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SPIEGEL-GESPRÄCH „Zerreißt euch das Maul!“ TV-Entertainerin , 38, über die Pläne für ihre neue Late-Night-Show, das schwere Erbe ihres Vorgängers Harald Schmidt und ihre undankbare Rolle als Schutzpatronin deutscher Frauen-Comedy

SPIEGEL: Frau Engelke, als Harald Schmidt im Spätherbst seinen vorläufigen TV-Ab- schied ankündigte, trugen die deutschen Feuilletons tagelang Trauerflor. Von Mitte Mai an werden Sie den Entertainer auf Sat.1 beerben. Rudi Carrell wettete kürz- lich bei „Beckmann“ 10000 Euro, dass Sie scheitern. Haben Sie keine Angst, sich lächerlich zu machen? Engelke: Selbst Thomas Gottschalk hat ge- sagt, das könne nur schief gehen, und gab mir noch den Rat, ich solle weder singen noch tanzen. So viel Anteilnahme von der- art großen Kollegen finde ich jedenfalls tau- sendmal besser, als wenn sich für meine Premiere kein Schwein interessieren würde. SPIEGEL: Das ist nun wirklich nicht zu be- fürchten. Ihre neue Sendung wird doch aufgeregter und enthusiastischer debattiert als manches Berliner Reformvorhaben. Warum eigentlich? Engelke: Ich verstehe es selbst nicht so ganz. Vielleicht hat es ein bisschen mit der sklavischen Verehrung all dessen zu tun, was aus den USA auf unsere Bildschirme herüberschwappt. Dort funktioniert die hohe Schule der Late-Night-Show ja schon seit vielen Jahrzehnten. Nur wir haben es lange Zeit einfach nicht hingekriegt. SPIEGEL: Niemand wird Sie mit Jay Leno oder vergleichen, aber alle mit Harald Schmidt. Können Sie da überhaupt gewinnen? Engelke: Die Leute sind doch nicht doof. Denen traue ich durchaus zu, mich nicht als Schmidts kleine Schwester wahrzunehmen, sondern sich von Montag bis Donnerstag um 23.15 Uhr auf eine neue Moderatorin in einer neuen Show namens „Anke Late Night“ einzulassen.

SPIEGEL: Worin wird die sich von bisherigen ARNE WEYCHARDT Nachtshows unterscheiden? Entertainerin Engelke: „Quotenvorgaben interessieren mich nicht“ Engelke: Vieles wird einem bekannt vor- kommen. Auch ich beginne mit einem darf auch mal in der gesamten Sendung Ich hab da keine Bedenken. Immerhin bie- Stand-up. Auch ich werde Publikum, ei- mitmischen, gern auch an zwei Abenden ten wir eine A-Klasse-Talkmasterin namens nen Schreibtisch und meistens auch zwei nacheinander. Engelke, da müssen wir nicht mit den Tau- Gäste haben, die ich nicht verhören will. SPIEGEL: Sie laufen in Konkurrenz zu Ker- sendern winken. Unsere Gäste freuen sich Und doch wird alles anders. Ich werde mei- ner, Beckmann, Maischberger. Wie wollen einfach, dass wir uns darauf einlassen, ne Gäste stärker einbinden. Wenn Ben Stil- Sie im Scheckbuchwettbewerb um interes- gemeinsam mit ihnen etwas zu erleben. ler wie versprochen im August kommt, will sante A-Klasse-Gäste bestehen? Oder ho- Guter Satz, finden Sie nicht? ich vorher mit ihm ein paar Sketche dre- len Sie einfach die Teenies aus den be- SPIEGEL: Nun ja, riecht ein bisschen nach hen. Mein Comedy-Kollege Olli Dittrich nachbarten Viva-Studios herüber? Pfadfinderabend. Engelke: Die dürfen gern kommen, genau- Engelke: „Anke Late Night – Der Pfadfin- Das Gespräch führten die Redakteure Marcel Rosenbach so wie Politiker, Schauspieler und interes- derabend“? Spitzenuntertitel! Kann ich und Thomas Tuma. sante Unbekannte. Die Mischung macht’s. den haben?

74 der spiegel 13/2004 SPIEGEL: Geschenkt – wenn Sie uns verra- Engelke: Es gibt bei dem ten, was an Ihrer Show nun wirklich neu Projekt viele Rosinen und oder wenigstens typisch Engelke sein soll. ein paar härtere Nüsse. Engelke: Wir proben gerade Einspielfilme in Aber ich trau’s mir zu. Ich den schwarz-weiß gedrehten Frauenrollen, bin zwar keine Journalistin die das Publikum bei „Ladykracher“ be- und mache auch keine sonders mochte. Da sagt dann zum Bei- Nachrichtensendung. Ich spiel Öko-Ruth über Gesine Schwan: Also, bin aber auch keine Idio- ich bin aus rein feministischen Gründen tin, sondern bereite auf, gegen Gesine Schwan als Bundespräsiden- verwerte, moderiere, pa- tin, ne? Und zwar, weil dann der Job der rodiere. Wenn mal eine Bundespräsidentengattin irgendwie total Neuigkeit abfällt, okay. irrelevant wird, ne? Es sei denn, Gesine SPIEGEL: Wie kamen Sie ei- Schwan ist eigentlich lesbisch, ne? Das gentlich zu dem Job? ginge. Muss man mal nachfragen. Von der Engelke: Der neue Sat.1- Frisur her käm’s hin. Chef Roger Schawinski SPIEGEL: Schlüpfen Sie auch live und auf ließ bei mir anfragen. Ich der Bühne in Ihre Rollen? habe ihn bisher nur einmal

Engelke: Da bin ich Anke Engelke. Aber persönlich getroffen. Das PRESS ACTION ich werde über eine Videowand auch mal war bei der Vertragsunter- Vorgänger Schmidt, Gast Feldbusch: „Ich bin ein hysterischer Fan“ mit mir selbst in einer anderen Rolle zeichnung, was ich aber plaudern. Ich muss und möchte weiter auch völlig in Ordnung finde. Wir sind te: Was sollen wir machen? Soll ich auch schauspielern. Und ich werde rausgehen. beide noch zu neu in unseren Jobs, als dass gehen? Eine Demo organisieren? Einen Während der Olympischen Spiele will ich wir schon einen auf große Kumpels ma- Boykott? Seine Antwort wird Sie nicht nicht aus Köln, sondern aus Athen sen- chen könnten. überraschen: Job ist Job, Leben ist Leben. den, inklusive Band … SPIEGEL: Kurz vor dem Late-Night-Angebot Das habe man gefälligst zu trennen. Und SPIEGEL: … die Ihr Freund Claus Fischer bekamen Sie einen Radiopreis, den Sie natürlich hat er Recht. leitet, bislang Bassist bei „TV total“? Schawinskis da gerade geschassten Vor- SPIEGEL: Dachten Sie da schon, Sie könn- Engelke: Genau. Das wird natürlich die bes- gänger Martin Hoffmann widmeten. Re- ten als Nachfolgerin in Frage kommen? te Band Deutschlands. Und der Boulevard- gierte nach dem ersten Loyalitätsanfall Engelke: Nee, so abgewichst bin ich dann presse kann ich nur zurufen: Zerreißt euch doch wieder das Geld? doch nicht, dass ich da schon zur Karrie- Engelke: Nachdem Schmidt replanung übergegangen wäre. Schmidts seinen Ausstieg angekün- Ausstieg war einfach ein Schock. Und ich digt hatte, sammelten sich bin froh, noch so normal zu ticken, dass auf meinem Handy in mich derlei auch mitnimmt. kürzester Zeit Nachrichten SPIEGEL: Rekrutieren Sie Ihre neue Redak- von allen, die in der deut- tion aus der arbeitslosen Schmidt-Crew? schen Comedy-Szene Rang Engelke: Ich bekam so viele Bewerbungen und Namen haben. Es war von Leuten, die angeblich alle zeitgleich so eine Wir-müssen-was- bei Schmidt waren, dass ich den Eindruck tun-Stimmung. Ich rief gewinnen muss, bei ihm hätten mindestens

JUERGENS / SAT 1 JUERGENS / SAT dann Schmidt an und frag- 4000 Leute gearbeitet. Ich werde ein rund 50-köpfiges Team haben, das von überall her kommt. Die meisten sind Bekannte Kinderstar und Powerfrau von früheren Arbeiten. Es ist einfach geil 21. Dezember 1965 Anke Christina Engelke zu sehen, wie da sehr schnell etwas sehr wird in Montreal, Kanada, geboren. Neues und Schönes entsteht. SPIEGEL: Was passiert eigentlich, wenn 1971 Die Familie zieht nach Rösrath bei Köln. Schmidt Lust bekommen sollte, auf den 1977 Erste Auftritte als Kinderstar. Nach einem Bildschirm zurückzukehren? Gesangsduett mit Udo Jürgens wird sie von Engelke: Doppelmoderationen hasse ich. Radio Luxemburg für den Rundfunk entdeckt. Aber irgendeine Lösung wird sich dann 1979 bis 1986 Frühe Fernsehgastspiele: schon finden. Ich frage mich ohnehin Zusammen mit Désirée Nosbusch moderiert schon, was der eigentlich die ganze Woche sie fürs ZDF-Ferienprogramm von der Berliner zu Hause treibt? Einer wie Schmidt muss Sketch-Figur „Ricky“ Funkausstellung. ja arbeiten. „Ich will schauspielern“ ab 1986 Rundfunkmoderatorin beim SPIEGEL: Seine frühen Late-Night-Jahre wa- Südwestfunk ren geprägt von oft geschmacklosen Wit- das Maul darüber, ob bei uns zu Hause dicke zen. Erst am Ende hatte er seine Rolle und Luft herrscht, wenn ich ihn mal eine kom- 1996 Comedy-Auftritte in der „Wochenshow“ Haltung gefunden und ein Stadium er- von Sat.1. Ihre Rolle als unbedarfte „Popsofa“- plette Show lang nicht anlächle! Herrlich! Moderatorin „Ricky” gewinnt Kultstatus. reicht, in dem er sein Publikum sogar poin- SPIEGEL: Sat.1 erwartet offenbar eher Ge- tenfrei zum Lachen bringen konnte. sprächsstoff, wie ihn Ihre US-Vorbilder ge- 1999 Gründung der eigenen Engelke: Genau, Haltung, darum geht es. legentlich liefern. Der Sender bemüht das Produktionsfirma „Ladykracher TV“ Wenn meine Haltung stimmt, kann nichts Beispiel Arnold Schwarzeneggers, der in 2002 Erfolgreiche Sketchserie passieren. Man muss in diesem Format vor Jay Lenos Show seine Gouverneurskandi- „Ladykracher“ für Sat.1 allem authentisch sein. Dann reagieren die datur verkündet hat. Sie stehen eher für 2003 Grimmepreis (mit Olli Dittrich) für eine Zuschauer mitunter reflexhaft wie pawlow- Schenkelklopfer-Sketche. Ist tagesaktuel- Folge ihrer ZDF-Sendereihe „Blind Date“ sche Hunde. Das gibt’s bei Dave auch. ler, politischer Witz wirklich Ihr Ding? SPIEGEL: Dave?

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Engelke: David Letterman. Also, der Dave ZDF-Kinderprogramm, das ich als Teen- und ich – wir sind total dicke. ager moderierte, der öffentlich-rechtliche SPIEGEL: Klar. Hörfunk beim damaligen SWF, die Sat.1- Engelke: (kichert) Klasse was, mein Größen- „Wochenshow“, „Anke – Die Comedy- wahn? serie“, „Ladykracher“ und nun Late Night. SPIEGEL: Sie könnten ihn sich leisten. Ha- Ich bin nie mit einem Konzept zum Sender ben Sie die atemberaubende Produktions- gegangen. Und wenn ich es getan hätte, summe von über 43 Millionen Euro für wäre von meinen eigenen Ideen am Ende drei Jahre selbst ausgehandelt? nicht viel übrig geblieben. Ich hatte nie die Engelke: Das war meine Managerin. Bei Ambition, selbst Ideen zu haben und die Geldfragen verlasse ich immer schnell den dann Sendern zu verkaufen. In der Hin- Raum. Das ist mir eher peinlich. sicht bin ich völlig unkreativ. SPIEGEL: Vielleicht schmiss auch Schmidt SPIEGEL: Immerhin wurden Sie so eine Art gar nicht so sehr aus Freundschaft zu Hoff- Schutzpatronin deutscher Frauen-Come- mann hin, sondern weil er genau wusste, dy, oder? dass er zu hoch gepokert hatte? Engelke: Durch den Mangel an Frauen in Engelke: Die wahre Geschichte kennen nur diesem Bereich bin ich zumindest so et- er und seine engsten Vertrauten. Ich bin was wie eine mediale Ansprechperson ge- mit ihm nicht vertraut … worden. Dabei geht es immer um Fragen SPIEGEL: … aber wahrscheinlich eine seiner der Sorte: Warum dürfen die armen Frau- größten Bewunderinnen. Bisher verging en im Fernsehen nur vom Teleprompter kaum ein Interview, in dem Sie ihn nicht ablesen und keine Karriere machen? Eine

penetrant anbeteten. RADEMACHER UTA These, die chronisch an mich herangetra- Engelke: Ich bin ein hysterischer Fan und Sat.1-Chef Schawinski gen wird. Auch wenn ich selbst den Glau- war mindestens zehnmal bei ihm zu Gast. Noch nicht die dicksten Kumpels ben für Quatsch halte, da sei irgendeine Ich habe praktisch in seiner Show ge- finstere Übermacht unterwegs, die dafür lebt. Einmal trat ich direkt nach jenem Engelke: Ich gebe Blättern, die sich nur für sorgt, dass Frauen im Fernsehen nichts zu denkwürdigen Abend auf, als er Verona mein Privatleben interessieren, keine In- sagen haben und nur unterdrückt werden. Feldbusch das Gesicht abgeleckt hatte. terviews. Diese Strategie halte ich für legi- SPIEGEL: Sie machten schon Comedy, als Damit musste ich mich natürlich ausein- tim, auch wenn die sich dann eben biswei- es den Begriff noch gar nicht gab. Hat sich ander setzen. len etwas aus den Fingern saugen. deutscher Humor verändert? SPIEGEL: Wieso? Eifersucht? SPIEGEL: Haben Leute wie Sie noch ein Engelke: Ich denke, er ist vielfältiger ge- Engelke: (lacht) Ich ließ ihm immer seine Recht auf ein ungestörtes Privatleben? worden. Ich selbst zum Beispiel könnte Freiheiten. Aber im Ernst: Die Medien war- Engelke: Ich finde schon, ja. Natürlich brau- mich auch nicht entscheiden, was mir bes- teten geradezu darauf, dass ich auf die che und suche ich Öffentlichkeit, sonst ser gefällt: meine brachialen Schenkelklop- Feldbusch-Attacke irgendeine frauenbe- könnte ich meinen Quatsch ja auch in der fer in „Ladykracher“ oder eher der feine wegte Antwort fände. Ich putzte mir sogar Video AG der Kölner Volkshochschule Humor, den ich mit Olli Dittrich fürs ZDF extra für einen Leck-Konter die Zähne, machen. Aber ich kann nur gut arbeiten, in „Blind Date“ inszeniere. Beides liebe ich. weil ich durchaus mit dem Gedanken spiel- wenn ich froh bin. Das kann ich aber nicht SPIEGEL: Erlaubt Ihnen Ihr Sat.1-Vertrag te. Grotesk, oder? sein, wenn man mich mit blöden Ge- künftig noch Ausflüge wie das Stegreif- SPIEGEL: Zumindest wenn man weiß, wie schichten beschädigt. Aus dem gleichen Duett „Blind Date“? Sie manche Medien und deren Journalisten Grund interessiere ich mich auch nicht für Engelke: Mein Vertrag ist lustig, knallhart sonst ignorieren. irgendwelche Quotenvorgaben. Die gibt es und total verrückt, aber ein „Blind Date“ zwar sicherlich, aber ich will damit nicht pro Jahr ist weiter drin. Die fünfte Folge behelligt werden. Es würde mich nicht haben wir gerade abgedreht. Sonst darf ich glücklicher und damit auch nicht besser nur noch zu Günther Jauchs „SKL-Millio- machen. Ich bin fest überzeugt: Ich muss nenshow“ bei RTL, das steht da wirklich. leuchten. Nur dann kann ich auch meine Und zur Oscar-Verleihung oder Berlinale Gäste zum Leuchten bringen. fahre ich jetzt eben nicht mehr für ProSie- SPIEGEL: Von Mitte Mai an müssen Sie vier ben oder die ARD, sondern veranstalte Abende pro Woche auf die Bühne – noch meinen eigenen kleinen Late-Night-Be- vor kurzem haben Sie gesagt, Late Night triebsausflug. sei nicht Ihr Talent. Seit wann haben Sie SPIEGEL: Ist Harald Schmidt Ehrengast in das Selbstvertrauen, es auszuprobieren? Ihrer Premieren-Show? Engelke: Seit Sat.1 mich fragte. Vom ersten Engelke: Das hätten Sie wohl gern? Angebot bis zum unterschriebenen Ver- SPIEGEL: Sie nicht? trag vergingen nur zehn Tage. Das waren Engelke: Nur so viel: Er und ich haben ge- allerdings gefühlte zwei Jahre Grübeln. rade bei einer anderen Sache miteinander Vorher musste ich mich ja nie konkret zu tun. Wir spielen gemeinsam in Helmut damit auseinander setzen. Nun bin ich Dietls neuem Film „Vom Suchen und Fin- dankbar für die Herausforderung, denn den der Liebe“. Die Dreharbeiten werden ich will nicht bis zur Rente die gleichen mich noch den ganzen April beschäftigen. Sachen machen. Plötzlich fügt sich – wie Und dann will ich endlich voll mit meiner so oft in meinem Leben – alles sehr logisch eigenen Show anfangen. Maut-Debakel, aneinander. Reform-Chaos, Korruption bei 1860 Mün- SPIEGEL: Ist Karriere Ihnen bislang eher chen – so viel wunderbarer Late-Night-

PRO 7 zugestoßen? Stoff. Das verpufft zurzeit ja alles. Oscar-Präsentatorin Engelke Engelke: Hm. Ich war sicher meist erst in SPIEGEL: Frau Engelke, wir danken Ihnen „Ich muss leuchten“ zweiter Instanz Entscheidungsträger. Das für dieses Gespräch.

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