Intertextualität in Julian Schuttings Gralslicht

Von „oeheim, waz wirret dir?“ bis „Erlösung dem Erlöser!“

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (MA)

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Eva SCHULZ

am Institut für Germanistik

Begutachterin: Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr. phil. Brigitte Spreitzer

Graz, 2015 Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Theorie der Intertextualität 2

2. 1 Historische Entwicklung und Konzepte der Intertextualität 3

2. 2 Kriterien der Intertextualität 5

2. 3 Formen der Markierung von Intertextualität 6

2. 3. 1 Nullstufe oder unmarkierte Intertextualität 8

2. 3. 2 Reduktionsstufe oder implizit markierte Intertextualität 8

2. 3. 3 Vollstufe oder explizit markierte Intertextualität 10

2. 3. 4 Potenzierungsstufe: Thematisierte Intertextualität 11

2. 4 Bezugsfelder der Intertextualität 12

2. 4. 1 Einzeltextreferenz 12

2. 4. 2 Systemreferenz 13

2. 5 Bezugsmöglichkeiten der Intertextualität 16

2. 6 Funktionen von Intertextualität 18

2. 7 Intermedialität 24

3 Der Autor: Biografisches, Positionen zu Wagner 27

4 Die Form von Gralslicht 29

5 Stil als Grundlage intertextueller Spuren 32

6 Inhalte, Themen, Motive 34

6. 1 Wolframs Parzival 35

6. 2 Wagners Parsifal 36

6.3 Mozarts/da Pontes Don Giovanni 39

6. 4 Themen und Motive in Gralslicht 40

6. 4. 1 Antisemitismus und Misogynie 43

6. 4. 2 Raum und Zeit 54

6. 4. 3 Fragen und Mitleid/Mitleidsfrage, Schuld und Erlösung 55

6. 4. 4 Der Kuss 65

7 Figuren 68

7. 1 Allgemeines 68

7. 2 Cundrîe/Kundry/K 70

7. 3 Don Giovanni/G (= Giovanni und Gurnemanz) 81

7. 4 Parzival/Parsifal/P 89

8 Conclusio 94

9 Intertextuelle/intermediale Bezüge in Gralslicht 100

9. 1 Vorbemerkungen 100

9. 2 Einzeltextreferenzen 101

9. 3 Systemreferenz: NS-Diktion, NS-Bezug 134

9. 4 Intermedialität 138

10 Überblick mit Zahlen 142

Literaturverzeichnis im Anhang 1 Einleitung

Es ist ein Schnitter, der heißt Tod, […] (Lied, anonym, Regensburg, 1637)

Es ist ein Schnitter, der schneidet Brot, […] (Ernst Jandl)1

Schon in der Literatur der Antike wurde zitiert und auch die Bearbeitung bestehender literarischer Stoffe und Mythen ist nicht neu. Wesentlich jünger sind allerdings der Begriff der Intertextualität und die Arten ihrer Verwendung. Julian Schuttings Gralslicht. Ein Theater- Libretto, eine Parzival/Parsifal-Rezeption2, ist ein idealtypisches Beispiel für gekonntes postmodernes Spiel mit intertextuellen und intermedialen Bezügen. Die Untersuchung der Intertextualität in diesem Werk ist Gegenstand meiner Arbeit. Zu Schuttings Gralslicht finden sich bisher nur zwei wissenschaftliche Beiträge; einer von Marieke Krajenbrink, ein anderer von Alexandra Chiriac. Nur Krajenbrink beschäftigt sich dabei mit Intertextualität.

Ein Theoriekapitel erläutert Konzepte, Kriterien, Formen, Bezugsfelder, Bezugsmöglichkeiten und Funktionen der Intertextualität. Mit konkreten Textbeispielen aus Gralslicht soll dabei die Theorie anschaulich gemacht werden. Nach einer kurzen Biografie des Autors und einigen seiner Aussagen zum Werk folgen Kapitel zu Form, Stil, Figuren und Inhalt, die thematisch jeweils auf ihre Beziehung zur Intertextualität hin überprüft und dargestellt werden. Denn Intertextualität beschreibt nicht nur die Beziehung von Texten untereinander, sondern findet sich auch in der Struktur eines Textes, in der Verwendung von re-used figures, in der Bezugnahme auf Themen des Prätextes oder dem Aufgreifen von Mythen. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt schließlich in der Entschlüsselung möglichst vieler intertextueller (und intermedialer) Verweise. Eine solch durchgängige Form der Intertexualitäts-Analyse von Schuttings Gralslicht liegt bisher noch nicht vor. Die Vorgangsweise dafür lässt sich im Wesentlichen als ein Suchen, Sammeln und Recherchieren beschreiben. Neben Zitaten, deren Herkunft sofort schlüssig ist, gibt es in Gralslicht auch viele stark veränderte, bewusst entstellte oder extrem verkürzte Zitate, deren Zuordnung zum betreffenden Prätext nicht einfach ist. Die Grenzen der Internetrecherche waren meist rasch erreicht und das Internet konnte nur dann dienlich sein, wenn zumindest der Kontext

1 Julian Schutting: Zuhörerbehelligungen. Vorlesungen zur Poetik. Graz: Droschl 1990, S. 83. 2 Die Schreibung in Lachmanns Ausgabe von Wolframs von Eschenbach Parzival ist „Parzivâl“, in der Übersetzung von Wolfgang Spiewok „Parzival“. In der Fachliteratur und auch bei Schutting wird sowohl für das Werk als auch die gleichnamige Person aus Wolframs Epos die Schreibweise „Parzival“ verwendet. Richard Wagner nannte sein Werk und dessen Hauptperson Parsifal. Aus Gründen der Einheitlichkeit verwende ich durchgehend Parzival für Wolframs Werk, Parsifal für Wagners Werk.

1 klar war. Kurz: Es zeigte sich, dass man ein Zitat entweder kennt oder eben nicht ‒ eine Erkenntnis, die für Lesekultur und Allgemeinbildung spricht.

Ein Hauptteil der gefundenen intertextuellen Bezüge ist den Einzeltextreferenzen zuzurechnen, die von bewusster, intendierter und (zumindest teilweise) markierter Intertextualität ausgehen, auf individuelle literarische Prätexte Bezug nehmen und somit einem engeren Intertextualitäts- konzept zuzurechnen sind. Für die Belege zur Systemreferenz ergibt sich aber logischerweise ein erheblich weiterer Intertextualiätsbegriff, da hier einerseits nicht nur die literarische Sprache Bezugssystem ist, sondern auch der politisch-gesellschaftliche Diskurs einer bestimmten Epoche, und andererseits der Bezug auf Mythen ein unendliches Feld von miteinander verknüpften Texten eröffnet, das sich unmerklich der Vorstellung eines texte général annähert. Es ist somit fast unmöglich, in der konkreten Beschäftigung mit Intertextualität von einem einzigen Intertextualitätskonzept auszugehen.

Ziel der Arbeit war es, herauszufinden, ob eine möglichst gründliche Entschlüsselung der intertextuellen Bezüge ein tieferes oder anderes Verständnis des Werks ermöglichen könne. Weitere Fragen waren, welche Bedeutung, welche Funktion der dichte Einsatz von Intertextualität in Schuttings Werk hat, was Intertextualität beim Leser bewirkt und was in Gralslicht von Wolframs von Eschenbach Parzival bleibt. Durch ein ausführliches persönliches Gespräch mit Julian Schutting am 13. Mai dieses Jahres in Wien konnten einige Fragen zu Gralslicht geklärt werden. In einer Conclusio werden schließlich die wichtigsten Erkenntnisse meiner Arbeit zusammengefasst.

2 Theorie der Intertextualität

Es ist schon alles gesagt, nur noch nicht von allen. (Karl Valentin)

Um die Belege von Intertextualität in Schuttings Gralslicht beschreiben zu können, soll zuerst die Theorie der Intertextualität kurz wiedergegeben werden. An Hand der beiden Fachbücher Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, herausgegeben von Ulrich Broich und Manfred Pfister,3 und Intertextualität und Markierung. Untersuchungen zur Systematik und

3 Ulrich Broich und Manfred Pfister: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. von Ulrich Broich und Manfred Pfister. Unter Mitarbeit von Bernd Schulte-Middelich. Tübingen: Niemeyer 1985. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. 35.)

2 Funktion der Signalisierung von Intertextualität4 von Jörg Helbig werden in diesem Kapitel die historische Entwicklung der Intertextualität, deren Konzepte, Kriterien und die Formen der Markierung dargestellt. Danach werden Einzeltext- und Systemreferenz als Bezugsfelder der Intertextualität, die Bezugsmöglichkeiten und schließlich die Funktionen von Intertextualität angeführt. Im letzten Abschnitt wird noch auf das Thema Intermedialität eingegangen. Jenen Themen, die für Gralslicht relevant sind, soll dabei mehr Platz eingeräumt werden und dort, wo es möglich ist, sollen Beispiele aus Gralslicht die Theorie der Intertextualität veranschaulichen. Die verwendete Fachliteratur entspricht nur scheinbar nicht dem allerletzten Stand; die Hinzuziehung aktuellerer Werke wie z. B. Intertextualtiät. Eine Einführung von Frauke Berndt und Lily Tonger-Erk (2013) brachte keine neuen Erkenntnisse. Broich/Pfister und Helbig werden durchgehend (meist nur verkürzt) von späteren Autoren zitiert.

2. 1 Historische Entwicklung und Konzepte der Intertextualität

Der Terminus „Intertextualität“ stammt zwar aus dem 20. Jahrhundert, den Bezug von Texten auf andere Texte gab es selbstverständlich lange davor. Bereits in der Antike kannte man nicht nur eine sogenannte imitatio vitae, den Bezug auf die Wirklichkeit, sondern auch eine imitatio veterum, den Bezug von Texten auf Texte, ein Begriff, dessen sich auch Rhetorik und Poetik mit zunehmender Detailliertheit bedienten.5 Pfister meint sogar:

Intertextualität ist ein wesentlicher Faktor in der Herausbildung dessen, was man literarische Tra- dition und Literaturgeschichte nennt, und in ihr vor allem konstituiert sich auch jener Gesamtzu- sammenhang aller Literaturen, den Goethe in seiner Utopie einer Weltliteratur anvisierte. 6

Den heute bekannten Begriff „Intertextualität“ prägte Julia Kristeva in den späten 1960er Jahren, wobei sie auf Michail Bachtins Begriff der „Dialogizität“ zurückgriff. Der sowjetrussische Lite- raturwissenschaftler schuf ein theoretisches Konzept, das im Widerspruch zu den russischen Formalisten stand. Bachtin ging der Frage nach, inwieweit Literatur und Gesellschaft und infol- gedessen Kunst und Verantwortung zusammenhängen.7 Neben der „vorgefundenen Wirklich- keit“ gibt es für den „Wortkünstler“ ‒ so Bachtin ‒ auch die „vorgefundene Literatur“, die über- nommen oder auch überwunden werden kann. Bachtin prägte die Begriffe „Monologizität und Dialogizität“, Prinzipien, die Gesellschaft, Sprache und Kunst gleichermaßen determinieren. Die

4 Jörg Helbig: Intertextualität und Markierung. Untersuchungen zur Systematik und Funktion der Signalisierung von Intertextualität. Heidelberg: Winter 1996. (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte. Folge 3.141.) 5 Vgl. Manfred Pfister: Konzepte der Intertextualität. In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. von Ulrich Broich und Manfred Pfister. Unter Mitarbeit von Bernd Schulte-Middelich. Tübingen: Niemeyer 1985. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. 35.) S. 1-30, S. 1. 6 Manfred Pfister: Interpretationen. Zur Beispielwahl. In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. von Ulrich Broich und Manfred Pfister. Unter Mitarbeit von Bernd Schulte-Middelich. Tübingen: Niemeyer 1985. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. 35.) S. 243-244, S. 243. 7 Vgl. Pfister: Konzepte der Intertextualität, S. 2.

3 „offene Auseinandersetzung divergierender Standpunkte“ nennt Bachtin „Dialog“, monologisch ist hingegen die „Bekräftigung von Tradition und Autorität“.8 Allerdings meint Pfister: „Es wur- de deutlich, daß Bachtins Konzept der Dialogizität vor allem auf den Dialog der Stimmen inner- halb eines einzelnen Textes oder einer einzelnen Äußerung abzielt“9. Daraus folge, dass Bachtins Theorie vor allem intratextuell und nicht intertextuell sei.10 Der Begriff Intertextualität findet al- so erstmals bei Kristeva Erwähnung:

Tout texte se construit comme mosaïque de citations, tout texte est absorption et transformation d’un autre texte. A la place de la notion d’intersubjectivité s’installe celle d’intertextualité, et le langage poétique se lit, au moins, comme double.11

Während Kristeva unter Prätexten zuerst das Gesamtkorpus literarischer Texte versteht,12 erwei- tert sie später den Textbegriff dahingehend radikal, dass sie „jedes kulturelle System und jede kulturelle Struktur“13, wie z. B. auch Geschichte und Gesellschaft, als Text betrachtet. Durch diese extreme Ausweitung des Textbegriffes folgt aber, dass Intertextualität kein besonderes Merkmal eines Textes ist, sondern „jeder Text in jedem seiner Teile und Aspekte intertextuell“14 ist. In diesem Zusammenhang verschwinden auch das individuelle Subjekt des Autors und die Individualität des einzelnen Werkes, „das zum bloßen Abschnitt in einem universalen, kol- lektiven Text entgrenzt wird“15. Poststrukturalismus und Dekonstruktionismus übernehmen die Vorstellung eines „texte général“, der mit Wirklichkeit und Geschichte zusammenfällt.16 Unum- stritten bleibt, abseits des sprachphilosophischen Diskurses, für Pfister die Definition „Die Theo- rie der Intertextualität ist die Theorie der Beziehung zwischen Texten“17. Dies führt allerdings zur Frage, welche Arten von Beziehungen darunter subsumiert werden. Pfister unterscheidet In- tertextualität im engeren und weiteren Sinne.

Die weitere und in ihren texttheoretischen Implikationen radikalere Konzeption geht davon aus, daß es in der Kommunikation keine tabula rasa gibt, daß der Raum, in den ein einzelner Text sich einschreibt, immer bereits ein beschriebener ist. Jeder Text ist Reaktion auf vorausgegangene Tex- te, und diese wiederum sind Reaktionen auf andere und so fort in einem regressus ad infinitum – jeder Text, das heißt nicht nur der literarische Text oder der moderne literarische Text oder der im Sinne Bachtins ‚dialogische‘ Text, sondern auch jeder kritisch-diskursive Text und jede alltäglich- normalsprachliche Äußerung!18

8 Ebda. 9 Ebda, S. 4. 10 Vgl. ebda. 11 Julia Kristeva: Sémeiotiké (1969), zitiert nach Pfister: Konzepte der Intertextualität, S. 6. 12 Vgl. ebda. 13 Ebda, S. 7. 14 Ebda, S. 8. 15 Ebda, S. 9. 16 Vgl. ebda. 17 Ebda, S. 11. 18 Ebda.

4 Laurent Jenny und Harald Bloom grenzen dieses globale Konzept deutlich ein, indem sie ausschließlich von literarischen und poetischen Texten ausgehen,19 und Gérard Genette liefert in Palimpsestes: La littérature au second degré (Paris, 1982) eine ausdifferenzierte Theorie der Intertexualität, die zwischen Intertextualität, Paratextualität, Metatextualität, Hypertextualität und Architextualität unterscheidet.20 Zusammenfassend konstatiert Pfister, dass sich zwei konträre Intertextualitätsmodelle gegenüberstehen: einerseits das globale Modell des Poststrukturalismus und andererseits strukturalistische oder hermeneutische Modelle, „in denen der Begriff der Intertextualität auf bewußte, intendierte und markierte Bezüge zwischen einem Text und vorliegenden Texten oder Textgruppen eingeengt wird“21. Da beide Modelle ihre Vorteile haben, versucht Pfister zwischen den beiden Ansätzen zu vermitteln. Ausgehend von der weit definierten Intertextualität, soll Intertextualität „nach Graden der Intensität des intertextuellen Bezugs“22 differenziert und abgestuft dargestellt werden. Natürlich sind die Grade der Intensität nicht objektiv messbar. Pfister unterscheidet sechs Kriterien der Intertextualität, die im folgenden Kapitel angeführt werden sollen.

2. 2 Kriterien der Intertextualität

Die sechs Kriterien der Intertextualität nach Pfister lauten wie folgt:

1. Referentialität: ist das Maß, in dem „der Zitatcharakter hervorgehoben und bloßgelegt und damit auf das Zitat und auf seinen ursprünglichen Kontext verwiesen wird“23. Abhängig von dieser Intensität wird auch der Folgetext zum Metatext des Prätextes, der den „Prätext kommentiert, perspektiviert und interpretiert und damit die Anknüpfung an ihn bzw. die Distanznahme zu ihm thematisiert“24. 2. Kommunikativität: bezeichnet den Grad „der Bewußtheit des intertextuellen Bezugs beim Autor wie beim Rezipienten, der Intentionalität und der Deutlichkeit der Markierung im Text selbst“25. Kanonisierte Texte der Weltliteratur eignen sich folgerichtig besonders als Prätexte. Plagiat und Epigonentum sind klarerweise in Bezug auf Kommunikativität am anderen Ende der Skala.26

19 Vgl. ebda, S. 13 f. 20 Vgl. ebda, S. 16 f. 21 Ebda, S. 25. 22 Ebda. 23 Ebda, S. 26. 24 Ebda, S. 27. 25 Ebda. 26 Vgl. ebda.

5 3. Autoreflexivität: liegt dann vor, wenn der Autor/die Autorin Intertextualität nicht nur bewusst setzt und markiert, sondern diese außerdem im Text selbst reflektiert, rechtfertigt oder problematisiert.27 4. Strukturalität: betrifft die syntagmatische Integration der Prätexte in den Text. Zwischen beiläufigem und punktuellem Anzitieren von Prätexten bis zum Prätext als struktureller Folie eines Textes reicht hier das Spektrum.28 Intensive Formen sind Parodie, Travestie, Kontrafaktur und Übersetzung. 5. Selektivität: nennt Pfister „die unterschiedlichen Grade in der Prägnanz der intertextuellen Verweisung“29. Vom wörtlichen Zitat aus einem konkreten Prätext bis zur Beziehung zwischen Texten „aufgrund ihrer Textualität“30 spannt sich der Bogen dieses Intensitätskriteriums. 6. Dialogizität: bezieht sich auf die Theorie Bachtins und besagt, dass die intertextuelle Intensität umso höher ist, „je stärker der ursprüngliche und der neue Zusammenhang in semantischer und ideologischer Spannung zueinander stehen“31. Eine Übersetzung, eine Dramatisierung oder Verfilmung unter größtmöglicher Beibehaltung des Textsinns stellen eine geringe Dialogizität dar; ironische Relativierung oder distanziertes Ausspielen der Differenz zwischen Prätext und Text hingegen eine intensive.32

2. 3 Formen der Markierung von Intertextualität

Ulrich Broich unterscheidet in seinem Beitrag „Formen der Markierung von Intertextualität“ prinzipiell zwischen markierter und nicht-markierter Intertextualität und führt den Begriff „Intertextualitätssignale“ ein.33 Für die Stärke der Markierung sind die Zahl der markers, deren Explizitheit und Lokalisierung von Bedeutung.34 Markierung kann auch in Nebentexten aufscheinen: im Titel bzw. Untertitel, als Motto, Vor- oder Nachwort oder im Klappentext.35 Markierung im inneren Kommunikationssystem liegt vor, wenn der „Autor Figuren aus anderen literarischen Texten in seinem Text leibhaftig auftreten läßt“36. Als Markierung im äußeren Kommunikationssystem nennt Broich die Wahl von Namen, die Verwendung von

27 Vgl. ebda. 28 Vgl. ebda, S. 28. 29 Ebda. 30 Ebda. 31 Ebda. 32 Vgl. ebda. 33 Vgl. Ulrich Broich: Formen der Markierung von Intertextualität. In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. von Ulrich Broich und Manfred Pfister. Unter Mitarbeit von Bernd Schulte- Middelich. Tübingen: Niemeyer 1985. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. 35.) S. 31-47, S. 31. 34 Vgl. ebda, S. 33. 35 Vgl. ebda, S. 36 f. 36 Ebda, S. 40.

6 Anführungszeichen oder eines anderen Schriftbildes.37 „Ein Autor kann darüber hinaus bestimmte intertextuelle Bezüge zunächst im werkimmanenten Kommunikationssystem markieren und dann, wenn das Intertextualitätsbewußtsein des Lesers geschärft ist, auf eine Markierung auf dieser Ebene verzichten“38, schreibt Broich. Andererseits können die Bezüge auf den Prätext auch von wachsender Deutlichkeit sein.39

Spezielle Fachliteratur ausschließlich zum Thema Markierung von Intertextualität stammt von Jörg Helbig. Die zur Beschreibung intertextueller Kommunikation erforderlichen fünf Komponenten sind für ihn: der präsente alludierende bzw. manifeste Text, dessen Produzent bzw. der Autor, dessen Rezipient(en), mindestens ein absenter alludierter Text bzw. Referenztext und die Einschreibung bzw. intertextuelle Spur, die ein Bindeglied zwischen Text und Referenztext darstellt.40 Den Sinn einer Markierungstheorie sieht er dort,

wo eine produktionsästhetisch motivierte Signalgebung von Referenzen tatsächlich nachweisbar ist und, mit den Worten Klaus W. Hempfers, „die Vertextetheit und damit kommunikative Relevanz solcher Bezüge von beliebigen Assoziationen unterscheidbar“ macht.41

Im Zusammenhang mit dieser Vorgabe scheint Helbig auch eine Eingrenzung des Inter- textualitätsbegriffes auf die Einzeltextreferenz erforderlich.42 Helbig verweist im Anschluss auch auf das von Pfister erstellte Modell der Intensität intertextueller Verweise, das mit den oben genannten Begriffen Referentialität, Kommunikativität, Autoreflexivität, Strukturalität, Selektivität und Dialogizität operiert, und sieht darin ein durchaus geeignetes heuristisches Instrument der Textanalyse.43 Allerdings greift Helbig einen Einwand auf, der von Pfister selbst genannt wird: Der Intensitätsgrad des intertextuellen Bezugs ist nicht in allen Kriterien gleich hoch, sondern kann – sogar ganz im Gegenteil – in einzelnen Bereichen diametral entgegengesetzt sein. So ist z. B. das Plagiat nach den Kriterien Strukturalität und Selektivität intensiv intertextuell, nach den Kriterien Referentalität und Kommunikativität (logischerweise) hingegen nur schwach intertextuell.44 Helbig versucht ein Modell mit kontinuierlich verlaufender Intensität der Intertextualitätsmarkierung zu erstellen. Das Ergebnis ist eine Progressionsskala

37 Vgl. ebda, S. 41. 38 Ebda, S. 42. 39 Vgl. ebda, S. 45. 40 Vgl. Jörg Helbig: Intertextualität und Markierung. Untersuchungen zur Systematik und Funktion der Signalisie- rung von Intertextualität. Heidelberg: Winter 1996. (= Beiträge zur neueren Literaturgeschichte; Folge 3. 141.) S. 76 ff. 41 Ebda, S. 58 f. 42 Vgl. ebda. 43 Vgl. ebda, S. 61. 44 Vgl. ebda, S. 62.

7 intertextueller Markierung, bestehend aus: Nullstufe, Reduktionsstufe, Vollstufe und Potenzierungsstufe.45

2. 3. 1 Nullstufe oder unmarkierte Intertextualität

Unmarkiert ist Intertextualität laut Helbig dann, wenn

neben einem notwendigen Verzicht auf linguistische und/oder graphemische Signale eine sprachlich-stilistische Kongruenz von Zitatsegment und Kontext vorliegt – eine Art literarische Mimikry, welche die intertextuelle Kommunikativität des Textes reduziert und es ermöglicht, eine intertextuelle Spur nahtlos in einen neuen Kontext zu integrieren, ohne daß hierbei Interferenzen entstehen.46

Ein Beispiel aus Gralslicht, bei dem sich ein Zitatsegment (von der Verfasserin fett markiert) quasi nahtlos in den sprachlichen Kontext einfügt, wäre:

Krüppel und Entstellte haben sie ausgefragt, haben in der Straßenbahn alte Männer und junge Mädchen in erstaunliche Verhöre genommen ‒ meinen Buß- und Reu-Zwang, in einem fort nach Gott und der Leidenswelt zu fragen, damit nur ja nicht noch einmal eine Frage versäumt wäre, […]47

Das so gut integrierte, fast schon versteckte Zitatsegment Buß- und Reu wiederholt sich in Gralslicht auf Seite 117 und wird dort vor allem durch die Zeile davor (auf daß sein klaffendes Sünderherz entzweiknirsche48) erst als Zitat aus Bachs Matthäuspassion erkennbar, in der es heißt: Buß und Reu, knirscht das Sündenherz entzwei.49 Dass mit dem Verzicht auf Markierung auf der Nullstufe der Autor das Risiko eingeht, die intendierte Wirkung zu verfehlen, ist evident.50

2. 3. 2 Reduktionsstufe oder implizit markierte Intertextualität

Hierunter subsumiert Helbig jene Fälle,

die intertextuelle Einschreibungen zwar emphatisch gebrauchen, indem sie sie gewissermaßen, beispielsweise durch Wiederholung ‚inszenieren‘, im übrigen jedoch auf eine komplexere Signalgebung verzichten. Derartige Verfahren üben keinen unmittelbaren Einfluß auf die

45 Vgl. ebda, S. 87. 46 Ebda, S. 88. 47 Julian Schutting: Gralslicht. Ein Theater-Libretto. Salzburg und Wien: Residenz-Verlag 1994, S. 87/19 ff. Die Zahl nach der Seitenangabe bezeichnet die betreffende Zeile. 48 Ebda, S. 117/4. 49 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit (zur Vermeidung allzu vieler Fußnoten) nenne ich nur die Bezugsstellen aus Gralslicht; die Parallelstellen dazu finden sich in „Kapitel 9. 2 Einzeltextreferenzen“ angeführt, die genauen Quellenangaben dazu jeweils im Literaturverzeichnis. 50 Vgl. Helbig: Intertextualität und Markierung, S. 90.

8 Transparenz einer Referenz aus, sie rücken diese jedoch (mit unterschiedlicher Intensität) in den Wahrnehmungsfokus des Rezipienten.51

Diese Emphase durch Quantität unterteilt Helbig wiederum in die Bereiche Frequenz (mit den Unterkapiteln Kontamination, Repetition und Addition), Proportion und Position (mit den Un- terkapiteln Distribution und Exponiertheit).52 Unter Kontamination versteht Renate Lachmann – zitiert nach Helbig – das „Ergebnis der Selektion von Einzelelementen aus verschiedenen Refe- renztexten […] und deren Kombination.“53 Die Begriffe Repetition und Addition führen nun zu einer Definitionsverwirrung, führt doch auch Heinrich F. Plett im Kapitel „Bezugsmöglichkeiten der Intertextualität“ diese beiden Begriffe ein.54 Plett beschreibt allerdings damit die Bearbeitung eines Zitats durch den zitierenden Autor, während sich Helbig auf Wiederholung und Auswei- tung/Amplifikation eines Referenztextes im gesamten Werk bezieht.55 Der Begriff Proportion entspricht wiederum Pfisters Kriterium der Strukturalität und seiner Definition eines Prätextes als struktureller Folie.56 Helbig schreibt: „Je mehr relative Erzählzeit eine intertextuelle Spur für sich beansprucht, desto stärker rückt sie ins Zentrum der Wahrnehmung“57. Die Emphase durch Position betrifft den Ort des Auftretens der intertextuellen Referenz, wobei Helbig unter dem Begriff der Distribution eine entweder punktuelle oder eine weiträumige Verteilung der intertex- tuellen Bezüge anführt.58 Unter dem Kriterium der Exponiertheit schließlich werden Referenzen im Haupttext und Referenzen in Paratexten unterschieden. Im Haupttext haben verständlicher- weise vor allem Textanfang und Schluss eine starke Wirkung auf den Aufmerksamkeitsfokus.59 Zu den Paratexten zählen Titel, Motti, Widmungen, Vorworte, Kapitelüberschriften oder Fußno- ten.60 Für Gralslicht sind hier vor allem der Titel und das Vorwort (mit der Inhaltsangabe von Wagners Parsifal), aber auch die ausführlichen Regieanweisungen, die wiederholt einen deutli- chen Bezug zu Wagners Parsifal darstellen, von Bedeutung. Ein Beispiel für implizit markierte Intertexualität, die (wie oben beschrieben) durch Wiederholung quasi „inszeniert“ wird, wäre: [...] das Ewig-Weibliche mit dir hinanzuziehen?61 Das bezieht sich auf Goethes Faust II, worin es heißt: Das Ewig-Weibliche/ Zieht uns hinan. Die Wiederholung ‒ wiederum als verändertes

51 Ebda, S. 97. 52 Vgl. ebda, S. 97 ff. 53 Ebda, S. 98. 54 Vgl. Heinrich F. Plett: Bezugsmöglichkeiten der Intertextualität. Sprachliche Konstituenten einer intertextuellen Poetik. In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. von Ulrich Broich und Manfred Pfister. Unter Mitarbeit von Bernd Schulte-Middelich. Tübingen: Niemeyer 1985. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. 35.) S. 78-98. 55 Vgl. Helbig: Intertextualität und Markierung, S. 100 ff. 56 Vgl. ebda, S. 103. 57 Ebda, S. 102 58 Vgl. ebda, S. 104 f. 59 Vgl. ebda, S. 105 f. 60 Vgl. ebda, S. 106 f. 61 Schutting: Gralslicht, S. 9/26.

9 Zitat ‒ lautet bei Schutting: der Männertraum vom Ewig-Weiblichen,/ das sie Mannsbilder hin- anziehe, himmelsrosenwärts?62

2. 3. 3 Vollstufe oder explizit markierte Intertextualität

Hierfür gilt, dass nicht nur die Deutlichkeit einer Referenz, sondern auch deren Transparenz verstärkt sind.63 Die erforderliche Allusionskompetenz des Lesers wird dabei auf ein Minimum reduziert.64 Als Abgrenzungskriterium zwischen impliziter und expliziter Markierung gilt eine „Tendenz zur Monosemierung, die es einem Rezipienten auch ohne hinreichende literarische Vorkenntnisse erleichtern soll, einen intertextuellen Verweis als solchen zu erkennen“65; ein Bruch in der Rezeption macht es außerdem unmöglich, die Markierung zu übersehen.66 Helbig unterscheidet folgende explizite Markierungsverfahren: onomastische Signale (re-used figures und re-used authors), linguistische Codewechsel und graphemische Interferenzen.67 Problematisch sind allerdings jene Fälle, in denen sich der Codewechsel in individualisierter Figurenrede verbirgt. Auch bei der graphemischen Markierung taucht das Problem auf, dass Anführungszeichen sowohl ein Zitat als auch die direkte Rede kennzeichnen können. Von Helbig werden noch Kursive, Versalien und Kleindruck, Segmentierung durch Klammern oder Schrägstriche, die Voranstellung eines Doppelpunktes und Unterstreichung als mögliche Markierungsformen genannt. Außerdem gibt es noch die Möglichkeit mehrfach markierter Intertextualität.68

Ein Beispiel aus Gralslicht, das durch seine Einleitung (die Begriffe Belehrungsunterweisung, Bildungsfragen) die folgende Intertextualität transparent macht, wäre:

[…] um eine Belehrungsunterweisung in ergänzungsbedürftigen Bildungsfragen: Wer nie sein Brot in Tränen aß, der kennt was nicht? Wenn der Herrgott net wüü, dann nutzt was gar nix?69

Zur Verdeutlichung der oben angeführten Problematik der Anführungszeichen, die eben kein si- cheres Indiz für ein Zitat sein müssen, seien aus Gralslicht folgende vier Beispiele genannt: Schutting verwendet einerseits Anführungszeichen für explizite Zitate, wie zum Beispiel: „wie

62 Ebda, S. 69/13 f. 63 Vgl. Helbig: Intertextualität und Markierung, S. 111. 64 Vgl. ebda, S. 112. 65 Ebda. 66 Vgl. ebda. 67 Vgl. ebda, S. 112 f. 68 Vgl. ebda, S. 124 ff. 69 Schutting: Gralslicht, S. 23/9 ff.

10 sich die Bilder gleichen!“70, eine Zeile aus Puccinis Tosca. Er verwendet Anführungszeichen aber ebenso für quasi „erfundene“ Sentenzen: „Lerne zu spielen – oder ertrage den Schmerz!“71 Es gibt auch Anführungszeichen, die ein Zitat vermuten lassen, aber dennoch Figurenrede sind, wie zum Beispiel: „melde gehorsamst, bin ohne Umschweife directemang feste druff gegan- gen!“72 Und natürlich gibt es auch Anführungszeichen in der direkten Rede einer Figur, die kei- nerlei Zitatcharakter hat, wie zum Beispiel: „und was machen Sie so, reisen Sie viel?“73 Anfüh- rungszeichen sind zwar prinzipiell eine deutliche Markierung für Intertextualität, es bleibt aber zu bedenken, dass nicht in jedem Fall ein Zitat vorliegen muss.

Erheblich eindeutiger als Merkmal der Intertextualität ist der linguistische Codewechsel. Vom eben genannten Beispiel melde gehorsamst […] als Ausnahme einmal abgesehen, gibt es in Gralslicht ganz klar erkennbare Zitate, die diesem Merkmal zuzuordnen sind: „Oheim, was wir- ret euch?“74 lässt sich leicht in Wolframs Parzival als ‚oeheim, waz wirret dir‘ wiederfinden. Und auch Cavalier Cavaradossi? Tosca hai parlato?75 ist durch den linguistischen Codewechsel (und durch die Nennung der Hauptfiguren) leicht zu entschlüsseln.

2. 3. 4 Potenzierungsstufe: Thematisierte Intertextualität

Bei dieser Stufe unterscheidet Helbig zwischen der Markierung durch Thematisierung literarischer Produktion und Rezeption einerseits und der Markierung durch Identifizierung des Referenztextes. Im ersten Fall verweisen meta-kommunikative Verben wie zitieren, rezitieren, deklamieren, lesen, vorlesen etc. auf die vorliegende Intertextualität. Auch Hinweise auf Autor, Inhalt, Textsorte, Datierung oder Erscheinungsort gehören zu diesem Bereich.76 Im zweiten Fall wird der Referenztext expressis verbis identifiziert.77 Helbig merkt dazu an:

Tendenziell tritt dieser Typus expliziter Markierung eher zu Beginn eines Textes auf, um einen spezifischen Referenztext bzw. einen Relationsmodus im Bewußtsein des Rezipienten zu etablieren und diesen für nachfolgende, impliziter gehaltene Bezugnahmen aufnahmefähiger zu machen.78

Die Beschreibung dieses Phänomens trifft genau auf Gralslicht zu. Der Titel gibt einen ersten Hinweis auf das Thema, das Vorwort benennt ganz konkret Richard Wagners Parsifal als Prätext und sensibilisiert somit für alle folgenden intertextuellen Verweise zu diesem Werk.

70 Ebda, S. 64/10. 71 Ebda, S. 11/2 f. 72 Ebda, S. 82/14. 73 Ebda, S. 44/19. 74 Ebda, S. 30/14. 75 Ebda, S. 22/10. 76 Vgl. Helbig: Intertextualität und Markierung, S. 131 ff. 77 Vgl. ebda, S. 135. 78 Ebda, S. 136.

11 Weitere Beispiele aus Gralslicht, die Intertextualität konkret thematisieren, sind: Soll an das englische Wort ich mich halten: „Fools rush in, where angels fear to tread“79. Oder auch: und wann ist der deutsche Satz: „Erlkönig hat mir Leids getan“ richtig angewendet?80 An anderer Stelle wird von Schutting erwähnt, dass klassisches Bildungsgut folgen wird und dass etliche dieser Zitate bereits als Alltagsfloskeln oder als aus dem Werkzusammenhang gerissene Einzelsätze fungieren:

[…] und wäre es, klassische Fragen zu zitieren oder im Alltag behauste zu repetieren? Des Ibykus, den wir beweinen? Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die festlich hier zusammenkamen? […]81

Durch die Einleitung weiß man, dass Zitate folgen müssen, auch wenn man sie nicht kennt bzw. nicht präzise entschlüsseln kann. Weitere Verweisfunktion auf Intertextualität haben in dieser zwanzig Zeilen langen Zitatzusammenschau Reimwörter (Namen/ zusammenkamen), die aus dem Prosatext hervorstechen, der linguistische Codewechsel (Owê swar sin verswunden alliu miniu jâr?) und Namen wie Cavaradossi, Tosca, Luise, Hagen und Bruder Abel, die eine deutliche Spur zu den jeweiligen Referenztexten legen.

2. 4 Bezugsfelder der Intertextualität

2. 4. 1 Einzeltextreferenz

Zum Kernbereich der Intertextualität gehören neben bewusster, intendierter und markierter Intertextualität vor allem auch individuelle Prätexte, die unter dem Begriff Einzeltextreferenz subsumiert werden.82 Natürlich kann sich ein Text sowohl auf einen einzigen als auch auf mehrere Prätexte beziehen, die mehr oder weniger gleichrangig präsent sein können.83 Gibt es einen Bezug zu einem Mythos, fällt die Trennung zwischen Einzeltext- und Systemreferenz oft schwer. Broich schreibt dazu:

Auch wenn sich ein Text auf einen Mythos als Folie bezieht, ist oft schwer zu entscheiden, ob es sich bei dem Bezugstext um eine ganz bestimmte sprachliche Ausformung des Mythos oder um

79 Schutting: Gralslicht, S. 21/27. 80 Ebda, S. 18/25. 81 Ebda, S. 21/34 ff. 82 Vgl. Ulrich Broich: Bezugsfelder der Intertextualität. Zur Einzeltextreferenz. In: Intertextualität. Formen, Funk- tionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. von Ulrich Broich und Manfred Pfister. Unter Mitarbeit von Bernd Schulte- Middelich. Tübingen: Niemeyer 1985. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. 35.) S. 48-52, S. 48. 83 Vgl. ebda, S. 50.

12 den hinter den einzelnen sprachlichen Ausformungen liegenden Mythos selbst oder nur um eine mythische Struktur handelt.84

In Gralslicht können als Einzeltextreferenzen eindeutig Wagners Parsifal, Mozarts/da Pontes85 Don Giovanni und Wolframs von Eschenbach Parzival bestimmt werden. Darüber hinaus gibt es aber eine Fülle von anderen Einzeltextreferenzen (Libretti von Opern und Operetten, Wienerlied, Volkslied, Kunstlied, Kinderlied, Gedichte, Balladen etc.) und parallel dazu Systemreferenzen in Bezug auf den Grals-Mythos und die Diktion der NS-Zeit.

2. 4. 2 Systemreferenz

Die Systemreferenz wird bei Pfister ‒ im Gegensatz zu „völlig entgrenzten Konzeptionen von Intertextualität“86 ‒ „auf sprachliche oder versprachlichte Systeme“87 eingegrenzt. Ein Verweis auf eine historische Figur ist somit kein intertextueller Bezug, da „eine Figur weder ein sprachliches Phänomen im eigentlichen Sinn ist noch Systemcharakter hat“88. Erst eine literarische Gestaltung dieser Figur stellt Intertextualität her; laut Pfister wäre diese dann aber zur Einzeltextreferenz zu zählen. Anders fällt die Zuordnung allerdings aus, wenn es sich um die Bearbeitung eines Mythos handelt. Systemreferenz hat eine Relevanz im Fall von Archetypen und Mythen. Sie liegt in diesen Fällen deswegen vor, weil der Mythos über die Sammlung von Erzählmotiven hinausgeht, deren Verknüpfung zu einem System wesentlich ist, und weil ein mythologischer Text selten auf einen Einzeltext zurückgreift, sondern auf eine Reihe von Varianten.89 „Der Mythos ist ja an sich schon ein intertextuelles Phänomen, da seine Urgestalt, wie sie in Riten und mündlichen Erzähltraditionen lebte, uns überhaupt nur noch aus dem Variantenspiel späterer schriftlicher Fassungen rekonstruierbar ist“90, schreibt Pfister. Unabhängig davon, existieren aber immer wieder pointierte Einzeltextreferenzen im Kosmos der Systemreferenz eines Mythos.91 So gibt es – laut Beatrix Müller-Kampel – rund 3000 Don Juan- Bearbeitungen, davon rund 1000 deutschsprachige,92 die in ihrer Gesamtheit eine Systemreferenz darstellen, da Pontes Don Giovanni wäre aber eine jener pointierten

84 Ebda, S. 51. 85 Die deutsche Übersetzung, auf die sich offensichtlich auch Schutting bezieht, stammt von Georg Schünemann und Kurt Soldan. 86 Manfred Pfister: Zur Systemreferenz. In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. von Ulrich Broich und Manfred Pfister. Unter Mitarbeit von Bernd Schulte-Middelich. Tübingen: Niemeyer 1985. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. 35.) S. 52-58, S. 53. 87 Ebda. 88 Ebda. 89 Vgl. ebda, S. 56. 90 Ebda. 91 Vgl. ebda, S. 57. 92 Vgl. Beatrix Müller-Kampel: Vorwort. In: Dies. (Hrsg.): Mythos Don Juan. Zur Entwicklung eines männlichen Konzepts. Leipzig: Reclam 1999. (= Reclam Bibliothek 1675.) S. 11-23, S. 11.

13 Einzeltextreferenzen, die auch in Gralslicht Bedeutung hat. Ähnlich verhält es sich – den Parzival/Parsifal-Mythos betreffend ‒ mit Wolframs Parzival und Wagners Parsifal.

Die intertextuellen Serien, die sich aus der fortgesetzten Mythenbearbeitung ergeben, umspannen – so Pfister – häufig mehrere Künste.93 Als Beispiel führt er den Salome-Mythos an, der von der neutestamentarischen Erwähnung (Mt 14, Mk 6) über eine Reihe von bildnerischen Dar- stellungen bis zu Oscar Wildes Drama Salomé und Richard Strauss’ gleichnamiger Oper reicht. Gralslicht stellt keinen der oben beschriebenen Medienwechsel (vom Text zum Bild zur Musik) dar, sondern integriert unterschiedliche Medien im Sinne von Intermedialität. Da Wolfram und Wagner zu den bekanntesten Parzival/Parsifal-Mythos-Interpreten gehören, ist eine Verknüpfung fast naheliegend. Auch beim Don Juan-Mythos sind die Textgrundlage von Tirso di Molina und die Mozart/da Ponte-Fassung markante Punkte der Mythenbearbeitung. Auch hier wird wieder der Urtext mit einer erheblich späteren musikalischen Fassung verbunden.

Unter Systemreferenz versteht Pfister außerdem noch jene Fälle, in denen auf sprachliche Codes und das Normensystem der Textualität Bezug genommen wird,94

denn jede Code-Durchbrechung oder Normabweichung macht die Codes und Normen bewußt, perspektiviert den devianten Text vor dem Hintergrund von Texten oder, streng genommen, aller Texte, die sich dieser Codes einfach bedienen und diese Normen erfüllen, und tritt damit in einen – oft weitgehend implizit bleibenden – Dialog mit deren Normentreue. 95

Noch prägnanter wird laut Pfister die Systemreferenz dann, wenn das anzitierte System „nicht mehr das allgemeine der langue ist, sondern ein ausdifferenziertes Subsystem davon, also ein be- stimmter Diskurstyp“96. Dazu zählen philosophische, religiöse und politische Diskurse. Die Sys- temreferenz vertieft sich noch in historisch-spezifischen Ausformungen eines Diskurses, der mit einem bestimmten Sinnsystem unterlegt ist.97 Wichtig ist außerdem, dass der intertextuelle Be- zug auf Diskurstypen nicht nur über literarische Texte hinausgeht, sondern gerade in nicht- literarischen Sprach- und Textformen auftritt, die ja dem gesellschaftlichen Leben unmittelbarer verbunden sind.98

Neben der Systemreferenz, die sich durch die vorliegenden Mythen ergibt, fällt in Gralslicht in diesem Zusammenhang ein weiteres Phänomen auf: Auf der Suche nach „Zitaten“ stößt man rasch auf Begriffe, einzelne Wörter, die ganz klar „entlehnt“ sind, die nicht dem genuin eigenen

93 Vgl. Pfister: Zur Systemreferenz, S. 57. 94 Vgl. ebda, S. 53. 95 Ebda, S. 54. 96 Ebda. 97 Vgl. ebda. 98 Vgl. ebda, S. 55.

14 Sprachgebrauch Schuttings entsprechen, aber eben auch kein Zitat im üblichen Sinn darstellen. Solche Wörter sind (teilweise auch in verfremdenden Zusammensetzungen) z. B.: Verjudung, reines und unreines Blut, Säuberungsaktion, Untermenschenwelt, Endlösung, nichtgesun- de[r]Volkskörper, Ariernachweis, Gemeinnutz geht vor Eigennutz, höhernorts der Erlösung Se- lektierten, Euthanasia, ein Ritter-Mutterkreuz verliehen für blut-und bodenreine Mutterschaft, Endsieg etc. Diese Begriffe lassen sich nur dann intertextuell erfassen und deuten, wenn man sie der Systemreferenz zuordnet. Die typische NS-Diktion ist eine solche – wie oben erwähnte ‒ his- torisch spezifizierte Ausformung eines politischen Diskurses, der mit einem bestimmten Sinnsys- tem unterlegt ist. Begriffe und Redewendungen dieser Zeit können heute absolut nicht mehr un- belastet und unreflektiert verwendet werden, sie sind untrennbar mit der NS-Zeit und dem dama- ligen Sprachgebrauch verknüpft. Am 2. Jänner 1999 wurde im ARD eine Reportage über Lothar Bisky gebracht. Ein Redakteur kommentierte die Bilder mit: „Für Bisky war es genau wie früher: ‚Die Fahnen hoch, die Reihen fest geschlossen.‘“ Er meinte aus einem anti-faschistischen Lied der Vorkriegszeit zitiert zu haben und wusste nicht, dass er eben das Horst Wessel-Lied der Na- zis zitiert hatte. Natürlich gab es darauf heftige Reaktionen.99 In der Kleinen Zeitung vom 5. Ap- ril 2014 (Seite 81) fand sich unter den Stellengesuchen ein kleines Inserat, das mit dem Satz „Arbeit macht Frei!“ [sic!] begann. Die Selbsthilfegruppe, die Erdbeerpflücken und Entrümpeln anbietet, hatte (wie eine telefonische Nachfrage ergab) völlig naiv gehandelt. Die inserierende Dame betonte, sie sei Jahrgang 1958 und habe mit „SS und Haider absolut nix am Hut“ (interes- sant daran ist die Kombination von SS und Haider). Tags darauf rief sie zurück und fragte, ob man „Arbeit macht unabhängig“ inserieren könne. Die berechtigte Aufregung, die sogenannte „Nazi-Sager“ im politischen Bereich regelmäßig auslösen, zeigt, dass sich die oben angeführten Begriffe der NS-Zeit zu unserer Alltagssprache wie ein völlig eigenes Sprachsystem verhalten, das heute (auch bei völliger Unwissenheit) nicht folgenlos verwendet werden kann.100 Auch Gabriele von Glasenapp führt in ihrem Beitrag Von der „Endlösung der Judenfrage“ zum Holo- caust. Über den sprachlichen Umgang mit der deutschen Vergangenheit am Beispiel der Formu- lierung „Endlösung der Judenfrage“ Folgendes aus: Da die Wendung von den damaligen Macht- habern selbst eingeführt wurde und die von ihnen geplanten Verbrechen damit erstmals in Worte gefasst worden sind, bleibe der Begriff mit dem Denken und der Sprache der NS-Zeit untrennbar

99 Vgl. Wim van den Berg: Autorität und Schmuck. Über die Funktion des Zitates von der Antike bis zur Romantik. In: Instrument Zitat. Über den literarhistorischen und institutionellen Nutzen von Zitaten und Zitieren. Hrsg. von Klaus Beekman und Ralf Grüttemeier. Amsterdam, Atlanta: Rodopi 2000. (= Avant Garde. Critical Studies. 13.) S. 11. 100 Eine Ausnahme ist allerdings der Kronenzeitung-Journalist Michael Jeannée, der anlässlich der Fußball-WM 2014 (folgenlos?) textete: „Heute die Brasilianer und morgen die ganze Fußballwelt. Mit einem Endspielsieg in Rio“ und „Jogi, Jogi über alles, über alles in der Welt“. Der Österreichische Presserat wird sich damit beschäftigen, Krone-Chefredakteur Christoph Dichand reagierte auf eine Anfrage des Kurier nicht. (Quelle: Kurier vom 9. 7. 2014, S. 27)

15 verbunden. Nach 1945 könne seine Verwendung nur in Anführungszeichen bzw. in Kontexten, die seine Herkunft deutlich machen, verwendet werden.101 Schutting stellt in Gralslicht Begriffe wie „arisiert“ oder „Nur für Arier“ nicht nur in einen völlig neuen Kontext, sondern parodiert durch die Verwendung von Diminutiven und das Anzitieren eines bekannten Kindermärchens (Schneewittchen der Gebrüder Grimm) zusätzlich den typischen euphemistischen Sprachge- brauch der NS-Diktion (wie z. B.: „Endlösung“ für die systematische Ermordung aller Juden, „Reichskristallnacht“ für die organisierte Gewaltanwendung gegen Juden etc.), wie folgendes Beispiel zeigt: Habt ihr von arisierten Tellerchen gegessen,/ seid ihr auf dem Nur-für-Arier- Bänklein gesessen, […]!?102 Der von Schutting in diesem Zusammenhang immer wieder ge- brauchte verharmlosende oder scherzhafte Ton (Scherzfragen zu stellen: ‚Rasselbande‘ oder ‚Rassenschande‘?)103 imitiert so die Verharmlosung der Grausamkeit im Sprachgebrauch der NS-Zeit, die Verharmlosung aus Gründen der Verdrängung in den Jahrzehnten danach („Ordent- liche Beschäftigungspolitik“) und die damit verbundene Abwehr („Es muss endlich einmal Schluss sein mit dem Thema!“). Gerade dieser Schuttingsche Ton sensibilisiert für die dahinter liegende Wahrheit.

2. 5 Bezugsmöglichkeiten der Intertextualität

So genau wissenschaftliches Zitieren bestimmten Regeln (einerseits der wissenschaftlichen Kon- vention und andererseits der moralischen Integrität) folgen muss, so „ungenau“ bzw. frei kann und darf literarisches Zitieren sein. Im Kapitel „Bezugsmöglichkeiten der Intertextualität“ be- schreibt Plett Verfahren, die bei der Übernahme eines Zitats Verwendung finden können. Plett definiert ein Merkmal des Zitats wie folgt: „Ein relevantes Merkmal des Zitats besteht darin, daß es ein Sprachsegment des Vorgänger- oder Prätextes wiederholt“104. Ein zweites Kriterium ist, dass dieses Sprachsegment nicht allein steht, sondern in einen Folgetext eingegliedert wird. In diesem Folgetext stellt das Zitat einen Fremdkörper dar, der ein originäres Segment ersetzt.105 Wichtig scheint außerdem: „Indem der Rezipient im Leseakt den abwesenden Prätext-Kontext des Zitats mitvergegenwärtigt, schafft er zusätzliche Konnotationen des ihm vorliegenden Tex- tes“106. Das Maß, in dem der Kontext des Zitats mitgedacht wird, hängt logischerweise von den

101 Vgl. Gabriele von Glasenapp: Von der „Endlösung der Judenfrage“ zum Holocaust. Über den sprachlichen Um- gang mit der deutschen Vergangenheit. In: Semantische Kämpfe. Macht und Sprache in den Wissenschaften. Hrsg. von Ekkehard Felder. Berlin, New York: De Gruyter 2006. (= Linguistik ‒ Impulse & Tendenzen. 19.) S. 127-156, S. 128. 102 Schutting: Gralslicht, S. 22/28 f. 103 Ebda, S. 22/22 f. 104 Plett: Bezugsmöglichkeiten der Intertextualität, S. 81. 105 Vgl. ebda. 106 Ebda, S. 82.

16 Vorkenntnissen des Lesers oder auch von der Deutlichkeit der Markierung des intertextuellen Spiels ab. Typisch für das Zitat ist – so Plett ‒, dass es gewisse Änderungen erfährt, die „im poe- tischen Kontext zusätzlichen Spielraum für Polysemie- und Ironie-Phänomene schaffen“107. Die Verfälschung oder Entstellung eines Inhalts, die sich durch Änderung ergibt, ist somit vom Au- tor/von der Autorin intendiert. Als mögliche Formen der Veränderung nennt Plett hier die aus der klassischen Rhetorik bekannte Transformationstetras: Addition, Subtraktion, Substitution und Permutation, außerdem noch die Repetition.108 Das von Plett angeführte Beispiel von Ezra Pound aus Hugh Selwyn Mauberley führt gleich alle Transformationsarten exemplarisch vor: Died some, pro patria,/ non „dulce“ non „et decor“. Das Zitat bezieht sich auf den bekannten Vers von Horaz: Dulce et decorum est pro patria mori. Die veränderte Syntax stellt eine Permu- tation dar, der Ersatz von est […] mori durch died ist eine Substitution, decor statt decorum ist eine Subtraktion, das doppelte non eine Addition bzw. eine Repetition.109 Hätte Ezra Pound stattdessen geschrieben: „Das bekannte Horaz-Diktum Dulce et decorum est pro patria mori scheint mir nicht zutreffend zu sein“, wäre zwar inhaltlich das Gleiche gesagt, aber es ist sofort evident, was die literarische Bearbeitung des Zitats und seine Einarbeitung in den Text zu leisten vermögen. Indirekt findet sich die Botschaft des Horaz-Zitats ‒ die das Erstrebenswerte eines eh- renvollen Tods für das Vaterland ausdrückt ‒ auch in Joseph Roths Radetzkymarsch (ein Titel, der auf ein Musikstück verweist und somit einen intermedialen Bezug herstellt), wenn Carl Jo- seph von Trotta, Schüler der Kavalleriekadettenschule, kindlich ergeben an den Kaiser denkt: Am besten starb man für ihn bei Militärmusik, am leichtesten beim Radetzkymarsch.110 Dieser Marsch, der idealtypisch für die K. u. K.- Zeit steht, transferiert hier das Zitat von Horaz (zeitlich und örtlich) in die Ära der österreichischen Monarchie und ist dabei nur auf den ersten Blick af- firmativ angewandt. Denn der Tod des jungen Trotta ist eben keineswegs süß und ehrenvoll.111

Schutting spielt in seinen Zitaten in Gralslicht ebenfalls alle Varianten dieser Transformationen durch: Einer – nämlich Schmerz einer – wird kommen,/ der wird mich begehren, einer wird kommen, dem will ich gehören112 ist der Operette Der Zarewitsch von Franz Lehár entlehnt, in der es heißt: Einer wird kommen, der wird mich begehren/ Einer wird kommen, dem soll ich ge- hören. Hier liegt mit dem Einschub – nämlich Schmerz einer ‒ einerseits eine Addition, mit will

107 Ebda. 108 Vgl. ebda. 109 Vgl. ebda, S. 83. 110 Joseph Roth: Radetzkymarsch. In: Werke 5. Romane und Erzählungen 1930-1936. Hrsg. und mit einem Nachwort von Fritz Hackert. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1990, S. 160. 111 Damit sei auch darauf hingewiesen, dass die (vermeintlich simple) Unterscheidung zwischen „affirmativ“ und „destruktiv“ nach Bachtin im Hinblick auf die Funktion intertextueller Bezüge keineswegs leicht zu treffen ist. 112 Schutting: Gralslicht, S. 20/1 f.

17 bei Schutting statt soll bei Lehár eine Substitution vor. Immer nur lächeln, immer vergnügt113 ist ebenfalls Lehár, Das Land des Lächelns, in dem es heißt: Immer nur lächeln und immer ver- gnügt. Durch das Weglassen der Konjunktion und liegt in diesem Beispiel eine Subtraktion vor. Ein Beispiel für eine Permutation (die sich in diesem Fall aus der Umformung eines Aussagesat- zes in einen Fragesatz ergibt) wäre: Sühnet reine Menschlichkeit alle menschlichen Gebrechen, oder […]?114 Diese Zeile ist einem Widmungsgedicht Goethes entlehnt und heißt im Original: Alle menschlichen Gebrechen sühnet reine Menschlichkeit. Repetition liegt im folgenden Bei- spiel vor: solange ich hier im Herzen nicht ‒ K: solange du was nicht im Herzen hier?115 Erst ei- ne halbe Seite später erschließt sich dieses Zitat durch Wiederholung und Vervollständigung: so- lange ich, im Herzen hier, von Brand nichts weiß,/ nichts von Sehnen, dem furchtbaren Sehnen, […].116 Durch diese Wiederholung kann man es Wagners Parsifal zuordnen: Hier! Hier im Her- zen der Brand!/ Das Sehnen, das furchtbare Sehnen.

2. 6 Funktionen von Intertextualität

Das Aufgreifen und Umarbeiten von tradierten Stoffen und Motiven ist – wie erwähnt ‒ prinzipiell keineswegs neu und in der europäischen Literaturgeschichte von Beginn an ein wesentliches Phänomen. Neu ist allerdings der heutige Umgang mit Zitaten und Prätexten, meint Marieke Krajenbrink in ihrem Beitrag „‚Sprachgebrauch, der den Mißbrauch anzeigt‘“. Postmoderne Zitierverfahren in Julian Schuttings Gralslicht“.117 Man könne durchaus von einer spezifisch postmodernen Intertextualität sprechen, „da die Bezugnahme auf Vorgängiges explizit gemacht, auf Meta-Ebene reflektiert und in den Vordergrund gestellt wird“118. Es geht dabei nicht um einen affirmativen oder epigonalen Rückgriff auf Vorlagen, sondern um Dekonstruktion und kritische Auseinandersetzung mit einem Stoff, wobei Wertvorstellungen der Vorlage hinterfragt werden.119 Diese Definition von moderner Intertextualität trifft auf Gralslicht ebenso in hohem Maße zu wie Krajenbrinks Feststellung, dass es häufig zu einem „Neben- und Gegeneinander von Zitaten aus unterschiedlichsten Bereichen“120 komme. Sogenannte hohe Literatur treffe auf populäre Kultur; Stilregister aus Werbung, der Beamtensprache oder dem

113 Ebda, S. 23/35. 114 Ebda, S. 14/22. 115 Ebda, S. 30/16 f. 116 Ebda, S. 31/1 f. 117 Vgl. Marike Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der den Mißbrauch anzeigt“. Postmoderne Zitierverfahren in Julian Schuttings Gralslicht. In: Instrument Zitat. Über den literarhistorischen und institutionellen Nutzen von Zitaten und Zitieren. Hrsg. von Klaus Beekman und Ralf Grüttemeier. Amsterdam, Atlanta: Rodopi 2000. (= Avant Garde. Critical Studies. 13.) S. 203-207, S.203. 118 Ebda. 119 Vgl. ebda. 120 Ebda.

18 NS-Jargon finden nebeneinander Verwendung.121 Krajenbrinks folgende Aussage beschreibt Schuttings Intentionen in Gralslicht präzise:

Ein ausgeprägtes sprachkritisches Bewußtsein geht so mit einer Infragestellung bzw. Unterminierung von hergebrachten ideologischen Voraussetzungen, wie sie sich vor allem auch in und durch Sprache manifestieren, einher: scheinbar Selbstverständliches wird verfremdet.122

Auffallend ist zudem – so Krajenbrink –, dass es im deutschsprachigen Drama der achtziger und neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine gehäufte Hinwendung zu mythischen Stoffen um die Nibelungen und die Parzival-Figur gibt: Stoffe, die im 19. Jahrhundert zunehmend zu nationalen Mythen funktionalisiert wurden und in der NS-Zeit der Verherrlichung und Propagierung des typisch Deutschen dienen sollten. Eine kritische und dekonstruierende Beschäftigung mit diesen Mythen scheint daher logisch.123 Konkret in Bezug auf Gralslicht schreibt Krajenbrink: „Wird hier doch das Zitieren von sentenziösem Bildungsgut ad absurdum geführt und somit als unreflektiertes und unkritisches Nachplappern des angeblich eisernen Dichter- und Denker- Bestands parodiert“124. Und weiter: durch die kreative, kritisch-dekonstruierende Verarbeitung von tradiertem Material schreibe Schutting gegen das Vergessen und Verdrängen an.125 Zum eben erwähnten „sentenziösen Bildungsgut“ sollte man Schutting selbst zu Wort kommen lassen. In seinen Zuhörerbehelligungen spricht er nämlich genau dieses Thema an. Vorauszuschicken ist, dass Schutting selbstverständlich ein genauer Kenner von Goethes und Schillers Werk ist und in seiner Poetikvorlesung nicht nur vieles daraus zitiert, sondern auch höchst lobend erwähnt. Mit einem Einwand: dass

eines immer wieder als ein kleiner Schmerz fühlbar wird: daß das Bedürfnis der deutschen Klassik nach Allgemeingültigkeit eine Aberratio gewesen ist – schwer zu ertragen ihr Sentenziöses, das dem naiven Eindruck recht gibt, alle tragische Verstrickung diene dem Austausch geflügelter Worte („Der Faust? Na Kunststück, wenn er aus lauter Zitaten besteht!“).126

Wahrheiten über die menschliche Natur vertragen, so Schutting, keine Reduktion aufs Allgemeingültige in „eingängiger Versgestalt“ und noch weniger die „Verkleidung etwa in pointiertem Konversationsstil.“127 Eben diesen Konversationsstil stellt er in Gralslicht ironisierend zur Schau.

Theoretisch-analytisch geht Bernd Schulte-Middelich die Fragestellung nach den Funktionen von Intertextualität an. In seinem Beitrag „Funktionen intertextueller Textkonstitution“ stellt er

121 Vgl. ebda, S. 203 f. 122 Ebda, S. 204. 123 Vgl. ebda. 124 Ebda, S. 224. 125 Vgl. ebda. 126 Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 45 f. 127 Ebda, S. 46.

19 zunächst Theoriebegriffe anderer Autoren vor, kommt aber zu dem Schluss, dass die übliche Zweiteilung der Funktionen unzureichend sei.128 So existiert seit Bachtin das Dialogizitäts- konzept mit dem Begriffspaar „Affirmation vs. Destruktion“129. Wichtig war den russischen Formalisten in diesem Zusammenhang die Automatisierung bzw. Entautomatisierung der Wahrnehmung und der literarischen Formensprache. Auch bei Gérard Genette gibt es eine ähnliche Zweiteilung: valorisation und dévalorisation. Schulte-Middelich meint, dass der dritte, von Genette eingeführte Begriff der transvalorisation, der als „Abwertung des Prätextes und Auffüllen von dessen formalem Gerüst mit einem neuen Wertesystem“130 definiert wird, nur eine Misch- oder Sonderform der erstgenannten Begriffe darstelle. Da Schulte-Middelich eine bloße Polarisierung in der Funktionszuschreibung als unzulänglich empfindet, schlägt er eine erweiterte Systematisierung vor. Damit bietet er ein brauchbares Handwerkszeug zur präziseren Analyse der unterschiedlichen Funktionen von Intertextualität in einem Text an.131 Wenn man intertextuelle Belege in Gralslicht näher betrachtet, erkennt man rasch, dass mit dem Begriffspaar Affirmation/Destruktion viele Fälle nicht beurteilt werden können. Wenn Schutting z. B. aus Schillers Ballade Der Taucher die Zeilen Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp? anzitiert, dann weder mit der Absicht, den Prätext zu bekräftigen, noch ihn zu zerstören oder ihm zu widersprechen. Das bei Schutting explizit davor angeführte Thema ist das Zitieren klassischer Fragen und somit nicht vorrangig der semantische Gehalt dieser Fragen.

Schulte-Middelich teilt die intertextuellen Funktionen wie folgt ein:

selbstzweckhaft/spielerisch (Freude am intellektuellen Spiel mit Texten usw.) einzel-zweckgerichtet (Problembewußtsein schaffen, aufrütteln usw.) gesamt-zweckgerichtet (Gesamtstruktur des Textes als philosophische Aussage usw.)132

Die einzel-zweckgerichtete Funktion ließe sich wiederum in eine „affirmative Wirkungs- strategie, eine neutrale Position und eine kritische Wirkungsstrategie“133 aufteilen und somit näher präzisieren. Dass hier das Bachtinsche Modell als prinzipiell hilfreicher Ansatz aufgegriffen wird (der aber einer Erweiterung bedurfte), scheint Schulte-Middelich nur sinnvoll.134 Helbig nennt unter Funktionen eine „gezielt didaktische, oft moralistische

128 Vgl. Bernd Schulte-Middelich: Funktionen intertextueller Textkonstitution. In: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien. Hrsg. von Ulrich Broich und Manfred Pfister. Unter Mitarbeit von Bernd Schulte-Middelich. Tübingen: Niemeyer 1985. (= Konzepte der Sprach- und Literaturwissenschaft. 35.) S. 197-242, S. 197 f. 129 Ebda, S. 199. 130 Ebda. 131 Vgl. ebda, S. 214 f. 132 Ebda, S. 215. 133 Ebda. 134 Vgl. ebda.

20 Intention“135, die wohl dem Punkt „kritische Wirkungsstrategie“ in Schulte-Middelichs Schema zuzurechnen wäre.

Im Hinblick auf den Folgetext bietet Schulte-Middelich noch folgende Funktionen an: Sinnstützung/Sinnerweiterung, neutrale Sinnkonstitution oder Sinnkontrastierung.136

Auch der Punkt „kritische Wirkungsstrategie“ lässt sich weiter auffächern in die „Kritik an der Form“, die „Kritik an Form und Thematik“ und die „Kritik an der Thematik“.137

Zum kommunikationstheoretischen Aspekt der Funktion schreibt Schulte-Middelich: „Im Bereich literarischer Produktion werden intertextuelle Verfahren Rezipienten-bezogen funktionalisiert“138. Die Faktoren Intentionalität und durch bewusste Signale gewährleistete Erkennbarkeit der intertextuellen Verfahren stellen allerdings eine idealtypische Konstruktion dar.139 Ein Beispiel für eine missverstandene Autorintention ist das Werk von Friederike Kempner (1836-1904). Ihre Gedichte wurden als intendierte Parodien (auf Klischees der Lyrik bzw. bestimmter Lyriktraditionen) gelesen. Aus der Biografie der Autorin weiß man aber inzwischen, dass ihre Gedichte und in naiver und affirmativ-nachahmender Technik entstanden sind.140 Zur Illustration, wie gründlich man die Autorin/den Autor missverstehen kann, bringt Schulte-Middlich ein Beispiel der Kempnerschen Lyrik:

Kennst Du das Land Wohin Märtyrer ziehn, Und wo sie still Wie Alpenröslein glühn?141

Betrachtet man das Autor-Leser-Verhältnis von der Rezipientenseite, so folgt logisch, dass das intertextuelle Potential abhängig von Leseintensität, Bildungsstand oder Lektüreerfahrung unterschiedlich wahrgenommen wird. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Hinweis auf historische Unterschiede in den Lesevoraussetzungen.142

135 Helbig: Intertextualität und Markierung, S. 166. 136 Schulte-Middelich: Funktionen intertextueller Textkonstitution, S. 215. 137 Vgl. ebda. 138 Ebda, S. 206. 139 Vgl. ebda. 140 Vgl. ebda, S. 209 f. 141 Friederike Kempner: Ausgewählte Gedichte (Berlin, 1929), S. 32, zitiert nach Schulte-Middelich: Funktionen intertextueller Textkonstitution, S. 209. Ergänzung: Der bekannte Schriftsteller Alfred Kerr hat seinen Geburtsnamen Kempner deshalb geändert, weil Friederike Kempner – so Kerr ‒ „die schlechtesten je auf diesem Planeten bekannt gewordenen Verse“ geschrieben habe. In: Alfred Kerr: Erlebtes. Reisen in die Welt. Hrsg. von Hermann Haarmann (= Alfred Kerr: Werke in Einzelbänden. Hg. von Hermann Haarmann und Günther Rühle. Bd. 1.2). Berlin 1989, S. 146. 142 Vgl. Schulte-Middelich: Funktionen intertextueller Textkonstitution, S. 210.

21 Auf Lottes Ausruf Klopstock!143 in Goethes Werther reagiert Werther mit folgender Assoziation: Ich erinnerte mich sogleich der herrlichen Ode, die ihr in Gedanken lag144, und man darf davon ausgehen, dass die Anspielung auf Friedrich Gottlieb Klopstocks Ode Die Frühlingsfeier dem damaligen Leser ebenso verständlich war wie Werther. Iris Hanika hingegen geht heute davon aus, dass ihren Lesern der Song Whole Lotta Love von Led Zeppelin, den sie in ihrem Roman Tanzen auf Beton145 auf neun Seiten ausführlich bespricht, etwas sagt. Vor allem Parodien und Satiren, also Gattungen, die per definitionem intertextuell angelegt sind, lassen sich meist infolge historisch bedingter Informationsdefizite nach einiger Zeit nur mehr mit Hilfe von Erläuterungen und Kommentaren entschlüsseln.146

Wichtig scheint noch der Hinweis zu sein, dass eine starke Veränderung des Prätextes nicht automatisch seine Destruktion bedeuten muss. So führt Schulte-Middelich als Beispiel Brechts Bearbeitungen von Marlowes Edward II und Shakespeares Coriolanus an, in denen er zwar massive Eingriffe vornimmt, Geist und Intention der Prätexte aber bestärkt.147 Auch Umberto Eco formuliert über die Funktionen der Intertextualität: „man erzählt sie [eine Geschichte aus ferner Vergangenheit] ja auch, um uns Heutigen besser begreiflich zu machen, was damals geschehen ist und inwiefern das damals Geschehene uns noch heute betrifft.“148

Nach Abwägung aller Parameter die Funktionen von Intertextualität betreffend bleiben verständlicherweise immer gewisse Fälle von Unbestimmbarkeit. Schulte-Middelich zählt sie am Ende seines Beitrags auf; einige für Gralslicht relevant erscheinende seien hier angeführt:

- Bei allen intertextuellen Funktionen ist auch die Möglichkeit bewußter Irreführung oder spielerischer Verwendung durch den Autor gegeben. - Intertextuelle Autorintention – Textintention ‒ Rezeption stimmen im Idealfall überein, die Möglichkeit von Abweichungen und unbewußten Fehlleistungen ist jedoch nicht auszuschließen. - Intertextualität hat […] in einem Ganztext oft mehrere Funktionen, die sich in verschiedenen Formen überlagern können. - Intertextuelle Funktionen können sich auf den gesamten Text, aber auch nur auf einzelne Teile beziehen. 149

143 Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werthers. In: J. W. G.: Erstes Weimarer Jahrzehnt 1775-1786. 2. Hrsg. von Hannelore Schlaffer, Hans J. Becker und Gerhard H. Müller. München, Wien: Hanser 1987. (= Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Münchner Ausgabe. Hrsg. von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder. Bd. 2.2.) S. 369 f. 144 Ebda. 145 Iris Hanika: Tanzen auf Beton. Weiterer Bericht von der unendlichen Analyse. Graz, Wien: Droschl 2012. S. 16 ff. 146 Vgl. Schulte-Middelich: Funktionen intertextueller Textkonstitution, S. 208. 147 Vgl. ebda, S. 216. 148 Umberto Eco: Nachschrift zu Der Name der Rose (1984), zitiert nach Schulte-Middelich: Funktionen intertextueller Textkonstitution, S. 216. 149 Vgl. ebda, S. 241.

22 Schutting liefert einige Beispiele von gezielter Irreführung des Lesers. Verzweifelt lässt er den Leser über die Herkunft von Stunde vergehe, Wunde verwehe150 rätseln oder kündigt eine Zeile mit wie sagt doch so treffend der alte Grieche, Aristot oder so?151 an, der dann ein quasi erfundenes Zitat152 folgt, das eben nicht von Aristoteles ist. Auch der Traum der holden Mutter im Sterbebett153 (auf welchen Traum wird da bloß angespielt?) entpuppt sich als Schwadronieren des Protagonisten. Diese Hinweise stammen übrigens von Schutting selbst154 und machten einer langen Zitat-Suche ein Ende.

Für den selbstzweckhaft-spielerischen Umgang mit Zitaten meint man bei Schutting ebenfalls etliche Beispiele zu finden. Aber auch ein so scheinbar harmloses Wortspiel wie Geteiltes Kleid – kann das stimmen? – sei halbes Kleid?155 setzt einen Nachdenk- und Überprüfungsvorgang beim Leser in Gang. Wie heißt das Sprichwort im Original? Lässt sich Leid wirklich teilen? Wird das Leid der Mutter, die ein Kind verloren hat, wirklich dadurch geringer, dass jemand mitfühlt? Eine Unterscheidung zwischen selbstzweckhaft und zweckgerichtet scheint keineswegs immer leicht zu treffen zu sein.

Wurde bisher eher theoretisch (wenn auch mit Beispielen aus Gralslicht) abgehandelt, welche Funktionen Intertextualität haben kann, möchte ich nun anhand einer längeren Textstelle zeigen, was Schutting mittels intertextueller Bezüge bewirkt. So lässt er P in einem längeren Monolog folgende Fragen stellen:

Wo ich her sei? Wer mein Vater sei? Wer mich dieses Weges sandte? Mein Name denn? Das alles wisse ich nicht? Meine Blutgruppe? Meine Paß-, meine Telephon-, meine Autonummer? Woher wir kommen und wohin wir gehen? Der Kategorische Imperativ? Italienische Reise? Mein Leben. Dichtung und Wahrheit? Über das Vergnügliche an tragischen Gegenständen? Warum und zu welchem Ende Universalgeschichte man studiere – Geleitbrief? Ariernachweis? innere oder äußere Emigration, das sei hier die Frage?156

Die Frage nach Namen und Herkunft (bei Wolfram wie bei Wagner), die Parzival/Parsifal in beiden Fällen nicht beantworten kann, wird von Schutting quasi als Bezug auf die Prätexte übernommen, mit der Weiterführung der Frage nach „Blutgruppe, Paß-, Telephon- und

150 Schutting: Gralslicht, S. 115/5 und S. 117/7. 151 Ebda, S. 11/2. 152 Ebda, S. 11/3. 153 Ebda, S. 99/31. 154 Gespräch vom 13. 5. 2014. 155 Schutting: Gralslicht, S. 23/17. 156 Ebda, S. 17/5 ff.

23 Autonummer“ wird das Thema einerseits ein wenig ins Lächerliche gezogen, andererseits wird auch thematisiert, dass unsere Daten an sehr vielen Stellen erfasst werden. Die Blutgruppenfrage führt außerdem zur hochbrisanten Thematik von „reinem und unreinem Blut“157; die Fragen „Woher wir kommen und wohin wir gehen?“ führen die Frage nach der Herkunft ins Philosophische und Religiöse, Kants „Kategorischer Imperativ“ als Maxime einer Moralvorstellung fragt nach der moralischen Identität eines Menschen und leitet assoziativ weiter über die Begriffe (italienische) Reise und „Mein Leben. Dichtung und Wahrheit“ zu Fragen nach Identität und Selbstkonstruktion. Das Stichwort „tragische Gegenstände“ führt zu „Geleitbrief“, um plötzlich mit dem „Ariernachweis“ die Frage nach der Herkunft als eine Frage auf Leben und Tod erscheinen zu lassen. Das darauf folgende „innere oder äußere Emigration“ schließt noch den Gedankenbogen von der „unerwünschten“ Herkunft (durch fehlenden Ariernachweis) zum Auswandernmüssen oder ‒ falls man sich für ein Mitläufertum entscheiden kann und die Herkunft kein Hindernis ist ‒ für die innere Emigration. Die Aneinanderreihung von Zitaten ist somit keineswegs willkürlich gewählt, sondern präzise durchdacht und bewirkt das Aufgehen eines großen Assoziationsraumes rund um den Themenkomplex „Wer bin ich? Wie und wodurch definiere ich mich?“

Dass Zitieren erheblich mehr ist als bloße Entlehnung oder Wiederholung von bereits Gesagtem oder Gedachtem, meint auch van den Berg. Er führt dies in einem Vergleich aus, den Michel de Montaigne wiederum einem Bild von Seneca und Plutarch entlehnt hat: „Die Bienen nehmen hie und da etwas von den Blumen: allein sie machen hernach ihren Honig daraus; und es ist kein Thymian und Majoran mehr.“158

2. 7 Intermedialität

Unter Intermedialität versteht man in einem weiten Sinn das Überschreiten von Grenzen zwischen als distinkt angesehenen Ausdrucks- oder Kommunikationsmedien; in einem engeren Sinn eine in einem Artefakt vorliegende Verwendung oder (referentielle) Einbeziehung wenigstens zweier Medien.159 Der Literaturwissenschaftler und Intermedialitätsforscher Werner Wolf führt fünf Aspekte der Intermedialität an:

157 Ebda, S. 8/30. 158 Michel de Montaigne: Essais, nebst des Verfassers Leben nach der Ausgabe von Pierre Coste. Ins Deutsche übersetzt von Johann Daniel Tietz, zitiert nach:Wim van den Berg: Autorität und Schmuck, S. 26. 159 Werner Wolf: Intermedialität. In: Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Hrsg. von Ansgar Nünning. Vierte, aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart, Weimar: Metzler 2008, S. 327 f.

24 1. Die an den intermedialen Bezügen beteiligten Medien (z. B. Musik, Film, bildende Kunst in Kombination mit Literatur) sowie 2. die Dominanzbildung innerhalb dieser Bezüge (so nimmt ein literarischer Text eine Dominanzrelation gegenüber ihn begleitenden ein). 3. Die Quantität der intermedialen Bezugnahmen: Bei einer Liedeinlage in einem ansonsten narrativ-fiktionalen Romantext liegt eine partielle Intermedialität vor, bei der Untersuchung einer Medienkombination wie der Oper handelt es sich um totale Intermedialität. 4. Die Genese des jeweiligen intermedialen Bezugs: Primäre Intermedialität liegt z. B. bei einer Bildgeschichte vor, da hier Intermedialität von Anfang an Teil des Werkkonzeptes ist. Sekundäre Intermedialität entsteht erst im Nachhinein und oft von fremder Hand, wie z. B. bei einer Romanverfilmung. 5. Die Qualität des intermedialen Bezugs unterscheidet zwischen manifesten und ver- deckten Erscheinungsformen. Bei der manifesten Intermedialität bleiben die beteiligten Medien weiterhin erkennbar (wie etwa in der Verbindung von Text und Melodie in einem Lied), oder sie gehen eine Synthese ein, wie z. B. in einer Wagneroper. Verdeckte Intermedialität liegt vor, wenn ein Medium in einem anderen Medium aufgeht und nicht unmittelbar erkennbar ist, ein literarischer Text etwa die Strukturen von Musikstücken oder filmische Techniken imitiert.160

Irina O. Rajewsky unterscheidet drei Kategorien von Intermedialität: Medienwechsel (die Vertonung von Also sprach Zarathustra von Friedrich Nietzsche durch Richard Strauss, Alban Bergs Oper Wozzeck nach Georg Büchners Dramenfragment Woyzeck u. v. a.), Medien- kombination (z. B. Volks- und Kunstlied, Franz Schuberts Winterreise) und intermediale Bezüge.161 Für Schuttings Gralslicht ist nur der Punkt „intermediale Bezüge“ von Relevanz. Die konkrete Definition von Rajewsky dafür lautet:

Verfahren der Bedeutungskonstitution eines medialen Produkts durch Bezugnahme auf ein Produkt (= Einzelreferenz) oder das semiotische System (= Systemreferenz) eines konventionell als distinkt wahrgenommenen Mediums mit den dem kontaktnehmenden Medium eigenen Mitteln; nur letzteres ist materiell präsent.162

In einem weiteren Schritt unterscheiden Frauke Berndt und Lily Tonger-Erk bei den intermedialen Bezügen die Begriffe Referenz (ein literarischer Text zitiert andere Medien) und

160 Ebda. 161 Irina O. Rajewsky: Intermedialität (2002), zitiert nach Frauke Berndt/Lily Tonger-Erk: Intertextualität. Eine Einführung. Berlin: Schmidt 2013, S. 159. 162 Ebda.

25 Performanz (ein literarischer Text inszeniert andere Medien).163 Die kürzeste Form der Referenz wäre das Medienzitat, die reine Erwähnung eines bestimmten Komponisten oder Musikers, eines Musikstücks oder Liedes.164 Wagners ‚Parsifal‘,165 Glücklich ist, wer vergißt!166 oder die Registerarie167 wären dafür Beispiele aus Gralslicht. Bei Schutting werden Text und Musik dahingehend kombiniert, dass der literarische Text Musik zitiert. Das Repertoire reicht dabei von Oper und Operette, Oratorium und Kirchenlied über Kunstlied und Schlager bis zu Kinder-, Volks- und Wienerlied. Das Medienzitat kann auch dazu dienen, „eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen oder eine Figur zu charakterisieren – ebenso wie Musik zu reflektieren, zu kommentieren, zu kritisieren oder zu parodieren.“168 Beispiele bei Schutting wären für die Erzeugung einer bestimmten Atmosphäre die Regieanweisung Barpianistisches, „melodiös“ eingerichtete Opern-musik169 und für die Charakterisierung einer Figur (in diesem Fall K) Martha Mödls ‚Par-si-fal‘!170 Die Musikunterlegung aus der Oper Carmen kommentiert die interessante Parallele zu Kundrys Verführungsversuch durch einen von der Mutter überbrachten Kuss,171 während aus der Regieanweisung das seraphische Deutsch-chorale […] zu schwer erträglicher Lautstärke angeschwollen, hohl wie durch einen Schalltrichter172 als Kritik an Wagners Neigung zum Pathetischen gelesen werden kann. Ironisch oder parodistisch zu deuten wären das dümmliche Blumenmädchen-Gsangel173 oder auch die ‚Schmachtfetzen‘-Musik.174

Von Performanz spricht man, wenn literarische Texte musikalische Zeichen mit sprachlichen Mitteln imitieren. Man kann dann auch von der Musikalität eines Textes sprechen. Kompositionstechniken wie Leitmotiv, Imitation, Variation, Fuge und Sonate zählen ebenso dazu wie onomatopoetische Effekte, Rhythmus oder rhetorische wie Metrum, Lautwiederholungen (Alliterationen, Assonanz, Konsonanz).175 Schuttings Sprache wird prinzipiell eine hohe Musikalität zugeschrieben, in Gralslicht fällt daneben natürlich besonders – in Anlehnung an Wagner ‒ die Verwendung der leitmotivischen Technik auf. Oder auch einmal ein kleiner ironischer Seitenhieb auf Wagners Vorliebe für die Alliteration (die allerdings in

163 Vgl. ebda. 164 Vgl. ebda, S. 195. 165 Schutting: Gralslicht, S. 5/2. 166 Ebda, S. 23/33. 167 Ebda, S. 49/21. 168 Berndt/Tonger-Erk: Intertexualität, S. 195. 169 Schutting: Gralslicht, S. 93/29. Da Zitate aus der Primärliteratur kursiv wiedergegeben werden und die Regieanweisungen in Gralslicht bereits kursiv gesetzt sind, scheinen sie zur Unterscheidung hier kursiv und fett auf. 170 Ebda, S. 8/13. 171 Vgl. ebda, S. 12/20 ff. 172 Ebda, S. 13/29 f. 173 Ebda, S. 67/27. 174 Ebda, S. 101/6. 175 Vgl. Berndt/Tonger-Erk: Intertextualität, S. 195 f.

26 Parsifal kaum vorkommt): […] webt sie wieselflink wie das Waldweben herum,/ wäre wohl als die Seele des Gralsunternehmens zu bezeichnen.176

3 Der Autor: Biografisches, Positionen zu Wagner

Die Oper an sich ist mir widerlich, muss ich schon sagen, sie ist mir wirklich widerlich. (Julian Schutting über Wagners Parsifal)

Julian Schutting wurde am 25. 10. 1937 als Jutta Maria Franziska Schutting in Amstetten/ Niederösterreich geboren. Er absolvierte in Wien die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt (Klasse Fotografie) und studierte später an der Universität Wien Geschichte und Germanistik. Seine Dissertation verfasste er über ein rechtshistorisches Thema. Von 1965 bis 1987 unterrichtete er am Technischen Gewerbemuseum Wien (einer Art HTL).

Erste Veröffentlichungen gab es in Literaturzeitschriften, 1973 folgten der Gedichtband In der Sprache der Inseln (Otto Müller) und der Prosaband Baum in O. (Europa Verlag). Ab 1974 finden sich Veröffentlichungen im Residenz Verlag (Salzburg), zu dessen Hausautoren Schutting heute noch zählt; außerdem wurden seine Werke bei Styria (Graz), Droschl (Graz), Jung und Jung (Salzburg) u. a. herausgegeben. 1989 entschied sich Schutting für eine Geschlechts- angleichung, in „Übereinstimmung mit [s]einem lebenslangen Lebensgefühl“, wie er dazu bemerkte. Schuttings Werk umfasst Prosa, Lyrik und sprachphilosophische Abhandlungen. Seit seiner Erstveröffentlichung sind rund fünfzig Werke erschienen. Der Autor ist Mitglied der Grazer Autorenversammlung und lebt als freier Schriftsteller in Wien.

Schutting erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Österreichischen Förderungspreis für Literatur in der Sparte „Lyrik“ (1971), den Anton-Wildgang-Preis (1984), den Georg Trakl- Preis für Lyrik (1989) und den Buchpreis der Salzburger Wirtschaft (2013). 177

Für die vorliegende Arbeit wurden neben Schuttings Gralslicht (1994) auch seine Werke Zuhörerbehelligungen. Vorlesungen zur Poetik (1990) und Metamorphosen auf Widerruf. Über Musik (2003) herangezogen.

176 Schutting: Gralslicht, S. 53/29 f. 177 Vgl. „autorInnen“ auf der Homepage www.literaturhaus-graz.at und „Buchmagazin & AutorInnen“ auf der Homepage www.literaturhaus.at (Wien)

27 Schutting ist ein leidenschaftlicher und äußerst kundiger Musik- und Opernfan. Über Wagners Oper Parsifal, die der wesentliche Prätext für sein Werk Gralslicht ist, sagte Schutting im Gespräch vom 13. Mai 2014: „Die Oper an sich ist mir widerlich, muss ich schon sagen, sie ist mir wirklich widerlich. Der Nietzsche hat ja, glaub ich, nur so verabscheut die Zuwendung zum Christentum des Wagner. Da soll ihm der geantwortet haben ‒ das steht wo bei Adorno: ‚Ja, jetzt quasi will das Publikum lieber was Christliches und nichts Germanisches‘.178 Das ist dem Nietzsche charakterlos vorgekommen. Es hat auch dieses Seraphische, dieses Feierliche, etwas so künstlich Veranstaltetes. Und diese Euthanasiegeschichte, diese Erlösung mit dem Speer ‒ ich wundere mich, dass in keiner Inszenierung je auf dieses Moment eingegangen wird, dass der [Parsifal] ihn [Amfortas] umbringt. Das ist unglaublich. Naja, es ist schon großartig, aber so etwas kann nur eine deutsche Oper sein. In keinem zivilisierten Land ist sowas bitte denkbar.“

Ist Schutting also ein Wagnerhasser? Keineswegs. In seiner Poetikvorlesung Zuhörer- behelligungen, die er im Wintersemester 1989 an der Grazer Universität hielt, meinte er beispielsweise: „verzeihen Sie, daß ich mich so enthusiastisch für Richard Wagner ins Zeug gelegt habe – ich finde es bloß altmodisch, sich über ihn zu belustigen“179. In dieser Vorlesung findet sich auch folgende Gegenüberstellung: „manches kommt einem abscheulich vor, etwa dies (Parsifal, Ende des 1. Aktes):

Doch rät dir Gurnemanz: Laß du hier künftig die Schwäne in Ruh, und suche dir, Gänser, die Gans!, und dem gehen wunderbare Verse voran, am Ende der Klage von Amfortas:

O Strafe, Strafe ohnegleichen des – ach! – gekränkten Gnadenreichen!180

Schuttings Haltung zu Wagner ist also sehr differenziert. Die Oper Parsifal ist ihm widerlich und dennoch empfindet er die Verführungsszene im 2. Akt als die „großartigste, wenn auch missglückte Verführungsszene der gesamten Opernliteratur.“181 Aufgrund dieser leidenschaftlichen Liebe zur Musik (verbunden mit präziser Kenntnis) ist Schuttings Gralslicht – trotz höchst kritischer Bearbeitung des Wagnerschen Prätextes – kein Wagner-Bashing und auch

178 Theodor W. Adorno schreibt, dass Wagners Schwester vom letzten Treffen Wagners mit Nietzsche berichtet habe. Wagner klagte über den schwachen Besuch der ersten Bayreuther Festspiele und sagte ärgerlich: „die Deutschen wollen jetzt nichts von heidnischen Göttern und Helden hören, die wollen was Christliches sehen.“ (Ulrich Müller: Parzival und Parsifal. Vom Roman Wolframs von Eschenbach und vom Musikdrama Richard Wagners. In: Sprache-Text-Geschichte. Hrsg. von Peter K. Stein u. a. Göppingen: Kümmerle 1980, S. 479-502, S. 496) 179 Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 51. 180 Ebda, S. 49 f. 181 Gespräch vom 13. 5. 2014.

28 kein oberflächliches Parodieren. Es geht Schutting um das Hinterfragen konkreter Inhalte, um Frauenfeindlichkeit und Antisemitismus, um eine genaue Überprüfung der sogenannten Mitleidsfrage und der damit verbundenen Erlösung in Wagners Parsifal. „Ein ausgeprägtes sprachkritisches Bewußtsein geht so mit einer Infragestellung bzw. Unterminierung von hergebrachten ideologischen Voraussetzungen, wie sie sich vor allem auch in und durch Sprache manifestieren, einher“182, schreibt Krajenbrink, die schon mit ihrem aus Gralslicht entlehnten Titel „Sprachgebrauch, der den Mißbrauch anzeigt“ die Intentionen Schuttings genau auf den Punkt bringt.

4 Die Form von Gralslicht

Der Faust? Na Kunststück, wenn er aus lauter Zitaten besteht! 183 (Julian Schutting)

Zu Beginn sei Schutting selbst zur Form von Gralslicht zitiert: „Wenn ich gefragt würde – ich würde in aller Bescheidenheit dazu sagen: Das Ganze ist eine Komödie, wenn man will mit ernsten Momenten. Mir ist die Figur des Parsifal kurios und viel natürlicher der immer getriebene Giovanni, der immer konsumieren muss und jede Frau offenbar nur einmal zu genießen fähig ist, der braucht eine nach der andern. Was sich da der Wagner an Naivität für den Parsifal ausgedacht hat, allein der reine Tor im 20. Jahrhundert, das ist ja eine so widerwärtige Idee, eine Blödigkeit, das ist genau der in der Nazi-Zeit, der neben einem Flüchtlingslager Arbeitende, der nicht wahrnimmt, was sich da abspielt. Gralslicht ist für mich eine amüsante Spielerei. Ich nenn’s daher auch Theater-Libretto, weil es ist kein Theaterstück, es ist aber auch nicht wirklich ein Opernlibretto. Natürlich muss die Sprache Wagners irgendwo vorkommen und wenn dann zwei so Gschaftlhuber letztlich miteinander reden, dann bombardieren sie sich mit Zitaten oder Sentenzen. So funktionieren ja auch Konversationsstücke. Ich hätt’s auch den Kammerspielen widmen können. Es wäre schön gewesen, dass man sich die Martha Mödl als Kundry ‒ in einer Leseaufführung – vorstellt. Die Herren hab ich vergessen, die mir damals vorgeschwebt sind. Irgendeiner, der für den Dodl184 geeignet ist, irgendein Tenor vermutlich, oder auch der Hampson oder so jemand – das hätte ganz witzig sein können.“185

182 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der…“, S. 204. 183 Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 45. 184 Vgl. Schutting: Gralslicht S. 24/36: G: […] sag, du Dodl, hast du keine Konversation, […] 185 Gespräch vom 13. 5. 2014.

29 Zur Form von Gralslicht gibt es sowohl mit dem Untertitel als auch im Vorwort zwei konkrete Verweise, nämlich Theater-Libretto und Lese-Oper. Der Untertitel lautet: Ein Theater-Libretto; das Vorwort beginnt mit dem Satz: ‚Gralslicht‘, in kompletter Wiedergabe auch der einander variierenden Szenen eine lyrische Lese-Oper. Ein Libretto (ital. „Büchlein“) ist der Text einer Oper, einer Operette, eines Musicals, eines Oratoriums oder einer Kantate, jedenfalls der Text eines musikalischen Werkes. Theater-Libretto und ebenso Lese-Oper definieren somit ganz klar den Bezug zur Oper. Es gibt ausführliche Regieanweisungen und Krajenbrink spricht von „Leitmotiven in der Wagnerschen Technik“186. Schutting meint, er hätte den Ausdruck „verlegenheitshalber eben“ erfunden und sagt weiters: „Vertonen hätte keinen Sinn, in der Art, wie es gemacht ist, ist es aber doch an Oper orientiert.“187

Formal ist das Stück dramatisch verfasst, also in Dialogen, die aber oft wie Monologe, wie Textflächen angelegt sind oder die – wie Schutting selbst schreibt – eher Scheindialoge sind: Ähnlich wie K hat auch G dafür zu sorgen, daß der P-Monolog nicht zum Ersticken gerät, Erholung in Scheindialogen188. Das teilweise Monologhafte ist auch in der Regieanweisung ist G mit seinem Sermon zu Ende189 zu finden. „Die monologischen Dialoge im Zug sind nicht als schwerfällige Streitgespräche konstruiert, sondern erfolgen vielmehr im Tonfall eines hoch- stilisierten und beziehungsreichen Kalauers“190, schreibt Krajenbrink. Die Regieanweisungen bieten, so Krajenbrink, nicht nur visuelle und akustische Entwürfe, sondern dienen auch der Signalisierung und Erläuterung von intertextuellen und intermedialen Bezügen. Da sie häufig im Konjunktiv oder in Frageform formuliert sind, bieten sie dem Leser einen großen Spielraum für eigene Vorstellungen.191 Andererseits finden sich auch in den Monologen konkrete nonverbale (in Regieanweisungen minutiös beschriebene) Interaktionen, die den Sprecher nicht ungehört sprechen lassen, sondern in den Monolog etwas Dialogisches bringen. Als Beispiel sei hier angeführt:

als er das über die Seele der Frau gesagt hat, schlägt sie ihm die Klaviernoten auf den Schädel. wie wenn nichts gewesen wäre, nickt er ihr zu, als wäre sie seine Begleiterin. da lacht sie auf, [...]192

Krajenbrink sieht in der Struktur von Gralslicht einen Rekurs auf Wagners Parsifal. Innerhalb der 23 Szenen entsprächen die verbal und szenisch auffallendsten und intensivsten Szenen den

186 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 207. 187 Ebda. 188 Schutting: Gralslicht, S. 12/31 f. 189 Ebda, S. 55/29. 190 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 206. 191 Vgl. ebda, S. 207. 192 Schutting: Gralslicht: S. 86/16 ff.

30 drei Akten bei Wagner: Zunächst steht das Versäumnis der Mitleidsfrage im Mittelpunkt (Szene 2), dann der zentrale Kuss (Szene 15) und schließlich die Wiederkehr in die Gralsburg und die „Erlösung“ (Szene 23).193

Von Wagner übernommen ist auch die Metaphorisierung des Raums, die ideologische Nord- Süd-Gegenüberstellung (die Burg Montsalvat im nördlichen Gebirge des gotischen Spanien, Klingsors Zauberschloss am Südhang desselben Gebirges, dem arabischen Spanien zugewandt), allerdings in einer ironisierten Version. Don Giovanni steht naturgemäß für die spanische Seite, was seiner literarischen „Herkunft“ aus Tirso de Molinas El burlador de Sevilla y convidado de piedra (1630), dem Ur-Don Juan, entspricht. Parsifal steht für die nördliche Seite: da also rein (rein wie Rhein nur ohne ´h´).194 Der Hinweis auf den Rhein überhöhe, so Krajenbrink, den Antagonismus von deutsch versus nicht-deutsch, der bei Wagner mitschwinge.195

Eine gewisse formale Übereinstimmung zwischen Schutting und Wagner besteht außerdem darin, dass Wagners Parsifal ebenfalls relativ handlungsarm ist. Auch hier gibt es lange Monologe, die große Teile der Handlung rückblickend wiedergeben. So erzählt z. B. Gurnemanz in Erinnerung sich verlierend (so die Regieanweisung) die Vorgeschichte zu Amfortas’ Leiden, kurz darauf von dessen Vater Titurel und vom Geheimnis des Grals und seiner Bedeutung. Auch über Parsifals Kindheit und Jugend, seine Herkunft, seine Beziehung zur Mutter und deren Tod erfährt man in einer langen Arie Kundrys.196 Peter Blaha bestätigt in seinem Beitrag „Erlösung dem Erlöser. Anmerkungen zu Richard Wagners Parsifal“ diesen Eindruck: Gurnemanz entledige sich der Aufgabe, die Vorgeschichte zu erzählen „in großer epischer Breite, die einzelnen Szenen tendieren dadurch zum Tableau, manche gar zum Ritual. Von einem Drama, das in Rede und Gegenrede eine Handlung ablaufen läßt, kann daher bei Parsifal keine Rede sein“197.

193 Vgl. Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 217. 194 Schutting: Gralslicht, S. 10/24. 195 Vgl. Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 210. 196 Vgl. Wagner: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel. Textbuch mit Varianten der Partitur. Hrsg. von Egon Voss. Stuttgart: Reclam 2005. (= Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18362) S. 16 ff. und S. 55 f. 197 Peter Blaha: Erlösung dem Erlöser. Anmerkungen zu Richard Wagners Parsifal. In: Richard Wagners Parsifal. Programmheft der Wiener Staatsoper. Wien 2003, S. 10-17, S. 17.

31 5 Stil als Grundlage intertextueller Spuren

Sprich, wie dir der Schnabel wuchs!198 (Johann Nepomuk Nestroy)

Um intertextuelle Bezüge als solche identifizieren zu können, muss man sie aus dem Gesamt- text herausfiltern können. Denn nicht immer ist ein Zitat so klar zu erkennen wie z. B. Owê swar sin verswunden alliu miniu jâr? oder Mein schönes Fräulein, darf ichs wagen?199 Wenn also hier versucht wird, Schuttings Schreibstil zu beschreiben, soll dies einerseits das Herausfinden intertextueller Bezüge erleichtern, andererseits insgesamt einem erhöhten Lese- und Inter- pretationsverständnis dienen.

Schutting-Kenner Gerhard Zeillinger (der u. a. auch eine Dissertation über Schutting verfasst hat) beschreibt Schuttings Sprache wie folgt:

Schutting beherrscht wie kein anderer die großen und die kleinen Töne, er weiß aus jeder scheinbar unscheinbaren Wahrnehmung einen Stoff zu formen, dessen Aufmerksamkeit in subtilen Zwischentönen genauso liegt wie in furioser Gestaltung. Hier schreibt ein großer Musik-, ein leidenschaftlicher Opernliebhaber die schönsten Hommagen an Birgit Nilsson, Ljuba Welitsch, Ileana Cotrubas oder Martha Mödl, berühmte Opernsängerinnen, die er einst schwärmend verehrte, […] Der Gespensteraugenblick, in dem die Kunst ihr Ewiges sichtbar macht, verdichtet sich voll Grazie zur am Ende unwiderrufenen Metamorphose. Das Schreiben darüber bei Schutting ist schon ein Teil davon.200

Zeillingers Rezension bezieht sich auf Schuttings Werk Metamorphosen auf Widerruf. Über Musik201 und da es auch bei Gralslicht um die Musik geht, ist diese Beschreibung besonders treffend. An anderer Stelle schreibt er:

Schuttings Sprache ist episch-lyrisch, die Gattungsgrenzen sind fließend, in die Prosa sind Gedichtpassagen eingefügt. Ergebnis ist ein komplexes Sprachkunstwerk, […]. Immer von Neuem überrascht Schutting mit artifiziellem Formenreichtum und thematischer Konsequenz, Ureigenschaft seiner Literatur, denn kein Autor arbeitet so verbissen und kunstvoll zugleich an der formalen Übereinstimmung mit dem Gegenstand, noch dazu in einer so unverwechselbaren Handschrift, […].202

Die hier erwähnten fließenden Gattungsgrenzen sind natürlich auch für Gralslicht relevant. Was Schutting selbst unter Stil versteht und wie er zu seinem persönlichen Stil gekommen ist, definiert er in der Poetikvorlesung Zuhörerbehelligungen. „Eingeschränkt auf die Literatur wäre

198 Laut Schutting (Zuhörerbehelligungen, S. 63) ein sogenanntes „Ästhetenimperfekt“. Zitiert nach Die Nachtwandler von Johann Nepomuk Nestroy. 199 Schutting: Gralslicht, S. 22/6 f. 200 Gerhard Zeillinger: Poetik der Entmaterialisierung. Julian Schutting über Musik [Rezension]. In: Literatur und Kritik. Bd. 381/382 (2003) S. 85-87, S. 85. 201 Julian Schutting: Metamorphosen auf Widerruf. Über Musik. Salzburg, Wien: Otto Müller 2003. 202 Gerhard Zeillinger: Ahnung und Abschied. In: Die Presse (Wien) vom 20. 10. 2012 (Printausgabe). Online: http://diepresse.com/home/spectrum/literatur/1303443/Ahnung-und-Abschied. Zugriffsdatum: 1. 6. 2014.

32 Stil als Personalstil etwa das an der Sprache eines einzelnen, was deren Besonderheit ausmacht als mehr oder weniger konstante Abweichungen von einer gedachten Norm“203, leitet Schutting die Antwort auf die Frage „Was ist Stil?“ ein. Stil ist das „Sprachsystem eines Dichters“ und die „Normentgrenzung, als in Vieldeutigkeit gerettete Eindeutigkeit“.204 Einige der Eigenheiten von Schuttings Stil seien hier aufgezählt: Schutting erzählt, dass er in der Gymnasialzeit die Römer um jene Konstruktionen beneidet habe, die in der Sprache Verkürzungen erlauben (wie z. B. den ACI). Seine Lehrer hätten eine wörtliche Übernahme ins Deutsche verwehrt und das sei einer „der wenigen Anreize gewesen, ein Schriftsteller zu werden und in dichterischer Freiheit das dann zu praktizieren“205. Aber auch ohne jemals Latein gelernt zu haben, würde er, meint Schutting, so schreiben. „Latein dürfte mir nur eine Bestätigung gewesen sein, eine Denk- und Schreibseelenverwandtschaft“206. Eine weitere Vorliebe hat Schutting für Verbhäufungen, die Kumulierung von Präpositionalobjekten, für „aus zusammengesetzten Hauptwörtern zusammengesetzte Hauptwörter“207 wie z. B. „Wintermorgenverschlafenheit“ und für durch „Bindestriche übersichtlich gehaltene[...] Aneinanderfügungen“.208 In Gralslicht finden sich Beispiele wie: Nur-für-Arier-Bänklein, mille-e-tre-Mütter oder Himmelfahrtskommando- Himmel.209 „Das finde ich wohltuend ‚unlyrisch‘ und schön als Sprachökonomie, denn dergleichen korrekt auszudrücken, käme mir weitschweifig vor“210, bemerkt Schutting dazu. Trotz eines Faibles für Verknappung und Sprachökonomie sind gerade lange Satzperioden für Schutting ebenfalls typisch. Die Meisterschaft darin habe er dadurch erworben, dass er als Deutschlehrer zur Einübung der Beistrichregeln den Schülern aus dem Kopf lange Sätze diktiert habe, die mindestens zwanzig Beistriche aufweisen sollten.211 Gelernt hat Schutting auch von Adalbert Stifter, mit dem ihn eine „seelische Verwandtschaft“212 verbindet.

Von Stifter hab ich es auch gelernt, Seltsames oder Schreckliches verhüllt zu beschreiben; nicht so sehr aus Rücksicht auf die Leser, die nur verstehen sollen, was sie verstehen wollen, sondern weil diese Technik ein kleiner Seelenkitzel für den Leser ist, wenn er nicht recht weiß, ob er da wirklich etwas ganz Harmloses vor sich hat; ob er hinter Harmlosem z. B. Abwegiges wahrnimmt, aber nur er ...213

Dieser Kunstgriff, Schreckliches harmlos erscheinen zu lassen, findet sich in Gralslicht durchgehend. Im plötzlichen Erkennen des Dahinterliegenden, Grausamen verstärkt sich oft die

203 Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 101. 204 Ebda. 205 Ebda. S. 107. 206 Ebda. S. 109. 207 Ebda, S. 108. 208 Ebda. 209 Schutting: Gralslicht, S. 22/29, S. 100/29 und S. 11/21. 210 Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 108. 211 Vgl. ebda, S. 109 f. 212 Ebda, S. 111. 213 Ebda.

33 Wirkung der Passagen; andererseits werden so die Euphemismen der NS-Sprache bzw. auch der heutige sprachliche Umgang mit dieser Zeit parodiert. Eine Eigenheit von Schuttings Stil, die er selbst nicht beschreibt, die aber immer wieder hervorblitzt und als Interpretationsmöglichkeit mitgedacht werden muss, ist sein Humor. Die schicksalsschwere Problematik rund um das richtige Fragen erhält auch einmal pure Leichtigkeit voller Witz:

Was würde ich fragen, wenn ich drei Fragen frei hätte – Hallo? Bin ich schon an der Reihe? Können Sie mich hören? Kann ich meine Frage schon stellen?214

Nachdem Schuttings Stil also höchst unverwechselbar ist, sollte es nicht schwer fallen, Textteile anderer Autoren aus seinem Text herauszufinden. Ein Irrtum, wie sich herausstellte. Denn ein Autor seines Formats kann natürlich auch in der Manier anderer Autorinnen und Autoren formulieren und dies als bewusstes Stilmittel (auch als Witz oder zur Irreführung des Lesers) einsetzen. In den meisten Fällen aber gilt: Jede Formulierung, jede Phrase, jede Floskel, die man schon einmal gehört hat, ist „intertextualitätsverdächtig“. Denn Schuttings Sprache kennt nichts Vorgefertigtes, bereits vielfach Benutztes. Sie ist so originär, dass man beim Auftauchen eines bekannten Klangs fast ausnahmslos an Intertextualität denken darf.

Was den Stil einer wissenschaftlichen Arbeit betrifft, finden sich in Schuttings Zuhörerbehel- ligungen höchst tröstliche Worte: In der Wissenschaft ist Stil Luxus, eine wissenschaftliche Arbeit so gut wie schon geschrieben, wenn das Material gesichtet ist215.

6 Inhalte, Themen, Motive

Tatsachen können so irreführend sein. (Oberst Hans Landa im Film Inglourious Basterds von Quentin Tarantino)

Neben zahlreichen Einzeltextreferenzen bezieht sich Gralslicht ‒ schon bedingt durch seine Figurenkonstellation (Parzival/Parsifal, Kundry und Don Giovanni) ‒ auf drei wesentliche Prätexte: das Hauptgewicht liegt dabei auf Wagners Parsifal; dieser Text hat natürlich in Grundzügen wiederum Wolframs Parzival als Vorlage. Dazu kommt noch da Pontes Don

214 Schutting: Gralslicht, S. 20/21 ff. 215 Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 103.

34 Giovanni. Bevor also der Inhalt von Gralslicht besprochen wird, sollen die drei wichtigsten Prätexte vorgestellt werden.

6. 1 Wolframs Parzival

Parzival ist ein Versroman der mittelhochdeutschen höfischen Literatur mit rund 25.000 paarweise gereimten Versen von Wolfram von Eschenbach. Das Werk entstand vermutlich im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts.216 In einer Doppelromanstruktur erzählt Parzival von zwei Helden: Parzival und Gawan. Die Abenteuer Gawans sollen (mit einer Ausnahme) hier keine weitere Erwähnung finden, da sie weder für das Werk Wagners noch für jenes Schuttings relevant sind. Auch aus der Parzival-Handlung wird nur angeführt, was für die vorliegende Arbeit erforderlich ist. Wichtig scheint mir noch der Hinweis, dass Wolfram – im Gegensatz zu Wagner – eine „direkte Identifikation mit christlichen Kultgegenständen und Reliquien“217 vermeidet und dass bei Wolframs Gralsprozession auch Frauen führend beteiligt sind.218

Parzivals Eltern sind Gachmuret und Herzeloyde. Noch vor Parzivals Geburt stirbt sein Vater, Herzeloyde zieht sich verzweifelt in die Waldeinöde von Soltane zurück. Dort will sie Parzival von allem Höfischen fernhalten. Sogar seinen Namen und seine Abstammung erfährt er erst später von seiner Cousine Sigune. Er begegnet aber im Wald Rittern, beschließt selbst einer zu werden und verlässt seine Mutter, die aus Schmerz darüber stirbt. Bevor Parzival den Artushof erreicht, erschlägt er den „roten Ritter“ Ither. Von Gurnemanz lernt er ritterliche Lebensführung, höfische Tugenden und erhält den Rat, nicht zu viel zu fragen. Er bewährt sich als Ritter und gewinnt die Hand der Königin Condwiramurs. Doch bald macht er sich wieder auf die Reise und gelangt zu einer Burg, in der der Burgherr Anfortas schwere Qualen leidet. Eine blutende Lanze wird durch den Raum getragen, danach der Gral, ein Stein, der wie ein „Tischlein-deck-dich“ funktioniert. Da Parzival den Rat Gurnemanz’, nicht so viel zu fragen, beherzigen will, fragt er Anfortas nicht, was ihm fehle. Als er die Burg verlässt, beschimpft ihn ein Knappe wegen der versäumten Frage. Er erfährt im Wald von Sigune den Namen der Burg – Munsalvaesche –, er erfährt vom Schicksal des Burgherrn und von seinem eigenen Versagen. Schließlich kommt er

216 Wolfgang Spiewok: Nachwort. In: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Mittelhochdeutscher Text nach der Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung und Nachwort von Wolfgang Spiewok. Band 2: Buch 9-16. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Stuttgart: Reclam 2010. (= Reclam 3682.) S. 676-703, S. 691. 217 Sandra Franz: Die Religion des Grals. Entwürfe arteigener Religiosität im Spektrum von völkischer Bewegung, Lebensreform, Okkultismus, Neuheidentum und Jugendbewegung (1871-1945). Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag 2009. (= Edition Archiv der deutschen Jugendbewegung. 14) S. 60. 218 Vgl. ebda.

35 zum zweiten Mal zur Artusgesellschaft. Plötzlich taucht die hässliche Gralsbotin Cundrîe219 auf, beklagt Parzivals Verfehlung auf der Gralsburg und verflucht ihn. Parzival gibt Gott die Schuld daran, dass Anfortas unerlöst blieb, und wendet sich von Gott ab. Nun werden die Abenteuer Gawans erzählt. Erst in Buch IX taucht Parzival wieder auf. Vier Jahre sind vergangen und er ist noch immer auf der Suche nach dem Gral. An einem Karfreitag trifft er auf Pilger, die ihm raten, den Einsiedler Trevrizent (einen Bruder seiner Mutter, also seinen Onkel) aufzusuchen. Dieser erläutert ihm richtiges Gottesverständnis und die Wirkung des Grals, der lebens- und jugenderhaltende Kräfte besitzt, die jährlich am Karfreitag erneuert werden. Manchmal erscheint am Gral auch eine Schrift, die der Gralsritterschaft Anweisungen gibt. Der nun folgende Teil gehört zur Gawanhandlung, ist aber hier relevant, weil er von Wagner übernommen wurde: Es geht dabei um die Burg Schastel marveile, wo der Zauberer Clinschor (bei Wagner: Klingsor) herrscht, der von Gawan besiegt wird. Parzival trifft im Wald auf einen heidnischen, ungemein mächtigen Ritter, Feirefiz. Es kommt zum Kampf, da die beiden nicht wissen, dass sie denselben Vater haben. Sie geben sich einander schließlich zu erkennen und freuen sich über die Begegnung. Cundrîe tritt auf, nimmt von Parzival den Fluch und bittet ihn, er solle nach Munsalvaesche ziehen, um Anfortas durch eine Frage von dessen Leid zu befreien. Ihm sei es vorherbestimmt, neuer Gralskönig zu sein. Durch die Frage Parzivals: ‚oeheim, waz wirret dir?’ wird Anfortas gesund. Parzival trifft nun seine Frau und seine zwei Söhne, die er seit Jahren nicht gesehen hat. Das Erbe seines Vaters gibt er an seinen Sohn Kardeiz weiter, mit Condwiramurs und seinem Sohn Loherangrin kehrt er nach Munsalvaesche zurück. Feirefiz lässt sich taufen, damit er Repanse de Schoye heiraten kann.

6. 2 Wagners Parsifal

Richard Wagner diente Wolframs von Eschenbach Parzival als Vorlage. Es gilt als erwiesen, dass Wagner sich im Sommer 1845 in Marienbad mit dem Stoff beschäftigte, allerdings nicht auf der Suche nach einem neuen Opernstoff. Laut Egon Voss war Wagner der Parzival-Stoff schon spätestens seit 1832 durch die Lektüre des Buches Ritterzeit und Ritterwesen von Johann Gustav Gottlieb Büsching (Leipzig 1823) bekannt.220 Er fühlte sich aber – so Wagner in einem Brief an Mathilde Wesendonck ‒ „von der Unfähigkeit des Dichters schroff abgestoßen“221. Er warf

219 Wolframs Cundrîe wird in der Übersetzung zu Cundry. Die ursprüngliche Schreibweise (Cundrîe) unterscheidet sich allerdings stärker von Wagners Kundry und erhöht somit Lesbarkeit und Differenzierbarkeit. Er wird daher in dieser Form durchgehend beibehalten. 220 Vgl. Egon Voss: Nachwort. In: Richard Wagner. Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel. Textbuch mit Varianten der Partitur. Hrsg. von Egon Voss. Stuttgart: Reclam 2005. (= Reclams Universal-Bibliothek. 18362), S. 103. 221 Blaha: Erlösung dem Erlöser, S. 12.

36 Wolfram vor, „von dem eigentlichen Inhalte rein gar nichts verstanden“222 zu haben; außerdem vermisste er einen tieferen Sinn. Dass Wolfram den Gral außerdem als „kostbaren Stein“ beschrieb und damit den arabisch-maurischen Quellen folgte, war ein weiterer Kritikpunkt Wagners. Er wollte sich an der Erzähltradition orientieren, die den Gral mit Golgotha in Verbindung brachte.223 Von Wolframs Parzival blieben daher in Wagners Fassung nur Reste des Epos. Wagner destillierte drei Hauptszenen heraus, übernahm die Figuren Parsifal, Amfortas, Titurel, Gurnemanz und Klingsor, ließ Wolframs Orgeluse, Sigune und Cundrîe zu seiner Kundry verschmelzen und veränderte die Figuren dabei in wesentlichen Eigenschaften (Kundry ist Gralsbotin, aber auch Büßerin, Dienerin, Verführerin, Parsifal muss der sinnlichen Liebe entsagen etc.). Joachim Heinzle resümiert:

So hat Wagner nur die Grundkonstellation der Erlösungsgeschichte und deren zentrales Personal aufgegriffen, den Zusammenhang und die Hintergründe der Handlung aber gänzlich neu konstruiert und dabei Anlage und Bedeutung der Figuren von Grund auf geändert (am krassesten mit der Transformation der Gralsbotin Cundrie in die Sünderin Kundry). Herausgekommen ist ein parachristliches Mysterienspiel, das auf eine eigentümliche, so nicht erwartbare Weise als Bühnenweihfestspiel den einst so vehement formulierten kultischen Anspruch des Musikdramas einlösen will.224

Die letzte Oper Wagners wurde jedenfalls erst im Juli 1882 im Festspielhaus Bayreuth uraufgeführt. Neben Wolframs Parzival sieht Voss die Selbstkastration Klingsors dem Schauspiel Der Hofmeister von Jakob Michael Reinhold Lenz entlehnt, Klingsors Blumenmädchen gibt es schon als „Garten mit den schönen Mädchen“ in Erec von Hartmann von Aue und auch das Motiv der Wunde, die nur der Speer heilen kann, der sie schlug, ist nicht neu. Voss nimmt an, dass Wagner bei Goethes Torquato Tasso fündig wurde,225 wo es heißt: Die Dichter sagen uns von einem Speer/ Der eine Wunde, die er selbst geschlagen,/ Durch freundliche Berührung heilen konnte./ Es hat des Menschen Zunge diese Kraft,/ Ich will ihr nicht gehässig widerstehen.226 Auch bei Wolfram findet sich schon eine lindernde Wirkung durch die Lanze. Sie wird normalerweise auf die Wunde gelegt, bei einem gewissen Stand des Saturn sind allerdings die Schmerzen Anfortas’ so groß, dass man die Lanzenspitze in die Wunde stoßen

222 Ebda. 223 Vgl. ebda. 224 Joachim Heinzle: Mythos, Mythen und Wagners Mittelalter. In: Wagner Handbuch. Hrsg. von Laurenz Lütteken unter Mitarbeit von Inga Mai Groote und Michael Meyer. Kassel: Bärenreiter und Stuttgart und Weimar: Metzler 2012, S. 107. 225 Vgl. Voss: Nachwort, S. 102. 226 Johann Wolfgang Goethe: Torquato Tasso. In: J. W. G.: Italien und Weimar 1786-1790. 1. Hrsg. von Norbert Miller und Hartmut Reinhardt. München, Wien: Hanser 1990. (= Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens. Hrsg. von Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller und Gerhard Sauder. Bd. 3. 1.) S. 496/2576.

37 muss, damit ein Schmerz den anderen betäube. Heilung tritt allerdings – anders als bei Wagners Parsifal – dadurch nicht ein. Bei Wolfram heißt es:

wan dô sîn komen zeigte sus der sterne Sâturnus: der kan mit grôzem vroste komen. drûf legen mohte uns niht gevromen, als manz ê drûffe ligen sach: daz sper man in die wunden stach.227

Wagners Werk beginnt auf einer Waldlichtung nahe der Gralsburg, wo das Bad für den Gralskönig Amfortas vorbereitet wird, der an einer nicht heilenden Wunde leidet. Die Gralsbotin Kundry bringt einen Balsam für den König. Der an Klingsor verlorene heilige Speer (er verursachte die Seitenwunde Jesu) wird erwähnt. Gurnemanz erzählt, dass nur ein „durch Mitleid wissender reiner Tor“ den Speer zurückgewinnen und Amfortas damit heilen könne. Denn die Wunde schließe nur der Speer, der sie schlug. Parsifal wird zur Rede gestellt, weil er einen heiligen Schwan getötet hat. Kundry kennt seine Geschichte und erzählt vom Tod seiner Mutter. Gurnemanz hofft, in Parsifal den „reinen Toren“ gefunden zu haben, und nimmt ihn zur Gralsburg mit. Dort erlebt Parsifal die Gralsenthüllung (Kelch mit dem Blut Christi), sieht den leidenden Amfortas, versäumt aber die „Mitleidsfrage“. Gurnemanz stößt Parsifal aus der Burg. Der 2. Akt führt in Klingsors Zaubergarten. Klingsor hat sich selbst entmannt, wurde nicht in die Gralsgemeinschaft aufgenommen und will sich daher an den Gralsrittern rächen. Er sieht Parsifal kommen; Kundry soll als sein Werkzeug Parsifal die Unschuld rauben, wie vielen Gralsrittern zuvor. Weil Kundry Jesus bei der Kreuzigung verlacht hat, kann sie nicht sterben, bis sie Erlösung von ihrer Schuld findet, indem ein Mann ihrer Verführung widersteht. Sie hatte auch Amfortas verführt, Klingsor gelang es dabei, diesem den heiligen Speer zu entwenden und die nicht heilende Wunde zuzufügen. Parsifal trifft auf die lockenden Blumenmädchen, dann auf Kundry. Sie erzählt vom traurigen Schicksal seiner Eltern, will ihn verführen, doch während eines langen Kusses wird Parsifal „welthellsichtig“. Er erkennt die Ursache von Amfortas’ Leiden und seine eigene Berufung. Er stößt Kundry zurück und verspricht ihr Erlösung. Klingsor schleudert den Speer gegen Parsifal, der Speer bleibt über Parsifals Kopf schweben. Er ergreift ihn, macht damit ein Kreuzeszeichen und Klingsor geht mit seinem Zauberreich und den Blumenmädchen zugrunde. Im 3. Akt lebt Gurnemanz als Einsiedler im Wald und findet dort Kundry in tiefer Ohnmacht. Da erscheint ein Ritter in schwarzer Rüstung, in dem Gurnemanz Parsifal erkennt, der den heiligen Speer zurückgewinnen konnte und zur Gralsburg gefunden hat. Gurnemanz erzählt vom Zerfall der Gralsgesellschaft: Amfortas hat, um endlich sterben zu können, die lebensenergiespendende Gralsenthüllung nicht mehr vollzogen. Sein Vater Titurel

227 Wolfram: Parzival II, S. 106/492/25 ff. (Die Zahlen bezeichnen Seite, Lachmanns Dreißiger-Zählung und Vers.)

38 ist daher schon tot und nur zu dessen Totenfeier will Amfortas den Gral noch einmal enthüllen. Parsifal bricht in Selbstanklagen aus, doch Gurnemanz erklärt ihn zum neuen Gralskönig. Als „erstes Amt“ spendet er Kundry die Taufe. In der Gralsburg klagt Amfortas um seinen Vater und fleht um Erlösung von seinen Qualen. Die Gralsritter sollen ihn töten, der Gral werde dann von selbst leuchten. Da erscheint Parsifal und schließt mit dem heiligen Speer Amfortas’ Wunde. Als neuer Gralskönig enthüllt Parsifal wieder den Gral, eine weiße Taube schwebt als Zeichen göttlicher Gnade auf ihn herab. Amfortas und Gurnemanz huldigen dem neuen König, Kundry ist von ihrem Fluch erlöst und „sinkt entseelt zu Boden“.

6.3 Mozarts/da Pontes Don Giovanni

Als Don Juan bzw. Don Giovanni wird ein erotisch zumeist überaktiver Mann bezeichnet. Die älteste dramatische Gestaltung der Don Juan-Sage ist das um 1630 entstandene spanische Schauspiel El burlador de Sevilla y convidado de piedra (Der Verführer von Sevilla oder Der steinerne Gast) von Tirso de Molina (1571-1648). Der Stoff gelangte nach Italien und Frankreich, wo er von Carlo Goldoni und Molière bearbeitet wurde. Auch etliche Vertonungen gab es bereits vor Mozarts Oper Don Giovanni. Mozarts Librettist war Lorenzo da Ponte. Die wesentlichen Handlungselemente (Verführung, Untreue, eine feine Dame, ein Fischer- bzw. ein Bauernmädchen, ein kecker, aber ergebener Diener, der steinerne Gast und der Untergang Don Juans/Don Giovannis) stimmen bei da Ponte mit der spanischen Vorlage überein. Interessant ist auch, dass da Ponte „Ereignis für Ereignis, Szene für Szene, ja oft Wort für Wort“228 dem Textbuch von Giovanni Bertati, der das Libretto für Giuseppe Gazzaniga schrieb (die Oper wurde 1787 in Venedig uraufgeführt), gefolgt ist. Bei Müller-Kampel findet sich auch der Hinweis, dass Richard Wagner den Don Giovanni inszeniert hat. Seine Bearbeitung für die Züricher Bühne von 1850 gilt zwar als verschollen, lässt sich aber aus Besprechungen und Neuübersetzungen erschließen.229 „Giovanni und Anna figurieren als Ideenträger und Personifikationen des Verderbt-Sinnlichen und der erlösenden Überwindung des Sinnlichen“, beschreibt Müller-Kampel die Intention Wagners in seiner Don Giovanni-Deutung.230 Also auch hier (schon 1850) die Überwindung des Sinnlichen und ein Erlösungsgedanke als Thema.

Don Giovanni ist bei Mozart/da Ponte – laut Personenregister – ein sehr leichtfertiger junger Edelmann (Bariton). Die Oper beginnt damit, dass Don Giovanni Donna Anna in ihrem Zimmer unerkannt bleibend „verführen“ möchte. Sie wehrt sich heftig, es gibt einen Aufruhr; als ihr

228 Beatrix Müller-Kampel: Dämon Schwärmer Biedermann. Don Juan in der deutschen Literatur bis 1918. Berlin: Schmidt 1993. (= Philologische Studien und Quellen.126.) S. 30. 229 Vgl. ebda, S. 40. 230 Ebda.

39 Vater, der Komtur, erscheint, will Don Giovanni fliehen, es kommt zum Zweikampf, in dem Don Giovanni den Komtur ersticht. Das alles wird von Don Giovannis Diener Leporello mitverfolgt und kommentiert. Donna Anna und ihr hinzugekommener Verlobter Don Ottavio entdecken den Leichnam und Don Ottavio schwört Rache. Donna Elvira sucht Don Giovanni, der sie verlassen hat. Er erkennt sie nicht und will die Schöne trösten. Als er seinen Irrtum bemerkt, ergreift er die Flucht und überlässt es Leporello, die Sache zu klären. Der erklärt ihr in der sogenannten „Registerarie“ wie viele Frauen und Mädchen Don Giovanni schon verführt hat. Die nächste Szene zeigt eine bäuerliche Hochzeitsgesellschaft. Don Giovanni will die Braut Zerlina verführen, der Bräutigam Masetto soll weggelockt werden. Da taucht Donna Elvira wieder auf. Donna Anna glaubt, in Don Giovanni den Mörder ihres Vaters erkannt zu haben, Don Ottavio will ihn beobachten. Don Giovanni setzt die Verführung Zerlinas fort, wird ertappt, bezichtigt Leporello, wird angegriffen, da ihm niemand glaubt, und flieht erneut. Im 2. Akt schlägt Don Giovanni seinem Diener einen Kleidertausch vor. Er möchte die Zofe von Donna Elvira verführen, Leporello soll sich inzwischen als Don Giovanni ausgeben und um Donna Elvira kümmern. Der Schwindel fliegt auf (Masetto, Zerlina und Don Ottavio sind aufgetaucht). Auf einem Kirchhofplatz mit dem Standbild des Komturs treffen Don Giovanni und Leporello wieder aufeinander und tauschen ihre Erlebnisse aus. Da erklingt plötzlich die Stimme des Komturs: Dein Lachen wird vergehn, ehe der Tag graut! Don Giovanni lässt daraufhin Leporello die Inschrift auf dem Standbild lesen. Sie lautet: „Den Frevler, der das Leben grausam mir raubte, erwartet hier die Strafe“. Don Giovanni reagiert keck mit einer Einladung zum Abendessen. Der Komtur sagt zu. Das Essen wird bereitet, Musikanten spielen auf, als Donna Elvira verzweifelt hereinstürzt und Don Giovanni ein letztes Mal anfleht, dem Laster zu entsagen. Er spottet, sie antwortet mit: Nun, so versinke denn im Pfuhl der Hölle/ Als ew’ge Mahnung an Gottes Gericht! Der steinerne Gast (Komtur) klopft, Leporello ist in Panik. Der Komtur fragt: Wirst mein Mahl du auch wohl teilen? Don Giovanni muss ihm die Hand zum Pfande reichen, der Komtur spricht eine letzte Warnung aus: Beug deinen Sinn, bereue! Da sich Don Giovanni hartnäckig weigert, verschlingt ihn das wilde Flammenmeer der Hölle. In der Wiener Aufführung endete hier die Oper, heißt es im Reclam-Text. Danach gibt es noch eine kurze Szene, in der Leporello den anderen Protagonisten, Donna Anna, Don Ottavio, Donna Elvira, Zerlina und Masetto, erzählt, was Don Giovanni eben zugestoßen ist.

6. 4 Themen und Motive in Gralslicht

Für Gralslicht lässt sich keine Inhaltsangabe im konventionellen Sinn erstellen. Drei Personen, Parsifal, Kundry und Don Giovanni, P, K und G genannt, reisen gemeinsam in einem, an den

40 Orient-Express231 gemahnenden, Zug, führen Dialoge und Monologe. Traumsequenzen und Reflexionen schieben sich dazwischen; Themen, die sich überwiegend auf die verwendeten Prätexte beziehen, werden dabei abgehandelt.

Das Vorwort von Gralslicht gibt mit der Inhaltsangabe von Wagners Oper Parsifal ganz klar einen zentralen Prätext vor. Die darin aufscheinenden Zitate könnten auch als erstes Indiz auf die späteren Leitmotive des Textes interpretiert werden. Melanie Wald-Fuhrmann nennt als Hauptthema in Parsifal den „Grundkonflikt zwischen (heidnisch gefärbter) Sinnlichkeit und (christlich motivierter) Askese“232. Außerdem gehe es in Parsifal um die Fragen nach „Religion, Schuld, Theodizee, Erlösung, Mitleid und Nächstenliebe, um die Gegensätze Orient und Okzident, Heidentum und Christentum, Mann und Frau, Begehren und Entsagung.“233 Die entscheidenden Kontroversen rund um Wagners Parsifal betrafen die christliche Symbolik,234 die Verherrlichung der sexuellen Askese, die Funktion als Bühnenweihfestspiel und später auch die implizierten Geschlechterrollen und die latente Judenfeindlichkeit.235 Diese Streitpunkte finden sich in Gralslicht von Schutting literarisch abgehandelt, teilweise ironisiert oder parodiert und kritisch hinterfragt. Daneben ist aber auch Wolframs Text im Vorwort präsent: neben dem Montsalvat wird auch Wolframs Munsalvaesche236 genannt, die Mitleidsfrage wird mit in Wolframs Parzival-Epos: „Oheim was wirret Euch?”237 angeführt und das Ende von Parsifal noch um ein Wolframs Parzival mit einer Kondwiramur verheiratet238 ergänzt.

Schutting greift also überwiegend auf Wagners Parsifal (bei präziser Kenntnis von Wolframs Parzival) zurück; dieser wiederum hatte – wie erwähnt ‒ Wolframs von Eschenbach Parzival als Vorlage. Durch die Einführung von Don Giovanni als dritter Figur in Gralslicht neben Parsifal/Parzival und Kundry ist auch die gleichnamige Oper von Mozart/da Ponte als Prätext präsent. Die Konfrontation von Wagners Bühnenweihfestspiel mit Mozarts Oper soll ‒ so Krajenbrink ‒ nicht nur Geisteswelt und Sinnenwelt aufeinandertreffen lassen, sondern es ermöglichen, „die in beiden ideologischen Positionen waltenden Schablonisierungstendenzen

231 Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Ich find ja ganz gut die Idee, dass ich das in den Orient-Express gelegt habe, der im Jahr von Wagners Tod erstmals verkehrt ist.“ 232 Vgl. Melanie Wald-Fuhrmann: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen WWV 111. In: Wagner Handbuch. Hrsg. von Laurenz Lütteken unter Mitarbeit von Inga Mai Groote und Michael Meyer. Kassel: Bärenreiter und Stuttgart und Weimar: Metzler 2012. S. 391-400, S. 392. 233 Ebda. 234 Die Gralsenthüllung, Brot und Wein erinnern an eine Abendmahlfeier; die Gralsreliquien sind der Abendmahlskelch Christi und jene Lanze, die seine Seitenwunde verursacht hat; im 3. Akt gibt es zwischen Parsifal und Kundry eine Szene mit starkem Anklang an die Begegnung von Jesus mit Maria Magdalena. 235 Vgl. Wald-Fuhrmann: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, S. 397 f. 236 Schutting: Gralslicht, S. 5/3f. 237 Ebda, S. 5/18. 238 Ebda, S. 5/24 f.

41 transparent zu machen.“239 Parsifal und Don Giovanni verkörpern in Gralslicht also zwei ‒ auf den ersten Blick – konträre Männertypen, die zugleich als Vertreter der eben angeführten Geistes- und Sinnenwelt dienen. K steht dabei (ähnlich wie bei Wagner: Gralsburg versus Klingsors Zauberschloss) zwischen den beiden Welten, zeigt aber ganz im Gegensatz zu Wagners Kundry

eine überaus kritische Distanz gegenüber den beiden Männern und ist ihnen insofern überlegen, als sie deren Frauenbilder immer wieder als Männerphantasien entlarvt und den Rigorismus der Positionen bloßstellt.240

Ein Textbeispiel dafür ist die zwölfte Szene, die K ganz allein gehört und in der sie ihre Sicht der Dinge drastisch klarlegt:

lache ich, weil die Männerphantasien von Verteufeltinnen zum Ruin höherer Manneskraft mir so lachhaft erscheinen wie die Männer-Frauenbilder von Himmelsrosen, die ins irdische Leben eben Rosen flechten und weben – oder wäre nicht wein- und lachhaft der Männertraum vom Ewig-Weiblichen, das sie Mannsbilder hinanziehe, himmelsrosenwärts? also tobe in mir der Befreiungssturm und Unterwerfungsdrang so lange, bis uns der Bilderstreit, der Männerstreit ums rechte Frauenbild, zu schweinsblöd geworden sein wird!241

Wie schon im Kapitel Form erwähnt, findet sich auch in der Struktur von Gralslicht ein Rekurs auf Wagners Parsifal. Krajenbrink destilliert die drei Themen Mitleidsfrage, Kuss und Erlösung in drei den Akten der Oper entsprechenden Szenen aus dem Gesamttext Schuttings. An Wagner angelehnt ist auch der Einsatz der Leitmotivik. Diese leitmotivisch wiederkehrenden Themen sollen exemplarisch zeigen, wie Schutting Intertextualität einsetzt. Folgende Themen werden abgehandelt:

- Antisemitismus und Misogynie - Raum und Zeit - Fragen und Mitleid/Mitleidsfrage, Schuld und Erlösung - Der Kuss

Dabei hat sich gezeigt, dass eine Abgrenzung dieser vier Themen fast unmöglich ist, eines greift ins andere oder verweist auf ein anderes. Der Kuss verbindet sich mit der Erlösungsthematik und Ps ungelöster Mutterbeziehung, der Antisemitismus mit Misogynie und unterlassenen Fragen. Die Mutterproblematik wird hauptsächlich bei der Figur P besprochen, da sie ursächlich zu

239 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der…“, S. 214. 240 Ebda, S. 205. 241 Schutting: Gralslicht, S. 69/7 ff.

42 dieser gehört, das Thema Misogynie findet sich klarerweise auch im Kapitel „Figuren“ bei der Beschreibung von K wieder.

6. 4. 1 Antisemitismus und Misogynie

Diese Themen werden unter einem Titel angeführt, weil sie gleich im ersten Monolog von K miteinander verknüpft werden und weil sich in Wagners Kundry-Gestalt als „Ewiger Jüdin“ antisemitische Haltung mit stereotypen und abwertenden Frauenbildern verbindet.

K stellt die Problematik des Antisemitismus und der Misogynie ihres geistigen Vaters [erg.: Wagner] in den Mittelpunkt und verknüpft diese Wagner-Kritik mit einer Kritik an essentialistisch-schablonisierendem Sprachgebrauch als Zurichtungsinstrument männlicher Projektionen. Vor diesem Hintergrund unternimmt K dann eine Neben- und Gegeneinanderstellung von Parzival und Don Giovanni, deren jeweiligen Habitus sie als zwei extreme Erscheinungsarten desselben männlichen „Weibsbilder-Produzieren[s]“ schildert.242

Mit dem Satz will nicht länger Büßerin Verführerin Dienerin sein, nein-nein, nein-nein […]243 weder Richards Höllenrose noch zart Mozarts Rosen-Kosen-Cherubin!244 formuliert Schuttings K deutlich die Ablehnung der diesen Werken (Parsifal und Die Hochzeit des Figaro) jeweils eingeschriebenen Frauenrollen. Besonders deutlich wird die Distanzierung Ks von ihrer Rollenzuschreibung dort, wo sie in der dritten Person von sich spricht, von G aber wiederholt korrigiert wird.245 Aber nicht nur Wagners Verteufeltinnen246 werden als Zuschreibungen von K abgelehnt. Mit dem Zitieren von Schiller (die ins irdische Leben eben Rosen flechten und weben247) und Goethe (der Männertraum vom Ewig-Weiblichen, das sie Mannsbilder hinanziehe248) werden auch die idealisierenden Frauenbilder des klassischen Bildungsguts kritisiert.

Bei Wagner wird über Kundry von den männlichen Protagonisten über ihren Kopf hinweg gesprochen und geurteilt: Eine Heidin ist’s, ein Zauberweib.249 Oder auch: So dumm wie den erfand ich bisher Kundry nur.250 Diese abfällige Art der Kommunikation wird nun bei Schutting konkret benannt und somit erst sichtbar gemacht. So heißt es zu Beginn der vierten Szene von P und G: reden über K hinweg.251 Und wenn P über K spricht, dann so – die

242 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 210. 243 Schutting: Gralslicht, S. 11/33 ff. 244 Ebda, S. 12/2. 245 Ebda, S. 55/7 ff. 246 Ebda, S. 69/8. 247 Ebda, S. 69/11. 248 Ebda, S. 69/13 f. 249 Wagner: Parsifal, S. 14/108. 250 Ebda, S. 23/260. 251 Schutting: Gralslicht, S. 41/13.

43 Regieanweisung – als wäre sie nicht da, […].252 Auch G spielt sich als ein Kundry-Experte253 auf oder redet weiter, als hätte sie gar nichts gesagt.254 Schutting schreibt: (so könnte diese Szene auch etwas von dem Charakter haben der ‚Expertenrunden’ vor Publikum, in denen eine Frau gnädig geduldet wird).255 Diese Textbeispiele stellen nicht durch Zitate einen Bezug zum Prätext her, sondern fungieren als inhaltlicher Bezug, der den abwertenden Umgang mit der weiblichen Hauptfigur in Wagners Parsifal deutlich macht. Mit dem Hinweis auf die Expertenrunden wird zudem noch ein aktueller Bezug herstellt. Auch der Umstand, wer zitiert wird, thematisiert die Abwertung von Frauen. Krajenbrink dazu:

Die vielen in Gralslicht verarbeiteten Zitate […] stammen übrigens ausnahmslos von Männern, was Ks Betrachtungen über die Vorherrschaft männlicher (Frauen-)Bilder in unserem kulturellen Erbe entspricht und dem Rezipienten umgekehrt erst durch Ks Überlegungen bewußt werden dürfte.256

Auch der mehrfach auftauchende Vergleich zwischen Kundry und einem Tier wird von Schutting quasi kopiert und durch Häufung dieser Vergleiche257 und deren Überspitzung wird die darin liegende ungeheuerliche Abwertung des Weiblichen sichtbar gemacht.

DRITTER KNAPPE junger Mann. He! Du da! – Was liegst du dort wie ein wildes Tier?258 heißt es bei Wagner im 1. Akt über Kundry. Schutting parodiert den großspurigen Gestus mit Ps

Ist das ein Weib, oder ist das ein Tier, (einer der Knappen, Großwildjägerpose, steht mit einem Fuß auf der Kauernden)259 oder lässt P von Ks hündischer Natur sprechen, davon, dass sie gern apportiert und sich abrich- ten lässt.260 Der Vergleich erinnert einerseits an jene Zeit, in der man Frauen abgesprochen hatte, eine Seele zu besitzen, und liefert andererseits auch eine Parallele zur NS-Zeit, in der man die Ermordung von Juden damit legitimiert hatte, dass man ihnen das Menschsein aberkannte. Auch damals waren Tiervergleiche (Judensau, Ungeziefer, Ratten) gängiger Sprachgebrauch. Kathari- na Pektor meint dazu: „Wagner begreift mit dem Tierischen die einfache und niedere Natur der

252 Ebda, S. 59/2. 253 Ebda, S. 59/6. 254 Ebda, S. 59/13. 255 Ebda, S. 59/9 ff. 256 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 234. Eine Ausnahme habe ich mit Gertrude Steins „Eine Rose ist eine Rose“ (Gralslicht S. 95/23) gefunden. 257 Schutting: Gralslicht. Tiervergleiche finden sich z. B.: S. 12/28, S. 14/14 +18, S. 15/2 f., S. 17/30, S. 18/34, S. 19/22, S. 45/26 ff., S. 51/29, S. 52/11 ff. + 34 ff., 53/6+13, S. 54/5 ff., S. 95/13 ... 258 Wagner: Parsifal, S. 13/84 f. 259 Schutting: Gralslicht, S. 14/18 ff. 260 Ebda, S. 45/26 + 28 f.

44 Frau, ihre Instinktgeleitetheit, Triebhaftigkeit und Grausamkeit”261. Auch Wolfram beschreibt seine Cundrîe ja mit tiernahen Eigenschaften, die aber nur ihr Äußeres betreffen; sie ist auch ge- lehrt, tugendhaft und keusch.262 Eine kurze Erwähnung verdienen an dieser Stelle noch die Blumenmädchen. Ist Kundry bei Wagner schon ein naturhaftes, fast animalisches Wesen, so ran- gieren die Blumenmädchen als pflanzenartige Wesen (Eva Rieger nennt sie „Mädchenpflan- zen“263) ohne jegliche Individualität noch eine Stufe darunter. Obwohl Parsifal auf dem Weg in Klingsors Zaubergarten offensichtlich gerade die Geliebten der Blumenmädchen gemetzelt hat (Mein Geliebter verwundet. [...] Sie bluten! [...] Mein Held lief herzu,/ sie alle kamen, doch je- den/ empfing er mit blutiger Wehr.264) und sie ihn daraufhin verwünschen, sind sie durch Par- sifals Rechtfertigung sofort besänftigt. Er sagt in höchster Verwunderung:

Ihr schönen Kinder, mußt’ ich sie [die Gefährten der Blumenmädchen] nicht schlagen? Zu euch Holden ja wehrten sie mir den Weg. [...] Noch nie sah ich solch zieres Geschlecht: nenn’ ich euch schön, dünkt euch das recht?265

Eine Argumentation, die dafür sorgt, dass die Stimmung der Mädchen sofort von Verwunderung in Heiterkeit 266 übergeht. Ihre einzige Sorge ist: wer spielt nun mit uns?267 Da Parsifal Das tu’ ich gern 268 antwortet, wird er mit Liebesangeboten überschüttet (Dir zu wonniger Labe/ gilt mein minniges Mühen.269). „Sie verlangen nichts für ihre Liebesdienste – ein männlicher Wunschtraum“270, kommentiert Rieger süffisant die Zeilen Wir spielen nicht um Gold,/ wir spielen um Minnes Sold. 271 Die Blumenmädchen-Szene ist jedenfalls von schwer zu ertragender Dümmlichkeit und abwertender Absonderlichkeit (im Lenz pflückt uns der Meister272). Schutting erwähnt daher auch Blumenmädchen-Gegacker,273 dümmliche[s] Blumenmädchen- Gsangel274 und schließlich die Blumenmädchen-Allergien,275 die G sich zugelegt hat.

261 Katharina Pektor: Frauenfragen. Wolframs moderne Frauen und ihr Verstummen bei Wagner. In: Kundry & Elektra und ihre leidenden Schwestern. Schizophrenie und Hysterie/Frauenfiguren im Musik-Theater. Hrsg. von Silvia Kronberger und Ulrich Müller. Anif/Salzburg: Mueller-Speiser 2003, S. 93-98, S. 94. 262 Ebda. 263 Eva Rieger: „. . . Das Leiden der Liebesverführung über die Männer zu bringen“. Wagners Kundryfigur. In: Richard Wagner. Parsifal. Programmheft der Wiener Staatsoper. Wien 2003, S. 18-27, S. 25. 264 Wagner: Parsifal, S. 46/587 ff. 265 Ebda, S. 47/608 ff. 266 Ebda, S. 48. 267 Ebda, S. 48/618. 268 Ebda, S. 48/619. 269 Ebda, S. 49/633 f. 270 Rieger: „...das Leiden der Liebesverführung...“, S. 25. 271 Wagner: Parsifal, S. 48/623 f. 272 Ebda, S. 49/639. 273 Schutting: Gralslicht, S. 6/9. 274 Ebda, S. 67/27. 275 Ebda, S. 109/30.

45 Dass Parsifal einen Schwan erlegt, ist bei Wagner ein vielgerügtes Sakrileg, die eben geschilderte Aggression beim Eindringen in Klingsors Reich eine Heldentat oder zumindest schlichte Notwendigkeit. Daraus leitet Lisa Stumpfögger eine interessante Beobachtung darüber ab, was Wagner unter Sünde und Schuld versteht:

Es ist das erstaunlicherweise nicht Mord, nicht Krieg, nicht Destruktivität, wie uns die Ritter und auch Parsifal selbst ja vielfach und ungestraft vorführen, sondern es ist die natürlichste Sache der Welt, die geschlechtliche Liebe als solche, die von Wagner in den Rang der Erbsünde erhoben wird.276

Diese Schuldverlagerung in Fragen der Sexualität scheint wie der psychische Abwehrmechanismus der Projektion zu funktionieren. Die nicht in die eigene Persönlichkeit auf reife Weise integrierte Sexualität wird von der Männerwelt auf die Frau als Verführerin übertragen. Schutting stellt diese Umkehrung in Gralslicht bloß. Er lässt G in immer wiederkehrenden Tiraden über die Zudringlichkeit der Frauen klagen, ihr ständiges sexuelles Begehren, das sich auf ihn richtet. Diese Umkehrung des ursprünglichen Don Juan-Mythos parodiert offensichtlich jene Stellen in Wagners Parsifal, in denen die Bedrohung durch weibliche Verführung geschildert wird. Diese Bedrohung scheint umso seltsamer, wenn man die tatsächlichen Gegebenheiten rund um das Thema Sexualität (vor allem zu Wagners Zeit) betrachtet: Sexualität war immer schon viel eher für Frauen eine reale Gefahr. Sexualität (außerhalb der Ehe) war mit einem Ehrverlust für die Frau verbunden. Heute noch wird mit zweierlei Maß gemessen: Ein Mädchen/eine Frau mit wechselnden Sexualpartnern ist rasch ein „Flittchen“, während ein Mann mit viel sexueller Erfahrung prahlen darf und der Satz „Der ist ein Don Juan“ ihn kaum kränken wird. Goethes Faust (1808), Wedekinds Frühlingserwachen (1891), Schnitzlers Professor Bernhardi (1912) und Horváths Geschichten aus dem Wienerwald (1931) erzählen durchaus realitätsnahe von ungewollter Schwangerschaft, daraus folgendem Kindstod oder Abtreibung (mit Todesfolge für die Frau), Verstoßung der Frau aus Familie und Gesellschaft, Verlust von Ehre und Autonomie etc. Der Film „Die unbarmherzigen Schwestern“ (Peter Mullan, 2002) erzählt von der grausamen Behandlung in Heimen für „gefallene Mädchen“ (das letzte dieser Magdalenen-Heime wurde erst 1996 geschlossen).277 Die von Wagner thematisierte Verführung ist zudem immer ein gewaltloser Versuch der Manipulation. Im Gegensatz zur Vergewaltigung, die noch immer eine reale Gefahr für Frauen darstellt. Dass Vergewaltigung in der Ehe in Österreich erst seit 2004 als Offizialdelikt gilt, sagt viel über die

276 Lisa Stumpfögger: Wildes Tier und Sündenbock. Ein herrliches Porträt der Kundry. In: Kundry & Elektra und ihre leidenden Schwestern. Schizophrenie und Hysterie/Frauenfiguren im Musik-Theater. Hrsg. von Silvia Kronberger und Ulrich Müller. Anif/Salzburg: Mueller-Speiser 2003, S. 110-120, S. 110. 277 Interessant ist, dass diese Heime nach der biblischen Maria Magdalena als Sinnbild einer Sünderin (eine unzutreffende Identifikation zweier biblischer Gestalten, die in einer Figur verschmolzen wurden) benannt wurden.

46 Haltung der Gesellschaft zu diesem Thema aus.278 Als Gefahr, die einem Mann durch Sexualität droht(e), bleibt die Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit. Aber auch in diesem Fall war die Gefahr für Frauen meist größer: Als Geschlechtskrankheiten noch nicht therapierbar waren, wurden viel häufiger junge Ehefrauen, die unberührt in die Ehe gingen, von ihrem Mann infiziert, der sich in der Jugend „ausgetobt“ hatte. Diese Überzeichnung der Verführungskraft einer Frau, der in Wagners Parsifal niemand außer Parsifal selbst widerstehen kann279, wirft auch ein seltsames Licht auf Wagners Männerbild. Der Mann wird dadurch als willenloses Opfer seiner Triebe dargestellt. Dieses Männerbild taucht auch aktuell immer dort auf, wenn es darum geht, dass Frauen als mitschuldig an ihrer Vergewaltigung hingestellt werden sollen (aufreizende Kleidung, unzüchtiges Benehmen, Aufenthalt zur falschen Zeit am falschen Ort etc.). Männer wehren sich zu Recht gegen diese Unterstellung unkontrollierbarer Triebhaftigkeit.

Schuttings K kommentiert die männlichen Extrempositionen zum Thema Sexualität und die „Reinheit des Blutes“ aus weiblicher Sicht folgendermaßen:

also tost in mir der Gewissenskampf zwischen einem Lust-total-Regime einerseits und Kasteiungsextremismus andererseits, und warum? weil beiderlei Kreuzzugspropaganda die menschliche Natur entgegen deren Natur wovor warnt? vor fauligen Kompromissen zwischen Weinen und Lachen! tja, in Ritterordenszeiten, tja, in heilige-Horden-Tagen hätte frau als Versucherin zu Gewaltlosigkeit und als Verderberin des Fanatismus des Körpers sich zu begeben und bis zu ihrer Jungfrau-Maria-Werdung man ihr zu widerstreben, des Lohnes wegen in Weltherrschaftsgestalt seitens der einstmals heiligmäßigen, seitens der neuerdings himmlerschen Tisch- und Tafelrunden samt Handlanger-Konsorten und Genossen-Kohorten! vom Antichristen Heil Hi wird uns Bleichblütigen ein Ritter-Mutterkreuz verliehen für blut- und bodenreine Mutterschaft, Frauenorden für unerschrockenes Soldateneierlegen,

278 http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXII/I/I_00294/fname_010159.pdf Der § 203 StGB ist seit 30.4.2004 außer Kraft. Die Erläuterungen dazu befinden sich auf Seite 18. Zu Artikel I Z 14 (§ 203 StGB): [...] Hintergrund dieser Bestimmung war die seinerzeitige Überlegung des Justizausschusses, dadurch der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Strafverfolgung von sexuellen Gewaltdelikten im familiären Intimbereich nicht immer im Interesse des Opfers liegen muss [...]. Die Sensibilität gegenüber der Persönlichkeit des Menschen und seinem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ist in den letzten Jahren jedoch deutlich gestiegen, sodass dem Umstand, dass die Vergewaltigung im familiären Bereich stattgefunden hat, geringeres Gewicht beizumessen ist und eine generelle gesetzliche Abschwächung der Strafbarkeit von in Lebensgemeinschaft begangenen sexuellen Aggressions- handlungen nicht mehr angebracht erscheint. Der Schutz der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung auch in der Ehe oder Lebensgemeinschaft sollte daher im Gesetz unmissverständlich zum Ausdruck gebracht werden. Der Entwurf schlägt zu diesem Zweck die ersatzlose Streichung von § 203 idgF vor. 279 Wagner: Parsifal, S. 41/500 f.: [...] der festeste fällt,/sinkt er dir in die Arme: [...] Den Gefährlichsten gilt’s nun heut zu bestehn:/ ihn schirmt der Torheit Schild.

47 den Orient- und Mischblütigen unter uns hingegen ein „Frau und Mutter sei nicht gewesen!”-Kreuz?280

Schutting zeigt mit den Figuren G und P scheinbar konträre Männertypen, in ihrer Ablehnung des Weiblichen findet sich aber eine Gemeinsamkeit. Der Mann, der alle Frauen haben muss (oder in einer Umkehrung meint, alle Frauen seien hinter ihm her), hat eine ebenso gestörte Beziehung zu und Wahrnehmung von Frauen wie jener, der keine haben darf. Auch die Reduzierung der Frau auf das Sexuelle ist den Rollenvorlagen für G und P durch Don Giovanni und Parsifal gemeinsam. Bei Wolframs Parzival hingegen wird wiederholt von Liebe, Beziehung und Treue gesprochen. Die sexuelle Anziehung ist zwar auch bei Wolfram Thema (die Schönheit vieler Frauen wird gelobt und genau beschrieben), aber wahre Liebe bewirkt, dass ein Mann auch der Versuchung widerstehen kann. So heißt es z. B. von Gawan, dass er zwar diese und jene mit Wohlgefallen angesehen hätte, die Sehnsucht nach Orgeluse sei aber immer präsent gewesen und keine Frau sei seinem Herzen je so nahegekommen.

dô prüevete mîn hêr Gâwân Dise, die, und aber jene: er was et in der alten sene nâch Orgelûse der clâren. wand im in sînen jâren kein wîp sô nâhe nie gegienc etswâ dâ er minne enpfienc oder dâ im minne was versagt.281

Hier wird ein Bild von einem Mann gezeichnet, der Sexualität nicht verdrängen muss ‒ er sieht die schönen Frauen um sich –, der aber eine emotionale Bindung zu jener Frau hat, die er liebt. Frauen sind bei Wolfram nicht auf einen Objektstatus reduziert oder austauschbar. Auch Parzival kann treu bleiben, weil er Condwiramurs wahrhaft liebt:

Nu dâhte aber Parzivâl an sîn wîp die lieht gemâl und an ir kiuschen süeze. ob er kein ander grüeze, daz er dienst nâch minne biete und sich unstaete niete? solh minne wirt von im gespart. grôz triuwe hete im sô bewart sîn manlîch herze und ouch den lîp, daz vür wâr nie ander wîp wart gewaldec sîner minne, niwan diu küneginne Condwîr âmûrs, […]282

280 Schutting: Gralslicht, S. 68/15 ff. 281 Wolfram: Parzival II, S. 256/581/30 ff. 282 Ebda, S. 510/732/1 ff.

48 Auch Ortrud Gutjahr sieht in der Figur Kundrys eine Abwertung des Weiblichen, die sich in Kundrys Schuldhaftigkeit, ihrer symbolischen Wunde manifestiert. Sie analysiert:

Die symbolische Wunde Kundrys wird somit nicht nur auf den Körper verschoben, sondern zum weiblichen Geschlecht verdichtet. Damit aber wird die symbolische Wunde getilgt und der geschlechtliche Leib, der nun metonymisch für das Weibliche steht, im Dienste der symbolischen männlichen Ordnung abgewertet. Nach den Geboten der Gralsgemeinschaft ist die weibliche/leibliche Wunde Zeichen der Unreinheit und Sünde, die nur in mitleidender Anerkennung der sich auf Christi Leiden beziehenden, symbolischen männlichen Wunde gereinigt werden kann. 283

Cosima Wagners Tagebucheintragungen belegen außerdem Wagners frauenfeindliche Haltung. Er verurteilte häufig sogenannte „Blaustrümpfe“ und führte literarische Ambitionen von Frauen auf einen „krankhaften Zustand“ zurück, auf „unbefriedigte Gefallsucht“.284

Ein Beispiel für Schuttings Behandlung der Themen Misogynie und Antisemitismus ortet Krajenbrink an der Stelle, wo K von G als der Schweinsmensch da 285 spricht, der sich ein Juansches Schweineherz antrainiert hat, und von P als adeliges, aber tadeliges Schwein, vermeint uns mit seinem Saurüssel kilometerweit das Weib anzuriechen.286 Neben der Anspielung auf Don Giovannis besonderes Riechvermögen287 sieht Krajenbrink in der „Anwendung des semantisches Felds ‚Schwein‘ auf P“ einen „Bezug auf das NS-Stilregister“.288 Bei Schutting schlägt das berüchtigte Schimpfwort ‚Judensau‘ auf deren Urheber zurück. „Wie Edwin Hartl formuliert, bezieht der Kraftausdruck seine Wortkraft authentisch als reziproke Retourkutsche zu ‚tausendjährig‘ kursierendem Schimpf“289, schreibt Krajenbrink. Das Thema Antisemitismus spaltet die Wagnerforschung seit langem in zwei unversöhnliche Lager. Hartmut Zelinsky, Paul Lawrence Rose und Joachim Köhler sehen ganz klar Antisemitisches in Wagners Parsifal, Carl Dahlhaus und Dieter Borchmeyer können zwar Wagners Antisemitismus in seinen Schriften und sonstigen Äußerungen (Briefe, Tagebucheintragungen seiner Frau etc.) nicht leugnen, meinen aber, dass sich in seinen Musikdramen keine antisemitischen Spuren oder

283 Ortrud Gutjahr: Sentas erkennender Schrei und Kundrys kastrierendes Gelächter. Die hysterische Stimme des Erlösungsopfers in Richard Wagners Der fliegende Holländer und Parsifal. In: Kundry & Elektra und ihre leidenden Schwestern. Schizophrenie und Hysterie/Frauenfiguren im Musik-Theater. Hrsg. von Silvia Kronberger und Ulrich Müller. Anif/Salzburg: Mueller-Speiser 2003, S. 64-92, S. 86. 284 Rieger: „...Das Leiden der Liebesverführung ...“, S. 21 f. 285 Schutting: Gralslicht, S. 11/4. 286 Ebda, S. 9/7 f. 287 Wolfgang Amadeus Mozart: Don Giovanni (Don Juan). Heiteres Drama in zwei Aufzügen. Italienischer Origi- naltext von Lorenzo da Ponte. In neuer deutscher Bearbeitung nach der Überlieferung und dem Urtext von Georg Schünemann und Kurt Soldan. Hrsg. und eingeleitet von Wilhelm Zentner. Stuttgart: Reclam 1985. (= Reclams Universal-Bibliothek. 2646.) S. 25. 288 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 214. 289 Ebda.

49 Formulierungen finden lassen.290 Um einen Eindruck bezüglich Wagners Schriften zu vermitteln, sei sein viel zitierter Traktat Das Judentum in der Musik (1850) genauer betrachtet. Rudolf Wellingsbach nennt es ein „Pamphlet, das zu den Klassikern der antisemitischen Literatur zählt“.291 Zur Illustrierung dieser Behauptung seien einige Thesen Wagners angeführt. Gleich zu Beginn des Traktats geht Wagner davon aus, dass er mit den folgenden Thesen die „unbewusste Empfindung, die sich im Volke als innerlichste Abneigung gegen jüdisches Wesen kundgebt [sic!]“ ausdrücke.292 Schon das Äußere eines Juden/einer Jüdin scheint Wagner abstoßend:

Der Jude, [...] fällt uns im gemeinen Leben zunächst durch seine äußere Erscheinung auf, die, gleichviel welcher europäischer Nationalität wir angehören, etwas dieser Nationalität unüberwindlich unangenehm Fremdartiges hat: Wir wünschen unwillkürlich mit einem so aussehenden Menschen nichts gemein zu haben.293

Wagner weiter: „Der Jude spricht die Sprache der Nation, [...] immer als Ausländer.“294 In der Sprache der Kunst könne der Jude daher nur „nachsprechen, nachkünsteln, nicht wirklich redend, dichten oder Kunstwerke schaffen.“295 Die „semitische Aussprechweise“ diffamiert Wagner als „verwirrte[s] Geplapper“, als „eigentümliche[s] Gelabber“296. Daraus schließt er: „Der Jude hat nie eine eigene Kunst gehabt, daher nie ein Leben von kunstfähigem Gehalte.“297

Als Beispiel für seine Thesen führt Wagner die Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy und ‒ ohne Namensnennung ‒ Giacomo Meyerbeer an, dessen Opern aus Täuschungen, Trivialitäten und Albernheiten bestünden, und die Literaten Heinrich Heine und Ludwig Börne.298 Der berüchtigte Schlusssatz der Schrift Das Judentum in der Musik lautet: „Aber bedenkt, dass nur Eines eure Erlösung von dem auf euch lastenden Fluche sein kann: die Erlösung Ahasvers – der Untergang.“299 In einem Brief an Franz Liszt erzählt Wagner dann von seinem „lang verhaltenen Groll gegen diese Judenwirtschaft“ und deren „verfluchtes geschreibe [sic!]“.300 In Cosimas Tagebüchern finden sich Äußerungen Wagners dokumentiert wie: „es sollten alle Juden in einer

290 Vgl. Franz: Die Religion des Grals, S. 86. 291 Rudolf Wellingsbach: Wagner und der Antisemitismus. In: Wagner Handbuch. Hrsg. von Laurenz Lütteken unter Mitarbeit von Inga Mai Groote und Michael Meyer. Kassel: Bärenreiter und Stuttgart und Weimar: Metzler 2012. S. 96-101, S. 97. 292 Richard Wagner: Das Judentum in der Musik. (= Richard Wagner. Neue Text-Ausgabe. Chronologisch und vollständig. Hrsg. von Rüdiger Jacobs. Bd. 5.) Frankfurt/M.: Axel Dielmann 2013, S. 217-237, S. 217. 293 Ebda, S. 220. 294 Ebda, S. 221. 295 Ebda. 296 Ebda, S. 222. 297 Ebda, S. 227. 298 Wellingsbach: Wagner und der Antisemitismus, S. 97. 299 Richard Wagner: Das Judentum in der Musik, S. 236. 300 Wellingsbach: Wagner und der Antisemitismus, S. 98.

50 Aufführung des ‚Nathan‘ verbrennen“301 oder auch: „bleiben tun Ratten und Mäuse – die Juden“302. Gleich im Anschluss ist die Rede von zwei bekannten Frauen in der Irrenanstalt und Cosima schreibt dazu: „[...] und er [Richard Wagner] kommt auf das Schreckliche der Erhaltung solcher armen Wesen, ‚wodurch die Kräfte der Gesunden und Guten aufgerieben würden.‘“303 Hier klingt auch schon ganz deutlich der Begriff des „lebensunwerten Lebens“ an, das der gesunden Gesellschaft Schaden zufüge.

Nach Kenntnis dieser Aussagen mutet es fast schon naiv an, davon auszugehen, dass jemand mit solch tiefem Antisemitismus nichts davon in sein Werk habe einfließen lassen. Unsere Meinungen, Vorurteile und Emotionen sind doch gerade in einem kreativen Prozess nicht aus dem Unbewussten zu verbannen. Die Feststellung der Wagner-Verteidiger, es fänden sich „in einem strengen philologischen Sinne“304 keine Belege für Wagners Antisemitismus, klingt unlogisch, wenn man davon ausgeht, dass jede Äußerung eines Menschen über den reinen Sachinhalt hinaus auch immer etwas Mitgemeintes beinhaltet (sonst gäbe es in der Kommunikation niemals Missverständnisse), das vom Empfänger interpretiert wird. Auch jedes Kunstwerk wird von seinen Rezipienten gedeutet (ansonsten wäre auch jede Form der Deutung durch Interpreten, einen Regisseur oder einen Dirigenten völlig überflüssig).

Zieht man noch eine aktuelle Kommunikationstheorie wie z. B. jene von Friedemann Schulz von Thun heran, dann erweitert sich das Feld der Auslegungen ganz klar. Schulz von Thun geht davon aus, dass jede Botschaft vier Seiten habe: Sachinhalt, Selbstoffenbarung (oder: Was ich von mir kundgebe), Beziehung (oder: Was ich von dir halte und wie wir zueinander stehen) und Appell (oder: Wozu ich dich veranlassen möchte).305 Dazu kommen noch nonverbale Botschaften und das von Paul Watzlawick formulierte Grundgesetz: „Man kann nicht nicht kommunizieren“.306 Hier schließt Wellingsbach genau an, wenn er schreibt: „Weiner meint, Wagner habe es nicht nötig gehabt, seinen Antisemitismus direkt in seinen Werken zum Ausdruck zu bringen, weil das damalige Publikum die als jüdisch empfundenen Charakterzeichnungen der Figuren sofort verstanden habe“307.

301 Cosima Wagner: Tagebücher. Eine Auswahl von Marion Linhardt und Thomas Steiert. Vorwort von Brigitte Hamann. München, Zürich: Piper 2005, S. 385. 302 Ebda, S. 290 (in einem Gespräch darüber, „wie auch die heroischen Wesen in der Natur erliegen müssen“.) 303 Ebda. 304 Wellingsbach: Wagner und der Antisemitismus, S. 100. 305 Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden. Bd. 1: Störungen und Klärungen. Bd. 2: Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1999, S. 13 f. 306 Ebda, S. 33 f. 307 Wellingsbach: Antisemitismus, S. 100.

51 Schon zwei Details aus der Beschreibung Kundrys ‒ exemplarisch herausgegriffen ‒ können kaum ungedeutet bleiben. […] tief braun-rötliche Gesichtsfarbe; stechende schwarze Augen308 ist da zu lesen. Noch 1922 wurde in der Mädchenzeitschrift Das Kränzchen für „Steckenpferd Seife“ mit dem Slogan Die beste Lilienmilchseife für zarte weisse Haut geworben.309 Die weiße Haut war auch zu Wagners Zeiten das gängige Schönheitsideal und ein „stechender Blick“ galt immer schon als Synonym für das Böse. Die braun-rötliche Gesichtsfarbe verweist also nicht nur auf das Fremde, sondern ‒ damit konnotiert ‒ auch das Hässliche, die stechenden schwarzen Augen sogar auf das damit verbundene Böse. Wagners persönliche Ablehnung des schwarzen Haars und der schwarzen Augen sind sogar in Cosimas Tagebüchern dokumentiert: „Als Curiosum will ich noch erwähnen, daß das schwarze Auge und die schwarzen Haare unserer Freundin R. [Richard] unfraulich sind“,310 schreibt sie.

Schutting greift diese Beschreibung auf, indem er aus K eine „Zigeunerin“311 macht und uns somit ein aktuelles Vorurteil bzw. Feindbild vor Augen führt. So wie bei Wagner über Kundrys Wildheit, ihr Heidentum, ihre Zauberkraft (eine Heidin ist’s, ein Zauberweib. Ja, eine Verwünschte)312 abfällig gesprochen wird, lässt Schutting nun P frei über das zigeunerhafte Wesen Ks fantasieren: hat ihr Zigeunerblut allmählich seßhaft zu werden gelernt313 oder dir hätte sie, wilder als ein Wildtier lachend,/ den Champagner ins Gesicht geschüttet/ und dich nach Zigeunerinnen-Art bespuckt314 heißt es da.

Der dunklen, fremden und wilden Kundry wird bei Wagner die Figur des Parsifal als reiner Tor gegenübergestellt. Neben der Floskel reiner Tor (mit Paraphrasierungen mindestens sechs Mal) gibt es noch weitere Formulierungen, die das Reine beinhalten bzw. betonen (dem Reinen,315 Du Reiner 316). Nun soll zwar der Begriff rein wohl in erster Linie die sexuelle Unerfahrenheit und Unschuld Parsifals betonen, dennoch ist die Assoziation mit der Reinheit des Blutes, der Reinheit einer Rasse mehr als eine vage Vermutung. Kurz bevor Wagner Parsifal fertigstellte, schrieb er: „Bei der Vermischung der Rassen verdirbt das Blut der edleren Männlichen durch das unedlere Weibliche: Das Männliche leidet, Charakter geht unter, während die Weiber so viel

308 Wagner: Parsifal, S. 9. 309 Das Kränzchen. Illustrierte Mädchen-Zeitung. 35. Folge. Stuttgart, Berlin, Leipzig: Union Deutsche Verlagsgesellschaft 1922, S. 73. 310 Cosima Wagner: Tagebücher, S. 428. 311 Schutting: Gralslicht, S. 19/19: das anders als die Liebe, nicht von den Zigeunern stammt? ist ein Zitat aus Bizets Carmen, wo es im 1. Akt in der Habanera in der deutschen Übersetzung heißt: Die Liebe von Zigeunern stammt,[…] 312 Wagner: Parsifal, S. 14/108f. 313 Schutting: Gralslicht, S. 90/34. 314 Ebda, S. 51/29 ff. 315 Wagner: Parsifal, S. 18/177. 316 Ebda, S. 76/1118.

52 gewinnen, um an die Stelle der Männer zu treten“317. Auf das Jüdische bezogen, ging Wagner davon aus, dass sich das jüdische Blut gegenüber dem deutschen durchsetzen würde, denn „das deutsche blonde Blut sei nicht kräftig genug, um dieser ‚Lauge‘ zu widerstehen, wir sehen ja, wie die Normannen und Franken zu Franzosen geworden seien, und das jüdische Blut sei noch viel korrosiver als das romanische“318. Rieger meint, dass Wagners Äußerungen den „normalen“ Antisemitismus seiner Zeit (diese Formulierung wird in der Fachliteratur regelmäßig zu Wagners Verteidigung angeführt) überschritten hätten und eine obsessive Beschäftigung mit dem Thema verraten würden. Seine Begeisterung für die Schriften von Constantin Frantz und Arthur de Gobineau (der von der Überlegenheit der „arischen Rasse“ und der Schädlichkeit einer Rassenmischung ausging) sei durchgehend spürbar.319 Schutting greift in Gralslicht diese Zweitbedeutung von „rein“ auf, wenn er K sagen lässt

reines und unreines Blut! der eine, nämlich der da, will deiner Seele ein Blutreinigungstee sein 320

Die Fantasie Wagners vom „reinen Blut“ lässt Schutting in einen Diskurs über den „gesunden Volkskörper“ und die daraus resultierenden schrecklichen Folgen der Euthanasie münden:

P: Euthanasia? eine der Musen? G: jawohl! Überwinderin der äskulapischen Hypokrates- natter, Propagandistin des gesunden Volkskörpers, Ausmerzerin von Volkskörperkrankheiten, geistesverwandt der Muse der Nacht- und Nebelaktionen! Erlösung oder Endlösung, Heils- oder Unheilsgeschichte321

Wagner war seiner persönlichen Einschätzung nach gewiss kein Frauenhasser. Interessanter- weise hatte er mit Cosima ja eine hochgebildete Ehefrau, er hatte zahlreiche Liebschaften und zu der Zeit, in der er in Parsifal Triebsublimierung und Askese thematisierte, war er in die schöne Französin Judith Gautier verliebt, schickte ihr Küsse, erinnerte sie an ein geheimes Treffen.322 Dennoch sah er im Mann das überlegene Wesen, dem sich die Frau unterzuordnen hatte. Sein Gedanken-Modell sah im Mann den Vertreter des Geistes, in der Frau die Vertreterin der Natur.323 Schuttings kritische Leseweise und Interpretation von Wagners Parsifal scheint somit nicht überzogen, sondern nur analytisch erhellend. Und seine literarische formulierte Kritik an

317 Richard Wagner: „Aus dem Braunen Buch“. (= Richard Wagner. Neue Text-Ausgabe. Chronologisch und vollständig. Hrsg. von Rüdiger Jacobs. Bd. 11.) Frankfurt/M.: Axel Dielmann 2013, S. 367. 318 Cosima Wagner: Tagebücher, zitiert nach Eva Rieger: Die Tagebücher Cosima Wagners. In: Wagner Handbuch. Hrsg. von Laurenz Lütteken unter Mitarbeit von Inga Mai Groote und Michael Meyer. Kassel: Bärenreiter und Stuttgart, Weimar: Metzler 2012, S. 62-68, S. 67. 319 Vgl. ebda. 320 Schutting: Gralslicht, S. 8/31 ff. 321 Ebda, S. 38/16 ff. 322 Vgl. Rieger: „...das Leiden der Liebesverführung...“, S. 19. 323 Vgl. ebda, S. 27.

53 anklingendem Antisemitismus, Rassen- und Reinheitswahn in Begrifflichkeit und Thematik der NS-Zeit hat ihre Legitimität.

Schutting selbst hat diese Thematik 2014 auf den Punkt gebracht: „Der Operndirektor Holender hat ja auch gesagt: Ja, was dann die Nazis damit gemacht haben, da kann der Wagner nichts da- für. Das find ich jetzt nicht richtig. Was sich der Liszt in Les Préludes ausgedacht hat, was der Goebbels zu den Sondermeldungen verwendet hat, das ist so eine propagandistische Volksgansl- haut – so etwas verschuldet dann den Missbrauch.“324

6. 4. 2 Raum und Zeit

„Raum und Zeit“ scheint sich als Parsifal- bzw. Gralslicht-Motiv nicht gerade aufzudrängen. Dennoch hat es für Wagner eine nicht unwesentliche kunsttheoretische, für Schutting eine sprachphilosophische Bedeutung, die entschlüsselt werden soll. Das Wagner-Zitat Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit325 kommt in Gralslicht immerhin rund fünfundzwanzig Mal (paraphrasierend und wörtlich),326 quasi leitmotivartig, vor. Es verweist auf einen Text von Gotthold Ephraim Lessing, nämlich Laokoon: oder über die Grenzen der Malerei und Poesie (1766) und einen damit verbundenen kunsttheoretischen Diskurs. In Laokoon werden von Lessing grundlegende künstlerische Unterschiede zwischen Bildender Kunst und Literatur herausgearbeitet. Er zieht dabei die antike Laokoon-Gruppe in den Vatikanischen Museen als Beispiel heran.327 Schutting dazu: „Das ist einfach etwas, das mich interessiert, dieses Simultane in der Sprache und das Sukzessive. Das ist etwas, das mich immer beschäftigt hat. Das wäre auch beim Droschl gedruckt. Da hab ich eine Vorlesung dazu in Graz über den Laokoon gehabt. Wo auch vorkommt, dass sehr wohl in einem Satz alles drinnen ist, was man fühlt, denkt, sieht; nicht so schrittweise, wie man halt erzählt.“328 In der genannten Poetikvorlesung Zuhörerbehelligungen zitiert Schutting jenen „geistvollen Essay“329 von Lessing, in dem dieser meint, „die Malerei sei eine stumme Poesie und die Poesie eine redende Malerei.“330 Schutting fasst Lessings Thesen so zusammen:

324 Gespräch vom 13. 5. 2014. 325 Wagner: Parsifal, S. 28/326. 326 Schutting: Gralslicht, S. 5/17, S. 15/6+8+11+12+14+16+21f., S. 16/17f.+20+24+28f., S.17/3, S. 20/7f., S. 37/ 25+30+34, S. 47/20, S. 108/5, S. 114/8, S.118/15+33. 327 Vgl. Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon: oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. Mit beiläufigen Erläuterungen verschiedener Punkte der alten Kunstgeschichte. In: Gotthold Ephraim Lessing. Werke. 6. Bd.: Kunsttheoretische und kunsthistorische Schriften. München: Hanser 1974, S. 7-187. 328 Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014. 329 Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 115. 330 Ebda.

54 Malerei sei ein Nebeneinander von Bildzeichen, von Zeichen aus Figuren und Farben der Gegen- stände und Körper, die nebeneinander im Raum existieren, für bestimmte Zeit, Malerei sei Gleich- zeitigkeit, Koexistenz, Simultaneität, ein Augenblick, dem abzulesen sein solle, was ihm vorange- gangen ist und was ihm folgen werde. […] Poesie sei artikulierte Töne in der Zeit, Aufeinander- folgendes, Sukzessives, fortschreitende Handlung, Schilderung der Körper durch Handlung, nicht durch reine Beschreibung …331

Und das ist der Punkt, dem er sich schreibend widersetze, meint Schutting, dieser Vorstellung von Schreiben als einem bloßen Nacheinander.332 Für ihn ist Schreiben die „Bemühung, die Gleichzeitigkeit von Beobachtetem, Gedachtem und Gefühltem beisammenzulassen, statt sie in einem Nacheinander zu verfälschen […], und so entstehen dann meine langen Sätze – “333. Trotz dieses Einwands sei „umso größer etwa meine Respektsbezeugung vor Lessing dort, wo ich ihm widerspreche“334, sagt Schutting.

Auch in der Fachliteratur zu Wagner findet sich dieser Zusammenhang zwischen dem zitierten Satz Zum Raum wird hier die Zeit335 und Lessings Laokoon-Traktat.

Die zwei Verwandlungsmusiken („Zum Raum wird hier die Zeit“) oder die Suspendierung des Zeitlichen in der Schlussszene schließlich setzen Wagners Anschauung um, dass man allein durch Musik das Schopenhauer’sche principium individuationis, also die Teilung der Welt in Raum und Zeit, aufheben könne.336

Borchmeyer schreibt zum Thema Raum/Zeit: „Die deskriptive, ‚Bildchen reihende‘ Parsifal- Musik stellt sich dergestalt als musikalischer Anti-Laokoon dar: ‚Ut pictura musica‘ – ‚Zum Raum wird hier die Zeit‘ “337. Und später: „[…] bildhafte Situationen, die wiederum das Raum- Werden der Zeit, gewissermaßen die Aufhebung des Lessingschen Laokoon-Problems signalisie- ren. Die Handlung wird zum malerischen Tableau. Auch die Pathosszenen des Amfortas bleiben von der eigentlichen Handlung isolierte Passions-Bilder“.338 Für den Mythentheoretiker Claude Lévi-Strauss war das Zitat Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit gar „die tiefgrün- digste Definition, die jemals vom Mythos gegeben wurde.“339

6. 4. 3 Fragen und Mitleid/Mitleidsfrage, Schuld und Erlösung

Die sogenannte Mitleidsfrage ist sowohl bei Wolfram als auch bei Wagner zentrales Thema. Bei Wolfram verflucht Cundrîe Parzival mit heftigen Worten ob der versäumten Frage:

331 Ebda, S. 116. 332 Vgl. ebda. 333 Ebda, S. 117. 334 Ebda, S. 5. 335 Wagner: Parsifal, S. 28/327. 336 Wald-Fuhrmann: Parsifal. Ein Bühnenweihfestspiel, S. 398. 337 Dieter Borchmeyer: Das Theater Richard Wagners. Idee – Dichtung – Wirkung. Stuttgart: Reclam 1982, S. 295. 338 Ebda, S. 299. 339 Claude Lévi-Strauss: Der Blick in die Ferne (1993), zitiert nach Franz: Die Religion des Grals, S. 83.

55 gein der helle ir sît benant ze himele vor der hôhsten hant: als sît ir ûf der erden, versinnent sich die werden. ir heiles ban, ir saelden vluoch, des ganzen prîses reht unruoch! ir sît manlîcher êren schiech, und an der werdekeit sô siech, kein arzet mag iuch des ernern.340

Parzival selbst fühlt sich schuldbeladen, wenn er zu Trevrizent sagt: ‚hêr, nu gebt mir rât:/ ich bin ein man der sünde hât‘341, hadert aber auch mit Gott, den er als den Verursacher seiner Schuld und seines daraus resultierenden Ehrverlustes und Leidens sieht:

ichn suochte niht wan strîten. ouch trage ich hazzes vil gein gote: wand er ist mîner sorgen tote. die hât er alze hôhe erhaben: mîn vröude ist lebendec begraben. kunde gotes craft mit helfe sîn, waz ankers waer diu vröude mîn?342

Bei Wagner tadelt Gurnemanz Parsifal heftig, stößt ihn hinaus und schlägt ärgerlich hinter ihm die Türe zu.343 Bei der Wiederbegegnung im 3. Aufzug ergeht sich Parsifal in Selbst- bezichtigungen: Und ich – ich bin’s,/ der all dies Elend schuf!344

Schutting übernimmt in Gralslicht das Aufbegehren von Wolframs Parzival und beleuchtet das Thema Fragen, bzw. richtiges Fragen aus der Sicht Ps in allen erdenklichen Facetten. Die Kurzformel „versäumte Mitleidsfrage = Schuld“ und Fragen sei somit immer besser als Nicht- Fragen hat für ihn keine Gültigkeit und er begegnet dieser Vereinfachung mit großer Skepsis. In Gralslicht sind die dazugehörigen Seiten 22 und 23 wohl jene mit der höchsten Zitatdichte. Es geht auf diesen Seiten um die Abwägung: Wann ist es sinnvoll und richtig zu fragen? Und gibt es überhaupt die „richtige“ Mitleidsfrage? Auch dort, wo es keine konkrete/markierte Intertextualität in Zitatform gibt, wird der Begriff der versäumten Mitleidsfrage aus den Prätexten thematisiert.

So wird z. B. die Frage nach Herkunft und Namen nach und nach zur Frage nach der „richtigen“ Herkunft und dem „richtigen“ Namen, der in Form des Ariernachweises über Leben und Tod

340 Wolfram: Parzival I, S. 536/316/7 ff. 341 Wolfram: Parzival II, S. 46/456/29 f. 342 Ebda, S. 52/461/8 ff. 343 Vgl. Wagner: Parsifal, S. 38. 344 Ebda, S. 73/1076 f.

56 entscheidet345 (eine genaue Analyse findet sich schon im Kapitel „Funktionen von Intertextualität“). Gleich im Anschluss folgt eine Umkreisung des Themas Mitleid:

Gibt es Erinnerungsschmerz, gibt es Mitschmerz? […] Wäre ‚Mitgefühl‘ ein Synonym für ‚Mitleid‘ ‒ fühlt man Mitgefühl (Mittgefühl?) in der Körpermitte, oder mietet Mitleid (Mietleid?), wer es nicht geliehen bekommt?346

In einem langen Exkurs führt Schutting mit der Stimme Ps das Thema des Fragens weiter. Wann sei eine Frage zweckmäßig, wann sinnvoll, wann recht und billig, wann logische Notwendigkeit, wann sittliche Erfordernis, wann also angebracht?347 Gegen das Fragen hingegen sprächen folgende Gründe:

wann hingegen wäre eine Frage, etwa nach jemandes Befinden, beispielsweise eine: Unziemlichkeit, Ungebührlichkeit, Ungeschicklichkeit, Ungehörigkeit, Taktlosigkeit, Entgleisung, Verfehlung, Verirrung, Übertretung, Zuwiderhandlung, Widersetzlichkeit, Übeltat, Böswilligkeit, Gemeinheit, Ruchlosigkeit, Schandtat, Schurkerei oder Teufelei, ein Faux-pas, ein Lapsus, ein Mißgriff, ein Fehltritt, ein Vergehen, ein Versehen, ein Irrtum?348

Die fünfundzwanzig (!) gefundenen Begriffe sind mehr als Synonyme und Wortspielerei, sie stellen tatsächlich die zahlreichen verschiedenen Möglichkeiten falschen Mitleids und fehlgeleiteter Kommunikation dar. Nach diesen Möglichkeiten erwägt P Beispiele, in denen das Fragen eine prekäre Situation entschärft, etwa eine Frage, die von der allgemeinen Verlegenheit ablenkt, einer Bloßstellung zuvorkommt, einer antisemitischen Herzensäußerung etwa.349 Die folgende Zitatenkaskade firmiert unter dem Motto, dass es manchmal vielleicht besser sei, irgend etwas als gar nichts zu fragen350, und hält für diese Verlegenheit eine Reihe klassische[r] Fragen oder schon im Alltag behauste[r]351 bereit, die man im Bildungsbürgertum kennen sollte/könnte. Und wie schon bei jener Stelle, an der die Frage nach der Herkunft zu Ariernachweis und Emigration führt,352 ist auch diese geballte Intertextualität frei von Beliebigkeit. Nur die Oberfläche schillert harmlos und präsentiert sich als humanistisches Bildungsgut. Schillers Ballade Die Kraniche des Ibykus353 erzählt immerhin von einem Raubmord, Der Taucher von einem König, der einen Knappen mutwillig in den Tod treibt, Walther von der Vogelweide steuert einen elegischen Ton bei, Richard Strauss’ Elektra

345 Vgl. Schutting: Gralslicht, S. 17/5 ff. 346 Ebda, S. 17/22 ff. 347 Vgl. ebda, S. 20/31 ff. 348 Ebda, S. 21/1 ff. 349 Vgl. ebda, S. 21/10 ff. 350 Vgl. ebda, S. 21/33. 351 Ebda, S. 21/34 f. 352 Vgl. ebda, S. 17/5 ff. 353 Vgl. ebda, S. 21/36.

57 thematisiert den Rachemord an der Mutter und deren Geliebten, Salome die Enthauptung von Johannes dem Täufer, Puccinis Tosca erzählt von Folter, Hinrichtung und Selbstmorden. Die Frage nach dem Bruder Abel verweist auf den Brudermord durch Kain und auch die Frage Ich euch ehren? Wofür? aus Goethes Prometheus wird – so man das Gedicht weiter memoriert ‒ durch die Fortsetzung Hast du die Schmerzen gelindert/ Je des Beladenen? Hast du die Tränen gestillet/ Je des Geängsteten? zur Theodizee-Frage.354 Diese Frage, die darauf abzielt, wie Gott so viel Leid auf der Welt zulassen kann, ist eine logische Überleitung zu jenen Fragen, die davon handeln, dass Menschen so viel Leid auf der Welt zulassen können oder sogar mitverschulden. Hier geht es also um Fragen, die wir aus Peinlichkeit, falscher Rücksichtnahme, aus einem Verdrängungsbedürfnis heraus etc. nicht stellen wollen:

Habt ihr von arisierten Tellerchen gegessen, seid ihr auf dem Nur-für-Arier-Bänklein gesessen, […] bist du der liebe Onkel, der sein gutbürgerliches Wirtshaus mit der gutbürgerlichen Tafel ‚Juden unerwünscht‘ geziert hat, oder bist du die liebe Tante, die gesagt hat: Auf ein jüdisches Sesselchen setz ich mich nicht, da steh ich mir lieber die Füß in den Bauch!?355

Zur Ablenkung von Siechtumskümmernissen und auf daß er eine Ansprache habe (hier wird ne- benbei noch die Hilflosigkeit im Umgang mit leidenden Menschen angesprochen), schlägt P zur Kurzweil des Siechen eine Reihe ergänzungsbedürftiger Bildungsfragen vor.356 Die Ergänzungen sind – typisch für Schutting ‒ oft vordergründig amüsant, bei einem zweiten Gedanken aber deutlich mehr als bloßer Sprachwitz. So lautet die Antwort auf die Frage Wenn der Herrgott net wüü, dann nutzt was gar nix?357 einfach: „es“; auf die Doppel-Frage Jedes was lege noch schnell ein Ei, und dann komme wer herbei?358 aber: „Huhn“ und „der Tod“. Die Frage Wir Deutsche oder wir Deutschen und sonst nichts auf der Welt?359 bekommt durch das Weglassen der Wörter „fürchten Gott“ (Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt! aus Bismarcks Reichstagsrede) einen bedrohlichen, nationalen Sinn360 und die modifizierte Frage Sich selbst besiegen sei der schönste Krieg?361 (heute als Sprichwort Sich selbst bekriegen ist der schwerste Krieg, sich selbst besiegen ist der schönste Sieg üblich.362) einen Anflug von Selbsthass.

354 Vgl. ebda, S. 22/1 ff. 355 Ebda, S. 22/28 ff. und S. 23/1. 356 Vgl. ebda, S. 23/6 ff. 357 Ebda, S. 23/12. 358 Ebda, S. 23/18. 359 Ebda, S. 23/19. 360 Eine Assoziation dazu ist das Volksbegehren „Österreich zuerst“, initiiert von der FPÖ unter Jörg Haider 1992. H. C. Strache hat einen gleichnamigen Rap (anlässlich der EU-Wahl 2009) auf „youtube“. 361 Ebda, S. 23/20. 362 Das Original (siehe Kapitel Intertextuelle/intermediale Bezüge) des Barockdichters Friedrich von Logau wurde etwas modifiziert.

58 Noch ist das Thema Fragen nicht ausgeschöpft. Fragen nach dem Befinden und Ratschläge dazu, die Schlag auf Schlag, wie Watschen 363 daherkommen, werden präsentiert. Zitate aus der Fle- dermaus (Trinke Liebchen, trinke schnell und Glücklich ist, wer vergißt!)364 und aus dem Land des Lächelns (Immer nur lächeln, immer vergnügt …)365 stehen repräsentativ für billigen Trost wie Kopf hoch.366

Nach den aufmunternden Beschwichtigungsfloskeln kommt noch der psychologisch Gebildete, der etwas von Psychosomatik gelesen hat oder der im Zuge der Parzival-Rezeption von Anfortas Geschlechtswunde gehört hat, die ‒ typisch für das Mittelalter – auf die Art des Sündigens ver- weisen soll. Frage: Wie lange noch gedenken Sie/ an der Überschreitung des sechsten Gebotes zu kranken?367 An dieser Stelle ließe sich fragen, welcher der fünfundzwanzig von Schutting ge- nannten Begriffe für unpassendes Fragen hier zuträfe. Ist die Frage nach der Überschreitung des sechsten Gebots mit der impliziten Unterstellung, der Leidende selbst habe die Dauer seines Lei- dens in der Hand, eine Taktlosigkeit, eine Ungehörigkeit, eine Gemeinheit?368 Auch die Umbet- tung der Schmerzleidensqualen auf akademischen Boden zeugt von wenig Empathie:

„Haben auch Sie – durch authentische Erfahrungen, durch konkrete Beschäftigung mit der Materie – die Überzeugung gewonnen, der Tristan-Akkord, auch ihnen zugeeignet, mache deutlich die Unerfüllbarkeit sinnlichen Verlangens, durch seine sogenannte ‚harmonische Unauflösbarkeit’?”369

Schuttings P weigert sich außerdem, so taktlose Fragen, daß es auch den Umsitzenden die Eingeweide zusammenzieht 370, zu stellen, wie z. B.:

„Ihre Frau Mama, höre ich, ist vergast worden, auch Ihre Herren Brüder – wie haben Sie überlebt? Und haben Sie deshalb zeitlebens Gewissensbisse?“371

Genug hat P davon, mit Fragen in Wunden und Ängsten zu wühlen, belohnt von dem ‚Mitleid‘ genannten Gänsehautschauer: „wenn mir etwas so Furchtbares bevorstünde!“372 Dieser gewisse Angstlust-Voyeurismus (Schutting nennt solche Menschen an der Wunde Sich-Weider oder Sich- Begeiler373) angesichts des Leids anderer findet sich auch bei Karl Kraus’ Die letzten Tage der

363 Ebda, S. 23/25. 364 Ebda, S. 23/32 f. 365 Ebda, S. 23/35. 366 Ebda, S. 23/34. 367 Ebda, S. 23/36 und S. 24/1. 368 Vgl. ebda, S. 21/3 ff. 369 Ebda, S. 24/6 ff. 370 Ebda, S. 87/4 f. 371 Ebda, S. 87/6 ff. 372 Ebda, S. 87/11 ff. 373 Vgl. ebda, S. 29/7.

59 Menschheit in jener Szene, in der drei Reporter die Schauspielerin Elfriede Ritter, die soeben aus Russland zurückgekehrt ist, befragen:

ALLE DREI (durcheinander): Haben Sie Spuren von Nagaikas?374 Zeigen Sie her! Wir brauchen Einzelheiten, Details. Wie war das Moskowitertum? Haben Sie Eindrücke? Sie müssen furchtbar zu leiden gehabt haben, hören Sie, Sie m ü s s e n !375

Bei Schutting liest sich Vergleichbares so:

P: aus der Burg hinausgeworfen, bin ich, das wird Sie interessieren, in Kriegsschauplätzen gereist, habe auf Schlachtfeldern, frisch nach der Schlacht, die Schwerverletzten im Über-sie-Hinwegsteigen gefragt, was sie wirre, habe in Notlazaretten mit Fragen nach Wundschmerz und Wundbrand Notverbände vom aufgefetzten Fleisch gerissen! habe danach, in Friedenszeiten, in Sterbehäusern mich herumgetrieben, Sterbenden die Augen aufgerissen, damit sie mir Antwort gäben bezüglich Sterbeängsten ‒376

Karl Kraus nennt konkret Reporter als die keine Distanz kennenden Ausfrager. Aber auch bei Schutting assoziiert man spontan eine Boulevardpresse, die das Leid – gut getarnt als Interesse und Mitgefühl ‒ bildlich und wörtlich „ausschlachtet“. Die Distanzlosigkeit des Fragens erinnert an die Unverblümtheit kleiner Kinder, die entwicklungspsychologisch ganz normal im (sogar so genannten) Fragealter sind. Bei Wolframs Parzival wird eben diese Kindlichkeit, Parzivals Unreife thematisiert. Gurnemanz sagt nämlich zu Parzival: „Ihr plappert wie ein unmündiges Kind. (‚ir redet als ein kindelîn‘ )“377 Und später genauer: irn sult niht vil gevrâgen.378

In einem Artikel im Standard findet sich unter dem Titel Hänsel- und Gretel-Fragen eine ausführliche Darlegung von Schuttings Haltung zum Thema Fragen, die auch eine gewisse Vermengung von Autoren-Ich und Figurenrede in den vorangegangenen Ausführungen rechtfertigt:

Mit einem Gedankensprung aus der Welt der Natur in die der Menschenwelt: Ja, die von Parzival schon bei Wolfram von Eschenbach (und nicht erst vom Richard Wagnerschen Parsifal) aus Wohlerzogenheit und daher auch aus Taktgefühl unterdrückte Mitleidsfrage, die er angesichts dessen Sich-Winden vor Schmerzen an den Gralskönig Amfortas zu richten gehabt hätte, aufgrund seines wortlosen Verharrens vor dem Armen als ein Nichtswürdiger aus der Gralsburg geworfen – im Zweifelsfall, das meine Maxime, also wenn dem Gesichtsausdruck eines oder einer von Körper- oder Seelenschmerz Heimgesuchten nicht verläßlich abzulesen ist, eine Frage nach dem Befinden wäre als schmerzlindernd erwünscht, als die Aufforderung zu einer wehklagend schmerzlindernden Antwort, ja dann frage ich keinesfalls nach: mir allzu sicher, daß die Frage

374 Reitpeitsche der Kosaken. 375 Karl Kraus: Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog. München: Kösel 1957. (= Werke von Karl Kraus. Hrsg. von Heinrich Fischer. Bd. 5) S. 132. 376 Schutting: Gralslicht, S. 33/20 ff. 377 Wolfram: Parzival I, S. 290/170/10. 378 Ebda, S. 291/171/17.

60 nach Schmerzen in Gestalt des unvermeidlichen Wortes Schmerzen die Körperschmerzen noch deutlicher macht, den Seelenschmerz ins Unerträgliche schmerzt . . . Feigheit, die sich als Rücksicht aufspielt?379

Eine Unterscheidung zwischen „richtigem und falschem“ Mitleid beschreibt auch Stefan Zweig sehr treffend in seinem Roman Ungeduld des Herzens:

Es gibt eben zweierlei Mitleid. Das eine, das schwachmütige und sentimentale, das eigentlich nur Ungeduld des Herzens ist, sich möglichst schnell freizumachen von der peinlichen Ergriffenheit vor einem fremden Unglück, jenes Mitleid, das gar nicht Mit-leiden ist, sondern nur instinktive Abwehr des fremden Leidens von der eigenen Seele. Und das andere, das einzig zählt – das unsen- timentale, aber schöpferische Mitleid, das weiß, was es will, und entschlossen ist, geduldig und mitduldend alles durchzustehen bis zum Letzten seiner Kraft und noch über dies Letzte hinaus.380

Diese Abwehr eines echten Gefühls wird auch bei Schutting wiederholt intensiv dargestellt. Die gesellschaftlich geforderte, zur Schau gestellte Anteilnahme, die eine oft oberflächliche Neugier kaschiert, oder in der sich der Zuschauer selbst leid tut, weil er Furchtbares sehen oder miterle- ben muss, ist ihm als Mitleid zu wenig. Eine Sequenz, in der Mitleid zu Selbstmitleid wird, liest sich bei Schutting so:

oder wartest du tramhapperter Unglückswurm, daß der König traumhäuptig sagt: Werft mich hinaus, ich brech euch Guten ansonsten noch das Herz?! oder kennst du nicht die nämliche Witzweisheit über die Natur des Menschen? da hat einer viel erlitten, Frau tot, Kind gestorben, Mutter schwerkrank, Haus abgebrannt, Geld futsch, erzählt davon dem Reichen, auf daß ihm geholfen werde. und der? der läutet nach seinen Lakaien: Werft ihn hinaus, er bricht mir das Herz!381

Unser emotionaler Umgang mit den Bettlern in Graz ist ganz ähnlich. Das „Werft sie hinaus!“ wird wohl manchmal menschenfreundlicher umschrieben, der Impetus ist aber doch der selbe: Wir möchten (selbstmitleidig) vom Leid der anderen verschont werden, (auch) fremdes Leid empfinden wir als Zumutung. Bemerkenswert ist an dieser Textstelle u. a. das Wort Witzweis- heit, das darauf verweist, dass in einem guten Witz eben auch Weisheit stecken kann. Schuttings Umgang mit Humor ließe sich genau mit diesem Begriff Witzweisheit treffend beschreiben.

Das kindische, das distanzlose Fragen, das Fragen aus Neugier, Voyeurismus oder vorgespiegel- tem Mitleid und Mitleid als Selbstmitleid werden also abgelehnt. Hält Schutting ein Vertei- dungsplädoyer für P, das ihn von aller Schuld, die er bei Wolfram (durch Cundrîe) und Wagner (durch Gurnemanz) auf Grund des Frageversäumnisses überdeutlich vorgehalten bekommt, frei-

379 Julian Schutting: Hänsel- und Gretel-Fragen. In: Der Standard (Wien) vom 2. Februar 2013, Album A 12. 380 Stefan Zweig: Ungeduld des Herzens. Roman. Frankfurt/Main: Fischer 1982. (= Stefan Zweig. Gesammelte Werke in Einzelbänden. Hrsg. und mit einer Nachbemerkung von Knut Beck. Bd. 5.) [o. S. ], vor dem 1. Kapitel. 381 Schutting: Gralslicht, S. 29/11 ff.

61 sprechen soll? Nein, denn auf der anderen Seite stehen jene ungestellten Fragen, die – so Schut- ting – unbedingt gestellt werden müssten.

So kommt es zwischen den männlichen Protagonisten zum Konflikt, wenn es um die NS- Massenvernichtung geht. G: Euthanasie in ritterlicher Präfiguration opernbühnenfähig gemacht! welch ein Verhängnis382 wirft G dem unwissenden bzw. nichts wissen wollenden P vor und sagt weiter: nix wissen! nicht einmal pflichtschuldig zu Halbherzigkeiten und Lippenbedauern der Unhold sich bequemen wollen?383 Zu der Stelle „opernbühnenfähig gemachte[…] Euthanasie“ passt die schon erwähnte Aussage Schuttings:

Und diese Euthanasiegeschichte, diese Erlösung mit dem Speer ‒ ich wundere mich, dass in keiner Inszenierung je auf dieses Moment eingegangen wird, dass der [Parsifal] ihn [Amfortas] umbringt. Das ist unglaublich. [...] In keinem zivilisierten Land ist sowas bitte denkbar.384

Schutting interpretiert die Erlösung Amfortas’ als Tötung durch Parsifal. Auch Krajenbrink stolpert über die Zeile im Vorwort: [Parsifal] erlöst Amfortas, auch Kundry darf sterben. Bei Wagner sagt aber Parsifal zu Amfortas: Sei heil, entsündigt und gesühnt!385 Laut Krajenbrink lautete die erste Prosaversion sogar: Lebe, Anfortas, lebe in Reue und Buße. Deine Wunde schließe ich so.386 Sie schließt aus Schuttings Änderung eine „eigensinnige Lesart von Parsifal“ und meint:

Erst Schuttings Verschiebung ermöglicht es, die ‚Erlösung‘ in der Schlußszene von Parsifal als „Entfernungshilfe […] höherenorts der Erlösung Selektierten“ (G38) zu interpretieren und so zu den NS-Euthanasie-Praktiken und der Endlösung in Beziehung zu setzen.387

Sachlich stimmt die Interpretation von Wagners Werk so nicht. Amfortas verlangt aber mit Nachdruck seine Erlösung in Form des Todes: mir endlich spende – den Tod!/ Tod! – Sterben!/ Einzige Gnade!388, Wer will mich zwingen zu leben?/ Könnt ihr doch Tod nur mir geben!389 und Tötet den Sünder390 lässt Wagner ihn in wütender Verzweiflung391 fordern. Eine Forderung, die in der Euthanasiedebatte an das Argument erinnert, man solle unheilbar Kranke und chronische Schmerzpatienten von ihrem Leid „erlösen“. Außerdem endet Parsifal mit „Erlösungstoden“. Titurel, Amfortas’ Vater, ist – da der Gral lange nicht mehr enthüllt wurde – in hohem Alter gestorben und Kundry als Personifikation des Ewigen Juden findet sozusagen auch erst im Tod

382 Schutting: Gralslicht, S. 119/19 f. 383 Ebda, S. 120/14 ff. 384 Gespräch vom 13. 5. 2014. 385 Wagner: Parsifal, S. 83/1230. 386 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der…“, S. 233 387 Ebda. (G 38) steht bei Krajenbrink für Gralslicht, S. 38. 388 Wagner: Parsifal, S. 81/1202 ff. 389 Ebda, S. 82/1218 f. 390 Ebda, S. 82/1225. 391 Ebda.

62 Erlösung. (Interessant ist daran auch, dass Kundry nicht schon durch Parsifals Abwehr ihres Verführungsversuches erlöst wird, sondern erst nach der Taufe durch ihren Tod.) Die von Schutting thematisierte Parallele von „Erlösung“ und „Endlösung“392 bezieht sich auf diese Fragwürdigkeit von Kundrys Erlösung, zu der in der Wagnerforschung immer wieder auf Wagners Text Das Judentum in der Musik (1850) hingewiesen wird. Der schon erwähnte Schlusssatz lautet: „Aber bedenkt, daß nur eines eure Erlösung von dem auf euch lastenden Fluch sein kann: die Erlösung Ahasvers, – der Untergang.“393 Peter Emmerich formuliert recht drastisch: „Zwar muss es als falsch und übertrieben gelten, in Wagner den Vordenker des Holocaust zu erblicken, aber Erlösung wurde mit solchen Worten schlimmstmöglich pervertiert, denn sie schließt hier eine wie auch immer geartetete Vernichtung ausdrücklich ein“394. Auch Krajenbrink sieht darin zumindest eine Antizipation einer Geisteshaltung:

Der Streit um Wagners Erbe, um die Frage, inwiefern sein rabiater Antisemitismus nicht nur die weltanschaulichen Schriften, sondern auch Musikdramen prägt und inwiefern damit der Nationalsozialismus antizipiert wird, wird so auf Figurenebene ausgetragen.395

Sie geht bei der Formel „Erlösung = Endlösung = Euthanasie“ davon aus, dass Schutting hier wissentlich eine Fortschreibung von Wagners Parsifal vorhatte. Schutting meint zum Stichwort Euthanasie auch: „Das radikalisiere ich ja eigentlich, in dem ich dort den Euthanasiebegriff verwende, wo es ihn noch nicht gegeben hat, bedenkend dass ja der Richard Wagner in seinem Antisemitismus das vorweggenommen hat.“396 Das Gespräch mit dem Autor hat zwar ergeben, dass er sich (erstaunlicherweise trotz enormer Text- und Werkkenntnis) in dieser Frage (auf einer rein sachlichen Ebene) geirrt hat, trotzdem ist das von ihm Vorausgedeutete und Hinein- interpretierte eine dahinter liegende, tiefere Wahrheit.

Ein weiterer interessanter Aspekt zum Thema Erlösung findet sich in der letzten Szene in einem langen Monolog Gs. Es geht dabei um Wagners Gottesbild, das ja die Erlösung der beiden schuldig Gewordenen, Amfortas und Kundry, erst erforderlich macht. Wagners Gottesbild zeichnet einen rächenden, unversöhnlichen, zürnenden Gott, der dem schuldigen Menschen eine niemals enden wollende Strafe aufbürdet. Jesus erzählt aber wiederholt von der Liebe seines Vaters wie z. B. im „Gleichnis vom verlorenen Sohn“, das einen gütigen und verzeihenden Vater zeigt. Der Sohn bereut seine Abkehr vom richtigen Leben und kehrt um; der Vater feiert mit

392 Schutting: Gralslicht, S. 14/7 ff. 393 Zitiert nach Peter Emmerich: Erlösungswahn. Ein Essay über die Ambivalenz der Erlösungskonzeption bei Richard Wagner. In: Kundry & Elektra und ihre leidenden Schwestern. Schizophrenie und Hysterie/Frauenfiguren im Musik-Theater. Hrsg. von Silvia Kronberger und Ulrich Müller. Anif/Salzburg: Mueller-Speiser 2003. S. 51-63, S. 52. 394 Ebda. 395 Ebda: „Sprachgebrauch, der…“, S. 216. 396 Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014.

63 allen ein Freudenfest. Reue und Umkehr genügen vollkommen. Der Vater freut sich über die Rückkehr des Sohnes, es gibt keine Strafe und keine Moralpredigt. Auch Jesus’ verzeihender und liebevoller Umgang mit Sündern ist wiederholt Thema des Neuen Testaments. Bei Wagner hingegen schildert Amfortas unsagbare Qualen, Schmerzen, Höllenpein als Strafe! Strafe ohne Gleichen/ des – ach! – gekränkten Gnadenreichen!397 Und auch Kundry erzählt von einem Fluch, der sie endlos durch das Dasein quält398, da sie einst Jesus verlacht hatte. Schutting formuliert seine Kritik (mit Hilfe von G) an Wagners Gottesbild folgendermaßen:

G: […] aber weißt du: es ist nicht zu fassen, daß auch der gnadenreiche Sohn des einen Vaters, der „Mein ist die Rache, sprach der Herr!“ gesprochen hat, gekränkt von Rache ohnegleichen ist, ein Apfel also nicht weit fällt vom Paradieses-Kreuzesstamm! als ein dem Orden Erwählter wird man für einen Treuebruch mit einer Frau, für ein einziges fare l’amore mir-nichts-dir-nichts zweigeschlechtlich gemacht, eine Muttermundwunde bleibt ihm Armem [sic!] unheilbar verpaßt,399

Und weiter unten:

der einstmals erlösungshalber aufs Umgebrachtwerden Bedachte und schließlich auch gottvaterwunschgemäß gekreuzigt Umgebrachte wolle nun ein willigen Geistes ein einziges Mal schwach gewordenes Fleisch lebenslang umbringen, Amfortas jahrzehntelangsam verbluten lassen […] unversöhnlicher der Menschen- und Gottessohn als der Vater?!400

Das Religiöse in Wagners Bühnenweihfestspiel Parsifal gab immer schon Anlass zur Diskussion. Borchmeyer zitiert dazu Wagners Essay Religion und Kunst, der Wagners Intention deutlich macht:

Man könnte sagen, daß da, wo die Religion künstlich wird, der Kunst es vorbehalten sei den Kern der Religion zu retten, indem sie die mythischen Symbole, welche die erstere im eigentlichen Sinne als wahr geglaubt wissen will, ihrem sinnbildlichen Werthe nach erfaßt, um durch ideale Darstellung derselben die in ihnen verborgene tiefe Wahrheit erkennen zu lassen.401

Borchmeyer betont außerdem an dieser Stelle, dass Spekulationen darüber, ob Wagner mit seinem Parsifal eine neue Religion habe stiften wollen, unzutreffend seien. Auch der viel diskutierte Schlussvers Erlösung dem Erlöser sei dahingehend zu interpretieren, dass der Erlöser der im Gral anwesende Jesus sei und Parsifal immer nur Medium, nicht Subjekt der Erlösung.402

397 Wagner: Parsifal, S. 32/374 f. 398 Ebda, S. 60/837 ff. 399 Schutting: Gralslicht, S. 116/30 ff. und S. 117/1 ff. 400 Ebda, S. 117/12 ff. 401 Richard Wagner: Religion und Kunst. (= Richard Wagner. Neue Text-Ausgabe. Chronologisch und vollständig. Hrsg. von Rüdiger Jacobs. Bd. 11.) Frankfurt/M.: Axel Dielmann 2013, S. 205. 402 Vgl. ebda, S. 331 ff.

64 Die missverstandene Gleichsetzung Parsifals mit Jesus ist allerdings kein Zufall: Parsifal werden von Kundry die Füße gewaschen, getrocknet, gesalbt 403 – eine ganz klare Imitation der biblischen Szene mit Maria Magdalena – und danach tauft Parsifal noch die vor ihm knieende Kundry.404 Übrigens wird auch bei Wolfram zum Schluss getauft. Allerdings geht es hier um den Halbbruder Parzivals, Feirefiz, der sich unsterblich in Repanse de Schoye verliebt hat und sie nur umwerben und heiraten darf, wenn er Christ ist. Die Szene ist von Wolfram ziemlich ironisch gezeichnet; schließlich sagt Feirefiz sinngemäß zum Priester: „Ich glaube, was Ihr wollt. Wenn ich nur die Geliebte bekomme“.

Feirefiz zem priester sprach ‘ist ez mir guot vür ungemach, ich gloube swes ir gebietet. ob mich ir minne mietet, sô leiste ich gerne sîn gebot.405

Welches Pathos im Vergleich dazu bei Wagner. Da sagt Parsifal (der interessanterweise ‒ obwohl vielfach schuldig geworden ‒ das priesterliche Amt ausüben darf) zu Kundry:

Mein erstes Amt verricht’ ich so: ‒ die Taufe nimm, und glaub an den Erlöser! KUNDRY senkt das Haupt tief zur Erde und scheint heftig zu weinen.406

Ganz anders das Ende bei Schutting. Krajenbrink fasst treffend zusammen:

In Gralslicht zeigt K keine Spur von Buße und Reue (woher sollte sie auch?), für Taufe und Fußwaschung ist hier kein Platz, und während Kundry schlußendlich Erlösung im Tod findet, steht K am Ende springlebendig und kopfschüttelnd da.407

Bei Wolframs Parzival würde die Erlösung nach dem (christlichen) Motto „aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund“408 erfolgen, bei Wagners Parsifal durch den Speer, der die Wunde schlug, und bei Schuttings Gralslicht durch einen Empathie bezeugenden Kuss.

6. 4. 4 Der Kuss

Schutting über die berühmte Wagnersche Kuss-Szene: „Also im 2. Akt die Szene, wo Kundry Parsifal von der Mutter erzählt und ihn dann küsst und wo Parsifal dann so zusammenschauert

403 Wagner: Parsifal, S. 74 f. 404 Ebda, S. 76/1123 ff. 405 Wolfram: Parzival II, S. 656/818/1 ff. 406 Wagner: Parsifal, S. 76/1123 ff. 407 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der . . .“, S. 213. 408 Interessanterweise heißt es in Goethes Torquato Tasso: „Es hat des Menschen Zunge diese Kraft“ (gemeint ist die Kraft, die auch der Speer hat, der durch freundliche Berührung heilen kann).

65 und in dem Moment die Sexualität begriffen hat – oder der Wagner ihm das antut ‒ das ist, find ich, die großartigste, wenn auch missglückte Verführungsszene der gesamten Opernliteratur.“409

Auch in Gralslicht ist die Kuss-Szene wie bei Wagner ein zentrales Element, das sich gleichsam leitmotivisch durch das Werk zieht. Im Gegensatz zu Wagners Parsifal geht es hier allerdings nicht um die Verführung Parsifals durch Kundry. Der Bezug zwischen Ks Kuss und Amfortas’ Wunde wird von Schutting hingegen noch deutlicher akzentuiert. Die Verschiebung von Mund zu Wunde (doch küßt mich ein weiblicher Mund, so bin ich schon wieder gesund410) führt bei P zur Spekulation, dass das Küssen von Amfortas’ Wunde beiden Erlösung hätte bringen können.411

Das implizierte homoerotische Moment wird durch Abwandlung eines anderen Zitats aus der Zauberflöte hervorgehoben. Heißt es zuerst: „‚Mann und Weib und Weib und Mann’“, so wird daraus später: „‚Mann und Weib, und Mann und Mann’“.412

Im Wagnerschen Prätext liest sich die entsprechende Stelle so:

AMFORTAS:Hier bin ich, – die offne Wunde hier! […] Heraus die Waffe! Taucht eure Schwerte tief – tief hinein, bis ans Heft!413

Und weiter unten heißt es: Alles blickt in höchster Entzückung auf den emporgehaltenen Speer, zu dessen Spitze aufschauend.414

Nach einer leitmotivartigen Wiederaufnahme des Carmen-Themas aus der 2. Szene (un baiser de ma mère415), wird noch das Vilja-Lied aus Lehárs Lustiger Witwe zitiert, das von einem „liebkranken Mann“ und einem quasi überirdischen Kuss (So liebt und so küßt gar kein irdisches Kind!) erzählt. Die zitierten Kuss-Szenen, der heilende Papageno-Kuss, der von der Mutter überbrachte Carmen-Kuss und der die Sinne vergehen lassende Vilja-Kuss, werden in Ps Erwägungen von Schutting miteinander verbunden:

Hätte Kundry ihn früher geküßt, so hätte er Amfortas diesen Kuß „als eine Krankenölung […] gebracht, auf daß seinen Schmerzen die Sinne vergangen bald sind“ (G 79). Dann hätte er der Wunde später nicht „eine Stichwaffe hineinzurennen“ (G 79) brauchen. Parsifals Schließen der Wunde mit dem Speer, der ihn schlug, das in Gralslicht als Tötung von Amfortas interpretiert wird, hätte sich in diesem alternativen Szenario erübrigt.416

In Schuttings literarischer Ausformulierung klingt das so:

409 Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014. 410 Schutting: Gralslicht, S. 77/1 f. 411 Vgl. Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 220. 412 Ebda. 413 Wagner: Parsifal, S. 82/1220 ff. 414 Ebda, S. 83/1236 f. 415 Schutting: Gralslicht, S. 77/20 und 77/32. 416 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 221.

66 ach daß sie mich sogleich liebkranken Mann doch schon geküßt gehabt hätte, im tiefsten Irr- und Wirrwald als ein Waldmägdelein, ein jeder erkennt sie im Felsengestein – diesen Wald- und Viljaliedkuß ‒ „so küßt ach so küßt doch kein irdisches Kind“ – als eine Krankenölung ich ihm hätte gebracht, auf daß seinen Schmerzen die Sinne vergangen bald sind: ach daß ich, noch ohne verweilt zu haben für einen Lustschmerz-Augenblick an ihrem Munde, zu deuten gewußt mir hätte die Oheim-Wunde: besser, ich wäre für einen Kuß in die Wundmal-Wunde eingetaucht, als ihr unverblühbarer Liebeswunde ‒ „Mann und Weib, und Mann und Mann“ – nach Jahren und Tag eine Stichwaffe hineinzurennen! 417

Ähnlich wie bei Wagners Parsifal macht der Kuss welthellsichtig, P begreift ganz plötzlich das Leiden Amfortas’. Die Konsequenz daraus ist allerdings eine andere: Während Parsifal zur Erlösung den Speer benutzt, erkennt Schuttings P im Kuss die Möglichkeit, Amfortas von seinem Leiden zu erlösen. Nimmt man für Wagners Bild von einem in die Wunde stechenden Speer die Floskel „bohr nicht in meinen Wunden“, so könnte der Speer durchaus für Verdrängtes stehen, mit dem wir uns nicht konfrontieren wollen. Erst die bewusste Auseinandersetzung mit dem den Schmerz verursachenden Umstand (Erinnerung, Vorfall, Person) würde die Heilung ermöglichen: die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug.418 Eine Konfrontation mit Schmerz als verdrängtem Inhalt, als etwas, das wir am meisten fürchten, kann aber kein anderer für uns übernehmen. Nicht Parsifal könnte die Erlösung durch den symbolischen Schmerzverursacher Speer bringen. Der heilende Kuss als Zeichen von echt empfundenem Mitleid, von Empathie entspricht viel eher unserer Lebenserfahrung. Jede Mutter/jeder Vater streichelt, küsst oder bläst intuitiv auf die Wunde eines Kindes und es ist psychologisch längst erwiesen, dass jede Form von Zuwendung schmerzlindernd wirkt (z. B. auch die Anwesenheit einer liebevollen Begleitperson im Krankenhaus). Heile, heile Regensegen,419 schreibt Schutting und der bekannte Kinderreim420 endet mit: Es tut dir nimmer weh. Bei Wagner ist Kundrys Kuss eine Gefahr. Schutting setzt dem Musiktheater-Szenen entgegen, in denen der Kuss eine völlig konträre Wirkung hat. In Carmen hat der durch Micaela von der Mutter überbrachte Kuss für Don José eine – wie auch Schutting in Gralslicht erwähnt ‒ vor Gefahren schützende Wirkung und eine heilende Wirkung, weil mit dem Kuss zugleich die Verzeihung der Mutter überbracht wird. Auch in Lehárs Vilja-Lied und in Mozarts Papageno-Arie hat der Kuss heilende Funktion.

417 Schutting: Gralslicht, S. 79/10 ff. 418 Wagner: Parsifal, S. 82/1228 f. 419 Schutting: Gralslicht, S. 27/13. 420 Heile, heile Segen/ Drei Tag Regen/ Drei Tag Schnee/ Es tut dir nimmer weh. In: Traudi Reich und Rudolf Angerer: Ich und Du. Kinderreime. St. Pölten: Residenz 2001. S. 13.

67 7 Figuren

Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu. (Ödön von Horváth in Zur schönen Aussicht)

7. 1 Allgemeines

Drei Figuren gibt es in Schuttings Gralslicht: Parsifal (Parzival), Kundry (Kondwiramur) und Don Giovanni (Gurnemanz). Diese Doppelbenennungen verweisen schon auf den Gebrauch verschiedener literarischer Figuren in jeweils einem Protagonisten; von der zweiten „Rolle“ jeder Figur wird nur in wenigen Einzelfällen Gebrauch gemacht, dennoch sind sie eine intertextuelle Brücke zwischen den entsprechenden Werken. Mit Don Giovanni/Gurnemanz werden sogar Parzival-Mythos und Don Juan-Mythos miteinander verknüpft. Krajenbrink sieht in den drei Protagonisten Kunstfiguren bzw. Sprachfiguren, „sie erscheinen eher als Abstraktionen denn als Menschen von Fleisch und Blut.“421 Nach der ersten namentlichen Erwähnung und einer kurzen Typisierung werden die Figuren im Folgenden daher nur mehr mit ihren Anfangsbuchstaben als P, K und G benannt. Auch Alexandra Chiriac betont, dass die Figuren in Gralslicht keine Individuen, keine Charaktere darstellen, sondern unterschiedliche Sprachmöglichkeiten des Mythos verkörpern.422 Sie sieht in P, G und K sogar „verschiedene Stimmen derselben Instanz, nämlich des Autors, der sie als mögliche Variationen desselben Ichs zu Wort kommen lässt“423.

P, K und G sind sogenannte re-used figures, also Figuren, die man aus anderen literarischen Werken oder sogar aus Mythen kennt; dadurch werden große Assoziationsräume schon allein durch den Namen der Figuren erweckt. Dazugehörige Eigenschaften, Schicksale, Lebensprobleme und Handlungen fallen dem Leser spontan ein. In Gralslicht werden sie aber in einen völlig neuen Situationskontext (Eisenbahnwaggon) gesetzt424 und dabei „changieren sie zwischen Identifikation mit und Distanzierung von ihren tradierten Rollen, sie setzen sich mit ihrer eigenen Konzeption und Rezeption auseinander.“425 Die Figuren verfügen über historisches Wissen und vermögen philosophische und ideologische Diskurse um ihre Gestalten wortgewandt zu thematisieren.426

421 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 206. 422 Vgl. Alexandra Chiriac: Die „geschlechtsfreie“ Kunst und das Prinzip des ewigen Weiblichen bei Julian Schutting am Beispiel seines Theaterlibrettos Gralslicht (1994). In: Germanistische Beiträge 30 (2012), S. 98 f. 423 Ebda. 424 Vgl. Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der ...“, S. 205 f. 425 Ebda, S. 206. 426 Vgl. ebda.

68 Schutting gibt in einem nicht übertitelten Vorwort eine kürzestmögliche Inhaltsangabe von Wagners Parsifal,427 im Haupttext heißt es aber in einer ersten Beschreibung blondlockig, lederwamsig und lederhosig […] kämpft sich Parzival durch den Korridor.428 Hier finden wir also die Schreibweise Wolframs. In der Regieanweisung eine Seite später ist wieder von Kundrys ‚Par-si-fal‘ aus dem zweiten Akt429 die Rede. Die unterschiedlichen Schreibweisen, die einerseits auf Wolfram von Eschenbach (Parzivâl bzw. Parzival in der Übersetzung ins Neuhochdeutsche), andererseits auf Richard Wagner (Parsifal) verweisen, werden in Schuttings Gralslicht von der Figur P selbst thematisiert: und schreibt man meinen Namen, „ich weiß ihn nicht!“,/ mit Vogel-vau oder Fischerl Ef?430 Dieser Kommentar von P ist zugleich ein erster Verweis auf das ausgeprägte reflexive Bewusstsein der Protagonisten, die offensichtlich ihr literarisches Vorkommen, die damit verbundene Stoffgeschichte und Rezeption kennen. Ein weiteres Beispiel für die Bewusstheit der Figuren wäre: P: […] ja und auch meine Kinder habe ich fragen lassen,/ was ihnen fragenswert erschien, […].431 In Wagners Parsifal hat der Titelheld noch keine Kinder, in Wolframs Parzival werden seine Söhne Loherangrin und Kardeiz allerdings schon erwähnt.432 Im letzten Kapitel wird sogar noch die Geschichte von Loherangrin433 erzählt, die wiederum Schutting in Gralslicht aufgreift, wenn er vom Schwanenritter434 (das Synonym für Lohengrin) schreibt und dem damit thematisch verbundenen Frageverbot: nicht einmal die eigene Frau/ wird ihn nach seinem Namen fragen dürfen,/ nicht Kaiser Joseph, bloß Lohengrin genannt!435 Und später: nach Ablegung des feierlichen Gelübdes,/ niemals das eine Wort aus dem Mund zu lassen, […].436 Wagners Parsifal ist also als Prätext vordergründig erheblich präsenter, Wolframs Parzival scheint aber in Spuren immer wieder daneben und dahinter auf.

Die Figurenkonstellation Parzival/Parsifal versus Don Giovanni, also die Gegenüberstellung zweier scheinbar extrem konträrer Typen, ist in der Literaturgeschichte keineswegs selten. So vergleicht Stendhal in seiner Abhandlung Über die Liebe437 Werther mit Don Juan und Beatrix Müller-Kampel erwähnt die beliebte Kombination von Faust und Don Juan in dem Kapitel „Don

427 Schutting: Gralslicht, S. 5/3. 428 Ebda, S. 6/16. 429 Ebda, S. 7/15. 430 Ebda, S. 18/19 f. 431 Ebda, S. 87/14 f. 432 Wolfram: Parzival II, S. 626/800/20. 433 Ebda, S. 664/823/27 ff. 434 Schutting: Gralslicht, S. 19/35. 435 Ebda, S. 33/34 ff. 436 Ebda, S. 99/29 f. 437 Stendhal: Über die Liebe. Vollständige Ausgabe aus dem Französischen und mit einer Einführung von Walter Hoyer. Berlin: Insel Verlag 1979. (= insel taschenbuch 124.) S. 277.

69 Juan kombiniert. Virtuosen des Geschlechts und des Gehirns. Faust und Don Juan“.438 Sinnen- und Geisteswelt sind auch bei Wagner in seinem Parsifal und in ironisierender Weise in Schuttings Gralslicht einander gegenübergestellt. Müller-Kampel erläutert auch die Kombination mit dem Ewigen Juden im Kapitel „Wanderer der Liebe und des Glaubens. Ahasver und Don Juan.“439 Diese Kombination gibt es ebenfalls bei Wagner und ‒ auf Grund der damit verbundenden antisemitischen Semantik kritisch hinterfragt ‒ bei Schutting, da Wagners Kundry eine Ahasver-Figur repräsentiert. Dass bei der nun folgenden detaillierten Besprechung der Figuren und ihrer intertextuellen Bezüge Cundrîe/Kundry/K an erster Stelle steht, hängt mit ihrem literarischen Entwurf, der bei Wagner unzählige Gestalten und Charaktere vereint, zusammen. An keiner Figur ließe sich besser das Thema re-used figure exemplarisch darstellen. Don Giovanni steht als G zwischen den beiden Wagnerschen Charakteren und wird daher an zweiter Stelle genannt. Mit der Beschreibung von Parzival/Parsifal/P wird schließlich der Bogen zum ursprünglichen Mythos geschlossen.

7. 2 Cundrîe/Kundry/K

Wolframs Cundrîe ist eine hässliche, aber stolze Zauberin, eine starke Frau, die mit der Verfluchung Parzivals am Artushof einen großen Auftritt hat.440 Wagner schuf mit seiner Kundry eine völlig andere Figur. Sie ist ein komplexes Bündel von re-used figures aus Wolframs Parzival, aus der Bibel, aus germanischen und christlichen Sagen. 441 Die drei Charaktere aus Wolframs Parzival, die Wagner als Vorlage dienten, sind Orgeluse, Sigune und Cundrîe. Schuttings K wiederum ist – was ihre zahlreichen Facetten betrifft ‒ im Wesentlichen eine re- used figure von Wagners Kundry, im Bezug auf ihr Auftreten, ihre Selbstbehauptung und ihr Reflexionsvermögen ist Schuttings K allerdings Wolframs Cundrîe erheblich näher.

Um die zahlreichen Entlehnungen und vorliegenden Parallelen kenntlich zu machen, seien die Figuren, die in Wagners Kundry miteinander verschmelzen, nun im Einzelnen angeführt und beschrieben. Zuerst geht es mit Orgeluse, Sigune und Cundrîe um Wagners Rückgriff auf Wolframs Frauengestalten:

Orgeluse ist in der Gewalt von Clinschor. Ein von ihr gehüteter Schatz Anfortas‘ ist erst dann wieder ihr Eigentum, wenn ein Ritter ihrem Liebesangebot widerstehen kann. Parzival ist der

438 Müller-Kampel: Dämon Schwärmer Biedermann, S. 119 ff. 439 Ebda, S. 141 ff. 440 Wolfram: Parzival I, S. 528/312/1 ff. 441 Vgl. Dieter Borchmeyer: Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen. Frankfurt/M., Leipzig: Insel Verlag 2002. S. 313 ff.

70 einzige, der ihre Liebe verschmäht.442 Obwohl si waere ein reizel minnen gir (übersetzt als „Lockspeise der Liebe“).443 Die Parallele zu Kundry, die nur erlöst werden kann, wenn ein Mann ihrer Verführungskunst widersteht, ist ebenso evident wie die Parallele zwischen Schatz (bei Parzival) und Speer (bei Parsifal). Sigune verrät Parzival seinen Namen, seine Herkunft, seine Identität und seinen Rechtsanspruch auf das Reich Norgals.444 Auch Wagners Kundry verrät Parsifal seine Herkunft445 und später auch seinen Namen.446 Sigune repräsentiert durch ihr Verwandtschaftsverhältnis als Cousine Parzivals Mutterwelt. Sie wurde sogar von Parzivals Mutter erzogen.447 Auch Wagners Kundry bezieht sich stark auf die Mutter Parsifals (Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust)448.

Auch Wolframs Cundrîe teilt mit Wagners Kundry einige Eigenschaften: Ihr wird rühmenswerte Treue (ein magt gein triuwen wol gelobt)449 zugeschrieben; auch Wagners Gurnemanz sagt über sie: […] doch wenn’s in Gefahr der Hilfe gilt, der Eifer führt sie schier durch die Luft, die nie euch dann zum Danke ruft. 450 Sowohl Cundrîe als auch Kundry werden als Zauberin bezeichnet (surziere was ir zuoname 451 versus Eine Heidin ist’s, ein Zauberweib.452), allerdings mit höchst unterschiedlicher Wertung des Begriffs. An äußerlichen Gemeinsamkeiten teilen die Figuren langes schwarzes Haar; Cundrîe wird als sehr hässlich beschrieben, Kundry im 1. Aufzug als wild (Seht dort, die wilde Reiterin!453 Und: Wilde Kleidung, […] stechende schwarze Augen454 und Da liegt’s, das wilde Weib.455). Die Hässlichkeit Cundrîes wird mit tierischen Attributen anschaulich gemacht (Zopf wie Schweineborsten, Nase wie ein Hund, zwei Eberzähne, Ohren wie ein Bär, Hände wie von Affenhaut, Fingernägel wie Löwenklauen456) und auch bei Kundry fallen mehrere Anspielungen auf das Animalische auf (Was liegst du dort wie ein wildes Tier?457 und […] wo wie ein Vieh du dich halten läßt?458). Wolframs große Verfluchungs- und Anklageszene gibt es bei Wagner in stark veränderter Form. Hier klagt Kundry nur über Parsifals Mitleidlosigkeit ihr eigenes Schicksal betreffend, ohne auf Amfortas’ Leid Bezug zu nehmen. In

442 Wolfram: Parzival II, S. 314/615/27 bis S. 320/619/13. 443 Ebda, S. 134/508/28. 444 Wolfram: Parzival I, S. 240/140/15 bis S. 242/141/10. 445 Wagner: Parsifal, S. 24/273 ff. 446 Ebda, S. 53/670 ff. 447 Wolfram: Parzival I, S. 242/141/13. 448 Wagner: Parsifal, S. 55/705. 449 Wolfram: Parzival I, S. 528/312/3. 450 Wagner: Parsifal, S. 14/101 ff. 451 Wolfram: Parzival I, S. 530/312/27. 452 Wagner: Parsifal, S. 14/107. 453 Ebda, S. 9/27. 454 Ebda, S. 9. 455 Ebda, S. 12/75. 456 Wolfram: Parzival I, S. 532/313/17 ff. 457 Wagner: Parsifal, S. 13/85. 458 Ebda, S. 40/479.

71 einem Detail decken sich aber die Verwünschungen, denn Cundrîe sagt: hete ich suone oder vride, diu waern iu beidiu tiure.459 Die sinngemäße Übersetzung: „Könnte ich bestimmen, wer in Ruhe und Frieden leben soll, Euch würde ich es nie gönnen“ hat eine starke semantische Ähnlichkeit mit Kundrys: Irre! Irre, ‒ mir so vertraut – dich weih’ ich ihm zum Geleit!460 Weitere intertextuelle Bezüge nennt Borchmeyer. Er schreibt: „Kundry ist eine Wieder- verkörperung der Herodias-Salome der Bibel, die – so die im Mittelalter auftauchende Legende – wegen ihres mörderischen Frevels an Johannes dem Täufer gleich dem Ahasver zu ewiger Wanderschaft verurteilt ist […].“461 Die Assoziation zur Figur des „Ewigen Juden“ stammt von Wagner selbst. Im ersten Prosaentwurf zu Parsifal (1865) schreibt er nämlich:

Kundry lebt ein unermeßliches Leben unter stets wechselnden Wiedergeburten, infolge einer uralten Verwünschung, die sie, ähnlich dem „ewigen Juden“, dazu verdammt in neuen Gestalten das Leiden der Liebesverführung über die Männer zu bringen.462

Aus der Parallele zum „Ewigen Juden“ wurde wiederholt abgeleitet, dass Kundry eine „Vertreterin alles dessen, was Wagner mit dem Judentum verbindet“463, sei. Borchmeyer meint hingegen, Kundry sei nur in einer ihrer Metamorphosen Jüdin gewesen. Schließlich frage Klingsor: Herodias warst du, und was noch? Gundryggia dort, Kundry hier: […]464 Gundryggia ist aber der Name einer Walküre aus der Edda und somit germanischen Ursprungs. Wesentlich sei nur die mythische Rolle des Ahasvers, die Kundry aufgrund ihrer Verlachung des leidenden Jesus zu ewiger Wanderschaft verdamme.465 Auch der Umstand, dass Kundry als Heidin466 bezeichnet wird, wertet Borchmeyer als Indiz dafür, dass die Figur der Kundry nicht als Jüdin gesehen werden kann.467 Dem lässt sich entgegenhalten, dass man lange unter dem Begriff „heidnisch“ alles Nicht-Christliche subsumiert hat, eine Jüdin für einen Christen somit durchaus eine Heidin war. Die Parallelisierung von Ahasver und Herodias ist nicht neu. Borchmeyer erläutert:

Es ist wenig bekannt, dass die ewige Jüdin Kundry, die ein Fluch „endlos durch das Dasein quält“, keineswegs reine Erfindung Wagners ist. Die Vorstellung von der zu ruhelosem Umher- getriebensein verdammten Herodias stammt bereits aus dem Mittelalter. (Ahasver und Herodias sind Kontrastfiguren zu Johannes, dem Lieblingsjünger Jesu, der nach dem Glauben des Urchristentum und der Legende nicht stirbt, bis Christus zur Erde wiederkehrt.)468

459 Wolfram: Parzival I, S. 534/315/22 f. 460 Wagner: Parsifal, S. 64/930 ff. 461 Borchmeyer: Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen, S. 313. 462 Ebda, S. 314. 463 Ebda, S. 317. 464 Wagner: Parsifal, S. 39/470 f. 465 Vgl. Borchmeyer: Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen, S. 317. 466 Wagner: Parsifal, S. 14/108. 467 Vgl. Borchmeyer: Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen, S. 317. 468 Ebda, S. 129.

72 Auch mit der Schlange des Paradieses hat Kundry eine Gemeinsamkeit, wenn sie sagt: Mein volles Liebes-Umfangen,/ läßt dich dann Gottheit erlangen!469 Borchmeyer schreibt: „Was die Schlange Eva verheißt, das also verspricht Kundry Parsifal […].“470 Diese Intention beschreibt Wagner übrigens selbst schon in einem Brief an Ludwig II. vom 7. September 1865.471

Außerdem nennt Klingsor Kundry Ur-Teufelin, eine Bezeichnung, die laut Borchmeyer auf die altrabbinische Sage von Adams erster Frau Lilith zurückgeht, ein Urbild der dämonisch- verführerischen Frau.472 Kundry wird als schönste jener „Fleurs du mal“, der Blumenwesen in Klingsors Zaubergarten, von Klingsor Höllen-Rose genannt. Sie verkörpert damit die heidnische, noch unerlöste Natur.473 Klingsors doppelte Benennung Ur-Teufelin! Höllen-Rose!474 bezieht sich außerdem – so Borchmeyer ‒ auf zwei Werke Charles Baudelaires: seine Les Fleurs du mal (1857) und den Essay De l’essence du rire 475, der im Lachen etwas Satanisches, Widergöttliches zu erkennen meint.476

Eine weitere Metamorphose erlebt Kundry am Schluss des 3. Aufzugs als Wiederverkörperung der Maria Magdalena. Wagner folgt dabei der traditionellen (fälschlichen und theologisch nicht haltbaren) Identifizierung der „Sünderin“ des Lukas-Evangeliums (Lk 7, 37-50) mit der Gestalt der Maria Magdalena. Die frühere Sünderin wäscht Parsifal die Füße, salbt sie mit Öl und trocknet sie danach mit ihrem Haar.477

Die Seelengeschichte Kundrys umfasse mit den Personifikationen der Herodias, des Ahasverus und der Maria Magdalena – so Wolf-Daniel Hartwich (zitiert nach Borchmeyer) – die heilsgeschichtlichen Epochen von Heidentum, Judentum und Christentum.478 Borchmeyer meint außerdem, dass eine Interpretation des Parsifal, die auf die Verteufelung der Sexualität und die Ausgrenzung der Frau hinauslaufe, nur durch das Missverstehen der exklusiven Gralsritterschaft als allgemein gültiger Lebensform zustande komme.479 Die renommierte Musikwissenschaftlerin und bekennende Feministin Eva Rieger sieht das anders: „Daß Parsifal nur durch die Abwehr eines Kusses von einer Jüdin dem reinen Blut Jesu dienen kann, zeigt die doppelte Ausgrenzung

469 Wagner: Parsifal, S. 62/888 f. 470 Borchmeyer: Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen, S. 333. 471 Vgl. ebda, S. 332. 472 Vgl. ebda, S. 313. 473 Vgl. ebda, S. 321. 474 Wagner: Parsifal, S. 39/469. 475 Vgl. Borchmeyer: Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen, S. 316. 476 Vgl. ebda, S. 317. 477 Vgl. ebda, S. 323. 478 Wolf-Daniel Hartwich: Jüdische Theosophie in Richard Wagners Parsifal (2000), zitiert nach Borchmeyer: Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen, S. 323. 479 Vgl. ebda, S. 320.

73 sowohl der Frau als auch des Fremden.“480 Rieger untermauert ihre Ansicht über Misogynie und Antisemitismus mit etlichen Zitaten aus Wagners Briefen und Schriften (z. B. aus dem Aufsatz Heldenthum und Christenthum) und Tagebucheintragungen seiner Frau Cosima und belegt ihre Deutung außerdem musikalisch:

Ihre [Kundrys] Musik enthält Dissonanzen und ist voller Tritoni und Chromatik – seit der Barockzeit traditionell negative Elemente ‒, um ihre Schuld und die von ihr ausgehende Gefahr zu beschreiben. Der verminderte Septakkord verschwindet zu Beginn des dritten Akts, als sie sich in eine geläuterte Büßerin verwandelt.481

Rieger kommt zu dem drastischen Schluss, dass Wagner die „alte Gleichsetzung von Weiblichkeit und Tod, die in unserer Kultur eingeschrieben ist“482, bestätige. „Der Ausschluß der lebendigen Frau stellt die kulturelle Ordnung als etwas natürlich Gewachsenes in den Raum und unterstreicht damit noch einmal die männliche Überlegenheit.“483 Amfortas’ Wunde, Klingsors Selbstentmannung (aus Angst vor ungezügeltem Trieb) und die ständige Gefährdung der Ritter, von den Blumenmädchen verführt zu werden, legt nahe: „Die weibliche Sexualität gilt demnach als Metapher für alles Übel der Welt.“484 Die verschiedenen Rollen Kundrys fasst Rieger wie folgt zusammen:

Mit ihr schuf Wagner eine Leerstelle, die er mit allem auffüllte, was man Frauen damals zuschrieb: die Frau, die anderen beisteht, sich für sie opfert und sterben muß, die Mütterliche, aber auch die Kurtisane, Büßerin, Hexe, Verführerin, Verderberin, Verwünschte, ekstatische Furie und Rächerin.485

Im Umstand, dass neben den drei Figuren aus Wolframs Parzival immer mehr weibliche Figuren in der Kundry miteinander verschmelzen, sieht Rieger „ein Musterbeispiel für die moderne Dekonstruktionstheorie, nach der sich Identität aus verschiedenen Partikeln zusammensetzt.“486

Neben den zahlreichen Frauenfiguren und Rollenmodellen, auf die Wagner in seiner Kundry- Gestaltung zurückgegriffen hat, neben zahlreichen abwertenden Zuschreibungen wie eine Heidin ist’s, ein Zauberweib, eine Verwünschte487, So dumm wie den/ erfand ich bisher Kundry nur488, Namenlose! Ur-Teufelin! Höllen-Rose!489, verfluchtes Weib, des Teufels Braut490, Frevlerin491 und Schuldzuweisungen wie Dann ist’s wohl auch jen’ ihre Schuld,/ was uns so manche Not

480 Rieger: „...Das Leiden der Liebesverführung...“, S. 23. 481 Ebda. 482 Ebda, S. 26. 483 Ebda. 484 Ebda, S. 27. 485 Ebda, S. 18. 486 Ebda, S. 22. 487 Wagner: Parsifal, S. 14/108 f. 488 Ebda, S. 23/260 f. 489 Ebda, S. 39/468 f. 490 Ebda, S. 42/514 + S. 42/523. 491 Ebda, S. 62/894.

74 gebracht?492 und Mit ihrem Zaubersafte, wähn’ ich,/ wird sie den Meister vollends verderben.493 fällt noch die Zeile He! Du da! – Was liegst du dort wie ein wildes Tier?494 auf, ein Satz der von einem Knappen im Gralsreich gesprochen wird. Aber auch Klingsor sagt im 2. Akt zu Kundry: […] wo wie ein Vieh du dich halten läßt?495 Dieser explizite Tiervergleich – Kundry schläft außerdem im Waldgestrüpp,496 nach einem Klagegeheul und bangem Wimmern497 ist sie wie im Versuche wieder Sprache zu gewinnen498 – wird von Schutting mehrfach aufgegriffen und durch Verstärkung wird deutlich gemacht, welch ungeheuerliche Abwertung der Frau/einer Jüdin in diesem Vergleich liegt.

Bei Schuttings K fällt auf, dass ihr der geringste Textumfang zukommt. Andererseits hat sie gleich zu Beginn einen langen Monolog (der in vier Seiten praktisch die gesamte erste Szene umfasst) und mit der Regieanweisung K schaut um sich, schüttelt den Kopf und zieht die Wag- gontür zu auch den Schlusskommentar des Werks. Außerdem wird von den männlichen Figuren viel über K gesprochen – sie bleibt also ständig im Text präsent – und auch in den Regieanwei- sungen nimmt K viel Platz ein. In diesem ersten, eben erwähnten K-Monolog klingen bereits die Themen Antisemitismus und Misogynie als wesentliche Elemente von Schuttings Kundry- Gestaltung an. Der Kommentar zu Wagners Haltung im Bezug auf Juden und Frauen ist (fast) die erste Äußererung von K:

K: was?! Mein Herr Papa und auch dem da seiner hätte auch so Minderwertiges komponiert wie das Wort ‚Verjudung‘? der Jude, das Weib, das ist schon auch seine Tonart gewesen, der Jude und die Verjudung, das Weib und die Verweib- oder Vermenschung! Sprachgebrauch, der den Mißbrauch anzeigt499

Optisch wird K beim ersten Auftritt von Schutting so beschrieben: als eine Dame (= Kundry, in extravagantem Orientreise-Kleid)500. Die Fülle von Figuren, die Wagner in seiner Kundry ver- eint, wird von Schutting in der Gestaltung seiner K persiflierend übernommen. Nach Ks Auftritt im Zugabteil in einem extravaganten Orientreise-Kleid ist sie kurz darauf in einem grellroten Schleiergewand (auf einem Felsstock) zu finden, als P den roten Fetzen wegreißt, liegt K blau- weiß gekleidet wie die Jungfrau Maria da, einige Zeilen später ist K nun wie eine Rotkreuz-

492 Ebda, S. 15/118 f. 493 Ebda, S. 13/89 f. 494 Ebda, S. 13/85. 495 Ebda, S. 40/479. 496 Ebda, S. 15/125 und S. 66. 497 Ebda, S. 40. 498 Ebda, S. 40. 499 Schutting: Gralslicht, S. 8/14 ff. 500 Ebda, S. 6/8 f.

75 Schwester gekleidet und serviert G Medizinen oder Schlafmittel.501 Hat Wagners Kundry im 1. Aufzug die Attribute stechende schwarze Augen und tief braun-rötliche Gesichtsfarbe und wird als Wilde beschrieben,502 so ist sie in der Verführungsszene des 2. Aufzugs ein jugendliches Weib von höchster Schönheit – KUNDRY, in durchaus verwandelter Gestalt – auf einem Blumenlager, in leicht verhüllender, phantastischer Kleidung – annähernd arabischen Sti- les503. Der arabische Stil erinnert an Schuttings Orientreise-Kleid, die leicht verhüllende phan- tastische Kleidung an das Schleiergewand, die dunkle Haut, die schwarzen Augen und das schwarze Haar wird von Schutting in zahlreichen Carmen-Entlehnungen und „Zigeuner- Assoziationen“ (Zigeunerblut504, als ein schwarzaugertes Kind ausgesetzt505) thematisiert. Dass bei Wagner dadurch das Weibliche und das Fremde zugleich abgelehnt werden, zeigt Schutting in solch überzeichnenden Bezügen auf Wagner. Die Rotkreuz-Schwester bei Schuttings K ließe sich als moderne Version von Kundry an jener Stelle sehen, wo diese einen Balsam für Amfor- tas’ Wunde herbeibringt.506 Dass K auch noch als Jungfrau Maria erscheint, ist eine ironische Überspitzung von Wagners Bibelbezug, indem er Kundry als Maria Magdalena auftreten lässt und zugleich eine Andeutung auf jene männliche Projektion, die in der Frau die „Heilige und Hure“ am liebsten vereint oder auch strikt getrennt wissen möchte. In der zweiten Szene tritt K dann in einem geschlitzten schwarzen Kleid, sofern nicht gleich in einem Unterkleid auf 507 – die Männerfantasien werden weiter bedient und auch das Vergleichen wird fortgesetzt. P fragt:

Ist das ein Weib, oder ist das ein Tier, (einer der Knappen, Großwildjägerpose, steht mit einem Fuß auf der Kauernden) regt sich in ihr oder ihm ein wenig schon Kondwiramur, Kundry der Ordnungszahl römisch Zwo?508

Hier findet sich also einer der zahlreichen (schon erwähnten) Tiervergleiche, die auf Wagner an- spielen. Außerdem führt Schutting als weitere Facette Ks noch Kondwiramur ein. Condwîr âmûrs509 ist jene Frau, die Parzival (bei Wolfram) heiratet und die ihn ‒ wie der sprechende Na- me sagt ‒ zur Liebe hinführt (französisch: conduire amour). Diese Funktion, die Einführung in die sexuelle Liebe, hat ja auch Wagners Kundry, übrigens in einer höchst seltsamen Verquickung mit der Mutterrolle. Schutting verweist dabei auch auf die Parallele zu Bizets Carmen: dort soll Micaela, ein Mädchen aus dem Dorf aus dem Don José stammt, ihm einen Kuss seiner Mutter

501 Ebda, S. 7/14 ff. 502 Wagner: Parsifal, S. 9. 503 Ebda, S. 54. 504 Schutting: Gralslicht, S. 90/34. 505 Ebda, S. 91/26. 506 Vgl. Wagner: Parsifal, S. 10. 507 Schutting: Gralslicht, S. 14/2 f. 508 Ebda, S. 14/18 ff. 509 Wolfram: Parzival I, S. 320/187/21.

76 überbringen510 und auch Kundry leitet ihren Verführungsversuch mit den Worten als Mutterse- gens letzten Gruß/ der Liebe – ersten Kuß511ein.

Schuttings K wird also – ebenso wie Wagners Kundry – in vielen Rollen gezeigt. Bei Wagner reichen Kundrys Rollenzuschreibungen vom Tier über die Dienerin und Verführerin bis zur Bü- ßerin und geläuterten und erlösten Getauften. Schutting überspitzt diese Zuschreibungen noch, indem er seine K vom Tier bis zur Jungfrau Maria, der denkbar heiligsten aller weiblichen Per- sonen, changieren lässt. Und auch wenn K Rotkreuz-Schwester ist oder in Häubchen und Schürz- chen serviert, würde sie niemals bloß dienen, dienen512 flüstern. Ganz im Gegenteil. Sie stellt mit einer Entlehnung aus dem Don Giovanni, aus Leporellos Auftrittsarie,513 bald klar, was sie von den ihr zugeschriebenen Rollenbildern und Projektionen hält:

[…] will nicht länger Büßerin Verführerin Dienerin sein, nein-nein, nein-nein […] […]weder Richards Höllenrose noch zart Mozarts Rosen-Kosen-Cherubin!514

Das Bemühen Parsifals um die Aufnahme in geschlechtslose Entsagungsgesellschaft515 und Don Giovannis Weibsbilder-Produzieren516, das er als eingefleischter Weibsfleischfresser517 pflegt, sind – so Kundry – keine Gegensätze, sondern zweierlei Symptome […] ein- und derselben Krankheit Männerwahn518. Sie kritisiert auch in ironischen Zitaten die idealisierenden Frauen- bilder von Schiller und Goethe.519

In der zweiten Szene hat K noch einmal einen langen Monolog – danach gibt es nur mehr kurze Einwürfe von ihr. Auffallend ist an dieser Stelle, dass Schutting K sogenannte eher „männliche“ Themen abhandeln lässt; K spricht kompetent und selbstbewusst über die Raum-Zeit- Problematik, Kunsttheorie und Sprachphilosophie, über Naturwissenschaftliches wie die Frage nach der Korpuskular- oder Wellentheorie des Lichts oder die Heisenbergsche Unschärferelati- on.520 So wie der Verweis auf ihre Sprachkenntnisse,521 der sich auch bei Wolfram findet, gibt es auch hier eine Parallele zu Wolfram, der über Cundrîe sagt: si was der witze curtoys,/ dîaletike

510 Vgl. Schutting: Gralslicht, S. 12/21 ff. 511 Wagner: Parsifal, S. 57/771 f. 512 Ebda, S. 67/960. 513 Vgl. Mozart/da Ponte: Don Giovanni, S. 19. 514 Schutting: Gralslicht, S. 11/34 ff. 515 Ebda, S. 10/4. 516 Ebda, S. 10/18. 517 Ebda, S. 8/34. 518 Ebda, S. 10/34 f. 519 Ebda, S. 69/10 ff. 520 Vgl. ebda, S. 15/11 ff. und 16/1 ff. 521 Vgl. ebda, S. 54/10.

77 und jêometrî:/ ir wâren ouch die liste bî/ von astronomîe.522 Die Gelehrtheit Ks ist also von Wolfram übernommen.

In der dritten Szene ist K dann angetan mit einem Mehlspeisköchinnen-Häubchen und serviert eine Suppenschüssel, die auch die heilige Gralsschüssel sein könnte, dort Weinpokale, die auch als Abendmahlkelche von Nutzen wären. 523 Wir sehen also K wiederum in einer anderen Rolle und Schutting lässt – wie so oft – jeden heiligen Ernst vermissen, wenn es um den Gral und seine Funktion als Abendmahlkelch geht. Wo es bei Wagner heißt: Der „Gral“ erglüht: ei- ne Glorienbeleuchtung ergießt sich über alle. – TITUREL, für diesen Augenblick wieder be- lebt, erhebt sich segnend aus dem Sarge524, lässt Schutting K – also noch dazu eine Frau! ‒ mit dem Gral einfach hantieren wie mit gewöhnlichem Geschirr. Und trotz Häubchentragens und Servierens verweigert K eigentlich erneut ihre Rollenzuschreibung, denn Gs Zeichengebungen ignoriert sie, ist nicht an seinen Tisch zu winken.525 Ein paar Zeilen später legt K auch schon Häubchen und Schürzchen526 ab und lauscht dem Dialog von P und G. Sie

hat die Beine übereinandergeschlagen, wippt mit dem einen […]. schaut über die beiden hin- aus, dem Zigarettenrauch nach, den sie kokett in die Luft bläst (Zigarettenspitz!). kann dann und wann mit theatralischen Gesten zu verstehen geben, wie lächerlich für sie ist, was G sagt.527

Das ist eine jener Regieanweisungen, die zeigt, wie präsent K auch dort ist, wo sie wenig Text hat. Das Geplapper der Männer ist ihr einfach zu unwichtig, die Selbstdarstellerposen, die eitlen Selbstbespiegelungen528 langweilen sie. Kurz darauf legt sie

sich eine Boa, […] um die Schultern und geht großartig ab, mit den Worten K: Auerhahngegacker und Gänserganselgeschnatter, angetan zum Heraushängen aus dem Wildschwänin-Hals!529

In der fünften Szene hat K keinen Text, es wird allerdings von G und P ausführlich über sie ge- sprochen. Hier findet man Intertextualität zwar nicht in Zitaten, aber in inhaltlichen Anspielun- gen auf Wagner, wie z. B. in der Zeile halb Jungfrau Maria, halb Maria Magdalena, halb Tier530, oder in der Beschreibung von Ks Hilfs- und Botendiensten.531 Auch die seltsame Ver- wandlung Kundrys von einer wilde[n] Reiterin532 im 1. Akt in ein jugendliches Weib von

522 Wolfram: Parzival I, S. 530/312/22 ff. 523 Schutting: Gralslicht, S. 31/19 ff. 524 Wagner: Parsifal, S. 83. 525 Schutting: Gralslicht, S. 31/22 f. 526 Ebda, S. 32/20. 527 Ebda, S. 32/28 ff. 528 Ebda, S. 33/8. 529 Ebda, S. 33/3 f. 530 Ebda, S. 46/9. 531 Vgl. ebda, S. 46/1 ff. und S. 46/12 ff. 532 Wagner: Parsifal, S. 9/27.

78 höchster Schönheit533 im 2. Akt, die sich aus ihrem Dasein und Dienen in zwei Welten – der Gralsgemeinschaft und dem Zauberreich Klingsors – ergibt, wird von Schutting angesprochen:

G: kurz und gut, sie ist das ideale Hilfspersonal! P: wäre sie, denn dann plötzlich eine ihrer Mondphasen sie hat, gleichbleibend heller Haut von einer Stunde zur andern unverläßlich wie schwarze Köchinnen: heute eilfertig und bemüht, morgen für lange Zeit verschwunden, Rückfall in streunende Katzen und in Zigeunerblut. 534

In der siebenten Szene trumpft P auf, dass K nicht in G ihren Herrn und Meister535 gefunden hät- te, sondern dass sie sich nur von ihm den Fuß auf den Nacken setzen lassen536 würde.

mir wird sie mit Küssen die Füße waschen, mit ihren Tränen die Füße mir gesalbt und hienach mit ihrem Haar getrocknet haben537 spielt Schutting auf die sogenannte Maria-Magdalenen-Szene538 in Wagners Parsifal an. Und P behauptet kurz darauf sogar: immer nur dienen und dienen will sie539; ein konkreter Verweis auf Kundrys einzige verbale Äußerung im 3. Akt, die eben Dienen . . . dienen! – 540 lautet. K hat aber gerade die Rolle der Dienerin – wie schon erwähnt ‒ zurückgewiesen. Die Selbstwahrnehmung Ks und die Fremdwahrnehmung durch die Männerwelt prallen wieder einmal deutlich aufeinan- der. Interessant ist, dass Schutting mit der Bemerkung Ps (über K) viele Sprachen spricht sie541 wiederum auf Wolframs Cundrîe anspielt, über die es heißt: alle sprâche sî wol sprach,/ latîn, heidensch, franzoys.542 Die weitere Beschreibung Ks ‒ eine wilde Reiterin ist sie, […] aus Ara- bien beispielsweise kommt sie mit Wundbalsam angesprengt,/ mit meiner Familiengeschichte ist sie vertraut,/ mit meiner Kindheit auf du und du543 ‒ bezieht sich wieder intertextuell auf Wag- ner,544 allerdings kennt auch Wolframs Cundrîe Parzivals Familiengeschichte.545 Auch in den Szenen neun und elf wird von den Männern wieder über K laut nachgedacht. Es geht um ihre Doppelnatur (halb Kopfmensch, halb Triebweib546) und um K als eine Ewige Jüdin, als ewig- weibliche Schwester Ahasvers547. Ihre Einwürfe werden dabei übergangen oder unterbrochen. K

533 Ebda, S. 54. 534 Schutting: Gralslicht, S. 46/22 ff. 535 Ebda, S. 51/19. 536 Ebda, S. 51/22. 537 Ebda, S. 51/25 ff. 538 Vgl. Wagner: Parsifal, S. 75. 539 Schutting: Gralslicht, S. 53/3. 540 Wagner: Parsifal, S. 67/960. 541 Schutting: Gralslicht, S. 54/10. 542 Wolfram: Parzival I, S. 530/312/20 ff. 543 Schutting: Gralslicht, S. 54/20 ff. 544 Wagner: Parsifal, S. 9/27, S. 10/36 ff., S. 24/273 ff. und S. 54/689 ff. 545 Wolfram: Parzival I, S. 538/317/13 ff. 546 Schutting: Gralslicht, S. 60/19. 547 Ebda, S. 65/13 f.

79 bleibt in solchen Situationen immer völlig ungerührt. (K tätschelt beiden die Wange und geht), heißt es abschließend.548 Das hat etwas Mütterliches, Überlegenes und den Gestus von „Lass sie halt reden . . .“. Die zwölfte Szene hat K ganz für sich allein. Sie reflektiert eloquent und kritisch die Ideologien von P und G:

tobt in mir Unwilliger und Willfähriger also auch ein Vergewaltigungskrieg zwischen was sonsten als zwei Ideologien bis aufs Messer, welche beide, daß ich nicht lache!, das Glück der Menschenkinder gepachtet haben wollen! darf ich ideales Schlachtenopfer also gut genug sein, vor Augen zu führen, daß Orthodoxien gegebenenfalls über Leichen gehen, zu des Allerhöchsten Kriegsherrn Ehren erbarmungslose Inhumanität zu beweisen?549

K hat nach diesem Monolog, der eine Ausnahme darstellt, weiterhin wenig oder meist gar nichts zu sagen. Trotzdem ist sie immer präsent und überlegen. In der Regieanweisung zur siebzehnten Szene heißt es z. B.: beugt sich K gleich heimlich über P, gibt sie ihm ganz schnell einen Gute- Nacht-Kuß, wie einem Kind?550 Und weiter unten: wieder ist K da, spuckt auf G hinunter oder setzt ihm den Fuß auf den Rücken, schnell kriecht er davon.551 Schuttings K ist also durchge- hend selbstbewusst, resolut oder mütterlich.

Ihr Schweigen ist damit aber ganz anderer Art als das Verstummen der Kundry im dritten Akt von Parsifal. In Gralslicht zeigt K keine Spur von Buße und Reue (woher sollte sie auch?), für Taufe und Fußwaschung ist hier kein Platz [...].552

Wagners Frauenbild wird also von Schutting gründlich entblößt, kritisiert und parodiert. Wie der Vergleich mit Wolframs Frauenbild ausfällt, beschreibt Katharina Pektor in ihrem Beitrag „Frauenfragen. Wolframs moderne Frauen und ihr Verstummen bei Wagner“. Der Titel verrät bereits die Quintessenz: „Der modernere Autor ist überraschenderweise Wolfram“553. Obwohl in die Zeit Wagners erste Ansätze einer Emanzipation der Frau fielen, vereint Kundry „sämtliche damals grassierenden frauenfeindlichen Vorurteile“554. Auch scheinbare Parallelen zwischen Wagner und Wolfram identifiziert Pektor als Unterschiede: Natürlich macht die Liebe auch bei Wolfram Probleme. Die Liebe oder Minne hat bei Wolfram aber durchwegs eine positive, den Mann stärkende und erhebende Wirkung. Wenn sie zu Schwierigkeiten führt, dann ist nicht die

548 Ebda, S. 67/8. 549 Ebda, S. 68/6 ff. 550 Ebda, S. 83/6 f. 551 Ebda, S. 83/17 f. 552 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 213. 553 Katharina Pektor: Frauenfragen. Wolframs moderne Frauen und ihr Verstummen bei Wagner. In: Kundry & Elektra und ihre leidenden Schwestern. Schizophrenie und Hysterie/Frauenfiguren im Musik-Theater hrsg. von Silvia Kronberger und Ulrich Müller. Anif/Salzburg: Mueller-Speiser 2003. S. 93. 554 Ebda, S. 97.

80 Frau die Schuldige, sondern die Minne kann einem eben den Verstand rauben.555 Bei Wagner gibt es keine Liebe, sondern nur Sexualität; und diese ist destruktiv, sündhaft und sogar tödlich. „Die Frau trifft dabei als der Inkarnation dieses sündhaften Zustands auch die Schuld am Versagen der Männer“556. Unter modernen Frauen versteht Pektor jene, „die selbstbewusst sind und überlegt und selbständig handeln können. Nicht zuletzt sollten diese Frauen auch eine annähernd gleichberechtigte Stellung gegenüber dem Mann haben; […].“557 Wolframs Frauengestalten sind erheblich differenzierter und eigenständiger als Wagners Figuren (außer Kundry gibt es in Parsifal ja nur die unkonturierten, völlig charakterlosen Blumenmädchen). Und Schuttings K gewinnt mit der Abgrenzung von Wagners (in Kundry ausgemaltem) Frauenbild wieder Autonomie und Charakterstärke von Wolframs Cundrîe zurück.

7. 3 Don Giovanni/G (= Giovanni und Gurnemanz)

Auch Schuttings Don Giovanni, G genannt, ist natürlich eine re-used figure und bezieht sich auf den Don Juan-Mythos. Gralslicht bezieht sich in Zitaten und intermedialen Verweisen zwar erkennbar nur auf Mozart/da Pontes Don Giovanni, inhaltlich allerdings auch auf andere Don Juan-Vorlagen. Inwiefern Schuttings G da Pontes Don Giovanni ähnelt und inwiefern er sich unterscheidet, sei im Folgenden erläutert.

In der ersten Erwähnung ist von Don Giovanni (bei Mozart als „ein sehr leichtfertiger junger Edelmann, Bariton“ im Personenregister angeführt) vulgo G als elegantem Herrn die Rede – vielleicht ein Opernsänger – , der noch am Zugfenster lehnend von seinen Verehrerinnen drang- saliert wird; Blumen werden ihm zugeworfen,558 als Kundry das Fenster schließt, damit das Blumenmädchen-Gegacker ein Ende559 habe. Diese erste kleine Szene erinnert schon (nicht in den Personen, aber inhaltlich) an den 2. Akt von Wagners Parsifal, in dem Kundry die Parsifal umschwärmenden Blumenmädchen fortschickt (KUNDRYS STIMME. […] nicht euch ward er zum Spiel bestellt! Geht heim, […]560). Mit seinem ersten Satz, dem ersten Satz von Gralslicht überhaupt, macht G sofort seine Sicht der Dinge klar. Er sieht sich nicht als der Verführer, der Unhold, sondern als der Belästigte, das Opfer der Damenwelt:

G: habe freie Fahrt, meine Damen, bin keines Wegs verpflichtet, in eine jede von euch einzusteigen,

555 Vgl. ebda. 556 Ebda. 557 Ebda, S. 93. 558 Vgl. Schutting: Gralslicht, S. 6/4 ff. 559 Ebda, S. 6/9. 560 Wagner: Parsifal, S. 53/677 f.

81 egal ob eure Türchen händisch geöffnet werden wollen oder automatisch öffnen auf meinen Feuerblick!561

Die eben überreichten Blumensträuße wirft er zum Fenster hinaus. Dass G vielleicht ein Opern- sänger ist – der Hauptdarsteller des Don Giovanni ist im realen Leben natürlich Opernsänger –, ist zusätzliches reizvolles Spiel mit Fiktion und Realität. In der zweiten Wortmeldung nimmt G sein Thema ungefragt wieder auf:

G: waswas? mein ewiges Los – kaum kommt mir eine in die Nähe, spürt sie ein Brennen in dem nämlichen Löch- oder Höhlchen.562

G geht sogar so weit, das ihm ‒ in Bezug auf Frauen ‒ unterstellte besondere Riechvermögen umzukehren. Bei Mozart/da Ponte heißt es: Don Giovanni. […] ich wittre süßen Weiberduft! Leporello (beiseite). Alle Wetter, das nenn ich eine Nase!563 Bei Schutting wird durch eine kleine Veränderung des Prätextes eine Umkehrung der Mann-Frau-Konstellation vorgenommen. G sagt nämlich:

si-si, bella donna, das weibliche Geschlecht, Kollektivbegriff und auch anatomisches Detail, das weibliche Geschlecht samt und sonders schlecht, riecht mir nämlich kilometerweit an, allezeit auf Abruf Habt-Acht! zu stehen, als ein Feuerwehr-Hauptmann und Gewehr bei Fuß!564

Schuttings K hingegen bleibt bei der Einschätzung von Gs Riechvermögen dem Mozart/da Pon- te-Vorbild treu, wenn sie sagt: er sieht sich gern als ein adeliges, aber tadeliges Schwein,/ ver- meint uns mit seinem Saurüssel kilometerweit das Weib anzuriechen565. Dieser Satz ist allerdings keineswegs als Entgegnung auf Gs Zitat-Umkehrung zu verstehen, da K in der ersten Szene ih- ren Monolog führt, während G und P schlafen. Doch auch wenn die beiden munter wären, gäbe es keinen direkten Dialog zu Geschlechterfragen. Ein Aneinander-Vorbeireden kündigt sich hier schon als symptomatisch für den weiteren Stückverlauf an. G ist Mozart/da Pontes Don Giovan- ni also sowohl in der äußeren Erscheinung des eleganten Frauenhelden ähnlich als auch in der Art seines Umgangs mit Frauen. Auch Don Giovanni führt keine echten Gespräche mit Frauen; er hält Verführungsmonologe, sinniert über deren unverständliches Wesen, sucht Ausflüchte, wenn er sich bedrängt fühlt. G neigt in ganz ähnlicher Weise zu eitler und egomanischer Selbst- darstellung. In der sechsten Szene kommt G erneut auf eines seiner Lieblings-Themen zu spre- chen, führt noch wortreicher und detaillierter aus, wie ihm die Frauen zusetzen, ihn mit Ansprü-

561 Schutting: Gralslicht, S. 6/10 ff. 562 Ebda, S.6/26 ff. 563 Mozart/da Ponte: Don Giovanni, S. 25. 564 Schutting: Gralslicht, S. 6/29 ff. und S. 7/1 f. 565 Ebda, S. 9/7 f.

82 chen und Forderungen verfolgen. In 25 Punkten, Frechheiten genannt, führt er weibliche Auf- dringlichkeiten, psychologische Deutungen seiner Person, Anspruchsdenken, Pochen auf Lie- besversprechen etc. an, die er mit dem Satz das wäre, bitte, die Registerarie in Originalfassung, wenn auch in geraffter Version!566 beendet. Die sogenannte Registerarie (P verweist mit seiner Antwort: nicht zu vergessen die Frechheit mille e tre567 noch explizit darauf) ist bei da Ponte568 eine prahlerische Aufzählung von Don Giovannis Liebesaffären (in Spanien sind es eben sogar schon tausendunddrei, also mille e tre), die interessanterweise von seinem Diener Leporello vor- getragen wird ‒ in einem Habitus, als ob jener selbst der Eroberer von tausenden Frauen gewe- sen wäre. Diese eigenwillige Vertreterfunktion Leporellos, der mit diesem Auftritt noch dazu die enttäuschte Donna Elvira trösten soll, während Don Giovanni feig entflieht, verstärkt sich im 2. Aufzug. Hier soll Leporello sogar mit Don Giovanni Mantel und Rolle tauschen. Während Don Giovanni die Kammerzofe Donna Elviras zu verführen plant, soll Leporello in dessen Mantel die schon einmal betrogene Donna Elvira täuschen und an Don Giovannis Stelle mit ihr ein Liebes- abenteuer bestehen.569 Zu diesem Rollentausch gehört für Don Giovanni auch ein genüsslicher nachträglicher Austausch des Erlebten (Ich möchte wohl gerne erfahren, wie Leporello den Spaß mit Donna Elvira hat bestanden; […] und: Verschiedne Abenteuer, die ich glücklich bestanden, seit du fortgingst, sollst du später erfahren, aber das schönste erzähl ich dir gleich.570) Diese seltsame Verschmelzung der Figuren greift Schutting auf und verdeutlicht sie in seiner Darstel- lung. Da heißt es:

G: eine nach der andern zu nehmen im Vorgenuß des Augenblicks, in welchem du deinem Diener und Knecht davon erzählen würdest, so genau nämlich, daß das mit einer Frau von dir allein Getane ja doch noch freundschaftlich geteilt wird: zu einer Zwischenwirtin wird sie uns, zwischen uns liegt sie, während ich mit ihm bei einem Glas Wein sitze und ihn instruiere hinblicklich Vertreterdiensten571

Und weiter unten:

wie hat es mich belebt, die eingeforderten Details mir rapportieren zu lassen, belebend vor allem seine Ver- oder Unverschämtheit in Worten, und was war das sonst, als einstimmendes Liebesgeflüster, einstimmend auf die nächste Zwischenwirtin!572

566 Ebda, S. 49/21. 567 Ebda, S. 49/23. 568 Vgl. Mozart/da Ponte: Don Giovanni, S. 27 f. 569 Vgl. ebda, S. 52 ff. 570 Ebda, S. 68 f. 571 Schutting: Gralslicht, S. 82/5 ff. 572 Ebda, S. 82/16 ff.

83 In der zwanzigsten Szene greift Schutting das Thema erneut auf (G […] will offenbar P als ei- nen zweiten Leporello für diese gewinnen573), lässt G sagen: auch Bergsteiger steigen gern/ in einer Bergkameraden-Seilschaft zum Gipfel hinan,/ statt für sich allein das Gipfelglück verant- worten zu müssen!574 Und: mir wäre es vorgeschwebt,/ als ein Feuerwehrhauptmann mit einigen Feuerwehrmännern/ das gemeinsam entfachte Feuer zu löschen, […].575 Krajenbrink sieht darin berechtigterweise einen „homoerotisch gefärbten Voyeurismus“576 und verweist dabei auf Schut- tings Aussage „zur verkappten Homosexualität von Mozarts Helden“ im Interview mit Thus- waldner 1994.577 Homoerotisch liest sich übrigens auch die Textstelle in Wagners Parsifal, an der Amfortas sagt:

Er reißt sich das Gewand auf. Hier bin ich, ‒ die offne Wunde hier! […] Heraus die Waffe! Taucht eure Schwerte tief – tief hinein, bis ans Heft! Ihr Helden auf! 578

In der Parallelisierung der homoerotischen Bezüge (hier spricht zwar Amfortas, aber Parsifal stößt die Lanze in die Wunde) zeigen sich Gemeinsamkeiten zwischen Don Giovanni und Par- sifal (als Vertreter der gesamten Gralsgemeinschaft): Sowohl Don Giovanni als auch Parsifal ha- ben Angst vor Frauen und der Sexualität. Bei Don Giovanni äußert sich die Angst im Verwei- gern einer längeren oder gar ausschließlichen Bindung oder auch nur einer echten Liebesbegeg- nung, bei Parsifal in der Verweigerung jeglichen Sexualkontakts. Dass verdrängte Homosexuali- tät hinter diesen Ängsten stehen könnte, ist zumindest in Erwägung zu ziehen.579

Eine weitere Verknüpfung der Figur G (und somit auch von Mozarts/da Pontes Don Giovanni) mit Wagners Parsifal entsteht bei Schutting dadurch, dass G in der zweiten Szene zum Stellver- treter von Gurnemanz wird:

da G als Stellvertreter von Herrn Gurnemanz zu fungieren hat (und den ja auch zitiert), dürfte er während seiner ersten Antwort in einen ritterkleidhaften Schlafrock schlüpfen. zu der Wagnerschen ‚Schreit‘-musik aus dem ersten Akt dürften – wann immer – die beiden Herren einträchtig zu schreiten beginnen, in traumhafter Verlangsamung580

573 Ebda, S. 96/7. 574 Ebda, S. 97/17 ff. 575 Ebda, S. 97/20 ff. 576 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der …“, S. 230. 577 Vgl. ebda. 578 Wagner: Parsifal, S. 82/1220. 579 Eine Bestätigung dieser Assoziationen findet sich übrigens auch bei Otto Rank: Die Don Juan-Gestalt. In: Beatrix Müller-Kampel (Hrsg.): Mythos Don Juan. Zur Entwicklung eines männlichen Konzepts. Leipzig: Reclam 1999. (= Reclam Bibliothek Band 1675.) S. 172-177, S. 173. Eine nähere psychoanalytische Deutung würde aber hier zu weit führen. 580 Schutting: Gralslicht, S. 13/4 ff.

84 Bevor allerdings G in seiner Funktion als Wagners Gurnemanz die Frage Was stehst du noch da?581 mehrfach paraphrasierend stellt, schlägt er mit dem Verweis das fragt man nicht!582 eine Brücke zu Wolframs Gurnemanz, mit: irn sult niht vil gevrâgen.583 In der Version Schuttings wird der Satz Was stehst du noch da? aus dem Prätext leitmotivartig wiederholt und dabei variiert. Ohne die langen Monologe Ps lauten Gs Sätze nacheinander angeführt folgendermaßen:

G: und du? Stehst noch immer ohne Konversation herum?584 G: und du stehst noch immer herum?585 G: und du Tölpel stehst noch immer herum?586 G: und du stehst noch immer herum?587 G: du aber, du stehst noch immer da? was stehst du noch immer herum! 588

Mit der eben erwähnten Mahnung das fragt man nicht!, einem zweimaligen sag, du Dodl, hast du keine Konversation?589 und der wiederholenden Abwandlung und Konversation haben Sie noch immer keine?590 spielt sich G in seiner Funktion als Gurnemanz als kritischer und unduldsamer Lehrer auf und wird damit – im Gegensatz zu Wolframs gütigem und hilfreichem Gurnemanz – zu einer Parodie von Wagners Gurnemanz. Dieser Eindruck verstärkt sich noch mit dem Satz Gs: also laß er künftig die Schwäninnen mir/ und suche sich Gänser gefälligst eine Karfreitags-Gans!591 Bei Wagner lautet die Stelle (die Schutting bekanntlich „abscheulich“ findet):

Doch rät dir Gurnemanz: Laß du hier künftig die Schwäne in Ruh, und suche dir, Gänser, die Gans! 592

Dass Parzival/Parsifal/P eine unreife Mutterbeziehung hat, wird bei Wolfram, Wagner und Schutting (und in der Fachliteratur) gleichermaßen beschrieben. Interessanterweise wird in Gralslicht aber auch Gs Verhältnis zur Mutter thematisiert. P stellt in einem Gespräch mit G Mutmaßungen über die tiefere Bedeutung von Gs ungezügeltem Sexualtrieb an:

P: in den Mutterschoß zurückzukehren, das schlußendlich nicht auch dir vorgeschwebt sein,

581 Wagner: Parsifal, S. 37/454. 582 Schutting: Gralslicht, S. 24/2. 583 Wolfram: Parzival I, S. 292/171/17. 584 Schutting: Gralslicht, S. 26/25. 585 Ebda, S. 27/20. 586 Ebda, S. 27/31. 587 Ebda, S. 28/19. 588 Ebda, S. 28/29 f. 589 Ebda, S. 23/2 und S. 24/36. 590 Ebda, S. 32/23. 591 Ebda, S. 38/23 f. 592 Wagner: Parsifal, S. 38/458.

85 als die wahre Erlösung von Fleischlust und von Blutzusammenströmung rund um die Uhr?593

Und ein paar Zeilen weiter:

[…] ob dir denn etwa nicht als die einzig wahre Erlösung von der Wiederkehr des immer Gleichen das vor Augen geschwebt ist: in höchster Lust unbewußt in den Mutterleib zurückzukehren594

G reagiert auf diese Spekulation mit heftigem Erschrecken und Abwehr. Als später noch einmal das Thema Mutter (in Bezug auf unstillbare Sehnsucht) aufkommt, stellt er klar, dass bei ihm – im Gegensatz zu P – in der Kindheit alles „normal“ abgelaufen und die Beziehung zur Mutter somit unbelastet sei.

P: und daß du, als ein Kleinkind, in den Armen der Mutter ‒ ? G: Ihnen, Sie Depp, nicht mir, schwebt als die ideale Geliebte vor Augen oder Ohren eine Frau, die Sie – ‚Sie’ großgeschrieben – als ein zullendes Kind gekannt hat, der Ihr – ‚Ihr‘ großgeschrieben – erstes Lallen noch im Ohr ist, ihr – kleingeschrieben – dort – im Ohr – noch lacht! ich habe Kinderfrauen jeder Zahl gehabt, dicke und dünne, alte und junge, schöne und nichtschöne, und sie wie die Windeln gewechselt, genug das an Zweit-, Dritt- und mille-e-tre-Müttern, und mia madre oder madre mia – die „Mutt-tter!“ – war weder zu fern, noch zu nah, grad richtig!595

Hier wird einerseits Kundry zitiert mit dem Satz Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust,/ sein erstes Lallen lacht mir noch im Ohr596 und kurz darauf die schon genannte Registerarie, in der die Liebschaften Don Giovannis als Schön und häßlich, jung und alt beschrieben werden und auch die Zahl tausendunddrei 597 (mille e tre) wiederholt auftaucht. G zeigt hier einerseits auf, dass es befremdlich erscheint, eine Frau zu begehren, die einen bereits als Säugling gekannt hat, andererseits ist seine Verteidigung, eine normale Mutterbeziehung gehabt zu haben, seltsam unstimmig und entlarvend. Denn für den Säugling sind eben nicht Kinderfrauen jeder Zahl das Ideal, nicht Zweit-, Dritt- und mille-e-tre-Mütter; das Kleinkind braucht eine exklusive und verlässliche Bindung an eine bestimmte Person. Der Peinlichkeit, dass einem einmal jemand die Windeln gewechselt hat, begegnet G mit einer Umkehrung der Tatsachen: Er hat die Kinder- frauen wie Windeln gewechselt – ein vollkommen unglaubwürdiger Tatbestand. Die Abwand- lung der Angeber-Floskel „Der wechselt seine Frauen wie die Hemden“ (ein Verhalten, das G als

593 Schutting: Gralslicht, S. 35/20 ff. 594 Ebda, S. 35/32 ff. 595 Ebda, S. 100/19 ff. 596 Wagner: Parsifal, S. 55/705 f. 597 Mozart/da Ponte: Don Giovanni, S. 28.

86 erwachsener Mann zeigt) durch Kinderfrauen und Windeln macht die Aussage höchst lächerlich. G möchte sich schon im Babyalter autonom und völlig unabhängig von Frauen, ihrer Liebe und Fürsorge wissen, weil er offensichtlich keine stabile Mutter-Kind-Beziehung erlebt hat. Da die Mutter für das Kind meist die erste und prägendste Liebesbeziehung darstellt, wird uns von Schutting damit eine Interpretation für Don Giovannis/Gs Liebesunfähigkeit angeboten. Diese Meinung findet sich auch beim Psychoanalytiker Otto Rank, der meint, dass Don Juan „die vielen Frauen, die er sich immer aufs neue ersetzen muß, ihm die eine unersetzliche Mutter re- präsentieren“598. Schuttings G philosophiert gern über Frauen und die Liebe und findet andere, elegante Erklärungen für seine Beziehungsunfähigkeit:

nicht für immer und ewig zu lieben, dafür im Augenblick über alles und umso mehr! brunstbrünftig aufwallendes Kraftwerk Liebe – spare in der Liebes-Zeit, dann hast du für ein Restel-Essen in der Liebes-Not?599

Als psychologische Hintergründe für Gs Charakter finden sich also ein homoerotisches Moment, der Versuch von Schmerzvermeidung, eine gestörte Beziehung zur Mutter und die Angst vor Frauen. So sagt G zum Beispiel:

keiner einzigen hätte ich danach die dem Triumph vorangegangene Liebesangst verziehen, hätte erkaltet Revanche gesucht dafür, daß eine jede mich früher brennen machen hat, als sie selber gebrannt hat? hätte eine jede, Sie Psychen-Deutler, wofür bestraft? für den mir ganz und gar nicht erinnerlichen Säuglingsdaseins-Tag, an welchem ich eben noch an der Mutter Brust den wahren Säuglingsfreuden oblag.600

Außerdem hat G ein reges Interesse an K, lässt sich von P mehrfach ausführlich über sie berichten und ergeht sich – wie P ‒ gern in Deutungen ihres Wesens:

G: und sage mir, du Neukönig nach Altkönig-Ablösung durch Mitleidswort oder Mitleidstat, schon die längste Zeit will ich dich fragen, was für eine Bewandtnis es mit eurer Weibsperson hat ‒ ein Frauenzimmer, will mir scheinen, aus der Weiberart geschlagen und schwer zu lesen wie ein Buch in deutscher Schrift und deutschem Wort, ihr in den Muttermund gelegt ‒ eine für alle, alle mit einer?601

Und später noch einmal:

598 Rank: Die Don Juan-Gestalt, S. 173. 599 Schutting: Gralslicht, S. 56/15 ff. 600 Ebda, S. 62/28. ff. 601 Ebda, S. 45/14 ff.

87 G: und die Kundry, Freund Herzensbrecher, Freund Herzwundbrecher als Sohn einer Herzeleidischen, was ist die Kundry für eine ‒ hätte die an mir ihren Herrn und Meister gefunden?602

Eine Deutung der Figur G liefert auch Müller-Kampel mit der Beschreibung der charakterlichen Entwicklung der Don Juan-Figur von seiner Urfassung bis heute:

Am Beginn der Themengeschichte steht ein Räuber, Gotteslästerer, Frauenschänder, Totschläger, Vater- und Brudermörder, ein Erzbösewicht, der seine Missetaten skrupellos, ohne an Zukunft, Himmel und Hölle zu denken, ausführt, unbändige Freude daran findet und so gräßlich zu Tode kommt, wie er lustvoll gelebt hat. […] Am Ende tritt uns ein kultivierter Frauenliebling entgegen, dessen Hang zum schönen Geschlecht sich schon längst nicht mehr in körperlicher Gewalt Bahn bricht, sondern der alle seine erotischen und aggressiven Regungen beobachtet, analysiert, sie zu zähmen, verbergen, abzudrängen sucht. […] In die Begrifflichkeit der Kulturtheorie von Norbert Elias übersetzt, hieße dies, daß an Don Juan offenbar zivilisatorische Prozesse wirksam geworden sein müssen, Prozesse, die auf die Zähmung und Dämpfung von Trieben, auf Rationalisierung und Psychologisierung von Affekten abzielen. […] Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert hat Don Juan vollends jede Freude an der selbstgenügsamen Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse verloren. […] Er ist geworden, was einer früheren Zeit undenkbar gewesen wäre: Steinerner Gast seiner selbst.603

Der moderne Don Juan, gezähmt und gedämpft, hat also heute andere Probleme als jener der Urfassung. Schuttings G erinnert auch an den Protagonisten in Max Frischs Don Juan oder Die Liebe zur Geometrie, der lamentiert: „Auf alles war ich gefaßt, aber nicht auf Langeweile. Ihre verzückten Münder, ihre Augen dazu, ihre wässerigen Augen, von Wollust schmal, ich kann sie nicht mehr sehen!“604 Und das Gedicht „Don Juan“ von Eva Vargas erinnert an Gs Klagen in seiner persönlichen Version der Registerarie:

[...] verzeiht daß ich ersticke an euern Gefühls-Metastasen [...] an euern habgierigen Besitzansprüchen und Puddingsleidenschaften [...]605

Auch in Robert Menasses Don Juan de la Mancha oder Die Erziehung der Lust (2007) wird der Erzähler ‒ wie Schuttings G ‒ von Lustlosigkeit geplagt.

Neben den langen Monologen über die Liebe und die Frauen äußert sich G nur wenig zur unterlassenen Mitleidsfrage, die P so beschäftigt. Erst in der 23. (somit letzten) Szene lässt sich G ausführlich von Ps Erlebnis auf der Gralsburg berichten. Dabei äußert er Kritik an Wagners

602 Ebda, S. 51/16 ff. 603 Müller-Kampel: Mythos Don Juan. S. 19 ff. 604 Zitiert nach ebda, S. 18. 605 Eva Vargas: Don Juan. In: Beatrix Müller-Kampel (Hrsg.): Mythos Don Juan. Zur Entwicklung eines männlichen Konzepts. Leipzig: Reclam 1999. (= Reclam Bibliothek Band 1675.) S. 71 f., S. 72.

88 Vorstellung von einem unversöhnlichen, fast rachsüchtigen Gott (siehe diese Arbeit S. 63) und malt sich großspurig aus, was er an Ps Stelle alles gesagt und gefragt hätte:

G: sagen Sie, hätte ich in der Gralsburg gefragt, leiden Sie alle, samt und sonders, dermaßen an Ihrer Keuschheit, daß Sie des öfteren ansichtig werden müssen der schaurigen Weib-werdungs-Folgen im Übertretungsfalle!? [...] hätte ich weniger doof und schlagfertig obendrein, beim Ausfratschelungsverhör nach Name und Vater das kundgetan: Sigmund Meyerbeer mein Name, und mein Vater Israel [...] meine Mutter eine geborene Herzleidt, mein Bruder Feirefiz ein Mischling aus Abendland und Mohrenland, nach Mendelscher Heils-Vererbungslehre wie eine Elster schwarz und weiß gefleckt!606

In einem allerletzten Statement wirft er P noch ungnädiges Vergessen und gnadenloses Nicht- wahr-haben-wollen[...] vor und verabschiedet ihn mit einem Tritt aus der Waggontür.

7. 4 Parzival/Parsifal/P

Die erste Beschreibung Ps bei Schutting lautet: blondlockig, lederwamsig und lederhosig und mit einem Rucksack bewehrt, der ein Pferdesattel ist, kämpft sich Parzival durch den Korri- dor607, von K wird er schöner, herber Knabe608 genannt. Auch Wagners Klingsor sagt über Par- sifal: Ha! – Er ist schön, der Knabe!609 und Gurnemanz, der ihn ob des erlegten Schwans tadelt, wendet dennoch ein: Doch adelig scheinst du selbst und hochgeboren610. Diese Beschreibung greift auf Wolfram zurück, der über Parzival schreibt: sîn lîp was clâr unde fier611. Und sogar ein Mann gerät angesichts Parzivals Schönheit ins Schwärmen. Der künec von Kukûmerlant sagt: ˃gêret sî dîn süezer lîp: […] ichne gesach nie lîp sô wol gevar. […]˂ 612 Immer wieder wird die Schönheit und Tadellosigkeit Parzivals betont: got was an einer süezen zuht,/ do er Parzivâlen worhte,/ der vreise wênec vorhte.613 Im Mittelalter hatte man eine ganz klare Vorstellung von der Verbindung zwischen äußerlicher Schönheit und innerer Tugend. Wagner betont natürlich mit seiner Erwähnung von Schönheit und Adel, dass Parsifal zum Heldentum prädestiniert ist. In der äußerlichen Beschreibung sind sich also Parzival, Parsifal und P ähnlich. Eine weitere Ge- meinsamkeit findet sich in der Thematisierung der problematischen Mutterbindung. Da Her- zeloyde ihren Ehemann noch vor der Geburt ihres Sohnes verloren hat, dient Parzival ganz au- genscheinlich als Ersatz-Liebesobjekt. Schon über den Säugling heißt es bei Wolfram:

606 Schutting: Gralslicht, S. 118/10 ff. 607 Ebda, S. 6/16 f. 608 Ebda, S. 10/6. 609 Wagner: Parsifal, S. 43/550. 610 Ebda, S. 24/270. 611 Wolfram: Parzival I, S. 204/118/11. 612 Ebda, S. 250/146/5 ff. 613 Ebda, S. 254/148/26 ff.

89 dô diu künigîn sich versan und ir kindel wider ze ir gewan, si und ander vrouwen begunden betalle schouwen zwischen den beinen sîn visellîn. er muose vil getriutet sîn, do er hete manlîchiu lit.614

Neben zärtlicher Mutterliebe, die sich in Koseworten wie bon fîz, scher fîz, bêâ fîz615 ausdrückt und darin, dass Herzeloyde ihren Sohn selber stillt (wie die Jungfrau Maria), beschreibt Wolfram aber auch die Schattenseiten der Mutter-Kind-Beziehung, die sich aus Herzeloydes Kummer über den Verlust ihres Mannes logischerweise ergeben:

sich begôz des landes vrouwe mit ir herzen jâmers touwe: ir ougen regenden ûf den knaben. si kunde wîbes triuwe haben. beidiu siufzen und lachen kunde ir munt vil wol gemachen. si vröute sich ir suns geburt: ir schimpf ertranc in riuwen vurt.616

Die schwierige, teils noch ungelöste Mutterbeziehung findet sich auch bei Wagner. Parsifal ist jedoch ebenso wie ein gesteigerter Siegfried, wie dieser vom erotischen Mutterkomplex geprägt617, folgert auch Borchmeyer daraus. Vorgeschichte und dahin führende Entwicklung schildert Kundry. In einem langen Monolog erzählt sie von Parsifals Kindheit (Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust,/ sein erstes Lallen lacht mir noch im Ohr618) und schildert, wie sein Schlaf bewacht der Mutter-Sehnen, ihn weckt’ am Morgen der heiße Tau der Mutter-Tränen.619 Das ist interessanterweise stark an Wolfram angelehnt und klingt schon nach großer emotionaler Belastung für ein Kleinkind: die omnipräsente Trauer der Mutter, die es zu lindern gilt, und eine Angst, die dem Kind jede Freiheit zur Eigenständigkeit nimmt. Nur Weinen war sie, Schmerz- Gebaren oder Nur Sorgen war sie, ach! Und Bangen heißt es weiter.620 Kundrys folgende Beschreibung legt schon emotionalen Missbrauch nahe:

Hörst du nicht noch ihrer Klagen Ruf, wann fern und spät du geweilt? Hei! Was ihr das Lust und Lachen schuf, wann suchend sie dann dich ereilt!

614 Ebda, S. 194/112/21 ff. 615 Ebda, S. 194/113/4. 616 Ebda, S. 196/113/27 ff. 617 Borchmeyer: Das Theater Richard Wagners, S. 293. 618 Wagner: Parsifal, S. 55/705 ff. 619 Ebda, S. 55/714 ff. 620 Ebda, S. 55/717 und S. 55/723.

90 Wann dann ihr Arm dich wütend umschlang, ward dir es wohl gar beim Küssen bang? ‒621

Auch Ortrud Gutjahr sieht in Herzeloyde eine Mutter, „die den Sohn als ewiges Kind in der Symbiose halten wollte und damit ohne den Vater als triangulierenden Dritten zur inzestuösen Gefahr wurde“622. Parsifals Gefühl, Schuld am Tod der Mutter tragen, versucht Kundry mit den Worten sie beut/ dir heut –/ als Muttersegens letzten Gruß/ der Liebe – ersten Kuß zu beschwichtigen.623 Sie führt – so Gutjahr – Parsifal an die inzestuöse Grenze, an der er sich aber plötzlich mit seinem symbolischen Vater Amfortas identifiziert.624 Schutting greift diese psychologische Besonderheit eines „Helden“ mehrfach auf.625 Gleich die ersten Worte, die Kundry sagt, sind: mein Geschäft, wenn ich bitten darf, ihm ein Muttermal/ ins jungfräuliche Herz zu brennen626 Oder: nimm im Traum, diesen Mami-Kuß!627

Der letzte Satz (von G an P) von Gralslicht lautet: so nimm denn von der Mutter diesen Abschiedstritt!628 Im Kapitel „Antisemitismus und Misogynie“ war schon von Ps Haltung zu K die Rede. Es sei daher nur exemplarisch eine Textstelle angeführt. Auf die Frage Gs, was für eine Bewandtnis es mit eurer Weibsperson 629 habe, antwortet P:

nun! von unerlöster Weibsnatur (sprich Sinnenkunst) bedarf sie der Erlösung: fürs erste einer Körpersäftetherapie, hiezulande Leibeserziehung genannt. ihre hündische Natur als die eine ach in ihrer Brust sowohl auszuleben als auch loszuwerden, läßt sie sich abrichten in einem Gebrauchshündinnen-Verein: apportiert gern – faß! bring! – […] es soll ihr ja etwas von deutscher Tierliebe dämmern, gipfelnd dereinst in Schäfer- oder Hitlerhundliebe.630

Wagners Parsifal ist als Prätext hier ganz klar zu erkennen, sagt doch Parsifal zu Kundry: Auch dir bin ich zum Heil gesandt 631 und später: Erlösung, Frevlerin, biet’ ich auch dir.632 Auch bei Wagner kann die Erlösung nur durch den Verzicht auf Sinnenkunst (sprich: Sexualität) erlangt

621 Ebda, S. 55/725 ff. 622 Ortrud Gutjahr: Sentas erkennender Schrei und Kundrys kastrierendes Gelächter. Die hysterische Stimme des Erlösungsopfers in Richard Wagners Der fliegende Holländer und Parsifal. In: Kundry & Elektra und ihre leidenden Schwestern. Schizophrenie und Hysterie/Frauenfiguren im Musik-Theater. Hrsg. von Silvia Kronberger und Ulrich Müller. Anif/Salzburg: Mueller-Speiser 2003, S. 64-92, S. 83. 623 Wagner: Parsifal, S. 57/769 ff. 624 Gutjahr: Sentas erkennenender Schrei, S. 84. 625 Textstellen, die sich auf das Thema Mutter beziehen, sind z. B.: S. 9/20, S. 16/30 ff., S. 19/1 ff, S. 42/26, S. 62/3, S. 63/3+33, S. 64/21, S. 66/28, S. 68/31 ff., S. 77/16+20, S. 78/3 ff., S. 100/20 ff. ... 626 Schutting: Gralslicht, S. 6/22 f. 627 Ebda, S. 10/7. 628 Ebda, S. 120/25. 629 Ebda, S. 45/17 ff. 630 Ebda, S. 45/23 ff. 631 Wagner: Parsifal, S. 61/870. 632 Ebda, S. 62/894.

91 werden. Bei Wagners Parsifal wird ebenfalls Kundrys Treue gelobt 633 und der Vergleich mit ei- nem Tier wurde schon erwähnt. Ganz deutlich als Reaktion auf Wagner liest sich auch folgende Stelle: und so werde ich sie erlösungsarisieren,/ nach freiwilliger Assimilierung ihr Minderwer- tiges katholizieren!634 Denn wenn auch wiederholt in der Fachliteratur betont wird, dass Wagner für die Uraufführung seines Parsifal sogar einen jüdischen Dirigenten gewählt habe (eine For- mulierung, die den Antisemitismus impliziert), dann muss man auch dazu wissen, dass er jenem Hermann Levi mehrmals die Konversion nahe gelegt hat.635 In Cosima Wagners Tagebüchern findet sich u. a. der Ausspruch Wagners: „Ungetauft darf er Parsifal nicht dirigieren [...].“636

Im Kapitel „Fragen und Mitleid“ wurde Ps Abhandlung zu allen Facetten des Fragens schon viel Platz eingeräumt und auch im Kapitel „Kuss“ ging es hauptsächlich um die Figur P. So bleiben nur mehr die mittelhochdeutschen Spuren zu analysieren, die auf Wolfram verweisen. Obwohl es inhaltlich zahlreiche Verweise auf Wolfram gibt, bleibt es auf Textebene bei wenigen Beispielen. Gleich im Vorwort ‒ eigentlich einer Inhaltsangabe von Wagners Parsifal ‒ ist allerdings von Munsalvaesche und Wolframs Parzival mit einer Kondwiramur verheiratet die Rede und Wolfram wird mit dem Satz in Wolframs Parzival-Epos: „Oheim was wirret Euch?“ zitiert. „Oheim, was wirret euch?“ taucht außerdem am Ende der 2. Szene noch einmal auf. Natürlich stürzt man sich als suchender Leser auf vermeintliche mittelhochdeutsche Bezüge und allerkleinste Hinweise. So wird der Held in Schuttings Vorwort Parsifal genannt, auf der ersten Seite als Parzival eingeführt; jener thematisiert dann selbst ein paar Seiten später die Schreibung seines Namens (und schreibt man meinen Namen, „ich weiß ihn nicht!“,/ mit Vogel-vau oder Fischerl-Ef?637) und wird dann bis zum Ende des Stücks mit P abgekürzt. Mit einer Ausnahme: Auf Seite 18 gibt es die Regieanweisung (indem sie Parzival eine Zigarette anbietet). „Man könnte darin vielleicht eine subtile Distanznahme von der Wagnerschen Vorlage sehen“638, mutmaßt Krajenbrink. Dabei ist das nur ein (von Schutting bestätigter) Druckfehler, bzw. Irrtum des Autors, der auch vom Lektorat übersehen wurde.

Auffallend sind noch die linguistischen Codewechsel in Werre oder wasse Schmerz sein – eine Rittertugend?639 oder bei den Zeilen habe auf Schlachtfeldern, frisch nach der Schlacht,/ die Schwerverletzten im Über-sie-Hinwegsteigen gefragt,/ was sie wirre640. Oder auch in Ablenkung

633 Wagner: Parsifal, S. 14/101 ff. 634 Schutting: Gralslicht, S. 95/24 f. 635 Wald-Fuhrmann: Parsifal. In: Lütteken: Wagner Handbuch, S. 397. 636 Cosima Wagner: Tagebücher, S. 329. 637 Schutting: Gralslicht, S. 18/19 f. 638 Krajenbrink: „Sprachgebrauch, der...“, S. 228. 639 Schutting: Gralslicht, S. 17/16. 640 Ebda, S. 33/22 ff.

92 von den gewissens-strîten. Auf konkrete Nachfrage sagte Schutting: „Es ist, dass der nicht ein modernes Deutsch spricht. Dass der sehr wohl sich anlehnt an ein Deutsch, dass wir noch verstehen, aber der redet ein bissl wie aus einem früheren Leben. Er ist ein weltfremder Bursch und kann nicht richtig Deutsch.“641 Das gilt auch für die Stelle nix verstân642 und die Formulierung der mich aus dem Sattel werft.643 Ein wenig Mittelhochdeutsches gibt es außerdem mit Zitaten von Walther von der Vogelweide: sei sie gelegen zwischen bluomen unde gras644 zitiert das berühmte Mädchenlied Under der linden und ist es getroumet, ist es wâr?645 Walthers Alterslied/Elegie. Ein paar Seiten später wird dann noch die Zeile davor nachgereicht: Owê swar sin verswunden alliu miniu jâr?646 Auch der Begriff Oheim647 ist von Wolfram entlehnt, ebenso der nicht unbedeutende Verweis auf Feirefiz648 (welch Kontrast zur Rassenideologie Wagners!) und nicht zuletzt die sogenannte Blutstropfen-Szene. Bei Schutting sind es allerdings fünf statt drei Blutstropfen und die zweite Zeile führt gleich assoziativ zu Grimms Schneewittchen: Und was mir aufsteigen aus fünf Blutstropfen im Schnee –/ welches Linnen, weiß wie Schnee, rot wie Blut betropft gewesen649 Bei Wolfram lautet die entsprechende Stelle so:

ûz ir wunden ûf den snê vielen drî bluotes zäher rôt, die Parzivâle vuogten nôt.650

Mit den Worten nix wissen!651 verabschiedet sich P schließlich aus dem Theater-Libretto.

641 Gespräch vom 13. 5. 2014. 642 Schutting: Gralslicht, S. 35/15. 643 Ebda. S. 19/36. 644 Ebda, S. 114/22. 645 Ebda, S. 19/14. 646 Ebda, S. 22/6. Im Original: Ôwê, war sint verswunden alliu mîne jâr! ist mir mîn leben getroumet oder ist es wâr? 647 Ebda, S. 78/8+13, S. 79/7+20. 648 Ebda, S. 95/11 und S. 118/24. 649 Ebda, S. 20/4 f. 650 Wolfram: Parzival I, S. 480/282/10 ff. 651 Schutting: Gralslicht, S. 120/13.

93 8 Conclusio

[…] endlich sieht man Freudental, endlich, endlich kommt einmal. (Johann Christian Günther)652

Welche Konzepte von Intertextualität gibt es? Was leistet Intertextualität? Bewirkt eine Entschlüsselung ein tieferes Verständnis beim Leser? Und nicht zuletzt: Was bleibt von Wolframs Parzival? Das sind einige der Fragen, die mich während der Arbeit an Gralslicht begleitet haben. Aus Gründen der Übersichtlichkeit möchte ich meine Erkenntnisse in der Reihenfolge der Kapitel anführen.

Die Theorie der Intertextualität lieferte mit Begriffen und Definitionen das erforderliche Handwerkszeug, um Intertextualität in Gralslicht überhaupt beschreiben zu können. Gleichzeitig zeigte sich, dass die Anwendung von theoretischem Inhalt auf praktische Beispiele nicht immer leicht ist. Wie schon in der Einleitung kurz angedeutet, ist es nicht möglich, einen einzigen Intertextualitätsbegriff zu verwenden. Der engere Intertexualitätsbegriff, der von literarischen Texten ausgeht und bewusste, intendierte und (meist) markierte Bezüge erfasst, eignet sich nur für die Einzeltextreferenzen, für Zitate aus Faust, der Bürgschaft, der Bibel oder Parsifal. Als ich aber auf die Wörter Rassenschande, Ritter-Mutterkreuz, Endlösung, Ariernachweis und Verjudung stieß, war der engere Intertextualtiätsbegriff erschöpft. Einerseits war klar, dass es sich nicht um die Sprache Schuttings handelt und er natürlich mit diesen Begriffen etwas zitiert. Andererseits geht es hierbei nicht um Literatur, sondern um die spezifisch historische Ausformung eines politischen Diskurses, um ein völlig eigenes Sprachsystem, das mit einem bestimmten Sinnsystem unterlegt ist. Hier kommt der erheblich weiter gefasste Intertextualitätsbegriff der Systemreferenz zur Anwendung. Dort, wo es um den Mythos Parzival oder jenen von Don Juan geht, nähert man sich schon der von Poststrukturalismus und Dekonstruktionismus geprägten Vorstellung eines texte général. Denn wie ließe sich z. B. eine Quelle dafür finden, dass der Held schön und kräftig ist und ein vorbestimmtes Schicksal hat?

Auch bei den Formen der Markierung, die Helbig so gut überschaubar in vier Stufen einteilt, stößt man an die Grenzen theoretischer Begrifflichkeit. Die explizit markierte Intertextualität der Vollstufe und die thematisierte Intertextualität der Potenzierungsstufe lassen sich noch relativ leicht den gefundenen Belegen zuordnen, bei der unmarkierten Nullstufe und der implizit markierten Reduktionsstufe hängt es aber von den Kenntnissen des Lesers ab, ob er ein Zitat als

652 Vgl. Trost-Aria. In: Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 144.

94 nahtlos in den Text (also fast unkennbar) eingefügt empfindet oder etwas als implizite Markierung erkennt. Sobald man nämlich ein Zitat kennt, sticht es aus dem Text heraus, ein unbekanntes Zitat hingegen verschwindet leicht im Text. Diese Erkenntnis hatte ich auf der Suche nach passenden Beispielen. Schuttings Formulierung meinem Buß- und Reu-Zwang ordnete ich sofort Bachs Matthäuspassion (Altarie: Buß und Reu knirscht das Sündenherz entzwei) zu, nach den Kategorien Helbigs handelt es sich aber eher um unmarkierte Intertextualität der Nullstufe. Dass die explizite Markierung durch Anführungszeichen ein unverlässliches Kriterium ist, ist evident, da auch direkte Rede in Anführungszeichen aufscheint. All diese Unklarheiten oder Probleme, die sich zwischen Theorie und Praxis auftun, schärfen allerdings nur das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer theoretischen Basis, da es ohne Begriffe, Einordnungen und Definitionen gar nicht möglich wäre, Intertextualität zu beschreiben und die auftauchenden Grenzfälle zu diskutieren.

Im Theoriekapitel wurde auch das Thema „Funktionen der Intertextualität“ beleuchtet. Dabei hat sich gezeigt, dass Bachtins Konzept mit dem Begriffspaar „Affirmation vs. Destruktion“ für die Analyse von Intertextualität nicht ausreicht. Schulte-Middelich definierte daher weitere Unterkategorien. Die Unterscheidung zwischen selbstzweckhaft/spielerisch und einzel- zweckgerichtet oder gesamt-zweckgerichtet ist aber gerade bei Schutting nicht leicht zu treffen, versteckt der Autor doch gerne kritische Aussagen hinter einem Wortspiel, einem Kalauer, einer amüsanten Formulierung. Somit ist auch das Spielerische eigentlich nie selbstzweckhaft. Auf alle Fälle passt der von den russischen Formalisten geprägte Terminus der Entautomatisierung der Wahrnehmung und der literarischen Formensprache zu Schuttings Werk. Durch die Bearbeitung eines Zitats (z. B. Sich selbst besiegen sei der schönste Krieg?), durch die Verwendung eines Wortes in ungewöhnlicher Umgebung (z. B. das Wort Restel-Essen in: spare in der Liebes-Zeit,/ dann hast du für ein Restel-Essen in der Liebes-Not?), durch Neologismen (Primitivanimalfreudenbauch) lässt uns Schutting über Sprache stolpern und daher vertieft reflektieren. Zwei grundlegende Funktionen von Intertextualität lassen sich für Gralslicht bestimmen: Einerseits die Kritik am Zitieren von sentenziösem Bildungsgut als unreflektiertes Nachplappern des sogenannten Dichter- und Denker-Bestands, denn – so Schutting – Wahrheiten über die menschliche Natur vertragen keine Reduktion aufs Allgemeingültige in Versgestalt oder pointiertem Konversationsstil. Andererseits übt Schutting durch intertextuelle Verweise klar erkennbar Kritik an Wagners Parsifal und dessen Weltbild. Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit werden transparent gemacht, die Themen Mitleidsfrage, Schuld und Erlösung und Wagners Gottesbild kritisch kommentiert. G akzentuiert dabei noch den Mann- Frau-Beziehungsdiskurs und spiegelt mit seinen Klagen über die Aufdringlichkeit der Frauen

95 jenes Frauenbild, das Wagner in Parsifal entwirft, in dem die Frau und ihre Sexualität als Gefährdung für den Mann auftreten. Methodisch greift Schutting auf Sprachspiel, Ironie und Parodie zurück und lässt in langen Monologen seine Figuren ihre kritische Sicht der Dinge ausführen. P darf die Schuldzuweisungen in Bezug auf die unterlassene Mitleidsfrage abhandeln, K wehrt sich gegen die ihr von Männern zugeschriebenen Rollenbilder und G gegen die Unterstellung, er missbrauche die Frauen. Die Zeile „Sprachgebrauch, der den Missbrauch anzeigt“, könnte quasi als Kurzdefinition für die Funktion der Intertexualität in Gralslicht dienen. Die Kritik an Wagners Werk ist nicht neu, die literarische Auseinandersetzung in dieser intertextuellen Form allerdings schon. Die Alternative zu Gralslicht wäre ein sprachphilosophischer, kritischer Text, den Schutting ebenso brillant hätte verfassen können (siehe seine Poetik-Vorlesung), die literarische Demonstration anhand von intertextuellen Bezügen lässt aber dem Leser erheblich mehr Freiraum für eigene Erkenntnisse und Rückschlüsse, bietet mehr Platz für Humor und Sprachspiel und führt die Macht der Sprache in der konkreten Verwendung vor.

Zur Form lässt sich sagen, dass Schutting Intertextualität auf allen möglichen Ebenen verwendet. Es gibt wörtliche Zitate, entstellte, verkürzte und veränderte Zitate und Anspielungen. Es finden sich Einzeltext- und Systemreferenz und Intermedialität, auf Figuren-Ebene die Verwendung von re-used figures und strukturelle Rückgriffe auf den Prätext Parsifal (die Form als Libretto, die Imitation der Leitmotivik, Szenenfolge, Metaphorisierung des Raums). Auch inhaltlich bezieht sich Gralslicht – auch ohne Zitate ‒ auf die verwendeten Prätexte. So ist natürlich das Thema Mitleidsfrage/Erlösung aus Parzival und Parsifal übernommen, und wenn Schutting wiederholt K mit einer Zigeunerin oder einem Tier vergleicht, bezieht er sich inhaltlich auf die Darstellung Kundrys.

Das Kapitel Stil dreht sich um die Frage „Wie findet man intertextuelle Bezüge?“ Glücklicherweise hat Schutting eine sehr individuelle Handschrift, einen ganz unverwechselbaren Stil. Daraus lässt sich ableiten, dass, sobald etwas wie ein schon einmal Gehörtes, wie etwas Bekanntes wirkt, es sicher eine von Schutting bewusst gewählte Assoziation, ein Zitat, eine Anspielung ist. Auf meine Frage, ob der Klappentext zu Gralslicht von ihm sei (ich bin allerdings nicht davon ausgegangen), antwortete Schutting, er würde schon ein Wort wie „plaudern“ nicht verwenden. Er sage eher „konversieren“ o. ä. So scheint das Herausfiltern von zitierten Elementen aus dem Text vordergründig einfach. Schutting schreibt allerdings auch bewusst in der Manier anderer Autoren, um ironisierend, nachahmend oder parodierend Zitate im Text zu verstecken oder zu kaschieren. So gibt es auch fingierte, aus

96 Einzelteilen kombinierte bzw. frei erfundenen Zitate oder vermeintliche Verweise auf einen Prätext wie der Traum der holden Mutter im Sterbebett, die von den zwei „Gschaftlhubern“ G und P eben so hingeworfen werden. Gerade mit den erfundenen Zitaten beweist Schutting, wie leicht dem Belesenen, Gebildeten ein Bluff gelingt. Ein beliebiger Satz in etwas hochtrabenden Stil vorgetragen, mit einem bekannten Namen versehen (Nach dem Motto: „Wie sagte schon Kant, Goethe oder Wittgenstein“) lässt sich vom Zuhörer oder Leser ja kaum als erfunden entlarven oder gar widerlegen.

Eine Inhaltsangabe lässt sich für Gralslicht im konventionellen Sinn nicht erstellen. Die vier abgehandelten Themen (Antisemitismus und Misogynie, Raum und Zeit, Fragen und Mitleid/Mitleidsfrage, Schuld und Erlösung und der Kuss) konnten durch die leitmotivartige Wiederholung und Paraphrasierung von markanten Zitaten wie z. B. Du siehst mein Sohn,/ zum Raum wird hier die Zeit herausgefiltert werden. Durch die Beschäftigung mit Intertextualität (konkret durch die Suche nach der Quelle des Zitats) führte diese einzelne Zeile zu einem hochinteressanten kunsttheoretischen Diskurs, der sich auf Lessings Traktat Laokoon: oder über die Grenzen der Malerei und Poesie bezieht.

Zum praktischen Teil, der konkreten Zitatsuche, möchte ich erläutern, welche Wege und Irrwege sich da auftun können. Im ersten Durchblättern entdeckt man ja spontan Bekanntes wie Mein schönes Fräulein, darf ichs wagen? und meint, die Quelle, der Prätext ließe sich wohl leicht dazu finden. In diesem Fall natürlich schon. Dennoch gibt es auch bei bekannten Zitaten mehrere Möglichkeiten der Leserwahrnehmung. Bei Zeilen wie Zwei Seelen wohnen, ach in meiner Brust (bei Schutting: „Zwei-Seelen-ach-in-einer-Männerbrust“) oder Glücklich ist, wer vergisst kann entweder der gesamte anzitierte Prätext abgerufen werden oder das Zitat ist eher als Floskel, Redewendung oder eben als bloßes Zitat (gerade bei Goethes Faust) präsent.

Eine schon weniger bekannte Zeile aus Schillers Ballade Die Kraniche des Ibykus wie z. B. Wer kennt die Völker, nennt die Namen, die gastlich (bei Schutting: festlich) hier zusammenkamen? kann zwar auch vom Unkundigen als bekanntes Gedicht, eine Ballade eingestuft werden, da Schutting das Zitieren klassischer Fragen davor ankündigt und der Reim innerhalb des ungereimten Textes eine starke Signalwirkung hat; wer die Ballade kennt, hat dazu aber die Assoziation eines Raubmords, der durch einen Kranichzug aufgeklärt wird. Die jeweilige Leseerfahrung wirkt bei der Verwendung von Intertextualität also im Besonderen mit.

Von den fingierten und erfundenen Zitaten war schon die Rede. Nach langer verzweifelter Suche – das muss doch was sein! – klärten sich offene Fragen durch das Gespräch mit Schutting.

97 Wirklich interessant waren stark entstellte Zitate, die dennoch zur „richtigen“ Assoziation führten: Flieg, Vögelin, flieg heißt es bei Schutting und mir klang sofort das Kinderlied Maikäfer flieg im Ohr. Ziemlich grundlos, wie mir schien. Denn eigentlich war ja nur ein einzelnes, noch dazu nicht sehr spezifisches Wort darin ident. Die Recherche (denn auf die erste Eingebung wollte ich mich nicht verlassen) brachte ein Lied von Antonin Dvořák Flieg Vöglein als Ergebnis und den Spruch der Vogelfänger in Istanbul Flieg Vogel, fliege vor, wart auf mich am Himmelstor. Beides ist falsch. Jedenfalls nicht das von Schutting Gemeinte. Er hatte dabei auch Maikäfer flieg im Ohr. An dieser Stelle verstärkte sich das Gefühl, dass neben der Leseerfahrung auch das Alter des jeweiligen Lesers (wer kennt heute dieses Lied?) und seine Sozialisation eine große Rolle bei der Entschlüsselung von Intertextualität spielen. Außerdem führen offensichtlich manchmal Sprachmelodie und Rhythmus stärker zum intertextuellen bzw. intermedialen Bezug als der reine Text.

Ein ganz ähnliches Beispiel, das die Theorie der Sozialisation stützte, war die Zeile im Original als „süße Wunde meines Herrn“ besungen? Mir fiel dazu gleich das Kirchenlied Heil’ges Kreuz sei hochverehret ein. Darin gibt es aber keine „süße Wunde“ und dennoch ist es jene Assoziation, die Schutting damit auslösen wollte bzw. die er selbst beim Schreiben hatte. Im Gespräch behauptete er auch, dass in diesem Lied von „süßer Wunde“ die Rede sei. Ein verständlicher Irrtum, da in alten Kirchenmusiktexten die Kombination des Wortes „süß“ mit negativ konnotierten Substantiven üblich war (z. B. Komm, süßes Kreuz in der Matthäuspassion von Bach und Komm, süßer Tod, ein geistliches Lied von Bach).

Dann gab es auch noch etliche Beispiele mit mehreren Assoziationsmöglichkeiten, wie: ihn seinem Herrn und Meister nacheifern zu sehen? Klingt da nun Goethes Zauberlehrling (Herr und Meister! hör mich rufen!) an? Oder ist das eine biblische Stelle wie Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen (Joh, 13,14). Oder: Ist das Schuberts Agnus Dei aus der Deutschen Messe (Mein Heiland, Herr und Meister …)? Meine erste Assoziation war Schubert und sie deckt sich mit der Intention Schuttings. Die anderen zwei Möglichkeiten sind aber nicht weniger plausibel, da Schutting gerade Goethe und die Bibel relativ häufig zitiert.

Interessant sind auch Textstellen, in denen jede einzelne Zeile intertextuell ist, der gesamte Abschnitt aber wiederum auf einen anderen Prätext verweist. Zum Beispiel:

Das Machwerk von der zigarettendrehenden Zigeunerin hätte er, der Gott-ist-tot-Friederich,

98 in den Himmel gehoben und das Erlösungswerk verdammt, das anders als die Liebe, nicht von den Zigeunern stammt?

Zitiert wird hier Bizets Carmen, Nietzsches bekannter Aphorismus aus Die Fröhliche Wissenschaft und wieder Carmen mit der Habanera (in einer mäßigen, deutschen Übersetzung: Die Liebe von Zigeunern stammt. Im Original: L’amour est enfant de Bohème). Die vier Zeilen insgesamt verweisen auf Nietzsches Werk Der Fall Wagner, in dem er seine leidenschaftliche Begeisterung für Carmen und seine scharfe Kritik an Parsifal formuliert. Diese Beispiele sollen zeigen, dass es auch oder gerade bei der Verwendung von Intertextualität nicht nur eine Lösung des „Rätsels“ Literatur und ihrer Interpretation gibt.

Literatur ist immer eine Form der Kommunikation zwischen Autor/Autorin und Leser/Leserin und jeder findet seine individuelle Interpretation, die sich sogar bei ein und derselben Person im Laufe des Lebens oder bei wiederholter Lektüre verändern kann. Die Beschäftigung mit Intertextualität zeigt sich als Kommunikationsvorgang, der besonders stark vom jeweiligen persönlichen Assoziationsraum und den Vorerfahrungen des Rezipienten abhängig ist. Eine weitere Erkenntnis war für mich, dass sich in der Verwendung von Intertextualität durch kleinste Verschiebungen des Prätextes völlig neue Bedeutungsfelder und Gedankenanstöße auftun. Wenn Schutting die Zauberflöte mit „Mann und Weib, und Mann und Mann“ zitiert, wird einem eindringlich bewusst, dass Weltliteratur und Operngeschichte prinzipiell von heterosexuellen Beziehungen ausgehen. Dieser Umstand lässt sich auch in einem einfachen Aussagesatz behaupten. Die Wirkung der veränderten, uns so vertrauten Zauberflöte ist aber ungleich stärker. Der gleiche Effekt stellt sich beim plötzlich politisch brisant gewordenen Leben und sterben lassen! ein. Intertextualität bewirkt also mittels kleiner, manchmal kaum merklicher Spuren und Verschiebungen eine Öffnung großer Assoziationsfelder.

Obwohl Wagners Parsifal der primäre Prätext für Schuttings Gralslicht war, ist auch Wolframs Parzival als Vorlage präsent und scheint in durchaus kräftigen Spuren dazwischen auf. Der Vergleich zwischen Parsifal und Parzival zeigte Wolfram als den moderneren Autor, der seine Charaktere mit Geschichte, persönlichem Schicksal und individuellen Eigenschaften ausstattet, der Witz und Selbstironie kennt und auch in den heldischen Momenten erheblich weniger Pathos verströmt. Seine Frauenfiguren sind interessantere, stärkere Personen als Wagners Kundry und dessen Blumenmädchen. Schutting bringt in der kritischen Auseinandersetzung mit Wagner wieder diese größere Differenziertheit Wolframs in die Darstellung ein, dessen Originalität und Witz. Er gibt seiner K das selbstbewusste und reflektierte Auftreten von Wolframs Cundrîe

99 zurück und P darf wie Wolframs Parzival mit Gott hadern und gegen seine Verurteilung wegen unterlassener Mitleidsfrage aufbegehren.

Eine Frage begleitete die ganze Arbeit: Liegt man richtig mit seinen Schlüssen und Deutungen? Julian Schutting soll dazu das Schlusswort haben: „Wenn eine Arbeit abgeschlossen ist, hat die sich vom Autor emanzipiert; was immer Sie herauslesen oder hineinlesen, es ist völlig meinem Einfluss entzogen. Das ist für den Interpreten völlig belanglos, was der Autor dazu sagt oder was er gewollt hat. Das ist dann jedem freigegeben; das Ganze muss in sich stimmig sein, es wird mehrere Möglichkeiten geben, etwas zu interpretieren, eindeutig ist ja nicht einmal mehr die Wissenschaft. Das könnte so konträr sein zu dem, was ich gemeint habe ‒ es wird trotzdem auch dafür vieles sprechen. Aber ob ich einverstanden bin? Da hab ich überhaupt nichts zu sagen.“

9 Intertextuelle/intermediale Bezüge in Gralslicht

Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit. (Karl Valentin)

9. 1 Vorbemerkungen

Schutting verwendet zwar grundsätzlich Klein- und Großschreibung, nicht jedoch eine zwingen- de Großschreibung am Satzanfang. Die Textzitate werden von mir kursiv wiedergegeben, (was auf Grund von Anführungszeichen im Text vorteilhaft ist, da es doppelte Anführungszeichen vermeidet), die Regieanweisungen sind zur Unterscheidung daher kursiv und fett. Da sich etli- che Zitate leitmotivartig durch den Text ziehen, wird die dazugehörige Stelle aus dem Prätext nur einmal wörtlich wiedergegeben, im weiteren Verlauf wird dann auf die Erstnennung mit Sei- ten- und Zeilenzahl aus Gralslicht verwiesen. Die handelnden Personen Parsifal/Parzival, Don Giovanni und Kundry werden in Bezug auf ihre Intertextualität als re-used figures im Kapitel „Figuren“ besprochen.

Um eine größere Übersichtlichkeit zu schaffen, wurde bei den genannten Belegen aus Gralslicht eine Unterscheidung zwischen Einzeltext- und Systemreferenz und intermedialen Bezügen ge- troffen. Eine Abgrenzung ist in vielen Fällen nicht ganz leicht, klingen uns doch Textstellen wie „Mann und Weib und Weib und Mann“ oder „Glücklich ist, wer vergisst“ auch als Melodie im Ohr, andererseits wird gerade die letztgenannte Liedzeile auch als ironische Sentenz bei (politi- scher) „Gedächtnisschwäche“ verwendet. Manchmal ist das Gesangliche bei Schutting sogar in

100 konkrete Schriftzeichen umgesetzt: „Durch die Wä-äl-der, durch die Au-en“. Wer hörte da nicht buchstäblich einen Tenor schmettern? Diese Bezüge sind somit eigentlich intermedial, allerdings haben die Zeilen auch als bloßer Text eine Wirkung und in vielen (eher den meisten) Fällen ist dem Leser die Musik keineswegs präsent. Ich führe also diese textlich-musikalischen Stellen un- ter Einzeltextreferenzen an. Eine gewisse Rechtfertigung für diese Vorgangsweise ergibt sich auch daraus, dass nach Wagners ästhetischer Theorie die Kunst ihren Ausgang in der Sprache nimmt,653 er seine Opern als Gesamtkunstwerk aus Sprache und Musik verstand und die Libretti daher selbst schrieb und Schutting ja Wagners Werk als Hauptbezug gewählt hat. Wagner selbst verstand seine Textbücher als selbständiges Genre, das poetisch-literarische Bedeutung hat und von ihm „Dichtungen“ genannt wurde, erläutert Egon Voss.654 Unter Intermedialität subsumiere ich daher nur jene Stellen, an denen Schutting ausdrücklich Musik nennt, z. B. (Wagnersche[...] ‚Schreit‘-musik aus dem ersten Akt, das seraphische Deutsch-chorale, Tristans Fieberraserei u. ä.). Soweit als möglich habe ich aber auch diesen intermedialen Bezügen eine Textstelle zuge- ordnet, da sie ansonsten nicht nachvollziehbar zu finden sind. Auch strukturelle Bezüge wie Re- gieanweisungen, Kostüm, Bühnenbild etc. gehören zum Abschnitt „Intermedialität“. Bezüge auf die NS-Zeit und die Diktion der NS-Zeit werden unter „Systemreferenz“ erfasst. In einigen Fäl- len finden sich bei den Zitaten statt des Verweises auf einen Referenztext auch Erläuterungen, die sich aus meiner Recherche oder dem Gespräch mit Schutting ergaben und die zusätzlich dienliche Informationen liefern sollen. Sprichwörter und Redewendungen ließen sich im entspre- chenden Duden (Das große Buch der Zitate und Redewendungen), bei Harenberg (Lexikon der Sprichwörter und Zitate) und Büchmann (Geflügelte Worte) finden. Meist gibt es dazu Anmer- kungen über Herkunft oder Kontext, die ich aber aus Platzgründen nicht übernehmen konnte. Auch rein inhaltliche Verweise auf einen Prätext (wie z. B. als ein Drachentöter in Herzblut Mann baden?655), die keinen Zitatcharakter haben, werden aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht angeführt.

9. 2 Einzeltextreferenzen

S. 5/1: ‚Gralslicht’ Vgl. Richard Wagner: Parsifal, S. 34: Ein blendender Lichtstrahl dringt von oben auf die Schale [= Gral] herab: diese erglüht im- mer stärker in leuchtender Purpurfarbe.

S. 5/3 ff.: Auf dem Montsalvat (= Montserrat; Munsalvaesche) hütet der Grals-Ritterorden (Keuschheitsgelübde) den hl. Gral (= lebensspendender Blutstropfen des Gekreuzigten,

653 Wellingsbach: Wagner und der Antisemitismus, S. 98. 654 Vgl. Voss: Nachwort, S. 109. 655 Schutting: Gralslicht, S. 17/20

101 aufbewahrt in Schale des Letzten Abendmahls und dessen Erneuerung dienlich). Vgl. Wagner: Parsifal, S. 5 [unnummeriert, unter „Personen der Handlung“]: Ort der Handlung: auf dem Gebiete und in der Burg der Gralshüter „Montsalvat“; Vgl. Wolfram von Eschenbach: Parzival I, S. 426/251/1f.: Ich waen, hêr, diu ist iu niht bekant. Munsalvaesche ist si genant. Die Benediktinerabtei Santa Maria de Montserrat, etwa 40 km nordwestlich von Barcelona, wird von einigen Quellen als Vorbild für Wagners Montsalvat genannt; siehe auch Schutting S. 46/4, wo vom Montserrat-Kräuterschnaps die Rede ist.

S. 5/8: („Das ist die Rache ohnegleichen des ach gekränkten Gnadenreichen“) Vgl. Wagner: Parsifal, S. 32/374 f.: Oh, Strafe! Strafe ohne Gleichen des ‒ ach! – gekränkten Gnadenreichen! ‒ (siehe auch Schutting S. 23/13+30 und S. 116/33)656

S. 5/14: („da traf sein Blick mich“). Vgl. Wagner: Parsifal, S. 61/845: . . . da traf mich Sein Blick. ‒ (siehe auch Schutting S. 60/22, S. 65/16, S. 65/30 ff., S. 105/17, S. 107/3)

S. 5/14f.: Nach Abschuß eines hl. Schwans gelangt der reine Tor Parsifal zur Gralsburg, Vgl. Wagner: Parsifal, S. 21/232 ff.: GURNEMANZ zu PARSIFAL. Bist du’s, der diesen Schwan erlegte? PARSIFAL. Gewiß! Im Fluge treff’ ich was fliegt. GURNEMANZ. Du tatest das? Und bangt’ es dich nicht vor der Tat? DIE KNAPPEN. Strafe den Frevler! (siehe auch Schutting S. 45/29) Vgl. Wagner: Parsifal, S. 19/218 f. und 33/413 f.: „durch Mitleid wissend der reine Tor, […] außerdem S. 29/329: bist du ein Tor und rein, […] und S. 54/691: Nein, Parsifal, du tör’ger Reiner!) (siehe auch Schutting S. 9/18, S. 83/2, S. 111/26, S. 112/9)

S. 5/17: („Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit“) Vgl. Wagner: Parsifal, S. 28/326 f.: Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit. (siehe auch Schutting S. 15/6+8+11+12+14+16+21f., S. 16/17f.+20+24+28f., S. 20/7 f. S. 37/ 24 f.+30+34, S. 108/5, S. 114/8, S.118/15+33)

S. 5/18: stellt wider Erwarten die Mitleidsfrage nicht (in Wolframs Parzival-Epos: „Oheim was wirret Euch?“), […]

656 Die Anmerkung „(siehe auch Schutting S. n.)“ nennt weitere Stellen in Gralslicht, die sich auf dasselbe Zitat des Prätextes beziehen. Die Anmerkung „Siehe Schutting S. n.“ nennt hingegen das erste Vorkommen dieses intertextuellen Bezuges.

102 Vgl. Wolfram: Parzival II, S. 691(Nachwort): Anfortas könnte durch eine Mitleidsfrage Parzivals erlöst werden, […] Vgl. Wolfram: Parzival II, S. 618/795/29: ‚oeheim, waz wirret dir?‘

S. 5/19 f.: wird verstoßen („Was stehst du noch immer herum . . . Und suche dir Gänser die Gans!“) Vgl. Wagner: Parsifal, S 37/454: GURNEMANZ. Was stehst du noch da? (siehe auch Schutting S. 26/25, S. 27/20+31) Vgl. Wagner: Parsifal, S 38/457 ff.: Doch rät dir Gurnemanz: laß du hier künftig die Schwäne in Ruh, und suche dir Gänser die Gans! (siehe auch Schutting S. 15/7, S. 19/33f., S. 38/23 f.)

S. 5/21 f.: aus ihrem Kuß (ihm angeblich von der „holden“ Mutter überbracht) fährt er begrei- fend auf („Amfortas! Die Wunde!“), [...] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 57/771/f.: als Muttersegens letzten Gruß der Liebe ‒ersten Kuß. Vgl. Wagner: Parsifal, S. 58/773 f.: Amfortas! – – Die Wunde! – Die Wunde! – (siehe auch Schutting S. 30/29; außerdem S. 76/28 und S. 101/31 im Kapitel „Intermedialität“)

S. 5/24: (Wolframs Parzival mit einer Kondwiramur verheiratet), […] Vgl. Wolfram: Parzival I, S. 340/200/6f.: dô sprach ouch diu künegîn, er sollte sîn ir âmîs, […]

S. 6/9: […], damit das Blumenmädchen-Gegacker ein Ende hat, […] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 52: KUNDRYS STIMME. [...] nicht euch ward er zum Spiel bestellt! Geht heim, [...] (siehe auch Schutting S. 67/27 f. im Kapitel „Intermedialität“ und S. 109/30.)

S. 6/18: Parzival […] rennt nun blöd dem G mit der Brust in die Zigarre, torkelt verkrümmt weiter, […] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 56/744: PARSIFAL. […] Blöder, taumelnder Tor!

S. 6/22 ff.: [. . .] ins jungfräuliche Herz zu brennen, auf eine andere Manier, mit Herzbrand-Kuß! Vgl. Wagner: Parsifal, S. 58/787: Hier! Hier im Herzen der Brand! (siehe auch Schutting S. 30/16 und S. 31/1 ff.)

S. 6/29 ff: G: […] si-si, bella donna, […], das weibliche Geschlecht, […] riecht mir nämlich kilometerweit an, […] Vgl. Wolfgang Amadeus Mozart/Lorenzo da Ponte: Don Giovanni, S. 25:

103 Don Giovanni: […] ich wittre süßen Weiberduft! Leporello (beiseite): Alle Wetter, das nenn ich eine Nase!“ (siehe auch Schutting S. 9/8 und S. 110/1)

S. 8/13: […] wieder von weither Martha Mödls ‚Par-si-fal! Vgl. Wagner: Parsifal, S. 53/670: KUNDRYS STIMME. Parsifal! – Bleibe!

S. 9/8: […] vermeint uns mit seinem Saurüssel kilometerweit das Weib anzuriechen, […]! Siehe Schutting S. 6/29 ff.

S. 9/18: […] der reine Tor, […] Siehe Schutting Seite 5/14

S. 9/24: [...] schläfst du oder wachst du, […] Vgl. Wagner: Götterdämmerung. Bd. 7, S. 123: Brünnhilde! Schwester! Schläfst oder wachst du?

S. 9/26: [...] das Ewig-Weibliche mit dir hinanzuziehen? Vgl. Johann Wolfgang Goethe: Faust II. Bd. 18.1, S. 351/12110: Das Ewig-Weibliche Zieht uns hinan. (siehe auch Schutting S. 69/13 ff.)

S. 10/16: […] mit der Stutenpeitsche, mit der du zu Frauen gehst, [...] Vgl. Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra. Bd. 4, S. 86: Du gehst zu Frauen? Vergiss die Peitsche nicht!

S. 10/30: [...] das Fleisch und der Fels zu sein, [...] Vgl. Bibel, Mt. 16, 18 (EU, S. 1096): Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.

S. 10/36: [...] in der geheimrätlichen Populärmedizin [...] Einleitender Hinweis auf ein Goethe-Zitat in der folgenden Zeile.

S. 11/1: „Zwei Seelen-ach-in-einer-Männerbrust“ genannt? Vgl: Goethe: Faust I. Bd. 6. 1, S. 565/1112: Zwei Seelen wohnen ach! in meiner Brust, [...] (siehe auch Schutting S. 11/24 f. und S. 45/26)

S. 11/2 f.: wie sagt doch so treffend der alte Grieche, Aristot oder so? „Lerne zu spielen – oder ertrage den Schmerz!“ Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Es ist ein entstelltes Zitat, es ist ein griechisches Zitat. Ich glaube, Aristoteles ist es aber nicht. Das hab ich vergessen. Es wäre auch Schnitzler zuzutrauen. Schnitzler ist es aber sicher nicht.“

S. 11/16 f.: [...] diese schmerzfreien Opernpartien wird er mit eis-coolem Mitleid spielen und singen ‒ [...] Anmerkung: „eis“ existiert zwar als Ton, es gibt allerdings kein eis-Dur oder eis-moll. Das „eis- coole Mitleid“ ist somit ein Wortspiel.

104 S. 11/24 f.: […] in deren Brust, […] zwei Seelen sich in den Haaren liegen, […] Vgl: Goethe: Faust I. Bd. 6. 1, S. 565/1112: Zwei Seelen wohnen ach! in meiner Brust, [...] (siehe auch Schutting S. 11/1 und S. 45/26)

S. 11/33 ff.: […], will nicht länger Büßerin Verführerin Dienerin sein, nein-nein, nein-nein, will nicht selbst die Domina-Herrin machen, will nicht länger Sklavin sein, […] Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 19, Leporellos Auftrittsarie: Ich will selbst den Herren machen, Mag nicht länger Diener sein, Nein, nein, nein, nein, Ich mag nicht länger Diener sein. (siehe auch Schutting S. 95/29)

S. 12/2: […] weder Richards Höllenrose noch zart Mozarts Rosen-Kosen-Cherubin! Vgl: Wagner: Parsifal, S. 39/469: Ur-Teufelin! Höllen-Rose! (siehe auch Schutting S. 77/30, S. 79/4, S. 95/14+21) Vgl. Mozart/da Ponte: Die Hochzeit des Figaro, S. 74: Figaro (zu Cherubino): Nun vergiß leises Flehn, süßes Kosen, und das Flattern von Rose zu Rosen; du wirst nicht mehr die Herzen erobern, ein Adonis, ein kleiner Narziß.657

S. 12/20 ff.: […] durch sparsame Musikunterlegung als eine Entlehnung aus der ‚Carmen‘ sofort erkennbar gemacht werden (in einer seltsamen Parallele zu Ks Verführungsversuch zitiert ja auch Micaela die Mutter herbei, wenn auch ganz unschuldig und naiv, indem sie ihrem José ebenfalls einen mütterlichen Kuß überbringen soll). Vgl. Georges Bizet: Carmen, S. 17: DON JOSÉ. Einen Kuss meiner Mutter? MICAËLA. Für den Sohn gab sie mir; Und wie ich ihn empfing, geb ich ihn treulich dir! (siehe auch Schutting S. 18/36 und S. 19/1 ff., S. 77/20+32, S. 78/3 f.)

S. 14/18: Ist das ein Weib, oder ist das ein Tier, (einer der Knappen, Großwildjägerpose, steht mit einem Fuß auf der Kauernden) Vgl. Wagner: Parsifal, S. 13/85: DRITTER KNAPPE (junger Mann) He! Du da! ‒ Was liegst du dort wie ein wildes Tier?

657 In der Ausgabe von Bärenreiter 2006 (Hrsg. Ludwig Finscher und Eugen Eppl) lauten die Zeilen: „Du wirst nicht mehr die Mädchen betören,/ Tag und Nacht mit verliebtem Getändel,/ du wirst nicht mehr die Ruh ihnen stören,/ du Adonis, du kleiner Narziss. In der Reclamausgabe von 2006 (Übersetzung und Nachwort von Dietrich Klose) gibt es folgende Variante: Aus und vorbei, verliebter Schmetterling,/ das muntere Gaukeln tagsüber und nachts,/ das Unruhestiften bei den Schönen,/ kleiner Narziß, Adonis der Liebe. „Mozarts Rosen-Kosen-Cherubin“ findet sich daher nur in älteren Übersetzungen, z. B. in der Fassung von Peters 1941 (siehe Literaturverzeichnis).

105 S. 14/20 f.: […] regt sich in ihr oder ihm ein wenig schon Kondwiramur, Kundry der Ordnungszahl römisch Zwo? Vgl. Wolfram: Parzival I, S. 318/187,12: erste Erwähnung von Condwîr âmûrs.

S. 14/22: Sühnet reine Menschlichkeit alle menschlichen Gebrechen, […] Vgl. Goethe: (Widmungsgedicht 1827). Bd. 18.1, S. 11: Alle menschlichen Gebrechen sühnet reine Menschlichkeit.

S.14/26: Sind in der Übermenschheit Höhen menschliche Regungen […] Vgl. Nietzsche: Also sprach Zarathustra. Bd. 4, S. 14: Ich lehre euch den Übermenschen.

S.14/30: [...] das in einem von Geist angekränkelt Vgl. William Shakespeare: Hamlet, S. 61: Wird des Gedankens Blässe angekränkelt; [...] (Is sicklied o’er with the pale cast of thought)

S. 15/1: […] seit Gott tot ist, auch sonst nichts mehr auf der Welt? Vgl. Nietzsche: Die Fröhliche Wissenschaft (Aphorismus 125 – Der tolle Mensch). Bd. 3, S. 481/15 f.: Gott ist todt! Gott bleibt todt! Und wir haben ihn getötet! (siehe auch Schutting S. 19/17)

S. 15/6: „ Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit!“ Siehe Schutting S. 5/17

S. 15/8: in dem Auseinanderliegen von Raum und Zeit, Siehe Schutting S. 5/17

S.15/7: daß auch für mich Gänser, der sich die Gans suchen soll, […] Siehe auch Schutting S. 5/19 f.

S. 15/11ff.: K: Burscherl, Burscherl, Handerl weg von Raum und Zeit ausgerechnet über Raumzeit und Zeitraum notwendigerweise amateurphilosophieren, da ja Raum und Zeit Kategorien dilettantischen Sich-Delektierens, also laß dir nicht imponieren von dem Satz „Hier wird der Raum zur Zeit!“, mein Schatz, Siehe Schutting S. 5/17

S. 15/20 ff.: aber dereinst wird ein glänzend Gerüsteter angesprengt kommen und den Raum, der noch lange nicht zur Zeit wird, [...] Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Das ist Lohengrin. . . Ich hoffe, es geht net auf’n Hitler. Das weiß ich jetzt nicht. Der Heisenberg ist es natürlich nicht, der wird ja genannt . . . Passt Lohengrin?“ Ad Raum/Zeit: Siehe Schutting S. 5/17

S. 15/28 ff.: […] denn noch nichts von Heisenberg gehört, Venus- oder Hörselberg, hat ihm liebem Kleinem die Mutterbrust nicht

106 das Schlaflied von Unschärferelationen gesungen? Werner Heisenberg erforschte 1927 die Unschärferelation oder Unbestimmtheitsrelation. Vgl. Wagner: Tannhäuser oder der Sängerkrieg auf Wartburg. Bd. 3, S. 112: Die Bühne stellt das Innere des Venusberges (Hörselberges bei Eisenach) dar. (Siehe auch Schutting S. 36/21 ff.)

S. 16/17 ff: erklärt sich daher der tiefsinnige deutsche Satz von dem Raum, der hier, mein Sohn, zur Zeit wird, aus der trostreichen Vermutung einer Seelenwanderung durch verschiedene Räume und Zeiten Siehe Schutting S. 5/17

S. 16/24: K: hier wird?, nein: hier irrt die Zeit zum Raum, S. 16/28 f.: ohne Raum- und Zeitgefühl will er mir beiwohnen, mir, einem endlosen Zeitraum ‒ Siehe Schutting S. 5/17

S. 17/10: Der Kategorische Imperativ? Vgl. Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785)

S. 17/11: Italienische Reise? Mein. Leben. Dichtung und Wahrheit? Vgl. Goethe: Italienische Reise (Reisebericht, 1813-1817). Bd. 15. Vgl. Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (Autobiografie, 1808-1831). Bd. 16.

S. 17/12: Über das Vergnügliche an tragischen Gegenständen? Vgl. Friedrich Schiller. Bd. 20, S. 133-147: Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen.

S. 17/13: Warum und zu welchem Ende Universalgeschichte man studiere – Vlg. Schiller, Bd. 17, S. 359-376: Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte Eine akademische Antrittsrede.

S. 17/14 f.: Geleitbrief?[...], das sei hier die Frage? Vgl. Shakespeare: Hamlet, S. 60: Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. (siehe auch Schutting S. 24/17)

S. 17/29: Wird Schmerz wohlgelitten, als ein seltener Gast? Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Das ist sicher, dass mir analoge Dinge durch den Kopf gegangen sind. Es sind manche Dinge, die sich wie ein Zitat anhören, es aber nicht sind. Dass ich so vermischte Sprichwörter im Kopf hab, so wie es hier steht, ist es nicht. Das ist zusammengesetzt, so ein Anflug. . . Eine allgemeine Anmerkung dazu: Vieles, was sich wie ein Zitat liest, sind Anspielungen und werden als Zitat so nicht zu finden sein.“

S. 18/19 f.: […] und schreibt man meinen Namen, „ich weiß ihn nicht!“, mit Vogel-vau oder mit Fischerl-Ef? Vgl. Wagner: Parsifal, S. 23/260 ff.: GURNEMANZ. Dein Name dann? PARSIFAL.

107 Ich hatte viele, doch weiß ich ihrer keinen mehr. Vgl. Wolfram: Parzival I, S. 240/140/4 ff.: si vrâgte in ê wie er hieze, […]‚ bon fîz, scher fîz, bêâ fiz, alsus hât mich genennet, […]

S. 18/23: […] die indirekten hingegen schmerzlos wie wenn-Sätze würde-los? Vgl. Merksatz/Stilregel: Wenn ist würde-los.

S. 18/24: Warum schreit Laokoon nur bei Vergil, […] Vgl. Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon: oder über die Grenzen der Malerei und Poesie, S. 12: Er erhebt kein schreckliches Geschrei, wie Vergil von seinem Laokoon singet; [...] Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Lessing sagt dazu: In der Bildenden Kunst ist die Darstellung von Schmerz schwierig, das wird dann eine lächerliche Grimasse. Und in der Dichtung wird das so beschreiben ‒ da kann sich dann quasi jeder vorstellen, was er selber an Schmerz noch erträgt.“

S. 18/26: […] und wann ist der deutsche Satz: „Erlkönig hat mir Leids getan“ richtig angewendet? Vgl. Goethe: Erlkönig. Bd. 2. 1, S. 74/28:658 Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an! Erlkönig hat mir ein Leids getan! (siehe auch Schutting S. 26/15 f., S. 36/36)

S. 18/36: „Und diesen Kuß, den ich dir gebe, […] S. 19/1ff.: diesen Kuß gib ihm, meinem Sohn“ (Küßt ihn auf die Wange) P: Un baiser de ma mère?“ K: „Einen Kuß für den Sohn. José, ich geb‘ ihn dir, so wie ich es versprach“ P: „Ma mère . . . Wer weiß, von welchem Dämon ich eben noch bedroht war . . . Doch auch von fern steht die Mutter mir bei, und dieser Kuß, den sie mir sendet, beseitigt die Gefahr, macht mich von Zauber frei . . . und diesen Kuß, den ich dir gebe, diesen Kuß gib ihr von dem Sohn“ – (er küßt sie auf die Stirn) Vgl. Bizet: Carmen, S. 17 f.: DON JOSÉ. Einen Kuss meiner Mutter? (Im Original: un baiser de ma mère) MICAËLA. Für den Sohn gab sie mir; Und wie ich ihn empfing, geb ich ihn treulich dir! [...] DON JOSÉ (für sich). Wer weiß, welcher Dämon sich gegen mich wendet? Selbst in der Ferne schützt mich der Mutter Wort. Und dieser Kuß, den sie gesendet,

658 Die Zahl nach dem Schrägstrich bezeichnet den Vers.

108 Entreißt mich der Gefahr; er sei mein Schirm und Hort. […] DON JOSÉ. […] sag es ihr, und den heißen Kuß, Den ich auf deine Lippen drücke, Bring ihr den als des Sohnes Gruß. (siehe auch Schutting S. 12/20 ff., S. 77/20+32, S. 78/3 f.).

S. 19/14: ist es getroumet, ist es wâr? Vgl. Walther von der Vogelweide: Gedichte, S. 103: Ôwê, war sint verswunden alliu mîne jâr! ist mir mîn leben getroumet oder ist es wâr? (siehe auch Schutting S. 22/6)

S. 19/16 ff.: Das Machwerk von der zigarettendrehenden Zigeunerin hätte er, der Gott-ist-tot-Friederich, in den Himmel gehoben und das Erlösungswerk verdammt, das anders als die Liebe, nicht von den Zigeunern stammt? Vgl. Bizet: Carmen, S. 12: Zigarettennarbeiterinnen. (Carmen gehört dazu) Ad Gott-ist-tot-Friederich: siehe Schutting, S. 15/1 Vgl. Bizet: Carmen, S. 14: CARMEN. Die Liebe von Zigeunern stammet, [...] Inhaltlich beziehen sich die vier Zeilen (Schutting S. 19/16 ff.) auf Nietzsches Werk Der Fall Wagner. Bd. 6, S. 9-53.

S. 19/20: „Durch die Wä-äl-der, durch die Auen”, Vgl. Carl Maria von Weber: Der Freischütz, S. 38: MAX. Durch die Wälder, durch die Auen zog ich leichten Sinns dahin!

S. 19/21: […] eine Schwalbe noch keinen Sommer macht? Vgl: Georg Büchmann: Geflügelte Worte, S. 55: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

S. 19/22: (Schießt, entseelt fällt zu Waldboden der heilige Schwan; […]) Vgl. Wagner: Parsifal, S. 21/220 ff.: Ein wilder Schwan flattert matten Flugs vom See daher; er ist verwundet, erhält sich mühsam und sinkt endlich sterbend zu Boden.

S. 19/24: P: Ich mich schämen, wofür? Waldfrevel? Heiliger Hain? Vgl. Wagner: Parsifal, S. 21/234: GURNEMANZ. Du tatest das? Und bangt’ es dich nicht vor der Tat? Vgl. Wagner, Parsifal, S. 22/235: GURNEMANZ. Unerhörtes Werk! Du konntest morden? Hier, im heil’gen Walde, […] (siehe auch Schutting, S. 5/14 f.)

S. 19/27: Sterbender Schwan, Schwanengesang? „Der sterbende Schwan“ ist ein Tanzsolo in Le carnaval des animaux (1886) von Camille Saint- Saëns. Die Figur des sterbenden Schwans lehnt sich an Tschaikowskis Ballett Schwanensee an. Vgl. Lutz Röhrich: Das große Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 1430:

109 Unter „Schwanengesang“ versteht man das letzte Werk eines Musikers oder Dichters, z. B. heißt Franz Schuberts letzter Liederzyklus „Schwanengesang“.

S. 19/28 f.: Ihr holden Schwäne, und trunken von Küssen und Schüssen tunkt ihr wen oder was ins heilig-nüchterne Wasser? Vgl. Friedrich Hölderlin: Hälfte des Lebens, S. 300: Ihr holden Schwäne, Und trunken von Küssen Tunkt ihr das Haupt Ins heilignüchterne Wasser.

S. 19/33 f.: […] auf daß ich die Schwänin künftig in Ruhe lasse und mir Gänser suche die Weihnachtsgans? Siehe Schutting S. 5/19

S. 19/35: Einem schwarzen Schwanenritter entgegenreiten, […] Der Schwanenritter ist Lohengrin, Parzivals Sohn.

S. 20/1 f.: Einer – nämlich Schmerz einer – wird kommen, der wird mich begehren, einer wird kommen, dem will ich gehören, […] Vgl. Franz Lehár: Der Zarewitsch, S. 10 ff.: Einer wird kommen, der wird mich begehren Einer wird kommen, dem soll ich gehören.

S. 20/4 f.: Und was mir aufsteigen aus fünf Blutstropfen im Schnee – welches Linnen, weiß wie Schnee, rot wie Blut betropft gewesen: […] Vgl. Wolfram: Parzival I, S. 480/282/10 ff.: ûz ir wunden ûf den snê vielen drî bluotes zäher rôt, die Parzivâle vuogten nôt. Vgl. Jacob Grimm: Schneewittchen, S. 245: An einem Wintertag sitzt eine Königin am Fenster […] und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rothe in dem Weißen so schön aussah, so dachte sie: hätt’ ich doch ein Kind so weiß wie Schnee, so roth wie Blut und so schwarz wie dieser Rahmen!

S. 20/7 f.: die Zeit wird zum Raum. Siehe Schutting S. 5/17

S. 21/27 ff.: Soll an das englische Wort ich mich halten: „Fools rush in, where angels fear to tread“ – Tölpel zertrampeln die Wiese, der Engel nicht ein Gras zu krümmen wagen ‒ , […] Vgl. Alexander Pope: An essay on criticism (1709), S. 310: Nay, fly to Altars; there they’ll talk you dead; For Fools rush in where Angels fear to tread.

S. 21/32: […] – ein Mal gefragt sei gleich kein Mal gefragt – […] Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 189: Einmal ist keinmal.

S. 21/36: Des Ibykus, den wir beweinen? Vgl. Schiller: Die Kraniche des Ibykus. Bd. 2.1, S. 249/165 f.:

110 „Des Ibycus, den wir beweinen, Den eine Mörderhand erschlug! […]“

S. 22/1 f.: Wer zählt die Völker, nennt die Namen, die festlich hier zusammenkamen? Vgl. Schiller: Die Kraniche des Ibykus. Bd. 2. 1, S. 247/89 f. Wer zählt die Völker, nennt die Namen, Die gastlich hier zusammen kamen?

S. 22/3: Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp? Vgl. Schiller: Der Taucher. Bd. 2. 1, S. 266/1 f.: „Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp, Zu tauchen in diesen Schlund?[…]“

S. 22/4: Warum gabst du uns die tiefen Blicke? Vgl. Goethe an Charlotte von Stein. Bd. 2. 1., S. 20: Warum gabst du uns die tiefen Blicke, unsre Zukunft ahndungsvoll zu schaun, […] (siehe auch Schutting S. 63/6 ff.)

S. 22/5: Bringt der Ost mir frohe Kunde? Vgl. Goethe: „Suleika“. In: West-östlicher Divan. Bd.16, S. 85: Was bedeutet die Bewegung? Bringt der Ost mir frohe Kunde?

S. 22/6: Owê swar sin verswunden alliu miniu jâr? Vgl. Walther von der Vogelweide: Gedichte, S. 103: Ôwê, war sint verswunden alliu mîne jâr! ist mir mîn leben getroumet oder ist es wâr? (siehe auch Schutting S. 19/14)

S. 22/7: Mein schönes Fräulein, darf ichs wagen? Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6. 1., S. 609/2605: Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen? (siehe auch Schutting S. 27/23)

S. 22/8: Wer bist du, fremder Mensch? Warum schreit er nicht, der Mann? Vgl. Richard Strauss: Elektra, S. 248: Was willst du, fremder Mensch? Vgl. R. Strauss: Salome, S. 295: Warum schreit er nicht, der Mann?

S. 22/9: Wie macht denn das der liebe Gott, wo ich doch immer die gleiche bin? Vgl. R. Strauss: Der Rosenkavalier, S. 46: Marschallin […] Wie macht denn das der liebe Gott? Wo ich doch immer die gleiche bin.

S. 22/10: Cavalier Cavaradossi? Tosca, hai parlato? Vgl. Giacomo Puccini: Tosca, S. 74: CAVARADOSSI. Tosca, hai parlato?

111 S. 22/11: Kennst du der Mutter Künste nicht? Vgl. Wagner: Tristan und Isolde. Bd. 7, S. 282: ISOLDE (sehr heftig) Schone du mich, untreue Magd! Kennst du der Mutter Künste nicht?

S. 22/12: Dies deine Augen? Dies dein Mund? Vgl. Wagner: Tristan und Isolde. Bd. 7, S. 299: BEIDE. Dies deine Augen? Dies dein Mund?

S. 22/13: Du siehst blaß, Luise?659 Vgl. Schiller: Kabale und Liebe. Bd. 5, S. 23/29: Ferdinand: Du bist blaß, Louise?

S. 22/14: Seht ihrs Freu-eun-de, seht ihrs nicht? Vgl. Wagner: Tristan und Isolde. Bd. 7, S. 344: ISOLDE. Mild und leise wie er lächelt, wie das Auge hold er öffnet: Seht ihr’s, Freunde? seht ihr’s nicht? (siehe auch Schutting S. 31/11 f.)

S. 22/15: Schläfst du, Hagen, mein Sohn? Vgl. Wagner: Götterdämmerung. Bd. 7, S. 133: ALBERICH: Schläfst du, Hagen, mein Sohn?

S. 22/16: Sie kennt mich, ma cousine? Wo ist dein Bruder Abel? Vgl. R. Strauss: Der Rosenkavalier, S. 59: Octavian. Sie kennt mich, ma cousine? Vgl. Bibel, das Buch Genesis, Kapitel 4/9 (EU, S. 20): Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel?

S. 22/17: Was ist Wahrheit? Ich euch ehren, wofür? Vgl. Bibel, Joh 18, 38 (EU, S. 1208): Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit? Vgl. Goethe: Prometheus. Bd. 1. 1., S. 230/36: Ich dich ehren? Wofür?

S. 22/18: Wer hat die Liebe uns ins Herz gelegt? Vgl. Lehár: Das Land des Lächelns, S. 18: PRINZ: Wer hat die Liebe uns ins Herz gesenkt? […] BEIDE: Wer hat die Liebe in das Herz gelegt?

659 Interessanterweise wurde auch von meiner Großmutter und meiner Mutter „Du siehst blaß, Luise“ zitiert.

112 S. 22/19: Weißt du Muatterl, was mir tramt hat? Vgl. Wienerlied. Text und Musik: Alois Kutschera (1859-1919): Weißt du Muatterl, was mir träumt hat? (Quelle: Erich Zib: Wienerlieder von gestern und heute, S. 126)

S. 23/2: G: sag, du Dodl, hast du keine Konversation? Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6. 1., S. 634/3415 (sog. „Gretchenfrage“): Nun sag, wie hast du’s mit der Religion? (siehe auch Schutting S. 24/36)

S. 23/4: Was ich nicht heiß, macht mich nicht weiß!? Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 752: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

S. 23/11: Wer nie sein Brot in Tränen aß, der kennt was nicht? Vgl. Goethe: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 5., S. 134: Wer nie sein Brot mit Tränen aß, Wer nie die kummervollen Nächte Auf seinem Bette weinend saß, Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!

S. 23/12: Wenn der Herrgott net wüü, dann nutzt was gar nix? Vgl. Wienerlied. Text: Artur Kaps und Ernst Arnold, Musik: Ernst Arnold (1934): Wenn der Herrgott net will, nutzt es gar nix. (Quelle: Erich Zib: Wienerlieder von gestern und heute, S. 128) (siehe auch Schutting S. 112/12)

S. 23/13: Was ist die Rache ohnegleichen des ach gekränkten Gnadenreichen? Siehe Schutting, S. 5/8

S. 23/14: Wem gab ein Gott zu sagen, was oder wie er leide? Vgl. Goethe: Torquato Tasso. Bd. 6.1., S. 748: TASSO [...] Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, Gab mir ein Gott, zu sagen wie ich leide.

S. 23/15: Worüber man nicht reden könne, darüber solle man was? Vgl. Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus, S. 114: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.

S. 23/16: Zeit heile alle Stunden oder alle Wunden? Vgl. Büchmann, S. 64: Die Zeit heilt alle Wunden. Ursprung der Redewendung ist ein Zitat von Augustinus: Tempore lenitum est vulnus neum.

S. 23/17: Geteiltes Kleid – kann das stimmen? – sei halbes Kleid? Vgl. Büchmann, S. 176: Geteiltes Leid ist halbes Leid.

S. 23/18: Jedes was lege noch schnell ein Ei, und dann komme wer herbei? Vgl. Wilhelm Busch: Max und Moritz, S. 347: Jedes legt noch schnell ein Ei, Und dann kommt der Tod herbei.

113 S. 23/19: Wir Deutsche oder wir Deutschen und sonst nichts auf der Welt? Vgl. Bismarck in der Reichstagsrede vom 6. 2. 1888: Wir Deutsche fürchten Gott, aber sonst nichts in der Welt! (Quelle: Büchmann, S. 262)

S. 23/20: Sich selbst besiegen sei der schönste Krieg? Vgl. Friedrich von Logau (1605-1655), Sinngedichte: Sich selbselbsten überwinden, ist der allerschwerste Krieg, sich selbselbsten überwinden, ist der allerschönste Sieg. (Quelle: Harenberg. Lexikon der Sprichwörter & Zitate, S. 1109)

S. 23/29: Was hat man dir, du armes Kind, getan? Sie leiden, daher sind Sie! Vgl. Goethe: Kennst du das Land? Wo die Zitronen blühn. In: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 5, S. 142: Was hat man dir, du armes Kind, getan? Vgl. René Descartes, Principia philosophiae I 7: Cogito ergo sum./Ich denke, also bin ich. (Quelle: Büchmann, S. 102)

S. 23/30: Hilf dir selbst, so hilft dir der ach gekränkte Gnadenreiche! Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 320: Hilf dir selbst, so hilft dir Gott! Ad der ach gekränkte Gnadenreiche: Siehe Schutting, S. 5/8

S. 23/31: Wer ein solches Weib errungen, stimm in unsern Jubel ein! Vgl. Ludwig van Beethoven: Fidelio, S. 47: Wer ein holdes Weib errungen, Stimm’ in unsern Jubel ein!

S. 23/32: Trinke Liebchen, trinke schnell, trinken macht die Schmerzen hell! Vgl. Johann Strauß Sohn: , S. 32: Trinke, Liebchen, trinke schnell, Trinken macht die Augen hell.

S. 23/33: Glücklich ist, wer vergißt! Lache, Bajazzo! Vgl. J. Strauß Sohn: Die Fledermaus, S. 32: Glücklich ist, wer vergißt, Was doch nicht zu ändern ist! Vgl. Ruggero Leoncavallo: Der Bajazzo (Pagliacci), S. 124 ff.: Lache, Bajazzo

S. 23/34: […] wen die Götter lieben, den züchtigen oder züchten sie! Vgl. Bibel, Hebräer, 12,6 (EU, S. 1348): Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er; […]

S. 23/35f.: Immer nur lächeln, immer vergnügt . . ., denn wies da drin aussieht, geht niemand was an! Vgl. Lehár: Das Land des Lächelns, S. 8: Immer nur lächeln Und immer vergnügt,[...] Doch wie’s da drin aussieht, Geht niemand was an.

114 S. 24/17: wäre die Frage: „Was ist das, das hier die Frage ist?“ zu geschwollen? Siehe Schutting S. 17/15

S. 25/11: K: weißt du nicht mehr die Antwort der Mutter zum Abschied? Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Da spiel ich nur mit der Carmen-Geschichte. Das ist eine pure Erfindung.“ (Micaela überbringt Don José Kuss und Gruß von der Mutter)

S. 25/33 f.: spricht sein Weh zu sich selber Vergeh! Oder will sein Weh, daß es nie vergeh, denn jede Brust sucht Wundenlust, will volle BrustschmerzEwigkeit, [sic!] Vgl. Nietzsche: Also sprach Zarathustra, Bd. 4, S. 286: Sieben! „Tief ist ihr Weh ‒, Acht! „Lust ‒ tiefer noch als Herzeleid: Neun! „Weh spricht: Vergeh! Zehn! „Doch alle Lust will Ewigkeit ‒, Elf! „‒ will tiefe, tiefe Ewigkeit! Zwölf! (siehe auch Schutting S. 34/35 f.)

S. 26/15 f.: wird sogleich Erltiturel den Königssohn packen und sagen: „Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!“ Vgl. Goethe: Erlkönig. Bd. 2. 1, S. 74 f.: Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt; Und bist du nicht willig, so brauch’ ich Gewalt. (siehe auch Schutting S. 18/26, S. 36/36)

S. 27/13 f.: Heile, heile Regensegen, voller Tücke ritze-ratze eile, eile dir zum Glücke in die Lücke […] Vgl. Traudi Reich und Rudolf Angerer: Ich und Du, S. 13: Heile, heile Segen Drei Tag Regen Drei Tag Schnee Es tut dir nimmer weh. Vgl. Busch: Max und Moritz, S. 356: Ritzeratze! voller Tücke, In die Brücke eine Lücke. (siehe auch Schutting S. 78/20)

S. 27/20: und du stehst noch immer herum? S. 27/31: und du Tölpel stehst noch immer herum? Siehe Schutting S. 5/19

S. 27/23: Mein schönes Fräulein, darf ichs wagen, mein herzliches Beileid an Sie heranzutragen? Siehe Schutting S. 22/7

115 S. 28/3: [...] das rechte Wort zur rechten Zeit [...] Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6. 1, S. 589/1995 f.: Denn eben wo Begriffe fehlen, Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein. Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Das ist es!“

S. 28/30: was stehst du noch immer herum! Siehe Schutting, S. 5/19

S. 28/33: „Es löset sich der Fluch, mir sagts das Herz!" Vgl. Goethe: Iphigenie auf Tauris. Bd. 3. 1, S. 197 /1358. Orest (zu Iphigenien). Es löset sich der Fluch, mir sagt’s das Herz.

S. 29/26: zur Buße ohne Rast und Ruh […] Vgl. Goethe: Rastlose Liebe. Bd. 2. 1, S. 24: […] immer zu! Immer zu! Ohne Rast und Ruh […] (siehe auch Schutting S. 38/25 ff., S. 44/9)

S. 30/8 ff.: „Was ist die Bedeutung des Satzes: Was ist Doppelpunkt die Bedeutung des Ausdrucks ‚Erlösung dem Erlöser’?“ Vgl. Wagner: Parsifal, S. 84/1245 f.: Höchsten Heiles Wunder: Erlösung dem Erlöser!

S. 30/14: ein Sterbenswörtchen, ein „Oheim, was wirret euch?“ Vgl. Wolfram: Parzival II, S. 618/795/29: „oeheim, waz wirret dir?“

S. 30/16 f.: solange ich hier im Herzen nicht ‒ K: solange du was nicht im Herzen hier? Vgl. Wagner: Parsifal, S. 58/787: Hier! Hier im Herzen der Brand! (Das Zitat klärt sich erst durch die Vervollständigung bei Schutting auf S. 31/1ff. )

S. 30/18 ff.: P: wie sollte ich, noch nicht von einem Kuß ans Kreuz genagelt, Amfortas’ Aufschrei „Erbarmen!“ verstehen, welthellsichtig erst durch diesen Kuß, […] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 33/407 f.: AMFORTAS. […] Erbarmen! Erbarmen! Allerbarmer, ach! Erbarmen! Vgl. Wagner, Parsifal, S. 62/886: KUNDRY. So war es mein Kuß, der Welt-hellsichtig dich machte? (siehe auch Schutting S. 30/29 ff.)

S. 30/25: wird mein sein Tristans Sehnsuchtsschmerz „im Sterben mich zu sehnen, vor Sehnsucht nicht zu sterben“, […] Vgl. Wagner: Tristan und Isolde. Bd. 7, S. 330:

116 [...] im Sterben mich zu sehnen, vor Sehnsucht nicht zu sterben!

S. 30/29 ff.: P: [...] wird mein sein der Tristanakkord, „Amfortas! Die Wunde!“ K: erlösungswillig ich ach dich welthellsichtig mache? Ad Tristanakkord siehe Schutting S. 24/8 im Kapitel „Intermedialität“ Ad Amfortas! Die Wunde! Siehe Schutting S. 5/21 Ad welthellsichtig siehe Schutting S. 30/20

S. 31/1 ff.: solange ich, im Herzen hier, von Brand nichts weiß, nichts von Sehnen, dem furchtbaren Sehnen, das alle Sinne faßt und zwingt, nichts, oh! von der Qual der Liebe! Vgl. Wagner: Parsifal, S. 58/787 ff.: Hier! Hier im Herzen der Brand! Das Sehnen, das furchtbare Sehnen, das alle Sinne mir faßt und zwingt! Oh! – Qual der Liebe! –

S. 31/11 f.: Fühlt ihrs nicht? Seht ihrs Freunde, säht ihrs nicht? Siehe Schutting S. 22/14

S. 33/31ff.: die in solchen Radikalkuren überwundene Scheu vor Fragesätzen habe ich trotzdem meinem Sohn vererbt, nicht einmal die eigene Frau wird ihn nach seinem Namen fragen dürfen, nicht Kaiser Joseph, bloß Lohengrin genannt! Vgl. Wolfram: Parzival II, S. 668/825/18ff.: nu hoeret wes ich iuch biten will. gevrâget nimmer wer ich sî: sô mag ich iu belîben bî. Vgl. Fritz von Herzmanovsky-Orlando, Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter, S. 160: „Meinen Namen soll man nie erfahren –“ Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Das ist Herzmanovsky-Orlando, Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter, die auch nicht wissen soll, dass er incognito reist.“

S. 34/33 ff.: da ja alle Lust, allzu kurzst (sic!), Ewigkeit haben wolle, denn alle Lust Ewigkeit wille oder wolle, tiefe volle (oder irgendso) Ewigkeit haben wolle? Siehe Schutting S. 25/35 f.

S. 35/3 ff.: […] auch Nutzanwender der ästhetischen Theorie geworden, Theodor W. Adorno: Ästhetische Theorie

S. 35/19: Aus- oder Durchprobieren über Studieren! Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 582: Probieren geht über Studieren.

117 S. 36/11: wie Asche, in den Vergessensstrom gestreut? Lethe (das Vergessen) ist einer der Flüsse in der Unterwelt in der griechischen Mythologie.

S. 36/21 ff.: doch lieber als ein Höhlenforscher Nacht für Nacht zu Frau Venus hinabzusteigen, aber anders als euer Tannhäuser bloß für Minuten zu bleiben, […] Siehe Schutting S. 15/28 ff.

S. 36/36: [...] was nicht noch alles, warum nicht auch Kron’ und Schweif? vgl. Goethe: Erlkönig. Bd. 2.1, S. 75/7 f.: Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? ‒ Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. ‒ (siehe auch Schutting S. 18/26, S. 26/15 f.)

S. 37/5 ff.: […] indem du ihr beiwohnst nur in Worten, durch detaillierte Beschreibungen dessen, was du, erregte Worte gewordenes Fleisch, mit ihr in Werken nicht tust? mit ihr zusammenzusein bloß in Worten, immerhin so feurigen, daß ihrem Rauschzustand das Wort zu Fleisch wird: und das Wort sei Fleisch geworden und habe sogleich in ihr gewohnt!? Vgl. Bibel, Joh 1, 14 (EU, S. 1182): Und das Wort ist Fleisch geworden / und hat unter uns gewohnt / und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, / die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, / voll Gnade und Wahrheit.

S. 37/24 f.: […] eine Auflösung enthält von Raum und Zeit, von Raum und Zeit befreit für eine kleine Ewigkeit? S. 37/30: in Raum und Menschenzeit retour? S. 37/33 ff.: du siehst, mein Sohn, zum Gralsgefäß wird hier das Weib, zum Raum ihr Leib für eine kleine Ewigkeit und du, mein Sohn, zum Drängen aus der Zeit! Siehe Schutting S. 5/17

S. 38/12: Bein zu Bein und Blut zu Blut, so leimt man auf altgotisch Beinbrüche, [...] Vgl. Die Merseburger Zaubersprüche, S. 90: ben zi bena, bluot zi bluoda […]

S. 38/23 f.: also laß er künftig die Schwäninnen mir und suche sich Gänser gefälligst eine Karfreitags-Gans! Siehe Schutting S. 5/20

S. 38/25 ff.: P: rastlose Liebe, rastlos vor allem, und daher und deshalb von einer zur andern? rastloses Lieben, […] Siehe Schutting S. 29/26

S. 40/3 f.: und schon mußt du dir als ein Gestiefelter Kater beweisen, daß das alles leibeigentümlich dir gehört! Vgl. Grimms Märchen, S. 516: Der gestiefelte Kater

118 S. 41/15 ff.: wer immer zielstrebig seine Triebe bemüht, nach immer Neuem, solch ein faustisch Getriebener erlöst werden könne, wann immer er möchte, durch Lebensverjüngungs-Erhaschungen halt! Vgl. Goethe: Faust II. Bd. 18.1, S. 346/11936 f.: Engel: […] „Wer immer strebend sich bemüht den können wir erlösen.“ (siehe auch Schutting S. 60/2+5, S. 90/36 und S. 94/6)

S. 42/1 f.: […] ob sie nun Irmintrud, Frou-Frou oder Santa Cecilia heißen – […] Vgl. Lehár: Die lustige Witwe, S. 66: Da geh ich zu Maxim, […] Lolo, Dodo, Jou-Jou, Frou-Frou, […]

S. 42/9: mein Feuer- und Weltgeist heißen Bemühens, […] Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6.1, S. 545/354 ff.: Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, Und leider auch Theologie! Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.

S. 44/9: rastlose Liebe? Reizbare Liebe vielleicht, […] Siehe Schutting S. 29/26

S. 44/17 f.: Wut schlägt mein Herz, geschwind zu Pferde, und schon dahin, eh sies gedacht. Vgl. Goethe: Willkomm und Abschied. Bd. 3. 2, S. 15/1 f.: Es schlug mein Herz, geschwind, zu Pferde! Es war getan fast eh gedacht.

S. 45/22: eine für alle, alle mit einer? Vgl. Alexandre Dumas: Die drei Musketiere, S. 134: Alle für Einen, und Einer für Alle!

S. 45/26: ihre hündische Natur als die eine ach in ihrer Brust […] Siehe Schutting S. 11/1+24 f.

S. 45/29 ff.: apportiert gern – faß! bring! ‒ , bloß den waldfrevlerisch abgeschossenen Schwan, heiliggesprochen zu Lebzeiten wie die übrigen Waldschwäne […] Siehe Schutting S. 5/14f.

S. 46/5 f.: Bringt sie wie die heiligen drei Morgenlandkönige wem immer Halbtotem ein Fläschchen arabischen Balsams, […] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 10/38 ff.: KUNDRY. Von weiter her, als du denken kannst: Hilft der Balsam nicht, Arabien birgt nichts mehr dann zu seinem Heil. ‒

S. 46/9: halb Jungfrau Maria, halb Maria Magdalena, halb Tier, […] Siehe Schutting S. 46/29 ff. und S. 51/25 ff.

119 S. 46/25.: von einer Stunde zur andern unverläßlich wie schwarze Köchinnen: [...] Vgl. Anton Hofer: Volksmusik in Niederösterreich. Sprüche, Spiele und Lieder der Kinder, S. 349: Ist die schwarze Köchin da? (Kreisspiel, Lied 1897), in dem es einmal „nein, nein, nein“, dann „ja, ja, ja“ als Antwort heißt.

S. 46/29 ff.: läuft um Wasser zum Fluß des Fischerkönigs, besprengt mit Jordanwasser ermattete Stirnen, reicht den Krug dürstenden Lippen, trocknet mit ihrem Haar fremden Schweiß, will atempauselos alle verfügbaren Füße waschen [...] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 74: KUNDRY hat ein Becken mit Wasser herbeigeholt, um PARSIFAL zu besprengen. Während KUNDY ihm die Beinschienen löst und dann die Füße badet, [...]

S. 47/2 ff.: [...] mit Gebrauchshundkünsten und Demutsübungen. oder daß ihr die Knappen, als wäre sie abgeschossenes Urwaldgetier, in Großwildjäger-Manier den Schweißfuß auf Kopf und Nacken setzten: wie der Insulaner Freitag, kraft solcher Pose von einem Herrn Crusoe in Besitz genommen, hätte auch sie Karfreitagszauberin nichts dagegen, […] Vgl. Daniel Defoe: Robinson Crusoe (Roman, 1719), S. 279: Schließlich kam er ganz dicht zu mir heran, und da kniete er von neuem nieder, küßte den Boden, legte seinen Kopf auf die Erde, nahm meinen Fuß und setzte ihn sich auf den Scheitel. Vgl. Wagner: Parsifal, S. 77/1133: GURNEMANZ. Das ist Char-Freitags-Zauber, Herr!

S. 47/20: zeitlos und raumlos, aber […] Siehe Schutting S. 5/17

S. 48/1 f.: G hat längst ein Notizbuch in der Hand, begierig nach seiner Arie, zu deren Ende er P triumphierend ansieht […] Vgl. Mozart: Don Giovanni, („Registerarie“), S. 27: Schöne Donna, dies genaue Register, [...] Dass hier die „Registerarie“ gemeint ist, ergibt sich durch S. 49/21. (siehe auch Schutting S. 49/21 ff., S. 69/26 im Kapitel „Intermedialität“, S. 100/26)

S. 49/21ff.: das wäre, bitte die Registerarie in Originalfassung, wenn auch in geraffter Version! P: nicht zu vergessen die Frechheit mille e tre: […] Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 27: Der italienische Text der „Registerarie“ enthält das zitierte mille e tre: Ma in Ispagna son già mille e tre.

S. 51/19: [...] hätte die an mir ihren Herrn und Meister gefunden? Franz Schubert: Deutsche Messe D 872 (Zum Agnus Dei), Gotteslob S. 906: Mein Heiland, Herr und Meister (siehe auch Schutting S. 84/1+13; die Quelle ist durch das Gespräch mit Schutting bestätigt)

S. 51/22: [...] den Fuß auf den Nacken setzen lassen, […] Siehe Schutting: Seite 47/2 ff.

120 S. 51/25 ff.: mir wird sie mit Küssen die Füße waschen, mit ihren Tränen die Füße mir gesalbt und hienach mit ihrem Haar getrocknet haben, […] Vgl. Bibel, Lk 7, 36-7,38 (EU, S. 1153): Jesus ging in das Haus eines Pharisäers, […]. Als nun eine Sünderin, […], erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers bei Tisch war, kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl und trat von hinten an ihn heran. Dabei weinte sie und ihre Tränen fielen auf seine Füße. Sie trocknete seine Füße mit ihrem Haar, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. Vgl. Wagner: Parsifal, S. 75/1111: Während dem hat Kundry ein goldenes Fläschchen aus dem Busen gezogen, und von seinem Inhalte auf Parsifals Füße ausgegossen; jetzt trocknet sie diese mit ihren schnell aufgelösten Haaren. Parsifal nimmt ihr das Fläschchen ab.

S. 51/31: und dich nach Zigeunerinnen-Art bespuckt, [...] Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Das ist eine Assoziation mit Carmen. Und Kundry ist bei mir auch eine Zigeunerin. Wär schön, wenn sie eine Zigeunerin gewesen wär. Sie wird sehr exotisch bei Wagner beschrieben, so, dass es fast rassistisch ist. Das wird da bei mir deutlich. So wie ein Tier eigentlich.“ (siehe auch Schutting S. 90/34 und S. 91/26 f.)

S. 52/4 f.: G: und sage mir – weshalb beträgt sie sich weit irrwitziger als meine geistesgestört anmutende Donna Elvira? Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 20: Donna Anna. Gleich der Furie sieh mich rasen. Dein Verderben werd ich sein! Don Giovanni. Dieser Furie tolles Rasen, Mein Verderben wird es sein!

S. 52/7 ff.: Nachkommin des von einem Blitzschlag aus heiterem Gotteshimmel vom Pferd geworfenen und hiemit in Lichtgeschwindigkeit bekehrten Saulus Paulus. Vgl. Bibel, Apostelgeschichte 9, 1-6 (EU, S. 1224): Saulus wütete immer noch mit Drohung und Mord gegen die Jünger des Herrn. […] Unterwegs aber, als er sich bereits Damaskus näherte, geschah es, dass ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umstrahlte. Er stürzte zu Boden und hörte, wie eine Stimme zu ihm sagte: Saul, Saul, warum ver- folgst du mich? Er antwortete: Wer bist du, Herr? Dieser sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; dort wird dir gesagt werden, was du tun sollst.

S. 52/10 ff.: überdies beginnt sie Weibmensch das Tierische der Menschennatur zu überwinden, wie sonst als während heftiger Irrsinnsattacken: aus ihrer Fleischlichkeit – Katzen- und Schlangenfleisch – brüllt sie sich hinaus vor Schmerzgeheul-Lachen, durch und durch geht dir ihr Schmerzgewieher, […] Vgl. R. Strauss: Elektra, S. 5 ff. Ist doch ihre Stunde, die Stunde, wo sie um den Vater heult, dass alle Wände schallen. […] Elektra springt zurück wie ein Tier in seinen Schlupfwinkel, den einen Arm vor dem Gesicht. I. Magd: Habt ihr gesehn, wie sie uns ansah? II. Magd: Giftig wie eine wilde Katze.[…] III. Magd: Ja, wir kamen ihr zu nah. Da pfauchte sie wie eine Katze uns an.

S. 52/24 ff.: [...] wacht auf aus dem Gründonnerstagsschlaf der tiefbetrübten Ölbergjünger

121 und aus dem Todesschlaf des Erlösers, […] Vgl. Bibel, Mt 26, 30 (EU, S. 1110): Der Gang zum Ölberg. Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus.

S. 53/1 ff.: einem strengen Glauben anzuhängen, ihn als ein Halsband und einen Mühlstein zu tragen – immer nur dienen und dienen will sie […] Vgl. Bibel, Mt 18, 6 (EU, S. 1098): Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals gehängt im tiefen Meer versenkt würde. Vgl. Wagner: Parsifal, S. 67/960: KUNDRY. [...] Dienen ... dienen!

S. 54/20 ff.: P: […] eine wilde Reiterin ist sie, weltbewandert und weltberitten, aus Arabien beispielsweise kommt sie mit Wunderbalsam angesprengt. mit meiner Familiengeschichte ist sie vertraut, mit meiner Kindheit auf , […] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 9/28: Seht dort die wilde Reiterin! Ebda, S. 10/39 ff.: Hilft der Balsam nicht, Arabien birgt nichts mehr dann zu seinem Heil. – Ebda, S. 55/704 ff.: Von weither kam ich, wo ich viel ersah. Ich sah das Kind an seiner Mutter Burst, sein erstes Lallen lacht mir noch im Ohr; […]“ (es folgt eine weitere Beschreibung von Parsifals Kindheit)

S. 55/3 ff: das Gute, das sie tut, verneint sie, als täte sie es mit Widerwillen wie der Geist, der stets das Böse will und letztlich Gutes schafft ‒ Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6. 1, S. 571/1335 f.: Ein Teil von jener Kraft, Die stets das Böse will und stets das Gute schafft.

S. 55/10 ff.: K: ich weiß es selber nicht, […] warum mein Herz von Liebe spricht! Vgl. Lehár: Giuditta, Arie „Meine Lippen, sie küssen so heiß“, S. 136: Ich weiß es selber nicht, warum man gleich von Liebe spricht

S. 56/18 f.: spare in der Liebes-Zeit, dann hast du für ein Restel-Essen in der Liebes-Not? Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 652: Spare in der Zeit, so hast du in der Not.

S. 60/2+5: aus der Dissonanz in Einklang zu finden so strebend bemüht, daß ‒ […] in erlösbare Schlafzustände hingesunken wird, […] Siehe Schutting S. 41/15 ff.

122 S. 60/20 ff.: in ihrem Zwerchfell bebt noch das Lachen, das sie vor 1000 Jahren unterm Kreuz gelacht hat - „da traf sein Blick mich“, gewiß nicht in den Unterleib! Vgl. Wagner: Parsifal, S. 61/843 f.: Ich sah – Ihn – Ihn ‒ und – lachte . . . Ebda: S. 61/851: da kehrt mir das verfluchte Lachen wieder,‒ Ebda, S. 61/853: Da lach’ ich – lache ‒, Ad Blick: Siehe Schutting S. 5/14

S. 60/31: von dem Gleichnis „dein Schwert in die Scheide“ ‒ Vgl. Bibel, Mt 26, 52 (EU, S. 1110): Da sagte Jesus zu ihm: steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.

S. 63/3 f.: P: die Mutter! die holde Mutter! – sprachst du von ihr? mein erstes Lallen sei oder lache dir noch im Ohr? Vgl. Wagner: Parsifal. S. 56/742: PARSIFAL. […] Mutter! Süße, holde Mutter! Vgl. Wagner: Parsifal, S. 55/705: KUNDRY. [...] Ich sah das Kind an seiner Mutter Brust, sein erstes Lallen lacht mir noch im Ohr; […] (siehe auch Schutting S. 100/24 f.)

S. 63/6 ff.: […] er sähe Helena in jedem Weibe! die tiefen Blicke gab mir keiner, das unbekannte Wesen, Weib genannt, in jeder oder irgendeiner ahndungs- oder ahnungsvoll zu schaun! Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6.1, S. 608/2603 f.: Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, Bald Helenen in jedem Weibe. (siehe auch Schutting S. 102/13) Ad tiefen Blicke: Siehe Schutting, S. 22/4

S. 64/9 f.: [...] bezaubernd schön wollte dies Bildnis mir geraten, „wie sich die Bilder gleichen!“, [...] Vgl. Mozart: Zauberflöte, S. 15: TAMINO: Dies Bildnis ist bezaubernd schön, [...] Vgl. Puccini: Tosca, S. 11: CAVARADOSSI: Sie gleichen sich auf unergründliche Weise [...] (In einer älteren Übersetzung: „Wie sich die Bilder gleichen“, ist zugleich der Titel der berühm- ten Arie)

S. 64/27: die geheime Offenbarung, was Frauen mit uns und durch uns erleben – Vgl. Bibel, Offb (EU: S. 1374). Das letzte Buch des Neuen Testaments heißt „Offenbarung“ oder „Apokalypse“. Die Offenbarung des Johannes wird auch geheime Offenbarung genannt.

S. 65/16 f.: unterm Kreuz vermeint sie gelacht zu haben, da habe sein Blick sie getroffen ‒

123 Ad unterm Kreuz [...] gelacht zu haben: Siehe Schutting S. 60/20 f. Ad Blick: Siehe Schutting S. 5/14

S. 65/30 ff.: G: immer wieder trifft, aus jedem Herrgottswinkel – K: sein Blick sie G: mich! K: immer wieder trifft, aus jedem Herrgottswinkel, sein Blick mich Siehe Schutting S. 5/14

S. 66/2: anders als der Vorhang des Tempels entzweigerissen: Vgl. Bibel, Mt 27, 51 (EU, S. 1114): Da riß der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei.

S. 66/18: hätte sie sich ans Kreuz nageln lassen sollen, […] Vgl. 11. Kreuzwegstation: Jesus wird ans Kreuz genagelt (In den vier Evangelien der Einheitsübersetzung ist nicht von „nageln“ die Rede)

S. 67/2: […] wird nicht sein von dir hohnvoll Verlachtes, […] Siehe Schutting S. 60/20 ff.

S. 67/5: P: ich nicht Prophetenrüpel Johanaan, […] Vgl. Bibel, Mt 14, 3-12 (EU S. 1093): Die Tochter der Herodias wünscht sich den Tod von Johannes dem Täufer, der von Herodes gefangen genommen worden war (später Basis der Salomelegende/Schleiertanz)

S. 69/10 ff.: wie die Männer-Frauenbilder von Himmelsrosen, die ins irdische Leben eben Rosen flechten und weben ‒ oder wäre nicht wein- und lachhaft der Männertraum vom Ewig-Weiblichen, das sie Mannsbilder hinanziehe, himmelrosenwärts? Vgl. Schiller: Würde der Frauen (Gedicht, 1796), Bd. 1, S. 240/1 f.: Ehret die Frauen! Sie flechten und weben Himmlische Rosen ins irrdische Leben, […] (sic!) Vgl. Goethe: Faust II. Bd. 18.1, S. 351/12110 f.: Das Ewig-Weibliche Zieht uns hinan.

S. 71/3: komm in mein Schloß mit mir, […] Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 32: Don Giovanni. Reich mir die Hand, mein Leben Komm auf mein Schloß mit mir. (siehe auch Schutting S. S. 106/25, 110/2)

S. 71/9ff.: mit zu wenig fürs Leben und zu viel fürs Sterben als einen Säulenheiligen vegetieren lassen von Kindheit an, auf einem Pfosten inmitten von Meerwasser ausgesetzt? Vgl. Röhrich, S. 940: Zum Leben zu wenig und zum Sterben zuviel. Als Säulenheiliger wurde ab dem 4./5. Jahrhundert ein Mönch bezeichnet, der sein Leben zum Zeichen besonderer Askese auf dem Kapitell einer Säule zubrachte. Gregorius von Hartmann von Aue (1186-1190) wird als Kind im Meer ausgesetzt und tut als Erwachsener (nach Inzest mit der Mutter) an einen Felsen im Meer gekettet Buße.

124 S. 71/12 f.: Seelig, die wie ich niemals aufwachen, denn ihrer ist das Traumreich! Vgl. Bibel (Bergpredigt), Mt 5,3 (EU, S. 1079): Die Seligpreisungen. Er sagte: Selig, die arm sind vor Gott; / denn ihnen gehört das Himmelreich.

S. 75/20: weggewälzt den Stein, und so schlägst du in den Wind die Warnung des Schattens an deiner Seite, […] Vgl. Bibel, Lk 24, 2 (EU, S. 1179): Da sahen sie, daß der Stein vom Grab weggewälzt war; […] Vgl. Röhrich, S. 1731: Etwas in den Wind schlagen, z. B. Warnungen.

S. 77/1 f.: P: „doch küßt mich ein weiblicher Mund, so bin ich schon wieder gesund“ – du lieber Schwan, […] Vgl. Mozart: Zauberflöte, S. 61: Doch küßt mich ein weiblicher Mund, So bin ich schon wieder gesund! Vgl. Wagner: Lohengrin. Bd. 3, S. 247: Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!

S. 77/10: „doch küßt dich ein weiblicher Mund“ – S. 77/13: „doch küßt dich ein weibischer Mund“ – Siehe Schutting S. 77/1

S. 77/27: […] Sesam-schließe-dich-Kuß, Vgl. Büchmann, S. 188: „Sesam öffne Dich“ ist ein Losungwort in „Ali Baba und die vierzig Räuber“ aus der Märchen- sammlung Tausendundeiner Nacht.

S. 77/30: […] ach ihrem Höllenrose-Mund Siehe Schutting S. 12/2

S. 77/20: […] ‒ „un baiser de ma mère?“‒,[...] S. 77/32: [...] – un baiser de ma mère? – den mir anvertrauten Kuß,[...] der sogleich gesund mache den, […] Ad un baiser: Siehe Schutting S. 18/36 und S. 19/1 ff. Ad sogleich gesund: Siehe Schutting S. 77/1 f.

S. 78/3f.: sie mir habe überbracht von ma mère, von der holden Mutter, als deren letzten Gruß? Ad ma mère: siehe Schutting S. 18/36 Ad Mutter: siehe Schutting S. 5/21

S. 78/8: hätte der den Oheim sogleich gesund gemacht […] Siehe Schutting S. 77/1

S. 78/11: ‒ „Mann und Weib, und Weib und Mann“ ‒ Vgl. Mozart: Zauberflöte, S. 27: Ihr hoher Zweck zeigt deutlich an: Nichts Edlers sei, als Weib und Mann. Mann und Weib und Weib und Mann,

125 Reichen an die Gottheit an. (siehe auch Schutting S. 79/23 und S. 117/22)

S. 78/20: und immer noch einmal, ritze ratze, […] Siehe Schutting S. 27/13

S. 78/22: zu spät hat die schwarze Schwänin Amfortas gesungen von dem weiblichen Mund, von dem geküßt man gleich wieder gesund sei […] Siehe Schutting S. 77/1 f.

S. 78/28: als vor dem liebkranken Mann […] (Vilja-Lied, siehe Schutting S. 79/10 ff.)

S. 79/4: hineinzuschwinden in den züngelnden Höllenrosenschlund Siehe Schutting S. 12/2

S. 79/10 ff.: ach, daß sie mich sogleich liebkranken Mann doch schon geküßt gehabt hätte, im tiefsten Irr- und Wirrwald als ein Waldmägdelein ein jeder erkennt sie im Felsengestein – diesen Wald- und Viljaliedkuß ‒ „so küßt, ach so küßt doch kein irdisches Kind“ – als eine Krankenölung ich ihm hätte gebracht, auf daß seine Schmerzen die Sinne vergangen bald sind: Vgl. Lehár: Die lustige Witwe, S. 33 ff.: Vilja-Lied (Lied vom Waldmägdelein): Es lebt’ eine Vilja, ein Waldmägdelein [...] Dem Burschen die Sinne vergangen fast sind: So liebt und so küßt gar kein irdisches Kind! Refrain: [...] Vilja, oh Vilja, was tust du mir an!’ Bang fleht ein liebkranker Mann.

S. 79/23: ‒ „Mann und Weib, und Mann und Mann“ ‒ Siehe Schutting, S. 78/11

S. 81/2ff.: „den Dank, Dame, begehr ich nicht, wirft Kunigunde den Handschuh ins Gesicht und entfernt sich zur nämlichen Stunde“, oder so ähnlich. Vgl. Schiller: Der Handschuh. Bd. 2.1, S. 276/66 ff.: […] Empfängt ihn Fräulein Kunigunde. Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht: „Den Dank, Dame, begehr’ ich nicht!“, Und verläßt sie zur selben Stunde.

S. 81/10: auf der Burg, da keine Kavaliersdelikt-Sünd, Vgl. Sprichwort: Auf da Alm, da gibt’s ka Sünd.

S. 81/27: wie Champagner überschäumender Männlichkeit? Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 40, sog. „Champagnerarie“:

126 Auf zu dem Feste, froh soll es werden, […] Im Original: Finch'han dal vino, calda la testa [...]

S. 82/14: „melde gehorsamst, bin ohne Umschweife directemang feste druff gegangen!“ ‒ Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Das ist einfach direkte Rede, kein Zitat.“

S. 83/2: soll daher das, was er dem reinen Toren bei Tageslicht […] Siehe Schutting S. 5/14

S. 84/1: seinem Herrn und Meister nacheifern zu sehen, […] S. 84/13: ihn seinem Herrn und Meister nacheifern zu sehen? Siehe Schutting S. 51/19

S. 85/11: Angst vor vergeblicher Liebesmüh, […] Vgl. William Shakespeare: Love’s Labour’s Lost, in der Übersetzung „vergebliche Liebesmüh“.

S. 87/1f.: „Die Reichen sind rechtzeitig davon, wie immer hat es dann die Falschen erwischt!“? Kein Zitat, sondern direkte Rede, ebenso wie S. 87/6 ff.+13+29 f.

S. 87/22: meinen Buß- und Reu-Zwang, […] Vgl. Johann Sebastian Bach: Matthäuspassion, S. 20: Buß und Reu knirscht das Sündenherz entzwei (siehe auch Schutting S. 117/5) Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „ Mir gefällt es, dass es für das ‚etwas entzweiknirschen’ eine transitive Verwendung gibt.“

S. 87/32: als Madame Coeur, als Sex- und Seelenonkel, […] Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Es gibt immer in Frauenzeitschriften so eine Beratung in Liebesdingen.“

S. 88/1: bin ich eine törichte Jungfrau nach der anderen geworden, […] Vgl. Bibel, Mt 25, 2 (EU, S. 1108): Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen. […] Fünf von ihnen waren töricht, und fünf waren klug.

S. 89/9: Liebe habe ich gesät, aber nicht ernten können, […] Vgl. Bibel: Das Gleichnis vom anvertrauten Geld, Lk 19, 21 (EU, S. 1171): Du hebst ab, was du nicht eingezahlt hast, und erntest, was du nicht gesät hast.

S. 89/19 f.: […] und niederregnen auf Geliebte und Nichtgeliebte, auf Gerechte und Ungerechte Vgl. Bibel, Mt 5, 45 (EU, S. 1081): […] denn er läßt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er läßt regnen über Gerechte und Ungerechte.

S. 89/30 f: zu dem Herzensseufzer: „endlich darf Amfortas sterben!“ einen dem König Herodes zugedachten Vers? Vgl. Johann Christian Günther (1695-1723), Trost-Aria: (zitiert nach Schutting: Zuhörerbehelligungen, S. 144):

127 Endlich, endlich kann der Neid, Endlich auch Herodes sterben; […]

S. 89/33 ff.: er oder ich auf den Lippen das nicht ganz korrekte Zitat: „endlich, endlich, endlich ach, endlich heilt die tiefste Wunde!“? Vgl. Günther: Trost-Aria (s. o): Endlich heilt die tiefste Wunde;

S. 90/29: daß nur, wer gehorchen kann, auch befehlen kann – Vgl. Paul von Hindenburg, An die deutsche Jugend, 1. Mai 1933: Nur wer gehorchen gelernt hat, kann später auch befehlen. (Quelle: Harenberg, S. 410)

S. 90/34: hat ihr Zigeunerblut allmählich seßhaft zu werden gelernt: Siehe Schutting S. 51/31

S. 90/36: des immer strebendes Gehorch-Bemühens wir bald erlösen können! Siehe Schutting S. 41/15 ff.

S. 91/26 f.: als ein schwarzaugertes Kind ausgesetzt, habe sie dem Waldgetier zu überleben abgeschaut, […] Siehe Schutting S. 51/31

S. 92/8 f.: wer aber mir rühmt nach, ich hätte DEM nachgeeifert, der Kranke heilt und Lahme gehen macht? Vgl. Bibel, Mt 11, 5 (EU, S. 1088): Blinde sehen wieder, und Lahme gehen, Aussätzige werden rein […]

S. 92/26: P: eine Welt, nicht von dieser Welt? Vgl. Bibel, Joh 18, 36 (EU, S. 1208): Jesus antwortete: Mein Königtum ist nicht von dieser Welt.

S. 92/27: mit Feuer und Schwert wahrzumachen, […] Vgl. Bibel, Das Buch Jesaja 66, 16 (EU, S. 866): Ja, mit Feuer und Schwert hält der Herr Gericht über alle Sterblichen, […]

S. 94/6 ff.: kommst du, o Wanderin zwischen der Sinnenwelt und der Geisteswelt, irrend strebenden Erlösungsbemühens an einen Scheideweg, vor dem zwei Kerle in der Wiese hocken, so wisse: einer von beiden sagt immer die Wahrheit, der andere immer die Unwahrheit sagt. und du darfst nach dem richtigen Weg nur einmal fragen! Vgl. Büchmann, S. 55: Distichon von Simonides von Keos, übersetzt von Schiller: Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du habest Uns hier liegen gesehn, wie das Gesetz es befahl. Ad strebendes Erlösungsbemühen: siehe Schutting S. 41/15 ff Vgl. Das Lügner-Paradoxon (z. B. Ein Kreter behauptet: „Alle Kreter lügen.“)

S. 95/7: Tochter des Erdgeistes, vielleicht! Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6.1, S. 547/459: (Er schlägt unwillig das Buch um, und erblickt das Zeichen des Erdgeistes.)

128 S. 95/11: man müßte nachsehen, ob ihre Haut weiß-schwarz gefleckt ist […] Vgl. Wolfram: Parzival II, S. 536/747/27: swarz und blanc her unde dâ, […]

S. 95/14: ist sie halb Höllenrose, nabelaufwärts hingegen Himmelsrose, […] S. 95/21: ab mit mir in die Hölle der Höllenrose, hinab-hinan in die Höhle der Höhlen- oder Himmelsrose! Ad Höllen-Rose: Siehe Schutting S. 12/2 Ad Himmelsrose: Siehe Schutting S. 69/10 ff.

S. 95/20: wie gern wollt ich zum Augenblicke sagen: […] Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6.1, S. 581/1699: Werd ich zum Augenblicke sagen: […]

S. 95/23: eine Rose ist eine Rose, […] Vgl. Gertrude Stein: Sacred Emily (In: Geography and Plays), S. 187: Rose is a rose, is a rose, is a rose.

S. 95/28 f.: Gralskönigin soll sie werden, mag nicht länger Erlkönigin und Schwarze Köchin sein! Ad mag nicht länger [...] sein: Siehe Schutting S. 11/33ff. Ad Erlkönigin: Siehe Schutting S. 18/26 Ad Schwarze Köchin: Siehe Schutting S. 46/25

S. 98/7: – das ist die wahre Liebe wahrlich nicht! – , S. 98/32: das ist die Liebe nicht! Vgl. Deutscher Schlager von Will Glahé (Gesang: Rudi Stemmler): Das ist die wahre Liebe nicht https://www.youtube.com/watch?v=Ne8hhcKPf2Q

S. 99/29 ff: G: […] nach Ablegung des feierlichen Gelübdes, niemals das eine Wort aus dem Mund zu lassen, das mich, so ein Traum der holden Mutter im Sterbebett, aus dem Mund der Geliebten töten würde! Vgl. Wolfram: Parzival II, S. 668/825/18: nu hoeret wes ich iuch biten wil. gevrâget nimmer we ich si: sô mag ich iu belîben bî. Ad Traum der Mutter: Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Das ist reine Spekulation, ein bisserl ein Schwadronieren [von G].“

S. 100/24 f.: der Ihr – ‚Ihr‘ großgeschrieben – erstes Lallen noch im Ohr ist, ihr – kleingeschrieben – dort – im Ohr – noch lacht! Siehe Schutting S. 63/3 f.

S. 100/26 ff.: ich habe Kinderfrauen jeder Zahl gehabt, dicke und dünne, alte und junge, schöne und nichtschöne, und sie wie die Windeln gewechselt, genug das an Zweit-, Dritt- und mille-e-tre-Müttern, […] Vgl. Mozart: Don Giovanni („Registerarie“), S. 27 f.: Schön und häßlich, jung und alt.

129 S. 102/13: wiewohl von da an nix Helena in jeder Weibsperson, […] Siehe Schutting S. 63/6

S. 105/17: da traf mein Blick sie! Siehe Schutting S. 5/14

S. 106/25: die eine bestellst du dir auf dein Schloß, […] Siehe Schutting S. 71/3

S. 107/3: aber noch immer trifft ihr Blick mich […] Siehe Schutting S. 5/14

S. 108/5: Musik, [...] zu der P und Gurnemanz durch Zeit und Raum auf die Gralsburg zugeschritten sind Siehe Schutting S. 5/17

S. 108/14 f.: […] der Reihe nach markiert, schön und häßlich, alt und jung, […] Siehe Schutting S. 100/26 ff.

S. 109/10 f.: laß dich noch einmal Vögelin, hinauswirbeln aus der Erdenwelt und Körperschwere, [...] S. 109/14: die Maschinenmusik, flieg, Vögelin, flieg, […] Vgl. Liederbuch des Deutschen Volkes (im Kapitel „Kinder-Scherz und Glaube“), S. 11: Maikäferlied: Maikäfer flieg! Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Es gibt ein Kinderlied, ‚Maikäfer, flieg! Dein Vater ist im Krieg’ fällt mir dazu ein. Diese Stelle hier handelt von einer letzten Ejakulation. Ein Wunschbild. Das ist ja für viele ein Wunschtod, es heißt ja auch der ‚kleine Tod‘.“

S. 109/30: habe ich mir Blumenmädchen-Allergien zugelegt, […] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 46: Mädchen vom Garten kommend. 660

S. 110/1: ich nehme die Witterung auf, kehre mich ihr zu, aber aus der Einladung in mein Schloßbett wird nichts, […] Ad Witterung: siehe Schutting S. 6/29 ff. Ad Schloßbett: siehe Schutting S. 71/3

S. 111/26: da stehst du da, als ein reiner Tor, […] Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6.1, S. 545/358: da steh ich nun, ich armer Tor Ad reiner Tor: siehe Schutting S. 5/14

S. 111/33: in der Fachsprache ‚Mitleidsfrage‘ genannt! Vgl. Wolfram: Parzival II. Nachwort, S. 691: Anfortas könnte durch eine Mitleidsfrage Parzivals erlöst werden […]

S. 112/9 f.: da reine-Toren-Stimme was sonst als Gottes Stimme und Kinder und Narren die Wahrheit plappern! Ad reine-Toren-Stimme: Siehe auch Schutting S. 5/14

660 In der Fußnote bei Wagner als Blumenmädchen bezeichnet.

130 Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 418: Kinder und Narren sagen die Wahrheit.

S. 112/11: „Leben und sterben lassen!“, „Friß, Henderl, oder stirb!“ Vgl. Röhrich, S. 941: Leben und leben lassen. (das Zitat stammt aus Schillers Werk Wallensteins Lager) Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 238: Friss, Vogel, oder stirb!

S. 112/12: „Wenn der Herrgott net wüü, und kein Gott hat Erbarmen!“ ‒ Siehe Schutting S. 23/12 Vgl. Schiller: Die Bürgschaft. Bd. 2. 1, S. 252/62 f.: Und teilt mit gewaltigen Armen Den Strom, und ein Gott hat Erbarmen.

S. 112/32: und dann – nun bist du klüger als zuvor ‒ , Vgl. Goethe: Faust I. Bd. 6. 1, S. 545/358 f.: Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor;

S. 112/34: Nur wer nicht suchet, den Gral findet? ‒ Vgl. Bibel, Mt 7, 7: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden.

S. 113/5 f.: egal ob die Substanz ein Kreuzestod-Blutstropfen ist oder ein aktiver Meteorstein à la Stern von Bethlehem! Vgl. Wagner: Parsifal, S. 18/170: darein am Kreuz sein göttlich Blut auch floß, […] Vgl. Wolfgram: Parzival II, S. 66/469/7ff.: er heizet lapsit exillîs. von des steines craft der fênis verbrinnet, daz er ze aschen wirt: Vgl. Bibel, Mt 2, 9 (EU, S. 1076): Und der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, zog vor ihnen her […]

S. 113/19 ff.: was den anderen Rittern eine Ozon- und Frischzellentherapie, ein Bräunungsinstitut, ein Lebensborn, ein Jungbrunnen-Uhl, das ist dem einen sein Herz- und Schmerzangst-Nachtigall! Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 750: Was dem einen sin Uhl, ist dem anderen sin Nachtigall. (ad Lebensborn: siehe Systemreferenz)

S. 114/8: in den Raum zu stellen, der hier, mein Freund, zur Zeit wird, […] Siehe Schutting S. 5/17

S. 114/13 ff.: allerdings nicht zu dem kinderlosen König namens Herodes unterwegs, dem drei Weisheitskönig die unkluge Frage nach dem neugeborenen und anbetungswürdigen König der Juden gestellt haben ‒ wenn einem der Folgetod (‒ oder wie man da sagt ‒) wenn einem der Folgetod unschuldiger Kinder […] Vgl. Bibel, Mt 2, 1-2 (EU, S. 1076):

131 Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes in Betlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen. Und weiter Mt 2, 16 (EU, S. 1077): Als Herodes merkte, dass ihn die Sterndeuter getäuscht hatten, wurde er sehr zornig und er ließ in Betlehem und der ganzen Umgebung alle Knaben bis zum Alter von zwei Jahren töten.

S. 114/22: sei sie gelegen zwischen bluomen unde gras Vgl. Walther von der Vogelweide: Gedichte, S. 200: Under der linden an der heide, dâ unser zweier bette was, dâ muget ir vinden schône beide gebrochen bluomen unde gras […]

S. 114/31: ob der Altkönig „Euch sendet Gott mir!“ mir zurufen wird? Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Das ist der Don Carlos, das ist bei Schiller. Das sagt der Philipp.“ Dieses Zitat findet sich bei Tosca und ist in Don Carlos nicht zu finden. Schutting sagte aber: „Ich hab sicher dabei an den Philipp gedacht.“

S. 115/5: Stunde vergehe, Wunde verwehe, […] S. 115/34: Stunde verwehe, Wunde vergehe, […] Schutting (im Gespräch vom 13. 5. 2014) bestätigt, dass es sich um eine Irreführung des Lesers handelt. „Diesen Klang soll es [aus Wagners Parsifal] imitieren.” (siehe auch Schutting S. 117/7)

S. 115/6: Maria durch den Dornwald ging, […] Vgl. Gotteslob, Adventslied, S. 983: Maria durch ein Dornwald ging

S. 115/9: nur als Gleichnis ein Ereignis. Vgl. Goethe: Faust II. Bd. 18.1, S. 351/12104 ff.: CHORUS MYSTICUS. Alles Vergängliche Ist nur ein Gleichniß; (sic!) Das Unzulängliche, Hier wird’s Ereigniß; (sic!)

S. 115/10 ff.: über allen Aschewipfeln ist Ruh, in allen Aschezweigen spürest du kaum einen Atemhauch, über den Gipfeln verzeihend verzieht sich der Ascherauch, […] Vgl. Goethe: Wandrers Nachtlied. Bd. 2.1, S. 53: Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch;

Zeile S. 116/32 ff.: der „Mein ist die Rache, sprach der Herr!“ gesprochen hat, gekränkt von Rache ohnegleichen ist, ein Apfel also nicht weit fällt vom Paradieses-Kreuzesstamm!

132 Vgl. Bibel, Römer 12, 19 (EU, S. 1262): […] denn in der Schrift steht: Mein ist die Rache, ich werde vergelten, spricht der Herr. Ad Rache ohnegleichen: Siehe Schutting S. 5/8 Vgl. Duden. Das große Buch der Zitate und Redewendungen, S. 43: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Vgl. Gotteslob, S. 915: Heilges Kreuz sei hoch verehret . . . Kreuzstamm Christi meines Herrn (siehe auch Schutting S. 117/32)

S. 117/4 f.: […] auf daß sein klaffendes Sünderherz entzweiknirsche wer oder was? Buß und Reu und Abscheu vor dem weiblichen Geschlecht, […] Siehe Schutting S. 87/22

S. 117/7: P: Stunde vergehe, Wunde verwehe! Siehe Schutting S. 115/5+34

S. 117/14 f.: wolle nun ein willigen Geistes ein einziges Mal schwach gewordenes Fleisch lebenslang umbringen, […] Vgl. Bibel, Mk 14, 38 (EU, S. 1136 f.): Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

S. 117/22: mit einer Frau (‒ Mann und Weib, und Weib und Mann ‒ ) Siehe Schutting S. 78/11

S. 117/32: (‒ „lege die Hand in meine Seite“ ‒ ) im Original gern als „süße Wunde meines Herrn“ besungen? Vgl. Bibel, Joh 20, 26-27 (EU, S. 1211): Da kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: […] Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Ad süße Wunde meines Herrn: Siehe Schutting S. 116/34 (Schutting bestätigte im Gespräch das Kirchenlied Heilges Kreuz sei hoch verehret als Prätext und behauptete, dass darin „süße Wunde“ vorkomme. Das stimmt zwar nicht; dass wir aber vom selben Lied ausgehen ist gewiss, da Schutting das Lied sogar angesungen hat.)

S. 118/6: sie zuerst einem Toten in die Brust zu rennen (‒ Blut und Wasser‒), Vgl. Bibel, Joh 19,34 (EU, S. 1209): […] sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floß Blut und Wasser heraus.

S. 118/15: hätten Sie auf der Wanderung durch Raum und Zeit zur ostpreußischen Ordensburg Munsalwäsche […] Siehe Schutting S. 5/17

S. 118/19 ff.: beim Ausfratschelungsverhör nach Name und Vater das kundgetan: Sigmund Meyerbeer mein Name, und mein Vater Israel nicht eine Krone, sondern ein Käppchen trage, sei russischer Flickschuster, wie Hans Sachs? meine Mutter eine geborene Herzleidt, mein Bruder Feirefiz ein Mischling aus Abendland und Mohrenland, nach Mendelscher Heils-Vererbungslehre wie eine Elster schwarz und weiß gefleckt!

133 Vgl. Wagner: Parsifal, S. 23 f./256 ff.: GURNEMANZ. Wer ist dein Vater? PARSIFAL. Das weiß ich nicht. [...] GURNEMANZ. Dein Name dann? PARSIFAL. Ich hatte viele, doch weiß ich ihrer keinen mehr. Vgl. Wagner: Parsifal, S. 24/266: Ich hab’ eine Mutter; Herzeleide sie heißt: Vgl. Wolfram: Parzival I, S. 100/57/15 ff.: diu vrouwe an rehter zît genas eins suns, der zweier varwe was, an dem got wunders wart enein: wîz und swarzer varwe er schein. Vgl. Wolfram: Parzival I. S. 6/1/3 ff. („Elsterngleichnis“): gesmaehet unde gezierte ist, swâ sich parrieret unverzaget mannes muot, als agelstern varwe tuot.

S. 118/33: auch um dem Führer dann nicht durch Raum und Zeit […] Siehe Schutting S. 5/17

S. 120/3 f.: von der Krankheit befreit, was sie verursacht hat: mit dem Speer, der die Wunde geschlagen hat, […] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 82/1227 ff.: PARSIFAL. Nur eine Waffe taugt: ‒ die Wunde schließt der Speer nur, der sie schlug.

S. 120/ 24 f.: mitschuldig geworden, Schritt für Schritt? so nimm denn von der Mutter diesen Abschiedstritt! Siehe Schutting S. 5/21

9. 3 Systemreferenz: NS-Diktion, NS-Bezug

Schutting: „Ich entlehne da Begriffe, die in dieser Zeit für diese Ideologie wichtig waren, ob ich da allerdings eine Reverenz erweise? Wenn ich das Wort ‚Verladeraum’ verwende, ist es selbstverständlich eine Anspielung oder ‚bei Nacht und Nebel’; es gibt heute schon so viele junge Leute die ‚bei Nacht und Nebel’ gar nicht wissen, dass die da verschleppt worden sind. Das bezieht sich auf die Verwendung dieser Begriffe; es hat ja auch einen unschuldigen Erlösungsbegriff gegeben und die Endlösung klingt ja auch noch nach Erlösung; wenn ich so

134 etwas verwende, dann quasi um zu übersetzen, was bei Wagner661 . . . da hätte es ja den Begriff Euthanasie nicht gegeben, aber ich verwende den Nazi-Begriff ‚Euthanasie’ um zu sagen, dass Wagner an dieser Denkungsart da schon einiges vorweggenommen hat. Beim Wagner ist so vieles drinnen, allein schon dieser Götterdämmerungsrausch. Dass dann dem Hitler noch vorschwebt, man soll in Berlin die U-Bahn-Schachte alle mit Wasser füllen und dann kommt die Götterdämmerung über die Welt. . . Beim Wagner ist da schon vieles zu erahnen. Ich hasse, wirklich hasse die Meistersinger, so schön manches ist. Dieser ‚welsche Tand’ und so weiter; wenn man sich dann vorstellt, das hat der Toscanini in Bayreuth dirigiert – da könnt ich mich heut noch für die Deutschen genieren.“ (Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014)

S. 8/14 ff.: was?!mein Herr Papa und auch dem da seiner hätte auch so Minderwertiges komponiert wie das Wort ‚Verjudung’? der Jude, das Weib, das ist schon auch seine Tonart gewesen, der Jude und die Verjudung, [...] Vgl. Horst Dieter Schlosser: Sprache unterm Hakenkreuz. Eine andere Geschichte des Nationalsozialismus, S. 224: „Den Gipfel, besser den Tiefpunkt der sprachlichen Kollektivierung stellte schon vor 1933 der Singular ‚der Jude’ dar, durch den jegliche Möglichkeit unterbunden wurde, in Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe überhaupt noch Individuen zu erkennen.“

S. 9/15: in Säuberungsaktionen [...] Vgl. Martin Broszat/Norbert Frei (Hrsg.): Das Dritte Reich im Überblick, S. 202: 7. 2. 1933: Göring ernennt Kurt Daluege zum Kommissar z. b. V. im Preußischen Innenministerium: ab 12. Febr. politische „Säuberung“ der höheren Beamtenschaft, besonders der Polizei.

S. 9/25: wenn du die Untermenschenwelt hinter dir zurücklassen möchtest, [...] Vgl. Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, S. 618: Untermensch: verächtliche Bezeichnung für die als rassisch und moralisch minderwertig deklarierten Juden, Polen, Russen und für Kommunisten.

S. 14/7: heißt es Erlösung oder ENDlösung ‒ […] Vgl. Peter Longerich: Der ungeschriebene Befehl. Hitler und der Weg zur „Endlösung.“, S. 27 f.: Als „Endlösung der Judenfrage“, kurz „Endlösung“, bezeichneten die Nationalsozialisten seit Juli 1941 ihr Ziel, alle von ihnen als Juden definierten Personen in Europa und darüber hinaus zu ermorden, das sie bis zum 8. 5. 1945 systematisch verfolgten. (siehe auch Schutting S. 16/13, S. 38/21, S. 119/5+12)

S.14/30 f.: [. . . ] das in einem von Geist angekränkelt nichtgesunden Volkskörper wohnt, […] Vgl. Broszat/Frei, S. 217: Der sog. „gesunde Volkskörper” war ein Ziel der Nationalsozialisten, das mittels „Rassenhygiene” (Zwangssterilisierung und Euthanasie, der „Vernichtung lebensunwerten

661 Schutting spricht und schreibt manchmal in „Halbsätzen“. Das fällt unter den Bereich „Sprachökonomie“, die er in manchem schätzt.

135 Lebens“) erreicht werden sollte. 14. 7. 1933: Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses

S. 14/33 f.: Hinweg daher mit Immanuel Kant, diesem bucklicht vererbungsunwürdigen Zwerg? Siehe Schutting S. 14/30

S. 16/13: im Kulminationspunkt der ER- und nicht ENDlösung Siehe Schutting S. 14/7

S. 17/3: Endzeit oder Volk ohne Raum? […] Vgl. Cornelia Schmitz-Berning: Vokabular des Nationalsozialismus, S. 644: Die Wendung„Volk ohne Raum“ wurde durch den Roman von Hans Grimm (1926) zur festen Wendung und zum Schlagwort. Die Nationalsozialisten legitimierten damit den deutschen Eroberungskrieg im Osten.

S. 17/14 f.: Geleitbrief? Ariernachweis? innere oder äußere Emigration, das sei hier die Frage? Vgl. Schlosser: S. 54 f.: Der Ariernachweis diente dem Nachweis arischer, möglichst „deutschblütiger“ Abstammung seines Inhabers und war zugleich ein Herrschaftsinstrument der NS-Zeit. S. 20/10: […] in tausendjährigem Winterschlaf? Vgl. Schlosser, S. 279: Anhänger des Nationalsozialismus sprachen vom dritten oder auch vom „tausendjährigen Reich“.

S. 22/23 f.: ‚Rasselbande‘ oder ‚Rassenschande‘? ‚Nur für Anrainer‘ oder: ‚Nur für Arier‘? Vgl. Broszat/Frei, S. 233: Auszug aus den „Nürnberger Gesetzen“ von 1935: „Das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ verbietet die „Mischehe“ sowie außereheliche Beziehungen zwischen „Ariern“ und Juden („Rassenschande“).

S. 22/28 ff.: Habt ihr von arisierten Tellerchen gegessen, seid ihr auf dem Nur-für-Arier-Bänklein gesessen, […] seid ihr in dem Park herumspaziert, an dessen Tor zu lesen stand: ‚Betreten für Juden lebensgefährlich!‘ – […] Siehe Schutting S. 17/14 f. Vgl. Broszat/Frei, S. 251: Nach der sog. „Reichskristallnacht“ (9. 11.1938) folgte eine beispiellose Diskriminierung und Ausgrenzung der Juden aus der Öffentlichkeit (u. a. Teilnahmeverbot an kulturellen Veranstaltungen, Verbot des Besuchs öffentlicher Schulen und Hochschulen) und ihre Ausschaltung aus der Wirtschaft (entschädigungslose Zwangs-„Arisierung“ jüdischer Betriebe).

S. 22/34 f.: mit der gutbürgerlichen Tafel ‚Juden unerwünscht’ geziert hat, […] Siehe Schutting S. 22/28 ff.

S. 26/11 f.: wird hier die Parole der Räuberführer, „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ zum Staats-Raubgesetz erhoben, […] Vgl. Broszat/Frei, S. 178: Die Forderung „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“ war als oberstes sittliches Gesetz des Nationalsozialismus Bestandteil des 1920 verkündeten Parteiprogramms der NSDAP.

136 S. 38/18: [… ] Propagandistin des gesunden Volkskörpers, […] Siehe Schutting, S. 14/30 f.

S. 38/20: […] geistesverwandt der Muse der Nacht- und Nebelaktionen! Vgl. Lothar Gruchmann: NS-Besatzungspolitik und Résistance in Europa. In Broszat/Frei, S. 157: „Zu den deutschen Reaktionen [erg.: auf die Résistance] gehörte Hitlers für diesen Raum (außer Dänemark) gültiger ‚Nacht- und Nebel-Erlaß‘ vom Dezember 1941, wonach des Widerstands Verdächtige heimlich in deutsche Konzentrationslager gebracht werden sollten, soweit gegen sie kein wehrmachtgerichtliches Todesurteil gefällt werden konnte“. (siehe auch Schutting S. 120/12)

S. 38/21: Erlösung oder Endlösung, […] Siehe Schutting S. 14/7

S. 43/16: ein paar Sekunden vor dem Endsieg im Erreichen […] Vgl. Broszat/Frei, S. 268: Im 2. Weltkrieg wurde der Begriff Endsieg zu einer Beschwörungsformel der Nationalsozialisten. Er sollte militärisch durch besondere Opferbereitschaft, die angebliche rassische Überlegenheit der Deutschen und technologische Innovationen herbeigeführt werden.

S. 45/34 f.: es soll ihr ja etwas von deutscher Tierliebe dämmern, gipfelnd dereinst in Schäfer- oder Hitlerhundliebe. Adolf Hitler hatte mehrere Schäferhunde, mit denen er sich gern fotografieren ließ. Vgl. Ian Kershaw: Hitler 1889-1936, S. 319: Foto 25. Das Bild des Führers: Hitler mit seinem Schäferhund Prinz, 1925.

S. 68/28: himmlerschen Tisch- und Tafelrunden Vgl. Broszat/Frei, S. 186 und S. 208: Heinrich Luitpold Himmler (1900-1945), Reichspropagandaleiter der NSDAP, ab 1929 Reichsführer der SS, ab 1943 Reichsminister des Innern.

S. 68/30: vom Antichristen Heil Hi wird uns Bleichblütigen ein Ritter-Mutterkreuz verliehen für blut- und bodenreine Mutterschaft, […] Vgl. Broszat/Frei, S. 252: 16. 12. 1938: Hitler stiftet „Ehrenkreuz der Deutschen Mutter“ (Gold für mehr als sieben Kinder). Vgl. ebda, S. 221: 29. 9. 1933 wird das Reichserbhofgesetz erlassen. Es lautet: „Bauer kann nur sein, wer deutscher Staatsbürger, deutschen oder stammesgleichen Blutes und ehrbar ist. Der Erbhof geht ungeteilt auf den Anerben über“ (Blut- und Boden-Ideologie).

S.69/1: tost in mir der Kampf um den Endsieg der Partei, […] Siehe Schutting S. 43/16

S. 108/9 f.: […] Bahnhofstafel TERESPOL […] Terespol (Polen) hatte nach 1939 ein Übergangslager für polnische Kriegsgefangene.

S. 113/19 ff.: die Gralslichtinfusionen, die zwielichtige Bestrahlung: was den anderen Rittern eine Ozon- und Frischzellentherapie, ein Bräunungsinstitut, ein Lebensborn, ein Jungbrunnen-Uhl,

137 Vgl. Broszat/Frei, S. 233: 13. 12. 1935: Himmler gründet „Lebensborn e. V.“ zur Förderung von Kinderreichtum in der SS.

S. 119/5: na ja, und dann geht es halt an die Endlösungs-Erlösung, [...] S. 119/12: Erlösung oder Endlösung, Endlösung wie:[...] Siehe Schutting S. 14/7

S. 119/23: sein Leben lebensunwert befunden hat S. 119/36: von der Untermenschenkrankheit wird der Kranke Siehe Schutting S. 14/30

S. 120/8 ff: Spritze, Massenerlösungen, die deiner Erlösungstat folgen werden! [...] Nacht- und NebelNATIONEN oder Nacht- und NebelAKTIONEN? Siehe Schutting S. 14/7 Siehe Schutting S. 38/20

9. 4 Intermedialität

S. 7/14 ff.: […] aus weiter Ferne ist Kundrys ‚Par-si-fal‘ aus dem zweiten Akt zu hören, Martha Mödl. [...] sogleich überlaut Kundrys Aufschreien und/oder Lachen aus dem ersten Akt, wieder Martha Mödl. [...] noch einmal das lockende ‚Par-si-fal‘ aus der Ferne, [...] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 53/670 und S. 53/673: KUNDRYS STIMME. Parsifal! […] Anmerkung: Martha Mödl (1912-2001), große Wagnersche Nachkriegsprimadonna. Schutting im Gespräch vom 13. 5. 2014: „Martha Mödl ist für mich die Kundry gewesen. Ich hab sie das erste Mal in Bayreuth gesehen. . . da war sie in so einer schwarzen Kombinege. Ich hab ein Gedicht an die Mödl bei Otto Müller ‒ wie heißt denn das Buch? – Metamorphosen,662 glaub ich. Der Untertitel ist: Über Musik. Da kommt sie in dieser Erdhaftigkeit, wie sie da wirklich aus der Unterwelt auftaucht, vor.“663

S. 12/25 f.: […] könnten begleitet werden von Ks schaurigem Opernlachen (wieder Martha Mödl) […] Siehe Schutting S. 7/14 ff.

S. 13/7: zu der Wagnerschen ‚Schreit‘-musik aus dem ersten Akt […] Vgl. Wagner: Parsifal (sog. Verwandlungsmusik), S. 28: Allmählich, während GURNEMANZ und PARSIFAL zu schreiten scheinen, verwandelt sich die Bühne, […]

S. 13/17: und da ja auf der Opernbühne die Ritterrunde einen Halbkreis um Amfortas zu bilden pflegt, […] Eine Anmerkung zur gängigen Inszenierungspraxis.

S. 13/29: das seraphische Deutsch-chorale sollte kurz zu hören sein, […] Vgl. Wagner: Parsifal, S. 30: KNABENSTIMMEN

662 Julian Schutting: Auf Schleichwegen Martha Mödls Kunst mich zu nähern. In: Metamorphosen auf Widerruf. Über Musik. Salzburg, Wien: Otto Müller 2003. S. 86 f. 663 Ebda: […] um in ihrer Stimme, auf den Erdton gestimmt, […] und: Das ewig Weibliche der Mutter Erda sei es […]

138 aus der äußersten Höhe der Kuppel. Der Glaube lebt; die Taube schwebt, des Heilands holder Bote. (Anmerkung: seraphisch = engelsgleich, zu den Engeln gehörend)

S. 14/4: die Szene sollte enden mit einer Aneinanderreihung der zuletzt zitierten Wagner- Musiken; Tristans Fieberraserei Zuletzt zitierte Wagner-Musiken: siehe Schutting S. 13/7 und S. 13/29 (Parsifal) Vgl. Wagner: Tristan und Isolde, S. 337: Lust ohne Maßen, freudiges Rasen!

S. 14/15 f.: Heißt es BühneweihENDspiel oder BühneweihFESTspiel, dem Beifall zu klatschen der gaffenden Menge verpönt ist, […] Vgl. Samuel Beckett: Endspiel (erschienen 1956) Vgl. Wagner, der Untertitel der Oper Parsifal lautet „Bühnenweihfestspiel“. Aus dem aktuellen Programm der Staatsoper zu Parsifal (um das Zischen zu unterdrücken, mit dem Zuseher Applaudierende ermahnen wollen): „Das ruhige Verklingen des ersten Aktes schliesst einen Applaus von selbst aus. Dagegen wünschte der Meister es ausdrücklich, dass nach dem 2. und 3. Akt das Publicum den Künstlern seinen Dank durch Beifall ausdrücke.“

S. 20/8 f.: […] In der Aushöhlung des Altartisches, Grabkammer, schläft Titurel. Statt Gurnemanz Don Giovanni) Vgl. Wagner: Parsifal, S. 79/1170: ZWEITER ZUG mit Titurels Sarge. Es birgt den Helden der Trauerschrein, […] Titurel führen wir her.

S. 24/8 ff.: [. . .] der Tristan-Akkord, auch Ihnen zugeeignet, mache deutlich die Unerfüllbarkeit sinnlichen Verlangens, durch seine sogenannte ‚harmonische Unauflösbarkeit‘? Vgl. Karol Berger: Tristan und Isolde, S. 374: Der sogenannte Tristan-Akkord ist ein in Wagners 1865 uraufgeführtem Musikdrama Tristan und Isolde leitmotivisch verwendeter Akkord. Die Vortragsanweisung dafür lautet „langsam und schmachtend“. Der Tristan-Akkord gilt als harmonisch ambivalent, da „aufgrund seiner Alteration nicht als eindeutig einer Funktion“664 zuzuordnender Akkord. Borchmeyer zum Einschub auch Ihnen zugeeignet, der sich auf die Übernahme des Tristan- Akkords in die Oper Parsifal bezieht:

Poetisch wie musikalisch ist Parsifal eine Zurücknahme des Tristan. Bezeichnend, daß das nunmehr als sündig gewertete Liebessehnen mitsamt seiner chromatischen Ausdrucksskala in die (Wollust-)Hölle verbannt wird: „der Tristan-Akkord in tiefer Holzbläserlage symbolisiert nun die 665 Klingsorwelt“ .

S. 30/29: wird mein sein der Tristanakkord, […] Vgl. Schutting S. 24/8

664 Karol Berger: Tristan und Isolde. Handlung in drei Aufzügen WWV 90. In: Wagner Handbuch. Hrsg. von Laurenz Lütteken unter Mitarbeit von Inga Mai Groote und Michael Meyer. Kassel: Bärenreiter und Stuttgart und Weimar: Metzler 2012. S. 374. 665 Borchmeyer: Das Theater Richard Wagners, S. 296.

139 S. 33/11 f.: […] aus einem Grammophon ist die Champagner-Arie zu hören (Schallplatte mit einem Kratzer, daher ein Knacksen in regelmäßiger Wiederkehr). Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 40 (Arie „Auf zu dem Feste“/ „Finch'han dal vino“).

S. 67/19 ff: in der Ferne ein Gebäude, das mehrerlei sein könnte: wenn schon nicht der Stall von Bethlehem oder die Geburtskirche, dann eine Kreuzritter- oder eine Naziburg, ein Bunker, ein Casino, ein türkisches Frauenbad, aber auch der Gralstempel oder Klingsors Zauberschloß. Vgl. Wagner: Parsifal, S. 7: Links aufsteigend wird der Weg zur Gralsburg angenommen. Vgl. Wagner: Parsifal, S. 5: Die Tracht der Gralsritter und Knappen ähnlich der des Templerordens: Vgl. Wagner: Parsifal, S. 39: KLINGSORS Zauberschloß.

S. 67/27 f.: zwischendurch, aber ganz fern, das dümmliche Blumenmädchen-Gsangel? Zu Ende ein wenig Karfreitagszauber? Vgl. Wagner: Parsifal, S. 48 f.: Einzelne sind in die Lauben getreten, und kommen jetzt, ganz wie in Blumengewändern, selbst Blumen erscheinend, wieder zurück. Vgl. Wagner: Parsifal, S. 77/1133: Das ist Char-Freitags-Zauber, Herr!

S. 69/26 f.: […] zur Melodie der Register-Arie. Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 27: Schöne Donna, dies genaue Register, Es enthält seine Liebesaffären; (ital.: „Madamina, il catalogo è questo…“)

S. 72/1: […] wechseln berühmte Venus-Bilder (Tizian, Velazquez, Goya . . . ) Die Venus von Urbino, ein Ölgemälde von Tizian (1538) . Venus vor dem Spiegel (Venus von Robeky) von Diego Velázquez (1648-1651). Die nackte Maja, ein Ölgemälde von Francisco José de Goya y Lucientes (1795-1800)

S. 76/9 ff.: [...] und in dem Augenblick dürfte ganz laut „Amfortas! Die Wunde!“ zu hören sein [...] Musik bereits während des Monologs: aufs äußerste, aufs bloß Erkennbare reduziert, Fragmente der Passagen, die er zitiert (Papageno; Lehárs Vilja-Lied) Vgl. Wagner: Parsifal, S. 58/773: Amfortas! – – Die Wunde! – Die Wunde! – Vgl. Mozart: Zauberflöte, S. 61: Doch küßt mich ein weiblicher Mund, So bin ich schon wieder gesund! Vgl. Lehár: Die lustige Witwe, S. 33: Vilja-Lied (Lied vom Waldmägdelein)

S. 96/3 f.: könnte, […] aus dem ‚Don Giovanni‘ etwas von Donna Annas Gerase zu hören sein, auch an entsprechender Stelle eine Passage über die „belle maschere“. Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 20: Donna Anna. Gleich der Furie sieh mich rasen. Dein Verderben werd ich sein! Don Giovanni. Dieser Furie tolles Rasen, Mein Verderben wird es sein! Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 47:

140 Leporello. Nur näher, schöne Masken, Willkommen hier beim Feste!

S. 101/6 ff.: ‘Schmachtfetzen’-Musik, wie die Kapelle des Caffè Florian (oder Quadri) […] Caffè Florian und Caffè Quadri sind berühmte Kaffeehäuser auf dem Markusplatz in Venedig.

S. 101/10: P und G als zwei Schattenrisse à la Caspar David Friedrich Caspar David Friedrich (1774-1840), bedeutender Maler und Zeichner der deutschen Früh- Romantik.

S. 101/15 f.: (sie könnte gekleidet sein wie Silvana Mangano im Tod-in-Venedig-Film), […] Vgl. Film „Tod in Venedig“ von Luchino Visconti (1971) mit Silvana Mangano in der Rolle von Tadzios Mutter.

S. 101/17 f.: aus der Ferne, nun G zugedacht, Martha Mödls “Par-si-fal!” Siehe Schutting S. 7/14 ff.

S. 101/21: […] in dem Leinwandbild einer wüst geschminkten komischen Alten im Federkleid der Papagena? Vgl. Mozart: Die Zauberflöte, S. 52: Ein altes häßliches Weib kommt aus der Versenkung.

S. 101/31f.: sollte G während eines „Amfortas! die Wunde!-Schreies (ganz fern und von Schlagermusik fast zugedeckt […] Siehe Schutting S. 76/9 ff. S. 102/5: […] hörbare Caffè-Musik. S. 103/4: ‒ Markusplatz-Musik, Caffè-Konzert, […] Intermediale Bezüge durch Nennung einer für den Markusplatz typischen Musik.

S. 108/Zeile 5 f.: […] die Musik zu hören ist, zu der P und Gurnemanz durch Zeit und Raum auf die Gralsburg zugeschritten sind, […] Siehe Schutting S. 13/7

S. 110/30: in der Architektur der Gralshalle dürfte uns die Piazza San Marco aufdämmern Vgl. Wagner: Parsifal, S. 78: Endlich stellt sich der ganze große Saal, wie im ersten Aufzuge (nur ohne die Speisetafeln) wieder dar. Piazza San Marco: Markusplatz in Venedig.

S. 111/5 f.: […] dränge dann der unerträgliche Schöngesang hervor. Siehe Schutting S. 13/29

S. 120/26 f.: (G reißt die Waggontür auf, will geben oder gibt dem P einen Tritt, wobei er die Entsetzenslaute hören läßt seines Höllensturzes. […]) Vgl. Mozart: Don Giovanni, S. 78: Komtur. Jetzt naht dein Strafgericht! (Verschwindet.) (Flammen von verschiedenen Seiten, Erdbeben.) Don Giovanni. Welch ungewohntes Angstgefühl! Höllische Geister nahen sich, Es stürmt das wilde Flammenmeer Der Hölle her zu mir!

141 10 Überblick mit Zahlen

Kein Tom, kein Cruise, Nur Trenker Luis, Alles war so deitsch, do deitsch (Mike Supancic)666

Von Schutting zitierte Opern (insgesamt 16):

Richard Wagner: Parsifal, Tristan und Isolde, Tannhäuser, Götterdämmerung, Lohengrin Wolfgang A. Mozart: Don Giovanni, Die Zauberflöte, Die Hochzeit des Figaro Richard Strauss: Elektra, Salome, Der Rosenkavalier Ludwig van Beethoven: Fidelio Georges Bizet: Carmen Giacomo Puccini: Tosca Ruggero Leoncavallo: Der Bajazzo Carl Maria von Weber: Der Freischütz

Von Schutting zitierte Operetten (insgesamt 5):

Franz Lehár: Die lustige Witwe, Das Land des Lächelns, Der Zarewitsch, Giuditta. Johann Strauß: Die Fledermaus

Weitere musikalische Werke

Matthäuspassion (Johann Sebastian Bach) Wienerlieder (Weißt du Muatterl, was mir träumt hat? Wenn der Herrgott net will) Kinderlieder (Ist die schwarze Köchin da? Maikäfer flieg!) Kirchenlieder (Heilges Kreuz sei hochverehret, Mein Heiland, Herr und Meister, Maria durch ein Dornwald ging) Deutscher Schlager (Das ist die wahre Liebe nicht) u. a.

666 Kabarettist Mike Supancic nach dem Lied Heimweh von Terry Gilkyson und Richard Dehr, Frank Miller, interpretiert von Freddy Quinn (basierend auf Dean Martins Hit Memories are made of this). Der deutsche Originaltext lautet: Kein Gruß, kein Herz/Kein Kuss, kein Scherz/Alles liegt so weit, so weit

142 Unter den rund 230 Belegen finden sich Bezüge auf:

Bibelstellen: 28 Johann Wolfgang von Goethe: 41 Wolfram von Eschenbach: 13 Friedrich Schiller: 12

Außerdem gibt es Zitate von: Theodor W. Adorno, Wilhelm Busch, René Descartes Alexandre Dumas, Brüder Grimm, Friedrich Hölderlin, Immanuel Kant, Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Nietzsche, William Shakespeare, Walther von der Vogelweide, Ludwig Wittgenstein u. a.

143 Literaturverzeichnis

Primärliteratur

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Brigitte Spreitzer möchte ich herzlich für die kompetente und geduldige Betreuung meiner

Arbeit danken; meinen Eltern dafür, dass sie mir die Liebe zu Bildung und Literatur vermittelt haben. Ingrid Hable, Herbert Bolterauer und nicht zuletzt meinem Sohn Severin danke ich für das sorgfältige und überaus hilfreiche Korrekturlesen. Und nicht zuletzt bin ich Julian

Schutting dankbar für das ausführliche, persönliche Gespräch in Wien und sein herzliches

Entgegenkommen.