Technik und Verkehr

"Lichtspendende Kraft" eroberte , Hunsrück und Mosel Die Entwicklung der Stromversorgung im Kreis Bernkastel- von Claudia Sehmitt

Die Anfange der ElektrifIzierung

Elektrizität Einzug in die Eifel-, Hunsrück- und Moselregion. Diese neue Energie Zwischenwurde von1890der undBevölkerung1930 hieltsowohlder technischeskeptisch Fortschrittals auch mitdurchenthusiastischerdie EinführungBegeis•der terung empfangen. Gewöhnlich kam der Fortschritt aus den großen Ballungsgebieten und Städten erst mit Verspätung in die ländlichen Bereiche. Doch beim elektrischen Strom ver• lief der Weg besonders in der Eifel umgekehrt. Dies lag an den Bedingungen, die zur Strom• erzeugung nötig waren, und an einzelnen hier lebenden technikinteressierten Männern. Mit dem ersten Strom kamen Telegrafie und Telefon Anfang des vorigen Jahrhunderts entdeckten Männer wie Volta, Ohm, Ampere und Faraday die Erzeugung von elektrischem Strom. Die Erfindung von Generatoren und Elektromoto• ren, elektrischer Beleuchtung und Apparaten zur Nutzung der neuen Kraft folgte auf dem Fuß.1 Seit 1840 konnte man mit Hilfe der Elektrizität telegrafieren. Ab dem 2. Dezember 1853 bestand die Telegrafenlinie - -Saarbrücken. Am 1. Februar 1863 nahm die Telegrafenstation Wittlich ihren Betrieb auf, 1867 folgte Trarbach. 1876 wurden in den Or• ten , Großlittgen, , Kröv, , Osann, Reil, und Ürzig, 1877 in Traben und Manderscheid, 1882 in und noch vor 1886 in

Oberkail und Lieser Telegrafenstationen eingerichtet. 2 Die Verlegung von Fernsprechleitun• gen erfolgte ab August 1900 der Mosel entlang in Bernkastel, Kues, Lieser, Mülheim und Wehlen sowie auf den Hunsrück nach . Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts sorgte der Unternehmer Werner Siemens durch die Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips für die Fortentwicklung der Stromerzeugung, wie sie heute noch angewandt wird. Thomas Edison erfand im Jahre 1879 die Kohlefaden• lampe und eröffnete 1880 bei New York die erste Glühlampenfabrik der Welt. Seit der Groß• produktion von Glühbirnen konnte das elektrische Licht mit den damals in Gebrauch befmd• lichen Gas- oder Petroleumlampen in Wettbewerb treten. Die neue Technik erobert die Eifel Die Eifel eignete sich zur Stromerzeugung deswegen gut, weil hier an wasserreichen Bächen Mühlen standen, die bei der Elektrizitätsherstellung eine große Rolle spielen sollten. So war es denn auch der Müller Nikolaus Molitor von der Molitors Mühle bei Eisenschmitt, der mit seinem Freund Wilhelm Feuser, einem in Köln mit der Elektrizitätslehre vertraut geworde• nen Tüftler, einen von Wasserkraft betriebenen Dynamo baute, der am 25. Februar 1889 die erste Glühlampe in der Molitors Mühle leuchten ließ.3 Vielerorts dauerte es noch lange, bis die neue Energie Einzug hielt. Großen Anteil an ihrer Verbreitung hatte die Müllersfamilie Molitor. Sie war nach dem ersten Erfolg nicht untätig

326 geblieben. Im Haus, in der MüWe, in den Stallungen wurden Lampen installiert. Die Kunde davon ging wie ein Lauffeuer durch die Ortschaften in der näheren und weiteren Umgebung. Bald pilgerten viele Neugierige zur MüWe, um mit eigenen Augen das/euerlase Licht zu sehen. Und es kamen Interessenten, vor allem andere Müller, die bei sich ebensolche Elektri• zitäts-Maschinen gebaut haben wollten. Nikolaus Molitor und Wilhelm Feuser wurden mit Aufträgen überhäuft. Ihre Elektrizitätsanlagen konntenjedoch vorerst nur Lampen zum Glü• hen bringen. Zum Betrieb von Maschinen war die Stromleistung zu schwach. Aber schon im Jahre 1892 entwickelte Claus Molitor eine elektrische Kraftanlage, an die er eine Dreschma• schine in der weiter entfernt stehenden Scheune anschloss. Molitor und Feuser gebührt das Verdienst, als erste den elektrischen Strom in die Eifel gebracht zu haben.4 Das Beispiel der Müllersfamilie Molitor, von der weitere männliche Mitglieder auch schon bald in die Produktion von kleinen Elektrizitätswerken einstiegen und diese in Mosel- und Eifelorten installierten (siehe unten), brachte eine Lawine ins Rollen. Es waren fast immer Müller, die als erste, von dem Zauberwort Elektrizität geweckt, die Zeichen des neuen Tech• nikzeitalters erkannten und im Eifel- und Moselraum die Idee der neuen Energiegewinnung in die Realität umsetzten. Sie waren es auch, die als erste diese Energie in benachbarte Häu• ser oder Ortschaften weitergaben. Ihnen gesellten sich oft technikinteressierte Personen zu, die Turbinen zur Herstellung des Stroms und auch Geräte, die von ihm angetrieben wurden, konstruierten. Oft war der Müller alles in einer Person: Erfmder und Hersteller. Die Zeitun• gen lobten seinen Pioniergeist. So schrieb das Wittlicher Kreisblatt am 18. Februar 1894: "Man erkennt also, daß der unternehmende Wasserkraftbesitzer, der sich elektrisches Licht einrichten läßt, damit den Beweis liefert, daß er dabei in klug berechnender Weise seinen Vorteil sucht und Geld spart und nicht etwa kostspielige unrentable Neuerungen anbringt." Welchen Eindruck der Strom auf die Menschen der damaligen Zeit machte, können wir den lokalen Zeitungen entnehmen; denn die ersten Erfolge mit der elektrischen Beleuchtung wurden zu wahren Wundem stilisiert. Fünf Jahre, nachdem in der Molitors MüWe die erste Glühbirne brannte, schrieb der Lokalredakteur des Wittlicher Kreisblattes voller Enthusias• mus am 27. Dezember 1894: "Eisenschrnitt, 25. Dezember. Die heutige Christmette gestal• tete sich dieses Mal besonders glanzvoll in unserer Kirche, denn das Gotteshaus erstrahlte vom Scheine des elektrischen Lichtes. Eine Bogenlampe von 1 500 Kerzen Leuchtkraft über• fluthete den weiten Raum im feenhaften Glanze, und die am Hochaltar angebrachten ca. 100 Kerzen erhöhten noch in eigenartiger Wirkung den wundervollen Anblick. " Anfang des Jahrhunderts kaufte ein Spross der Familie Molitor die Brucher Mühle. Dort installierte er ein Kraftwerk zur Stromversorgung des ganzen Dorfes Bruch mitsamt der Schule. Er baute eine fahrbare elektrische Dreschmaschine und eine elektrische Säge, die er mit eigenem Strom betrieb. Beide Geräte verbrauchten aber so viel Energie, dass fast das ganze Dorf ohne Strom war, wenn sie gleichzeitig liefen.5 Bedenkt man, dass die Stadt Trier erst im Jahre 1901 elektrifiziert wurde, ist es schon bemer• kenswert, wenn im Wittlicher Kreisblatt am 15. Februar 1894 zu lesen ist, dass, nachdem in Manderscheid "die dritte Anlage in unserem Kreise dem Betriebe übergeben [wurde], in den hiesigen maßgebenden Kreisen der Wunsch rege geworden [ist], daß dem lichtspendenden elektrischen Strome der Weg nach unserem Orte geebnet werde". Belehrend wird hinzuge• fügt: "Das elektrische Licht ist nicht, wie vielfach angenommen wird, eine theure Luxusbe• leuchtung [...]. Hinzu noch die vielen anderen Vortheile, die keine andere Beleuch• tungsart aufzuweisen vermag, wie Fortfall der Feuersgefahr, Reinlichkeit und Bequemlich• keit, die goldene Farbe des Lichtes, keine schwarze Zirnmerdecken usw."

327 Jedes kleine E-Werk hatte fur Licht und Kraft seine eigenen Tarife. Im ersten Jahrzehnt nach Einfuhrung des Stroms lagen sie in der Eifel zwischen 40 pfund 50 Pfpro kWh fur Licht• strom und 20 Pfbis 30 Pf pro kWh fur Kraftstrom. Dazu kam gewöhnlich noch eine Zähler• miete. Der Tagesverdienst eines Handwerkers lag zu dieser Zeit unter zwei Mark am Tag. Für die vielen bäuerlichen Haushalte unserer Gegend stellte die Zahlung der Strompreise in Mark und Pfennig eine ungewohnte fmanzielle Belastung dar, war es doch üblich, das meis• te, was man fur den Lebensunterhalt benötigte, im Tauschhandel mit eigenen Erzeugnissen anzuschaffen. Die ersten Stromabnehmer gehörten darum meist zu den besser Betuchten. 6 Einzug der Elektrizität in Traben- Trarbach und im Kreis Bernkastel Die Stadt Traben- Trarbach Die Gemeinden Traben und Trarbach nahmen eine Vorreiterstellung hinsichtlich elektri• scher Straßenbeleuchtung ein; denn dort brannte bereits am 15. Januar 1890 - neben Bad Ems, Bad Reichenhall und einigen Straßen in Berlin - die "erste elektrische Straßenbeleuch• tung in Deutschland,,7. Traben- Trarbach war die "früheste vollständig elektrisch beleuchtete Stadt Deutschlands"s. Aufmerksam geworden auf die bereits elektrisch beleuchtete luxem• burgische Stadt Echtemach wünschten sich die Ratsherren und Geschäftsleute in Traben und Trarbach schon 1886 diese Errungenschaft, hatte man hier doch den Fortschritt in Form von Gasbeleuchtung verschlafen und lebte noch mit Petroleumlampen und Kerzen in den Häu• sern, den Weinkellern und Lagerräumen, während die umliegenden größeren Orte über Gas• lampen und Gasanlagen verfugten. Die Stadtväter verhandelten mit der Allgemeinen Elec• trizitäts-Gesellschaft (heute noch bekannt als AEG), und am 13. Mai 1889 wurde die Tra• ben- Trarbacher Aktien-Beleuchtungsgesellschaft in das Handelsregister zu Trarbach einge• tragen. Diese übertrug der AEG den Auftrag zum Bau einer Centralstation, eines E-Werks, das in der heutigen Bahnstraße 36 in Traben seinen Platz fand. Den Strom erzeugte eine Dampfmaschine, die vier Dynamos antrieb. 1100 Glühbirnen in Straßen und Häusern in Tra• ben und dem am anderen Moselufer gelegenen Trarbach wurden damit beleuchtet.9 Eine Brü- cke zwischen beiden Orten existierte zu dieser Zeit noch nicht. Darum wurde das stromlei• tende Kabel durch die Mosel gezogen und in ihren Grund eingelegt. Im Jahre 1899 wurde das Traben- Trarbacher E-Werk erweitert, da es einer hohen Beanspru• chung ausgesetzt war und seine Leistung für die ansteigende Zahl der Stromabnehmer zu gering ausfiel. Seit dem Umbau lieferte das Werk bis in den Ersten Weltkrieg hinein ununter• brochen Strom an die Bewohner der kleinen seit 1904 vereinigten Moselstadt. Sie mussten für die elektrische Kraft im Verhältnis zu anderen Stromabnehmern im Gebiet des heutigen Kreises Bernkastel- Wittlich die höchsten Tarife bezahlen. Der Lichtstrom kostete 52 Pf/kWh. Erst als sich im Jahre 1914 die Stadtbewohner in Leserbriefen im Traben• Trarbacher LokalanzeigerIO darüber beschwerten, senkte die Beleuchtungsgesellschaft ihre Preise. Schon im Kriegsjahr 1915 war die Überlandversorgung der Stadt Trier (siehe unten) an die Traben- Trarbacher Stadtväter mit dem Angebot herangetreten, Strom zu liefern. Das hätte die Stilllegung des eigenen E-Werks bedeutet. Man lehnte ab. Drei Jahre später kam es wie• der zu Verhandlungen, die "dazu führten, dass das Werk seine Selbständigkeit aufgab. Damit erlosch die Aktiengesellschaft. Die Stadt übernahm, was noch vorhanden war. Gleichzeitig wurde das Wasserwerk angegliedert. Das neue Unternehmen erhielt die Bezeichnung' Städ• tisches Licht- und Wasserwerk,.,,11 1955 wurde der Name in Stadtwerke Traben-Trarbach umgewandelt. Nach Kriegsende schloss Traben- Trarbach einen Stromlieferungsvertrag mit den Licht- und Kraftwerken der Moselkreise (Likra) ab. Diese Vereinigung bestand allerdings nicht lange; denn schon 1928 wurde sie in das RWE integriert. Das Traben- Trarbacher E-Werk arbeitete von nun an für das RWE, das es am 1.April 1959 endgültig übernahm.'2 Die Stadt Bernkastel-Kues Der Stadt Bernkastel war die Nutzung der Elektrizität durch den Freiherm von Schorlerner beschieden. Er hatte in seinem Schloss in Lieser am 27. Dezember 1902 ein kleines E-Werk in Betrieb genommen, das die Häuser und Straßen des Ortes Lieser mit Strom versorgte und später auch die Stadt Bernkastel-Kues.13 Das Werk in Lieser galt in Fachkreisen als die erste größere elektrische Zentrale in der Gegend, die mit rationell arbeitenden und leicht zu bedie• nenden Sauggeneratorengasmotoren angetrieben wurde.14 Mit einem 20-seitigen Vertrag schrieb man zehn Jahre später, im Jahre 1912, die Vereinbarungen zur Elektrizitätserzeu• gung und -abnahme zwischen der Stadt Bernkastel-Kues und der Freiherrlich von Schorle• merschen Renteiverwaltung fest.15 1914 erfolgte die Übergabe des E-Werks Lieser an die Likra, die ab dieser Zeit auch Bernkastel- Kues mit Strom belieferte. Elektrifizierung des ländlichen Bereiches von Mosel und Hunsrück Bevor der Kreis Bernkastel sich im Jahre 1912 um eine flächendeckende Versorgung seiner Ortschaften mit Elektrizität kümmerte, gab es in den Gemeinden Lieser, Mülheim, Wehlen, Zeltingen, , Hunolstein, Rapperath, , , Neunkirchen, Schön• berg, , im Wolfer Waisenheim sowie in Brauereien und Mühlen des Landkreises klei• ne Elektrizitätswerke. Im Jahre 1912 war es dann im ganzen Landkreis Bernkastel soweit: Mit dem Elektrizitätsunternehmen Rheinische Schuckert-Gesellschaft, Mannheim, schloss der Kreis einen Vertrag ab über "den Bau der Leitungsnetze und der Transformatorenstatio• nen für die Elektrizitätsversorgung des Kreises Bernkastel, soweit die Ortschaften des Krei• ses den Bestimmungen dieses Vertrages sich unterwerfen".16 Nach dem Bericht über den "Stand der Arbeiten an der Elektrizitätsversorgung" standen bis Ende 1913 rund 145 Kilo• meter Leitungsstrecken fest. 17Die Gemeinde Lieser hatte wegen ihrer Elektrizitäts-

329 Eigenversorgung durch das Schorlemersche E-Werk keinen Vertrag abgeschlossen und be• hinderte die Arbeiten durch Untersagung der Benutzung ihrer Gemarkung für den Leitungs• bau.18 Masten wurden ab Oktober 1913 im ganzen Kreisgebiet aufgestellt. In Dhron konnte am 12. Februar 1914 "mit dem Spannen der Leitungsdrähte begonnen werden", wie der Ver• waltungsbericht für den Kreis Bernkaste1 im Jahr 1914 festhie1t. Vermerkt wird, dass die Aus• führung der Arbeiten durch schlechte Wegeverhä1tnisse und unwegbare Stellen, notwendige Felssprengungen für Mastlöcher und starken Wasserzufluss auf den Höhen, so dass die Lö• cher voll Wasser liefen und ausgepumpt werden mussten, sehr erschwert wurde. Die Leitungen zu den Ortschaften Niederemme1, Burgen, Ve1denz, Ande1, und Bernkastel sollten bis Mai 1914, die Leitungen nach Graach, Rachtig, , Lösnich und Wolf im Juli 1914 und die Leitungen in die Bürgermeisterbezirke Kempfe1d, Rhaunen und Teile von bis Oktober 1914 fertig gestellt sein.19 Die Baukolonnen, die die Strom• leitungen verlegten, waren gern gesehene Gäste in den Eife1-, Mosel- und Hunsrückdörfern. Wenn sie ihre Arbeit beendet hatten, was bedeutete, dass der Ort nun elektrifiziert war, feier• te die Dorfgemeinschaft mit ihnen gemeinsam ein "Lichtfest, bei dem es gutes Essen, Musik und Tanzgab".20 Die Strompreise im Kreis Bernkastellagen bei Lichtstromje nach Anzahl der Kilowattstun• den zwischen 30 pfund 45 Pf, für Kraftstrom zwischen 21 pfund 25 Pf. Hinzu kamen monat• liche Zählermieten je nach Lampenzah1 und bei Kraftanschluss je nach PS-Leistung zwi• schen 24 pfund zwei Mark. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges war kaum die Hälfte des Kreises ausgebaut. Personal• und Materialmangel zwangen um 1916/17 vorübergehend zur vollständigen Einstellung der Bauarbeiten. Seit den Jahren 1922/23 war dann aber der größte Teil der Gemeinden des Krei• ses Bernkastel an die Überlandversorgung angeschlossen, auch die Ortschaften, die vorher schon über ein privates Stromnetz verfügten.21 Wegen hoher Ausbaukosten waren die Orte Deuselbach, Burtscheid, Papiermühle, Hirzlay, Thalve1denz, und Annenberg zum Teil noch nicht oder nur unzureichend versorgt. 22 Die Stromleitungen befanden sich im Eigentum des Kreises Bernkastel. Er verpachtete sie später an die Licht- und Kraftwerke der MoselkreiseAG (Likra) zur Nutzung. Die Likra hat• te ihren Hauptsitz in Bernkastel-Kues und versorgte auch Gebiete des Kreises Zell mit Elek• trizität. Nach dem Verzeichnis der deutschen Elektrizitätswerke aus dem Jahre 1925 betrie• ben an der Mosel nur noch die Orte und Zeltingen ein eigenes E-Werk.231926 über• nahm das RWE die Licht- und Kraftwerke der Moselkreise und alle Stromeinrichtungen des Kreises Bernkastel. Für die nächsten zwei Jahre versorgten die einheimischen E-Werke der RWE die gesamte Trierer Region. 1928 errichtete das RWE eine neue Stromfernleitung von Koblenz an die Saar mit zunächst 110000 Volt. Dazu wurde in Bengel eine Umspannanlage errichtet, die die Kreise Wirtlich, Bernkastel, Zell und Cochem permanent mit Strom ver• sorgte. Ab diesem Zeitpunkt war die regionale Stromversorgung nicht mehr an die örtlichen, von der Wasserkraft abhängigen E-Werke gebunden.24 ElektrifIzierung des Kreises Wittlich Die Stadt Wittlich Die Kreisstadt Wirtlich ging 1898/99 einen eigenen Weg, um an die Segnung der Elektrizität zu kommen. Sie beauftragte einen Ingenieur namens Löwenberg aus Trier mit dem Bau ei• nes Elektrizitätswerks an der Lieser, das Mitte 1899 seinen Betrieb aufnahm, allerdings man• gelhaft arbeitete, wie es im Wittlicher Verwaltungsbericht von 1903 zu lesen ist. Um eine bessere Stromversorgung zu gewährleisten, übernahm die Stadt das Elektrizitätswerk be-

330 reits im Jahre 1901, erwarb dazu noch das fIrmeneigene E-Werk der Wittlicher Fabrik Mer• rem & Knötgen und sicherte sich damit das Strommonopol für den Stadtbereich. Im Jahre 1907 arbeitete ein mit 150 kW Leistung ausgestattetes städtisches E-Werk für die Wittlicher Einwohnerschaft. Sein Ende wurde:fünf Jahre später beschlossen, denn 1912 schloss Witt• lieh einen Stromlieferungsvertrag mit der Stadt Trier ab, dem die Stilllegung des E-Werks auf dem Fuß folgte.25 Elektrifizierung der Ei/eI im Kreis Wittlich Die Stadt Trier betrieb nicht nur seit 1902 ein Kohlekraftwerk26, sondern hatte auch 1909 ein Wasserkraftwerk an der Kyll bei Ehrang erworben und im Dhrontal bei die Dhrontalsperre mit dem Dhronkraftwerk bei Leiwen 1911-1913 errichten lassen. Diese drei E-Werke der Stadt versorgten unter der Bezeichnung EleJ.:trizitätswerke und Straßenbahnen Trier von 1912 bis nach dem Ersten Weltkrieg den Kreis Wittlich über ein Erdkabel mit Strom. Die laufende Zunahme der Stromkunden ließ den Stromlieferanten in den zwanziger Jahren allerdings bereits an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit stoßen. 1912 schloss der Kreis Wittlich mit der Stadt Trier wegen Versorgung des Kreises mit elektri• scher Energie einen Vertrag ab." Er sah vor - im Gegensatz zu Vereinbarungen mit Nachbar• kreisen -, dass das Trierische Elektrizitätswerk alle Versorgungsanlagen auf eigene Kosten errichtete und den Strom zu den gleichen Bedingungen wie in der Stadt Trier abgab. Die Stadt Wittlich und einige wenige Gemeinden, die bereits eine eigene Stromversorgung besa• ßen, waren von dem Vertrag ausgenommen. Genannt werden neben der bereits oben erwähn• ten Brucher Mühle und Eisenschmitt, das von der Molitors Mühle mit Strom versorgt wurde, Platten mit einem Stromhersteller namens Edringer, Schloss , Niedermander• scheid und das Hofgut mit eigenen Elektrizitätswerken. Durch Überlandleitungen der Trierer Elektrizitätswerke, die unentgeltlich aufkreiseigenen Wegen, Brücken und Plät• zen errichtet werden durften, sollten alle Gemeinden des Kreises Wittlich elektrifIziert wer• den. Es war vorgesehen, bis zum 1. Dezember 1913 folgende Ortsnetze in Betrieb zu neh• men: Hetzerath, Sehlem, Salrnrohr, Dörbach, mit Büscheid, Hof Haardt und Kirch- hof, Wengerohr, Bombogen mit Berlingen und Belingen, Weiherhofund Scheuerhof, Neuerburg, Dorf, , Olkenbach, mit Hetzhof und Engels• berg, Bengel mit Springiersbach, Reil, Ür• zig, Kinheim mit Kindei, Kröv mit Köve• nig, Lüxem, Flußbach, Greimerath, Has• born, Nieder- und Oberöffiingen, Lau-feld, , Manderscheid, mit Ferres, , Monzel und Osann. Bis 1. Dezember 1914 sollten folgen: Erlen• bach mit Wilmshofund Kalbergerhof, Rive• nich, Esch, Klausen mit Krames und Pohl• bach, , , , Heid• weiler, Greverath, , Aremath, , Spang mit Dahlem, Gransdorf mit Eulendorferhof, Oberkail, Niederkail, , Burg, , Großlitt• gen, Karl, , Bahnhof Mander• Verlegung der ersten Strom leitung in Eisenschmitt 1895 scheid- Pantenburg, Buchholz und . Zur Bedingung wurde allerdings gemacht, dass die Gemeinden eine jährliche Bruttoeinnah• me in Höhe von drei Mark auf den Kopf der Bevölkerung für die Dauer von fünf Jahren ga• rantierten. Im Kreis Wittlich galt seit der Stromversorgung durch das Trierer Elektrizitätswerk der "vor• teilhafte Pauschaltarif, [...] für einen Jahresbeitrag von 21,60 Mark jeweils drei 16kerzige Lampen an beliebiger Stelle gleichzeitig" brennen zu lassen.2' Ansonsten betrug der Grund• preis für die Kilowattstunde Licht 45 pfund für Kraftstrom zwischen 20 pfund 26 Pf. Auf Wunsch gab es verschiedene Tarife für Tages- und Nachtstunden. Die Kreisverwaltung Wittlich berichtete 1913, dass die Überlandversorgung in einzelnen Orten im Südwesten des Kreises in Betrieb sei. "In den meisten Ortschaften fmdet das Unter• nehmen eine sehr günstige Aufnahme und von vornherein über Erwarten viele Hausan• schlüsse.,,29 Eine Akte mit dem Titel "Überteuerung der Überlandzentrale" gibt allerdings preis, dass im Jahre 1919 noch der Bau der Leitungen Steinborn-Seinsfeld, Steinborn• Oberkail, Dierscheid-Dodenburg-HeckenmÜllster, Greverath-Gladbach, Dreis-Salmrohr, Landscheid -Bergweiler, Großlittgen- -- -Minderli ttgen- , Wall scheid- Laufeid, Oberscheidweiler -, -Wispelt -Krinkhof und die Abzweigungen von der Überlandleitung nach Aremath, Niersbach und

durch das E-Werk Trier ausstand. 30 Seit Beginn des Ersten Weltkrieges hatte sich vielerorts der Ausbau der Stromnetze aus Material- und Personalmangel verzögert.

Die Elektrizitätsversorgung durch das RWE bis zur Gegenwart Ein Strommonopolist formiert sich Anfang des 20. Jahrhunderts Nach dem Ersten Weltkrieg lieferten sich die regionalen E-Werke und das Rheinisch• Westjälische-Elektrizitätswerk(RWE), das seit dem Jahre 1898 bestand, einen scharfen Kon• kurrenzkampf. Das RWE hatte mit einem Kraftwerk in Essen begonnen. Bereits 1905 ver• kaufte es in Rheinland- Westfalen seinen Strom zum niedrigeren Preis als alle anderen An-

332 bieter.'l Die Aktien dieser großen neuen ElektrizitätsfIrma übernahmen die Großindustriel• len Hugo Stinnes und August Thyssen 1902. Sie beteiligten Kommunen an dem Aktienkapi• tal der RWE und hoben damit eine neue Form des gemischten kommunal-wirtschaftlichen Unternehmens aus der Taufe. Das RWE expandierte zum Stromriesen, der die regionalen Überlandversorgungen auch in der Eifel, im Hunsrück und an der Mosel während der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts durch Aufkäufe schluckte.32 Gleichzeitig wurde das Konzept des gemischten Aufsichtsrates aus Unternehmens führung und anteilseigenen Kommunen (Bürgermeister und Landräte als deren Vertreter) konsequent verfolgt. Seit 1910 gehörte den Kommunen die Mehrheit der Aufsichtsratssitze. Bis zum Kriegsausbruch 1914 hatte das RWE "unter den 4 000 Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Kaiserreich mit beträchtli• chem Vorsprung die Spitzenposition eingenommen"". In den Kreisen Wittlich und Bernkastel musste der Strornleitungsbau während des Krieges fast völlig eingestellt werden, weil es an Material und Arbeitern fehlte. Wer schon vor Kriegsausbruch über Strom verfügte, lebte bald mit Stromeinschränkungen. Die Traben• Trarbacher Zeitung veröffentlichte am 23. November 1917 Vorschriften für den Stromver• brauch. Es durfte z. B. nur noch in Küche und Wohnzimmer abends eine Lampe brennen.34 Nach Kriegsende gab es weiterhin Engpässe in der Stromversorgung, denn dem Trierer Dampfkraftwerk fehlten die Steinkohlelieferungen aus dem Saarland. Es konnte folglich nicht in dem benötigten Maße Elektrizität erzeugen. Im Jahre 1919 gingen die Lichter in eini• gen südlichen Eifelgebieten und an der Mosel mehrmals aus.35 Auch während der Ruhrkrise und Inflationszeit konnten sich die Bewohner unserer Heimat nicht auf eine reibungslose Stromversorgung verlassen. Die Strompreise stiegen durch die Inflation ins Unermessliche. 1924 traf das RWE eine zukunftsträchtige Entscheidung. Eine große Nord-Süd-Leitung von Köln bis zum Vorarlberg (Bludenz) sollte gebaut werden, um die Wasserkraft der Alpen, die durch Kraftwerke bereits erschlossen war, für die Stromversorgung im Westen und Südwes• ten Deutschlands zu nutzen. Mit der Kapazität der Alpenwasserkraft wollte das RWE eine optimale Auslastung im Verbundsystem erreichen. In seiner Unternehmensgeschichte zum 1OO-jährigen Bestehen heißt es: "Die Nord-Süd-Leitung wurde zur Keimzelle des heutigen Stromverbundnetzes in Deutschland. ,,36 Am 17. April 1930 wurde zum ersten Mal Strom aus denAlpen in das Netz des RWE eingespeise' In der Südeifel und an der Mosel kam es in den 20er Jahren zu folgender Entwicklung: 1926/27 vereinbarte das RWE unter der Beteiligung der Kommunen an seinem Aktienkapi• tal Stromlieferungsverträge mit den Kreisen Bitburg, Cochem, Trier und Wittlich. Auch der Kreis Bernkastel, der 1928 mit dem RWE einen Konzessionsvertrag abgeschlossen hatte, wurde am Aktienkapital des RWE beteiligt.38 Dem Trierer Elektrizitätswerk war damit die Existenzgrundlage genommen, es hatte seine Abnehmer verloren, hätte allerdings auch den steigenden zukünftigen Strombedarf nicht abdecken können. Auch der Likra ging es nicht anders; seit 1928 arbeiteten ihre Kraftwerke für das RWE. Die Pionierzeiten des elektrischen Stroms waren vorbei. Die Stromkunden bekamen fortan zu genormten Konditionen und zu jeder Zeit ausreichend elektrischen Strom aus der Steckdose. Das ermöglichte das RWE durch die flächendeckende Errichtung eines Hochspannungsnetzes quer durch die Eifel. Eine 1928 begonnene Leitung Koblenz-Saar sollte in der Zukunft beim Bau der Moselelek• trizitätswerke Bedeutung erlangen. 39 Die Steckdose verändert Leben und Arbeit im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts Wie hatten sich mittlerweile Leben und Arbeit der Bevölkerung durch das Vorhandensein von Steckdosen überall in den Häusern, Ställen, Werkstätten und Betrieben gewandelt? Die

333 elektrische Kraft war zur Antriebsquelle vieler neuer Maschinen im Berufund alltäglichen Leben geworden. In der Landwirtschaft benutzten die Bauern Dreschmaschinen, Rüben• schneider, Häckselmaschinen, elektrische Sägen; im Handwerk kamen Hobelmaschinen rur Schreiner, Raspelmaschinen rur Schuster, elektrische Blasebälge rur Schmiede, elektrische Backöfen rur Bäcker, elektrische Haartrockner fiir Friseure, elektrische Wäschereien, elek• trische Keltern und Weinpumpen fiir Winzer und viele andere Maschinen zum leichteren Broterwerb teils schon seit der Jahrhundertwende, verstärkt ab dem ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts, zum Einsatz.4o Die Traben-Trarbacher Beleuchtungsgesellschaft betrieb seit 1912 eine Eisfabrik und belieferte Krankenhaus, Kurhaus, Metzger, Konditoren und Privatleute. 41 Elektrisch betriebene Herde, Kühlschränke, Bügeleisen, Heizgeräte und andere Annehm• lichkeiten aus der Steckdose fanden vor dem Zweiten Weltkrieg bzw. erst in der Nachkriegs• zeit ihren Einzug in den Haushalt. Die Traben- Trarbacher Beleuchtungsgesellschaft zählte in einer Verkaufsanzeige vom 11. Dezember 1910 gleich 20 Elektrogeräte rur den Haushalt auf, darunter elektrische Uhren, Ventilatoren, Bettwärmer, Christbaumbeleuchtungen, Brennscherenwärmer und Haartrockenapparate sowie Kaffeekessel und Inhalationsappara• te. 42 Firmenziel des Traben- Trarbacher E-Werkes war die Vermarktung seines Produktes, des elektrischen Stroms, bei den Haushalten seines Einzugsgebietes. Das gleiche Unterneh• mensziel verfolgte auch das RWE. Es wollte den zur Genüge vorhandenen Strom besonders an die Frau bringen. Der Industriemarkt war gesättigt, die industriellen Großabnehmer wa• ren mit Strom versorgt. Nun rückten die privaten Haushalte als potenzielle Stromabnehmer in das Zentrum der Unternehmenspolitik. Seit 1911 unterhielt das RWE eine Abteilung./Ur Werbung undAnwendungsberatung.43 Mitte der zwanziger Jahre gab diese eine Kundenzeit• schrift mit dem Titel Elektrisches heraus, die weite Verbreitung in den Haushalten fand. In den ländlichen Gegenden brachte ein Ausstellungsbus den Hausfrauen die Vorzüge elektri• scher Haushaltsgeräte - Waschmaschinen, elektrische Herde, Kühlschränke etc. - zur Kennt• nis. Den Hausfrauen wurden die neuenApparate mit dem Angebot von Ratenzahlungen und besonders günstigen Tarifen schmackhaft gemacht. Nach 1933 hielt das elektrische Medium Radio in Form des Volksempftingers, der aus politi• schen Zwecken zu erschwinglichen Preisen verkauft wurde, Einzug in viele deutsche Stu-

334 ben. 44 Radiosendungen hatten zwar schon im Jahre 1923 begonnen, aber den besetzten links• rheinischen Gebieten war es erst ab dem ersten Weihnachtstag 1925 erlaubt, sie zu hören. Die Radiogeräte waren bis 1933 jedoch so teuer, dass der größte Teil der Bevölkerung sie sich nicht leisten konnte. Eine Zeit lang war es darum üblich, sich in Wirtschaften, bei Pfar• rern oder Lehrern, die den Wert des neuen Geräts zur Information und Belehrung schnell erkannt hatten, zum gemeinsamen Radiohören zusammenzufinden:s Die Stromwirtschaft in der NS-Zeit Seit 1936 war die deutsche Wirtschaft von der Maxime beherrscht, innerhalb von vier Jahren kriegsfähig zu werden. Dazu hatte das deutsche Volk nach Hitlers Willen eine hundertpro• zentige Selbstversorgung auffast allen Gebieten zu erreichen. Gerade die Elektrizität sollte wieder über das ganze Land in kleineren Erzeugungseinheiten hergestellt werden; denn man war sich darüber klar, dass die damalige stark zentralisierte, aber immer noch privatwirt• schaftliche Stromversorgung im Kriegsfall durch nur wenige Angriffe lahm gelegt werden würde. Der Partei waren auch von Anfang an die mächtigen Stromriesen ein Dorn im Auge. Da die Rüstungsvorbereitungen allerdings immense Elektrizitätsmengen benötigten, die nur die großen Stromunternehmen liefern konnten, zog man es vor, nicht gravierend in die Un• ternehmen einzugreifen. Die wenigen Stromriesen stießen im Zuge der allgemeinen Kriegs• vorbereitungen indes allmählich an ihre Leistungs- und Liefergrenzen. Das RWE errechne• te, dass der Winter 1939/40 bereits Engpässe in der Stromversorgung bringen würde:6 Weder die Befürchtungen, schon zu K1iegsbeginn könnten die großen Kraftwerke bombar• diert werden, noch die Prognosen über mangelnde Stromerzeugung bewahrheiteten sich. Letztere wurden ab 1940 hinfällig, weil das RWE aus den besetzten Gebieten große Mengen elektrischen Stroms ins Reich holte. Die Leitungen zu den ausländischen Kraftwerken in Frankreich und den Bene1ux-Staaten waren schnell gebaut. Das RWE bediente sich dabei unter anderem auch der Arbeitskraft von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern:7 Norwe• gen mit seiner großen Wasserkraft sollte nach dem Willen Hitlers sogar als Elektritzitätszen• trale48 von ganz Nordeuropa ausgebaut werden. So war elektrischer Strom auch in unserer Region in den ersten Kriegsjahren ausreichend vorhanden. Nichtsdestotrotz geriet das Stromsparen während des Krieges zur allgemeinen Maxime und wurde mit großem Propa• gandaaufwand in das Bewusstsein der Bevölkerung eingehämmert. In der Traben• Trarbacher Zeitung wurde am 28. August 1944 über täglich zweistündige Stromsperren be• richtet. In der gleichen Zeitung verbot der Traben- Trarbacher Bürgermeister am 25. Septem• ber 1944 das Betreiben von Heizöfen, Heizkissen und Kühlschränken. Die Bombenangriffe auf Stromkraftwerke begannen ab Herbst 1943. Über ein Jahr später wurden wichtige Energiezentralen so stark beschädigt, dass im März 1945 die Lichter end• gültig ausgingen und es zum totalen Stromausfall im Versorgungsgebiet des RWE kam. Im Bereich unseres Landkreises brach die Stromversorgung teilweise schon 1944 zusammen; denn die 110 000- Volt-Anlagen in Bengel und Trier wurden durch Bombenabwurfund Be• schuss vollständig zerstört. Überlandleitungen, Transformatorenhäuschen und Stromkabel erlitten in den ersten Monaten des Jahres 1945 durch Kampfhandlungen, aber auch durch sich zurückziehende deutsche Soldaten, schwere Schäden.49 Das Dhrontalkraftwerk blieb in dieser Zeit der einzige Stromproduzent für den ganzen Trierer Raum und war damit völlig überlastet. so Die Nachkriegszeit Nach Kriegsende ging es mit der Stromversorgung relativ schnell bergauf. Das deutsche Stromnetz erlangte bald wieder seine volle Leistungsfähigkeit. Bereits in den Jahren

335 1946/47 lieferte das RWE 5,4 Milliarden kWh. Und in den Jahren 1948/49 erreichte der Stromverbrauch mit ca. 8,6 Milliarden kWh die höchste Abgabemenge der Kriegsjahre.51 Er stieg in der Nachkriegszeit immens an, weil immer mehr Elektrogeräte in Haushalt, Land• wirtschaft, Handwerk und Industrie zum Einsatz kamen. Im Kreis Bernkastel-Wittlich scheint es etwas länger gedauert zu haben, bis alle Lichter wieder brannten. Zwar war im Juni 1945 die Umspannanlage Bengel schon wieder instand gesetzt,52 aber nur die Lebens• mittel herstellenden Betriebe bekamen als erste Strom. Straßenbeleuchtungen dagegen brannten, wenn überhaupt, in den Orten nur dort, wo für den Verkehr wichtige Straßenkreu• zungen beleuchtet werden mussten. 1949 wurden die Wittlicher Straßen von 40 Glühbirnen wieder erhellt. Diese waren damals eine begehrte Schwarzmarktware.53 An die Amtsbürger• meister des Kreises Bernkastel erging noch am 20. Oktober 1948 ein Rundschreiben des Bernkasteler Landrats über eine von der französischen Militärregierung angeordnete Strom• bezugseinschränkung für den Winter 1948/49. Verboten wurde die Benutzung von Elektro• motoren zum Dreschen werktags zwischen 11.00 und 12.00 Uhr. 54 Die größten Schwierigkeiten der Stromerzeugung lagen nicht im Wiederaufbau, sondern in der Kohleknappheit der Nachkriegsjahre. Das RWE stand bis zum 31. März 1952 unter alli• ierter Kontrolle, doch nur eines seiner Kraftwerke befand sich auf der Liste der zu demontie• renden deutschen Unternehmen. So ging der Konzern relativ unbeschädigt aus dem Zweiten Weltkrieg hervor. Das ursprüngliche Unternehmenskonzept - Gebietsmonopol, Verbund• system, differenzierte Stromtarife - wurde bis in die Gegenwart beibehalten. 55 Im heutigen Kreis Bernkastel-Wittlich erfolgte die Erweiterung der 110 OOO-Volt-Fern• leitung auf 220 000 Volt. In Bernkastel, und Morbach wurden allein für den Kreis Bernkastel110 OOO-Volt-Umspannanlagen errichtet und das Hochspannungsnetz kontinu• ierlich ausgebaut. 56 Strom aus der Mosel- Bau von Moselkraftwerken Deutschland, Frankreich und Luxemburg beschlossen im Jahre 1956, die Mosel zu einer Großschifffahrtsstraße auszubauen. Dazu begann man 1959 mit dem Bau von 14 Staustufen. Drei davon liegen im heutigen Kreis Bernkastel- Wittlich. Es sind die Staustufen bei Enkirch, Zeltingen und Wintrich, die auch als Stromkraftwerke ausgebaut wurden. Zeltingen und Win• trich begannen 1964, das Kraftwerk Enkirch 1966 mit der Erzeugung von Strom aus Wasser• kraft. Heute befinden sie sich alle im Eigentum der Moselkraftwerke GmbH Andernach, die eine Tochtergesellschaft des RWE ist, und speisen den erzeugten Strom in die Leitungen des RWEein.57 Elektrizität aus neuer Quelle: Atomkraftwerke Mitte der 50er Jahre beschäftigten sich Wissenschaftler intensiv mit der Atomenergie. Sie priesen die neu entdeckte Energie als Segen bringende Zukunftstechnologie. Im RWE setz• ten sich die Kräfte durch, die für die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung waren. So wurde schon 1955 eine kerntechnische Abteilung innerhalb des RWE gebildet, die in Kahl 1961 das erste deutsche Kernkraftwerk mit 15 MW errichten ließ. Als zweites Atom• kraftwerk wurde in Gundremmingen an der Donau eine Anlage mit 250 MW, der damals größte Siedewasserreaktor der Welt, 1966 fertig gestellt. 58Weitere Atomkraftwerke folgten. Seit dem Ölschock Anfang der 70er Jahre drängte die Bundesregierung darauf, die Kern• energie als Alternative zu den fossilen Energieträgern auszubauen. Das RWE nahm 1975 Biblis in Betrieb, 1986 den Schnellen Brüter in Kalkar sowie das Kernkraftwerk Müllieim• Kärlich, das nur ganze 13 Monate Strom erzeugte, bevor es durch richterlichen Beschluss 1986 stillgelegt wurde. 59Allmählich hatte sich immer stärkerer Widerstand in großen Teilen

336 der Bevölkerung gegen die Nutzung der Atomkraft und gegen die Errichtung weiterer Atom• anlagen formiert. Der Super-Gau von Tschernobyl im Jahre 1986 bewirkte in der Bevölke• rung eine Ablehnung der Atomkraft, die gegenwärtig auch bei Unternehmensentscheidun• gen des RWE eine wichtige Rolle spielt. Im Mittelpunkt der Unternehmensplanung steht seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr die Kernkraft neben der Braunkohle. Heute nehmen die Beschäftigung mit Solaranlagen, Wärmepumpentechnik und Energiesparmaßnahmen, wie der Einsatz von Energiesparlampen etc., großen Raum in den Aktivitäten des RWE ein. Seit vielen Jahren fließt nun schon an jedem beliebigen Platz in unserem Landkreis zu jeder Zeit Strom des RWE in elektrische Geräte und lässt sie funktionieren. Dafür sorgt das seit vielen Jahrzehnten praktizierte Konzept des Stromriesen RWE, der Strom aus verschiedens• ten Energiequellen, wie den großen Braunkohlekraftwerken im Westen Deutschlands, ein• zelnen kleineren E-Werken - in unserer Region aus den Moselstaustufen - und gigantischen Wasserkraftwerken in den Alpen, aus Atomkraftwerken und großen Anlagen anderer euro• päischer Staaten, in einem eng verflochtenen internationalen Verbundsystem ausreichend für den Verbrauch vorrätig hält. Wie sieht die Zukunft in der Energiegewinnung aus? Unsere Kinder vielleicht noch nicht, sicherlich aber unsere Enkel werden Strom aus natürli• chen' immer vorhandenen Quellen beziehen: der Sonnenwärme und der Windkraft. Die neue Technologie befindet sich heute noch in den Kinderschuhen und wird in den nächsten Jahr• zehnten zur Massenherstellung und -verwendung ausreifen müssen. Die ersten Anlagen zur Nutzung der Sonnenenergie sind bereits im Landkreis Bernkastel• Wittlich montiert: Auf dem Mont Royal über Traben- Trarbach errichtete das RWE im Jahre 1998 eine regenerative Stromanlage mittels Sonnenenergie, die bei einer jährlichen Strom• erzeugung von 24 000 Kilowattstunden rund 140 Haushalte mit Strom beliefern kann, der jedoch zu einem höheren Preis bezahlt werden muss, da dies die teuerste der derzeit alterna• tiven Stromerzeugungsanlagen ist:o Eine weitere Anlage befmdet sich seit Februar 1998 in Salmta1.61In Niersbach besteht eine Gruppe, die sich mit dem Selbstbau von Sonnenkollek• toren zur Stromeinsparung bei der Warmwasserbereitung für private Nutzung beschäftigt.62 Ein kleines kombiniertes Wind-Solarkraftwerk wurde 1995 in Deuselbach in Betrieb ge• nommen, das die dortige Umweltrnessstelle mit Strom versorgt. Große Windräder drehen sich seit Mai 1996 in Heidenburg. Hier wurde die erste Windkraftanlage des Landkreises Bernkastel- Wittlich von privater Hand errichtet, die jährlich 400 000 Kilowatt Strom er• zeugt und ihn gegen Vergütung in das Netz des RWE einspeist.63 Im Februar 1999 ließen die gleichen Betreiber im Hunsrück bei eine weitere Windkraftanlage mit einer Leis• tung von 1,5 Mio. Kilowattstunden pro Jahr errichten, die 500 Haushalte mit Strom versor• gen kann. 64 Fast alle Fortschritte des 20. Jahrhunderts in sämtlichen Lebensbereichen sind durch die Ver• fügbarkeit des elektrischen Stromes erst möglich geworden. Im Laufe der letzten 100 Jahre wurde er durch die Kraft des Wassers, durch Gas- und Kohlekraftwerke und in der jüngsten Vergangenheit auch durch Atomkraftwerke erzeugt. Den Energieformen Solar- und Wind• strom wird vielleicht einmal die Zukunft gehören; denn diese Energieressourcen, deren Nut• zung keine Ausbeutung wertvoller Primärrohstoffe und keine Gefahr für Gesundheit und Leben der Menschen darstellt, werden - im Gegensatz zu den heute noch wichtigsten fossi• len Energieträgern Kohle, Öl und Gas - immer vorhanden sein, solange die Erde sich dreht.

337