Technische Universität Dresden Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Fakultät Informatik | Professur für Mediengestaltung

Michael Eichler 31.03.2010

Großer Beleg im Studiengang Medieninformatik Technische Universität Dresden Fakultät Informatik Institut für Software- und Multimediagestaltung Professur für Mediengestaltung Bearbeitung: Michael Eichler (Matrikelnr. 3052056) Betreuer und verantwortlicher Hochschullehrer: Prof. Dr.-Ing. habil. Rainer Groh

Eigenständigkeitserklärung: Hiermit erkläre ich, Michael Eichler, dass die vorliegende Belegarbeit Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen von mir eigenständig verfasst wurde. Es wurden keine anderen Quellen und Hilfsmittel als die angegebenen benutzt. Alle Abbildungen ohne Quellenangabe wurden von mir im Zuge dieser Arbeit selbst erstellt.

Dresden, 31.03.2010 Michael Eichler

Inhalt

1 Einleitung ...... 1 2 Die Zeitreise in der Wissenschaft ...... 3 2.1 Physik der Zeitreise...... 3 2.2 Denkmodelle für Zeitreisen ...... 5 3 Die Zeitreise und Zeitmanipulation in der Fiktion ...... 9 3.1 Zeitmaschinen ...... 9 3.2 Zeit als Erzählelement ...... 14 4 Regeln der Zeit in Computerspielen ...... 17 5 Formen der Zeitreise ...... 23 5.1 Vollkörperreise ...... 24 5.2 Reise des Bewusstseins ...... 26 5.3 Zeitmanipulation ...... 28 5.4 Extraleben und Speicherstände als Form der Zeitreise ...... 29 6 Folge von Zeitreisen...... 31 6.1 Ursache und Wirkung ...... 31 6.2 Vorbestimmte Zeitreisen und Zeitschleifen ...... 33 6.3 Alternative Realität ...... 35 7 Formen der Zeitmanipulation ...... 39 7.1 Zeit anhalten ...... 39 7.2 Zeit verlangsamen ...... 40 7.3 Zeit beschleunigen ...... 42 7.4 Zeit rückwärts laufen lassen ...... 42 7.5 Altersmanipulation ...... 44 8 Schlussbetrachtung ...... 47 8.1 Fazit und Prototyp ...... 47 8.2 Ausblick ...... 49 Quellenangaben ...... 51 Bibliographie ...... 51 Ludographie ...... 53 Filmographie ...... 54 Abbildungsverzeichnis ...... 54

Einleitung 1

1 Einleitung

Es wurden schon in vielen Publikationen verschiedene Konzepte und Grundregeln der Gestaltung von Computerspielen1 veröffentlicht. Diese beschreiben, wie die ver- schiedenen Objekte einer Spielewelt in Form und Position zu verändern und zu manipu- lieren sind. Dabei wird meist von einer linearen Zeitentwicklung oder der Echtzeit in dem Spiel ausgegangen, die Spielgeschichte entwickelt sich chronologisch linear. Doch was passiert, wenn Spiele diese Linearität biegen oder ganz aus ihr heraus brechen? Das Element der Zeitmanipulation wurde häufig trotz seiner Komplexität in solchen Werken vernachlässigt. In on Game Design wurden schon grundlegende Zeitmanipulationen von der Seite der Programmierer aus betrachtet2, diese Arbeit möchte sich aber zusätzlich mit der spielerseitigen Zeitmanipulation auseinandersetzen. Genauso wurden die Möglichkeiten von Zeitreisen in Filmen schon in vielen theoreti- schen Werken ausgiebig betrachtet und die Ergebnisse und Erkenntnisse fließen mit in diese Arbeit ein und werden auf das Medium Computerspiel übertragen. Denn viele Ideen zu Computerspielen stammen ursprünglich aus anderen Medien, wie Literatur oder Kino, wobei letzteres wegen der optischen und akustischen Untermalung häufig geeigneter scheint.3 Computerspiele mit narrativen Elementen werden oft als interakti- ver Film betrachtet. Autoren nutzen bei der Erzählung der Spielgeschichte an der Kine- matographie angelehnte Verfahren, besonders in sogenannten Cutscenes, filmische Ein- lagen, welche nicht vom Spieler aus manipuliert werden können.4 So wie bei der Kunst des Filmes, wird ebenso im Computerspiel eine spezifische Atmosphäre durch Ton, Ka- mera und Bildsprache geschaffen. Aber anders als im Film, ist der Spieler nicht nur ein Beobachter, der durch Knopf- druck entscheidet, wann die Geschichte fortgesetzt wird. Er nimmt selbst Einfluss an das Geschehen im Spiel und setzt sich so über dramaturgische Entscheidungen eines Filmau- tors hinweg. Für einen Spieler müssen neue Regeln geschrieben werden. Ihm müssen Grenzen auferlegt werden, um eine emotionale Bindung wie die bei einem Film zu errei- chen. Seine eigene „Präsenz“ in einem Spiel deutlich zu machen, dass er Einfluss auf die Geschehnisse hat, ist für Spieleautoren von großer Bedeutung.5 Das Element der Zeitmanipulation kann nun den Verlauf und die Dramaturgie eines Spieles zusätzlich zu den restlichen Interaktionsmöglichkeiten ändern. Denn dadurch besitzt der Spieler in jenen Spielen, welche dieses Element nutzen, eine eigene Zeitlinie, eine persönliche Zeit übernommen aus der realen Welt. Diese persönliche Zeit schreitet stets voran, während der Fluss der Zeit in der Spielewelt aus der dem Spieler vertrauten Bahn gerät und Spieler und Spiel nur noch die Gegenwart gemein haben. Zukunft und Vergangenheit sind in ihren beiden Zeitlinien voneinander getrennt worden. Diese Ent- wicklung kann neue Aussichten des Spielerlebnisses erschaffen. Die Zeit im Spiel kann als Erzählelement, wie auch als Spielmechanik genutzt werden. Die Formen und Folgen von Zeitreisen und Zeitmanipulationen sind umfangreich und erstaunlich. Da in der Realität ein Eingriff in die Zeitlinie unvorstellbar erscheint, ist dieses Thema von besonderem Reiz. Diese Arbeit soll Spieleautoren zu neue Ideen anre-

1 „Computerspiel“ steht in dieser Arbeit stellvertretend als Oberbegriff digitaler Spiele, welches auch Konsolen- und Automatenspiele mit einbezieht. 2 Vgl. (Rollings, et al., 2003 S. 65ff) 3 Vgl. (Rollings, et al., 2003 S. 31) 4 Vgl. (Egenfeldt-Nielson, et al., 2008 S. 169ff) 5 Vgl. (Tamborini, et al., 2006 S. 225ff) 2 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

gen, in wieweit die Zeit als Spielelement in weiteren Entwicklungen eingebaut werden kann. Was müssen sie dabei beachten um unlogische Ereignisse zu umgehen und um den Spielspaß zu erhalten oder noch weiter zu steigern? Begleitend zu dieser Arbeit wurde hierfür ein Spieleprototyp angefertigt, welcher versucht, einigen dieser Fragen eine Antwort zu geben. Bevor jedoch die spielerischen Möglichkeiten von Zeitreisen und Zeitmanipulationen genauer analysiert und erörtert werden, soll zunächst erläutert werden, was zu einer Zeitreise nötig ist. Wie sehen die Sichtweisen der physikalischen und philosophischen Wissenschaft aus und wie lassen sich diese auf eine Spielewelt übertragen. Die Zeitreise in der Wissenschaft 3

2 Die Zeitreise in der Wissenschaft

Möchte man sich mit Zeitreisen beschäftigen, dann muss man sich vorher mit dem Begriff „Zeitreise“ auseinandersetzen. Dieser besteht aus zwei Bestandteilen, den Wort- teilen „Zeit“ und „Reise“. Die physikalische Größe Zeit ist zwar nicht auf grundlegende Phänomene zurückzuführen, lässt sich aber als die Abfolge von Ereignissen beschreiben und hat im Unterschied zu anderen physikalischen Größen eine eindeutige, unumkehr- bare Richtung. Es scheint paradox, dass etwas so unscharfes wie die Zeit das am präzises- ten messbare Phänomen ist und der Technik als unabhängige Basiseinheit zur Definition metrischer Einheitssysteme dient. (Lapczyna, 2009 S. 41) Das Wort „Reise“ steht in diesem Begriff für den Raum, der bei einer Zeitreise durch- schritten wird. 1895 lässt Herbert George Wells seine Titelfigur im Roman Die Zeitma- schine die vierte Dimension erfinden. Wells' namenlose Hauptfigur ist gleichzeitig der erste Zeitreisende, der sich mithilfe einer Zeitmaschine in eine andere Zeit begibt.6 Zehn Jahre später, 1905, veröffentlicht Albert Einstein die spezielle Relativitätstheorie und legt damit die Grundlage zu weiteren Zeitreisetheorien. H. G. Wells erfindet die Zeitma- schine und Albert Einstein die Relativitätstheorie. Beide Erfindungen stehen im direkten Zusammenhang mit der Idee der Zeitreise und der vierten Dimension und somit mit dem Raum-Zeit-Kontinuum. „Es ist klar“, fuhr der Zeitreisende fort, „dass jeder tatsächlich vorhandene Körper sich in vier Dimensionen ausdehnen muss: in Länge, Breite, Höhe und – in Dauer. Aber infolge einer angeborenen Unvollkommenheit unse- rer menschlichen Natur sind wir [...] geneigt, diese Tatsache zu übersehen. Tatsächlich gibt es vier Dimensionen, von denen wir drei die Ebenen des Raums nennen, und eine vierte, die Zeit.“ (Wells, 1996 S. 5f) Auch die Philosophie beschäftigt sich mit dem Wesen der Zeit, nähert sich den Na- turwissenschaften an und übernimmt Wells‘ Begriff der vierten Dimension. Immanuel Kant überlegte schon im Jahre 1780, wie Raum und Zeit im Zusammenhang stehen und seine Schlussfolgerungen ähneln den Ergebnissen, zu denen Einstein viele Jahre später in seinen Arbeiten kam. Um die theoretische Umsetzung einer Zeitreise zu verstehen, müssen physikalische sowie philosophische Erkenntnisse auf diesem Gebiet betrachtet werden und werden im Folgenden näher erläutert.

2.1 Physik der Zeitreise Die Erkenntnisse über das Wesen der Zeit und die Möglichkeit von Zeitreisen wur- den 1905 von Albert Einsteins spezieller Relativitätstheorie neu definiert. Davor besa-

6 Vgl. (Nahin, 1999 S. 22) 4 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

ßen Isaac Newtons Beschreibungen über die „absoluten Zeit“ und dem „absoluten Raum“ allgemeine Gültigkeit.7 I. Die absolute, wahre und mathematische Zeit, an sich und ihrer Natur nach ohne Beziehung zu irgend etwas Äußerem, fließt gleichmäßig dahin und wird auch als Dauer bezeichnet. […] II. Der absolute Raum, seiner Natur nach ohne Beziehung zu irgend etwas Äußerem, bleibt immer gleichartig und unbeweglich. […] (Newton, et al., 1999 S. 28) Newtons Beschreibung der absoluten Zeit liegt auch heute noch dem menschlichen Allgemeinverständnis des Phänomens Zeit zugrunde und geht von nur einem ruhenden Beobachter aus. Die Zeit sei eine Konstante, welche immer gleichbleibend vergeht und dient zur chronologischen Darstellung des Raumes. Newtons „absoluter Raum“ ist an zeitlichen Ereignissen nicht beteiligt und dient nur dazu, diese Ereignisse in ihm statt- finden zu lassen. Einsteins Relativitätstheorie klärt den Zusammenhang zwischen Raum und Zeit, so- dass Newtons Definitionen der „absoluten Zeit“ und des „absoluten Raumes“ aufgegeben werden müssen. Einstein beweist, dass jedes Objekt die Invarianz „Eigenzeit“ besitzt. Durch relative Geschwindigkeiten zueinander sowie Gravitationskräfte kann die Dauer eines Ereignisses für verschiedene Beobachter auch unterschiedliche Werte annehmen. Beobachter von Ereignissen besitzen folgerichtig eine persönliche Zeit, welche für sich schnell bewegende Beobachter langsamer vergeht als für ruhende. Diese Differenz der Zeit an zwei verschiedenen Punkten im Gravitationsfeld wird „Zeitdilatation“ genannt. Durch die Entdeckung der Zeitdilatation ergibt sich nun die erste physikalisch reale Aussicht einer Zeitreise. Vergeht die Zeit an zwei verschiedenen Punkten eines Gravita- tionsfeldes verschieden schnell, so muss für eine funktionierende Zeitreise ein genügend starkes Gravitationsfeld gefunden oder erschaffen werden um eine Zeitreise umsetzen zu können. Das oft zur Verwirrung führende unterschiedliche Fortschreiten der Zeit wird fälschlicherweise als Zwillingsparadoxon bezeichnet. Dieses alte Zwillingsbeispiel ist jedoch ganz und gar nicht paradox, sondern erfüllt nur die Gesetze der Eigenzeit. Es wurde schon lange bewiese, dass eine Uhr, welche sich auf eine lange Reise begibt grundsätzlich weniger Zeit misst, als eine ruhende Vergleichsuhr.8 Die Gedankenexperimente mit dem Zwillingsparadoxon ergeben so also eine Mög- lichkeit, dass eine Person in die Zukunft reisen kann. Physisch problematisch ergibt sich dahingegen die Reise in die Vergangenheit, da die Zeit immer vorwärts schreitet und diese auch fest an den Raum gebunden ist. Theoretisch ist die Reise in die Vergangenheit durch die Relativitätstheorie nicht ausgeschlossen, aber es müssen dafür Abkürzungen gefunden werden. Eine Möglichkeit wäre es, mithilfe von Wurmlöchern die Raumzeit zu verbiegen, was jedoch praktisch unmöglich erscheint. Wurmlöcher zu finden oder zu erstellen ist bis jetzt noch nicht gelungen. Auch diese stabil zu halten scheint unmöglich. Eine andere Idee beschäftigt sich mit der Reise entlang einer Zeitschleife der gekrümm- ten Raumzeit, welche aber einen speziellen in diesem Universum nicht anzutreffenden Raum benötig. Die Theorien über die Reisen zurück in die Vergangenheit werfen ferner stets Kausa- litätsprobleme auf. Eine Zeitreise in die Vergangenheit würde immer die ihr folgenden Ereignisse beeinflussen, so dass die Zeit, in welcher ein Zeitreisender seine Reise be- ginnt, nie so stattfinden wird. Der Wissenschaftler Stephen Hawking sagte 1992: „Die

7 Vgl. (Hacker, 2008 S. 9ff) 8 Vgl. (Schulz, 2005) Die Zeitreise in der Wissenschaft 5

Gesetze der Physik haben sich verschworen, eine Zeitreise von makroskopischen Objek- ten zu verhindern.“ Eine Lösung des Kausalitätsproblems wäre eine umstrittene quan- tenmechanische Interpretation der Vielwelten-Theorie. Laut dieser Theorie existiert ein Multiversum, welches sich zu jedem Zeitpunkt in verschiedene Welten verzweigt. Für jede mögliche Zukunftsentwicklung gäbe es ein Universum und ein Zeitreisender würde zwischen den Universen hin- und herspringen.9 Manchmal wird auch heute von Wissenschaftler die Möglichkeit der Zeitreise heran- gezogen um nichterklärbare Ereignisse zu verstehen. So stellten 2009 einige Physiker die Behauptung auf, dass der LHC (Large Hadron Collider, deutsche Bezeichnung großer Hadronen-Beschleuniger) eine sich selbst manipulierende Zeitmaschine wäre. Hadronen wären zeitreisende Teilchen, welche aus der Zukunft kämen um die Inbetriebnahme des Hadronen-Beschleunigers LHC verhindern würden.10 Darüber hinaus gibt es noch wei- tere geniale und originelle Zeitreisetheorien von Naturwissenschaftlern, welche sich von Quantenmechaniken bis zu Superstrings erstrecken, welche in dieser Arbeit aber nicht weiter erwähnt werden. Entgegen dem physikalischem Problem der Zeitreise in die Vergangenheit gibt es in der Philosophie das Problem, in die Zukunft zu reisen. Denn die Zukunft existiert noch nicht und muss erst vom Lauf der Zeit geformt werden. Die alten Griechen hielten die Zeit noch für einen Kreis, in dem sich die Geschichte immer wiederholt. Später wich man von dieser Vorstellung ab und die Idee einer Zeitlinie nahm die Position ein.11 Auf der Zeitlinie besitzt jede Zeit Raum, so dass Zeitreisen nicht im Leeren enden würden. Wenn die Zukunft nun aber doch existiert, die Zeit eine scheinbar endlose Linie bildet und ein Zeitreisender aus der Vergangenheit möchte diese Zukunft bereisen, wie weit wäre es ihm möglich in die Zukunft zu reisen? Hawking zufolge hat Zeit schon immer existiert. Doch wäre der Urknall der Anfang aller Zeit, was wäre das Ende? Wo auf der Zeitlinie liegt der vorderste Punkt, zu dem eine Zeitreise führen könnte? Wäre dieser Punkt viel- leicht die Zerstörung der irischen Welt?12

2.2 Denkmodelle für Zeitreisen Einsteins Auffassung, dass Raum und Zeit in Verbindung stehen, erwähnte Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft schon 1760. Er beschreibt den Raum und die Zeit darin als „reine Anschauungsformen“, wobei, wie auch bei Einstein, die Zeit vom Standpunkt des Beobachters abhängt.13 Die Zeit ist kein diskursiver, oder, wie man ihn nennt, allgemeiner Begriff, sondern eine reine Form der sinnlichen Anschauung. Verschiedene Zeiten sind nur Teile eben derselben Zeit. Die Vorstellung, die nur durch einen ein- zigen Gegenstand gegeben werden kann, ist aber Anschauung. Auch wür- de sich der Satz, daß verschiedene Zeiten nicht zugleich sein können, aus einem allgemeinen Begriff nicht herleiten lassen. Der Satz ist synthetisch, und kann aus Begriffen allein nicht entspringen. Er ist also in der Anschau- ung und Vorstellung der Zeit unmittelbar enthalten. (Kant, 2006 S. 30)

9 Vgl. (Krause, 2007) 10 Vgl. (Overbye, 2009) 11 Vgl. (Lapczyna, 2009 S. 25) 12 Vgl. (Hacker, 2008 S. 13ff) 13 Vgl. (Zimmermann, 2004) 6 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

In seinem Werk stellt Kant Fragen, welche für Zeitreisen eine große Bedeutung dar- stellen. „Was sind nun Raum und Zeit?“ (Kant, 2006 S. 26) Zusätzlich fragt er nach der Beständigkeit und dem permanenten Vorhandensein von Raum und Zeit. Laut Kant sind Raum und Zeit äußerlich nicht sichtbar, ihre Existenz kann aber durch Beobachtung von Veränderungen in Form und Position sichtbarer Objekte erkennbar gemacht werden und bilden so eine Einheit.14 Der Raum kann laut Kant empirisch nicht bewiesen werden, existiert aber und ist zudem frei und unabhängig. Der Raum wird benötigt um Objekte zu betrachten, zu ko- ordinieren und zu positionieren. Er muss unabhängig von der Beobachtung dieser Ob- jekte sein und chronologisch vor ihnen existieren. Der Raum ist eine notwendige Vorstellung a priori, die allen äußeren An- schauungen zum Grunde liegt. Man kann sich niemals eine Vorstellung machen, daß kein Raum sei, ob man sich gleich ganz wohl denken kann, daß keine Gegenstände darin angetroffen werden. (Kant, 2006 S. 26) Kant geht davon aus, dass der Raum vor allem anderen existiert und ab seiner Exis- tenz betreten werden kann. Aus der Sicht eines Zeitreisenden, kann dieser also nur den Raum betreten, wenn er sich rückwärts durch die Zeit bewegt, da der zukünftige Raum noch nicht definiert wurde. Er kann einzig aus der Vergangenheit wieder in die Gegen- wart zurückkehren. Eine Zeitreise in die Zukunft hingegen steht vor dem Problem des eventuellen Nichtvorhandenseins des Raumes. Durch Kants Definition „Der Raum wird als eine unendliche Größe gegeben vorgestellt“ (Kant, 2006 S. 27) kann dieses Problem umgangen werden. Dazu wird der Raum nicht als allgemeiner Begriff sondern als reine Anschauung betrachtet. Bei dieser Definition ist es nur möglich, einen einzigen Raum zu betrachten, welcher sich innerhalb des sogenannten allumfassenden „Basisraumes“ be- findet. Durch diese Herangehensweise werden Zeitreisen möglich. Man stelle sich vor, dass jede Zeiteinheit einen eigenen Unterraum besitzt, welcher sich in einem Basisraum zu- sammen mit allen anderen Unterräumen befindet. Die Räume können nur in eine Rich- tung und mit immer derselben Geschwindigkeit durchschritten werden. Ein zuvor be- suchter Raum kann nicht noch einmal betreten werden, noch kann man in einem Raum stillstehen oder schneller in den nächsten Raum wechseln. Diese Tatsachen bilden die Gesetze des Basisraumes. In der Zeitreise scheint es, dass diese Regeln für den Moment der Reise umgangen werden müssen. Ein Zeitreisender besitzt quasi die Möglichkeit, sich entscheiden zu können, welchen Raum er wann und für wie lange betritt. Außerhalb des Moments der Zeitreise gelten für ihn weiter die Gesetze des Basisraumes.15 Sowie der Raum, kann auch die Zeit nicht empirisch bewiesen werden. Das Wahr- nehmen der Aufeinanderfolge von Testergebnissen kann nicht geschehen, wenn die Zeit nicht schon ihnen zu Grunde liegen würde. Das Vorhandensein der Zeit muss sich vorge- stellt werden, um die Abfolge von Ereignissen erkennen zu können. Laut Kant ist es nicht möglich die Zeit aus Ereignissen heraus zu nehmen, Ereignisse aber aus der Zeit. Die Zeit kann ohne Ereignisse existieren, andersherum kann aber kein Ereignis ohne Zeit sein. Zeit kann nicht aufgehalten oder entfernt werden, sie ist die Vorstellung, wel- che das Erkennen von den noch so kleinen Ereignissen ermöglicht.

14 Vgl. (Hacker, 2008 S. 16) 15 Vgl. (Hacker, 2008 S. 17ff) Die Zeitreise in der Wissenschaft 7

Auf diese Notwendigkeit a priori gründet sich auch die Möglichkeit apodik- tischer Grundsätze von den Verhältnissen der Zeit, oder Axiomen von der Zeit überhaupt. Sie hat nur Eine Dimension: verschiedene Zeiten sind nicht zugleich, sondern nacheinander (so wie verschiedene Räume nicht nachei- nander, sondern zugleich sind). (Kant, 2006 S. 30) Durch Kants Definition, dass das Raum-Zeit-Gefüge nur eine Dimension besitzt, wird für Zeitreisen sichergestellt, dass eine Reise nicht zu einer anderen Welt führt, sondern sich wirklich nur das Datum ändert. Die Zeitreise ist räumlich gebunden, der Basisraum kann nicht verlassen werden. Die Reise in die Vergangenheit ist die Reise entlang einer einzigen Zeitlinie zu einem schon geschehenen Zeitpunkt. Die Reise in die Zukunft hin- gegen ist ungewiss, da diese Zukunft nur eine von vielen möglichen ist. Der Zeitreisende darf nach der Reise in die Zukunft nicht in die Gegenwart zurückkehren, da er mit sei- nem in der Zukunft erlangten Wissen die Geschehnisse in der Gegenwart ändern würde und somit die Zukunft ändern würde.16 Folglich ist die Zeit eine Form der sinnlichen Anschauung. Gilles Deleuze schreibt, dass der Mensch in der Zeit lebt, die Zeit aber nicht in ihm. Die Zeit geht allem voraus. Der Mensch, der sich bewegt und verändert, erlebt jedes Ereignis individuell und nimmt diese Ereignisse auch unterschiedlich wahr. So gelangt die Vorstellung der Zeit in das Innere des Menschen. Weiter meint er, dass die Zeit sich in zwei Momente aufteilt: in die vorübergehende Gegenwart und der sich bewahrende Vergangenheit.17 Diese Ansicht führt zur Zeitspaltung, welche die zwei Bilder des Aktuellem und des Virtuellem, der Erinnerung, in jedem Moment beschreibt. Durch die Erinnerung, im Film das Erinne- rungsbild, werden diese zwei Bilder zu einem zusammengeführt. Das Fühlen und die Beobachtung von Veränderungen ist die einzige Mög- lichkeit Zeit wahrzunehmen, da sie keine äußere Gestalt besitzt. (Hacker, 2008 S. 22) Die Momente der Dauer umfassen nicht nur die zeitliche Ausdehnung einer Zeit- spanne. Im Gegensatz zu der physikalisch gemessenen Zeit umfasst die von Henri Berg- son benannte Dauer einen in dem menschlichen Bewusstsein erlebten zeitlichen Rhythmus.18 Neben der Gleichzeitigkeit der Räume beschreibt Bergson, dass die Mo- mente der Dauer untrennbar ineinander fließen. Bei der physikalisch verstandenen Zeit ist es möglich, diese zu fragmentieren. Bergson aber sieht die Zeit als einen immerwäh- renden Fluss von Veränderungen, als Dauer. Einschnitte in Dauer wären auch Einschnit- te in die Bewegung selbst. Sie sind künstlich und verwandeln die innere Organisation der Veränderungen. Im Gegensatz zu Raum lässt sich die Dauer nur um den Preis ihrer Wesensveränderung teilen. Dies wird beschrieben in Bergsons These der generellen Koexistenz von Vergangenheit und Gegenwart. Die Vergangenheit lässt sich nicht von der Gegenwart abspalten, da sie immer ein Teil von ihr ist. Die Bewegung der Dauer ist nicht als lineares Fortschreiten anzusehen, sondern als die Veränderung des Gesamtbil- des.19 Trotz all den Arbeiten und Veröffentlichungen über Raum und Zeit in Physik und Philosophie sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Denkweise über die Möglichkeit der

16 Vgl. (Hacker, 2008 S. 20ff) 17 Vgl. (Deleuze, 1991 S. 113) 18 Vgl. (Groh, 2007 S. 100) 19 Vgl. (Volland, 2009 S. 33f) 8 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Zeitreise nicht von allen Wissenschaftlern geteilt wird. Einige Physiker stehen dieser Theorie sehr skeptisch gegenüber. Trotz der vielen interessanten wissenschaftlichen Theorien, würden alle Versuche einer praktischen Zeitreise scheitern. Sie listen dafür einige schlüssige Gegenargumente auf. Das empirische Gegenargument besagt, dass, wenn Zeitreisen wirklich irgendwann in der entfernten Zukunft umzusetzen wären und die Vergangenheit dann bereist wurde, es wenigstens einen schlüssigen Augenzeugen- bericht über einen Zeitreisenden geben würde. Ein weiteres Gegenargument ist das des Kausalitätsprinzips. Es beschreibt, dass jede Änderung in der Vergangenheit, die Ge- genwart ändern würde. Diese Änderung der Gegenwart würde diese Reise in die Ver- gangenheit aber wieder aufheben. Ein weiteres Gegenargument soll sein, dass die Materialisierung eines Zeitreisenden zu einer anderen Zeit niemals möglich ist. Die Ma- terie an dem Zielpunkt der Zeitreise müsste für den Zeitreisenden Platz schaffen. Die Atmosphäre besitzt Materie. Auch das Vakuum im Weltraum ist nicht wirklich vollstän- dig leer. Die Erde und auch die Galaxie stehen niemals still im Universum. Eine Zeitreise wäre also immer auch eine Raumreise und der Zeitreisende wüsste nie genau, wo er landen würde. Eines der ausschlaggebendsten Gegenargumente der Zeitreise-Skeptiker ist das des objektiven Zufalls. Hier wird ein voraussetzungsloses Ereignis beschrieben. Während in der makrophysikalischen Welt die kleinste Veränderung in der Welt laut der Chaostheorie zu einem großen Komplex an Veränderungen in der Zukunft führen kann, ist es zudem noch unmöglich vorauszusagen, was sich in der mikrophysikalischen Welt abspielt. Subatomare Teilchen reagieren in einer Art und Weise, der man keine Ursache zuordnen kann. Ein Beispiel dieser Unvorhersehbarkeit soll die Vakuumfluktuation sein. Im scheinbar materiefreien Raum entstehen und zerfallen Teilchen an verschiedenen Punkten und zu unterschiedlicher Zeit, denen man keine Kausalität zuordnen kann. Ein Zeitreisender braucht für die Reise in die Zukunft einen real existierenden Punkt, der durch diese Unvorhersehbarkeit nicht gegeben ist. Er wäre der Gefahr ausgesetzt im Nichts zu verschwinden, da die Zukunft aus seiner Sicht noch nicht stattgefunden hat.20 Da sich aber diese Arbeit mit der fiktiven Anwendung der Zeitreise innerhalb von Computerspielen befasst, bleibt abschließend zu erwähnen, dass für die Theorie der Zeitreise wichtig ist, dass Philosophie und Physik sich einig sind: Zeit und Raum war schon immer vorhanden. Die Zeitlinie, auf der vorwärts oder rückwärts durch die Zeit gereist werden kann, sowie das lokale Ziel, sind immer gegeben. Ein Wechsel des Stand- punktes auf der Zeitlinie, oder physikalisch das Erzeugen eines Gravitationsfeldes, er- möglichen den ursprünglichen Zeitverlauf zu verlassen und einen neuen, durch den ho- hen Geschwindigkeitsunterschied, zu betreten.

20 Vgl. (Jenter, 2002) Die Zeitreise und Zeitmanipulation in der Fiktion 9

3 Die Zeitreise und Zeitmanipulation in der Fiktion

Bevor sich die Wissenschaft mit der Möglichkeit von Zeitreisen auseinandersetzte, wurde diese Idee von Schriftstellern aufgegriffen. Mark Twain veröffentlichte 1889 seine Geschichte Ein Yankee am Hofe des König Artus. Das Werk ist ein satirischer Science Fic- tion-Roman, der sich erstmals mit dem Element der Zeitreise befasst. Mark Twain inspi- rierte so ein Sub-Genre der Science Fiction-Literatur, welches sich mit Zeitreisen in die Vergangenheit beschäftigt.21 Doch Twains Geschichte beinhaltet das Element der Zeitreise nur als Sprungbrett für eine Schilderung der Kontraste der verschiedenen Zeiten. Erst H. G. Wells‘ Roman „Die Zeitmaschine“ ist der erste Zeitreise-Roman in welchem bewusst eine Zeitmaschine verwendet wird. Erstmals wird eine Maschine verwendet, welche es dem Zeitreisenden ermöglicht, in die von ihm angestrebte Zeit zu reisen. Romane über Zeitmaschinen wur- den aber erst später populärer. Nachdem Einstein die physischen Grundlagen mit seiner allgemeinen Relativitätstheorie schuf, wagten sich mehr Schriftsteller an diese Materie. Den wahren Durchbruch aber gelang der Zeitreise-Fiktion erst, als im Zuge des Kalten Krieges 1960 der gleichnamige Film zur Wells‘ Die Zeitmaschine erfolgreich in den Kinos lief.22 Fortan wurden und werden bis heute noch zahlreiche Geschichten veröffentlicht, in denen eine Zeitmaschine den oder die Protagonisten durch die vierte Dimension schickt. Die Zeitmaschinen in den verschiedenen Geschichten von Film, Literatur und auch Computerspielen unterliegen auch unterschiedlichen Regeln, welche innerhalb des fikti- ven Universums immer eingehalten werden müssen, damit die Geschichte neben dem Fakt der praktizierten Zeitreisen nicht zu fantastisch und unglaubwürdig wird. Zusätzlich gibt es in der Fiktion noch die Verwendung der Zeit in einem nicht traditi- onell echtzeitlich und chronologisch korrekten Verlauf des Geschehens. Auch dieser Herangehensweise an die Möglichkeiten mit dem Spiel der Zeitvorstellung in der Fiktion soll Aufmerksamkeit geschenkt werden. Denn obwohl es sich bei einem Spiel mit der Zeit in der Erzählweise nicht um einen Akt der Zeitreise handelt, verlässt der Beobach- ter23 eines solchen Werkes in Gedanken seinen natürlichen Sinn der Zeitwahrnehmung und man kann von einer Zeitmanipulation des Autors24 sprechen.

3.1 Zeitmaschinen Den Figuren und Objekten ist es von sich aus in den meisten Filmen und Computer- spielen nicht möglich durch die Zeit zu reisen. Für das Gelingen einer Reise entlang der vierten Dimension wird in diesem Fall ein Hilfsmittel benötigt, sei es ein technisches Wunderwerk, eine physikalische Anomalie oder auch Magie. Je nach der Beschaffenheit dieser Zeitmaschine unterliegt diese auch ihren eigenen Regeln und je nach der erzähl- ten Geschichte funktioniert sie anders.

21 Vgl. (Lesch, et al., 2005) 22 Vgl. (UGO Entertainment, Incorporated, 2007) 23 Je nach Werk soll der Beobachter hier einen Leser, Zuschauer oder Spieler repräsentieren. 24 Der Autor soll im Folgenden vereinfachend die Personengruppe der Schriftsteller, Regisseure, Cut- ter, Drehbuchautoren, Spieledesigner etc. repräsentieren. 10 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Es bleibt zu klären, ob der Reisende die Zielzeit selbst bestimmen kann oder ob dies von der Maschine bestimmt wird. Wird es von der Maschine- rie bestimmt, so stellt sich die Frage, ob das überbrückte Zeitintervall kon- stant bestehen bleibt oder ob es wechselt oder gar ganz erlischt. Kann die Zeitmaschine ihren Benutzer sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft befördern oder funktioniert sie nur in eine Richtung? Und ist es dem Reisenden, nach seinem Ausflug in die Zukunft oder in die Vergan- genheit, möglich zum Ausgangspunkt, also in seine eigene Gegenwart, zu- rückzukehren? Tritt der Abenteurer nur eine Reise durch die Zeit an oder durchquert er Zeit und Raum? (Hacker, 2008 S. 5) Weiter sollte auch nachgefragt werden, ob der Dornröschenschlaf oder die in der Science Fiction verwendete Kryostase, der Kälteschlaf, als Zeitreise gilt. Obwohl eine Person durch diese Technik sich in die Zukunft versetzen kann, sollte man davon aber absehen. Der Körper verlässt in keinem Augenblick den Zeitstrang. Der scheinbare Zeit- reisende verhält sich ähnlich wie der Inhalt einer vergrabenen Zeitkapsel, welche auch keine Zeitmaschine darstellt. Durch eine Zeitkapsel oder einen Brief mit festgeschriebe- nen Zustelldatum lassen sich zwar Nachrichten in die Zukunft schicken, doch ist es nicht gesagt, dass die Zeitkapsel oder der Brief vergessen oder gar vernichtet werden. In der Fiktion wird für die Zeitreise am häufigsten eine Zeitmaschine verwendet, aber auch der Gebrauch von Wurmlöchern ist in der Welt der Science Fiction populär. Da magische Zeitreise-Utensilien, wie der Dolch der Zeit aus den Prince of Persia-Spielen, ihre eigenen Gesetze bilden, sollen sie in diesem Kapitel nicht weiter untersucht werden. Bei einer Zeitmaschine muss dessen Funktionalität für den Beobachter erläutert werden, da diese in den Geschichten auch von Menschen geplant und konstruiert wird. Die Zeitreise und Zeitmanipulation in der Fiktion 11

Abbildung 1, die Reise durch die Zeit, dargestellt in Chrono Trigger

Über die verschiedenen Werke hinaus können sich die Zeitmaschinen von ihrer Kon- struktion stark unterscheiden, doch ähneln sie sich stark in ihrer Funktionalität. So wird in allen Geschichten von einem linearen Zeitfluss ausgegangen, welcher über die unter- schiedlichen Geschwindigkeiten der Zeit an den verschiedenen Stellen im Gravitations- feld Zeitreisen anbietet. So besitzt jede Zeitmaschine einen Schutzschild um sich und seine Insassen vor den umgebenen Einfluss des normalen25 Zeitflusses zu schützen. In- nerhalb der Zeitmaschine entsteht für die Insassen ein eigener Zeitfluss. 26 Damit eine genügend starke gravimetrische Veränderung im Raum erschaffen werden kann, welche eine Zeitreise theoretisch ermöglicht, benötigt man eine extrem hohe Energieversor- gung. Um dies in Geschichten und Computerspielen zu kompensieren, findet meist ein technisches Wundermittel Verwendung, welches nicht näher erläutert wird. In dem Spiel Day of the Tentacle ist dieses Wundermittel eine Zentraleinheit, welche durch ei- nen riesigen Diamant betrieben wird. Als Vehikel für die Zeitreisen dienen die mit der Zentraleinheit verbundenen Toilettenkabinen. In Spielen mit einer mobilen Zeitmaschine besteht diese aus einem Vollkörperanzug, wie in dem Spiel TimeShift. Die für die Zeitreisen verwendete Energie bezieht der Anzug in TimeShift direkt aus sich regenerierenden Batterien, welche sich je nach der gewähl- ten Art der Zeitreise entlädt. Die drei verschieden wählbaren Zeitmanipulationsfähigkei- ten benötigen je nach Stärke der Zeitverschiebung unterschiedlich starke künstliche Gravitationsfelder und somit auch mehr Energie bei einer größeren Abweichung. Der Zeitreiseanzug besitzt zusätzlich, anders als in anderen fiktiven Werken über Zeitreisen,

25 „Normal“ soll hier die Zeit und der Zeitfluss sein, wenn sie sich konstant und regelmäßig verhalten, so wie es in der Natur bekannt ist. In dem Kontext der Zeitreise ist dies wichtig, um diese Zeit und den Zeitfluss von dem anormalen und unregelmäßigen Zeitverlauf, welcher für die Zeitreise notwendig ist, unterscheiden zu können. 26 Vgl. (Hacker, 2008 S. 36ff) 12 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 2, der Zeitstrudel als Verbindungsdimension zwischen den Epochen

die Möglichkeit sowohl den Träger in einer anderen Geschwindigkeit entlang der Zeitli- nie durch seine Welt zu führen, als auch direkt zu bestimmten Zeitpunkten zu springen. In der Regel ist es in Zeitreise-Geschichten so, dass man den genauen Zeitpunkt festlegt, zu welchem man reist. Diese Zeitreise ist von ihrer subjektiven Dauer so kurz, dass man auch dazu Zeitsprung sagen kann. Der Sprung ist dabei meist nur ein kurzer Augenblick, in welchem sich die Gegenwart neutralisiert und gleichzeitig die neue Zeitlinie materia- lisiert. In Chrono Trigger begeben sich die Spielfiguren dafür auf eine Reise durch einen eigenen Zeitraum, bei welchem das sogenannte Ende der Zeit der zentrale Punkt zur Zusammenführung aller Zeiten darstellt. Wie in Abbildung 1 zu sehen, können die Rei- sen ebenfalls direkt durch den Zeitraum von einer Zeit zur nächsten vollzogen werden. Die Reise von einem Zeitpunkt zum anderen erfolgt dabei direkt. Auch in Day of the Tentacle begeben sich die drei Hauptfiguren für die Zeitreise in eine außerräumliche Dimension, in einem Strudel der Zeit, dargestellt in Abbildung 2. Aus diesem Strudel heraus gelangen sie in unterschiedliche Epochen, der Handlung der Geschichte wegen zuerst nicht in die gewünschte, sondern gleichzeitig in drei verschiedene Zeiten: Ver- gangenheit, Gegenwart und Zukunft. Einen anderen Weg der Darstellung der Zeitreise geht der Film Die Zeitmaschine. Hierbei bewegt sich der Protagonist durch die Zeit, in dem er einen Hebel vor oder zu- rück bewegt. Je nachdem, wie weit der Hebel nach vorne oder hinten bewegt wird, desto schneller bewegt sich die Zeitmaschine durch die Zeit. Während der Reise befindet sich die Zeitmaschine in einem eigenen Zeitfluss und da sie von niemandem außerhalb der Maschine wahrgenommen wird, kann angenommen werden, dass sie sich in einem eige- nen Raum-Zeit-Kontinuum neben dem natürlichen befindet. Im Gegensatz zu Zeitmaschinen hat die Verwendung von Wurmlöchern in Geschich- ten den Vorteil, dass ihr Auftreten nicht unbedingt erklärt werden muss, da es sich bei ihnen um Launen der Natur handelt. Bei Wurmlöchern, auch Portale genannt, handelt es sich um Risse im Raum-Zeit-Gefüge, sie gelten als unvorhersehbar und sind noch wei- testgehend unerforscht. Der Begriff „Wurmloch“ stammt von der Analogie eines sich Die Zeitreise und Zeitmanipulation in der Fiktion 13

Abbildung 3, Skizze über die Funktionsweise von Wurmlöchern (Hacker, 2008 S. 31) durch einen Apfel fressenden Wurmes, welcher dadurch zwei Punkte desselben Raumes mit einem Tunnel verbindet. Geht man von der anfangs beschriebenen Idee eines Basis- raumes aus, entsteht so eine Verbindung zweier Unterräume innerhalb des Basisrau- mes. Somit ist durch die Verwendung von Wurmlöchern nicht nur eine Reise im Raum, sondern auch eine Reise durch die Zeit möglich. In Filmen und Spielen ist ein Wurmloch aber meist nicht beständig und nur kurzzeitig nutzbar. Ein Zeitreise-Wurmloch verbin- det zwei Punkte in der Zeit und würde es sich theoretisch sehr lange aufrechterhalten, würden sich ab einem Punkt der Zeit, die beiden Enden des Wurmloches überschneiden. Das zeitlich erste Auftreten des Wurmloches, darf nicht so lange andauern, dass es sein zweites Auftreten miterlebt. Daraus folgt, dass ein Wurmloch nur innerhalb zweier be- grenzter voneinander getrennter Zeitspannen genutzt werden kann. Diese beiden Zeit- spannen besitzen dabei dieselbe Dauer. Diese Dauer wird dabei von der Größe des Wurmloches bestimmt.27 Als anschauliches Beispiel soll hier das Wurmloch aus Abbildung 3 dienen. Das Wurmloch ist im Zeitraum von 1950 bis 2000 beständig und ermöglicht in dieser Zeit- spanne von 50 Jahren eine Reise in die Zukunft. Im Jahre 2000 verschwindet das Wurm- loch und taucht erst wieder im Jahre 3950 auf. Innerhalb des Wurmloches bestehen zeit- liche Zusammenhänge, die gewährleisten, dass wenn ein Zeitreisender, welcher bei- spielsweise aus dem Jahre 1950 in das Jahr 3950 reist, sich dort fünf Stunden aufhält und wieder zurückkehrt, bei seiner Rückkehr auch fünf Stunden in seiner Ursprungszeit vergangen sind. So verhält es sich auch mit der Aufenthaltsdauer innerhalb eines Wurm- loches. Ein zweiter Zeitreisender, welcher dem ersten fünf Minuten später durch das Wurmloch in die Zukunft folgt, kommt auch fünf Minuten später als der erste an.28 In Michael Crichtons Roman Timeline wird mit einem Quantencomputer eine Zeitrei- se ermöglicht, welche an eine Reise durch ein Wurmloch erinnert.29 Diese Zeitmaschine ähnelt deswegen einem Wurmloch, weil zwar ein Eingangsportal zu jedem Zeitpunkt in der Gegenwart erschaffen werden kann, die Zielportale aber nicht frei bestimmt werden können und sich auch von ihrer lokalen Position je nach der bereisten Zeit unterschei- den. Es wird erklärt, dass diese Maschine parallele Quantenuniversen miteinander ver- bindet. Die anzureisenden Zeiten verlaufen neben der normalen Zeit in einer anderen Quantendimension, aber auf derselben Zeitlinie. Diese Maschine kombiniert also die Un- beständigkeit und Unvorhersehbarkeit eines Wurmloches mit der Beständigkeit der modernen Technik. Auch die Toilettenkabinen aus Day of the Tentacle ähneln Wurmlöchern, obwohl es sich bei ihnen um drei statt zwei Portalöffnungen handelt. Sie sind über die außerräum- liche Dimension miteinander verbunden und gestatten das Interagieren der drei Zeiten miteinander. Wenn beispielsweise zwei Stunden nach der Zeitreise die Spielfigur der

27 Vgl. (Hacker, 2008 S. 30) 28 Vgl. (Hacker, 2008 S. 31) 29 Vgl. (Crichton, 2000) 14 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 4, die Toiletten in Day of the Tentacle dienen als Portale

Zukunft ein Objekt in die Toilette gibt, kann es auch erst nach zwei Stunden in der Ge- genwart von der zweiten Spielfigur aus der Toilette genommen werden. Die außerräum- liche Dimension bewegt sich quasi parallel zu den drei Zeiten des Spieles nebenher und verbindet somit die Zeiten, als würden sie gleichzeitig, aber räumlich voneinander ge- trennt vergehen.

3.2 Zeit als Erzählelement Es wurde nun betrachtet, wie Zeitreisen in Geschichten bewerkstelligt werden. Aber auch der Beobachter selbst kann sich mithilfe eines Filmes oder eines Computerspieles auf eine virtuelle Zeitreise einlassen und zwar dann, wenn der Autor die Erzählung nicht linear und in Echtzeit ablaufen lässt, wenn er selbst mit dem Möglichkeiten der Zeit spielt. Für den Menschen ist die Zeit etwas Unsichtbares. Für sie ist nur die Gegenwart wahrnehmbar, während die Vergangenheit und die Zukunft sich nur vor dem geistigen Auge abspielen können. Auf der Leinwand hingegen ist dies jedoch anders. Hier kann sich eine Zeitinszenierung dem zeitästhetischen Potential widmen.30 Selbiges kann auch über eine Zeitinszenierung in Computerspielen gesagt werden, da diese sich vieler Ele- mente aus dem filmischen Bereich bedienen. Wenn es in einem Computerspiel zu einer nichtlinearen Erzählweise kommt, müssen die verschiedenen Zeiten dem Beobachter klar gemacht werden. Die verschiedenen Zeitpunkte müssen mit Merkmalen versehen werden, damit der Beobachter die andere Zeit erkennen kann. Seien es spezifische Merkmale der jeweiligen Epoche oder Bilder, welche aufzeigen, wohin sich die Geschichte entwickeln wird.31 Eine einfache Form die- se Hin-Entwicklung darzulegen stellt eine Verwendung von Déjà-vu-Erlebnissen dar. Virtuelle Bilder werden für den Beobachter nochmals durch aktuelle Bilder aufgefrischt. Diese Verfahren der Zeitidentifikation findet nicht nur in nicht-linearen Geschichten Verwendung, sondern ist auch für Zeitreise-Geschichten von Bedeutung.

30 Vgl. (Volland, 2009 S. 13) 31 Vgl. (Hacker, 2008 S. 46) Die Zeitreise und Zeitmanipulation in der Fiktion 15

Wenn das gegenwärtige Bild nicht gleichzeitig schon vergangen wäre, dann würde die Gegenwart niemals vergehen. Die Vergangenheit folgt nicht auf die Gegenwart, die sie nicht mehr ist, sie koexistiert mit der Ge- genwart, die sie gewesen ist. […] Jeder Augenblick unseres Lebens bietet demnach diese beiden Aspekte: er ist aktuell und virtuell, einerseits Wahr- nehmung andererseits Erinnerung. (Deleuze, 1991 S. 109) Damit zeigt Deleuze den engen Zusammenhang zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf. Der Autor einer Geschichte, welche eine nichtlineare Erzählweise oder das Element Zeitreise verwendet, nutzt Deleuzes Erkenntnis als Basis, um dem Beobach- ter die unterschiedlichen Zeiten erkennen zu lassen. Er nutzt die angesprochenen Bilder und Merkmale zur Wiedererkennung. Das Computerspiel Prototype beginnt der Spieler kurz vor dem Ende der Geschichte als der von Militär und Zombies gejagten Alex, welcher Superkräfte besitzt. Anschlie- ßend unterhält sich Alex mit einem Bekannten über seine Erinnerungen der letzten Ta- ge, die der Spieler dann nachspielen muss. Während dieser Déjà-vus erfährt er weitere Erinnerungen in Form von Cutscenes. Die Erinnerungen erscheinen folglich rekursiv. Je weiter man im Spielverlauf voran schreitet, desto näher kommt man den Ereignissen des Beginns des Spieles, bis diese von der Gegenwart eingeholt werden und das Spiel zum Ende kommt. Das Spiel wechselt beständig die Erzählzeit und schafft so eine Span- nung, die so durch Linearität nie entstanden wäre. Der Spieler glaubt bis tief ins Spielge- schehen hinein ein unschuldig Gejagter zu sein, findet dann aber doch heraus, dass er für die Zombieinfektion verantwortlich ist und verbündet sich anschließend mit dem Mili- tär. Neben der Darstellung subjektiver Zeitwahrnehmungen wie Zukunftsvisionen, Vor- ahnungen, Erinnerungen und Déjà-vu-Effekten können Autoren auch die technischen Möglichkeiten der Medien Film und Computerspiel ausschöpfen, um die Zeit mehrdi- mensional erscheinen zu lassen, ja sogar zu ästhetisieren. Durch die Verwendung des filmischen Zeitvokabulars, welches aus Montage-, Trick- und Digitaltechnik besteht, ist es den Autoren möglich, bestimmte Zeiteindrücke zu erschaffen.32 [Die verwendeten Techniken umfassen unteranderem] optische Simultani- tät durch Parallelmontage, visuelle Präsenz von Erinnerungen durch Rück- blenden, Zeitverdichtung und -dehnung durch Zeitraffer, Zeitlupe, Freezing oder Bullet-Time. […] Somit reicht das zeitästhetische Potential, das die Zeitinszenierung dem Film zuspricht, von der Rekonstruktion außerfilmi- scher Zeitverhältnisse über die Inspiration und Modulation des subjektiven Zeitbewusstseins bis hin zur Kreation vollkommen neuartiger Formen tem- poralen Erlebens. (Volland, 2009 S. 29) Zeit wird als medialer Effekt angesehen. Er erweitert nicht nur die Möglichkeiten der Darstellung der Natur, wie es beispielhaft in Abbildung 5 zu sehen ist, sondern eröffnet Autoren auch viele Möglichkeiten, die Gefühle des Beobachters zu manipulieren und zu steuern. Dramatische Szenen werden langsam abgespielt, komische Szenen häufig be- schleunigt und innerhalb der Welt der Computerspiele können diese und weitere Zeitef- fekte problemlos adaptiert werden.

32 Vgl. (Volland, 2009 S. 29) 16 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 5, Darstellung von Regentropfen im verlangsamten Zeitfluss von TimeShift

Der Film kann die physische Realität wiedergeben und die Kontinuität stellt das Leitprinzip der kinematographischen Zeitwiedergabe dar. Doch die Brechung der Geset- ze der Zeit ermöglicht es, über eine außerweltliche Darstellung hinauszuschauen. Auto- ren wird es ermöglicht, Zeitparadoxien statt naturgetreuer Darstellung für den Beobach- ter sinnlich erfahrbar zu machen.33

33 Vgl. (Volland, 2009 S. 13) Regeln der Zeit in Computerspielen 17

4 Regeln der Zeit in Computerspielen

Die Zeit in Computerspielen verläuft anders, als die in Filmen. Häufig wartet das Spiel auf Aktionen des Spielers und verharrt in einem Zustand der Ruhe. Die Geschichte kann sich nicht entfalten, wenn der Spieler nichts unternimmt, es sei denn es gibt eine vorgegebene Zeitbegrenzung bevor dem Spieler die Kontrolle aus der Hand genommen wird. Ist dies der Fall, verläuft die Geschichte des Spieles meist in eine negative Rich- tung, wie dem virtuellen Tod des Avatars34 des Spielers. Das Spiel zu spielen erfordert Aktionen und somit die Aufmerksamkeit und Zeit mindestens eines Spielers. Dem Com- puter hingegen ist es überlassen, wie schnell dieser das Spiel wiedergibt. Passt er sich dem Echtzeitempfinden des Menschen an, wie es der Film meist vollbringt, oder ver- wendet er eine offenere Zeitdarstellung. Wenn dies der Fall ist, dann sind diese Unter- schiede in der Zeitwahrnehmung zwischen Computer und Mensch nicht ungewollt, sie dienen dem Spielspaß und erweitern die Möglichkeiten eine Geschichte zu erzählen. Es liegt in der Natur eines Computerspieles, dass dieses die physische Realität nie ganz nachahmen kann, man spricht hier von einem „reality-clash“35. „There is not a physical analogy between the real-world input and on- screen action, but there is an analogy on a cognitive and emotional level.“ (Rusch, 2007) Physikalische Vorgänge, die in Spielen möglich sind, sind auch nicht zwangsweise in der Realität möglich, aber es können wie in der Realität Emotionen durch die Ereignisse im Spielverlauf beim Spieler ausgelöst werden. In Spielen gibt es die Möglichkeit, die Zeit zu verändern, um eine Geschichte zu erzählen oder aber um dem Spieler Spaß zu bereiten. Dieser Spaß, wenn die Zeit zu einem spielerischen Element wird, ist wie alle anderen spielerischen Elemente durch das Gameplay, oder auch Spielspaß, bestimmt. Doch was ist das Gameplay? Johan Huizinga beschrieb schon im Jahre 1944 das Gameplay als die Quelle des Vergnügens ohne Beschränkung von Physik und Moral. Es holt den Spieler heraus aus dem Gewöhnlichen, belässt ihn nur noch innerhalb der Be- grenzungen von Zeit und Raum. Damit ist das Gameplay für Computerspiele aber noch nicht vollständig, laut Espen Aarseth benötigt man noch weitere Begrenzungen, Re- geln.36 Ohne Regeln würden in einem Computerspiel die spielgebenden Elemente fehlen und es wäre rein erzählerisch und explorativ, es wäre weder spielerisch, noch hätte es Gameplay. Die Zeitinszenierung ist eine von fünf Dimensionen der Spielewelt. Diese Dimensio- nen müssen mit Regeln ausgestattet werden, um dem Computerspiel seine Individualität zu geben, sein Erscheinungsbild. Die anderen vier Dimensionen, welche hier nicht wei- ter behandelt werden, umfassen die der Physik, der Umwelt oder Umgebung, der Emoti- onen und der Ethik.37 Die Dimension der Zeit beschreibt, wie die Zeit in Computerspie- len behandelt wird und wie sie sich von der der realen Welt unterscheidet. Durch die Verwendung der Zeit in Computerspielen erweitert sich die 2D-Welt in eine „3,5“D- Raumzeitwelt. Die Zeit wird in ihrer Position in Spielen instabil und veränderlich, da

34 Der Avatar ist die zu steuernde Spielfigur in einem Computerspiel, der virtuelle Stellvertreter des Spielers. 35 Vgl. (Rusch, 2007) 36 Vgl. (King, et al., 2008 S. 9f) 37 Vgl. (Rollings, et al., 2003 S. 60ff) 18 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 6, Auswahl der Spielgeschwindigkeit in Command & Conquer: Alarmstufe Rot 2 und Generäle

auch in dieser Welt, wie in der Realität nach Einstein jedes Objekt seine eigene Zeit be- sitzen kann. Ein Objekt bleibt immer gleich, das nächste verändert sich stets und ein weiteres kann in einer immer wiederkehrenden Zeitschleife gefangen sein.38 Der Autor eines Spieles muss sich entscheiden, wie er die Zeit einsetzt und ob er dem Spieler die Möglichkeit gibt, diese zu beeinflussen. Benötigt das Spiel überhaupt das Element der Zeit oder soll sie nur eingesetzt werden, um künstlich eine bestimmte Spiel-Atmosphäre zu erschaffen ohne dabei spielentscheidend zu sein? Wenn das Element der Zeit in ei- nem Spiel angewandt wird und die Fantasie des Spielers anregen soll, muss sie das Spielgeschehen auch bedeutend beeinflussen. Ein Spiel kann je nach Situation verschie- dene Geschwindigkeiten der Zeit anbieten: das Zurücklegen großer Entfernungen des Avatars wird beschleunigt, spektakuläre und dramatische Ereignisse werden spielfilm- ähnlich in Zeitlupe gefasst, zur Entscheidungsfindung wird der Spielfluss pausiert und noch weiteres. In Simulationen und Strategiespielen, wie die der Command & Conquer- Reihe, wird zusätzlich immer eine anormale Zeit verwendet, das Bauen von Gebäuden und die Ausbildung von Einheiten geschieht um ein Vielfaches schneller als in der Reali- tät, auch wenn sich der restliche Spielverlauf in Echtzeit abspielen könnte.39 „Könnte“ deshalb, weil in dieser Art von Spielen es dem Spieler zusätzlich frei steht zu wählen, mit welcher Geschwindigkeit die komplette Spielwelt voranschreitet, wie in Abbildung 6 zu erkennen ist. Ein Anfänger kann einen langsamen Spielverlauf wählen oder auch in einer hektischen Situation die Geschwindigkeit herabsetzen, während ein geübter Spieler in einer hohen Geschwindigkeit die Herausforderung sucht. „Should the player be allowed to adjust time in any way? Why, how and when?“ (Rollings, et al., 2003 S. 68) ist eine Frage, die sich Autoren von Spielen stellen sollten. Es wird gefragt, wie, wann, warum und ob der Spieler die Zeit in dem Spiel verändern soll- te. Diese Frage wird umso wichtiger, wenn sich ein Autor entscheidet, die Zeit zum Hauptmotiv in dem Spiel zu gestalten. Wenn die Zeit nicht nur, wie im Film, als Erzähl- element, sondern als spielmechanisches Element eingesetzt wird. Denn damit ermög- licht man dem Spieler viel mehr Einfluss zu nehmen, als einfach nur die Spielgeschwin- digkeit festzulegen, man ermöglicht ihm einen Eingriff in die Regeln der Physik der Spielewelt. Dem Spieler wird die Möglichkeit gegeben, selbst zum Zeitspieler zu avancie- ren und dies wird von ihnen oft ausgenutzt. Es ist bekannt, dass Spieler gerne die Gren- zen der Möglichkeiten innerhalb der Spielewelt ausloten.40 So kann die Fähigkeit der Zeitmanipulation zu einem explorativen Spielelement41 werden, was an sich nicht nega- tiv bewertet werden soll, solange den Möglichkeiten der Zeitmanipulation Grenzen vor- gesetzt werden. Das Begrenzen der explorativen Fähigkeiten, wie die der Zeitmanipula-

38 Vgl. (Riesner, 2009 S. 76) 39 Vgl. (Rollings, et al., 2003 S. 66ff) 40 Vgl. (King, et al., 2008 S. 15) 41 [Definition:]„Ein Element des Spiels ist explorativ, wenn es erforscht werden kann und oder zur Er- forschung anregt.“ (Riesner, 2009 S. 68ff) Regeln der Zeit in Computerspielen 19

tion, ist die Basis vieler Schlüsseleffekte des Gameplays.42 Der Spielspaß beim Spieler kann schnell verloren gehen, wenn dieser einen Weg findet, die Spielmechanik so einzu- setzen, dass Teile des Spieles keine Herausforderung mehr für ihn darstellen, wenn er Abschnitte des Spieles anders löst als es vom Autor ursprünglich erwünscht war. Man spricht davon, dass ein Exploit im Spiel gefunden und ausgenutzt wird. Wird die Zeit und dessen Beeinflussung ein wichtiges Element des Spieles, so kann man die Zeitmanipulation als ein „key hook“ definieren, ein charakteristische Element des Spieles. Solche key hooks beschreiben oft das Genre und beinhalten die sogenannte Kernmechanik. Die Kernmechanik ist jener Spielmechanismus welcher im Laufe des Spielgeschehens von Spielern immer wiederholt angewendet wird. Es gibt verschiedene key hooks in einem Spiel. Ego-Shooter43 besitzen immer action hooks, wie die Bewegung durch den Raum, Defensive und Offensive sowie resource hooks, welche für die Muniti- on, Lebenspunkte und weiteres zuständig sind. Darauf aufbauend gib es noch die „supporting hooks“, welche die key hooks erweitern. 44 Wird in einem Computerspiel wie Braid die Zeit zu einem tragenden Element des Spielverlaufs, so kann man die Zeit- manipulation hier als key hook ansehen, hingegen ist die Zeitmanipulation in einem Spiel wie Max Payne ein supporting hook, welcher den action hook unterstützt. In Braid wird das Spiel mit der Zeit unerlässlich und ist zur Puzzlelösung notwendig. In Max Pay- ne ist die Zeitmanipulation dazu da, dem Spieler für den kurzen Augenblick, in welcher eine Zeitlupe abläuft, mehr Aktionskontrolle zu geben. Max Payne kann auch ohne diese Zeitlupe gespielt werden, sie kann optional verwendet werden. Den Möglichkeiten von Zeitmanipulationen sind in einem Gedankenspiel kaum Gren- zen auferlegt. Wenn der Autor es will, kann der Spieler die Zeit anhalten, verlangsamen, beschleunigen, rückwärts laufen lassen, um die gebräuchlichsten Manipulationsformen zu nennen. Doch wie viel Freiheiten dieser Möglichkeiten sollten dem Spieler wirklich zugänglich gemacht werden? Durch eine große Auswahlmöglichkeit der Spielsteuerun- gen entsteht auch eine große Kontrolle über die Spielbarkeit. Doch häufig sind Spieler nicht gewillt, soviel Kontrolle zu besitzen. Durch den hohen Grad an Manipulationsmög- lichkeiten kann die Steuerung des Spiels zu unübersichtlich werden. Hierbei spricht man von „Control Overload“.45 In Braid ist es dem Spieler möglich, die Zeit auf verschiedenste Weise zu ändern, doch trotzdem steht ihm dafür nur eine einzige Taste auf der Steue- rung zur Verfügung. Dem Spieler werden je nach Spielebene nur eine oder zwei be- stimmte Zeitmanipulationsarten angeboten. Anders ist dies bei dem Spiel TimeShift. Hier hat der Spieler jederzeit Zugriff auf die verschiedenen Formen der Zeitmanipulation, was durch den hektischen Charakter eines Ego-Shooters bei Anfängern zu ungewollt falschen Manipulationsentscheidungen führen kann und zur Frustration führen könnte. Dem entgegenzugehen bietet das Spiel über eine Haupttaste je nach Situation die jeweils nützlichste Zeitmanipulation an. Dem Spieler wird die Wahl gelassen, ob er in kritischen Situationen die vorgeschlagene Manipulationsform nutzt oder auf die erweiterte Zeit- steuerung zurückgreift. Wird dem Spieler nun die Möglichkeit der freien Zeitmanipulation in Spielen gege- ben, so muss dabei beachtet werden, dass das Erleben einer freien Zeitsteuerung nur für den einzelnen Spieler alleine zu funktionieren scheint. Solange es sich bei dem Compu- terspiel um ein Einzelspielerspiel handelt, ist dies auch gewünscht und akzeptabel, aber sobald man die zeitmanipulativen Fähigkeiten auf Mehrspieler-Spiele anwenden will,

42 Vgl. (King, et al., 2008 S. 79) 43 Ein Ego-Shooter ist ein Spiel, in welchem die Spielfigur aus der Ich-Perspektive in einer 3D-Welt ge- lenkt wird und diese auf virtuelle Gegner schießt. 44 Vgl. (King, et al., 2008 S. 23f) 45 Vgl. (Habgood, et al., 2006 S. 93) 20 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 7, in Street Fighter Alpha 2 löst die Custom Combo eine erhöhte Kampfgeschwindigkeit aus

stößt man auf Probleme. Virtuelle Zeiten in Spielen mit freier Zeitmanipulation lassen sich nicht ohne weiteres synchronisieren. Das Spiel TimeShift, welches sich durch die hohe Möglichkeiten der Zeitmanipulation von anderen Ego-Shootern unterscheidet, stand vor dem Problem, wie man diese Möglichkeiten in einem Mehrspieler-Modus im- plementieren sollte, da dieser bei dem Genre der Ego-Shootern oft kaufentscheident für den Kunden ist. The first idea was to have Time Shifting work just like in single player. Sounded great on paper, we even figured out how Slow would be trumped by Stop and Stop by Reverse. Ultimately there were two primary prob- lems… One; it sucks to have 15 people frozen in time while one person runs around; we called it Fun For One. The second problem was what reverse looked like… Lag. Even though the game was doing EXACTLY what it was supposed to do, the other people going in reverse thought the game was lagging out since they were telling it to do something and it wasn't responding. Kyle Peschel, Interview geführt von (Shea, 2007) Anstatt den einzelnen Spieler durch die Zeit reisen zu lassen, was bei den übrigen Spielern zu seltsamen und spielflussunterbrechenden Vorgängen führen würde, haben sich die Autoren dazu entschlossen, den Spieler-Avataren sogenannte „Chrono- Granaten“ zu geben. Die drei verschiedenen Chrono-Granaten beeinflussen in ihrem De- tonationsradius die Zeit für eine kurze Periode auf verschiedene manipulative Formen. Gegenspieler und Objekte, welche von einer Explosion erfasst werden, werden sich an- schließend verlangsamen, zum Stehen kommen oder ihre Aktionen werden rückgängig gemacht.46

46 Vgl. (GameTrailers.com, 2007) Regeln der Zeit in Computerspielen 21

Ähnliche Wege in der Zeitmanipulation innerhalb von Mehrspielerspielen gehen zum Beispiel die Spiele Rollcage und Street Fighter Alpha 2. Rollcage ist ein futuristisches Rennspiel mit Kampfelementen, in welchem einen sogenannter Continuum Warper ein- gesetzt werden kann. Diese Waffe versetzt alle gegnerischen Fahrzeuge für kurze Zeit in einen anderen Zeitfluss. Vereinfacht gesagt, verlangsamt es die Gegner für einen kurzen Augenblick und verschafft sich selbst damit einen Vorteil durch seine eigene überlegene Geschwindigkeit. Dasselbe in anderer Form wird mit der Zeitmanipulation in dem Beat ‘em up47 Street Fighter Alpha 2 erzielt. Durch die Aktivierung des Custom-Combo- Systems erhöht sich die Geschwindigkeit der eigenen Spielfigur. Der Spieler ist so in der Lage in kürzerer Zeit den Avatar mehr Schläge ausführen zu lassen, muss dafür aber auch die Schlagbefehle schneller in die Steuerung eingeben. Beide Spiele erreichen sozu- sagen den Effekt der Überlegenheit in der Spielgeschwindigkeit gegenüber den Mitspie- lern.

47 Beat ‘em up, auch Prügelspiel, ist ein Computerspielegenre in dem die Spielfiguren sich in einem Zweikampf mithilfe körperlicher Gewalt messen. 22 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Formen der Zeitreise 23

5 Formen der Zeitreise

Die Ideen von Zeitreisen und Zeitmanipulationen in Computerspielen wurden haupt- sächlich von Filmen übernommen. Genau wie es verschiedene Ansätze der Theorien über Zeitreisen in Filmen gibt, existieren auch unterschiedliche Formen der Zeitreise in den Spielen. Diese Unterschiede entstehen oft durch die Art, wie der Autor die Geschich- te in dem Spiel erzählen will oder ob die Zeitreise das Spiel in seiner Mechanik einfach nur erweitern soll. Nicht jedes Computerspiel legt hohen Wert auf die Geschichte son- dern nutzt Zeitreise hauptsächlich nur als Erweiterung des Gameplays. Eine Geschichte mit dem Element der Zeitreise zu schreiben wird in der Form eines Computerspieles zu einem komplizierten Akt. Der Autor steht immer vor der Gefahr, dass sich durch die Zeitreise Paradoxa einschleichen, die so nicht gewollt sind. Autoren von Filmen können diese Paradoxa hingegen eher umgehen. Video games by their nature require player choices, which ist he opposite of the strategy of serious film and literature, which requires authorial control. (Ebert, 2005) Der Autor eines Films […] hat die totale Kontrolle über die erzählte Ge- schichte und ihrer Präsentation auf unterschiedlichen Ebenen […] und ge- neriert damit die spätere dramaturgische Wirkung eines Films. Die Ein- flussnahme eines Spielers im Computerspiel hingegen reduziert die Kon- trolle des Autors erheblich, was zur Folge hat, dass dramaturgische Mittel […] nicht in der gleichen Weise im Computerspiel verwendet werden kön- nen. Die Interaktionen des Spielers bergen die Gefahr, eine dramatische Geschichte zu verhindern. (Wages, et al., 2005 S. 41) Das Motiv der Zeitreise ist in Computerspielen nicht zwangsläufig das Hauptmotiv wie in Filmen. Spiele können die Möglichkeit der Zeitreise oder Zeitmanipulation besit- zen, ohne dass die Geschichte darauf eingehen muss, da sich der Autor nur die Spielme- chanik, aber nicht das Erzählelement, Zeitreise anwendet. Autoren möchten mit den Möglichkeiten der Zeitreisen Spieler interessieren, faszinieren oder einfach nur verwir- ren. So kann die Zeitreise zum einen fiktiv, aber nach wissenschaftlichen Grundlagen angewandt werden, während in anderen Spielen jene als reine Spielmechanik verwen- det wird.48 Das beste Beispiel zu diesem Ansatz ist das Spiel Braid. Der gesamte Spielmechanis- mus dreht sich ausschließlich um die Fähigkeit, die Zeit zurückdrehen zu können. Doch die Geschichte des Spieles ist eine komplett andere, sie handelt von der Suche nach einer Prinzessin. Zum Ende des Spieles scheint es sich jedoch bei dem Avatar Tim um keinen Helden zu handeln. Es wird suggeriert, dass der vermeidliche Held in Wirklichkeit ein Stalker ist. Hintergrundanimationen und Geräuschkulisse werden während des letzten Levels des Spieles beständig rückwärts abgespielt. Während Tim und die Prinzessin sich in diesem Level gegenseitig helfen voran zu kommen und vor einem Ritter fliehen, kann man das Level und somit das Spiel nur beenden, indem man schlussendlich die Zeit bis

48 Vgl. (giantbomb.com, 2008) 24 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

zum Anfang des Levels wieder zurück dreht. Tut der Spieler dies, sieht es aus, als wür- den sich Tim und die Prinzessin gegenseitig behindern, bis die Prinzessin von dem zuvor als böse empfundenen Ritter gerettet wird. Grafiken und Musik werden nun in normaler Zeit abgespielt.49

5.1 Vollkörperreise Die Vollkörperreise ist die in der Fiktion am meisten angewandte Form der Zeitreise, in welcher sowohl Geist als auch Körper einer Person durch die Zeit bewegt werden, vorwärts oder rückwärts. Durch diese Vollkörperreise wäre es dem Zeitreisenden mög- lich, sich selbst in der Vergangenheit, oder wenn es eine Rückreise gibt auch in der Zu- kunft, zu begegnen. Diese Zeitreise umfasst dabei nicht, wie schon eher erwähnt, den langen Schlaf, wie der von Dornröschen. Sie ist keine Zeitreisende, auch wenn sie wäh- rend ihres Schlafes keinen Tag gealtert zu seien scheint. Unter „Zeitreise“ wird – analog zur Bewegung im Raum – die Bewegung einer realen Person innerhalb ihres eigenen Zeitkontinuums in Richtung Vergangenheit oder Zukunft verstanden. (Lehnert-Rodiek, 1987) Die Zeitreise findet ihren Ursprung in Wells‘ Die Zeitmaschine sowie Einsteins Relati- vitätstheorie. Das „eigene Zeitkontinuum“ ist der Fluss der Zeit, welcher auch in die Zu-

49 Siehe dazu das Braid-Ende auf der beiliegenden DVD. Formen der Zeitreise 25

Abbildung 8, durch eine Instant Replay-Steuerung in Race Driver: Grid werden Fehler korrigierbar kunft hin erweiterbar ist. Dieses Zeitkontinuum schließt Parallelwelten aus, die Welt wird nicht verlassen und die Regeln des Basisraumes von Kant und Hawking werden eingehalten. Während der Zeitreise wird die Zeit von dem Reisenden nicht subjektiv er- lebt, ob die Darstellung der Zeitreise nun als Zeitraffer abläuft, wie in dem Film Die Zeit- maschine oder ob der Zeitreisende direkt zu einem Zeitpunkt „springt“. Er altert nicht, wenn er in die Zukunft reist und auch sonst verändert sich sein Körper nicht. Das für die Zeitreise benötigte eigene Gravitationsfeld verhindert solch eine Entwicklung.50 In Spielen mit Reisen durch Zeit und Raum, wie bei dem Spiel Chrono Trigger, reisen die Figuren immer parallel zu der Normalen Zeit. Das bedeutet, wenn die Figuren zum Beispiel die Vergangenheit verlassen, sich in der Zukunft eine Weile aufhalten und an- schließend wieder in die Vergangenheit zurückkehren, dann ist auch in dieser die glei- che Dauer an Zeit vergangen. Dies ist für dieses Spiel wichtig, damit sich die Geschichte weiter entwickeln kann. Die Figuren müssten ansonsten bei jeder Zeitreise immer die- selben Missionen nochmals erfüllen, würden die Charaktere stets zu dem genau selben Zeitpunkt hinreisen. Dies verhindert zusätzlich in Chrono Trigger, dass die Figuren ihre eigenen Zeitzwillinge51 treffen. In einigen Spielen ist es aber auch erwünscht, dass die Zeitzwillinge aufeinander tref- fen, um so Aufgaben lösen zu können, bei denen mehr als ein Charakter von Nöten ist.

50 Vgl. (Hacker, 2008 S. 25ff) 51 Ein Zeitzwilling ist in der Theorie der Zeitreise der Zeitreisende selbst aus einer anderen Zeit. Dies geschieht, wenn der Zeitreisende in den Zeit und Raum reist, in welchem er sich schon einmal befand oder in der Zukunft befinden wird. Das Aufeinandertreffen von Zeitzwillingen, wenn eine jüngere Person auf sein älteres Ich trifft, ist immer ein Zeitparadoxon. 26 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Dieses Szenario wird in dem Kapitel „Vorbestimmte Zeitreisen und Zeitschleifen“ näher betrachtet.

5.2 Reise des Bewusstseins Die Projektion des eigenen Bewusstseins in den Körper eines Menschen einer ande- ren Zeit wird auch in Spielen angewandt, welche sich nicht mit Zeitreise auseinanderset- zen. Meist wird dafür in das eigene Bewusstsein gereist, wodurch man den Effekt des Zeitzwillings umgehen kann. Diese Form der Zeitreise wird häufig verwendet, um vom Spieler verursachte Fehler zu korrigieren. Obwohl man dies als alternieren der ur- sprünglichen Zeit oder auch als Déjà-vu-Erlebnis ansehen kann, ist es wirklich eine Form der Zeitreise. In Spielen wird diese Art der Zeitreise entweder nicht erklärt oder basiert auf Magie, sie ist in der physikalischen Wissenschaft jedenfalls nicht erklärbar. In dem Rennspiel Race Driver: Grid ist es im Einzelspielermodus möglich, begangene Fahrfehler wieder Rückgängig zu machen. Die Zeit des Spieles wird gestoppt und der Spieler kann, ähnlich wie bei der Bedienung eines Videorekorders, sich die letzten Se- kunden des Rennens nochmals anschauen. Wie in Abbildung 8 zu erkennen, entscheidet der Spieler nun, an welcher Stelle auf der Zeitachse der letzten Spielsekunden das Spiel wieder fortgesetzt wird. Dabei wird das Geschehen aus der Sicht verschiedener Kame- rapositionen wiedergegeben, wodurch der Eindruck einer aufgezeichneten Fernseh- übertragung entsteht.52 Diese „Instant Replay“-Fähigkeit ist je nach Schwierigkeitsgrad des Spieles beschränkt und wird bei Einsatz mit Punktabzug bestraft, da ansonsten per- fekte Rennen möglich wären. Dies würde die Herausforderung des Spielens beeinträch- tigen und dem Wiederspielwert dieses Rennspieles schaden. Neben diesem gibt es noch weitere Spiele, die es dem Spieler erlauben, die letzten Sekunden seines Handelns rückgängig zu machen. Dabei ist meist eine Begrenzung für den Verwendungsgrad dieser Rückspulfunktion angesetzt. In Race Driver: Grid ist dies eine fest vorgegebene Zahl an Instant Replay-Gelegenheiten, während zum Beispiel bei Prince of Persia: The Sands of Time und den folgenden Spielen dieser Reihe eine Sanduhr im sogenannten „Dolch der Zeit“ regelt, wie oft die Zeit zurückgedreht werden kann. Diese Sanduhr leert sich ein Stück mit jeder verwendeten Zeitfunktion und lässt sich nur durch das Besiegen von Gegnern wieder füllen. Durch diese Entscheidung der Autoren werden Spieler dazu gebracht, sich eher auf Kämpfe im Spiel einzulassen anstatt sie zu umgehen, um somit den Tod des Avatar später verhindern zu können. Würde der Avatar in eine Schlucht und somit in den virtuellen Tod fallen, hätte der Spieler nun die Mög- lichkeit, durch das zurückspulen der Zeit diesen Sturz rückgängig zu machen. Diese Rückspulfunktion ist auch bei nicht lebensbedrohlichen Situationen sehr nützlich und hilft dem Spieler, besser durch die Geschichte geführt zu werden. Das dem Avatar fol- genden Monster, der Dahaka, aus dem zweiten Teil der Spielserie, Prince of Persia: War- rior Within, spricht rückwärts. Spult der Spieler an der richtigen Stelle nun die Zeit zu- rück, kann er verstehen, was der Dahaka sagt. Eine weitere Möglichkeit, der Reise des Bewusstseins zeigen die Spiele The Legend of Zelda: Ocarina of Time und The Legend of Zelda: Majora’s Mask auf. In Ocarina of Time ist der Avatar Link noch zu jung, um das Masterschwert zu führen, welches für die Vertrei- bung des Bösen benötigt wird. Sein Bewusstsein reist sieben Jahre in die Zukunft, damit sein erwachsener Körper die Aufgaben des Spieles meistern kann. Folgend kann der Spieler nun zwischen den beiden Zeitepochen hin und her wechseln und die verschiede- nen Eigenschaften des Kinder- und des Erwachsenenkörpers von Link nutzen. So ist die

52 Siehe dazu die Grid Instant Replay-Demo auf der beiliegenden DVD. Formen der Zeitreise 27

Abbildung 9, in Assassin’s Creed spielt man Erinnerungen nach, ähnlich der Zeitreise des Bewusstseins

Kindergestalt zum Beispiel in der Lage, durch sehr enge Passagen zu kriechen, während der erwachsene Link ein Pferd reiten kann. Zusätzlich kann Link als Kind in der Vergan- genheit Bohnen pflanzen, welche sich in der Zukunft zu großen Ranken entwickeln, an welchen der erwachsene Link dann hinauf zu klettern vermag. Auch in Majora’s Mask reist das Bewusstsein von Link durch die Zeit. Der Spieler hat drei Spieltage Zeit, welche umgerechnet 72 Minuten in der realen Zeit entsprechen, um das Herunterstürzen des Mondes auf die Erde zu verhindern. Alternativ kann sich der Spieler durch das Spielen der „Hymne der Zeit“ zum Ausgangspunkt des Spieles zurück befördern. Schafft er bei- des nicht, wird die Welt vernichtet und alle Fortschritte gehen für den Spieler verloren. Durch die Reise durch die Zeit verwandelt sich die Spielewelt zurück zu ihrem Ur- sprungszustand, zusätzlich verliert Link alle Verbrauchsgegenstände aus seinem Inven- tar, wichtige Hauptgegenstände bleiben ihm aber erhalten. Diese Reise durch die Zeit stellt auch die einzige Speichermöglichkeit des Spieles dar und stellt den Spieler unter ständigen Zeitdruck, wenn er zeitlich festgelegte Ereignisse beeinflussen möchte. Bei dem Spiel Assassin’s Creed gelangt die Spielfigur Desmond an Erinnerungen sei- nes Vorfahren, einen Assassinen namens Altair, zur Zeit der Kreuzzüge. Dies stellt zwar auch eine Reise des Bewusstseins dar, die Ereignisse in dieser Epoche werden aber nicht beeinflusst, sondern spiegeln die Geschichte des Vorfahren wieder. Assassin’s Creed be- sitzt deshalb nicht das Element der körperlosen Zeitreise, sondern kann wirklich nur rein als Déjà-vu-Erlebens der eigentlichen Spielhauptfigur Desmond angesehen werden. Die Zeitreise wird hierbei als erzählerisches Element genutzt. Der Spieler spielt folglich eine Person, welche die Handlungen einer weiteren Person durchlebt. Deswegen kann Altair in diesem Spiel nicht sterben, sondern Desmond verliert nur kurzzeitig den Kon- takt mit den Erinnerungen an seinen Vorfahr, wenn der Spieler etwas tut, das nicht in dem Leben von Altair vorgekommen sein soll, wie das Töten von Unschuldigen oder die Niederlage in einem Schwertkampf. 28 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

5.3 Zeitmanipulation Bei der Frage was man unter Zeitmanipulation in Computerspielen versteht, kommt man zu der Frage, wo diese beginnt und wo sie endet. Die meisten, wenn nicht alle, Zeitmanipulationen können als Zeitreise beschrieben werden, rein aus dem Grund, dass es physikalisch unmöglich scheint, die Zeit selbst zu steuern. Man kann von dem Stand- punkt ausgehen, dass wenn die Zeit zurückgedreht wird, sich das Bewusstsein des Zeit- manipulators rückwärts durch die Zeit bewegt. Wird die Zeit verlangsamt oder gestoppt, dann bewegt sich das Bewusstsein des Zeitmanipulators mit einer erhöhten Geschwin- digkeit durch den Raum. Die Möglichkeit der Zeitmanipulation besteht theoretisch, wenn massive Gravitationskräfte erzeugt werden, welche die Zeit auf dieselbe Weise beeinflussen können, wie sie auch den Raum krümmen. Wenn die Zeitmanipulation au- ßerhalb der Realität des Spieles geschieht, wie es bei Race Driver: Grid der Fall ist, dann kann dies einfach als Veränderung der Zeit selbst angesehen werden. Eine wirkliche Zeitmanipulation geschieht, wenn sich der Zeitmanipulator für sich selbst ein eigenes Zeitkontinuum neben dem normalen schafft und diese beiden Konti- nua nebeneinander existieren können. Das Bewegen entgegen der normalen Zeit wird für den Spieler zum Spielelement und für das Spiel zur Spielmechanik. In Prince of Persia: The Sands of Time kann man beim Zurückspulen der letzten Sekunden noch von einer körperlosen Zeitreise sprechen, doch es ist dem Avatar auch möglich, die Zeit zu verlangsamen oder auch zu stoppen. Dies geschieht mithilfe der beschriebenen zwei gleichzeitigen Zeitkontinua. Während sich die Spielwelt verlangsamt bewegt oder gar ganz still steht, ist es dem Spieler möglich, seinen Avatar in der normalen Geschwindig- keit weiter zu bewegen. Würde das Spiel stattdessen die Spielzeit normal vergehen las- sen und dem Avatar die Möglichkeit geben, sich schneller bewegen zu können, dann wä- re der Spieler höchstwahrscheinlich damit überfordert, den Avatar flüssig steuern zu können. Der Spieler würde durch den Geschwindigkeitswechsel aus dem Spielfluss ge- bracht werden. Dadurch, dass die Zeit der Umgebung beeinflusst wird, ist das Spiel zum einem also in der Lage, den Spielfluss aufrecht zu erhalten, zum anderen hat diese Form der Zeitmanipulation, auch die Rückspulfunktion, in Verbindung mit den verwendeten Kameraeinstellungen noch einen ästhetisch-cineastischen Nebeneffekt. Bei der Zeitmanipulation in TimeShift hingegen wird nicht nur der Avatar selbst, sondern auch seine Waffe zu einem Zeitreisenden. In diesem Spiel kann, wie in Prince of Persia, die Umgebungszeit gestoppt oder verlangsamt werden, während sich der Zeitrei- sende in für den Spieler normaler Geschwindigkeit weiter durch die Spielewelt bewegt. Schießt der Avatar bei einer solchen Situation mit seiner Waffe oder wirft eine Granate, so bewegen sich Munition und Granaten für den Spieler ebenfalls in normaler Ge- schwindigkeit. Obwohl die fiktiven wissenschaftlichen Hintergründe der Zeitmanipula- tion von TimeShift auch ohne diese Gestaltungsentscheidung gerade so glaubwürdig er- scheinen, wäre eine Zeitreise von Objekten außerhalb des Zeitreiseanzuges unmöglich. Der Zeitreiseanzug umgibt die Spielfigur vollständig und erzeugt für sie ein eigenes Gra- vitationsfeld, die Waffen und ihre Munition sind aber nicht von dem Anzug umschlossen. Allein, wenn die Zeitmanipulation des Zurückspulens gewählt wird, ist die Verwendung der Waffen nicht möglich. Trotz der fehlenden physikalischen Grundlage für die Zeitrei- se der Waffen in TimeShift wurde eine solche spielmechanische Entscheidung aufgrund der Spielbarkeit gewählt, die Manipulation der Zeit wäre ansonsten innerhalb eines Ego- Shooters von geringer Bedeutung und würde überflüssig wirken. Gerade in TimeShift wurde in der Gestaltung mehr Wert auf Spielbarkeit und dem Spielen sowie Experimen- tieren mit den zeitmanipulativen Fähigkeiten gelegt, als auf eine schlüssige Geschichte mit Logik hinter der Machbarkeit der Zeitreise (siehe Abbildung 10). Formen der Zeitreise 29

Abbildung 10, die Geschichte von TimeShift ist eher nebensächlich

5.4 Extraleben und Speicherstände als Form der Zeitreise Die meisten traditionellen Computerspiele mit Extraleben für den Spielercharakter könnten an sich auch als Zeitreisespiele angesehen werden. Stirbt der Charakter, kehren zuvor bekämpfte Gegner an ihre vorherigen Positionen zurück und auch die restliche Spielewelt verwandelt sich wieder in den Urzustand zurück. Der Körper des Charakters wird an eine vorbestimmte Position befördert. Er ist zurück in der Zeit an einen sicheren Ort gereist. Dieser Vorgang kann als die Metaform des Zeitreisens betrachtet werden.53 Wenn man diese Ansichtsweise weiter verfolgt, so entsprechen Speicherstände inner- halb einer Spielewelt eher einer Form des Zeitreisens. Der Spieler kann mithilfe von Speicherständen bewusst die Vorgänge zu einer vorher festgelegten Position in Zeit und Raum des Spieles wieder herstellen und dies mit mehr Kontrolle als es mit Extraleben möglich ist. Die Firma Datel stellt schon seit Anfang der Achtzigern Steckmodule für Konsolen und Computer unter dem Namen „Action Replay“ her.54 Das Action Replay ist fähig, Spielstände einzufrieren und diese anschließend zu speichern. Somit ist es dem Spieler nun möglich, wenn es das Spiel in seiner ursprünglichen Form nicht anbietet, innerhalb schwieriger Spielabschnitte seinen gegenwärtigen Spielstand abzuspeichern und bei eventuellem Scheitern an den Aufgaben des Spielabschnittes die Zeit mithilfe des Action Replay zurück zu drehen. Von der technischen Seite sind sozusagen fast alle alten und aktuellen Spielekonsolen und Computer in der Lage, aus Spielen, welche keine oder be- grenzte Speicherstandmöglichkeiten bieten, Spiele zu diesen zu machen. Zusätzlich gab es für die Amiga-Version des Action Replay eine Geschwindigkeitssteuerung, die mittels eines Potentiometers bedient wurde. Es war dem Spieler nun möglich, die Arbeitsge- schwindigkeit und somit auch die Spielgeschwindigkeit herabzusetzen, die Spielzeit so- zusagen. In einigen Spielen, vorzugsweise Rennspielen, ist es möglich, dass der Spieler Wie- derholungen seiner vollbrachten Leistung im Nachhinein ansehen kann. Diese „Replays“ werden meist ohne Interaktion von Spielerseite aus abgespielt. In dem Computerspiel Stunts ist die Funktion gegeben, sich das Replay frei aus mehreren Ansichten, sowohl

53 Vgl. (giantbomb.com, 2008) 54 Vgl. (Datel Design & Development Ltd, 2009) 30 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 11, die Replay-Steuerung von Stunts wird in ähnlicher Form in Race Driver: Grid verwendet

vorwärts als auch rückwärts, und in verschiedenen Geschwindigkeiten anzuschauen. Doch was Stunts zu einem Zeitreisespiel macht, ist die Tatsache, dass durch das soge- nannte Replay Handling der Spieler zu jedem Zeitpunkt des aufgezeichneten Rennens Zugang hat.55 Er kann somit durch das Auslesen eines Replays und anschließendem Wiedereinsteigen vor einem fehlerhaftem Fahrmanöver eine Spielrunde perfektionie- ren.

55 Vgl. (Stunts Wiki, 2008) Folge von Zeitreisen 31

6 Folge von Zeitreisen

Sowie es unterschiedliche Vorgehensweisen bei dem Umgang mit Zeitreisen und Zeitmanipulationen in Computerspielen gibt, so sind auch die Auswirkungen auf den Spielverlauf unterschiedlich. Das Mittel der Zeitreise kann genutzt werden, um die Ge- schichte zu ändern oder sie einfach nur zu ergründen. Doch was passiert, wenn die Ge- schichte geändert wird? Inwiefern hat dies Auswirkungen auf den Verlauf der kommen- den Ereignisse und kann die Geschichte überhaupt durch die Zeitreise verändert wer- den? Spiele haben trotz des Elementes der Zeitreise häufig eine linear vorgegebene Ge- schichte, welche es zu bewahren gilt. Die folgenden Kapitel sollen die verschiedenen möglichen Konsequenz-Arten von Zeitreisen in Computerspielen aufzeigen.

6.1 Ursache und Wirkung Jedes Ereignis wird durch ein anderes Ereignis ausgelöst. Man spricht hier von einer Kausalität, welche Ursache und Wirkung miteinander verbindet. Dabei gibt es zum ei- nem die Monokausalität, wobei genau ein Ereignis sich auf eine vorherige Auslösung zurückführen lässt, zum anderen gibt es die Kausalitätskette, bei welcher die entstehen- de Wirkung der Ursache selbst auch wieder zur Ursache einer folgenden Wirkung wird. In der Theorie der Zeitreise bedeutet dies, was in der Vergangenheit verändert wird, beeinflusst die Gegenwart. Diese Folge der Zeitreisen führt meist zu Paradoxa, wie dem Großvaterparadoxon56 oder dem Treffen seiner selbst in einer Zeitschleife. Wie bereits bekannt, befindet sich laut Kant die Zeit in einem stetigen Fluss von der Vergangenheit zur Zukunft. Dieses Fließen der Zeit führt zur Gegenwart. Kant meint, dass Zeit und deren Fluss nicht aufgehalten werden kann. In dem Spiel Chrono Trigger hingegen besitzen die zeitreisenden Figuren ihre eigene Kausalität.57 Prinzessin Nadia reist 400 Jahre in die Vergangenheit und wird dort wegen ihres ähnlichen Erschei- nungsbildes für ihre Vorfahrin, die verschwundene Königin Leena, gehalten. Nadia ver- schwindet plötzlich vor den Augen der restlichen Zeitreisenden, da das Königreich, im Glauben, die verschwundene Königin wiedergefunden zu haben, die Suche nach Leena eingestellt hat. Folglich kann Nadia in der Zukunft nicht geboren werden. Nadia hätte diese Reise also von vornherein nie beginnen können, da die Zeiten miteinander ver- knüpft sind. Trotzdem ist dies alles geschehen und die Aufgabe des Spielers ist es nun, die Königin zu finden. Als diese wieder erscheint, kehrt auch Nadia wieder zurück und meint, die letzte Zeit in einem „Nichts“ verbracht zu haben, sie hat also nie wirklich auf- gehört zu existieren. Dadurch kommt die Frage auf, ob es Schicksal der Zeitreisenden war, die Königin in der Vergangenheit zu finden oder ob durch die Zeitreise wirklich die Zeit durcheinander gebracht wurde. Diese Hypothese wird ausführlicher in dem Kapitel „Vorbestimmte Zeitreisen“ behandelt. In dem Computerspiel Day of the Tentacle wiederum beeinflussen sich die drei Zeit- reisenden aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ganz direkt, während die Nicht- zeitreisenden von den Veränderungen in der Zeitlinie um sich herum nichts mitbekom- men. Das Spiel baut dabei sehr stark auf Kausalität und die dadurch verursachten tem-

56 Das Großvaterparadoxon ist ein Szenario, in welchem ein Zeitreisender in die Vergangenheit reist und dort seinen Großvater noch vor der Geburt seines Vaters tötet. Das Paradoxon ist nun, dass der Zeit- reisende selbst nun nicht mehr geboren werden kann um jene Zeitreise überhaupt erst anzutreten. 57 Vgl. mit Hackers Analogie zu dem Film Zurück in die Zukunft (Hacker, 2008 S. 66) 32 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

poralen Paradoxa. So sitzt in einer Gelegenheit, wie in Abbildung 12 zu erkennen, das Mädchen Laverne in der Zukunft auf einem Baum fest, den man in der Vergangenheit fällen kann. Der Baum verschwindet nun in der Zukunft vollständig und ermöglicht es so dem Spieler, ab diesen Punkt Laverne frei steuern zu können. Diese Beispiele zeigen, dass es in Computerspielen, wie auch in Filmen, mit dem Element der Zeitreise möglich ist, die Verbindung von Vergangenheit und Zukunft nur indirekt wirken zu lassen. Dem Spiel nach gibt es nur die eine Zeitlinie, welche durch die Änderungen in der Zeit immer wieder angepasst wird. Die Zeitreisenden selbst sind die einzigen, welche eine Erinnerung daran haben, wie die Spielewelt in der Zukunft und Gegenwart vor der Veränderung der Zeitlinie ausgesehen hat. Dies widerspricht aber Kants Aussage über das ständige Fließen der Zeit. Spiele, welche seine Aussage berück- sichtigen und den entstehenden Paradoxa entgegenwirken und erklären wollen, nutzen die Theorie der parallel zur normalen Zeit verlaufender Dimensionen. In dem Spiel The Legend of Zelda: Ocarina of Time wird das Bewusstsein des Helden Link am Ende des Spieles in der Zeit zurück geschickt. Dadurch wurde eine Theorie unter den Spielern der Zelda-Spiele aufgestellt, dass durch dieses abschließende Zeitreise-Ereignis eine neue Zeitlinie erzeugt wurde. Diese zwei Zeitlinien führen zu verschiedenen neuen Abenteu- ern der Zelda-Spielereihe, die nur durch die Vorgänge in Ocarina of Time verknüpft zu sein scheinen.58 Nintendo zufolge spielt sogar jedes Zelda-Spiel in seiner eigenen Spieledimension und die Spiele sind nicht chronologisch aufeinander aufgebaut.59 Mehr dazu steht in dem Kapitel „Alternative Realität“.

58 Vgl. (Rolfe, 2008) 59 Vgl. (ocarinahero10, 2009) Folge von Zeitreisen 33

Abbildung 12, Day of the Tentacle baut stark auf die Nutzung von Paradoxa

6.2 Vorbestimmte Zeitreisen und Zeitschleifen In der Rahmenhandlung von Futurama – The Game finden die Spielfiguren zu Spiel- beginn ihr Raumschiff zerstört in ihrem Flughangar vor und müssen dies reparieren, bevor sie ihre Mission starten können. Im späteren Verlauf des Spieles werden die Figu- ren mithilfe einer Zeitmaschine samt ihres nun reparierten Raumschiffes in der Zeit zu- rück befördert. Dabei stürzen sie vom Himmel in ihren Flughangar und zerstören das Raumschiff. Damit sie aber ihre Mission fortsetzen können, wird das noch intakte Raum- schiff aus der Vergangenheit, welches sich auch im Hangar befindet, gestohlen. Die Figu- ren aus der Vergangenheit finden darauffolgend das zerstörte Raumschiff aus der Zu- kunft wieder, welches sie reparieren müssen und die Ereignisse wiederholen sich. Diese Schleife in der Zeit zeigt auf, dass durch die Zeitreise der Spielfiguren sich die Geschichte nicht verändert, sondern erfüllt hat. Die Zeitreise war also schon immer vorbestimmt zu passieren. Es wird hierbei von einer geschlossenen Kausalen Kette60 gesprochen, welche ein Auftreten von Zeitparadoxa zwar nicht verhindert, aber erklärt. Dieselbe Situation, wie in Futurama ereignet sich auch in dem Roman Timeline, in welchem die Figuren durch Entdeckungen in der Gegenwart zu einer Zeitreise in die Vergangenheit verleitet werden, welche diese Entdeckungen erst ermöglichen wird. Auch diese Theorie über Zeitreisen geht von Ursache und Wirkung aus, hält sich aber größenteils an Kants Theorie über den Fluss der Zeit, da die Vergangenheit und somit auch die Zeitlinie sich durch eine Zeitreise nicht verändern lässt. Auf dieser stabilen im- mer vorwärts fließenden Zeitlinie, die die Existenz von Multiversen ausschließt, führen Zeitreisen folglich immer zu einer Zeitschleife. Während bei der normal fließenden Zeit für jede Wirkung die dazugehörige Ursache zeitlich davor angelegt ist, damit die kausale Reihenfolge eingehalten wird, ist bei einer Zeitschleife der Zeitstrahl so verbogen, dass er sich in der Vergangenheit kreuzt. Die Ursache für eine eintretende Wirkung ist somit in der Zukunft zu finden. Die Ereignisse wiederholen sich ständig und verursachen da- durch letztendlich auch deren Ausführung.61

60 Vgl. (Horwich, 1997 S. 259ff) 61 Vgl. (Hacker, 2008 S. 70) 34 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 13, Ijon Tichy reist durch die Zeit und trifft sich selbst mehrfach

Die Zeitschleife – als Skelett der Kausalstruktur des Werkes – ist etwas an- deres als das weit zwanglosere Motiv der Zeitreise; sie ist nämlich nur die logische, wenn auch einfache Konsequenz der Möglichkeit einer „Chronomotion“. (Lem, 1984) Für Computerspiele muss dabei bedacht werden, das dadurch die Zeitreise in dieser Form eher als erzählerisches Element dient. Der Spielverlauf würde dabei stets linear bleiben und könnte durch keine Aktion des Spielers weiter beeinflusst werden. Würde sich der Avatar des Spielers wirklich in einer Zeitschleife befinden, müsste er aus dieser ausbrechen und die Zeitschleife somit beenden. Damit er dies bewerkstelligen kann, muss die Zeitschleife als solche erkannt werden, sodass ihre Ursachen verhindert wer- den können und sich die Geschichte ändert.62 Der Spieler kann eine solche Zeitschleife als Déjà-vu erkennen und sie recht einfach umgehen. In Spielen wird diese Form der Zeitschleife eher verwendet, wenn eine Mission scheitert und sie neu begangen werden muss, nicht jedoch mit der Intention, eine Zeitreisegeschichte erzählen zu wollen. Die Spielfigur selbst erfährt nichts von den immer wiederkehrenden Ereignissen, nur der Spieler. Eine wirkliche Ausnutzung der durch die Zeitreise erlangten Erinnerungen er- folgt in The Legend of Zelda: Majora’s Mask, da hier sich die Geschichte alle drei Spieltage wiederholt und bis auf den Avatar Link alles in der Spielwelt zurück in den Ursprungs- zustand gerät. Doch hierbei handelt es sich nicht um ein reines Déjà-vu, da Link einige Objekte nach dem Zeitsprung bei sich behält. Eine weitere Form der Zeitschleife ist diese in Verbindung mit einer Vollkörper- Zeitreise, eine zur Unterscheidung Vollkörper-Zeitschleife genannte Zeitanomalie. In Lems Geschichte Ijon Tichys siebte Reise gerät der Kosmonaut Tichy in den Einflussbe- reich eines Gravitationsstrudels, was verursacht, dass Tichy immer wieder in die Ver- gangenheit reist. Nach einer Weile ist Tichys Raumschiff gefüllt mit mehreren Inkarnati- onen seiner selbst aus Vergangenheit und Zukunft.63 Einige Computerspiele setzen auf eine ähnliche Herangehensweise bei Zeitschleifen. Während die späteren Folgen der Zeitschleifen in Lems Werk schon früh zu sehen sind, wirken Vollkörper-Zeitschleifen in Computerspielen wie hochparadoxe Zeitreisen. Bevor die erste Zeitreise angetreten wird, ist der Avatar noch die einzige vom Spieler gelenkte Figur in der Spielewelt. Sobald der Avatar nun in der Zeit zurückversetzt wird, handelt er zeitgleich neben seinem Zeit- zwilling aus der Vergangenheit. Das Spiel lässt alle Ereignisse, die vor dem Zeitsprung stattgefunden haben, nochmals ablaufen, diesmal kann aber eine zweite Inkarnation der Spielfigur die Ereignisse zusätzlich beeinflussen. Auch diesem Zeitzwilling wäre es mög-

62 (Hacker, 2008 S. 87) 63 Vgl. (Ijon Tichy: Raumpilot, 2007) Folge von Zeitreisen 35

Abbildung 14, mehrere Zeitzwillinge in Choke on my Groundhog, YOU BASTARD ROBOTS lich, nochmals einen Zeitsprung zu vollführen, ebenso den folgende Zeitzwillingen. Erst mit dem letzten Zeitzwilling des sensitiven Zeitabschnitts kann der Beobachter des Spielgeschehens die eigentlich gewünschte Sequenz ohne eine Aufspaltung der Zeitlinie erkennen. Doch wie viele Zeitzwillinge sind für das Gameplay gut? Wie in Abbildung 14 angedeutet, ist in dem experimentellen Spiel Choke on my Groundhog, YOU BASTARD ROBOTS die Zahl der möglichen Zeitzwillinge unbegrenzt.64 Der Spieler ist hierbei in der Lage eine unbegrenzte Anzahl von Vollkörper-Zeitschleifen zu initiieren. Das Spiel ist zwar dadurch für einen kurzen Augenblick für den Spieler unterhaltsam, doch durch die hohe Zahl der nutzbaren agierenden Spielfiguren verliert das Spiel die Herausforderung und wird ab einem gewissen Zeitpunkt zu einfach, auch weil die Spielfigur nicht sterben kann, da jeder Tod ihn zusammen mit seinem Zeitzwilling wieder zum Anfang des Spiel- abschnittes schickt. In Cursor*10 ist die Zahl der Zeitzwillinge auf zehn begrenzt. Das Spiel ist ein Mix aus Geschicklichkeitsspiel und Puzzle, wobei sich die Zeitzwillinge ge- genseitig unterstützen müssen, um ans Ziel zu gelangen. Durch diese Begrenzung und dank des Einsatzes eines zusätzlichen Zeitlimits bleibt das Spiel herausfordernd. In Braid hingegen ist es in einem Spielabschnitt möglich, nur einen einzigen Zeitzwilling zu erstellen. Besser gesagt, einen Zeitschatten des Avatar. Dieser kann im Gegensatz zur Spielfigur zwar nicht sterben, verliert aber seine Macht zu interagieren, sobald er von einem Gegner angegriffen wird. Die Verwendung mehrerer Zeitschatten wäre in diesem Spiel unnötig, da die Rätsel in diesem einen Abschnitt nur zwei agierende Figuren for- dern.

6.3 Alternative Realität Laut Kant fließt die Zeit unaufhörlich immer weiter und aus dem Gesetz der Kausali- tät ergibt sich, dass jedes Ereignis einem anderen vorhergehenden verschuldet ist. Durch den Fluss der Zeit kann sich so eine Kausalitätskette ereignen, welche letztendlich zu mehreren Konsequenzen und Ereignissen führt, die aus einer anfänglichen Ursache

64 Siehe dazu auch die Groundhog-Demo auf der beiliegenden DVD. 36 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

heraus resultieren. Das bedeutet, dass nur die geringste Veränderung am Anfangsstadi- um eines komplexen Systems eine Reihe von Veränderungen der Geschichte im Laufe der Zeit verursachen wird.65 Diese Kausalkette wird als sogenannter Schmetterlingsef- fekt bezeichnet und geht auf ein metaphorisches Beispiel von Edward Lorenz zurück, in welchem er schildert, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in den USA einen Or- kan in Europa auslösen kann.66 Der Schmetterlingseffekt ist in Spielen dann von Bedeutung, wenn die Spielfiguren eine Zeitreise in die Vergangenheit unternehmen. Das bereits bestehende, komplexe System ist hier so dann die Zeit selbst. Genauer gesagt, die bereits vergangene Zeit bis zum gegenwärtigen Zeit- punkt. Ein prinzipiell, bis zu diesem genannten Zeitpunkt, abgeschlossenes und unveränderbares System. (Hacker, 2008 S. 59) Genau diese Problematik von Zeitreisen wird in Filmen und Computerspielen unter- schiedlich betrachtet. In Day of the Tentacle kehrt man einen Tag in die Vergangenheit zurück, um einen Abwasserhahn zu zudrehen. Durch diesen kleinen Eingriff wird die vollständige Zukunft verändert. Die purpurnen Tentakel werden somit nicht mehr in der Lage sein, die Welt zu beherrschen. Eine weitere Theorie, welche zu demselben Ergebnis führen kann, beinhaltet die Möglichkeit, dass durch die Zeitreise ein zweites Paralleluniversum entsteht. Am Ende von The Legend of Zelda: Ocarina of Time wird das Bewusstsein von Link in die Vergan- genheit zu seinem jüngeren Ich geschickt. Dadurch entsteht ab diesem Zeitpunkt eine zweite Realität für die Spielewelt. Die Ereignisse des jungen Link unterscheiden sich von denen, die der erwachsene Link erlebt hat und ändern so die Welt in eine andere Rich- tung. Die Änderungen in der Zeitlinie führen folglich zu mehreren Zeitsträngen und be- enden so die Probleme temporärer Paradoxa wie dem Großvaterparadoxon.67 Man spricht hierbei von der Viele-Welten-Interpretation. Tötet ein Zeitreisender also nun in der Vergangenheit seinen Großvater, bevor noch sein Vater geboren wird, so bleibt der Zeitreisende trotzdem bestehen. Durch den Eingriff in der Zeit wurde mit jeder Aktion des Zeitreisenden die Zeitlinie weiter aufgespalten und es entstehen somit mehrere Pa- ralleluniversen, Multiversen sozusagen. Der Großvater aus dem Universum aus dem der Zeitreisende ursprünglich kam, wurde folglich niemals in der Vergangenheit von selbi- gen getötet. Somit konnte auch der Zeitreisende geboren werden um diese Zeitreise an- zutreten. Er erschuf mit seinem Handeln mehrere alternative Realitäten. Diese Viele-Welten-Interpretation wird auch in Spielen aufgegriffen, in welchem be- deutende historische Ereignisse anders verlaufen sind, als es in der Realität der Fall war. Das Spiel befindet sich folglich in einem anderen, durch den Einfluss von Zeitreisen ent- standenen Universum. Das Spiel lässt dabei meist nicht die Spielfiguren selbst durch die Zeit reisen, sondern das eigentliche Spiel findet in diesem neuen Universum statt, man könnte jenes ein Was-wäre-wenn-Universum nennen. Was wäre, wenn Hitler vor seiner Machtübernahme ermordet worden wäre? In dem Computerspiel Command & Conquer: Alarmstufe Rot geschieht genau dies. Der fiktive Albert Einstein erbaut erfolgreich eine Zeitmaschine, reist mit dessen Hilfe zurück in das Jahr 1924 und entfernt Hitler aus der Zeit. Die Intention dahinter war es, den zweiten Weltkrieg zu verhindern, doch da es das Deutsche Reich in dieser Welt niemals gab, wurde die Sowjetunion von niemand in

65 Vgl. (Hacker, 2008 S. 58f) 66 Vgl. (Lorenz, 1963 S. 130ff) 67 Vgl. (Lesch, et al., 2005) Folge von Zeitreisen 37

Abbildung 15, das Ende der Sowjet-Mission in Alarmstufe Rot offenbart das Spiel als Prequel

Schach gehalten und erlangt dadurch unter Stalins Führung große militärische Stärke. Das Spiel nennt dabei keine genauen Jahreszahlen, handelt aber innerhalb der fünfziger Jahre. Die Sowjetunion infiltriert Europa, welches anschließend mit den USA das Bünd- nis der Alliierten formt. Der Spieler übernimmt nun das Kommando über die Alliierten oder die Sowjetunion, welche sich gegenseitig bekämpfen. Je nachdem, für welche Kriegsseite sich der Spieler entscheidet, so entwickelt sich auch die Spielreihe in weitere Paralleluniversen. Zum einen kann dieser Krieg durch die Alliierten gewonnen werden, was zu den Ereignissen in Alarmstufe 2 führt. Führt der Spieler jedoch die Sowjetunion zum Sieg und nimmt damit ganz Europa ein, so führt dieses Ereignis zu den Geschehnis- sen des ersten Spiels aus dieser Spielereihe: Command & Conquer (siehe Abbildung 15). Auch die Ereignisse in TimeShift finden in einer Alternativen Realität des Jahres 1939 statt. Doch hierbei handelt es sich laut der Geschichte des Spieles um nur eine Zeitlinie, welche durch den Spieler wieder in Ordnung gebracht werden soll. Die Spielfigur reist einem anderen Zeitreisenden hinterher und muss dessen Pläne, die Weltherrschaft an sich zu reißen, verhindern. Auch wenn das Spiel vorgibt, sich nur mit einer Zeitlinie zu befassen, ist unbestreitbar, dass der Avatar sich im Laufe des Spieles in einer für den Spieler historisch veränderten Welt befindet. Aber im Gegensatz zu der Viel-Welten- Theorie ist der Spieler hier gezwungen, die korrekte Zeitlinie wieder herzustellen, da ansonsten seine Gegenwart nicht existieren kann.

38 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Formen der Zeitmanipulation 39

7 Formen der Zeitmanipulation

Mithilfe der Zeitmanipulation ist es in einem Computerpiel möglich, Filmeffekte wie Standbild, Zeitlupe, Zeitraffer oder auch dem Zurückspulen einer Sequenz nachzuahmen. Die Zeitmanipulation kann aber auch als komplexeres spielmechanisches Element auf- treten, in welchem die Umwelt der Zeitmanipulation ausgesetzt wird, jedoch nicht die Bewegungsfreiheit des Spielers und seines Avatar. Da die Zeitmanipulation in Compu- terspielen nicht zwangsläufig ein Hauptmotiv des Spieles sein muss, werden auch Spiele mit diesem Element ausgestattet, um es entweder spielbarer zu machen oder einfach der optischen und akustischen Effekte wegen, damit sich die Spielszene für den Spieler anfühlt, als sei er eine Figur in einem Film. Im Folgenden sollen die vorhandenen zeit- manipulativen Möglichkeiten von Computerspielen aufgeführt werden.

7.1 Zeit anhalten Das Anhalten der Zeit lässt sich auf die Anfänge der Computerspielgeschichte zu- rückführen. Viele Spiele warten auf die Eingabe eines Befehls des Spielers bevor etwas geschehen kann, dies ist jedoch nicht direkt als Anhalten der Zeit anzusehen. Hinter- grundanimationen und -musik, falls vorhanden, laufen ununterbrochen weiter und für den Spieler fühlt es sich dadurch nicht wirklich an, als würde die Zeit stillstehen. Als Bei- spiel hierfür soll das Genre der rundenbasierenden Spiele herhalten. Sie halten die Zeit deshalb an, damit sie sich genau so verhalten, wie es von ihnen verlangt wird, wie ihre nicht-virtuellen Vorbilder der Brettspiele oder Pen-&-Paper-Rollenspiele. Es wird auf eine Aktion des Spielers gewartet, bevor sich etwas am Ablauf der Geschehnisse in der Spielewelt ändern kann. Die erste technische Möglichkeit des bewussten Anhaltens der Spielezeit war die Er- findung der Pause-Funktion durch die Entwicklung der Spielekonsole Atari 5200 im Jah- re 1982.68 Fortan war das Anhalten der Zeit vom Spieler aus realisierbar. Die Pause- Funktion friert dabei das gesamte Spielgeschehen ein, auch die Bewegung des Avatar. Einige Computerspiele erlauben es zusätzlich noch kleinere Veränderungen am Spielge- schehen vorzunehmen. Der Avatar darf zum Beispiel während der Pause noch Gegen- stände seines Inventars verwenden, um etwa seine Lebensenergie zu erhöhen oder Waf- fen auszutauschen. In dem Action-Rollenspiel69 Fallout 3 kann die Spielfigur sogenannte Aktionspunkte einsetzen, um während eines Kampfes die Zeit zu stoppen, um direkt auf auswählbare Körperteile des Gegners zielen zu können. Das System wird in dem Spiel „Vault-Tec Assisted Targeting System“ genannt und überträgt somit die taktische Tiefe der beiden Vorgängerspiele, welche keine Ego-Shooter-Elemente des dritten Teils besit- zen und reine Computerrollenspiele sind. In Aufbaustrategiespielen kann der Spieler die Zeit schneller ablaufen lassen, um somit schneller bestimmte Zeitabschnitte zu bewältigen. In RollerCoaster Tycoon 3 kann der Spieler somit Ziele erreichen, wie das Erhöhen der Besucherzahlen des Themen- parks, ohne unnötige Zeit vor dem Computer zu sitzen und auf dieses Ereignis zu war- ten. Zusätzlich kann der Spieler aber auch die Zeit anhalten, falls der Spielablauf für ihn

68 Vgl. (Rolfe, 2007) 69 Im Gegensatz zu klassischen Rollenspielen, bei welchem die Kämpfe rundenbasiert aufeinanderfol- gen, sind in Action-Rollenspielen schnelle Reflexe und Reaktionen in Kämpfen gefragt und stehen hier im Vordergrund. 40 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 16, das V.A.T.S. von Fallout 3 hält die Spielzeit an

in diesem Moment zu stressig und hektisch ist. Während dieser Phase der angehaltenen Zeit ist der Spieler immer noch in der Lage, jedes Element des Spieles zu manipulieren als ob die Zeit normal weiterlaufen würde. Er darf Angestellte einstellen und entlassen, Gebäude aufbauen oder abreißen, Preise festlegen und vieles mehr. Dabei hat er volle Kontrolle über die Kamera und die Spielelandschaft erscheint dadurch dem Spieler wie ein Diorama.70 Wenn in TimeShift die Zeit angehalten wird, so besitzt der Avatar weiter die Fähig- keit, sich durch den Raum zu bewegen und zu schießen. Dies eröffnet dem Spieler neue Kampfstrategien, die sonst nicht in Ego-Shootern zum Einsatz kommen. Während die Umgebung um den Avatar herum zeitlich eingefroren ist, kann er sich frei bewegen. Der Avatar kann sich nun hinter Gegner ohne deren Wissen bewegen, ihnen die Waffe ent- nehmen oder einfach auf sie schießen. Wird anschließend die Zeit wieder in ihren nor- malen Fluss zurückversetzt ist der Gegner durch die entstandene Situation verwirrt oder fällt durch die gerade einsetzende Wucht des im Zeitstopp abgegebenen Schusses zu Boden. Diese Zeitmanipulation kommt auch beim Lösen von Rätseln zum Einsatz. So können die physischen Eigenarten von Wasser und Feuer außer Kraft gesetzt werden, damit der Avatar über Wasser und durch Feuer laufen kann. Damit diese Zeitmanipula- tive Macht nicht zu sehr vom Spieler ausgenutzt wird, ist sie durch den Ladezustand ei- ner sich regenerierenden Batterie begrenzt.71

7.2 Zeit verlangsamen Meist wird der Effekt der Verlangsamung der Zeit, auch Zeitlupe genannt, ganz trivial genutzt, um dem Spielgeschehen einen cineastisch-ästhetischen Eindruck zu vermitteln. Bei besonders dramatischen Situationen, welche so auch in Filmen auftreten können, kommt dieser Effekt häufig zum Einsatz. Oft wird dabei auch die Spielkamera vom Spiel aus auf eine andere Sicht gewechselt und der Spieler hat an dieser Stelle keine Kontrolle

70 Siehe dazu die RollerCoaster Tycoon 3-Demo auf der beiliegenden DVD. 71 Siehe dazu die TimeShift-Demo auf der beiliegenden DVD. Formen der Zeitmanipulation 41

Abbildung 17, In Burnout wechselt die Kamera kurz vor einem Unfall in die Zeitlupe. mehr über das folgende Geschehen. Dies geschieht in dem Rennspiel Burnout Paradise kurz vor einem unausweichlichen Aufprall auf ein Hindernis. Wenn sich der Spielerwa- gen nur noch kurz vor dem Hindernis befindet, wechselt die Kamera auf eine Position des bevorstehenden Unfalls, um diesen noch spektakulärer in Zeitlupe in Szene setzten zu können. Die Zeitlupe kann in Burnout Paradise zusätzlich in dem Spielmodus „Showtime“ eingesetzt werden. In diesem Modus gilt es besonders viel Schaden durch einen Unfall zu verursachen. Da das Spiel ansonsten sehr rasant zugeht, kann der Spieler mithilfe der Zeitlupenfunktion seinen Wagen platzierter gegen andere Fahrzeuge einsetzen. Diese Form der Zeitlupe wird auch als „Bullet Time“72 bezeichnet und wurde durch den Film Matrix in der Öffentlichkeit populär.73 Das erste Computerspiel, welches die Bullet Time als Teil der Gestaltungsästhetik und Spielmechanik einsetzte, war Max Payne. Nach der Aktivierung dieses Effektes wird das Spiel für einen begrenzten Zeitraum von einigen Sekunden stark verlangsamt. Die Spielfigur, Gegner und Projektile bewegen sich in Zeit- lupe, die Steuerungseingabe des Spielers wird weiterhin in Echtzeit abgefragt und abge- arbeitet. Der Spieler hat somit mehr Zeit, um Handlungen wie das Zielen und das Aus- weichen von Projektilen auszuführen, welche somit präzisierter vonstattengehen. Das bedeutet, dass die Bewegungsgeschwindigkeit der Spielfigur zwar relativ betrachtet gleich geblieben ist, doch dessen Reflexe stark erhöht wurden und Aktionen detaillierter ausgeführt werden können. Man kann sagen, dass sich die Spielfigur mit ihrem Bewusst- sein nicht mehr auf der gleichen Zeitlinie wie die der restlichen Objekte der Spielewelt befindet, sondern eine persönliche Zeit besitzt, welche langsamer vergeht. Die persönli- che Zeit von Spieler und Spielfigur laufen im Bewusstsein synchron, nur ihre Körper be- finden sich noch auf verschiedenen Zeitlinien. Die Spiele TimeShift und Prince of Persia: The Sands of Time erlauben es dem Spieler sogar innerhalb des Effektes der Bullet Time ihre Spielfiguren weiterhin normal zu steu- ern. Nur die Umgebungszeit verlangsamt sich dabei, die Figuren bewegen sich in der normalen Geschwindigkeit. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich der Avatar für die restlichen Figuren des Spieles in erhöhter und physikalisch unmöglicher Geschwindig- keit bewegt. In TimeShift reden die Spielfiguren miteinander und man hört sie Dinge sagen wie „Wie hat er das gemacht?“ und „Jetzt ist er wieder langsam!“. In diesen Spielen

72 Vgl. (Oreck, 2001) 73 In mehreren Szenen des Filmes kommt es zu dem Bullet-Time-Effekt. Dabei handelt es sich um eine Kamerafahrt um ein Objekt herum, welches in der Zeit eingefroren ist oder sich extrem langsam durch die Zeit bewegt. Dadurch ist es dem Beobachter möglich, schnelle Geschehnisse, wie der Flug einer Pistolen- kugel, genau und aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. 42 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

befindet sich nicht nur das Bewusstsein, sondern auch der Körper der Spielfigur auf ei- ner anderen Zeitlinie als die restlichen Objekte der Spielewelt.

7.3 Zeit beschleunigen Die Fähigkeit die Zeit zu beschleunigen ist das genaue Gegenteil der Verlangsamung, welche im vorherigen Kapitel besprochen wurde. Durch Aktivierung einer solchen Zeit- manipulation läuft die Zeit in dem Computerspiel schneller ab, als es in der Realität der Fall ist. Eine solche Manipulationsform wird hauptsächlich in Aufbaustrategiespielen wie Rollercoaster Tycoon 3 angewandt, um zu bestimmten Ereignissen schneller voran- schreiten zu können. Wenn der Spieler die Beschleunigung der Zeit wählt, so vergeht die Spielzeit schneller und ein Ereignis auf welches er sonst mühselig warten müsste, wird dadurch schneller erreicht. In RollerCoaster Tycoon 3 kann man dafür zu jedem Zeit- punkt des Zustandes erhöhter Zeitentwicklung eingreifen um den Normalzustand wie- der herzustellen. Anders ist dies bei Action-Rollenspielen wie Fallout 3 und dem soge- nannten Fast Travel. Das Fast Travel ermöglicht es, weite Strecken zurückzulegen ohne die eigentliche Reise zu erfahren. Diese Funktion sollte dabei aber eher als Zeitsprung angesehen werden, da der Spieler keinen schnelleren Bewegungsablauf der Spieleumwelt erfährt. Trotzdem erzielt das Fast Travel das gleiche Ergebnis, wie die der Zeitbeschleunigung in RollerCoaster Tycoon 3. Der Spieler kommt schneller zu seinem Zielpunkt in der Spielewelt und erspart sich einen ermüdenden und langweiligen Weg. Die Umgebungszeit zu beschleunigen, während der Avatar sich noch in der normalen Zeit befindet, ähnelt dem Eindruck des Filmes Die Zeitmaschine in welchem der Zeitrei- sende so sich durch die Zeit bewegen kann. In einem Spiel würde diese Form der Zeit- manipulation jedoch keinen Spielspaß hervorrufen. Der Avatar würde sich im Umkehr- schluss langsamer als alle anderen Objekte in der Spielewelt bewegen. Er wäre also ei- nem Handicap gegenüber seinen virtuellen Gegnern ausgesetzt. Eine solche wählbare Zeitmanipulative Fähigkeit kommt deshalb in Spielen nicht vor. Nur die Verlangsamung des Avatars in der Spielewelt kommt diesem zeitmanipulativem Effekt nahe, wie es Geg- ner in Rollcage erreichen können, wenn diese den Continuum Warper auf das Fahrzeug des Spielers anwenden. Man muss dabei jedoch beachten, dass die eigentliche Zeitmani- pulation in diesem Beispiel die Zeitverlangsamung ist, welche durch den Benutzer des Continuum Warpers ausgelöst wurde.

7.4 Zeit rückwärts laufen lassen Die Zeit rückwärts laufen zu lassen, ist mit einer Zeitreise in die Vergangenheit gleich zu setzen. Dies kann sprunghaft geschehen, wenn man bei einem Misserfolg im Spielge- schehen die Mission eines Spieles wiederholt. Diese sprunghafte Art, die Zeit zurückzu- setzen, ist aber an sich, wie zuvor erwähnt, nur als Metaform der Zeitreise anzusehen. Das Spiel wird nur zu einem vorherigen Spielstand zurückgesetzt. Wenn sich die Spiel- zeit nicht mehr normal auf der Zeitlinie vorwärts bewegt, sondern in umgekehrter Rich- tung die Ereignisse wieder rückgängig gemacht werden, spricht man davon, die Zeit rückwärts laufen zu lassen. Dieses Zurückspulen der Zeit wird in vielen Spielen wie Race Driver: Grid oder Prince of Persia: The Sands of Time angewandt, um Fehler zu korrigie- ren. Es ersetzt somit das Zurücksetzen des Spieles in einen vorherigen Zustand. Fehler werden mithilfe dieser Zeitmanipulation korrigiert. Obwohl es dem Zurücksetzen theo- retisch nahezu gleicht, hat der Spieler dadurch mehr Kontrolle über den genauen Zeit- punkt, zu welchem er zurückkehren will. Desweiteren wirkt der optische und akustische Formen der Zeitmanipulation 43

Abbildung 18, Tim besitzt hier eine Aura, wodurch er nicht durch den Rücklauf der Zeit beeinflusst wird

Effekt des Zurückspulens der Ereignisse ästhetischer und sehr cineastisch im Gegensatz zu einem einfachen Zurücksetzen. Die Möglichkeit des Zurückspulens der Zeit ist das Hauptmotiv in dem Jump ‘n‘ Run74 Braid. Anfänglich kann man diese Fähigkeit nutzen, um Fehler rückgängig zu machen. Berührt der Avatar Tim einen Gegner, so läuft zunächst eine Sterbeanimation ab, doch bevor diese beendet wird, hält die Spielzeit an. Um nun weiterzuspielen, muss der Spie- ler die Zeit zurückdrehen. Später stößt Tim auf Objekte, die nicht auf die veränderte Spielzeit reagieren. Diese Objekte bewegen sich auf einer eigenen Zeitlinie, die wie die normale Zeitlinie stets vorwärts fließt.75 Durch die Fähigkeit der Zeitmanipulation der eigenen Spielfigur und der restlichen Umgebung ist es somit möglich, diese Objekte normaler Zeit indirekt auszunutzen, um verschiedene Puzzles lösen zu können, aber kann auch dazu führen, dass das Level irreversibel verändert wird. Tim muss dann die- ses Level verlassen, um es später neu zu starten, da seine Fähigkeit, die Zeit zurück zu drehen, hier keinen Einfluss mehr hat. Auch in TimeShift ist es möglich, die Zeit zurück zu spulen. Im Gegensatz zu anderen Spielen ist hierbei der Avatar fähig, sich entgegen des Flusses der Zeit zu bewegen. Somit kann er verschiedene Aufgaben lösen. Stürzt eine Brücke ein, wird diese durch das Um- kehren der Zeit wieder hergestellt und der Avatar kann diese überqueren. Ihm ist es damit auch möglich, die Schwerkraft zu überwinden, wenn er sich auf ein eben herabge- stürztes Objekt stellt, die Zeit umkehrt und mithilfe dieses Objektes, welches sich nun wieder nach oben bewegt, in höhere Lagen zu befördern. Die Zeit hat auch Einfluss auf die künstliche Intelligenz der Gegner. Erblickt ein Gegner den Avatar, so kann durch das Zurückspulen dieser Moment rückgängig gemacht werden. Der Gegner kann sich also nicht an dieses Ereignis erinnern, weil es nie stattgefunden hat.76

74 Ein Jump ’n‘ Run ist ein Spiel, in welchem die Spielfigur sich laufend und springend durch eine Platt- form-Landschaft fortbewegt. Es beinhaltet hauptsächlich Geschicklichkeitseinlagen als Gameplay-Element. 75 Vgl. (Leo, 2008 S. 51) 76 Siehe dazu die TimeShift-Demo, sowie die gametrailes-features auf der beiliegenden DVD. 44 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 19, das TMD lässt einen Baum schnell wachsen, um einen Wagon anzuheben

7.5 Altersmanipulation Die Möglichkeit, das Alter zu Manipulieren, ist eine eher selten benutzte Form der Zeitmanipulation in Computerspielen. Das Computerspiel, welche diese Fähigkeit als Hauptelement der Zeitmanipulation verwendet, nennt sich Singularity, ein bis zum heu- tigen Datum noch nicht veröffentlichter Ego-Shooter. Der Avatar besitzt in dem Spiel ein Gerät namens TMD (Time Manipulation Device), welches einzelne Objekte in hoher Ge- schwindigkeit durch die Zeit bewegen kann, jedoch nicht durch den Raum. Das bedeutet, dass die Objekte ihren Alterungszustand ändern. Das TMD kann die Objekte in beide Richtungen der Zeitlinie beschleunigt altern oder eben verjüngen lassen, sowie eine Sta- sis der Zeit in dem Objekt bilden. Stasis bedeutet hierbei, das Objekt bleibt in der Zeit eingefroren, solange diese Funktion vom TMD aktiviert ist, wodurch es möglich ist, Gra- naten an ihrer Explosion zu hindern oder eine gerade passierende Explosion einzugren- zen. Durch das Altern von Objekten kann der Spieler so zum Beispiel Bäume wachsen lassen, Blockaden verrosten lassen oder das TMD dadurch als Waffe verwenden. Zielt der Avatar mit der Alterungsfunktion auf Gegner, so altern diese so schnell, dass sie zu Staub zerfallen können. Mit der Fähigkeit des Verjüngens, können Objekte in einen frü- heren Zustand versetzt werden. Dies bewirkt das Gegenteil des Alterns, da dadurch zer- störte Objekte wieder aufgebaut werden können. Der Spieler kann so zerstörte Passagen wieder passierbar machen oder verrostete Ölfässer in einem Zustand bringen, in wel- chem sie mit Öl gefüllt waren. Ein weiteres Objekt neben dem TMD ist in Singularity die Chrono-Light, eine Taschenlampe, die dem Avatar Objektzustände aus anderen Zeiten zeigen kann, ohne dass diese mit dem TMD manipuliert werden müssen. So ist sie zum Beispiel fähig, alte Aufzeichnungen von Kreidetafeln wieder sichtbar zu machen. 77 Aber nicht nur Singularity besitzt die Fähigkeit, der Altersmanipulation anderer Ob- jekte außer dem handelnden Zeitreisenden selbst. In Braid kann ein Fingerring genutzt

77 Vgl. (Raffel, 2009) Formen der Zeitmanipulation 45

Abbildung 20, das TMD stellt einen zerstörten Pfeiler wieder her werden, um Objekte in seiner unmittelbaren Nähe in einen verlangsamenden Zeitfluss zu bringen. Der Ring besitzt somit die Zeitverschiebungsfähigkeit einer starken Gravita- tionsquelle ohne jedoch eine räumliche Gravitationskraft zu nutzen. In dem Spiel Dead Space besitzt der Avatar ein Stasis Modul, welches beschossene Objekte langsamer in der Zeit voranschreiten lässt. Das Stasis Modul umgibt die Objekte kurzzeitig mit einen zeitlichen Stasisfeld. So kann der Avatar schnellschließende Türen aufhalten oder auch Gegner auf Abstand halten.78 In beiden Beispielen, Braid und Dead Space, ist trotz der unterschiedlichen Alte- rungsgeschwindigkeit der betroffenen Objekte eine Altersmanipulation in dem Maße von der in Singularity nicht möglich. Das Rennspiel Carmageddon 2 besitzt eine Repa- rier-Funktion, welche der Verjüngungsfunktion des TMD noch am nächsten kommt. Hierbei kann das beschädigte Fahrzeug des Spielers per Knopfdruck Stück für Stück wieder instand gesetzt werden. Rauchschwaden verschwinden und die Verformungen der Karosserie gehen langsam zurück, solange der Spieler die Reparaturtaste betätigt.79 Dies ist jedoch immer noch nicht mit der Altersmanipulation von Singularity gleichzu- setzen und diese Fähigkeit bleibt ein Unikat in der Welt der Computerspiele.

78 Vgl. (Dead Space Wikia, 2009) 79 Vgl. (Nedelev, 2006) 46 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Schlussbetrachtung 47

8 Schlussbetrachtung

Folgend werden die gesammelten Erkenntnisse der vorliegenden Ausarbeitung un- ter dem Aspekt einer Einbeziehung in den arbeitsbegleitenden Spieleprototyp nochmals zusammenfassend vorgetragen. Darüber hinaus werden einige Vorschläge für weiter- führende Arbeiten kurz erwähnt.

8.1 Fazit und Prototyp Spiele nutzen das Element der Zeitreise nicht immer so, wie es in Filmen der Fall ist, doch haben beide Medien im Endeffekt doch Gemeinsamkeiten in dieser Form der Fikti- on. Filme nehmen häufig Bezug auf die Ursprünge der Zeitreisen, welche bei H. G. Wells‘ literarischer Vorlage Die Zeitmaschine und bei Albert Einsteins allgemeiner Relativitäts- theorie zu finden sind. Sie nutzen die Erkenntnisse der Relativitätstheorie und vereinfa- chen sie oft so, dass die Zeitreise fiktiv durch Zeitmaschinen und Wurmlöcher erfahrbar gemacht werden kann. Auch Spiele nehmen Bezug auf diese Ursprünge, meist werden aber die schon vereinfachten Zusammenhänge weiter trivialisiert, damit der Spieler so- fort ins Spielgeschehen mit seinen Zeitreisefähigkeiten einsteigen kann, wobei im Film zunächst noch die Funktion der Zeitreise erläutert wird. Und dass, obwohl Computer- spiele das Element der Zeit häufig mehr ausnutzen als in Filmen. Die Fähigkeit der Zeit- reise muss in Spielen nicht unbedingt ein Hauptmotiv sein, wie es in den meisten Zeit- reisefilmen der Fall zu sein scheint. Das beste Beispiel hierbei ist Braid, wessen wichtigster key hook die Umkehrung der Zeit ist. Die Geschichte sich aber nicht mit der Zeitreise, sondern mit dem Streben nach Unerreichbaren auseinander setzt. Dabei ist Braid ein sehr gutes Computerspiel, um die Möglichkeiten von Zeitmanipu- lationen spielerisch und erzähltechnisch zu demonstrieren. Der Spieleprototyp, der pa- rallel zu dieser Arbeit programmiert wurde, nimmt sich deshalb einige Elemente von Braid zum Vorbild. Die Zeitmanipulation beeinflusst in Braid das gesamte Spiel mitsamt seinen Spielfiguren, Hintergrundanimationen, Geräuschen und seiner Musik. Auch wird die Zeitmanipulation nach Abhängigkeit verschiedenfarbender Auren noch zusätzlich beeinflusst. Objekte, welche eine Aura umgibt, sind nicht von der Zeitmanipulation be- einflusst. Begibt sich Tim also in eine solche Aura, so kann er die Zeit um sich herum manipulieren, ohne selbst betroffen zu sein. Der Prototyp kombiniert viele verschiedene Formen der Zeitmanipulationen anderer Computerspiele miteinander. Dem Avatar ist es möglich, die Zeit zu verlangsamen, an- zuhalten und auch rückwärts ablaufen zu lassen. Daneben steht es ihm frei, ob er dabei in der Umgebungszeit gefangen ist oder sich von dieser löst. Das bedeutet, durch das Zurückspulen der Zeit kann er entweder eine Aktion rückgängig machen, wie in Prince of Persia: The Sands of Time, oder auch die Zeit des Spieles zurückdrehen und sich weiter frei bewegen, wie in TimeShift. Analog dazu gestaltet sich das Anhalten und Verlangsa- men der Zeit. Zusätzlich kann der Spieler auch das Level per Knopfdruck wiederholen. Wenn er dabei jedoch seine Zeitmanipulationsfähigkeit aktiviert hat, so gelangt er zwar auch an den Spielanfang, jedoch zusammen mit einem Zeitzwilling, wie in Choke on my Groundhog, YOU BASTARD ROBOTS. Mithilfe dieser Zeitzwillinge kann er auf höhere Ebenen gelangen oder gleichzeitig mehrere Knöpfe aktivieren. Beim Einsatz einer der 48 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Abbildung 21, der Spieleprototyp als Jump 'n' Run

verschiedenen Zeitmanipulationen, reagieren sowohl die Hintergrundanimantionen und Musik, wie auch die Spielgeräusche auf den Unterschied zum normalen Zeitfluss. Der Spieleprototyp verzichtet ganz auf eine Geschichte oder Erklärung, warum der Avatar Zeitreisefähigkeiten besitzt. Die Motivation des Spielers besteht darin, die Level durchzuspielen und mit dem ungewöhnlichen Spielelement Zeit zu experimentieren. Die Manipulation der Zeit wird als triviale Erweiterung des Spielraumes ausgenutzt. Dies bedeutet, dass dem Spieler durch die Ausnutzung der vierten Dimension eine neue Mög- lichkeit des Durchschreitens der verschiedenen Level geboten wird, die Zeit stellt hier eine zusätzliche Fortbewegungsart dar. Durch das Gestalten dieses Prototyps sollte auf- gezeigt werden, was bei der Ausnutzung der Zeit als manipulatives Element in einem Computerspiel beachtet werden muss. Auch wenn keine Geschichte innerhalb des Spie- les existiert, sollten doch einige Grundlegende Gesetzte von Einstein und Kant eingehal- ten werden, sowie Ideen aus Filmen und Spielen mit einfließen. Der Prototyp nutzt keine alternativen Realitäten, sondern bewegt sich stets auf einer Zeitlinie, welche durch die Zeitmanipulationen immer wieder verändert wird. Das Spiel mit der Zeit ist häufig unlo- gisch und beschwört temporale Paradoxa herauf. Auch in dem Prototyp lässt sich dies nicht vermeiden, wenn der Avatar einen Zeitzwilling erzeugt. Wie in dem Kapitel „Vorbestimmte Zeitreisen und Zeitschleifen“ angesprochen, muss der Spieler zwar da- von ausgehen, dass erst mit dem letzten erstellten Zeitzwilling die Zeitlinie wirklich so ist, wie vorherbestimmt und damit stabil. Doch was passiert, wenn im Laufe der Spiel- zeit ein Zeitzwilling stirbt? Für dieses Problem wurde die eigene Kausalität der Zeitrei- senden Spielfiguren eingeführt, damit das Spiel nicht den Umweg der alternativen Reali- tät gehen muss. Diese Kausalität verhält sich ähnlich der von Chrono Trigger. Prinzessin Nadia ist nicht sofort aus der Zeit verschwunden, als die Suche nach ihrer Vorfahrin Leena eingestellt wurde. In dem Prototyp verschwindet der Avatar ebenfalls nicht so- fort. Nach dem Tod eines Zeitzwillings löst er sich langsam in Nichts auf. Die vollständige Schlussbetrachtung 49

Auflösung lässt sich nur verhindern, wenn der Avatar innerhalb einer kurzen Zeitspanne die Zeit zurück dreht und dem Tod des Zeitzwillings entgegenwirkt. Der Prototyp zeigt aber auch Probleme das Gameplay betreffend auf. Der Spieler hat zu jedem Zeitpunkt des Spieles alle zeitmanipulativen Fähigkeiten zur Verfügung. Damit dies nicht zu sehr ausgenutzt wird, müssen den Fähigkeiten Grenzen auferlegt werden. Die einfachen Formen der Zeitmanipulationen können jederzeit angewandt werden, je- doch benötigen die erweiterten Formen, jene welche, bei dem die Spielfigur sich wäh- rend einer Zeitmanipulation mit normaler Geschwindigkeit bewegen kann, Energie. Die- se Energie verbraucht sich je nach Zeitmanipulation verschieden schnell. Dadurch bleibt das Spiel weiterhin für den Spieler herausfordernd, sorgt aber letztendlich doch nicht dafür, dass Spieler Aufgaben immer so lösen werden, wie sie vom Autor ursprünglich erdacht waren. Weil nun alle Fähigkeiten anwählbar sind und es von jeder Fähigkeit noch eine erweiterte Form gibt, steht das Spiel vor dem Problem des Control Overload. Das Problem hätte umgangen werden können, wenn je nach Level nur bestimmte Fähig- keiten zum Einsatz kommen würden, so wie es bei der Entwicklung von Braid entschie- den wurde. Jedoch soll der Prototyp zeigen, wie sich ein Spiel mit so vielen zeitmanipu- lativen Optionen wie möglich für den Spieler anfühlt. Der Control Overload und die Mög- lichkeiten, Exploits zu finden, sind somit die großen Schwächen des Prototyps. Ersteres kann damit kompensiert werden, den Spieler Stück für Stück mit der Zeitsteuerung ver- traut zu machen. Bei der Entwicklung des Prototyps wurden auch einige Entscheidungen wieder rückgängig gemacht. Die unbegrenzte Nutzung der erweiterten Zeitmanipulation wurde wie schon erwähnt begrenzt. Das Spielprinzip die Zeit zu beschleunigen wurde verwor- fen, da diese Befähigung den Spielspaß negativ beeinflusste. Die Zeitzwillinge ver- schwinden nun auch nicht mehr, nachdem sie eine Zeitreise in die Vergangenheit unter- nehmen. Dadurch sind sie weiterhin als Plattformen für Sprungeinlagen nutzbar. Es muss aber darauf achtgegeben werden, dass sie nicht von Gegnern getötet werden, da sonst auch der Avatar verschwindet. Die Entscheidung, den Zeitzwilling auch nach sei- ner eigentlichen Zeit bestehen zu lassen, wurde getroffen, damit der Spieler, wenn er denn zu einem bestimmten Zeitpunkt diese zusätzliche Plattform benötigt, nicht schon vorher lange Zeit an einer Stelle warten muss bevor er eine Zeitreise zum Beginn des Levels antritt. Doch die Entwicklung eines Prototyps für die Darstellung der Möglichkeiten von Zeitmanipulationen kann auch nur diesen einen Bereich abdecken. Ein Spiel, welches Zeitreisen oder Zeitmanipulationen als key hooks einsetzt, muss nicht nur in diesem einen Aspekt funktionieren. Auch die Gestaltung der anderen eingesetzten Spielmecha- niken muss schlüssig sein. Am Ende muss der Autor eines Zeitreise-Computerspieles so wie bei jedem andern Spieletyp immer bedenken, dass sein Werk dem Spieler Spaß be- reiten soll.

8.2 Ausblick Der Spieleprototyp besitzt zwar jetzt schon viele Formen der Zeitmanipulation, aber noch sind nicht alle möglichen aufgezählten. Es bleibt herauszufinden, inwieweit sich die Altersmanipulation aus Singularity auf andere Spiele übertragen lässt und ob dies über- haupt sinnvoll erscheint. Anstatt eine Altersmanipulation zu nutzen, welche mehrere Jahre überspringt, wäre auch eine als Spielelement einsetzbar, die nur einen kurzen Weg auf der persönlichen Zeitlinie des gewählten Objektes überbrückt. Die spielerische Nut- zung der Zeitbeschleunigung sollte ebenfalls näher untersucht werden. Diese Form der 50 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Zeitmanipulation sollte nicht gänzlich verworfen werden, eventuell könnte daraus ein erzählerisches Spielelement entwickelt werden. In den letzten drei Kapiteln dieser Arbeit wurden Formen und Folgen von Zeitreisen und Zeitmanipulationen bestehender Computerspiele aufgeführt und analysiert. Diese Kapitel können in weiterführenden Arbeiten noch mit neuen Zeitreise-Theorien und Zeitmanipulationsideen erweitert werden. So scheint eine Mehrspielerlösung für Zeit- manipulationen sich bis heute noch nicht erfolgreich durchgesetzt zu haben. Es sollte untersucht werden, inwiefern kooperative Spiele die vierte Dimension zu manipulieren vermögen. Es wäre denkbar, ein Spiel wie Day of the Tentacle als Mehrspielertitel zu entwickeln. Wenn diese Idee umgesetzt werden kann, dann wäre sie auch auf ein vielfa- ches erweiterbar und die Aussicht bestünde, dass „Massively Multiplayer Online Games“ (MMOGs) gleichzeitig in verschiedenen Epochen ihrer Spielewelt gespielt werden wür- den. Ein weiterer Punkt, der nicht angesprochen wurde, ist der Einsatz eines Zeitlimits. Wie ein solches doch so häufig in Computerspielen vorkommendes Element mit den manipulativen Fähigkeiten der Zeitkontrolle kombiniert werden kann, bleibt zu klären. Eventuell benötigt man für solche Spiele zwei separate Zeitzählungen, welche sowohl die Spielzeit als auch die real vergangene Zeit miteinander vergleichen. Ein Erweitern des Spieleprototyps mit einem Zeitlimit kann darüber Aufschluss geben.

Quellenangaben 51

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54 Zeitmanipulation und Zeitreise in Computerspielen

Filmographie Ijon Tichy: Raumpilot. Episode 3: Relativistische Effekte. Regie: Jacobsen, Dennis; Chahoud, Randa und Jahn, Oliver. Story v. Lem, Stanislaw und Jahn, Oliver. Deutschland: ZDF, 2007. The Matrix. Deutscher Titel: Matrix. Regie: Wachowski, Andy und Wachowski, Larry. Story v. Wachowski, Andy und Wachowski, Larry. Australien und USA: Warner Brothers Pictures 1999. The Time Machine. Deutscher Titel: Die Zeitmaschine. Regie: Pal, George. Story v. Wells, H. G. und Duncan, Robert. USA: Galaxy Films Inc. 1960.

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1, die Reise durch die Zeit, dargestellt in Chrono Trigger Abbildung 2, der Zeitstrudel als Verbindungsdimension zwischen den Epochen Abbildung 3, Skizze über die Funktionsweise von Wurmlöchern (Hacker, 2008 S. 31) Abbildung 4, die Toiletten in Day of the Tentacle dienen als Portale Abbildung 5, Darstellung von Regentropfen im verlangsamten Zeitfluss von TimeShift Abbildung 6, Auswahl der Spielgeschwindigkeit in Command & Conquer: Alarmstufe Rot 2 und Generäle Abbildung 7, in Street Fighter Alpha 2 löst die Custom Combo eine erhöhte Kampfgeschwindigkeit aus http://www.romulation.net/files/screenshots/roms/Sega_Saturn/21441/s7b707325d 1ee060c2d59fceb3f962918.jpg Abbildung 8, durch eine Instant Replay-Steuerung in Race Driver: Grid werden Fehler korrigierbar Abbildung 9, in Assassin’s Creed spielt man Erinnerungen nach, ähnlich der Zeitreise des Bewusstseins http://ftp.ubi.com/us/games/assassins/screenshots/17_%5bASSASSIN'S%20CREED% 5d_S_%5bPS3%5d_%5bCloseUpMarket%5d.jpg Abbildung 10, die Geschichte von TimeShift ist eher nebensächlich Abbildung 11, die Replay-Steuerung von Stunts wird in ähnlicher Form in Race Driver: Grid verwendet - http://www.forceforgood.co.uk/screenshots/stunts2.png Abbildung 12, Day of the Tentacle baut stark auf die Nutzung von Paradoxa Abbildung 13, Ijon Tichy reist durch die Zeit und trifft sich selbst mehrfach Abbildung 14, mehrere Zeitzwillinge in Choke on my Groundhog, YOU BASTARD ROBOTS Abbildung 15, das Ende der Sowjet-Mission in Alarmstufe Rot offenbart das Spiel als Prequel - http://en.wikipedia.org/wiki/File:Kane_rawin95_quote.png Abbildung 16, das V.A.T.S. von Fallout 3 hält die Spielzeit an http://blog.al.com/techcetera/2008/11/fallout3vats.JPG Abbildung 17, In Burnout wechselt die Kamera kurz vor einem Unfall in die Zeitlupe. Abbildung 18, Tim besitzt hier eine Aura, wodurch er nicht durch den Rücklauf der Zeit beeinflusst wird Abbildung 19, das TMD lässt einen Baum schnell wachsen, um einen Wagon anzuheben Abbildung 20, das TMD stellt einen zerstörten Pfeiler wieder her Abbildung 21, der Spieleprototyp als Jump 'n' Run Quellenangaben 55