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den wichtigen Zeitungen des Landes Hof- schreiber hält. Becali wiegelt solche RUMÄNIEN Nachrede als Provokation ab: „Echter Blödsinn.“ Fest steht: Bis heute konnte ihm nie- Papillon und Pate mand nachweisen, er habe in seinem ver- wirrenden Geflecht von Interessen mit Korruptionsvorwürfe erschüttern die Profiliga des ersten Geld nachgeholfen; etwa in der Form, dass er den Nationaltrainer veranlasste, einen deutschen EM-Gegners. Doch an den mächtigsten Mann wagt sich seiner Klienten in die Landeself zu beru- niemand heran: den Spielervermittler Ioan Becali. fen, damit er ihn im Ausland teurer ver- kaufen könnte; oder dass einer der as Penthouse im Nor- Clubs, die mit ihm Geschäfte ma- den Bukarests ist ein chen, ein entscheidendes Meister- DFall für „Schöner schaftsspiel gewann. Entrüstet breitet Wohnen“: zwei Stockwerke, der Maestro die Hände aus – damit zwei Sonnenterrassen, 560 könne er nicht dienen. Quadratmeter Wohnfläche. Dabei ist in Rumänien viel von Mit erkennbarem Stolz Korruption die Rede vor der Europa- durchmisst der Hausherr die meisterschaft: von kungelnden Prä- Räume. Die Grünpflanzen sidenten, „Cooperativa“ genannt, sehen aus, als habe sie ein von gekauften Schiedsrichtern, von Frisör geschnitten. Vor dem Bett im Schlaf- verschobenen Spielen, von betroge- zimmer sind 30 Paar Lederschuhe wie Eli- nem Publikum. tesoldaten aufgereiht. Die schweren chi- Niemals zuvor klangen die Vor- nesischen Läufer im Wohnzimmer könn- würfe erregter als in diesem Früh- ten eine Leihgabe aus dem Völkerkunde- jahr. Das populäre Fachblatt „Gaze-

museum sein. Und die Marmortreppe / GS SPORTIMAGE G. ARSENIE ta Sporturilor“ veröffentlichte kürz- glänzt wie der Kotflügel eines weißen Che- Spieleragent Becali lich eine Liste aller Partien, bei de- vrolet. „Ich küsse Ganea, er gibt mir das Geld“ nen es Absprachen gegeben haben Genauso soll es sein. Deshalb ist Ioan soll. Zum „ungekrönten Champion Becali, 49, auch ziemlich entspannt, als er streicht Becali mit dem Zeigefinger über der strategischen Spiele“ kürte die Redak- seine drei Bediensteten in der Küche an- einen prächtigen Esstisch. Picobello. „Ich tion die Mannschaft von Rocar Bukarest – trifft: Eine kocht, eine bügelt, eine wischt, hasse Staub“, sagt er. 21 von 34 Begegnungen dieser Saison, so für 200 Dollar pro Monat. Im Speisesalon Als Geschäftsmann gibt sich Becali die Zeitung, seien Farcen gewesen. längst nicht so pingelig. Schließlich wirkt Von schwarzen Kassen in Millionenhöhe er in einer Branche, die mächtig in Verruf raunte Ligapräsident Dumitru Dragomir. geraten ist: Becali verhökert Fußball- Rund eine Million Dollar, die die „Coope- profis, und zwar aus jener Liga, die als die rativa“ in der Ersten Liga in Umlauf brin- bestechlichste in Europa gilt. National- ge, seien für die Schiedsrichter bestimmt. spieler , 32, der mit International ist der Ruf der Referees längst Galatasaray gerade den Uefa- ruiniert – seit 1990 hat kein rumäni- Pokal gewann, fällte jüngst ein vernich- scher Schiedsrichter mehr bei einer Welt- tendes Urteil: „Die Meisterschaft in Rumä- oder Europameisterschaft ein Spiel leiten nien ist eine Schande.“ dürfen. Und Ioan Becali gilt als größter Strip- Im vergangenen Jahrzehnt diente die penzieher des Gewerbes. Für die fünf Nationalmannschaft, am Montag in Lüt- wichtigsten Vereine des Landes tritt er ex- tich erster Gruppengegner der Deutschen, klusiv in Erscheinung, sobald ein Spieler dem rumänischen Fußballverband als eine ins Ausland wechselt; von den talentier- Art Potemkinsches Dorf. Die ansehnlichen testen Kickern, die bei unbedeutenderen Auftritte der Auswahl bei großen Turnieren Clubs spielen und ebenfalls auf dem lenkten immer wieder von aufkommen- Sprung in den Westen stehen, hat er neun den Manipulationsvorwürfen ab. von zehn an sich gebunden; seit 1991 ver- Damit ist nun Schluss – auch deshalb, makelt er mit seiner Bukarester Agentur weil die Spitzenspieler längst im Ausland ISM die Fernsehrechte der Liga; er parti- tätig sind und zum Ende ihrer Karrieren zipiert zu 25 Prozent an den TV-Erlösen, nicht mehr als Kulissenschieber herhal- sobald ein Europapokalspiel irgendeines ten wollen. Mannschaftskapitän Gheorghe rumänischen Vereins im Ausland gezeigt Hagi, 35, dessen Meinung als ultimative wird; und nicht zuletzt hat Becali, was Instanz gilt, giftete von Istanbul herüber, es Reichtum und Renommee begründete, 16 sei „nutzlos, dass die Nationalmannschaft der 22 Nationalspieler unter Vertrag, die gute Ergebnisse erzielt, weil es im Land so für Rumäniens EM-Team aufgeboten sind. viel Schmutz gibt und die Menschen uns Die größte Leistung des Impresarios be- auslachen oder verachten“. steht allerdings darin, dass er außen vor Und Teamkollege Popescu ließ verlau- ist, wenn die Korruption im rumänischen ten, er „schäme sich, bei der EM eine

SPORTIMAGE Fußball angeprangert wird. Das mag da- Mannschaft zu repräsentieren, in deren Nationalspieler Popescu mit zu tun haben, dass er sich, wie von Bu- Land die Präsidenten spielen an Stelle der „Die Meisterschaft ist eine Schande“ karester Journalisten kolportiert wird, bei Spieler“. Die Diskussion erfasste sogar

128 der spiegel 23/2000 Sport das Parlament – ein Senator der rechten lionen Mark zum VfB Groß-Rumänien-Partei forderte das Sport- Exportschlager Fußballprofis Stuttgart. Jeweils 600 000 ministerium auf, dem Treiben ein Ende zu Ioan Becalis EM-Spieler im Ausland Mark gingen an Rapid bereiten. ENGLAND – Chelsea London Bukarest und an Ganeas Da bleibt dem Boss nichts anderes, als Stammverein Gloria Bi- NIEDERLANDE Bogdan Lobont – Ajax erst mal klein beizugeben. Es sei peinlich, – Ajax Amsterdam strit˛a. Die Ablösesumme räumt Mircea Sandu ein, „der Fußball hatte Becali vergleichswei- konnte sich nicht befreien aus dem Sumpf SPANIEN – FC Valencia se bescheiden angesetzt, – CD Alavés der Gesellschaft nach dem Ende des – UD Salamanca um Ganeas Gehalt in die Ceau≈escu-Regimes“. Einerseits. – Betis Sevilla Höhe zu treiben: 1,6 Mil- Andererseits wolle er darauf hinweisen: lionen Mark pro Jahr statt – Standard Lüttich Es werde maßlos übertrieben. Also hält BELGIEN der zunächst von der VfB- der Präsident des rumänischen Fußball- DEUTSCHLAND Ioan Viorel Ganea – VfB Stuttgart Spitze angebotenen 400000 verbandes, während unten vor dem Ein- ITALIEN – Inter Mailand Mark brutto. gang der Zentrale sein protziger Gelände- TÜRKEI Gheorghe Popescu – Galatasaray Istanbul Der Deal war ganz in Be- wagen vom Staub gereinigt wird, ein Plä- – Galatasaray Istanbul calis Sinn. Denn von seinen doyer in eigener Sache. Wo blieben, bitte – Fenerbahçe Istanbul Spielern verlangt er als Pro- schön, außer in zwei, drei nachrangigen vision, wie er angibt, „fünf Fällen, die Beweise? Prozent ihres Nettogehalts“. Für Sandu, wegen seiner belehrenden An einem Streit mit Becalis Machtma- Seinen Anteil am Ganea-Transfer, rund Art von allen nur als „Na≈u“ angespro- schine kann Sandu kein Interesse haben. 40000 Mark per annum, schleust Becali am chen, „Pate“ also, ist die Debatte auch ein Schließlich arbeiten 28 Angestellte für den Finanzamt vorbei. In keinem Vertrag persönliches Problem. Weil er sich Ende Manager – und machen bei Bedarf Stim- taucht sein Name auf, und die Übergabe Juni in die Exekutive der Uefa wählen las- mung. „In jedem Winkel des Verbands“, so klappt, wie Becali belustigt von sich gibt, sen möchte, muss er nun ständig Fragen Alexandru Radulescu, Präsident der Spie- nach bewährtem Muster: „Ich küsse Ga- nach der Moral beantworten. lergewerkschaft, „sitzt ein Becali-Mann.“ nea die Wange, und er gibt mir das Geld.“ Doch Sandu versteht sich aufs Taktie- So hält sich der Einflüsterer den Rücken 40000 Mark, was ist das schon? Becali ren. So ließ er im vergangenen Herbst den frei und kümmert sich ums Geldverdienen. drängt es „in eine andere Liga“. Zu gern populären Nationaltrainer Victor Pit¸urca Ein Spielerwechsel ins Ausland bringt bis würde er in Rumänien einen Spieler wie fallen, obwohl dieser seine Mannschaft un- zu drei Millionen Dollar – und wer wie viel den Ukrainer Andrej Schewtschenko auf- geschlagen durch die EM-Qualifikation ge- davon bekommt, bestimmt er. spüren, den Dynamo Kiew im letzten Som- führt hatte. Pit¸urcas Fehler: Er hatte sich Den Stürmer Ioan Ganea transferierte mer für 45 Millionen Mark an den AC Mai- mit Becali angelegt. Becali im vergangenen Sommer für 1,2 Mil- land verkaufte. Sein Antrieb ist Geld, In einem Weinfass, so Becali, habe er viel Geld, noch mehr die Donau überquert und sei in Jugo- Geld. Und so verbringt er slawien gestrandet. Er schlug sich nach die Nachmittage auch gern Frankreich durch und heuerte als Schuh- im Casino Palace, wo der putzer beim französischen Fußball-Club Zocker bei Black Jack und Paris-St.-Germain an. In Paris lernte er Roulette schon mal in seine Frau kennen, eine Kolumbiane- wenigen Stunden 100000 rin aus der Oberschicht Bogotás, mit Dollar verspielte. Kein der er später nach Offenbach zog – die Rumäne, behaupten An- Bundesrepublik gewährte ihm schließ- gestellte der Spielbank, lich politisches Asyl. „Meine Geschichte“, habe hier jemals auf einen brüstet sich Becali, „ist besser als die von Schlag so viel Geld ge- Papillon.“ lassen. Erst vor drei Jahren kehrte Becali Der Verlust war indes vollends nach Bukarest zurück, „um den selbst einem Gambler wie Markt perfekt zu kontrollieren“. Doch Becali zu viel. Er schleu- weil die so genannte goldene Generation

derte die Chips über den DPA der Spieler um Hagi in die Jahre kommt, Filz und stieß die wil- Fußball-Idol Hagi*: „So viel Schmutz im Land“ muss sich Becali nun nach Alternativen desten Flüche aus. Knapp umschauen – das Niveau der jungen anderthalb Jahre dauerte es, bis ihm das Ceau≈escu in Rumänien nur ein Fernseh- Kicker nimmt deutlich ab, weil den Ver- Haus wieder Zutritt gewährte. programm gab – und das schaltete jeden einen das Geld für die Nachwuchsarbeit Becali hat sich aus ärmsten Verhältnissen Abend nach zwei Stunden Propaganda fehlt. hochgekämpft. Schon als Jugendlicher ver- wieder ab. Becali, der perfekt Spanisch spricht, will stand er sich auf Schwarzgeschäfte. Er Mitte der siebziger Jahre entschied sich deshalb expandieren. Künftig sollen auch tauschte Lei in US-Dollar, was streng un- Becali zur Flucht nach Westeuropa, weil ausländische Spieler zu seinem Stall tersagt und deshalb nur gegen einen satten ihn die Kommunisten drangsalierten. Ei- gehören. An dem spanischen EM-Teil- Aufschlag möglich war. nige seiner Vorfahren hatten während des nehmer Gerard, 21, vom FC Valencia hält An der Kasse des stadtbekannten Kinos Zweiten Weltkrieges in Rumänien mit den er bereits die Hälfte der Transferrechte. Patria kaufte er morgens für vier Lei große Nationalsozialisten paktiert. Die Ablösesumme ist auf 47 Millionen Kartenkontingente, die er kurz vor der Mark festgeschrieben. Kürzlich haben Vorstellung für das Doppelte vertick- * Vor dem nach ihm benannten Stadion in seiner Hei- Emissäre des AC Mailand ihre Aufwartung te. Der Handel florierte, weil es unter matstadt Constant¸a. gemacht. Michael Wulzinger