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Familie Aciculidae Mulmnadeln, „ Nadelschnecken“

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Familie Aciculidae: 1. fusca, 2. Acicula lineata, 3. Acicula lineolata, 4. po- lita, 5. Platyla gracilis, 6. veneta Die Arten der Familie sind durch kleine bis sehr kleine rotbraun glänzende, durchscheinende, nadelförmige Gehäuse gekennzeichnet. Sie leben sehr verborgen an feuchten Standorten unter Moos, im Bodensubstrat oder in Holzmulm. Ein auf dem oberen Hinterende des Kriechfußes angewachsenes Operculum (Gehäusedeckel) ermöglicht ihnen die Mündung ihres Gehäuses als Schutz gegen Verdunstung und Fressfeinde zu bedecken. Beim lebenden, zurückgezogenen Tier ist die Mündungsöff nung also durch das Operculum verschlossen. Früher wurden sie als „Prosobranchia“ in die Verwandtschaft der Wasserdeckelschnecken (Hydrobiidae) gestellt. Inzwischen rechnet man sie zur Ordnung der innerhalb der . Ver- treter der Familie leben in Europa, Westasien und Nordafrika. Der manchmal benutzte Trivialname „Nadelschnecke“ wird auch für eine weit verbreitete und artenreiche Familie von Meeresschnecken verwendet, deshalb wird empfohlen, für die Aciculidae den treff enderen und ebenfalls etablierten Namen „Mulmnadeln“ zu bevorzugen.

26 Mulmnadeln, „Nadelschnecken“

Acicula lineata

Acicula fusca (Montagu 1803) Braune Mulmnadel Andere Namen: Acme lineata (auctt. non Draparnaud 1801, partim), Acme inchoa- ta Ehrmann 1933

Merkmale: Das nadelförmige, etwas konische Gehäuse ist rotbraun bis gelblichrot und stark glänzend. Die Gehäuseoberfl äche ist durch weitläufi ge, etwas unregelmäßige und eingesenkte feine axiale Rillen skulpturiert, die sich auf dem letzten Umgang bis zum Mündungsrand fortsetzen, der nicht durch einen Nackenwulst verstärkt ist. Die Mündung ist oval bis birnen- förmig und oben etwas zugespitzt, ihr Rand ist über den sehr engen Nabel umgeschlagen. Die Lippe ist etwas krempenartig erweitert. Maße: 2,2–2,8 × 0,85–1,0 mm. Formen im Gebiet und ähnliche Arten: Die Art ist wenig variabel. Die frühere Verwendung des Namens A lineata durch verschiedene britische Autoren bedingt eine Verwechslungsgefahr mit der eigentlichen A lineata (Draparnaud 1801) (s.u.).

27 Familie Aciculidae

Lebensraum: A fusca ist feuchtigkeitsliebend und lebt sehr verborgen un- ter Laubstreu oder in Moos an Quellen. Gefährdung (RL-D 2012): R – Extrem selten. Verbreitung im Gebiet: A fusca erreicht die Ostgrenze ihrer Verbreitung in Nordrhein-Westfalen, es liegen nur wenige Funde vor. (VT: westeuropäisch). Weiterführende Literatur: Boeters, Gittenberger & Subai 1989, Anatomie Gros- su 1986

Acicula lineata (Draparnaud 1801) Gestreifte Mulmnadel Andere Namen: Acme sublineata (Andreae 1833)

Merkmale: Das nadelförmige, fast zylindrische (weniger konische) Gehäu- se ist gattungstypisch rotbraun und stark glänzend. Die Skulptur aus einge- senkten axialen Rillen ist ebenfalls gattungstypisch. Der Mündungsrand ist nicht krempenartig umgeschlagen, sondern hinter der Lippe durch einen Nackenwulst verstärkt und auch innen etwas kallös verdickt. Die Mündung ist etwas eckiger birnenförmig und das Gehäuse größer als bei A fusca. Maße: 3–3,5 × 1,1–1,2 mm. Formen im Gebiet und ähnliche Arten: Die Art ist wenig variabel, im Bear- beitungsgebiet lebt die Nominatunterart, in den Südalpen A lineata subline- ata. Verwechslungen mit A lineolata sind aufgrund der großen Ähnlichkeit möglich, die Beurteilung von älteren Literaturangaben ist zum Teil wegen der früheren nomenklatorischen Unklarheiten schwierig. Lebensraum: A lineata lebt im Bodenmulm von Wäldern und auf Geröll- halden. Gefährdung (RL-D 2012): 2 – Stark gefährdet. Verbreitung im Gebiet: In Deutschland kommt A lineata nur im Süden vor, in den Alpen ist sie recht verbreitet, im sonstigen Süddeutschland zer- streut oder selten. (VT: alpin). Weiterführende Literatur: Boeters, Gittenberger & Subai 1989

28 Mulmnadeln, „Nadelschnecken“

Acicula lineolata (Pini 1884) Gestrichelte Mulmnadel Andere Namen: Acme lineata (auctt. non Draparnaud, partim), A lineolata banki Bo- eters, Gittenberger & Subai 1989

Merkmale: Das rotbraune und stark glänzende Gehäuse ist größer als bei den meisten verwandten Arten und gattungstypisch mit den axialen Rillen skulpturiert. Es ist deutlicher konisch und spitzer als das von A lineata. Der Mundsaum ist leicht kallös verdickt, der Nackenwulst deutlich ausgebildet. Maße: 3,3–4,2 × 1,3 mm. Formen im Gebiet und ähnliche Arten: Im Bearbeitungsgebiet lebt die Un- terart A lineolata banki Boeters, Gittenberger & Subai 1989. Verwechs- lungen mit A lineata sind möglich, die Beurteilung älterer Literaturdaten ist eventuell schwierig, weil die Arten nicht immer korrekt getrennt wurden. Lebensraum: A lineolata lebt unter und zwischen Felsen im Bodenmulm von Wäldern und auf Geröllhalden. Gefährdung (RL-D 2012): 1 – Vom Aussterben bedroht. Verbreitung im Gebiet: In Deutschland kommt A lineolata nur sehr ver- einzelt in Baden-Württemberg vor. (VT: südalpin). Weiterführende Literatur: Boeters, Gittenberger & Subai 1989

Platyla polita (W. Hartmann 1840) Glatte Mulmnadel Andere Namen: Acme polita, Acicula polita Merkmale: Das nadelförmige, rotbraune und stark glänzende Gehäuse ist glatt und nicht skulpturiert, der Apex ist stumpf und gerundet. Die Umgän- ge sind etwas konvexer als in der Gattung Acicula. Der Mundsaum ist durch einen sehr kräftigen Kallus verstärkt, der dazugehörige Nackenwulst ist nach hinten zur Gehäusewand deutlich abgesetzt. Maße: 2,6–3,4 × 1,05–1,25 mm.

29 Familie Aciculidae

Formen im Gebiet und ähnliche Arten: Die Art ist im Bearbeitungsgebiet wenig variabel und nur mit der kleineren P gracilis zu verwechseln. Lebensraum: P polita lebt sehr verborgen im Boden- oder Holzmulm von feuchten Laubwäldern oder unter Moos an feuchten Felsen, sie bevorzugt basische Standorte. Gefährdung (RL-D 2012): 3 – Gefährdet. Verbreitung im Gebiet: In Deutschland ist die Art weit verbreitet, aber we- nig häufi g. (VT: europäisch). Weiterführende Literatur: Boeters, Gittenberger & Subai 1989

Platyla gracilis (Clessin 1877) Zierliche Mulmnadel Andere Namen: Acme gracilis, Acicula gracilis

Merkmale: Platyla gracilis ist die kleinste der heimischen Mulmnadeln. Ihr Gehäuse ist rotbraun, stark glänzend, nadelförmig, glatt und nicht skulptu- riert. Im Vergleich zu P polita ist es nicht nur kleiner, sondern auch etwas schlanker, der kallös verdickte Mundsaum mit Nackenwulst ist schmaler. Maße: 2,35–3,0 × 0,85–1,1 mm.

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Formen im Gebiet und ähnliche Arten: Im Bearbeitungsgebiet ist P gracilis wenig variabel und nur mit der größeren P polita zu verwechseln. Lebensraum: P gracilis ist kalkliebend. Sie lebt zwischen Geröll und in Laubwäldern. Gefährdung (RL-D 2012): R – Extrem selten. Verbreitung im Gebiet: In Deutschland kommt P gracilis nur im alpinen äußersten Südosten vor (Umgebung von Berchtesgaden). (VT: südostalpin). Weiterführende Literatur: Boeters, Gittenberger & Subai 1989

Renea veneta (Pirona 1865) Gerippte Mulmnadel Andere Namen: Pleuracme veneta

Merkmale: Das Gehäuse ist innerhalb der Familie vergleichsweise groß, langgestreckt konisch und mit rundlichem, glattem Apex. Die Umgänge sind konvex, nehmen aber so gleichmäßig zu, dass das Gehäuse insgesamt fast gerade Seitenkanten aufweist. Charakteristisch ist eine sehr regelmäßige deutliche Rippung des braunen schwachglänzenden Gehäuses. Die Mün- dung ist eiförmig, der Mündungsrand etwas verdickt, der Sinulus ist deutlich ausgebildet und durch einen kleinen Kallus abgegrenzt. Zur Verstärkung des Mündungsrandes ist ein schwacher Nackenwulst ausgebildet. Maße: 3,6–4,5 × 1,3–1,5 mm. Formen im Gebiet und ähnliche Arten: Renea veneta ist im Bearbeitungsge- biet wenig variabel und nicht zu verwechseln. Lebensraum: R veneta ist kalkliebend, sie lebt zwischen Felsen und in Wäl- dern auf Kalk. Gefährdung (RL-D 2012): R – Extrem selten. Verbreitung im Gebiet: In Deutschland kommt R veneta nur im alpinen äußersten Südosten vor (Umgebung von Berchtesgaden). (VT: südalpin). Weiterführende Literatur: Boeters, Gittenberger & Subai 1989

31 Familie Pomatiidae

Familie Pomatiidae Landdeckelschnecken

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Familie Pomatiidae: 1. Pomatias elegans, zum Vergleich: 2. Familie Cochlostomatidae Die Pomatiidae sind entfernte Verwandte der Strandschnecken der Mee- resküste. Ihre rüsselartige Schnauze, das dicke Operculum (Gehäusedeckel) und die Augen an der Fühlerbasis zeigen diese Verwandtschaft. Die Kriech- sohle der Tiere ist in Längsrichtung geteilt, die Tiere bewegen beide Längs- teile nacheinander, so dass eine fast schreitende Fortbewegung entsteht.

Pomatias elegans

32 Landdeckelschnecken

Pomatias elegans (O. F. Müller 1774) Schöne Landdeckelschnecke Merkmale: Das große dickschalige Ge- häuse mit 4½–5 gewölbten und ebenmä- ßig gerundeten Umgängen, zahlreichen gleichmäßigen Spiralrippen und fast kreisrunder Mündung machen die Art unverwechselbar. Eine sehr feine Zwi- schenrippenskulptur von axialen Rip- penstreifen ist erkennbar. Die Mündung kann vom Tier mit dem dicken kalkigen Operculum (Gehäusedeckel, siehe Bild- mitte) verschlossen werden. Die Gehäu- sefärbung ist matt gelblich-graubraun bis hell grauviolett, oft weist es ein Spi- ralmuster aus dunkleren Flecken auf. Maße: 13–16 × 9–11,5 mm. Formen im Gebiet und ähnliche Arten: Die Art ist wenig variabel. Lebensraum: P elegans lebt auf sehr kalkreichem Grund auf Geröllhalden, an Waldrändern, in lichten Wäldern oder unter Hecken. Lockerer Bodengrund wird bevorzugt. Gefährdung (RL-D 2012): 3 – Gefähr- det. Verbreitung im Gebiet: P elegans lebt im westlichen Teil des mittleren Deutschlands und im Südwesten. Ob- wohl die Art in Dänemark vorkommt, fehlt sie in Norddeutschland. (VT: me- diterran-westeuropäisch). Weiterführende Literatur: Kilian 1951, Gra- ham 1988

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