehende Verbauungs- auch die hydraulische Eisenbahn zu erschlies- Die erste Etappe der «Marchstein» und der Seine Ziele sind an- system schränkt die Kapazität und die sen. Die Linienführung Kanderkorrektion dau- Einmündung der Chiene spruchsvoll: Einerseits Lebensräume von Fauna mechanische Stabilität der -Frutigen- ert bis 1910, und unmit- wird erst 1930 begon- sind die Gewässer na- und Flora stark ein. Ab des alten Verbauungs- Bahn, die später Teil der telbar danach soll das nen, im Rahmen einer türlich zu erhalten oder 1994 werden einige systems den heutigen Lötschbergbahn wird, Werk – in einer zweiten dritten Etappe der naturnah zu gestalten, punktuelle Verbesse- Anforderungen nicht erfordert eine durchge- Etappe – beidseits ver- Kanderkorrektion. Ver- andererseits sind ernst- rungen realisiert: durch mehr genügen. Aus die- hende Eindämmung und längert werden. Am un- bauungsarbeiten sind hafte Gefahren, die von den Umbau von Sper- ser Erkenntnis reift der Verbauung der Kander teren Ende können die aber nicht nur dort nö- den Gewässern ausge- ren mit hohen Überfall- Gedanke, den Rahmen von der Einmündung der Arbeiten ab Februar tig, wo die Eisenbahn- hen, abzuwehren. Dar- höhen zu fischgängigen für den künftigen Was- Chiene bis hinunter zur 1911 bis zum Kander- linie bedroht ist, sondern über hinaus befürwortet Blockrampen, durch serbau an der Kander Stägweid bei Hondrich. wehr fortgesetzt wer- auch bei Kandersteg, das Berner Stimmvolk die Aufweitung und durch ein umfassendes Der Kostenverteiler führt den. Auf der anderen zwischen Kandergrund am 23. November 1997 landschaftliche Aufwer- Gesamtprojekt («Kan- zu Konflikten zwischen Seite, oberhalb von und der Einmündung eine Spezialfinanzierung tung im Augand sowie der.2050») abzustecken, Bund, Kanton, Bahnge- Reichenbach, kommen der Engstlige und im (sogenannter «Renatu- durch die Aufweitung an dessen Ausgestaltung sellschaft und betrof- die Arbeiten aber nur Augand. Diese Arbeiten rierungsfonds»), damit in der Schwandi-Ey. auch die betroffene fenen Gemeinden. Mit stückweise voran. Aus werden, zusammen mit Massnahmen zur Auf- Bevölkerung partizipie- dem Bau der vorwie- Kostengründen wird Verstärkungen beste- wertung von Gewäs- ren kann. Im Mai 2007 gend zum Schutz der bloss der Abschnitt zwi- hender Werke und wei- sern unterstützt werden wird der entsprechende neuen Bahn nötigen schen dem sogenann- teren Ufersicherungen, können. Nach einer Auftrag formell erteilt. Korrektionswerke wird ten «Marchstein» (auf in mehreren Etappen Übergangsfrist gilt das schliesslich 1899 begon- der Höhe von Wengi) im Laufe der 1940er- entsprechende Renatu- nen (erste Etappe der und der Einmündung der und der 1950er-Jahre rierungsdekret seit dem Kanderkorrektion). Engstlige verbaut. vorgenommen. 1. Januar 2000.

7 Die Sicht der Fachleute

Fachbericht Flussmorphologie/

Hunziker, Zarn & Partner Wasserbau • Ist-Zustand • Schutzziele • Defizite (Hochwasserschutz, Sohlen- stabilität) Bevor weitreichende Beschlüsse über den • Handlungsempfehlungen Wasserbau an der Kander gefällt werden können, müssen solide Entscheidungsgrund- lagen erstellt werden. Im Rahmen des Projekts Fachbericht Hydrologie «Kander.2050» haben deshalb eine Reihe von Hochwasserabschätzungen für die Fachleuten das Gewässer und sein Umfeld Kander und ihre Teileinzugsgebiete aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln unter die Lupe genommen: Sie haben den heutigen Zustand analysiert, sie haben die problema- tischen Stellen dokumentiert, sie haben die Fachbericht Ökologie künftigen Rahmenbedingungen prognosti- • Ist-Zustand ziert und sie haben sachlich begründete Hand- • Referenzzustand (naturnaher Zustand in der heutigen Kulturlandschaft) lungsempfehlungen abgeleitet. • Restriktionen und Defizite (Bahnlinien, Aus den entsprechenden Studien, Berich- Grundwasserschutzzonen) ten, Überlegungen und Diskussionen wurde • Entwicklungsziele schliesslich ein gemeinsames Fachleitbild er- arbeitet, das die vorhandene Fülle an Daten und Informationen zusammenfasst, und die- ses wiederum floss später in das Gewässer- entwicklungskonzept (GEKa) ein, das den Rahmen für die zukünftigen Wasserbaupro- Fachleitbild jekte an der Kander absteckt.

8 Die Kander entspringt der Zunge des Kanderfirns, des sogenannten «Alpetligletschers». Von der Quelle bis zur Mündung hat die Kander eine Lauflänge von Gasteretal rund 45 Kilometern, und sie entwässert ein 1126 Qua- Kanderfirn dratkilometer grosses Einzugsgebiet. (Alpetligletscher)

Im Gasteretal bildet der Lauf der Kander über weite Chluse Strecken eine stark verzweigte, dynamische Auenland- schaft mit Altwasserläufen und einer vielfältigen Flora und Fauna.

Kandersteg Durch die Chluse schiesst die Kander kaskadenartig Fassung über grosse Bergsturzblöcke hinunter in den Talboden KW Kandergrund von Kandersteg.

Nach der Chluse gibt es noch einige wenige Stellen Talstufe mit naturnahen Gerinne- und Uferstrukturen, ansons- ten quert die Kander in einem durchgehend und hart verbauten Flussbett den Talboden von Kandersteg. K a n d e r t a l

Kandergrund Zwischen Kandersteg und Kandergrund formen die Ablagerungen mehrerer nacheiszeitlicher Bergstürze eine markante Talstufe. Das vorherrschende grobe Sohlensubstrat schafft abwechslungsreiche, naturnahe Gerinnestrukturen, und auch das an den Fluss angren- zende Wald-Weide-Mosaik bietet vielfältige Lebens- K i e n t a l räume und entsprechende Lebensgemeinschaften. Allerdings ist die Wasserführung wegen der Fassung Frutigen für das Kraftwerk Kandergrund zeitweise zu gering. Engstlige-Mündung In Kandergrund fliesst die Kander durch ein intensiv Schwandi-Ey genutztes Landwirtschaftsgebiet mit Wiesen und Wei- den. Die Uferlinien der Kander sind streng linear aus- gebildet, gewässertypische Gleit- oder Steilufer fehlen. F r u t i g t a l Chiene-Mündung

Auch im Siedlungs- und Gewerbegebiet bei Frutigen Reichenbach sind die Uferlinien der Kander monoton. Ausreichende Pufferzonen sind kaum vorhanden. Mülenen Ab der Einmündung der Engstlige und weiter über Reichenbach und Mülenen bis nach Hondrich ist das Gerinne der Kander seit den umfangreichen Verbauungsarbeiten zum Schutz der Eisenbahn durch- gängig eingeengt und praktisch kanalisiert. Von den N i e d e r - früheren Auen sind lediglich noch Relikte vorhanden, s i m m e n t a l die aber – ausser in der vor wenigen Jahren renatu- rierten Schwandi-Ey – von der Kander abgeschnitten Hondrich Fassung KW Spiez sind und nicht mehr regelmässig überflutet werden.

Wegen der Fassung für das Kraftwerk Spiez sind T h u n e r s e e die Restwassermengen in der Kander bis hin zur Ein- Simme-Mündung mündung der Simme zeitweise zu gering.

Augand Im vor wenigen Jahren renaturierten Augand zeu- gen Kies- und Sandbänke samt ihrer Pioniervegetation von einer auentypischen Überflutungs- und Geschie- bedynamik, die erst vom schluchtartigen Kander- Kanderdurchstich durchstich durch den Strättlighügel gemindert wird. Kanderdelta Auch das Kanderdelta ist ein Auengebiet, das sich immer wieder verändert. Hier brüten einige seltene Vogelarten, die auf offene Kiesbänke angewiesen sind (wie der Flussregenpfeifer oder der Flussuferläufer). Satellite Image: CNES/Spot Image/swisstopo, NPOC-Satellite und DHM25 © 2009 swisstopo (BA091449)

9 45 Kilometer und manche Probleme

Frühere Sohlenlage

Frühere Sohlenlage Sohlenerosion

Unterspülter Uferverbau Frank (3); Scheidegger (1);Wehren (1)

Fortschreitende Sohlenerosion Gefährdeter Uferschutz Lückenhafter Hochwasserschutz Die Korrektionsarbeiten haben den Geschiebe- Durch die übermässige Sohlenerosion – stel- An sich ist die Hochwassergefahr entlang haushalt der Kander massgeblich verändert: lenweise mit Abtiefungen von mehr als zwei der Kander weitgehend gebannt (durch die Im eingeengten und begradigten Flussbett ist Metern – werden natürliche Uferabschnitte ero- günstige Lage der alten Siedlungskerne auf die Transportleistung des Wassers so gross ge- diert, Ufersicherungen beschädigt und Funda- Schwemmkegeln und dank der Flusskorrek- worden, dass mehr Geschiebe als erwünscht mente freigelegt. Die nicht sehr tief liegenden tionen in früheren Zeiten). Doch die Ereignisse abtransportiert wird. Durch diesen Prozess tieft Längshölzer der ursprünglichen Fundations- vom Mai 1999 und dann vor allem jene vom sich die Flusssohle immer weiter ab. Zur nega- sicherungen (Grafik oben links) sind auf einer August 2005 haben gezeigt, dass im Extremfall tiven Geschiebebilanz tragen Geschiebeentnah- Länge von mehr als fünf Kilometern freigelegt gewisse Freiborde zu niedrig, einige Brücken- men aus der Kander und der Engstlige sowie der und müssen inzwischen mit Natursteinblöcken durchlässe zu eng und manche Bauten und Geschieberückhalt in den Seitenbächen bei. provisorisch gesichert werden. Anlagen zu wenig geschützt sind.

K a n d e r s t e g K a n d e r s t e g K a n d e r s t e g

F r u t i g e n F r u t i g e n F r u t i g e n

Reichenbach Reichenbach Reichenbach

T h u n e r s e e T h u n e r s e e T h u n e r s e e

Schäden Längsverbau Defizite Sohlenerosion Schwachstellen (Schadenpotenzial hoch) bei Hochwasser (HQ100 )

10 Ungenügende Restwassermengen Hindernisreiche Fischwanderung Fehlender Gewässerraum An vier verschiedenen Orten wird die Kander Im Laufe der früheren Korrektionsarbeiten sind Durch den Uferverbau und die intensive für die Stromproduktion genutzt, wobei zwei im Unter- und Mittellauf der Kander mehr als Landnutzung bis hart an den Ufersaum sind ent- Restwasserstrecken bedeutende Auswirkungen vierzig Sperren errichtet worden, zum Teil mit lang der Kander wertvolle Lebensräume für auf die Wasserführung haben: jene in der Tal- Überfallhöhen von bis zu drei Metern. Seit 1994 Pflanzen und Tiere verschwunden, und der ein- stufe zwischen Kandersteg und Kandergrund wurden sieben dieser Sperren in fischgängige geengte und begradigte Fluss ist über weite und jene unterhalb der Fassung Hondrich für Blockrampen umgebaut, weitere vier wurden mit Strecken eher ein monotoner Kanal als ein le- das Kraftwerk Spiez (Foto). Beide Strecken ver- Einschnitten versehen. Aber noch immer gibt es bendiges Gewässer. Zwar sind im Mittel- und fügen über zu geringe Dotierwassermengen und Hindernisse in der Kander, die selbst von ausge- Unterlauf noch einige Auengebiete vorhanden sind gemäss den Vorgaben des geltenden Ge- wachsenen Seeforellen auf ihrem Weg zu ihren oder neue geschaffen worden, aber auch diese wässerschutzgesetzes sanierungsbedürftig. Laichplätzen nicht überwunden werden können. Stellen sind voneinander isoliert.

Kleinwasserkraftwerk Gasteretal (nur Sommerbetrieb)

K a n d e r s t e g K a n d e r s t e g K a n d e r s t e g

Restwasser- strecke

Kraftwerk Kandergrund (92 GWh*)

Kleinwasserkraftwerk Schiefertafelfabrik Frutigen (250 000 kWh*) F r u t i g e n F r u t i g e n F r u t i g e n

Reichenbach Reichenbach Reichenbach

Restwasser- T h u n e r s e e strecke T h u n e r s e e T h u n e r s e e Kraftwerk Spiez (105 GWh*)

Sperren/Rampen Grosse Defizite bei Breite * mittlere Jahresproduktion mit Absturzhöhen > 80 cm und Beschaffenheit der Uferbereiche

Grafikgrundlagen: ETH/Atlas der Schweiz

11 Globaler Wandel, lokale Folgen

Ausgeprägte Hochwasser, unregelmässige Wasserführung und hoher Geschiebetrieb sind die typischen Merkmale von Wildbächen, und Oppliger (BAFU) in diesem Sinne kann die Kander durchaus als «grösster Wildbach der Schweiz» bezeich- net werden. Welches Ausmass ein Hochwas- ser in diesem Gewässer haben kann, zeigte sich am 22. August 2005 (Foto und Abfluss-Gang- linie rechts): An diesem Tag sind in Hondrich zeitweise pro Sekunde mehr als 270 Kubikme- ter Wasser abgeflossen. Das Kandergerinne und dessen Verbauungen gelangten damals an die Grenzen ihrer hydraulischen Kapazität sowie ihrer mechanischen Belastbarkeit. 250 m³/s

Inzwischen stellt sich natürlich die Frage, wie 200 m³/s dieses aussergewöhnliche Ereignis zu bewerten ist: als einmaliger Ausreisser in der statistischen 150 m³/s Reihe oder als Vorbote vermehrter Extremhoch- wasser? Auf jeden Fall hat die Natur bewiesen, 100 m³/s wozu sie fähig ist, und auch diese Erfahrung muss künftig in alle wasserbaulichen Vorhaben 50 m³/s mit einbezogen werden. Im Rahmen des Pro- jekts «Kander.2050» wurde deshalb ein hydro- logisches Modell entwickelt (Grafik unten), um 0 m³/s die Auswirkungen der vorhandenen Klimaszena- Juli 2005 August 2005 September 2005 Hochwassersommer 2005: Ganglinie der Abflussmessstation Kander-Hondrich rien auf die Hydrologie der Kander abzuleiten. Daten:AWA

Hydrologische Daten Raumanalyse Meteorologische Daten Die Kander gilt als ausgesprochen launisches Gewässer, das starken Abflussschwankungen unterworfen ist. Im Jahresdurchschnitt fliessen bei der Messstation Hondrich pro Sekunde nur etwa zwanzig Kubikmeter Wasser ab. Im Win- ter sinkt dieser Wert sogar auf geringe sechs, sieben Kubikmeter. Ganz anders ist die Situation während der wärmeren Monate, denn über das ganze Jahr Hydrologisches Klima- Modell szenarien gesehen prägt vor allem Schmelzwasser das Abflussverhalten der Kander: Die Wasser- menge nimmt kontinuierlich zu, sobald die Hydrologische Szenarien Schneeschmelze im Frühling einsetzt, und sie erreicht ihren Höhepunkt in den Sommermo-

Veränderung der mittleren monatlichen Abflüsse an der Station Kander-Hondrich (rot) naten, wenn auch noch viel Gletscherschmelz- gegenüber dem Zeitraum 1980 –1999 (blau) bei unterschiedlichen Annahmen: wasser zufliesst.

60 m³/s 60 m³/s Diese durchschnittliche Grundlast wird aber 50 m³/s 50 m³/s immer wieder übertroffen von kurzzeitigen 40 m³/s 40 m³/s 30 m³/s 30 m³/s Ausschlägen. Während ausgiebiger, lang an- 20 m³/s 20 m³/s haltender Regenfälle oder nach einem hef- 10 m³/s 10 m³/s 0 m³/s 0 m³/s tigen Gewitter schnellen die Abflusswerte J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D

Grafikvorlagen:Wehren (GIUB) innert weniger Stunden in die Höhe, im bis- Veränderung Jahresmittel: Veränderung Jahresmittel: Veränderung Jahresmittel: Temperatur + 2º C Temperatur + 2º C Temperatur + 2º C Niederschlag + 20 % Niederschlag ± 0 % Niederschlag – 20 %

12 Relative Änderung der mittleren jahreszeitlichen Nie- Schadenchronik der Kander 1600 – 2005. Hochwasser, Abflussmessstation Kander-Hondrich: derschläge auf der Alpennordseite im Jahr 2030 (blau) welche katastrophale Schäden verursachten, sind mit Jährliche Hochwasserspitzen 1903 –2008 und im Jahr 2050 (rot) gegenüber dem Jahr 1990. den jeweiligen Jahreszahlen markiert. 22. August 2005 250 m3/s Schadendimensionen: 150 % 225 m3/s Horizontaler Strich = mittlere Schätzung (Median) 140 % 200 m3/s Farbiger Balken = Vertrauensbereich katastrophal 130 % 1678 1692 1830 1831 2005 175 m3/s 120 % sehr schwer 150 m3/s 110 % 125 m3/s schwer 100 % 100 m3/s

90 % mittelschwer 75 m3/s 80 % 50 m3/s leicht 70 % 25 m3/s 60 % 0 m3/s

Winter Frühling Sommer Herbst 1600 1700 1800 1900 2000 1900 1925 1950 1975 2000 Grafikvorlage: Frei et al. (OcCC/Proclim, 2007) Grafikvorlage: Bütschi (2008) Datengrundlage: BAFU

Trends Zyklen Einzelereignisse Es wird wärmer auf unserem Planeten, daran Das Klima hatte und hat eine grosse Variabili- Seit über einhundert Jahren wird an der Mess- besteht unter Klimaforschern schon lange kein tät (Veränderlichkeit), und das wird auch künf- station bei Hondrich der Abfluss der Kander ge- Zweifel mehr. Grundsätzlich kommt dadurch tig nicht anders sein. Deshalb sind sowohl die messen. In dieser Zeit wurde dort noch nie eine noch mehr Energie in die ohnehin turbulente Anzahl von Extremereignissen als auch deren so hohe Abflussspitze registriert wie am 22. Au- Atmosphäre, weshalb auch im Alpenraum ver- Intensität starken Schwankungen unterworfen: gust 2005 (Grafik oben und Abfluss-Ganglinie mehrt extreme Wetterereignisse (Sturmwinde, Im Laufe des 19. Jahrhunderts gab es in der auf der gegenüberliegenden Seite). Allerdings Starkniederschläge, Hitzewellen) auftreten. Zu- Schweiz eine Phase mit besonders vielen Hoch- dürfen solche Einzelereignisse nicht überbewer- dem verändern sich die Niederschlagsverhält- wassern (blauer Pfeil), während die zweite tet werden. Für die Hydrologen und Wasserbauer nisse: die Winter werden tendenziell feuchter, Hälfte des 20. Jahrhunderts auffällig arm war an sind langjährige Statistiken von ebenso grosser die Sommer trockener (Grafik oben). aussergewöhnlichen Ereignissen (grüner Pfeil). Bedeutung für ihre Berechnungen.

herigen Extremfall – am 22. August 2005 – ander verwoben werden, und daraus lassen Starkniederschläge, Hitzewellen) tendenziell auf mehr als 270 Kubikmeter pro Sekunde bei sich schliesslich aussagekräftige Szenarien ab- zunehmen. Zwangsläufig beeinflussen diese der Abflussmessstation Hondrich. leiten, welche die Bandbreiten der künftigen schleichenden Veränderungen auch die Ab- Der starke Regen, der sich während mehre- Entwicklung aufzeigen. flussverhältnisse der Kander. Das gesamte Sys- rer Tage über weite Teile der Alpennordseite tem wird unbeständiger, und darauf muss der ergoss, stammte aus feuchtwarmen Luftmas- Unsicherheiten nehmen zu Wasserbau schon jetzt reagieren (etwa durch sen, die ihre Dynamik über dem aufgeheizten Gegenüber dem Jahr 1990 ist in der Schweiz einen genügend grossen Spielraum bei den Mittelmeer aufgebaut hatten. Angesichts des gemäss den heute vorliegenden Erkenntnissen entsprechenden Planungen und Vorhaben): globalen Klimawandels und der damit verbun- bis zum Jahr 2050 mit einem Anstieg der mitt- • Am meisten Wasser wird die Kander auch denen generellen Zunahme der mittleren Jah- leren Jahrestemperatur um knapp 3 ° Celsius künftig im Sommer führen, aber weniger als restemperatur stellt sich deshalb unweigerlich im Sommer und um rund 2 ° Celsius während bisher üblich (wegen der geringeren Nie- die Frage, ob in Zukunft vermehrt mit solchen der übrigen Jahreszeiten zu rechnen. derschläge, der höheren Verdunstung und Extremereignissen zu rechnen sei. Das hat vielfältige und nicht völlig über- der abnehmenden Menge an Schmelzwas- Eine simple Antwort auf diese Frage gibt es schaubare Folgen. Die Schneegrenze steigt ser, das von Gletschern stammt). nicht, da sehr viele Faktoren Einfluss haben an. Die Gletscher ziehen sich noch mehr zu- • Im Winter werden zunehmende Wasser- auf das atmosphärische und hydrologische rück, und ihr Volumen nimmt ab. Der Perma- mengen nicht mehr in Form von Schnee Geschehen, und darüber hinaus müssen auch frost schwindet. Und vor allem ändert sich das gebunden. Dadurch steigt die Gefahr von noch die vorhandenen langfristigen klimati- Niederschlagsgeschehen: Auf der Alpennord- Hochwassern in dieser Jahreszeit. schen Trends und Zyklen beachtet und bewer- seite werden die Wintermonate feuchter, wäh- • Mit Hochwassern wie etwa jenem vom tet werden. rend in den Sommermonaten weniger Regen August 2005 ist auch künftig zu rechnen. Sie Aber alle diese Faktoren können mit ausgeklü- fällt, die Verdunstung zunimmt und ausser- gelten als seltene, aber keineswegs als ein- gelten wissenschaftlichen Methoden mitein- gewöhnliche Wetterereignisse (Sturmwinde, malige Ereignisse.

13 Die Meinung der Betroffenen

29. Mai 2007 11. September 2007 25. September 2007 4. Oktober 2007 10. Dezember 2007 Unmittelbar nach der In Reichenbach wird das Das zweite Kanderge- Das dritte Kander- Das fünfte und letzte Auftragserteilung für das erste Kandergespräch spräch findet in Kander- gespräch wird in Fruti- Kandergespräch fin- Projekt «Kander.2050» durchgeführt – ein Ge- grund statt. Während gen durchgeführt. det in Kandersteg statt. wird in Frutigen der Ge- spräch am Runden Tisch, der engagierten Debatte Aus den im Rahmen samtprojektausschuss an dem Vertreterinnen kommt die vielfältige 17. Oktober 2007 dieser fünf Gesprächs- informiert. Dieses Auf- und Vertreter der lokalen Bedeutung der Kander Das vierte Kanderge- runden vorgebrachten sichtsgremium vereinigt Bevölkerung und zur Sprache, sei es in Zu- spräch, abgehalten in Voten, Anregungen und die lokalen, regionalen der Wirtschaft die heu- sammenhang mit dem Thun, bringt Vertrete- Kritiken werden The- und kantonalen Stellen tige Situation entlang Tourismus und der Frei- rinnen und Vertreter sen abgeleitet, die als und Personen, die am der Kander aus ganz zeitgestaltung, sei es aus , Reutigen, Grundlage für die Erar- Projekt mitwirken, mitar- unterschiedlichen Blick- mit der Stromproduktion Äschi, Spiez und Thun beitung eines Bürgerleit- beiten oder es begleiten. winkeln beurteilen. und der Kiesgewinnung. an den Runden Tisch. bildes dienen.

An sich sind Zeitmaschinen ja bloss mehr oder zu überlegen, welchen Idealvorstellungen die Runden Tisch, den sogenannten «Kander- weniger spektakuläre Requisiten aus Büchern Kander und die von ihr geformten Talschaften gesprächen», wurde die heutige Situation ent- und Filmen der Science-Fiction, der Welt der dereinst entsprechen sollen – eben lange be- lang der Kander beurteilt. Spekulation und der Fiktion – üblicherweise vor die dazugehörigen Pläne geschmiedet, die Wenig erstaunlich ist, dass der Hochwasser- also keine vernünftigen Grundlagen, um sich Entscheidungen gefällt und die Vorhaben ver- schutz höchste Priorität hat, weit vor allen mit handfesten, in diesem Fall wasserbauli- wirklicht worden sind. anderen Ansprüchen. Allerdings muss auch chen Themen auseinanderzusetzen. Auf dieses Wagnis eingelassen haben sich eine gesagt werden, dass die Seitenzuflüsse meist Doch für einmal sei es gestattet, zumindest ge- ganze Reihe von Bürgerinnen und Bürgern, als grössere Bedrohung wahrgenommen wer- danklich einen solchen Zeitsprung zu machen denen die Zukunft der Kander wichtig genug den als die Kander selbst. und sich vorzustellen, wie sich die Talschaften ist, um sich Zeit zu nehmen und mitzuwirken Doch diejenigen, die nicht direkt an der Kan- entlang der Kander in – sagen wir einmal – an einer Diskussion, die prägend sein wird für der leben oder arbeiten, gewichten andere einhundert Jahren präsentieren sollen als Le- das Frutig- und das Kandertal. Faktoren ebenfalls hoch, etwa die natürliche bens-, Wirtschafts- und Erholungsräume. Vielfalt dieser alpinen Flusslandschaft oder Denn jede Zukunft hatte zuvor auch eine Von den Kandergesprächen … die Zugänglichkeit zum Gewässer. Folgerich- Vergangenheit, in der Pläne geschmiedet, Den Blick nach vorne zu richten, das war das tig scheinen die Akzeptanz und der Spielraum Entscheidungen gefällt und Vorhaben verwirk- erklärte Ziel dieses partizipativen Prozesses, für Renaturierungen in jenen Gemeinden am licht werden, und das auf allen möglichen Stu- der die Sichtweise der lokalen Bevölkerung grössten zu sein, deren Ortskern nicht im Tal- fen und in ganz unterschiedlichen Bereichen. und Wirtschaft aufnimmt und gleichwertig ne- boden liegt. Klar zum Ausdruck gekommen ist Letztlich sind es immer Menschen, welche sol- ben die fachlichen, wasserbaulichen Erkennt- aber in diesen Kandergesprächen auch, dass che Entwicklungen bestimmen, und deshalb nisse stellt. Doch zuvor musste erst einmal gewisse Interessenkonflikte bestehen, etwa in ist es sinnvoll, diesen gedanklichen Schritt in Klarheit über die Ausgangslage geschaffen Zusammenhang mit der land- und forstwirt- die Zukunft zu wagen und sich schon jetzt werden. In einer Reihe von Gesprächen am schaftlichen Nutzung in Flussnähe.

14 Frank (2); impulsa (4)

15. Januar 2008 17. Januar 2008 11. März 2008 3. April 2008 24. Oktober 2008 Einführungsveranstal- Orientierungsveranstal- Im Gwatt-Zentrum wird In Spiez wird ein zwei- In Reichenbach geht tung in Frutigen zur Ent- tung in Frutigen für den im Rahmen eines halb- ter halbtägiger Work- eine öffentliche Veran- wicklung des Bürger- Begleitausschuss, der das tägigen Workshops mit shop abgehalten, um die staltung über die Bühne, leitbilds. Einbezogen ist Projekt «Kander.2050» der Erarbeitung des Bür- Arbeiten am Bürgerleit- bei der umfassend über auch der Mitwirkungs- politisch begleitet. Er gerleitbilds begonnen. bild fortzusetzen. Nach- den Stand der Arbeiten ausschuss, der die setzt sich aus den Gross- An dieser Arbeit betei- dem am 11. März bereits beim Projekt «Kan- Gemeinden, Schwellen- räten zusammen, die ligten sich vornehmlich die Vision und die Leit- der.2050» informiert korporationen, Pla- das Frutigtal und das jene lokalen Vertrete- sätze formuliert und die wird: über die fachlichen nungsverbände sowie Kandertal vertreten, und rinnen und Vertreter, Handlungsfelder abge- Erkenntnisse, über die weitere Organisationen ihm gehören die Regie- die bereits an den Kan- steckt worden sind, geht Ergebnisse der Bürger- vertritt, die vom Vorha- rungsstatthalter von Fru- dergesprächen teilge- es nun um die konkreten beteiligung, über das ben betroffen sind. tigen und Wimmis an. nommen hatten. Entwicklungsziele. weitere Vorgehen.

Kandergespräche … zum Bürgerleitbild Die Kander aus Sicht von Gewerbe, Industrie, Landwirtschaft, Forst- Die Resultate der Kandergespräche bildeten, wirtschaft, Tourismus und Wohnbevölkerung: zusammen mit den inzwischen vorliegenden • die heutige Bedeutung dieses Gewässers fachlichen Erkenntnissen, die Grundlage für • die aktuellen Probleme mit diesem Gebirgsfluss die Ausarbeitung eines sogenannten «Bürger- leitbilds». Darin wurde der gedankliche Schritt in die Zukunft gewagt, mit der Formulierung einer langfristigen Vision: Die Talschaften ent- Fachbericht Gesellschaft/Wirtschaft lang der Kander sollen auch noch in fernerer Fachleitbild Zukunft einen attraktiven, stabilen und mög- lichst naturnahen Lebens-, Wirtschafts- und Erholungsraum bilden. Entsprechend zielen die Leitsätze, die zu ver- schiedenen Bereichen ausformuliert wurden und die in dieser Broschüre auf den Seiten 4 und 5 zusammengefasst sind, auf nachhal- Bürgerleitbild tige Lösungen auch beim Wasserbau an der • Vision Angestrebter und akzeptierter Zustand Kander ab. Vor diesem Hintergrund wurden der Kander in ferner Zukunft • Leitsätze Verhältnisse, die im ganzen Einzugsgebiet schliesslich, in einer letzten Diskussionsrunde, der Kander geschaffen werden sollen detaillierte Entwicklungsziele festgelegt, wie • Entwicklungsziele Umsetzung der Leitsätze in den einzelnen die Leitsätze in den einzelnen Flussabschnit- Flussabschnitten der Kander ten der Kander umgesetzt werden können.

15 Leitplanken für die künftige Entwicklung

Fachleitbild Ausreichende Zugänglichkeit

Gewässerentwicklungskonzept Kander (GEKa)

Bürgerleitbild Ausgeglichener Geschiebehaushalt

Ausreichende Wasserführung

Die Sicht der Fachleute ist in einem Fachleit- um eine Auslegeordnung, wie und mit wel- Es gab also genügend Gründe, um den Lauf der bild festgehalten, die Meinung der Betrof- chen Massnahmen die an der Kander vorhan- Kander in seiner ganzen Vielfalt zu untersu- fenen in einem Bürgerleitbild. Damit waren denen Probleme gelöst werden können. chen und zukunftsgerichtete Handlungsemp- die entscheidenden Vorarbeiten gemacht, Der eigentliche Anstoss für das Projekt «Kan- fehlungen zu formulieren: Ein übergeordnetes um im Rahmen des Projekts «Kander.2050» der.2050» kam aus der kantonalen Verwal- Entwicklungskonzept, so die primäre Überle- ein umfassendes und gemeindeübergreifen- tung. Denn einerseits brachte die Häufung gung, trage wesentlich zur besseren Koordina- des Schlussdokument auszuarbeiten, das die von Hochwasserereignissen in jüngerer tion der langfristig nötigen wasserbaulichen Leitplanken setzt für die künftigen Wasser- Zeit die bestehenden und in ihren Ursprün- Arbeiten bei. Die politischen Instanzen hies- bauprojekte an der Kander: gemeint ist das gen inzwischen bald einhundert Jahre alten sen dieses Vorgehen gut und akzeptierten Gewässerentwicklungskonzept Kander (ab- Flussverbauungen an die Grenzen ihrer hy- schliesslich das entsprechende Projekt, das gekürzt GEKa). draulischen Kapazität und ihrer mechanischen unter dem Namen «Kander.2050» durchge- Belastbarkeit. führt und im Herbst 2009 mit der Vorlage Konzipieren heisst entwerfen Andererseits erfüllt das über weite Strecken des Gewässerentwicklungskonzepts Kander Ein Konzept ist ein Entwurf, der die Ziele und eingeengte, abgetreppte und oft bis unmit- (GEKa) abgeschlossen worden ist. die daraus abgeleiteten Strategien und Mass- telbar an seinen Rand genutzte Gerinne in nahmen umfassend darstellt, die zur Umset- manchen Bereichen nicht mehr die heute Langfristige Umsetzung zung eines grösseren – und deshalb langfristig geltenden Anforderungen der Wasserbau-, Mit diesem Dokument liegt eine weitsichtig zu planenden – Vorhabens nötig sind. In die- Naturschutz-, Gewässerschutz- und Fische- angelegte Arbeitsgrundlage vor. Sie zeigt auf, sem Sinne ist auch das Gewässerentwick- reigesetzgebung. Zudem entspricht der heu- wie der Schutz vor Hochwasser optimal mit lungskonzept Kander (GEKa) zu verstehen: tige Kanderlauf an vielen Stellen nicht mehr der Aufwertung der Lebens-, Wirtschafts- und Es handelt sich nicht um eine Auflistung um- den Bedürfnissen, welche ein gewässernahes Erholungsräume entlang der Kander verbun- setzungsreifer Bauprojekte, sondern vielmehr Naherholungsgebiet abdecken sollte. den werden kann, und sie verschweigt auch

16 Bei jedem wasserbaulichen Vorhaben stellt sich eine entscheidende Frage: Wie viel Platz braucht das betreffende Gewässer? Grundsätz- Ausreichender Hochwasserschutz lich umfasst der minimale Raumbedarf die Gerinnesohle und den Uferbereich inklusive Puf- ferstreifen. Diesen Raum kann der Bach oder Fluss verändern, er steht für den Hochwasserab- fluss zur Verfügung, und er bleibt in der Regel frei von intensiven Nutzungen jeder Art.

Bei der Festlegung des Raumbedarfs von Fliessgewässern treffen somit ganz unterschied- liche Interessen aufeinander, die gegeneinan- der abgewogen werden müssen. Auch an der Ausreichende Vernetzung von Fauna und Flora Kander, deren Gerinne über weite Strecken sehr stark eingeengt ist (vgl. Foto unten), werden sol- che Entscheidungen zu fällen sein. Denn die Ver- breiterung des Flussbetts oder die naturnahe Nutzung von Uferstreifen gehen in erster Linie zu Lasten der bisher üblichen land- und forst- wirtschaftlichen Nutzung oder verlangen ausrei- chende Bauabstände. Ausreichende Wasserqualität Im Rahmen der künftigen Projektierungsschrit- te muss deshalb entlang der Kander eine neue, gerechte Raumordnung gefunden werden, die

Frank (2) den nötigen Gewässerraum sicherstellt. Es gilt abzuwägen zwischen wirtschaftlichen Einbussen einerseits und Gewinnen durch die naturnahe Nutzung der Uferbereiche andererseits. Denn mehr Raum für die Kander heisst auch, dass das die Interessenkonflikte nicht, die im Rahmen Risiko von Hochwasserschäden abnimmt und der Detailprojektierung zu lösen sind. Vor al- dass auf bauliche Schutzmassnahmen unter Um- lem aber beschreibt das Gewässerentwick- ständen verzichtet werden kann (was Kosten lungskonzept Kander (GEKa) die aus heutiger spart), dass die Kander vor Schadstoffeinträgen Sicht nötigen Massnahmen (vgl. detaillierten geschützt ist (wodurch die Wasserqualität bes- Überblick auf den Seiten 20 und 21). ser wird) und dass neue Erholungsgebiete ent- Einige dieser Massnahmen sollten möglichst stehen (oder bestehende aufgewertet werden). schnell umgesetzt werden, andere sind weni- ger dringlich. Im Kern wird es vor allem darum gehen, der Kander mit geeigneten Eingriffen wieder jenen Gewässerraum zuzugestehen, den ein alpiner Fluss zur Erfüllung seiner viel- fältigen Funktionen braucht: • genügend Raum für den Hochwasserabfluss selbst bei aussergewöhnlichen Ereignissen sowie für den Geschiebetransport; • genügend Raum für das Gedeihen stand- ortgerechter aquatischer, amphibischer und terrestrischer Lebensgemeinschaften (und deren Vernetzung untereinander); • genügend Raum für die Naherholung in Flussnähe.

17 Mehr Raum, mehr Vielfalt, mehr Sicherheit

Das Gewässerentwick- ~ 500 m3/Jahr Entnahme aus Geschiebesammler lungskonzept Kander ~ 500 bis 1000 m3/Jahr Steinchenelgraben Entnahme aus Gewässer (GEKa) dokumentiert die ~ 2000 bis 3000 m3/Jahr Kieswerk mit Konzession Suld vorhandenen Probleme Richebach Schlumpbach Geschiebezugabe und zeigt, wie sie behoben Heitibach werden können (Spalten Leimbach Chiene F r u t i g e n rechts). Das grösste Pro- ~ 1500 bis 2500 m3/Jahr Kieswerk Grassi blem ist die übermässige Geschiebedurchgang: Kieswerk Zrydsbrügg ~ 4000 bis 10 000 m3/Jahr Geschiebedurchgang: Sohlenerosion. Vor allem ~ 2500 bis 3000 m3/Jahr Engstlige Kander zwei Massnahmen tragen dazu bei, den Geschie- Gerinne aufweiten Geschiebe bewirtschaften behaushalt wieder in ein Wird ein kanalisierter Flusslauf aufgeweitet, Das vorhandene Defizit im Geschiebehaus- dann löst das je nach Gefälle, Abflussregime, halt der Kander ist nicht nur eine Folge der ho- Gleichgewicht zu bringen: Geschiebemenge und Querprofil unterschied- hen Transportkapazität im begradigten und liche Prozesse aus. Entscheidend ist vor allem, eingeengten Flusslauf. Auch der Verbau vieler n Einerseits soll die dass sich in einem verbreiterten Gerinne die Seitenbäche und der damit einhergehende Ge- Gerinnebreite an entschei- Transportkapazität vermindert. Das fliessende schieberückhalt haben dazu beigetragen, dass Wasser kann sich über eine grössere Fläche ver- die Geschiebezufuhr in die Kander stark abge- denden Stellen in einem teilen und verliert so an Kraft. Dadurch bleibt nommen hat. Zudem wird die verbleibende Ge- Mass aufgeweitet werden, innerhalb der Aufweitung mehr Geschiebe lie- schiebemenge durch kommerzielle Kies- und gen, und es wird – zumindest vorübergehend – Sandentnahmen weiter reduziert. Deshalb soll dass zumindest dort ein weniger Geschiebe weiterbefördert: Die Sohle die Geschiebefracht der Kander künftig durch or- ausgeglichener Geschiebe- landet auf, bis die Transportkapazität im Bereich ganisatorisch-technische Massnahmen wieder haushalt erreicht und die der Aufweitung wieder im Gleichgewicht ist erhöht werden (vgl. Grafik oben): gegenüber dem Ober- bzw. Unterlauf. • Den Geschiebesammlern der Seitenbäche Erosion gestoppt wird. wird Geschiebe entnommen und der Kander n Im Laufe der Zeit bilden sich innerhalb der Ge- an mehreren Stellen zugeführt. Andererseits soll die rinneaufweitung natürliche Muster. Es entstehen • Die Kies- und Sandentnahmen aus der Kander Geschiebefracht in der Verzweigungen und Kiesbänke, es gibt Stillwas- und aus der Engstlige werden auf ein Mass Kander mit einem neuen ser und Rückstrombereiche, es hat wieder Platz reduziert, das sowohl den kommerziellen als für Auengewächse. Je nach Breite, Länge und auch den wasserbaulichen und ökologischen Geschiebemanagement Anordnung einer Gerinneaufweitung werden Interessen entspricht. erhöht werden (durch die sich die Veränderungen unterschiedlich rasch und stark einstellen. Doch gemeinsam ist ihr Allerdings darf auch nicht zuviel Geschiebe in Zugabe von Geschiebe mehrfacher Nutzen: den Fluss eingetragen werden: In Flachstrecken aus den Seitenbächen • Aufweitungen heben die Sohle eines ero- dürfen keine unerwünschten Auflandungen dierenden Flusses innerhalb und oberhalb entstehen, die den Hochwasserschutz beein- und durch die Reduktion des entsprechenden Abschnitts an und trächtigen. Deshalb müssen die Auswirkungen der Kiesentnahmen). mindern dadurch die Erosionstendenz. der geplanten Geschiebebewirtschaftung auf- • Aufweitungen fördern naturnahe Gerinne- merksam verfolgt und bei allen wasserbaulichen formen mit ganz unterschiedlichen Fliess- Entscheidungen berücksichtigt werden. bedingungen. • Aufweitungen begünstigen vielfältige aquatische, amphibische und terrestrische Lebensräume. • Aufweitungen werten eine Flusslandschaft als Naherholungsgebiet auf.

18 Groppe

Bachforelle

Seeforelle

Uferschutz gewährleisten Hochwasserschutz optimieren Fischhindernisse beseitigen Mit abschnittweisen Gerinneaufweitungen und Die Skalen der Natur sind grundsätzlich Nach und nach sollen die Wanderhindernisse einem durchdachten Geschiebemanagement «nach oben offen» . Zeitgemässe Hochwasser- saniert und durch Blockrampen, Fischpässe oder kann die Sohlenerosion entscheidend gemindert, schutzkonzepte tragen solchen Unsicherheiten Aufweitungen ersetzt werden: zuerst jene mit aber nicht überall gestoppt werden. Manche Rechnung, indem sie sich im Extremfall robust einer Absturzhöhe von mehr als 60 Zentimetern Uferbereiche müssen auch künftig durch Längs- verhalten – also bei einer Überlastung nicht (damit sie von Seeforellen überwunden wer- verbauungen gegen Ausuferungen geschützt schlagartig versagen und den Schaden sogar den können), dann jene mit einer Absturzhöhe werden. Bestehende, aber schadhafte Längs- noch vergrössern, sondern genügend Raum von mehr als 30 Zentimetern (damit Bachforel- verbauungen sind rasch auszubessern, damit sie lassen für aussergewöhnliche Abflussmengen len passieren können), schliesslich auch noch die ihre Schutzfunktion auch weiterhin erfüllen. oder Geschiebevolumen. Hindernisse, an denen Groppen scheitern. Frank (3); Gysin (3); LANAT/FI (2); Keystone (1)

Natur vernetzen Restwassermengen erhöhen Zugänglichkeit erhöhen Die Natur kennt keine Grenzen. Aber entlang Eine ausreichende Wasserführung in allen Entlang der Kander sollen an geeigneten Orten des eingeengten und begradigten Kanderlaufs Flussabschnitten ist nicht nur für die Fische attraktive und ganzjährig nutzbare touristische wurden die natürlichen Lebensräume vielerorts lebenswichtig, sondern fördert die Artenviel- Angebote entstehen, die sich mit den vorhan- zerschnitten, was den Austausch und die Wan- falt der gesamten Fauna und Flora, speist das denen Angeboten (Naturpark , - derung von Tieren und Pflanzen stört oder sogar Grundwasser, wertet Landschaften auf und bahn, Tropenhaus Frutigen) kombinieren lassen. unterbricht. Abhilfe schaffen lebensfreundlich nährt Flussauen. In zwei Flussabschnitten müs- Die Kander soll zugänglicher und damit als gestaltete Verbindungen wie etwa biologische sen die Restwassermengen deshalb auf natur- leicht erreichbares Erholungsgebiet aufgewer- Korridore (Wildtierpassagen), extensiv genutzte verträglichere Werte angehoben werden: in der tet werden, wobei stellenweise eine geeignete landwirtschaftliche Flächen, naturnahe oder Talstufe zwischen Kandersteg und Kandergrund Besucherlenkung für eine Entflechtung der ver- renaturierte Wasserläufe oder Heckensysteme. und unterhalb der Wasserfassung Hondrich. schiedenen Nutzungsansprüche sorgen muss.

19 35 Vorschläge für eine lebendigere Kander

34

33 32 31

35

30 K a n d e r t a l

29

K i e n t a l 35

28 27

26

25 20 24 23 22 21

18 19 17 16 15 13 12 F r u t i g t a l 11 10

08 14 Niedersimmental 07 06

05

04

09 T h u n e r s e e

03 01 02

Grafikgrundlage: ETH/Atlas der Schweiz

20 Massnahmen erster Priorität Übrige Massnahmen Planerische Grundlagen und Konzepte

31 | Hochwasserschutz Kandersteg: Vergrösse- 35 | Förderung Ufergehölze Frutigen bis Kander- Neben den konkreten Massnahmen, die das Gewäs- rung der Abflusskapazität durch Dammerhö- steg (Sicherstellung der terrestrischen Längs- serentwicklungskonzept Kander (GEKa) vorschlägt, hungen, Sohlenabsenkungen und Geschiebe- und Quervernetzung). sollen auch noch folgende planerischen Grundlagen bewirtschaftung. und Konzepte erstellt und umgesetzt werden: 34 | Gewässerunterhaltsplan Chluse und Gastere- 28 | Hochwasserschutz Kandergrund: Vergrösse- tal: Verbindliche Vorgaben für einen natur- n ein übergeordnetes Konzept zur Schaffung rung der Abflusskapazität durch teilweise Ablen- nahen Gewässerunterhalt, der die bestehenden und Erhaltung von kandernahen Naherho- kung und Ufererhöhung. Nutzungen berücksichtigt. lungsschwerpunkten;

26 | Reduktion Geschiebeentnahme Kieswerk 33 | Bessere Zugänglichkeit zum Naherholungs- n ein Informations- und Kommunikations- Zrydsbrügg: Stabilisierung der Gerinnesohle gebiet Wageti (Kandersteg). konzept, wie das Verständnis für nachhaltige bis zur Mündung der Engstlige. 32 | Flussaufweitungen ab Mündung des Alpbachs Hochwasserschutz- und Renaturierungsprojekte 23 | Hochwasserschutz Kanderbrück: Vergrösse- bis zur Eisenbahnbrücke Bahnhof Kandersteg. gefördert werden kann; rung der Abflusskapazität durch Dämme, Mauern 30 | Gewässertypische Gerinne- und Uferstrukturen n ein regionaler Landschaftsrichtplan, in und eine teilweise Verbreiterung des Gerinnes. oberhalb der Wasserfassung Kandersteg. dem die geeigneten land- und forstwirtschaft- 20 | Geschiebedosierung Engstlige: Sicherstel- lich genutzten Flächen entlang der Kander 29 | Sanierung Restwasserstrecke Kandersteg lung eines definierten Geschiebedurchgangs zur bezeichnet werden und ihre Nutzungsintensität bis Kandergrund: Angepasste Restwassermen- Abschwächung der Erosionstendenz. festgelegt wird; gen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. 18 | Erweiterung der bereits bestehenden Fluss- n ein Nutzungskonzept Energie, das ungenutzte 27 | Flussaufweitung Ausser Kandergrund auf einer aufweitung Schwandi-Ey um rund 350 Meter Potenziale zur Energiegewinnung aufzeigt; Länge von rund 200 Metern. flussaufwärts bis zur Mündung der Engstlige. n ein Geschiebebewirtschaftungskonzept 25 | Hochwasserschutz im Gebiet Rybrügg. 17 | Geschiebezugabe Schwandi-Ey: Stabilisierung für die bestehenden Geschiebesammler und Kieswerke; der Gerinnesohle durch Geschiebe des Schlump- 24 | Flussaufweitung oberhalb von Kanderbrück bachs, des Heitibachs und des Leimbachs. auf einer Länge von rund 250 Metern. n ein regionales Gesamtverkehrs- und Sied- lungskonzept für das Oberland-West; 13 | Hochwasserschutz Reichenbach: Sohlen- 22 | Hochwasserschutz einzelner Gebäude unter- absenkung und Uferschutz samt gleichzeitiger halb von Kanderbrück (Objektschutz). n der Vollzug der Auenverordnung durch die Unter- Verbesserung der Fischdurchgängigkeit. schutzstellung der Kanderauen (Chandergrien, 21 | Gewässertypische Gerinne- und Uferstrukturen Augand, Heustrich, Gastereholz, Gastere bei Sel- 12 | Geschiebezugabe Schützenbrücke Reichen- im Gebiet Inner-Schwandi. bach: Stabilisierung der Gerinnesohle durch den, Kanderfirn); 19 | Bessere Erschliessung des Naherholungs- Geschiebe der Chiene und des Richebachs. n Wiederherstellung der Fischdurchgängigkeit gebiets Schwandi-Ey. 11 | Eigendynamische Flussaufweitung Heustrich- in der Kander und in den Mündungsbereichen der Süd: Auentypische Lebensräume und breiteres 16 | Flussaufweitung Gand (Kien) auf einer Länge Kanderzuflüsse; von rund 1000 Metern. Gerinne auf einer Länge von rund 1300 Metern. n Sicherung des Gewässerraums der Kander; 15 | Flussaufweitung Chalberglungge (Kien) auf 08 | Eigendynamische Flussaufweitung Heustrich- n Detailabklärungen zur Funktionstüchtigkeit einer Länge von rund 300 Metern. Mitte auf einer Länge von rund 1200 Metern. der Schutzbauten und zum Gewässerunterhalt; 14 | Entflechtung von Nutzungskonflikten entlang 07 | Eigendynamische Flussaufweitung Heustrich- n ein Schwemm- und Totholzkonzept für die der Kander. Nord: Auentypische Lebensräume und breiteres Kander und ihre Seitenbäche; Gerinne auf einer Länge von rund 650 Metern. 10 | Geschiebebewirtschaftung im Mündungsbereich n ein Geschiebebewirtschaftungskonzept der Suld. 04 | Eigendynamische Revitalisierung ab Auetli für die Kander; bis zur Mündung der Simme: Auentypische 09 | Naherholungsräume im Unterlauf der Kander. Lebensräume und breiteres Gerinne auf einer n ein Massnahmenpaket zur Erhaltung und Verbes- Länge von rund 1000 Metern. 06 | Geschiebebewirtschaftung im Mündungs- serung der Wasserqualität; bereich des Steinchenelgrabens. n Massnahmen zum Artenschutz und zur 05 | Sanierung Restwasserstrecke Hondrich bis Artenförderung: Gewässer- und auentypische Thunersee: Angepasste Restwassermengen im Tier- und Pflanzenarten, insbesondere seltene und Rahmen der gesetzlichen Vorschriften. bundesrechtlich geschützte Arten, sollen entlang des gesamten Kanderlaufs und in ihm unter Be- 03 | Hochwasserschutz im Kanderdelta. rücksichtigung ihrer natürlichen Fortpflanzungs-, 02 | Vernetzung Kanderdelta und Gwattlischen- Entwicklungs- und Ausbreitungsmöglichkeiten moos: Landseitige Verbindungen der Lebens- erhalten und gefördert werden. räume von Amphibien und Reptilien.

01 | Erweiterung des Mündungsbereichs in den n Erste Priorität Thunersee. n Übrige Frank

21 Erste Schritte

Die Einengung und Begradigung der Kander führte im Augand zu übermässiger Sohlen- erosion, wodurch die auentypischen Lebens- Gerinne- aufweitung räume (Karte rechts, Zustand im Jahr 1882) weitgehend verschwanden und oberliegende Schutzbauten zusehends gefährdet wurden. Interventionslinie Nach der Aufweitung des Gerinnes und der Stabilisierung der Sohle beim Zusammenfluss von Kander und Simme entwickelt sich nun Blockrampe innerhalb definierter Grenzen ein lebendiger Zusammenfluss von Flusslauf mit Bänken, Furten und Kolken (oben). Kander und Simme

Zustand 1882 Zustand 2003 Zustand heute

Die Vorarbeiten für das Projekt «Kander.2050» Gesamtprojekt Augand flussten übermässige Geschiebeentnahmen begannen schon im Sommer 2002, der for- Das Augand ist ein Auengebiet von nationa- sowie der Verbau von Seitenbächen die Ge- melle Auftrag wurde im Mai 2007 erteilt, ler Bedeutung. Es erstreckt sich oberhalb der schiebebilanz negativ: Allein zwischen 1971 und inzwischen liegt das Gewässerentwick- Kanderschlucht bis zum Zusammenfluss von und 1999 senkte sich die Kandersohle im lungskonzept (GEKa) vor, das die fachlichen Kander und Simme und, entlang dieser Flüsse, Augand um weitere 2 Meter ab. und konzeptionellen Grundlagen liefert für noch ein Stück darüber hinaus. Dieser mar- Inzwischen wurde im Augand ein Wasserbau- die künftigen Planungs- und Projektierungs- kante Geländeeinschnitt ist eine unmittelbare und Renaturierungsprojekt realisiert, um den arbeiten an diesem Gebirgsfluss. Folge der Umleitung der Kander in den Thu- Geschiebehaushalt zu stabilisieren, die Auen- Die Kander selbst wurde deswegen nicht etwa nersee: Durch rückschreitende Erosion – aus- landschaft aufzuwerten und den Hochwasser- vernachlässigt. Einerseits erfolgte der normale gehend vom neuen Mündungsniveau – tiefte schutz sicherzustellen. Folgende Massnahmen Gewässerunterhalt am Hauptgerinne und an sich im Laufe der vergangenen drei Jahrhun- tragen dazu bei, diese Ziele zu erreichen: den Seitenbächen, zudem mussten Hochwas- derte die Flusssohle in diesem Gebiet um bis • Die Gerinneaufweitung auf eine Breite von serschäden bewältigt werden. Andererseits zu 40 Meter ab. rund 60 Metern schafft auentypische Ab- wurden in den vergangenen Jahren auch zwei Um seitliche Ausuferungen zu unterbinden fluss- und Geschiebeverhältnisse in einem bedeutende wasserbauliche Vorhaben reali- und um den Anbau von Nutzholz zu ermögli- rund 1300 Meter langen Flussabschnitt. siert: im Augand (2004 – 2006) und in der chen, wurde die Kander schliesslich auch im • Eine 135 Meter lange Blockrampe, wel- Schwandi-Ey (2006). Augand in ein enges Bett gezwungen. Die in che die Strömungsverhältnisse einer natür- Diese beiden Renaturierungen sind zwar nicht mehreren Etappen während des 20. Jahrhun- lichen Steilstrecke gut nachbildet, hebt die direkt Teil des langfristig angelegten Projekts derts vorgenommenen Korrektionen vermoch- Flusssohle nach dem Zusammenfluss von «Kander.2050», aber sie haben die gleiche ten die Sohlenerosion aber nicht zu stoppen, Kander und Simme an und schützt dadurch Zielsetzung und können deshalb als gelun- im Gegenteil. Im engen Gerinne erhöhte sich flussaufwärts gelegene Sperrenbauten und gene Vorreiterprojekte bezeichnet werden. die Schleppkraft des Wassers, zudem beein- Brückenfundamente.

22 Zustand 1878 Zustand 2005 Zustand heute

Kantonsstrasse

Eisenbahn Blockrampe (alt)

Baumbuhnen (neu)

Blockbuhnen (neu)

Interventionslinie

Blockrampe (alt)

Ursprünglich vielfach verzweigt (Karte oben links, Zustand im Jahr 1878), dann kanalisiert zum Schutz der Eisenbahnlinie, 2006 wieder aufgeweitet (Foto unten): Das Bild der Kander änderte sich im Laufe der Zeit auch in der Schwandi-Ey. Lokale Gerinneaufweitungen sind eine bewährte Methode, um die Transportleis- tung eines Flusses zu mindern und dadurch die weitere Sohlenerosion einzudämmen. Gleich- zeitig entwickeln sich an solchen Stellen natur- nahe, verzweigte Flusslandschaften (Foto links).

Einseitige Aufweitung Schwandi-Ey Auch im Mittellauf der Kander ist die Sohlen- erosion, und damit die übermässige Eintie- fung des Flussbetts, im Laufe der Zeit zu ei- nem Problem geworden, etwa zwischen den Einmündungen der Engstlige und der Chiene. Dieser Flussabschnitt wurde bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts begradigt und eingeengt (zum Schutz der damals angelegten Bahnlinie vor ausufernden Hochwassern). Rund einhundert Jahre später war es wieder der Eisenbahnbau, der ein wasserbauliches Vorhaben auslöste. Auf der Basis einer ökolo- gischen Ersatzmassnahme für Eingriffe, die im Zusammenhang mit dem Bau des Lötschberg- Basistunnels standen, konnte in der Schwandi- Ey ein erweitertes Projekt mit einer 400 Meter langen Gerinneaufweitung realisiert werden. Diese beidseits abgesicherte Überflutungs- fläche vermindert die Transportleistung der Kander und gewährleistet einen nachhalti-

gen Schutz vor Hochwasser. BLS (1); Frank (2); Rochat (1); Schilling (1); Swisstopo (4) Impressum

Auskünfte zum Wasserbau an der Kander

Fischereiinspektorat – Renaturierungsfonds Schwand 3110 Münsingen Telefon 031 720 32 40

Tiefbauamt – Oberingenieurkreis I (Berner Oberland) Schlossberg 20 3601 Thun Telefon 033 225 10 60

Fachbeiträge zum Projekt «Kander.2050»

Geschichte des Wasserbaus an der Kander: Dominic Bütschi (Historisches Institut Universität Bern)

Gesellschaft und Wirtschaft entlang der Kander: Melchior Buchs, Aline Mauerhofer, Karin Peter (impulsa, Thun)

Ökologie der Kander: Roger Dürrenmatt (IMPULS AG, Thun)

Flussmorphologie und Wasserbau: Michael Auchli, Michael Schilling (Hunziker, Zarn & Partner AG, Aarau)

Hydrologie der Kander und Auswirkungen der Klimaänderung: Bernhard Wehren, Rolf Weingartner (Gruppe für Hydrologie, Geografisches Institut der Universität Bern); Dimitrios Gyalistras

www.kanderwasser.ch

Herausgeber «Neues schaffen auf altem Grund» Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern (LANAT) Tiefbauamt des Kantons Bern (TBA) Redaktion Willy Müller (LANAT/Fischereiinspektorat) Rolf Künzi (Flussbau AG SAH, Bern) Konzeption, Realisation und Grafik Felix Frank Redaktion & Produktion, Bern Druck Egger AG, Frutigen

Weitere Exemplare dieser Broschüre können bei folgender Adresse bestellt werden: Fischereiinspektorat – Renaturierungsfonds, Schwand, 3110 Münsingen Telefon 031 720 32 40 | [email protected]

© Bern, Oktober 2009