Protokoll-Nr. 18/49

18. Wahlperiode Ausschuss für Ernährung und Landwirt- schaft

Wortprotokoll der 49. Sitzung

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Berlin, den 17. Februar 2016, 08:00 Uhr Berlin, Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, Adele-Schreiber-Krieger-Straße 1 Sitzungssaal 3.101

Vorsitz: , MdB

Tagesordnung - Öffentliche Anhörung

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung Federführend: der Richtlinie über Tabakerzeugnisse Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und verwandte Erzeugnisse Mitberatend: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz BT-Drucksache 18/7218 Ausschuss für Wirtschaft und Energie Ausschuss für Gesundheit Gutachtlich: Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung Berichterstatter/in: Abg. Kordula Kovac [CDU/CSU] Abg. [SPD] Abg. [DIE LINKE.] Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]

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Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft

Liste der Sachverständigen Öffentliche Anhörung am Mittwoch, dem 17. Februar 2016, ab 8:00 Uhr, im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MELH), Saal 3.101

Stand: 27. Januar 2016

Interessenvertreter und Institutionen:

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (DHS)

Dr. Raphael Gaßmann Westenwall 4 59065 Hamm

Verband der Rauchtabakindustrie e.V. (VdR)

Hauptgeschäftsführer Michael von Foerster Jägerstraße 51 10117 Berlin

18. Wahlperiode Protokoll der 49. Sitzung Seite 2 von 34 vom 17. Februar 2016

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Einzelsachverständige:

Dr. Martina Pötschke-Langer

Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg

Dr. Tobias Effertz

Universität Hamburg Institut für Recht und Wirtschaft Max-Brauer-Allee 60 22765 Hamburg

Prof. Dr. Lutz Engisch

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) Karl-Liebknecht-Str. 132 04277 Leipzig

Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer

Bereichsleiter Pharmakologie & Toxikologie Institut für Pharmazeutische Wissenschaften Karl-Franzens-Universität Graz Humboldtstraße 46 A-8010 Graz Österreich

18. Wahlperiode Protokoll der 49. Sitzung Seite 3 von 34 vom 17. Februar 2016

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Fragen an die Sachverständigen Öffentliche Anhörung am Mittwoch, dem 17. Februar 2016, ab 8:00 Uhr, im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus (MELH), Saal 3.101

1. Ist mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (Bundestagsdrucksache 18/7218) und dem Entwurf einer Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (Bundesratsdrucksache 17/16) eine 1:1-Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie der Europäischen Union (EU) gewährleistet?

2. Thema Schockbilder und Warnhinweise auf Zigarettenschachteln: Ist es nach dem Vorliegen der Vorgaben der EU nicht möglich, sich als Hersteller auf eine 1:1-Umsetzung der EU-Vorgaben technisch einzustellen, wenn es doch rechtlich laut dem Bundes- ministerium für Ernährung und Landwirtschaft keinen nationalen Spielraum bei der Umsetzung gibt?

3. Die Tabakindustrie betont, dass sie zur Umstellung der Druckwalzen deutlich mehr Zeit benötigt, als ihr noch bis zum 20. Mai 2016 bleibt. Welche Möglichkeiten stehen dem deutschen Gesetzgeber zur Verfügung, um die wegen der technischen Probleme bei der Umstellung der Druckwalzen notwendigen Übergangs- fristen zu verlängern?

4. Wäre es im Sinne der Gleichbehandlung auf dem Markt nicht sinnvoller, Zulassungs- kriterien (Akkreditierung gemäß ISO EN 17025) für Messlabore mit Anerkennungs- klausel für gleichwertige Akkreditierungen für Labore außerhalb Deutschlands in die Tabakerzeugnisverordnung aufzunehmen?

5. Erstmals werden mit dem Gesetz über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse (Tabakerzeugnisgesetz - TabakerzG) auch E-Zigaretten und Nachfüllbehälter geregelt. Das Gesetz enthält Vorschriften zu Inhaltsstoffen, Produktsicherheit, Verpackungs- gestaltung und Handlungspflichten der Hersteller, Importeure und Händler nach Inverkehrbringen und Rückrufmanagement. Zudem werden Regelungen zu Werbever- boten vorgenommen, die der EU-Tabakwerberichtlinie und der Richtlinie über audio- visuelle Mediendienste entsprechen. Welchen Einfluss haben Werbung und Inhalts- und Zusatzstoffe (die ein charakte- ristisches Aroma haben, oder mit denen sich Geruch, Geschmack oder die Rauch- intensität verändern lassen) auf das Konsumverhalten insbesondere von Kindern und Jugendlichen?

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6. Welche bundespolitischen Maßnahmen sollten nach Ihrer Auffassung erfolgen, um die wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Gesundheitsgefahren des E-Zigarettenkonsums erheblich geringer sind als die des Tabakrauchens, für die Nikotinentwöhnung von Raucherinnen und Rauchern zu nutzen?

7. Wie beurteilen Sie die Kontrollierbarkeit des geplanten Verbots von gesundheits- schädlichen Aroma- und Zusatzstoffen in Tabakerzeugnissen und Liquids von E-Zigaretten nach Verabschiedung des Gesetzes?

8. Welche Maßnahmen haben sich Ihrer Meinung nach als effektiv bewährt, um Kinder und Jugendliche frühzeitig vom Tabakrauchen abzuhalten?

9. Welche Maßnahmen der Tabakprävention, mit dem Ziel, den Tabakkonsum in Deutschland zu reduzieren, sind über die bereits bestehenden Präventionsmaßnahmen aus Ihrer Sicht erforderlich?

10. Inwieweit würden Sie die Inhaltsstoffe (außer Nikotin) zur Herstellung von nikotin- haltigen und nikotinfreien Liquids für E-Zigaretten/E-Shishas im Sinne eines gesund- heitlichen Verbraucherschutzes regulieren?

11. Inwieweit besteht in Bezug auf nikotinhaltige und nikotinfreie E-Zigaretten/E-Shishas und „Passivdampfen“ eine Notwendigkeit zur Änderung des Gesetzes zur Einführung eines Rauchverbotes in Einrichtungen des Bundes und öffentlichen Verkehrsmitteln (Bundesnichtraucherschutzgesetz - BNichtrSchG)?

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Der Vorsitzende: Es ist noch früh am Morgen und Universität Hamburg, Institut für Recht und Wirt- der Andrang draußen ist groß, insbesondere gibt es schaft und Herrn Professor Dr. Bernhard-Mi- logistische Probleme bei der Einlasskontrolle. chael Mayer von der Karl-Franzens-Universität in Trotzdem, meine sehr verehrten Damen und Her- Graz, Institut für Pharmazeutische Wissenschaften. ren, möchte ich, auch weil es viele Folgetermine Daneben wurden von Verbänden bzw. weiteren In- gibt, die heutige öffentliche Anhörung zum Ent- stitutionen noch einige unaufgeforderte Stellung- wurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie nahmen - mit Stand 16. Februar 2016 waren es über Tabakerzeugnisse und verwandte Erzeugnisse neun - abgegeben, die ich meinem Stellvertreter hiermit eröffnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, und dem Kreis der Obleute elektronisch zugänglich meine sehr geehrten Damen und Herren, ich be- gemacht habe. Ich begrüße sehr herzlich zu meiner grüße Sie alle recht herzlich zu unserer öffentli- Rechten die Vertreterin der Bundesregierung, PStn chen Anhörung des Ausschusses für Ernährung Dr. (BMEL), und schließlich - und Landwirtschaft. Die Richtlinie 2014/40/EU des wenn auch zuletzt, aber mit besonderer Herzlich- Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Ap- keit - begrüße ich die vielen Zuschauerinnen und ril 2014 verpflichtet die Mitgliedstaaten der EU bis Zuschauer auf der Tribüne. Einige werden noch zu zum 20. Mai 2016 die erforderlichen Rechtsvor- uns stoßen. Wir freuen uns, dass Sie von dem An- schriften zu erlassen, um diese EU-Richtlinie um- gebot, das wir unterbreiten, so regen Gebrauch ma- zusetzen. Dazu hat die Bundesregierung den Ge- chen. Es gibt ein paar Regeln, die ich Ihnen noch setzentwurf mit der Drucksache 18/7218 vorgelegt, vortragen muss: Bitte stellen Sie Ihr Mobiltelefon der dem Ausschuss zur federführenden Beratung auf „lautlos“, machen Sie keine Fotos, sehen Sie vom Deutschen überwiesen wurde. Die auch von Beifalls- und Missfallensbekundungen ab, sog. Tabakproduktrichtlinie, meine sehr geehrten um unseren Sitzungsverlauf nicht zu stören. Ich Damen und Herren, bewegt viele Gemüter. Sie er- danke für das Verständnis. Für die Erstellung des zeugt wie üblich unterschiedliche Meinungen, Inte- Protokolls wird eine sog. digitale Tonaufzeichnung ressen; es gibt auch viele Emotionen. Deshalb gefertigt. Ich bitte Sie deshalb, die Mikrofone zu be- möchten wir heute mit den von den Fraktionen be- nutzen und am Ende der Redebeiträge wieder abzu- nannten Sachverständigen über deren Einschät- schalten, damit es nicht zu Störungen bei der Ton- zung des Gesetzentwurfes sprechen, um uns - als anlage kommt. Ich weise darauf hin, dass die An- die zuständigen verantwortlichen Abgeordneten - hörung im sog. Livestream auf der Homepage des ein vertiefendes Bild verschaffen zu können. Ich Deutschen Bundestages angeschaut werden kann. darf deshalb zunächst diejenigen herzlich willkom- Kurz noch zum Verfahren, dann können wir auch men heißen, die als Sachverständige sowie als Ein- gleich starten: Wir haben vereinbart, dass wir un- zelsachverständige für die Anhörung eingeladen mittelbar nach meiner Begrüßung in die Befragung worden sind. Ich danke Ihnen, dass Sie für unsere der Sachverständigen durch die Abgeordneten ein- Fragen persönlich zur Verfügung stehen und dass steigen. Es sind zwei Fragerunden vorgesehen. Für Sie uns auch die schriftlichen Stellungnahmen die erste ist insgesamt eine Stunde vereinbart. Ich rechtzeitig zur Verfügung gestellt haben. Diese lie- bitte für die Verteilung der Rede- und Antwortzeit gen als Ausschussdrucksachen 18(10)364-A bis die einzelnen Fraktionen zu beachten, dass auf die 18(10)364-F vor. Als Sachverständige von Verbän- CDU/CSU 25 Minuten entfallen, auf die SPD 15 Mi- den und Institutionen begrüße ich deshalb sehr nuten und je zehn Minuten für die Fraktionen herzlich: von der Hauptstelle für Suchtfragen e.V. DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Für (DHS) die stellvertretende Geschäftsführerin, Frau die zweite Fragerunde stehen 30 Minuten zur Ver- Gabriele Bartsch, herzlich willkommen; vom Ver- fügung und somit halbiert sich die jeweilige Rede- band der Rauchtabakindustrie e.V. (VdR) den zeit ganz einfach. Dies sind jeweils die Zeiten für Hauptgeschäftsführer Michael von Foerster. Als Frage und Antwort, das bitte ich auch zu beachten. Einzelsachverständige begrüße ich Frau Dr. Mar- Wir werden ebenfalls die Uhr mitlaufen lassen. Die tina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsfor- Fragesteller bitte ich unbedingt - wie üblich -, die schungszentrum, Herrn Professor Dr. Lutz Engisch Namen des/der befragten Sachverständigen zu nen- von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und nen, an die sie die Fragen richten. Anschließend Kultur in Leipzig, Herrn Dr. Tobias Effertz von der werden die Sachverständigen von mir das Wort er-

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teilt bekommen. Wenn kein Widerspruch zu erken- zwei Sachen zu berücksichtigen. Das eine ist die nen ist, dies scheint der Fall, erteile ich einer Ver- drucktechnische Umsetzung, das andere ist die ver- treterin aus der CDU/CSU das Wort. Wir beginnen packungstechnische Umsetzung. Bei der drucktech- mit der Kollegin Kovac, bitte schön. nischen Umsetzung ist es so, (wenn Sie sich das anschauen,) ist es natürlich kein technisches Prob- Abg. Kordula Kovac (CDU/CSU): Guten Morgen, lem diese durchzuführen. Allerdings gibt es hier meine Damen und Herren, ich möchte mich erst das Problem, dass viele Einzelverpackungen, die einmal dafür entschuldigen, dass ich die Sachver- einzelnen Designs angepasst werden müssen. Und ständigen nicht so gut sehen kann, weil die Stühle in der Studie, die ich zusammen mit meinem Kol- zwischen uns sind mit den Rückenlehnen; das ist legen erstellt habe, haben wir ganz klar herausgear- nicht meine Schuld, sorry. Vielen Dank erstmal beitet, dass es einen bottle neck (Flaschenhals) gibt vorab an alle Sachverständigen für die zur Verfü- in dem Bereich, den wir Technische Repro nennen. gung gestellten Stellungnahmen. Mit großem Inte- Diese Technische Repro ist im Endeffekt der Be- resse habe ich Ihre Ausführungen studiert, aber ich reich, wo Sie wirklich alle letztendlich für das Dru- habe auch noch einige Rückfragen an Sie. Sehr ge- cken zur Verfügung stehenden Daten, in der ent- ehrter Herr Professor Engisch, sehr geehrter Herr sprechenden Auflösung, brauchen. Da nutzt es von Foerster, in beiden Ihrer Stellungnahmen kom- Ihnen also nichts, wenn Sie irgendwelche Vorarbei- men Sie zu dem Schluss, dass eine technische Um- ten leisten und dann diese z. B. einfügen. Sie müs- stellung innerhalb der vorgesehenen Frist nicht sen sich vorstellen, dass die meisten Verpackungen möglich ist. Umsetzung und Produktionsumstel- mit bis zu zehn Druckzylindern hergestellt werden. lungsfrist fallen in der Tabakproduktrichtlinie zu- Das heißt, Sie brauchen zehn Zylinder, die Sie sammen. Zu Recht merken Sie an, dass eine reale exakt Mikrometer genau gravieren müssen. Damit Umsetzung erst nach Bekanntgabe aller Details haben Sie das Problem, dass Sie wirklich erst nach möglich ist. Die notwendigen EU-Durchführungs- Vorliegen aller Daten diesen ganzen Prozess anfan- rechtsakten lagen im November 2015 vor. Sie selbst gen können. Der zweite Aspekt ist, wenn Sie sich sagen, dass es keine Marktverzerrung geben darf. in die Vielfalt der Verpackungsdesigns hineinarbei- Wie nehmen Sie zu der Position anderer Marktteil- ten, werden Sie sehen, dass es eine große Anzahl nehmer Stellung, die behaupten, dass Übergangs- an ganz verschiedenen Verpackungen gibt. Jeder fristen bzw. längere Abverkaufsfristen Wettbe- von uns hat den sog. hard pack (Hartpackung), also werbsverzerrungen darstellen, die diejenigen be- die Zigarettenschachtel im Blick. Es gibt aber ganz nachteiligen, die sich bemühen, die rechtlichen viele andere. Es gibt die soft packs, es gibt die Beu- Vorgaben zum Stichtag fristgerecht zu erfüllen? tel, es gibt die Wickelpouches. All diese Verpa- Und darüber hinaus, wie erklären Sie sich die wi- ckungen müssen aufgrund der Änderung angefasst dersprüchlichen Aussagen der Industrie, wonach werden; also die (Verpackungs-)Konstruktion muss eine Umstellung aufgrund des mangelnden natio- angefasst werden. Das führt dazu, dass Sie nicht nalen Spielraums auf Basis der vorliegenden Rege- nur einen anderen Zuschnitt haben, sondern Sie lungsentwürfe doch möglich ist, da sehr wohl ein müssen teilweise die gesamten Verpackungsanla- gewisses Maß an Rechtssicherheit für ihre ände- gen umbauen. Wir wissen natürlich, dass es in der rungsbedingten Umstellungsvorkehrungen vorgele- Branche einen oder mehrere Spieler gibt, die das gen hat? vermutlich schon etwas anders angegangen haben. Aber man muss ganz klar sagen - konkret ist es ver- Der Vorsitzende: Vielen Dank. Herr Professor En- mutlich der größte am deutschen Markt. Er hat na- gisch, Sie waren angesprochen. türlich auch eine gewisse Marktmacht, das durch- zusetzen -, weil wir haben auch das Problem, dass Prof. Dr. Lutz Engisch: Guten Morgen, vielen Dank die Zulieferindustrie, die also diese Druckzylinder für die Frage. Ich kann mich aufgrund meiner tech- herstellt, die diese Verpackungsmaschinen her- nischen Expertise nur zu technischen Aspekten stellt, eine sehr kleine Industrie ist - mit sehr be- äußern. Ganz klar - und das ist das, was ich auch in grenzten Kapazitäten. Da wird natürlich der Größte, dem Statement herausgearbeitet habe -, ist es der vielleicht auch Potenteste, schneller bedient als die Fall, dass wenn Sie sich anschauen, wie eine Ver- vielen Mittelständler, die wir z. B. auch in der Stu- packung entsteht, dann haben Sie im Endeffekt die kennengelernt haben. Die alle willens waren,

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etwas zu machen, aber trotzdem das Problem ha- zwischen Deckel und Verbindung zur Dose setzen. ben, dass sie einfach an die Wand gedrückt wer- Heute müssen Sie aufgrund der Bildwarnhinweise den. Die Studie, von denen ja die Zahlen existieren und der weiteren Informationen darauf die exakte und die Sie vielleicht alle kennen, hat klar gezeigt, Positionierung für die Dose und das Steuerzeichen dass es eine Best Case-Analyse war. Das heißt, wir finden. Das heißt, Sie müssen den ganzen Produkti- distanzieren uns davon, dass wir sagen, das ist de- onsprozess innerhalb dieser Produktionen neu defi- finitiv der Umsetzungszeitraum. Er wird vermut- nieren und brauchen dazu neue Maschinen. Das lich noch viel, viel länger sein als das, was wir Thema ist, wir können diese Maschinen nicht bei prognostiziert haben. Aber wir glauben nicht, dass Amazon online bestellen. Das ist jedes Mal ein ein- das für die gesamte Industrie funktionieren wird. zelnes selbstgefertigtes Produkt. Und wenn ich Es wird für einzelne Player funktionieren - ganz nochmal darauf zurückkomme, allein diese klar, wer zuerst kommt oder wer vielleicht das als 50 Pouches kommen von dieser Firma mit insge- erster am Markt macht, kann das natürlich machen. samt 120 Mitarbeitern, sie hat einen Graphiker. Aber alle anderen Unternehmen stehen dann hin- Und wenn Sie diesen Graphiker mit diesen ten an. Sie haben das Problem, dass es ein Sonder- 50 Pouches beschäftigen, dann heißt das, insgesamt maschinenbau ist; sie haben das Problem, dass es pro Produkt 55 Graphiker-Stunden. Das sind über ein sehr spezialisiertes System ist und sie brauchen 2 370 Stunden, das macht insgesamt 550 Arbeits- alleine schon für die Druckformherstellung die tage nur allein für diese Pouches. Und im Pfeifenta- Druckdaten in einer entsprechenden Auflösung, bak hat diese Firma ungefähr 462 Verpackungen, die sie dann wirklich verwenden wollen. Es hilft das heißt noch mal um die 400 Arbeitstage. Da sind Ihnen da nichts, wenn Sie da irgendwelche Bild- die Graphiker-Stunden etwas weniger, weil wir schirmkopien nehmen oder wenn Sie von irgend- dort ja keine Bildwarnhinweise haben, sondern ge- einer einer anderen Verpackung etwas abscannen nerell eine Veränderung der Warnhinweise 30 bzw. oder ähnliches. Und soweit mein Kenntnisstand 40 Prozent. Gerade der Mittelstand, Frau Kovac, ist, standen diese Daten erst im November 2015 wie Sie sagten, gerade der Mittelstand ist durch die endgültig im Daten-Format zur Verfügung. Danke. Fristenproblematik hier hart betroffen. Und das ist etwas, was mir auch heute wirklich am Herzen Der Vorsitzende: Vielen Dank Herr Professor. liegt. Ich möchte auch über die restlichen Themen eigentlich gar nicht wirklich ernsthaft und inhalt- Michael von Foerster (VdR): Ich würde gerne auch lich diskutieren, weil ich glaube, da sind wir alle noch kurz dazu Stellung nehmen ergänzend zu Pro- gemeinsam einen langen und harten Weg gegangen, fessor Engisch. Ich habe mir in der vergangenen haben uns auseinandergesetzt. Aber der Mittel- Woche nochmal verschiedene Firmen in der Pro- stand ist eindeutig durch diese Fristenproblematik duktion extra angeguckt, um mir das auch selber hart betroffen. Die einzelnen Firmen haben eine so nochmal vor Augen zu führen. Ich war bei einem hohe Produktvielfalt und wir pochen in Deutsch- mittelständischen Betrieb, der hat ungefähr land darauf, dass wir den Mittelstand hochhalten 120 Mitarbeiter und hat allein im Feinschnitt unge- wollen. Und wenn wir das wollen und die Produkt- fähr 50 verschiedene Verpackungen, die sich zwi- vielfalt weiterhin erhalten wollen, dann müssen schen 21 Pouches und 29 Dosen aufteilen. Das wir in diesem Gesetz – und ich bitte Sie darum und heißt, die Pouch verändert sich ja grundlegend. Das appelliere an Sie –, dass Sie einen Weg eröffnen, heißt, sie kriegt eine längere Flappe und die Innen- um diese Fristenproblematik tatsächlich zu öffnen. seite wird bedruckt; das ist neu. Die Dosen werden Und wenn es einen einzelnen Marktteilnehmer vom Deckel her bedruckt und vom Innendeckel her gibt, der sagt, der schafft das, dann ist das vielleicht bedruckt; das ist neu. Das heißt, Sie müssen diesen richtig. Aber ich bezweifle das heute noch, aber er Produktionsprozess graphisch anpassen und Sie ist global aufgestellt, er produziert weltweit. Aber brauchen für all diesen Produktionsprozess neue unser Mittelstand produziert hier in Berlin, der Maschinen. Und was bei den Dosen auch wichtig produziert irgendwo in Landshut, der produziert in ist und das ja generell ist: wir geben ja vor, dass das Bünde und sonst wo, aber die produzieren nicht im Steuerzeichen jeweils eine bestimmte Position hat. Ausland. Das heißt, die haben nur diese eine Das heißt, auch gerade bei der Dose war es bisher Chance hier zu produzieren und beliefern den gan- so, da war es egal, wo Sie das Steuerzeichen oben

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zen Markt. Die können nicht auf andere Produkti- noch mal an Professor Dr. Engisch gestellt. Wir be- onsstandorte ausweichen. Der Mittelstand ist hier kommen ja nun mit, dass das größte Problem die gefordert in einer Art und Weise, und wenn ich Fristen sind, wahrscheinlich. Ansonsten ja, wie Sie noch auf die Einlassungen der Kollegen rechts und sagen, haben wir uns eigentlich schon zusammen- links hier antworte, wir können nicht unbedingt gefunden und auch teilweise akzeptiert. Aber die immer nur vorproduzieren. Wenn die Firma, die Produktionsumstellung und die Umsetzung dieser ich gerade erwähnt habe, vorproduziert für drei Produktionsumstellung wird wahrscheinlich das Monate, dann muss sie die Tabaksteuer vorweg be- größte Problem sein. Ich habe noch mal die Nach- zahlen, das sind 4,5 Millionen Euro. Ein Unterneh- frage, wer hier besonders benachteiligt und bevor- men mit 120 Mitarbeitern, was eine Tabaksteuer teilt ist. Denn eigentlich wollen wir ja nicht in den vorweg mit 4,5 Millionen Euro bezahlen soll, das Markt eingreifen, in das Marktgeschehen. Aber kriegen Sie nicht als Mittelständler auf den Weg. wenn das natürlich mit dem Gesetz passiert, wäre Und zusätzlich zu der Vorproduktion muss man das eine Geschichte, die nicht so günstig wäre. dann ja auch dazu noch erwähnen, dass das insge- samt eine massive Kapitalbindung hat. Das kann Der Vorsitzende: Moment bitte, da müsste ich erst der Multiplayerr natürlich, der kann das. Aber die das Wort erteilen. Jetzt sind wir nicht ganz sicher, Frage ist: nehmen wir auf einen Multiplayer, auf wir haben so verstanden, dass die Frage an Herrn ein amerikanisches Unternehmen Rücksicht oder Professor Engisch ging. Auch an Herrn von Foers- stützen wir unseren Mittelstand? Das ist doch die ter? Damit haben Sie jetzt zunächst das Wort. Bitte. entscheidende Frage, auch hier bei dieser Fris- tenthematik. Und die Fristenthematik, das ist ein Michael von Foerster (VdR): Es werden im Grunde Konstruktionsfehler, der ganz weit vorne in 2014 genommen tatsächlich die Mittelständler benach- begonnen hat. In irgendeiner Form bitte ich Sie, teiligt, die insbesondere auch eine hohe Produkt- dass wir diesen Weg heilen, damit der Mittelstand vielfalt haben. Wir haben im Bereich der Rauchta- die Chance hat, ein prozessuales Thema zu lösen. bakindustrie insbesondere Unternehmen, die im Es geht nicht um den Inhalt. Wir sind bereit, alle Bereich Feinschnitt, Zigarre, Zigarillo, Pfeifentabak Auflagen zu erfüllen und wir sind bis hierhin wirk- unterwegs sind, sie haben eine hohe Produktviel- lich jeden Weg mitgegangen. Wir haben uns hart falt, sie haben unterschiedlich viele Verpackungen. auseinandergesetzt und wir haben auch alles nicht Sie haben im Vergleich, wenn wir über das eine bekommen usw. Aber es kann doch nicht sein, dass Unternehmen, was irgendwo hier im Raum steht, wir heute scheitern an einer Frist, wo Arbeits- sprechen, da haben Sie eine ganz geringe Produkt- plätze, Produktion und Kurzarbeit in Aussicht ste- vielfalt; Sie haben wenig Verpackungsarten. Allein hen. Kurzarbeit kostet Geld, das kostet den Staat deswegen haben Sie hier im Bereich der Produk- nachher Geld. Und wir führen unter Umständen tion und der Bestellung, wenn es um Maschinen damit den Niedergang einer Branche im Mittel- geht, wenig umzustellen. Und Sie haben natürlich stand herbei. Und ich sage Ihnen eines, die Firma, im Mittelstand immer nur einen Produktionsstand- die ich in Teilen besucht habe, die macht am ort in Deutschland. Die großen Multis haben auch 22. Mai 2016 zu, wenn wir keine Fristenänderung woanders ihre Produktionsstandorte. Das Entschei- haben. Herzlichen Dank. dende ist, man könnte uns jetzt auch entgegenhal- ten, ja es gibt natürlich auch noch andere größere Der Vorsitzende: Danke Herr von Foerster. Und Firmen. Aber all diese Firmen haben nicht gesagt, jetzt kommt die Kollegin Stauche. dass sie diese Frist nicht leisten können, sondern es besteht innerhalb Deutschlands innerhalb der Abg. Carola Stauche (CDU/CSU): Meine Damen Tabakfamilie auch eine Verknüpfung untereinan- und Herren, vielen Dank für Ihre Stellungnahmen, der. Das heißt, gerade der Mittelständler produziert die Sie uns alle haben zukommen lassen, und auch im Wesentlichen auch für Größere, das heißt die an die, die nicht gefragt worden sind, aber uns Einzelnen sind auch abhängig, dass der Mittelstand trotzdem die Stellungnahmen haben zukommen tatsächlich die Chance hat, eine Umstellung herbei- lassen. Ich danke Ihnen recht herzlich dafür. Herr zuführen. Und diese Umstellung hängt auch daran, von Foerster, Sie haben ja meine Frage fast schon das wird Herr Engisch sicher gleich bestätigen kön- beantwortet. Ich hätte aber die Frage auch gern nen, wir haben allein im Bereich der Pouch in

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Deutschland einen einzigen Pouch-Hersteller und diese Umstellungsphase die ersten gibt, die es ir- der muss mindestens fünf Unternehmen bedienen, gendwie schaffen. Und es wird immer Leute geben, aber auch er kann nicht überproduzieren. Er hat die es einfach nicht schaffen können, Unternehmen einfach einen Engpass, das heißt, er muss, und geben, die es nicht schaffen können, weil sie ein- wenn ich den mittelständischen Familienbetrieb fach die Zeit nicht haben, diese Umstellung zu sehe, an den ich gerade denke, der heute erst einen stemmen. Zeitrahmen vorgegeben bekommt, im August. Und wenn Sie dann umstellen, dann sind wir im Sep- Der Vorsitzende: Vielen Dank. Die nächste Frage tember/Oktober. Das heißt, Sie können in dem Zeit- kommt von der Kollegin Mortler. rahmen danach gar nicht mehr produzieren bzw. etwas in den Markt bringen. Abg. (CDU/CSU): Vielen Dank Herr Vorsitzender. Die Drogenbeauftragte der Bun- Der Vorsitzende: So, nun Herr Professor Engisch desregierung ist gleichzeitig Mitglied dieses Aus- bitte. schusses, Gott sei Dank. Ich denke, die heutige An- hörung darf sich nicht allein auf die Frage „Umstel- Prof. Dr. Lutz Engisch: Ich knüpfe an das, was ich lungsfrist hin oder her“ reduzieren. Bei alledem schon gesagt habe, an. Natürlich ist der Mittelstand geht aus meiner Sicht der Kern der Anhörung und derjenige, der es am meisten zu spüren bekommt. das Ziel der Umsetzung der Richtlinie verloren, Er hat auf der einen Seite das Problem, dass er teil- nämlich der Gesundheitsschutz der Bürgerinnen weise schon sehr alte Anlagen in seinem Produkti- und Bürger, damit auch die Gefahren des Rauchens onsstandort hat. Das heißt, er investiert komplett in per se zu reduzieren. Hier war immer die Rede von neue Anlagen. Das ist am Anfang vermutlich relativ Flexibilität, der Mittelstand schafft es nicht. Ich schwer vorzustellen, aber die Konstruktionsände- komme auch aus dem Mittelstand. Und ich kann rung der Verpackung führt dazu, dass sie de facto festhalten, dass der Mittelstand in der Regel flexib- neue Anlagen brauchen. Wenn Sie sich die Dosen ler ist, weil er Mittelstand ist - im Vergleich zu anschauen. Gerade das Aufbringen des Deckels ge- „großen Tankern“. Ich begrüße ausdrücklich das, nau zum Design der Dose selber. Klingt relativ was BM Christian Schmidt (BMEL) als Gesetz vor- harmlos, ist aber ein riesiger technischer Aufwand, gelegt hat. Ich begrüße ausdrücklich, dass wie Sie im Endeffekt in diesen schnelllaufenden BM Schmidt als deadline den 20. Mai 2016 ge- Verpackungsanlagen die Positionierung machen nannt hat, und ich sage explizit, dass es aus meiner wollen. Sie müssen Labels einbringen in diesen De- Sicht keinen Spielraum gibt, dieses Datum ckel; das ist eine Technologie, die bis jetzt über- 20. Mai 2016 zu verschieben. Zu meinen Fragen: haupt noch nicht wirklich entwickelt ist, dass man Also für mich ist es wichtig, dass der Kern der Bot- versucht, in einen Plastikspritzteil zwei Labels ein- schaft der heutigen Anhörung, nämlich Gesund- zubringen, eins für die Vorderseite und eins für die heitsschutz und wir sind hier der Ausschuss für ge- Rückseite. Es sind im Detail alles kleine - es klingt sundheitlichen Verbraucherschutz, nicht verloren relativ harmlos - Änderungen, aber es sind sehr geht. Eine Frage an Frau Dr. Pötschke-Langer und große massive Änderungen, die dazu führen, dass eine Frage an Sie, Frau Bartsch. Die Industrie wirbt es im Endeffekt auch nur vier Unternehmen gibt, ja für E-Zigaretten und E-Shishas vor allem mit die überhaupt als Zulieferer diesen Mittelständlern dem Argument, dass elektronische Zigaretten und dienen, die solche Anlagen überhaupt bauen kön- elektronische Shishas den Ausstieg aus dem Rau- nen. Das ist alles Spezialmaschinenbau, der nie in chen erleichtern. Gibt es wissenschaftliche Stu- Serie geht, das ist immer eine Einzelanfertigung, dien, die belegen, dass der Ausstieg aus dem Ta- die immer vor Ort aufgebaut werden muss. Und bakkonsum mit E-Zigaretten oder E-Shishas tat- auch da wird es die Frage sein mit begrenzten Ka- sächlich leichter gelingt als ohne? Und gibt es Stu- pazitäten: wer wird als erstes bedient? Das sind dien, die zeigen, welchen Einfluss E-Zigaretten und vermutlich die potenteren Marktteilnehmer und E-Shishas auf den Einstieg in den Tabakkonsum damit ist der Mittelständler immer relativ weit hin- haben? Dankeschön. ten dran. Er wartet einfach und das ist das eigentli- che Problem. Es wird sicherlich so sein, dass es in Der Vorsitzende: Vielen Dank. Zunächst Frau Dr. Pötschke-Langer.

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Dr. Martina Pötschke-Langer: Vielen Dank Herr Der Vorsitzende: Vielen Dank. Und Frau Bartsch Vorsitzender. Vielen Dank für die Frage, Frau Mort- war ebenfalls angesprochen. ler. In der Tat ist die Datenlage im Moment noch sehr dünn. Die vorgelegten Studien sind von gerin- Gabriele Bartsch (DHS): Ja, ich kann die Aussagen ger Qualität und sie können eine Wirksamkeit von von Frau Dr. Pötschke-Langer nur unterstützen und E-Zigaretten als Hilfsmittel in der Tabakentwöh- möchte aber noch etwas ergänzen, warum die DHS nung nicht beweisen. Das ist der Grundtenor, den auch bezweifelt, dass die E-Zigarette den Ausstieg wir bisher festgehalten haben, der sich aber ändern erleichtert. Es ist ja so, dass die Sucht nicht nur könnte – wir würden es uns durchaus wünschen – durch die Substanzen selbst ausgelöst wird, son- dass die E-Zigarette als Tabakentwöhnungsmittel dern sich im Gehirn ein komplizierter Prozess – so eingesetzt wird. Aber zum momentanen Zeitpunkt etwas wie ein Suchtgedächtnis – bildet. Das Sucht- können wir hierfür keine soliden Daten präsentie- gedächtnis wird durch Verhaltensweisen immer ren. Hinzuzufügen ist: Wir haben im Moment eine wieder bestärkt und dazu gehört z. B. das Inhalie- internationale Arbeitsgruppe gegründet, nicht von ren. Darin unterscheidet sich auch die E-Zigarette der WHO, sondern von einer anderen großen Orga- von anderen Nikotin-Präparaten, wie z. B. Nikotin- nisation. Und dort versuchen wir nochmal alle Da- pflaster. Dort wird genau dieser Prozess dieser Ge- ten, die zu dieser Fragestellung vorgelegt wurden, wöhnung, dass man eben zwischendurch immer in- zu „poolen“ (zusammenzufassen) und zu bewerten. haliert Nikotin, der wird da unterbrochen und ist Die endgültige Bewertung wird bis Ende des Jahres daher auch geeigneter als die E-Zigarette. Zum vorliegen, aber zum jetzigen Zeitpunkt können wir zweiten Punkt: wir sehen das auch so, dass die mit Gewissheit sagen - vor allem durch eine E-Zigarette eigentlich mit dazu beiträgt, das Image Cochrane-Studie im Hintergrund und noch eine des Rauchens aufrecht zu erhalten, dadurch auch weitere Neubewertung aus dem Jahr 2016: Die Be- die ja Gott sei Dank begonnene Denormalisierung lege für eine Tabakentwöhnung durch E-Zigaretten des Rauchens in Deutschland wieder stoppt, sozu- liegen im Moment noch nicht vor. Ich darf noch sagen Rauchen und Inhalieren von Dampf in hinzufügen: Alle diese Studien betreffen allerdings E-Zigaretten wieder normal wird und es denjeni- auch die E-Zigaretten alten Typs. Es könnte sich gen, die mit der E-Zigarette beginnen, auch erleich- vollständig ändern, wenn neue E-Zigaretten mit ef- tert, hinterher umzusteigen auf richtige Zigaretten. fizienteren Methoden der Nikotinabgabe möglicher- Das müsste allerdings durch Studien belegt wer- weise entwickelt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt den, aber die Befürchtungen, die werden genährt ist alles offen, sodass ich keine klare Antwort geben durch die Studien auch aus internationalen Stu- kann. Zweiter Teil der Frage: könnte es zu einem dien. Einstieg durch die E-Zigarette kommen in das Rau- chen? Auch hier sind die Daten eigentlich noch Der Vorsitzende: Vielen Dank Frau Bartsch. Jetzt sehr im Fluss und sehr vage. Es gibt erste Hinweise haben wir noch eineinhalb Minuten. Ich schlage darauf, dass dies möglich ist. Es ist so, dass gerade vor, dass wir die Zeit mit herüber nehmen in die in den jungen Altersgruppen - und wir haben hier zweite Runde, weil das für Frage und Antwort eigene Daten für Deutschland vorliegen – bei den kaum reichen würde. In Ordnung? Dann verfahren 12- bis 17-Jährigen (Daten von der Bundeszentrale wir so und notieren das. Wir starten gleich mit der für gesundheitliche Aufklärung - BZgA) ein hoher Frage des Kollegen Spiering von der SPD-Fraktion. Anteil an E-Zigaretten-Versuchern besteht. Das Bitte schön. sind nicht stabile E-Zigaretten-Dauerkonsumenten, aber Versucher. Und wir haben jetzt die allerneues- Abg. Rainer Spiering (SPD): Herr Vorsitzender, ten Daten aus dem Jahr 2016, die noch gar nicht sehr geehrte Damen und Herren, gut das wir heute publiziert sind, aber gerade von der GfK erhoben zusammengekommen sind. Ich möchte vorweg wurden. Und da sieht es so aus, dass unter den schicken, dass ich eine Grundausbildung als Werk- 16- bis 19-Jährigen ein absolut hoher Anteil von zeugmacher habe. Ich bin ausgebildeter Werkzeug- E-Zigarettenkonsum stattfindet, allerdings auch nur macher und habe eine grundsolide Ausbildung als Versuche. Ein Dauerkonsum ist relativ gering, liegt deutscher Ingenieur und ich bin in allen Produkti- auf der Gesamtbevölkerungsebene etwa bei onsstätten gewesen, die diese Frage der Zigaretten- einem Prozent in Deutschland. herstellung angeht. Noch eine Grundaussage: bei

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der Frage der Mittelständler kann man trefflich dar- dieses Spiel auf Zeit seitens der Zigarettenindustrie über diskutieren, was ein Mittelständler ist. Bei mir sicherlich stattgefunden hat. Das sollte man hier zu Hause wird ein 2 000 Mann-Betrieb durchaus entsprechend auch mit würdigen und auch sehen, als Mittelständler betrieben, und wenn ich mir JTI das sagte ja auch Herr Professor Engisch, dass es (Japan Tobacco International) angucke, dann ist das hier einige gibt, die das sicherlich auch besser um- mit 1 800 Mitarbeitern der größte Hersteller. Noch stellen können als andere. Dem sollte man hier eine Bemerkung: trotzdem dass das nur Mittel- auch Rechnung tragen. ständler sind, decken wir 65 Prozent des europäi- schen Marktes mit deutschen Zigaretten ab. Ich Der Vorsitzende: Vielen Dank Herr Dr. Effertz. Herr glaube, das ist industrielle Produktion. Das nur als Spiering hat auch die zweite Frage. Vorwegbemerkung. Dr. Effertz, die Frage der Über- gangsfristen ist hier diskutiert worden. Das Gesetz Abg. Rainer Spiering (SPD): Dann möchte ich mich greift zum 20. Mai 2016. Die Frage der Übergangs- an Herrn Professor Engisch wenden, aber ich kom- fristen wird ja mit Sicherheit unter dem Aspekt an- me gleich mit einer Nachfrage an Sie, Herr Dr. Ef- diskutiert, dass der deutsche Gesetzgeber eine län- fertz. Ich habe mir die Herstellung der Druckwal- gere Frist einräumt. Welche Auswirkung hätte die zen angeschaut. Ich glaube, ich bin auch im Bilde, deutsche Gesetzgebung, die nicht den 20. Mai 2016 wer in Deutschland die Druckwalzen herstellt. So- als Stichtag nehmen würde, sondern einen nachge- weit ich informiert bin, sind Ende November (2015) lagerten Zeitpunkt, auf die Rechtsordnung in die technischen Daten herausgegangen an alle be- Europa? Und welche Folgen wären zu erwarten, troffenen Unternehmungen. Zumindest die Firmen, wenn der deutsche Gesetzgeber andere Übergangs- die ich besichtigt habe, sind dazu in der Lage, das fristen einräumt? Das als erste Frage. technisch umzustellen. Wir haben den Fakt, dass einer der großen Player sagt, „wir schaffen das zum Der Vorsitzende: Herr Dr. Effertz, Sie haben das 20. Mai 2016“. Da komme ich gleich dann mit einer Wort. Querfrage zu Ihnen, Herr Dr. Effertz. Was passiert eigentlich, wenn einer der großen Player sagt „ich Dr. Tobias Effertz: Guten Morgen, vielen Dank. Die schaffe das“ und womöglich auch einen Klageweg Frage der Übergangsfristen kann ich leider nicht einreicht? Wenn jetzt aber, Herr Professor Engisch, abschließend mit der europarechtlichen Auswir- einer der großen Player sagt, „ich kriege das sicher kung beurteilen. Dazu fehlt mir leider die fachliche hin“ und wenn die Kapazitäten da sind und es Expertise. Zu der ganzen Geschichte mit den Über- kommt aus dem Raum, „wir schaffen auch mehr“, gangsfristen und dem Weg dahin möchte ich aber was wäre dann? Das wäre dann eine Frage an sie trotzdem kurze Anmerkungen machen. Es ist ja beide - unter dem Aspekt, der große Player deckt schon relativ lange klar, dass diese Regelung so zumindest die Hälfte des deutschen Marktes ab -, kommen wird. Sie haben gerade selber Ihre eigene wenn der sagt, „ich kann das“? Bei allen anderen Einschätzung zum Mittelstand und zu der industri- Herstellern geht es nicht so sehr um den deutschen, ellen Produktion, die, wie auch Ökonomen wissen, sondern um den europäischen Markt. Wir haben sehr kapitalintensiv ist, abgegeben. Es ist, auch die anderen Hersteller, was den europäischen wenn ich das nicht abschließend beurteilen kann, Markt angeht, durch die Gesetzgebung geschützt. wie lange so etwas dauert, das umzustellen, sicher- Ist dann eigentlich unter dem Aspekt, technisch ist lich in der Vergangenheit immer so gewesen, dass es sehr wohl möglich, rechtlich dann überhaupt es immer ein Spiel auf Zeit war, rechtliche Rege- noch zu halten, dass man da andere Übergangsfris- lungen, Tabakregulierungen von Seiten der Tabak- ten einbaut? industrie aufzuschieben. Denken Sie beispielsweise an das Werbeverbot in Internet und Publikation Der Vorsitzende: Vielen Dank Herr Kollege. Zu- 2006, was dann in Brüssel auch noch mal verhan- nächst Herr Professor Engisch. delt wurde und wo es ein Veto aus Deutschland gab. Das heißt, ob es faktisch objektiv unmöglich Prof Dr. Lutz Engisch: Ja also, ganz kurz nochmal. ist, die Anlagen umzustellen, das kann ich nicht Man muss immer natürlich unterscheiden; tech- beurteilen. Aber man sollte in jedem Fall – denke nisch ist es natürlich auf alle Fälle möglich. Wir ich mal – darauf achten, dass in der Vergangenheit

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haben weder im Gutachten, noch in der Stellung- vielen, vielen einzelnen Standorten. Also, es geht nahme anklingen lassen, dass es technisch nicht nicht um die technische Realisierbarkeit im Sinne möglich ist. Natürlich, eine Gravur von einem Zy- von „Ist es technisch machbar?“, sondern es geht linder ist eine Sache, die machbar ist. Das Entschei- hier einfach darum, ist es in dieser kurzen Zeit um- dende ist die schiere Anzahl an Zylindern, die für zusetzen Und das ist nur die drucktechnische Sei- alle auf einmal zu einem Stichtag hergestellt wer- te. Die verpackungstechnische Seite, und das ist den müssen. Und wenn Sie jetzt den einen großen das Problem, wenn man sich auch die einzelnen Player - wo wir im Endeffekt alle wissen, wer es ist Richtlinien und Dokumente durchliest, dann hat - anbringen, dann hat er natürlich bei allen Graveu- der Autor immer wieder nur die sog. hard pack vor ren, die die Druckform zum Beispiel herstellen, na- sich im Auge. Man hat jedenfalls den Eindruck. türlich sich das Kontingent gesichert. Sie haben Dass viel Schlimmere ist im Endeffekt, sind alle an- aber bei allen trotz alledem eine begrenzte Kapazi- deren acht/neun Verpackungstypen, die es da noch tät. Das heißt, (das Kontingent), das dann noch für gibt, die Dose, der pouch. Und dort ist es eben den Rest da ist, das ist einfach kleiner. Und Sie ha- nicht nur die drucktechnische Umsetzung. Und der ben das Problem, das ist eigentlich das Entschei- große Player, auf den Sie anspielen, der hat den dende. Ich weiß nicht genau, woraus sich das be- Vorteil oder hat jedenfalls die Eigenschaft, dass er zieht, dass sie es schaffen. Seit November (2015) relativ wenig Feinschnitt im Sortiment hat, dafür existieren die Daten. Erst mit diesen Daten können relativ viel hard packs und hier auch nur wenige jetzt die Fachleute, und die sind auch sehr begrenzt Marken, was auch wieder ein relativ begrenztes in Europa, anfangen, die entsprechenden Druckda- Design angeht. Und im Endeffekt, wenn ein Mittel- ten herzustellen. Sie müssen sich vorstellen, gerade ständler als Zulieferer da ist und es kommt ein gro- im Bereich Tiefdruck ist es so, dass in dem Mo- ßer Konzern und platziert bei Ihnen einen Auftrag ment, wo ich diese Daten erzeuge für den eigentli- über 10 000 Zylinder, dann schieben Sie den klei- chen Druck, muss ich im Endeffekt wissen, auf nen Mittelständler, der bei Ihnen halt alle vier Wo- welcher Druckmaschine (gedruckt wird), auf wel- chen mal 200 Zylinder bestellt, vermutlich eben chem Papier oder Karton ich drucke, mit welcher nach hinten, weil, er hat begrenzte Kapazitäten. Er Druckfarbe ich drucke. Das klingt jetzt auch wieder kann sie auch nicht aufbauen, weil die Zulieferin- sehr einfach, aber im Endeffekt ist jede Druckma- dustrie der Zulieferindustrie ist noch kleiner. Das schine etwas anders. Das heißt, in dem Moment, ist im Endeffekt ein Unternehmen in Europa. Sie wo diese Daten erstellt werden - das dauert, das kriegen da auch nicht wirklich irgendwelche Anla- sind zehn Zylinder pro Verpackung, das dauert gen schneller hin. Danke. mehrere Tage - muss alles vorliegen. Und das ist eigentlich das Entscheidende, dass Sie hier eine Der Vorsitzende: Danke Herr Professor Engisch. Zeitschwelle haben. Sie haben kein technisches Herr Dr. Effertz war auch angesprochen. Problem im Bereich der graphischen Umsetzung. Das ist ganz normale Standardtechnik. Sie haben Dr. Tobias Effertz: Ja also, ich will das ganz kurz das Problem, dass Sie relativ viele Druckzylinder machen. Da ich von meinem Background her Öko- brauchen. Das Zweite, was immer so ein bisschen nom bin und nicht Jurist, kann ich Ihnen nicht ab- noch kleiner getragen wird, ist der Bereich der schließend sagen, welche europarechtlichen Impli- sog. Prägezylinder. Viele Verpackungen haben hap- kationen das hätte und welche möglichen anderen tische Elemente und diese Prägezylinder werden Probleme auch damit verbunden sind oder welche gefräst. Davon brauchen Sie zwei Stück, da dauert Instrumente es gibt, Fristen zu verlängern. Aber als ein Zylinder in der Regel irgendetwas zwischen Ökonom kann ich Ihnen dazu auch etwas sagen. zwei und drei Tagen - einen Zylinder zu machen. Wenn natürlich so etwas mit Fristverlängerung Und da brauchen Sie sechs Stück. Dann haben Sie stattfindet, dann hat das natürlich eine Signalwir- sechs Zylinder. Und auch hier wieder, Sie haben kung und auch eine Anreizwirkung für andere Ta- eine Zulieferindustrie. Es gibt nur eine Handvoll in bakindustrien in Europa, eventuell in die gleiche Europa, die das überhaupt machen. Das sind Mit- Richtung zu gehen. Und dadurch mag es Multipli- telständler, das sind wirklich klassische Mittel- kationseffekte geben, dass man auch versucht, ständler. Da reden wir über Unternehmen, die ha- rechtliche Möglichkeiten in anderen EU-Mitglied- ben maximal 600, 700 Mann, wenn überhaupt, in staaten auszuschöpfen und so weiter und so fort.

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Also, das wäre die ökonomische Antwort auf Ihre ganz konkret nochmal einen Fall der Außenwer- Frage und damit würde weiter wahrscheinlich bung zu benennen, Sie werden sich an die „May noch Sand ins Getriebe dieser Umsetzung gegeben be“-Reklame erinnern von Philip Morris, die ja jetzt werden. auch vom Bayerischen Verwaltungsgericht (VG) in München entsprechend auch beurteilt worden ist. Der Vorsitzende: Dankeschön Herr Dr. Effertz. Und da liegt mir auch die Urteilsbegründung vor. Herr Spiering. Auch das VG München geht zumindest in Teilen der Außenwerbung davon aus, dass hier Jugendli- Abg. Rainer Spiering (SPD): Ich möchte für mich che angesprochen wurden. Das heißt, man kann es eine persönliche Einschätzung abgeben. Die kann gar nicht deutlich genug machen, dass wir immer falsch sein, aber ist im Moment meine Einschät- wieder das Problem haben in der Tabakaußenwer- zung. Ich glaube, dass die Übergangsfristen ein Ve- bung, dass es immer wieder Motive geben wird, hikel sind, mit denen man etwas anderes transpor- denken Sie an die Schlagzeilen „liberté toujours“ tieren möchte. Diese große Befürchtung habe ich. etc. mit einschlägigen Motiven, dann von Party und Ich glaube zunehmend, dass wir mit diesen Über- Freizeitgestaltung, jugendlichen settings, wie das gangsfristen sehr vorsichtig umgehen sollten. Frau so schön heißt, die Jugendliche natürlich anspre- Mortler, ich bin Ihnen ausgesprochen dankbar, dass chen: Aus den Motiven, die ich auch in meiner Sie eigentlich auf den Kernpunkt dieser Anhörung Stellungnahme genannt habe, emotionale Anspra- gekommen sind, nämlich nicht die Frage, ob der che, die bei Jugendlichen sehr, sehr stark wirkt, Im- Gesetzgeber sich in einen Markt einmischen soll pulsivität, Risikoaffinität, gerade in der Jugend, über die Übergangsfristen, sondern dass der Gesetz- also die Neigung, solche risikoaffinen Produkte geber sich mit den Folgen von Tabak auseinander- auszuprobieren, wie Zigaretten. Und das Ganze ist setzen sollte. Ich komme nochmal zu Ihnen, Herr sehr gut mittlerweile erforscht. Man kann sich über Dr. Effertz. Wir haben es im Bereich der Tabakher- die Effektstärke der Tabakwerbung sicherlich strei- stellung mit einem ausgesprochenen intensiven ten, aber sie wird doch immer als vorhanden und Werbemarkt zu tun und für mich ist zurzeit nicht als signifikant entsprechend angesehen. Und des- erkennbar, dass in diesem Bereich der Jugend- wegen ist es auch eine sehr wichtige Angelegen- schutz genügend gewürdigt wird. Wir haben die heit, dass man hier endlich mal als letztes Land, Fragen der Außenwerbung und wir haben die Frage wie Sie wissen, in der EU der 28 wird immer ge- des samplings. Welche Auswirkungen, glauben Sie, sagt, Bulgarien hätte ja auch noch die Außenwer- haben sampling und Außenwerbung auf jugendli- bung. Die dürfen Außenwerbung für Tabakmarken che Konsumenten, die wir doch per Jugendschutz machen, aber nicht für Tabakprodukte. Ich habe ausdrücklich schützen wollen? das nochmal nachgesehen, habe da auch eine Ab- schlussarbeit bei mir im Arbeitsbereich an der Uni Der Vorsitzende: Vielen Dank Herr Dr. Effertz, Hamburg schreiben lassen. Selbst Bulgarien ist - so wenn Sie das Mikrofon noch ein bisschen zu sich gesehen, wenn Sie wollen - weiter als Deutschland. nehmen, dann hallt es nicht so. Danke. Und da muss endlich mal Schluss sein, damit wir dieses „Katz- und Maus-Spiel“, wie ich das auch Dr. Tobias Effertz: Vielen Dank. Also, das ist tat- genannt habe in meiner Stellungnahme, beenden. sächlich ein Thema, mit dem ich mich sehr lange Und mit dem sampling, was Sie ansprachen, gilt und intensiv in meiner Forschungstätigkeit be- das Gleiche. Da gibt es auch gute Studien, die diese schäftigt habe. Mittlerweile ist es sehr gut gesichert, Above&Below-the-line-Maßnahmen als sehr effek- dass Tabakwerbung einen Einfluss darauf hat, dass tiv erachten, dass das Rauchen beginnt und auch Jugendliche mit dem Rauchen anfangen. Dazu gibt verstetigt wird. Sie müssen immer sehen: Es gibt es mittlerweile zwei sehr gute Metastudien, die diese Probierphase, die wir auch bei den E-Zigaret- auch in meiner Stellungnahme präsentiert sind. ten haben, und dann verstetigt sich das Ganze und Und es gibt auch einige Studien, nicht aus dem dann wird man zum kontinuierlichen und stetigen deutschen Bereich, aber doch aus dem internatio- Raucher. Und dann dauert das erstmal Jahre. Dann nalen Bereich, aus Hocheinkommensländer, aus spüren sie nichts von den gesundheitlichen Aus- den USA und aus dem europäischen Umfeld, die wirkungen und irgendwann mit 40 Jahren, 50 Jah- das Ganze auch für Außenwerbung zeigen. Und um

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ren, 60 geht es dann los nach dieser langen Latenz- sind? Und welche Rolle spielen psychosoziale As- zeit. Da muss sehr dringend dann etwas passieren. pekte dabei? Vielen Dank. Der Vorsitzende: Danke für die Fragen. Frau Der Vorsitzende: Vielen Dank Herr Dr. Effertz. Dr. Pötschke-Langer, Sie waren zunächst angespro- Auch diese kleine Restzeit schieben wir in die chen. 2. Runde. Damit kommen wir zu der Fraktion DIE LINKE. und ich erteile das Wort zunächst dem Dr. Martina Pötschke-Langer: Ja, vielen Dank für Kollegen Tempel. Bitteschön. die Frage. Wir haben aus Deutschland glücklicher- weise sehr gute Untersuchungen der BZgA vorlie- Abg. Frank Tempel (DIE LINKE.): Dankeschön. Ich gen, nämlich genau zu diesem sehr sensiblen Be- möchte mich auch im Namen meiner Fraktion bei reich der Altersgruppe 12-bis 17-Jährige. Danach ist allen Sachverständigen bedanken. Wir können na- ersichtlich, dass auch Nichtraucher, also auch die türlich auch nicht auf alle Themenbereiche einge- Kinder und Jugendliche, die vorher keine Tabakzi- hen. Das Thema Fristen ist jetzt - denke ich mal - garette geraucht haben, auch zur E-Zigarette probie- mit vielen Fragen schon bedacht. Es gab aber noch rend greifen. Da ist die Lebenszeitprävalenz, so einen anderen Teil, wo ich nochmal ganz kurz wird das bezeichnet, durchaus auch gegeben. Zu nachfragen möchte an Frau Dr. Martina Pötschke- dem ganzen Themenkomplex „Einstieg in den Kon- Langer. Sie sprachen von einem relativ großen An- sum von E-Zigaretten“: Dieser Themenkomplex ist teil junger Menschen, die noch nicht Dauerkonsu- im Moment noch sehr in der Diskussion, auch un- menten der E-Zigarette sind, aber Versucher. Geht ter Experten. Wir werten, wie gesagt, laufend Daten es dabei um junge Leute, die vorher keine Tabakzi- und Fakten aus. Und es ist auch eines zu bedenken: garetten geraucht haben? Weil, die Frage war ja Es gibt hier ja sehr, sehr unterschiedliche (E-Inhala- nach der Einstiegsgefahr. Dann wäre das relevant. tions)-Abgabesysteme. Kinder und Jugendliche Oder geht es hier eher um junge Raucher, die alter- sind fasziniert von diesen bunten Stiften, von den nativ auch mal die E-Zigarette probieren? Dann hät- Glitzersteinchen, die da dran hängen, also entspre- ten wir es nicht mit dem Phänomen „Einstieg“ zu chend den Kinder- und Jugendmarkt ausgerichtete tun. Die zweite und dritte Frage geht an Herrn Pro- Produkte. Das konsumieren sie auch. Und sie fin- fessor Mayer von der Universität Graz, wo es uns den diese in den Kiosken und in den einschlägigen nochmal um die Nikotinabhängigkeit und Tabakab- shops für Kinder und Jugendliche auch vor. Wir hängigkeit geht, die in der Debatte meist gleichge- haben ja glücklicherweise hier bald eine Gesetzge- setzt werden. Die Bundesregierung hat erst jüngst bung, die ein Verbot, ein Abgabeverbot und auch wieder in einem Gesetzentwurf festgestellt, dass ein Konsumverbot, von E-Zigaretten und E-Shishas aufgrund des Nikotins das Risiko besteht, dass eine für diese Altersgruppe aufweist. Dennoch besteht physische Abhängigkeit mit den für das Rauchen im Moment eine sehr, sehr starke Nachfrage, und klassischen zigarettentypischen Folgeerkrankungen die Kinder kommen an diese Produkte. Also hier wie Herz-und Kreislauferkrankungen sich entwi- ist eine Gefahr gegeben. Und dann ist ein Aspekt ckelt. Da würde ich gerne wissen, wie Sie als Toxi- noch mit zu bedenken, und der wurde sehr gut von kologe diese Aussage bewerten. Und in die gleiche Frau Bartsch ausgeführt, nämlich der Einstieg in Richtung geht meine zweite Frage an Sie. Häufig die Inhalation. Probierverhalten kann sehr schnell wird so getan, dass Nikotin für die Sucht, die ande- zu Dauerverhalten werden. Aber hierfür, wie ge- ren Rauchbestandteile für die typischen Erkrankun- sagt, müssen wir noch solidere Daten abwarten. gen zuständig sind. Nikotinabhängigkeit wird mit Vielen Dank. der Tabakabhängigkeit in der Debatte meist gleich- gesetzt, was natürlich auch die Reaktion gegen die Der Vorsitzende: Dankeschön. Herr Professor Ma- E-Zigarette vielleicht erklären kann. Und ich hätte yer war noch angesprochen. gerne gewusst: welchen Anteil hat das Nikotin an der Tabaksucht? Welche Daten gibt es eigentlich Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer: Guten Morgen darüber, wie stark suchterregend Nikotinkonsum meine Damen und Herren. Ich möchte mich bedan- ohne die anderen Bestandteile des Tabakrauchens ken für diese sehr ehrenvolle Einladung für einen

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Österreicher, der zum „großen Bruder“, zum Bun- chen, und zwar verantwortungsvolle Gesundheits- destag, darf. Das passiert ja nicht jeden Tag. Die politik. Und die sollte meines Erachtens genau in Frage hat die Gleichstellung von Tabakprodukten die umgekehrte Richtung gehen. Ich habe mir die mit Nikotin betroffen. Und diese Gleichstellung ist Stellungnahme von der Frau Dr. Pötschke-Langer in unserer Gesellschaft leider sehr tief verwurzelt. angeschaut, habe mir die Stellungnahme des Herrn Das ist auch nicht verwunderlich, nachdem bis vor Kollegen Dr. Effertz angeschaut. Beide versuchen zehn Jahren die Inhalation von Nikotin unvermeid- die Attraktivität der E-Zigaretten zu reduzieren. lich gekoppelt war mit dem Einatmen von Verbren- Man versucht, sie möglichst unattraktiv zu machen, nungsrauch. Erst durch die Entwicklung der indem man vorschlägt, Fruchtaromen zu verbieten, E-Zigarette, die vor zehn Jahren langsam nach weil diese angeblich für Kinder attraktiv sind. Tat- Europa diffundiert ist und in den letzten fünf Jah- sache ist aber, dass 80 Prozent der erwachsenen ren hier ihren Siegeszug angetreten hat, sind wir E-Zigarettenkonsumenten Fruchtaromen konsumie- mit der Situation konfrontiert, dass wir die Inhala- ren. Und zwar nicht, weil sie „infantil“ sind, son- tion von Nikotin abkoppeln können von der Inhala- dern aus einem ganz einfachen Grund. Können Sie tion der Schadstoffe, die bei der Verbrennung ent- sich den vorstellen, meine Damen und Herren? stehen. Das ist eine neuartige Situation, und viele Weil es ihnen schmeckt! Es soll auch Erwachsene kommen mit dieser Situation nicht zurecht. Es sind geben, die Erdbeereis essen. Und auch die Kinder- in der Tabakkontrolle sehr viele, die Jahrzehnte diskussion finde ich eigentlich fehl am Platze. Sie lang einen sehr löblichen Kampf zur Tabakpräven- haben kürzlich in Deutschland ein sehr strenges Ju- tion gekämpft haben, die gekämpft haben gegen das gendschutzgesetz beschlossen, wie ich gesehen Rauchen, gegen das Produzieren von Wolken, ge- habe, strenger als in irgendeinem anderen Mitglied- gen die Inhalation. Das hat man hier auch in den staat der EU meines Wissens. Somit sollte nunmehr Stellungnahmen gesehen. Und jetzt ist man plötz- das Thema „Kinder“ vom Tisch sein. Dass der Ju- lich konfrontiert mit einer Situation, wo dieser gendschutz nicht hundertprozentig funktioniert, „Feind“ weg ist, wo nämlich die Konsumenten Ni- wissen wir auch. Das kennen wir von den Zigaret- kotin inhalieren, ohne die Schadstoffe, und das war ten, das kennen wir vom „Koma-Saufen“ beim Al- die Frage nach der Schadstoffbelastung. Ich glaube, kohol. Dafür kann aber die E-Zigarette nichts. Ich wir sind uns alle einig, die wir hier sitzen und Ex- kann nicht ein Produkt für Erwachsene regulieren, perten sind, dass die Schädlichkeit des Rauchens wo ich im Hinterkopf den Schutz von Minderjähri- auf der Inhalation des Rauches beruht. Teer, Kon- gen habe. Das kann es nicht sein. Das ist ein Pro- densat, Kohlenmonoxid, all das fällt bei der Inhala- dukt für Erwachsene, wie Alkohol, wie pornogra- tion von E-Zigaretten weg. Jetzt wurde das Argu- phische Artikel, wie Tabakwaren. Und wenn ich ment genannt, dass man das Rauchverhalten auf- meine, dass der Jugendschutz nicht funktioniert, rechterhält. Ja, vollkommen richtig. Da bin ich eins dann muss ich schauen, dass ich den Jugendschutz mit meinen Vorrednerinnen. Natürlich hält man verbessere, wie auch immer. Aber ein Produkt für das Verhalten aufrecht, allerdings kein Rauchver- Erwachsene sollte der Selbstbestimmung von Er- halten, sondern ein Inhalationsverhalten. Und ich wachsenen überlassen bleiben. Und man sollte würde jetzt auf gut Neudeutsch sagen, „It's not a ihnen die Chance bieten von einem nachweislich bug, it's a feature“. Das ist die Stärke der E-Ziga- tödlichen Produkt - das kennen wir, 50 Prozent der rette. Deshalb haben wir erstmalig in der Ge- Konsumenten sterben am Tabakrauch - man sollte schichte der Tabakprävention ein Werkzeug zur ihnen die Chance bieten, auf ein möglichst attrakti- Hand, das Rauchern sozusagen schmerzfrei den ves Produkt umzusteigen. Und zur Attraktivität ge- Ausstieg aus dem Tabakkonsum ermöglicht. Es ist hört auch ein finanzieller Vorteil. Gerade in den hier auch in der Diskussion das Problem der Rau- niedrigeren sozialen Schichten ist die Raucher- cherentwöhnung angesprochen worden. Meines Er- quote besonders hoch. Und genau für diese Perso- achtens liegt darin ein Dilemma. Das ist kein Rau- nen ist es wichtig, dass sie auch einen finanziellen cherentwöhnungsmittel. Die E-Zigarette ist ein Ge- Vorteil haben, damit kann ich sie vom Rauchen nussmittel, das Rauchern die alternative Nikotinin- weg zur E-Zigarette ziehen. Und was ist hier der halation ohne Schadstoffe ermöglicht. Wir haben Vorschlag vom Herrn Kollegen Dr. Effertz? eine Riesenchance, hier Gesundheitspolitik zu ma-

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Möglichst hohe Steuern, damit man es (das Pro- umzusetzen. Als Beispiel für diese Verzögerungs- dukt) möglichst unattraktiv macht! Ok, damit, politik, die auch schon heute Thema war, möchte glaube ich, habe ich die Zeit wirklich überzogen. ich auch nochmal die Klagen Deutschlands vor dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) nennen ge- (Beifall aus dem Publikum) gen die Tabakwerberichtlinien der Jahre 2000 und 2003. Damals ging es vor allem um das Tabakwer- Der Vorsitzende: Vielen Dank Herr Profes- beverbot von Printmedien. Und die erste Richtlinie sor Mayer. Jetzt haben wir 58 Sekunden. Wollen konnte es dort dann tatsächlich zu Fall bringen. wir die auch ... Der zweite Versuch scheiterte jedoch. Wir haben heute Tabakwerbeverbot für Printmedien, wir ha- Prof. Dr. Bernhard-Michel Mayer: Soll ich noch ben es auch für Radio und Fernsehen und im Inter- ein bisschen was plaudern? net. Aber Deutschland hinkt eben bei der Umset- zung immer hinterher. Und das vor allen Dingen Der Vorsitzende: … in die zweite Runde nehmen? vor dem Hintergrund, dass eben immer nur so Machen wir? Nein! tröpfchenweise Politik gemacht wird, während das (Gelächter im Saal). Tabakrahmenabkommen einen umfassenden An- Wir sind uns schon einig. Wir kommen nun zur satz hat und hinsichtlich der Werbung ein umfas- Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Der Kollege sendes Verbot fordert. Die Umsetzung von FCTC Dr. Terpe erhält das Wort, bitteschön. wird übrigens regelmäßig überprüft und anhand von verschiedenen Größen, die die Weltbank ent- Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wickelt hat, und die sie als prioritär betrachtet. Das NEN): Vielen Dank Herr Vorsitzender. Ich würde heißt, die Weltbank ist ja auch nicht gerade dafür mich auch bei allen Sachverständigen bedanken für bekannt, dass sie nun gerade die Position der NGOs die Abgabe der Stellungnahmen und fange gleich vertritt. Also, da handelt es sich um wirklich klare an mit Fragen. Und zwar geht die erste Frage an Prüfgrößen und ein umfassendes Werbe- und Pro- Frau Bartsch von der DHS. Sie sprechen davon motionsverbot für alle Tabakprodukte, Logos, oder haben in Ihrer Stellungnahme darauf hinge- Brandnamen gehört mit zu diesen Prüfgrößen. Und wiesen, dass Deutschland durch einen tabakpoliti- da hat Deutschland im Jahre 2013 gerade mal vier schen Sonderweg in der EU auffällt. Können Sie von 13 möglichen Punkten erreicht und wird nur konkret aufführen, hinter welchen Standards noch von der Schweiz unterboten. Das heißt, wir Deutschland zurückfällt und welchen negativen sind da ganz am Ende von 33 geprüften Ländern. Einfluss dies auf die Wirksamkeit der Tabakpräven- Und das ist auch nicht viel besser bei den anderen tion hat? Prüfgrößen, wie Warnhinweise, Steuererhöhungen, Nichtraucherschutz, in den Deutschland aller- Der Vorsitzende: Frau Bartsch erhält das Wort. höchstens die Hälfte der möglichen Punktzahl er- Bitteschön. reicht. Und dazu muss man natürlich ehrlicher Weise sagen, dass auch nicht alle anderen Länder Gabriele Bartsch (DHS): Herzlichen Dank für die überall diese Spitzenumsetzungen erbringen. Aber Frage. Dazu nehme ich gerne Stellung. Ja, dieser nur wenige sind wirklich so durchgehend, so derart Sonderweg, der ist durch vielerlei Aspekte gekenn- schlecht aufgestellt wie Deutschland. Deutschland zeichnet. Deutschland hat ja trotz der Ratifizierung ist in der Skala der Umsetzung in diesen verschie- des Rahmenabkommens der WHO zur Eindäm- denen Studien und Bewertungen jedes Mal weiter mung des Tabakgebrauches, kurz FCTC, ganz we- nach unten gesunken, weil es eben nicht tabakpoli- sentliche Verpflichtungen dieses Abkommens nicht tisch aktiv ist. Nachholbedarf besteht quasi in allen umgesetzt. Darüber hinaus hat Deutschland auch Punkten des Abkommens, angefangen von der Ver- die Umsetzung der EU-Richtlinien lange Zeit be- meidung, also der vereinbarten Vermeidung von hindert. Herr Dr. Effertz hatte sich auch schon da- Einflussnahme der Tabakindustrie auf Gesund- rauf bezogen. Dazu muss man wissen, dass die EU heitspolitik über die Preisgestaltung durch Steuer- selber auch das Tabakrahmenabkommen der WHO erhöhungen, über Warnhinweise, über Werbung unterzeichnet hat und auch tätig werden musste. und Sponsoring bis hin zum Schmuggel. Und Was es dann versucht hat, in diesen EU-Richtlinien selbst bei der Tabakbehandlung - Deutschland ist ja

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eigentlich berühmt für seine Suchtbehandlung - junge Erwachsene. Die Tabakindustrie hat selbst auch bei der Behandlung von Tabakabhängigkeit gesagt, „wir brauchen sie jung, denn wenn wir sie hinkt Deutschland hinterher. Also, das sind die jung haben, haben wir sie für ihr ganzes Leben“. Standards, die wir hier noch nicht erreicht haben. Sie wissen von dieser Abhängigkeit, von der Niko- Und zum zweiten Teil Ihrer Frage, wie sich die tinabhängigkeit und Tabakabhängigkeit. Diesem Umsetzung auswirken würde auf die Rauchprä- Ziel ist alles untergeordnet, das heißt, es werden valenz. Wir wissen sehr gut, dass die wirksamste alle anderen Formen (der Werbung) darauf ausge- Prävention zur Reduzierung der Rauchprävalenz richtet, den Jugendmarkt zu erobern, die jungen Er- die Preise sind. Wir wissen aber auch, dass so ein wachsenen anzusprechen und zu Konsumenten zu Maßnahmenpaket vor allen Dingen aus dem Be- machen, damit sie ihnen dann lebenslang erhalten reich, der von Maßnahmen, die das Umfeld ins bleiben. Daher ist dieser § 21 zwar gut gemeint, Visier nehmen, also die sog. Verhältnisprävention, aber er greift zu kurz. Und auch ich plädiere hier dass die auch gemeinsam sehr stark wirkt. Das ist für ein umfassendes Tabakwerbeverbot endlich auch im Tabakatlas vom Deutschen Krebsfor- auch in Deutschland. Übrigens steht das auch in schungsinstitut sehr gut in einer Übersicht darge- „gesundheitsziele.de“, Tabakkonsum reduzieren, stellt. Wenn also verschiedene Maßnahmen zusam- (einer Initiative, die von) der Bundesregierung (ins men kommen, dann wirken die. Und das unter- Leben gerufen wurde). Danke. streicht nochmal, wie wirklich wichtig das ist, dass man eine umfassende Tabakpolitikstrategie hat, Der Vorsitzende: Vielen Dank. Ich vermute, die dass es ein umfassendes Maßnahmenpaket geben eine Minute schreiben wir herüber und starten da- muss. Und man kann nicht einzelne Maßnahmen mit in unsere zweite Runde. Kommen wieder zur nur herauspicken und davon dann Wunder erwar- Union. Jetzt haben wir „krumme Zeiten“, da wir ten, sondern man braucht wirklich mehrere An- überall einen kleinen Rest haben. Das Wort hat die sätze. Rauchen ist ja eine Sucht, da kann man eben Kollegin Kovac. Bitteschön. nicht mit Kleinigkeiten kommen, sondern da muss man wirklich klotzen. Abg. Kordula Kovac (CDU/CSU): Ja, ich starte in die zweite Runde. Ich habe eine zweigeteilte Frage Der Vorsitzende: Dankeschön. Herr Dr. Terpe, Sie an die beiden Damen (Frau Gabriele Bartsch und dürfen wieder. Frau Dr. Martina Pötschke-Langer). Ich möchte Sie fragen, was Sie machen würden, wenn Sie Politiker Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wären und das Gesetz zu verabschieden hätten. NEN): Die nächste Frage geht an Frau Dr. Mar- Was würden Sie da noch rein schreiben, was wir tina Pötschke-Langer. Wie beurteilen Sie die Selbst- noch nicht drin haben, insbesondere im Bezug da- verpflichtung der Tabakindustrie hinsichtlich qua- rauf, was wir eben auch gehört haben, dass Tabak- litativer Werbung, und sind die qualitativen Werbe- konsum natürlich gefährlich ist? Und die andere verbote, die jetzt in § 21 des Gesetzentwurfes for- Frage ist, bei der Verdampfung der liquids entste- muliert sind, ausreichend? hen schädliche Stoffe - und zwar viele schädliche Stoffe. Es gibt wissenschaftliche Studien dazu, z. B. Der Vorsitzende: Bitteschön. das Stichwort "Popcorn-Lunge“. Wie beurteilen Sie diese gesundheitliche Gefahr? Diese Frage auch an Dr. Martina Pötschke-Langer: Vielen Dank Herr beide Damen. Dr. Terpe. Jedwede Tabakwerbung hat im Prinzip zwei grundsätzliche Ziele, einmal den Tabakkon- Der Vorsitzende: An beide Damen, habe ich das so sum zu erhöhen und zum Zweiten die Attraktivität richtig verstanden? Frau Dr. Pötschke-Langer und des Rauchens zu fördern. Diese Ziele werden durch Frau Bartsch? So war es. Frau Bartsch zuerst. alle Werbestrategien wahrgenommen. Sich also jetzt nur auf einen Punkt hier zu konzentrieren, auf Gabriele Bartsch (DHS): Frau Dr. Pötschke-Langer qualitative Werbung, diese Punkte sind sehr gut, hat gerade schon darauf hingewiesen, dass es ein die hier aufgeführt wurden, aber, sie greifen tat- nationales Gesundheitsziel gibt, den Tabakkonsum sächlich zu kurz, denn die Zielgruppe der Wer- zu senken. Und hier sind viele der sinnvollen Maß- bung, der Tabakwerbung, sind Kinder, Jugendliche, nahmen aufgeführt, unter anderem Werbeverbot,

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Preisgestaltung durch Steuererhöhungen. Und es schnell ratifizieren sollte, in den nächsten Mona- ist vor allen Dingen auch sehr wichtig, die Verfüg- ten, so wie es bereits Österreich, Spanien und Por- barkeit zu reduzieren. Wir haben in Deutschland tugal getan haben. Ich weiß, dass da rechtliche Fra- noch sehr viele Tabakautomaten, das ist ein ganz gen noch zu klären sind, das ist mir sehr bewusst, wichtiger Teil, der zum Rauchen verleitet. Wir aber es ist ein sehr wichtiges Anliegen und zwar würden auf jeden Fall auch dafür plädieren, dass nach dem Protokoll, so wie es erarbeitet wurde, die E-Zigaretten mit aufgenommen werden in das auch unter Mitwirkung von Deutschland und wie Gesetz und da auch bleiben, dass die Regelung für es jetzt vorliegt und nicht – wie die Industrie sich Tabakrauchprodukte, auch für Tabak, E-Zigaretten, das wünscht – nach ihrem eigenen Kodifizierungs- für E-Shishas und ähnliche Produkte gelten. Und system. Es ist sehr wichtig, dass das auch eingehal- andere wichtige Punkte sind in anderen Gesetzen ten wird, hier die eigenen Arbeitsergebnisse tat- auch zu regeln. Wir haben zum Beispiel in sächlich auch umzusetzen. Zu weiteren Regulie- Deutschland immer noch einen Flickenteppich von rungen hat Frau Bartsch schon Stellung genommen Nichtraucherschutz und uns fehlt ein bundesweiter und wir haben auch dem Familienausschuss hier Nichtraucherschutz, der auch dazu beiträgt, dass noch mal für die für das Gesetz zum Abgabe- und Menschen mit dem Rauchen aufhören und andere Konsumverbot von E-Produkten, und dem Famili- nicht weiter belästigt werden. Ich lasse jetzt Frau enministerium hier noch mal klare Vorstellungen Dr. Pötschke-Langer auch noch Zeit. gegeben, wie die E-Zigaretten reguliert werden soll- ten im Hinblick auf Kinder und Jugendliche. Ich Der Vorsitzende: Ja, bitte Frau Dr. Pötschke-Langer. glaube, das würde jetzt auch den Zeitrahmen Sie haben das Wort. sprengen. Gern möchte ich noch zur letzten Frage kommen, nämlich wie wir das mit den Schadstof- Dr. Martina Pötschke-Langer: Vielen Dank Herr fen in E-Zigaretten denn nun eigentlich halten soll- Vorsitzender. Das Deutsche Krebsforschungszent- ten. Ihnen sollte bewusst sein – als Hintergrund- rum hat seine Wünsche zur Tabakproduktrichtlinie wissen –, dass sich die Gefahr eigentlich bei den und mögliche Modifizierungen noch in einer ande- E-Zigaretten aus drei Faktoren zusammensetzen ren Stellungnahme niedergelegt, die ich Ihnen kann: Aus Chemikalien, aus Gerätetechnik und aus gerne auch nochmals zuleite. Danach ist es uns ein Konsumverhalten. Und wir haben dazu auch eine besonderes Anliegen – ergänzend jetzt zu Frau Publikation verfasst, in der wir sorgfältigst die ein- Bartsch –, dass die Aromastoffe und die Zusatz- zelnen Punkte durchgegangen sind. Tatsächlich ist stoffe besser geregelt werden. Es ist ja ein ganzes das Chemikaliengemisch der E-Zigarette gesund- Kapitel der Tabakproduktrichtlinie diesen Aroma- heitsgefährdend. Es ist ein Chemikaliengemisch, stoffen gewidmet und da meinen wir, hier sollten das eingebracht wird in die Atemwege und in die also sämtliche attraktivitätssteigernden Zusatzstoffe Lunge und vom Körper aufgenommen wird. Hier für Tabakwaren und auch für andere Produkte ver- ist vor allem Propylenglycol an erster Stelle zu nen- boten werden. Wir haben eine Vorschlagsliste hier- nen, das in hohem Maße inhaliert wird. Unsere zu erarbeitet, die sehr umfangreich ist. Es würde MAK-Kommission der Deutschen Forschungsge- jetzt den Rahmen dieser Anhörung sprengen, Ihnen meinschaft, die die maximale Arbeitsplatzkonzent- das alles en détail darzulegen. Aber das ist sehr, ration festlegt, hat einen Grenzwert von Propylen- sehr wichtig, denn die Zusatzstoffe machen ja glycol am Arbeitsplatz mit sechs bis zwölf (Mikro- diese, alle Produkte hier, von den wir sprechen, gramm) Milligramm pro Kubikmeter angegeben. erst attraktiv und hier könnten wir wirklich modu- Ein Konsument einer E-Zigarette inhaliert mit je- lierend eingreifen. Der nächste Punkt, der sehr dem Zug 160 Milligramm und Sie müssen sich vor- wichtig ist, ist die Integration des Protokolls zum stellen, dass sind dann bei zehn Zügen 1 600 und unerlaubten Handel von Tabakwaren in die Tabak- bei 100 Zügen – und das ist Normalkonsum über produktrichtlinie. Das steht jetzt an, auch in der den Tag – sind es 16 000 (Züge) Milligramm. Das EU, eine Ratifizierung dieses Protokolls, damit der heißt, hier kommt eine enorme Last einer Chemika- Zigarettenschmuggel hier beendet wird und kon- lie in die Atemwege. Das heißt, hier werden perma- trolliert wird, vor allen Dingen durch staatliche Or- nent die Zellen im Prinzip konfrontiert mit Fremd- ganisationen. Hierzu ist ein ganz klarer Appell, stoffen. Wir haben weiter ein ungelöstes Problem dass Deutschland dieses Protokoll möglichst mit den Aromen, aber da können wir wirklich hier

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auch eingreifen. TPD ist sehr, sehr gut diesbezüg- des Rauchens gesprochen und an der Stelle möchte lich. Ich denke, dass die TPD eine wirklich deutli- ich sagen: Es gibt auch einen schmerzfreien Ein- che Verbesserung des Verbraucherschutzes schafft. stieg. Und das macht das Ganze ja so gefährlich: In- Im Hinblick auf die Reinheit der Produkte und wir sofern auch noch mal ein herzliches Dankeschön sehen ja auch, dass die Hersteller sich bereits um- für die Ausführungen, nämlich dass die Frage gestellt haben, zumindest in Deutschland oder jetzt E-Zigaretten mit nikotinhaltigen liquides bzw. an- auf dem Weg sind, sich umzustellen und auch im geblich harmlosen liquides sehr, sehr klar beant- Hinblick auf die Gerätetechnik. Es gibt inzwischen wortet worden ist. Geräte, die eben nicht überhitzen und damit eben nicht zu den enormen Schadstoffbelastungen – die Der Vorsitzende: Frau Dr. Pötschke-Langer bitte. manche alte Geräte durchaus haben – führen. Das heißt, wir können den E-Zigarettenverbrauchern in Dr. Martina Pötschke-Langer: Vielen Dank Frau Deutschland oder überhaupt in Europa durch die Mortler für die Frage. Leider ist es nicht gelungen, Tabakproduktrichtlinie hier ein deutliches „Mehr“ ein Forschungsprogramm in Deutschland zu etab- an Sicherheit garantieren, ein deutliches „Mehr“ lieren, dass die Unterschiede zwischen den drei und das ist der Vorteil hier für die Konsumenten. Ländern, die ein umfassendes Nichtraucherschutz- Also wir sehen eigentlich hier in dieser Verord- gesetz haben, wie Bayern, NRW und Saarland, im nung nur Vorteile für sie, nämlich eine absolute Gegensatz zu den anderen Bundesländern darzu- Minimierung der Schadstoffe und letztendlich stellen und zu berechnen. Wir hätten das natürlich hängt natürlich alles vom Nutzerverhalten ab, das liebend gerne gemacht und ein solches Forschungs- können wir nicht gesetzlich beeinflussen, aber die projekt könnte jetzt auch noch ermöglicht werden. beiden Faktoren, Chemikalienzusammensetzung Es gibt hier viele Faktoren, die untersucht werden und Emittierung der Chemikalien und Gerätetech- könnten, wenn entsprechend die Mittel zur Verfü- nik, das haben wir in der Hand und das können wir gung gestellt werden. Es wäre ein sehr, sehr span- im Sinne des Verbraucherschutzes hier regeln. nendes Forschungskonzept, das sich an der deut- Danke. schen Wirklichkeit ausrichtet. Aber wir wissen aus anderen Ländern, die bereits längere Erfahrungen Der Vorsitzende: Ja. Vielen Dank für die Antwort mit dem Nichtraucherschutz haben, vor allen Din- und jetzt kommt die Kollegin Mortler. gen England, Irland und Teile der USA, dass ein er- heblicher Rückgang in diesen Ländern stattfindet, Abg. Marlene Mortler (CDU/CSU): Vielen Dank was Herz-Kreislauferkrankungen angeht und letzt- Herr Vorsitzender. Ich danke Ihnen, Frau endlich auch das Rauchverhalten deutlich beein- Dr. Pötschke-Langer, für Ihre Ausführungen und flusst wird, nämlich einen Rückgang des Rauchens. Ihnen, Frau Bartsch, dass Sie noch mal auf den Ta- Das heißt, wir haben hier nicht nur ein Rückgang bakatlas hingewiesen haben. Für den möchte ich der Schadstoffbelastung durch Passivexposition, ausdrücklich werben, weil er ein sehr, sehr um- sondern wir haben auch einen Rückgang des Rau- fangreiches, umfassendes Kompendium ist und chens durch aktive Exposition den Schadstoffen ge- Frau Dr. Pötschke-Langer, dass Sie federführend genüber; und dann kommt es natürlich zu einem daran gearbeitet haben. Folgende Frage: Wir haben enormen positiven Effekt, im Hinblick auf Vermin- gehört, dass es immer noch einen Flickenteppich derung von vielen Erkrankungen, aber auch vor al- gibt in den einzelnen Bundesländern, was die Aus- len Dingen natürlich – und das sind einige Studien, legung von Nichtraucherschutzgesetzen betrifft. die hier ganz klare Aussagen machen –, dass sich Gibt es einen Zusammenhang, den Sie herstellen das auswirkt auf das Rauchen im privaten Bereich, können, mit der Strenge der Nichtraucherschutzge- nämlich einen Rückgang des Rauchens auch im setze, der Zahl der Rauchenden bzw. der Toten? Privaten, also im häuslichen Umfeld mit der Folge, Und wenn wir über Tote reden, die aufgrund des dass etwa Kinder und Jugendliche weniger belastet Tabakkonsums sterben, dann reden wir in diesem werden in ihren Haushalten. Land von über 120 000; auch das möchte ich an der Stelle noch mal festhalten. Zweitens: Der Experte, Der Vorsitzende: Dankeschön. Jetzt hat der Kollege er hat sich als „kleiner Bruder“ bezeichnet – aus Stier noch die Möglichkeit zu Fragen. In der Sum- Graz –, hat ja von einem schmerzfreien Ausstieg me mit der Antwort haben wir noch zwei Minuten.

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Abg. (CDU/CSU): Vielen Dank Herr Der Vorsitzende: Vielen Dank – auch für die Diszi- Vorsitzender und auch von meiner Seite „Guten plin. Der Kollege Spiering von der Fraktion der Morgen“ in die Runde und vielen Dank für die SPD hat jetzt das Wort. Stellungnahmen. Ich würde noch mal eine Frage an den Verband der Rauchtabakindustrie e.V. stellen. Abg. Rainer Spiering (SPD): Noch mal eine Ab- Herr von Foerster, in Ihrer Stellungnahme verwei- schlussbemerkung zu den Übergangsfristen. Ich sen Sie auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht – für mich persönlich – kann nur den Eindruck ge- hinsichtlich der Gewährung von angemessenen winnen, dass wir uns als Gesetzgeber in ein Markt- Übergangsfristen. In dem Sachverhalt, der diesem bereinigungsverfahren der deutschen Zigarettenin- Urteil zugrunde liegt, wurde allerdings nach mei- dustrie bewegen und das halte ich für ziemlich ge- nem Kenntnisstand gar keine Frist gewährt. Was fährlich. Herr Dr. Effertz, im Tabakatlas steht „für wäre denn aus Ihrer Sicht eine angemessene Über- Tabakrauch kann kein Grenzwert festgelegt wer- gangsfrist für die erforderliche Produktionsumstel- den, unterhalb dessen keine Gefährdung für die Ge- lung, für welche sich die Bundesregierung ggf. auf sundheit anzunehmen ist“. Es ist eben deutlich ge- europäischer Ebene stark machen könnte? Und sagt worden: die Gewinnung von Kunden fängt bei wenn Professor Dr. Engisch vielleicht ebenfalls Kindern und Jugendlichen an. Unsere Vorstellung noch dazu Stellung nehmen könnte, würde ich wäre – und da könnten Sie vielleicht jetzt helfen, diese Frage noch abschließend stellen. Danke. dass man in der Distribution der Waren deutlich stringenter wird – also wir haben, wenn wir uns Der Vorsitzende: Herr von Foerster bitte. die großen Einzelhändler in Deutschland an- schauen, jetzt sehr klare Richtlinien, wie an den Michael von Foerster (VdR): Ich mache es ganz Kassen verkauft wird. Jetzt gibt es aber in der Ta- kurz. Unabhängig davon, ob in dem Verfassungsbe- bakindustrie ganz andere Distributionswege. Das schluss des Bundesverfassungsgerichts eine Frist heißt, die großen Distributionswege sind eigentlich gewährt wird: Die Voraussetzungen, die dort aber heute die Mineralölhersteller. Könnten Sie viel- genannt sind, insbesondere kapitalintensive Um- leicht eine Hilfestellung geben, wie man diesen stellung und zeitaufwendige Umstellung, die hier Distributionsweg so eingrenzen könnte, dass er we- erforderlich sind, waren ja maßgeblich dafür, dass sentlich besser kontrollierbar wäre und wesentlich letzten Endes hier zu einer Gewährung einer Über- besseren Schutz für die Jugendlichen geben würde? gangsfrist generell eine Erfordernis gesehen wurde. Wir seitens der Industrie, wenn wir überhaupt über Der Vorsitzende: Herr Dr. Effertz, Sie haben das die Verlängerung der Frist nachdenken und wün- Wort. schen dürften, dann reden wir von „1 plus 1“, das wären zwölf Monate in der Produktion und zwölf Dr. Tobias Effertz: Vielen Dank für die Frage. Bei Monate in der Abverkaufsfrist. Dann gebe ich gerne den Distributionseinschränkungen ist das so eine an Herrn Professor Dr. Engisch weiter. Sache. Also, wir haben gesehen, dass die Jugendli- chen das immer wieder ganz gut schaffen, an Ziga- Der Vorsitzende: Ja, so viel Sie in 20 Sekunden retten ranzukommen. Sie können natürlich versu- schaffen können. chen, die Distributionskanäle einzuschränken. Also beispielsweise: Wie man das in Baden-Württem- Prof. Dr. Lutz Engisch: Ja, also Sie fragen konkret berg gemacht hat mit dem Alkohol nach 22:00 Uhr, nach der Fristverlängerung, nach dem Zeitraum. so in diese Richtung gehend. Dass man versucht, da Aufgrund des Gutachtens gehen wir davon aus, an den Tankstellen entsprechend irgendwie Ein- dass zwölf Monate einfach eine praktische umsetz- schränkung im Verkauf von Zigaretten zu machen, bare Größe ist. Es ist also jetzt nicht, was ich mir oder dass man was gegen die Zigarettenautomaten wünsche – ich wünsche mir sowieso nichts –, son- macht, die ja meines Wissens immer noch so zahl- dern es ist einfach die Tatsache, dass es so kommen reich sind wie die Postkästen in Deutschland oder wird. Entweder mit oder ohne Unterstützung des zahlreicher sogar. Und dass man versucht, hier im Gesetzgebers. Es ist technisch einfach nicht anders Prinzip das Ganze etwas zu konzentrieren und da- realisierbar. Danke. mit auch eine Überwachung einfach mit den gege- benen Mitteln oder eine überwachte Nichtabgabe

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an Minderjährige entsprechend besser durchziehen hier die idealistische Vorstellung herrscht, wenn kann. Das Ganze ist natürlich im Vergleich jetzt zu man beides unattraktiv macht, dann verschwindet anderen Maßnahmen, wie Steuererhöhung oder plötzlich beides. Dann werden die Konsumenten Werbeeinschränkung, nicht ohne Kosten zu haben. weder rauchen noch E-Zigaretten benutzen. Das ist Also das muss man immer da sehen. Deswegen ist eine Utopie - das hat nie funktioniert und Prohibi- es auch wichtig, dann eben die Dinge zu unterneh- tion funktioniert nicht, und wird auch weiterhin men, die eben dann auch wirklich wirksam sind. nicht funktionieren. Es wird ja gerne mit der nicht Und das kann eben schon mit dieser Struktur die- auszuschließenden Schädlichkeit, immer wieder ser Zigarettenautomaten oder eben Verkaufsein- argumentiert. Langzeitstudien fehlen, Aromastoffe schränkungen oder Konzentration an bestimmte könnten schädlich sein – Frau Kollegin Mortler hat Fachbereiche, Fachgeschäfte, etwa der Tabakläden die „Popcorn-Lunge“ mit dem Diacetyl erwähnt – oder so, vielleicht dann besser geschehen, als wenn und so fort. Es ist schwer in der zur Verfügung ste- es halt im großen Sortiment ist. Ich glaube, 26 Pro- henden Zeit das sachlich fundiert zu argumentie- zent der Tabakwaren werden über Supermärkte ab- ren. Ich kann Ihnen das aber vielleicht anhand gegeben, und das ist, glaube ich, der größte Anteil eines Gedankenexperimentes erläutern: Ich möchte in der Liste Distribution. Also sogar 40 Prozent, Sie bitten, sich vorzustellen, dass es in Europa vielen Dank. Ja, also dass man versucht hier Bünde- noch keine Bananen gibt. Jetzt entdecken Sie aber lungseffekte zu erzielen. auf einer Südseeinsel Bananen. Sie sehen das Marktpotenzial dieser wohlschmeckenden Frucht Der Vorsitzende: Vielen Dank. Eine weitere Frage und Sie beschließen, Sie wollen dieses Produkt hat die Kollegin Schulte. hier in Europa auf den Markt bringen. Was das Problem dabei ist: es gibt Apfel- und Birnenbauern, Abg. (SPD): Ja, herzlichen Dank denen das nicht gefällt. Die beauftragen nun mich Herr Vorsitzender. Ich habe mal eine Frage an als Wissenschaftler, das irgendwie zu verhindern. Herrn Professor Dr. Mayer. Würden Sie mir Recht Wie bewerkstellige ich das, dass ich das verhin- geben, Herr Professor, wenn ich sage, dass auch dere? Ich deklariere mit meinen Verbindungen zur nach Verabschiedung dieses Gesetzes Erwachsene Politik und zu den Medien die Bananen, wie wir weiterhin freien Zugang zu E-Zigaretten haben? das soeben gehört haben, zum „Chemikalienge- Weil ich Ihre Wortmeldung ein bisschen merkwür- misch“. Vollkommen zu recht, weil alles auf dieser dig fand. Weil es bei diesem Gesetzentwurf nach Welt ein Chemikaliengemisch ist. Ich weise darauf meiner Auffassung nicht um das Verbot von hin, dass uns Langzeitstudien fehlen. Ich weise auf E-Zigaretten für Erwachsene geht, sondern ledig- die Inhaltsstoffe hin. Ich habe eine Liste von In- lich darum, Vorschriften zu Inhaltsstoffen und zur haltsstoffen von Bananen, das kann ich, na ich Produktsicherheit unter anderem zu erlassen. möchte das schon fertig reden bitte, bin hier aus Österreich angereist. Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer: Danke für die Unverständlicher Zwischenruf Gelegenheit das zu klären. Ich möchte nicht be- Ich darf das durchaus fertig exerzieren. Ich kann haupten, dass das kein Verbot ist. Allerdings wird für jedes Lebensmittel, das Ihnen einfällt, mit dem – und das haben wir jetzt wieder gesehen – mit Argument, es gibt keine Grenzwerte – einem Argu- dem Vorschlag möglichst alle Aromastoffe, abgese- ment, das jedem pharmakologischen Grundgesetz hen vom Tabakaromen, zu verbieten, die Attrakti- widerspricht, nämlich der Dosisabhängigkeit – vität (von E-Zigaretten) soweit abgesenkt, dass die kann ich jedes beliebige Produkt dieser Welt, wenn Konsumenten nicht mehr die richtige Motivation ich will, zu Tode regulieren. Und genau das ist die haben umzusteigen. Ich finde es ethisch wirklich Bestrebung in Deutschland. Es ist ein „Zu Tode re- bedenklich, dass man das Produkt, das Rauchern gulieren“, kein Verbot aber ein Zu Tode regulieren erstmalig die Chance bietet, hier einen Ausstieg zu der E-Zigaretten aus ethisch verwerflichen Moti- finden aus dem Tabakkonsum, das weitgehend un- ven. schädlich ist – über Schädlichkeit kann man disku- tieren und dass man dieses Produkt ganz gleich un- Beifall attraktiv machen will wie Tabakzigaretten. Ich glaube, dass im Hintergrund oder im Hinterkopf

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Der Vorsitzende: Bitte, bitte keine Kundgebungen Abg. Ursula Schulte (SPD): Ich frage doch noch von der Tribüne. mal eben Frau Dr. Pötschke-Langer nach dem Ein- stieg von Jugendlichen in den Tabakkonsum, nach- Abg. Rainer Spiering (SPD): Abschließende Frage, dem sie Werbung für E-Zigaretten gesehen haben Frau Dr. Pötschke-Langer. Wir haben ja die die In- und finden, dass das zum Lifestyle dazugehört. Gibt halts- und Zusatzstoffe, weil der American Blend es dazu Erkenntnisse? als solches kaum konsumierbar ist. Ist jetzt über die Tabakrichtlinie das soweit geklärt, dass sie im Rah- Der Vorsitzende: So, auch dazu reicht die Zeit noch men des Möglichen Schadstoffe eingeschränkt ha- für eine Antwort. ben, aber gleichzeitig möglich machen, dass über- haupt die unterschiedlichen Zigarettenarten, auf- Dr. Martina Pötschke-Langer: Gerne. Wir haben grund ihrer Zusatzstoffe noch voneinander unter- keine Erkenntnisse, was Deutschland betrifft. In scheidbar sind? einigen anderen Ländern ist es durchaus der Fall. Aber was spannend ist, wenn ich die jugendlichen Der Vorsitzende: Frau Dr. Pötschke-Langer, Sie ha- Raucher betrachte hier in Deutschland - und das ben auch die Uhr im Blick bitte bei der Antwort. sind wirklich die aller–, allerneuesten Zahlen: Nämlich der „Jemals Gebrauch“ von E-Zigaretten Dr. Martina Pötschke-Langer: Direkte Antwort: Es nach Altersgruppen bei Rauchern; und da sehen ist im Moment noch ungeklärt, weil das gerade im Sie in der Altersgruppe 16 bis 19 Jahre alt die aller- Prozess der Abstimmung ist, soweit mir bekannt höchste Ausprobierquote: Nämlich fast 40 Prozent ist. Deswegen kann ich die Frage nicht beantwor- der rauchenden Jugendlichen und jungen Erwach- ten. senen konsumieren zeitgleich E-Zigaretten. Und der zweite Punkt – und das muss ganz klar gesagt Abg. Rainer Spiering (SPD): Dann will ich nachfra- werden, denke ich, bei der Anhörung – die meisten gen, da die Zeit gerade noch dafür reicht. E-Zigarettenkonsumenten konsumieren beides. Also es ist ein sog. dualer Konsum und auch dazu Der Vorsitzende: Ja. liegen uns Zahlen für Deutschland vor. Soll ich noch zu Ende sprechen? Wir haben insgesamt 20 … Abg. Rainer Spiering (SPD): Also ich will das mal unter dem Aspekt sehen: Ab einem bestimmten Al- Der Vorsitzende: Aber nur den Satz. ter ist Rauchen eine freie Entscheidung eines jeden Bürgers und wenn er das tun will und sich damit – Dr. Martina Pötschke-Langer: 20 Prozent haben entweder es macht ihm Spaß oder er will sich da- wir der rauchenden Bevölkerung, die E-Zigaretten mit schädigen – das ist eine Abwägung, das ist in versucht hat, aber nur 3,4 Prozent nutzen sie dauer- Ordnung, aber könnten Sie eine Empfehlung in der haft und zwar dual. Sie nehmen sowohl die E-Ziga- Richtung abgeben, weil ja sichergestellt werden retten als auch die Tabakzigaretten. Und von den muss, dass ich meinetwegen noch eine Marlboro Exrauchern haben vier Prozent tatsächlich den von Camel unterscheiden muss und beides sind Ausstieg möglicherweise durch die E-Zigarette ge- American Blend? schafft.

Der Vorsitzende: Bitteschön, Frau Dr. Pötschke- Der Vorsitzende: Vielen Dank. Langer noch mal. Dr. Martina Pötschke-Langer: Und von denen sind Dr. Martina Pötschke-Langer: Wir haben diese es nur noch 0,2 Prozent (, die dauerhaft konsumie- Empfehlung abgegeben. Diese liegt auch der Bun- ren). Also das Switchen, was hier angegeben wird, desregierung vor und ich werde Sie Ihnen gerne was so hoch gelobt wird, das existiert tatsächlich in auch zur Verfügung stellen. der Wirklichkeit nicht.

Der Vorsitzende: Vielen Dank. Wollt Ihr die Rest- zeit schenken? Frau Schulte hat noch etwas Zeit zur Verfügung.

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Der Vorsitzende: So, jetzt haben wir es gut ausge- Wir haben jetzt geschätzt, hinter uns ca. 50 bis schöpft. Wir kommen zu den Fragen der Fraktion 100 Mio. Dampferjahre. Wenn ich von fünf bis sie- DIE LINKE. und gemeldet hat sich die Kollegin ben Jahren signifikanter Benutzung ausgehe und Binder. Bitteschön. die weltweite Anzahl der Dampfer in Rechnung stelle, würde ich auf 50 bis 100 Mio. Dampferjahre Abg. Karin Binder (DIE LINKE.): Ja, vielen Dank kommen. Da hat sich noch niemand nachhaltig Herr Vorsitzender. Ich hätte gerne noch mal Herrn durch die Inhalation geschädigt. Es ist ab und zu ir- Professor Mayer gefragt: Da derzeit ja noch keine gendwo ein Akku explodiert. Deshalb ist es auch Langzeitstudien vorliegen und deshalb eben auch wichtig, dass man für Produktsicherheit sorgt. Aber tatsächlich Nachweise für die Harmlosigkeit der durch die Inhalation hat sich noch niemand nach- E-Zigarette fehlen, was eben tatsächlich jetzt im haltig geschädigt. Natürlich gibt es keine Langzeit- Moment zu einer repressiven Regulierung führen studien, aber wie ich vorher schon erwähnt habe, soll. Ich bitte Sie, noch mal uns kurz den Stand der kann es die gar nicht geben. Und man kann sich Erkenntnisse darzulegen zur toxikologischen Wir- auch überlegen – das überlegt sich ja niemand – kung für die besonders typischen Inhaltsstoffe von wie würde man so eine Studie machen? Für eine E-Zigaretten, also insbesondere Aromen und so, Langzeitstudie müsste ich ja Nichtraucher rekrutie- darzustellen. Vielleicht auch im Unterschied zu ren. Weil, wenn ich die mit Rauchern mache, kann dem, was die Verbrennung vergleichbarer Stoffe im ich nicht abschätzen, ob dann die beobachteten Ef- Tabak auslöst. Also ich denke jetzt an Dioxin und fekte Folgeerkrankungen des Rauchens sind oder solche Dinge. durch das Dampfen entstanden sind. Es ist absurd anzunehmen, dass wir dann auch noch für jeden Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer: Ja. Danke. Aromastoff eine Langzeitstudie mit Nichtrauchern Denke, ich kann es. machen. Das würde durch keine Ethikkommission gehen. Und es würde uns bei der Vielfalt an Aro- Der Vorsitzende: Vielen Dank Frau Kollegin. Herr mastoffen wahrscheinlich Jahrhunderte kosten. Professor Mayer jetzt haben Sie das Wort. Letztendlich ist das Argument der fehlenden Lang- zeitstudien ein Scheinargument. Das ist eine Wort- Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer: Entschuldigen hülse, mit der man jedes Produkt bis zum Sankt Sie. Danke für diese Frage. Ich kann noch einmal Nimmerleinstag verhindern kann. Ich erinnere Sie erläutern und ich habe das, glaube ich, schon im zum Beispiel an Smartphones, wo jetzt wieder die Eingangsstatement gesagt, dass die Schädlichkeit Diskussion hochkommt, ob sie nicht vielleicht des Tabakrauches unbestritten ist. Es ist daher ein doch Gehirntumore oder Krebs machen. Oder an löbliches Ziel, im Sinne der Tabakprävention aktiv Stanton Glance, der ganz heftig in den USA gegen zu werden, und das wollen wir auch alle. Wenn E-Zigaretten kämpft und proklamiert hat, dass man jetzt vergleicht die Inhaltsstoffe von Tabak- wenn man die Handys eingesteckt hat in der Hose, rauch mit den gemessenen Emissionen aus E-Ziga- dass sie dann junge Männer unfruchtbar machen. retten, dann sieht man, dass die Annahme einer Da ist die Evidenz sehr, sehr dünn. Aber wenn man Schädlichkeit nicht plausibel ist. Wir kennen die das möchte, kann man mit derartiger Argumenta- schädlichen Stoffe im Tabakrauchgut. Wir wissen tion jedes Produkt zu Tode regulieren. Ich möchte ganz genau, dass das polycyclische aromatische noch einmal betonen, dass ich das vom DKFZ ange- Kohlenwasserstoffe sind. Wir wissen, dass es Koh- dachte Verbot von Aromastoffen und von Zusatz- lenmonoxid ist. Wir wissen, dass es der oxidative stoffen in E-Zigaretten als ethisch verwerflich be- Stress ist und dergleichen. Wir kennen die moleku- trachte. Es ist ethisch bedenklich. Es wird Wissen- laren Mechanismen gut. All das fehlt weitgehend schaft verzerrt und vereinnahmt. Es werden ethi- oder bis hin zur Geringfügigkeit in E-Zigaretten, zu- sche Standards mit Füßen getreten. Man sollte mindest ist es wenig plausibel. Aber wie ich schon bitte, man tut auch nicht das Würzen von Lebens- vorhin erwähnt habe, man kann Schädlichkeit mitteln verbieten. Es gibt bisher keinen Hinweis nicht ausschließen. Ich habe in meiner Stellung- auf Schädlichkeit durch Aromastoffe. Wenn es so nahme gesagt, dass man die Abwesenheit eines Ef- einen Hinweis gibt, wird man selbstverständlich fekts prinzipiell nicht beweisen kann. Ich kann nur unmittelbar reagieren müssen, wie das auch bei sagen, es gibt keinen Hinweis auf Schädlichkeit.

18. Wahlperiode Protokoll der 49. Sitzung Seite 32 von 34 vom 17. Februar 2016

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Arzneimittel der Fall ist. Neue Arzneimittel kom- eine Frage an Sie und zwar: Wie bewerten Sie die men auf den Markt - bevor es Langzeitstudien gibt. im Gesetzentwurf formulierte Passage § 13 (erster) Die Industrie reagiert sehr schnell bei ersten Hin- Satz 3, wonach für die E-Zigaretten nur Inhalts- weisen auf Schädlichkeit und nimmt die Produkte stoffe verwendet werden dürfen, die kein Risiko für vom Markt. Und genauso sollte es bei den E-Ziga- die menschliche Gesundheit haben? Und würde retten sein. Sie haben jetzt wirklich, meine Damen das nicht einem faktischen Verbot der E-Zigarette und Herren, weil ich denke, dass ich später nicht gleichkommen und dann im Verhältnis zu dem, ha- mehr dazu komme etwas zu sagen, möchte ich das ben wir ein Verbot der Tabakzigarette. Das ist jetzt sagen: Sie haben es in der Hand über die Zu- eigentlich die Frage, aber ich würde sie noch ein kunft der Tabakproduktion zu entscheiden. Sie ha- bisschen ausdehnen daraufhin, wie lange würden ben es in der Hand Rauchern die Möglichkeit (des Sie denn denken, braucht man, muss man noch Umstiegs) zu bieten, Rauchern die Vielfalt an Ge- warten, bis man sozusagen aus der Community der schmacksrichtungen in der Form von Aromen zu E-Zigarettenkonsumenten solide Daten darüber hat, bieten. Sie haben es in der Hand, diese Chance zu wie schädlich möglicherweise dieser oder jener nutzen. Sie können diese Chance auch vertun. Nur Stoff ist? Und könnten Sie noch mal zu dem Argu- eines sage ich Ihnen: Den Siegeszug der E-Zigarette ment Propylenglycol-Toxizität Stellung nehmen? werden Sie nicht aufhalten. Sie können ihn kurz- fristig ein bisschen behindern, langfristig wird sich Prof. Dr. Bernhard-Michael Mayer: Ja, vielleicht das durchsetzen. Es ist ähnlich wie mit Diesel- und fange ich von hinten an. Es gibt keinen Hinweis auf Benzinfahrzeugen - besser wären Elektroautos. Toxizität von Propylenglycol. Die Grenzwerte, die Auch in dem Fall versucht die Industrie immer Frau Dr. Pötschke-Langer genannt hat, die kann wieder aus finanziellen Interessen, (diesen Prozess) man, das würde jetzt zu lange dauern sie zu hinter- das zu behindern und zu verzögern. Und ich wage fragen und klarzustellen, das sie die Einheiten ein jetzt die Prognose: in 20, 30 Jahren werden sich un- bisschen verpuxelt hat. Aber die Einheiten sind na- sere Enkelkinder und Urenkelkinder wundern, dass türlich auch entsprechend schwierig zu interpretie- man früher Erdöl verbrannt hat, um fahren zu kön- ren. Ich kann nur dazu sagen, da es Tierversuche nen. Und ebenso werden sich unsere Enkelkinder gibt, bei denen Ratten über mehrere Monate mit wundern, dass man früher Tabak verbrannt hat, um extrem hohen Konzentrationen an Propylenglycol Nikotin konsumieren zu können. Und ich sage bedampft wurden, ohne dass irgendwelche schädli- Ihnen eins, wenn Ihre Enkelkinder oder Urenkel – che Auswirkungen beobachtet wurden. Wir haben viele von Ihnen sind noch sehr jung – später mal bis jetzt nie darüber diskutiert, dass in Diskothe- sagen: Opa, Oma, Uropa warum hast denn du da- ken, dass bei Konzerten hier mit Propylenglycol als mals dagegen gestimmt? Dann können Sie nicht sa- Nebel versprüht wird, wobei das technisches Pro- gen, Sie hätten es nicht gewusst. pylenglycol ist, während in E-Zigaretten das Pro- dukt in pharmazeutischer Reinheit verwendet Beifall wird. Zu Ihrer Frage bezüglich des Gesetzestextes: nicht schädlich für die menschliche Gesundheit. Der Vorsitzende: So, bitte keine Beifallsbekundun- Das ist ein Gesetzestext, das ist gut gemeint, aber gen. Damit ist die Frage- und Antwortzeit für die das zeugt von einem grundsätzlichen Missverständ- Fraktion DIE LINKE. punktgenau zu Ende gegan- nis. Ich zitiere gerne eine Arbeit, die Anfang 2015 gen. Wir kommen abschließend zur Fragerunde von publiziert wurde, in der sehr ausführlich dargelegt der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr wurde, dass die Inhalation von Sauerstoff das Lun- Dr. Terpe hat sich zu Wort gemeldet und erhält genkrebsrisiko erhöht. Das wurde gezeigt, indem dies jetzt. man untersucht hat, wie sich die Seehöhe, also der Sauerstoffpartialdruck in der Einatemluft auswirkt Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auf das Lungenkrebsrisiko. Wenn man das ernst NEN): Herr Professor Mayer, die letzte Minute, die nimmt, müsste man ganz Norddeutschland aussie- Sie gesprochen haben, hat mich dann wieder zwei- deln oder übersiedeln in die österreichischen Al- feln lassen, dass Sie so kleinmütig sind. Ich war er- pen oder noch besser in die südamerikanischen staunt, dass Sie geschlussfolgert haben, Sie werden Anden, um dieses Risiko reduzieren. Also haben gar nicht mehr gefragt. Ich habe tatsächlich noch Sie ein gewisses Risiko, wenn Sie atmen. Das ganze

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Leben ist risikobehaftet. Somit ist diese Passage stimme ich den Berechnungen von Herrn Efferz zu. letztendlich nichtssagend. Alles kann prinzipiell Auch FCTC sieht höhere Preise für Zigaretten vor. schädlich sein. Vorhin habe ich mein Bananenbei- Und demnach, um sozusagen die wirkliche Punkt- spiel genannt. Bananen enthalten recht erhebliche zahl in diesem Bereich zu erreichen, müsste Mengen an Beta-Karotin. Für Beta-Karotin gibt es Deutschland quasi den Preis für Zigaretten quasi klinische Studien, die zeigen, dass dadurch sowohl verdoppeln. Also, das ist ganz wichtig, hier muss das Darmkrebsrisiko als auch das Lungenkrebsri- auf jeden Fall was passieren, wenn wir wirklich et- siko verdoppelt werden durch Beta-Karotin, das in was erreichen wollen. recht erheblichen Mengen in Bananen vorkommt. Wir sind uns alle einig, dass Bananen ein beson- Der Vorsitzende: Vielen Dank Frau Bartsch. Die ders gesundes, nahrhaftes und wohlschmeckendes 17 Sekunden, Herr Kollege, schenken Sie uns. Da- Produkt sind. Aber ich kann sofort ein Szenario mit, meine sehr verehrten Damen und Herren, kom- zaubern, dass Sie unmittelbar ein Bananenverbot men wir zum Ende unserer öffentlichen Anhörung hier in Deutschland aussprechen würden. Und zur Umsetzung der Tabakproduktrichtlinie. Sehr zwar mit der gleichen Argumentation, mit der man verehrte Sachverständige, liebe Kolleginnen und gegen Aromastoffe argumentiert. Kollegen, ich danke Ihnen allen für diese konstruk- tive Debatte und dadurch auch für die intensive Der Vorsitzende: Herr Dr. Terpe Sie dürfen noch- Zusammenarbeit bei der Meinungsfindung unserer mal. Und Herr Professor Mayer macht bitte sein Ausschussmitglieder. Die Debatte war fair und sie Mikrofon aus. Danke. war nach meiner Überzeugung auch aufschluss- reich und sie wird uns in der weiteren Beratung Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auch sehr hilfreich sein. Ich mache darauf aufmerk- NEN): Ich komme nochmal zurück auf die Frage sam, dass, das zu dieser öffentlichen Anhörung er- der Tabaksteuererhöhung und das ist eine Frage an stellte Wortprotokoll zur Beratung und Abstim- Frau Bartsch. Wie müsste sie aus Ihrer Sicht gestal- mung über den Gesetzentwurf in unseren Aus- tet werden und würden Sie sich den Ausführungen schuss und für die daraus resultierende Beschluss- von Dr. Effertz in seinem Gutachten anschließen? empfehlung des Ausschusses herangezogen wird. Ich danke auch allen Zuhörerinnen und Zuhörern Der Vorsitzende: Frau Bartsch, Sie haben das Wort. und schließe damit diese öffentliche Anhörung.

Gabriele Bartsch (DHS): Ja, herzlichen Dank für die Frage. Tabaksteuererhöhungen müssen in erster Li- nie spürbar für den Verbraucher sein. Sonst zeigen sie nämlich keine Wirkung oder nur geringe Wir- kung. Und die Steuererhöhungen, die wir in den letzten Jahren hatten, das war mehr oder weniger nur Inflationsausgleich, und haben sich im Porte- monnaie der Verbraucher nicht besonders bemerk- bar gemacht und führen damit auch nicht zu einer Schluss der Sitzung: 09:50 Uhr Änderung der Rauchprävalenz. Das heißt, wir müs- sen wirklich sehen, wie das Mitte der 2000er Jahre war, dass wir eine spürbare Steuer, dass die Steuer- erhöhungen spürbar sind. Und zum Zweiten muss man auch sagen – und damit komme ich auch zu der Frage nach Herrn Effertz – dass Preisgestaltung durch Steuererhöhung natürlich auch zum Aus- gleich von gesellschaftlichen Schäden durch den Gebrauch von Tabak genutzt werden können. Und auch zur Prävention: Rauchprävention ist ja in Deutschland sehr unterfinanziert. Und insofern

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