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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Seevögel - Zeitschrift des Vereins zum Schutz der Seevögel und der Natur e.V.

Jahr/Year: 1987

Band/Volume: 8_4_1987

Autor(en)/Author(s): Jellmann Jürgen

Artikel/Article: Radarbeobachtungen zum nächtlichen Mauserzug der Brandgans (Tadorna tadornei) an der Nordseeküste 63-64 SEEVÖGEL, Zeitschrift Verein Jordsand, Hamburg 1987 / Band 8, Heft 4 63

Aus der Inselstation Helgoland des Instituts für Vogelforschung, »Vogelwarte Helgoland« Radarbeobachtungen zum nächtlichen Mauserzug der Brandgans(Tadorna tadornei) an der Nordseeküste Von Jürgen Jellmann

1. Einleitung 3. Ergebnisse zuzuordnen. Im Beobachtungsgebiet, für das detaillierte feldornithologische Unter­ Bisher ist der Mauserzug der Brandgänse Bei der Bearbeitung der am Höhenradar suchungen vorliegen (u.a. G r o s sk o p f hauptsächlich durch Feldbeobachtungen gesammelten Meßdaten, die insgesamt 1968, G o e t h e 1939), kommt für das skiz­ auf den Hauptmauserplätzen Großer 913 Echos bzw. Vogelschwärme betref­ zierte Zugverhalten besonders die Brand­ Knechtsand und mehreren vorgelagerten fen, wurden 59 Echos aufgrund folgender gans in Betracht, der diese Echos hier zu­ Sänden zwischen der - und Elbe­ Besonderheiten von der Auswertung aller geschrieben werden, weil außerdem noch mündung im Wattenmeer (G o e t h e übrigen Daten abgetrennt: gute Übereinstimmungen mit den bisher 1961a, b, O elke 1969) untersucht wor­ Sämtliche Echos befanden sich im unter­ aus dem Beobachtungsgebiet vorliegen­ den. Hingegen liegen über den eigent­ sten Höhenintervall von 150 m über NN. den Angaben zum Mauserzug bestehen: lichen Zug zu diesen Mauserplätzen ver­ Ihre Winkel- und Entfernungskoordinaten Jahreszeitlich fallen die Radardaten in die gleichsweise spärliche Angaben vor wurden dann benutzt, um auf den zeit­ Phase der stärksten Brandgans-Konzen­ (C o o m b e s 1950, G o e t h e 1961 b), so daß gleich erstellten Fotos vom Rundsichtge­ trationen auf den Hauptmauserplätzen ein von B a u e r und G lu t z von B lo tzh e im rät (Belichtung s. J e llm a n n 1977) die Großer Knechtsand (O elke 1969, 1974) (1968) entworfenes Zugbild die Kenntnis­ Echos wiederzufinden und die jeweilige und vor der Elbmündung (B a u er lücken deutlich aufzeigt. Ziel der vorlie­ Position zu kontrollieren. Die so mit zwei u. G lu tz von B lo t z h e im 1968, D ircksen genden Studie ist es daher, nicht nur wei­ Radargeräten ermittelte Verteilung der 1968, B u s c h e 1980). Direktbeobachtun­ tere Zugdaten mitzuteilen, sondern auch Echos, die sich in auffallender Weise auf gen des Zuges dorthin liegen zwar, weil den im Gebiet arbeitenden Feldornitholo­ den unmittelbaren Küstenbereich Ost- Brandgänse zumeist nachts ziehen gen Hinweise zu geben. frieslands konzentrieren, faßt die Abbil­ (C o o m b e s 1950, G o e t h e 1961b), nur in dung zusammen. Es handelte sich in allen geringer Zahl vor, sie betreffen aber ge­ 59 Fällen um normal ausgeprägte Echos rade innerhalb der Radarreichweite ver­ 2. Arbeitsmethoden mit östlichen bis nordöstlichen Zugrich- schiedene Küstenabschnitte und Inseln Die Beobachtungen wurden vom 1. bis tungen. Allerdings konnten die einzelnen (G o e t h e 1961b), in deren Bereich auch 29.8.1977 an der Großraumradarstation Echos nicht weiter verfolgt werden, als Radarechos liegen. Allerdings wurden die Brockzetel in Ostfriesland durchgeführt. sich ihre Flugwegspuren auf den Fotos Sichtbeobachtungen meist in den Mor­ Zum Beobachtungsgebiet (s. Abb.), dem abzeichneten, da gleichzeitig in den Ge­ genstunden gemacht. Außerdem weisen verwendeten Radargerät und den Meß­ bieten auch andere Zugvorgänge abliefen die Feldbefunde auf niedrige Flughöhen verfahren wurden bereits ausführliche An­ und weil vor allem wegen der Ausbreitung von 2-20 m, gelegentlich bis 100 m und gaben gemacht (J ellm a n n 1977, 1979 a). der Radarwellen im Raum gerade in die­ geringe Truppstärken von durchschnitt­ Im Beobachtungszeitraum konnte zusätz­ sem Bereich auch noch zahlreiche Fest­ lich 22 (max. 72) Exemplaren hin (G o e th e lich auch ein Höhenradargerät (RHI, 10 zeichen dargestellt wurden und die Aus­ 1961b), die keine auffällig großen Echos cm Wellenlänge; Arbeitsweise bei J ell­ wertung erschwerten. Daher ist es in kei­ bedingen, wie sie beim Zug anderer Anse- m a n n 1979b) benutzt werden, allerdings nem Fall gelungen, den direkten Weg ei­ res (Anser, Branta ssp.) festgestellt wur­ immer nur dann, wenn es nicht für Aufga­ nes einzelnen Echos entlang der gesam­ den (J e llm a n n 1979 a). ben der militärischen Flugsicherung ge­ ten Küste zu belegen. Die vorstehend begründete Zuordnung braucht wurde. Vom 5. bis 10. August Die Echos traten nur während des Nacht­ der Echos könnte geringfügig durch aller­ konnte das Höhensuchgerät für umfang­ zuges auf, hauptsächlich zwischen 20.00 dings nach Westen gerichtete Zugbewe­ reiche Meßserien verwendet werden, so und 22.00 MEZ, die frühesten Erfassun­ gungen von Eiderenten (Somateria mollis- daß sich die Ergebnisse hauptsächlich auf gen fanden um 18.10, die letzten um sima) und Trauerenten (Melanitta nigra), diesen Zeitraum beziehen. Mit der tages­ 23.30 MEZ statt. Am Tage fehlten diese die ebenfalls in niedrigen Höhen entlang zeitlichen Erfassung des Nachtzuges Echos, obgleich ab Sonnenaufgang beob­ der Küste verlaufen (G r o s s k o p f 1968), wurde bereits 1,5 bis 2 Stunden vor Son­ achtet wurde. Genauere Angaben er­ beeinflußt sein. Weiterhin ziehen um die­ nenuntergang begonnen, da frühere Un­ scheinen wegen der eingeschränkten selbe Jahreszeit nachts Trauersee­ tersuchungen (J ellm a n n 1977, J ellm a n n Verfügbarkeit des Höhenradargerätes schwalben (Chlidonias niger)aus der Ost­ und V a u k 1978) starke Echozunahmen nicht sinnvoll. Auch konnten solche Echos see durch die Lübecker Bucht, Unterelbe am Spätnachmittag sowohl am Rundum­ in einer anderen Jahreszeit (April/Mai) und dann küstenparallel nach W in die suchgerät wie auch am Höhenradar erge­ nicht registriert werden (J e llm a n n 1979 b). Niederlande. ben hatten. Weiterhin konnten über dem Festland keine Echos im niedrigsten Höhenbereich Die vorgelegten Daten stellen die bisher Für die Gelegenheit, Radarbeobachtun­ erkannt werden. Das bedeutet für einige einzigen Zugbeobachtungen dar, die mit gen durchführen zu können, möchte ich NE gerichtete Echos über dem Dollart, großer Wahrscheinlichkeit Brandgänse der l./FmRgt. 34, Aurich, herzlich danken; daß über Land dann größere Flughöhen betreffen und mit Radar durchgeführt wur­ vor allem dem Kommandeur, Herrn Otl. gewählt werden, wenn Ostfriesland über­ den. Lack (1959) hatte zunächst einen Teil P o s c h w a t t a , der meinen Untersuchun­ quert wird. der Echos dem von SE-England ausge­ gen großes Interesse entgegenbrachte henden Mauserzug von Tadorna zuge- und mir dabei in unbürokratischer Weise schrieben, korrigierte sich aber später stets alle Wünsche erfüllte. Herrn Dr. (La ck 1962), und O elke (1969) hatte mit 4. Diskussion der Ergebnisse J.H il d , Amt für Wehrgeophysik, Traben- seinen Radarstudien nach eigenen Anga­ Trarbach, danke ich sehr herzlich für die Wegen der oben geschilderten Kriterien ben keinen Erfolg. Zu untersuchen wäre Befürwortung meiner Arbeitsvorhaben und auch wegen ihrer relativ geringen noch, inwieweit sich die Radarergebnisse beim Luftflottenkommando der Bundes­ Zahl sind die Echos mit großer Wahr­ in den Gesamtablauf des Mauserzuges wehr. scheinlichkeit einer einzelnen Vogelart einordnen lassen. Das bisher bekannte 64 Radarbeobachtungen zum Mauserzug der Brandgans

Bild vom Mauserzug ist einmal bestimmt durch die mehrjährigen Beobachtungen auf dem Großen Knechtsand von O elke (1969), der aber wegen der weiträumigen und ausgeprägt tidenabhängigen Fluk­ tuationsbewegungen der bereits anwe­ senden Brandgänse die eigentlichen Neu­ ankömmlinge nicht erkennen konnte. Dies wird übrigens bei B auer u . GujTzvon B lotzheim (1968) nicht berücksichtigt. Durch Ringfunde kennt man die Herkunft der Vögel, sie stammen - soweit sie durch das Beobachtungsgebiet ziehen - aus Großbritannien, Irland, Belgien, Nieder­ lande und Frankreich. Der Abzug ist aus England bekannt geworden. Dort brechen die Vögel zumeist in den Abendstunden zum Zug ins Mausergbiet auf, von der Westküste nach C oo m bes (1950) unab­ hängig von den Gezeiten hauptsächlich zwischen je einer Stunde vor und nach Sonnenuntergang, spätestens bis 22 Uhr. Das Beobachtungsgebiet in NW-Deutschland ist als Ausschnitt dargestellt. Der Doppelkreis gibt Dabei wird die Landmasse an bestimmten die ungefähre Lage der Radarstation an. Die Pfeile, deren Spitzen in Zugrichtung zeigen, kenn­ Stellen überquert und bis 800 m hohe zeichnen die Orte, an denen in der 1. Augustdekade im Verlaufe des Nachtzuges insgesamt 59 Echos mit sehr niedrigen Flughöhen erschienen, die dem Mauserzug von Tadorna tadorna zuge­ Berge werden überflogen. Nach M orley schrieben wurden. Das Knechtsand-Gebiet ist schraffiert. (1966) ist der Abzug stark vom Wetter be­ The area of observation in NW- is figured as section. The double-circle represents the ap­ einflußt, es darf kein Gegenwind herr­ proximate position of the radar station. The arrows pointed in direction of migration mark places schen, und die Himmelsbedeckung darf where echos (altogether 59) with very low heights appeared in the first decade of August. The echos nicht stärker als 5/q sein. Die Zuggesch­ were attributed to the moult-migration of the shelduck. The Knechtsand-area is hatched. windigkeiten sind recht hoch, im Mittel 95 km/h, gelegentlich werden sogar bis 150 ben wurden. Die Vögel folgten unter Ein­ G oethe , F. (1961b): The moult gatherings and km/h erreicht. haltung von östlichen bis nordöstlichen moult migrations of Shelduck in north-west Germany. - Brit. Birds 54: 145-161. Zugrichtungen mit niedrigen Flughöhen Wenngleich die Zuordnung von Radarbild G rosskopf , G. (1968): Die Vögel der Insel Wan­ und Vogelart nicht eindeutig sein kann, so meist dem unmittelbaren Küstenverlauf, gerooge. - Abhandl. Geb. Vogelk. 5, Mett- weisen die mitgeteilten Radarbefunde doch kam auch Zug über Land vor, der al­ cker u. Söhne, Jever. doch auf die Möglichkeit hin, daß der Zug lerdings in größerer Höhe stattfand. Jellmann , J. (1977): Radarbeobachtungen zum der westeuropäischen Brandgänse zu Frühjahrszug über Nordwestdeutschland und die südliche Nordsee im April und Mai den zentralen Mauserplätzen doch mehr 6. Summary im Küstenbereich abläuft als in breiter 1971. - Vogelwarte 29:135-149. Jellmann , J. (1979 a): Radarbeobachtungen Front über die gesamte Nordsee auf mög­ Radar observations of nocturnal zum Heimzug von Wildgänsen (Anser, lichst kurzem Wege, wie es B auer u . moult-migration of Shelducks in the Branta) im Raum der Deutschen Bucht. - G lutz von B lotzheim (1968) für die engli­ coastal area of the . Abhandl. Geb. Vogelk. 6: 269-288. Mett- sche und schottische Population be­ Low level flights could be observed by Ra­ cker u. Söhne, Jever. schreiben. Auch das mehr sporadische dar during the nocturnal migration in Jellmann , J. (1979b): Flughöhen ziehender Vö­ gel in Nordwestdeutschland nach Radar­ Auftreten der Art auf Helgoland (V auk August in NW-Germany. The echos were messungen. - Vogelwarte 30: 118-134. 1972) spricht gegen einen starken Zug found primarily along the coast-line and Jellmann , J. u . G. V auk (1978): Untersuchun­ über die Deutsche Bucht. Ein Non- were compiled to the moult-migration of stop-Zug von der englischen Westküste gen zum Verlauf des Frühjahrszuges über shelducks, E - NE-directed to the Knecht­ der Deutschen Bucht nach Radarstudien (Bridgewater Bay) bis zum Knechtsand, sand area, because there was complete sowie Fang- und Beobachtungsergebnis­ wo die Vögel dementsprechend in den accordance with several formerly find­ sen auf Helgoland. - J. Orn. 119: 265-286. Vormittagsstunden eintreffen sollten - wie ings, data and wildfowl counts. Some Lack , D. (1959): Migration across the North Sea es G oethe (1961b) und B auer u . G lutz cross-country movements occured in studied by radar. Part 1. Survey through the year. - Ibis 101: 209-234. von B lotzheim (1968) darstellen - scheint greater flight altitude. zumindest nicht die Regel zu sein; denn Lack , D. (1962): Migration across the southern auch O elkes (1969) Beobachtungen vor North Sea studied by radar. Part 3. Move­ Ort bieten dafür keine Anhaltspunkte. Di­ 7. Literatur ments in June and July. - Ibis 104: 74-85. Morley , J.V. (1966): The moult migration of rekt aus England ankommende Brand­ B auer , K.M. u . U.N. G lutz von B lotzheim Shelducks from Bridgewater Bay. - Brit. gänse hätte er nämlich an den Tagen viel­ (1968): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Birds 59: 141-147. leicht erkennen können, an denen wegen Band 2, Anseriformes (1. Teil) - Akadem. O elke , H. (1969): Die Bedeutung des Großen Ebbe in den Vormittagsstunden die täg­ Verlagsgesellschaft, Frankfurt. Knechtsandes als Mausergebiet der Brand­ lichen Fluktuationsbewegungen nicht die B usche , G. (1980): Vogelbestände des Watten­ gans (Tadorna tadorna) im Gebiet der Deut­ Beurteilung erschwerten. Insgesamt ge­ meeres von Schleswig-Holstein. - Kilda- schen Bucht. - Landschaft und Stadt 3: Verlag, Greven. sehen ergibt sich nach wie vor ein lücken­ 104-115. Coombes , R.A.H. (1950): The moult migration O elke , H. (1974): Radiotelemetrische Untersu­ haftes und teils auch widersprüchliches of the Shelduck. - Ibis 92: 405-418. chungen an Brandgänsen(Tadorna ta­ Bild vom Mauserzug der Brandgänse. D ircksen , J. (1968): Brandgans-Mauserzug dorna). - J. Orn. 115:181-191. und tidenbedingte Bewegungen von Brand­ Vauk , G. (1972): Die Vögel Helgolands. - Paray- gans (Tadorna tadorna) und Eiderente (So- Verlag, Hamburg u. Berlin. 5. Zusammenfassung materia mollissima) im Raum um Trischen. Bei Radaruntersuchungen des nächt­ - Vogelwarte 24: 179-184. lichen Vogelzuges im August an der nord­ Goethe , F. (1939): Die Vogelinsel Mellum. Bei­ westdeutschen Küste wurden Echos regi­ träge zur Monographie eines deutschen Seevogelschutzgebietes. - Abhandl. Geb. striert, die wegen guter Übereinstimmung Anschrift des Verfassers: Vogelk. 4, Friedländer u. Sohn, Berlin. mit den vorliegenden feldornithologi- Goethe , F. (1961a): A survey of moulting Shel­ Jürgen Jellmann schen Befunden dem Mauserzug der duck on Knechtsand. - Brit. Birds 54: Otterhaken 5 Brandgans (Tadorna tadorna)zugeschrie­ 106-115. D - 2102 Hamburg 93