INFRASTRUKTURATLAS Daten und Fakten über öffentliche Räume und Netze 2020 IMPRESSUM

Leitung: Sebastian Bukow, Ole Meinefeld, Roman Schmidt

Redaktion: Michael Brake Art-Direktion und Infografiken: Janine Sack, Sabine Hecher, Lena Appenzeller

Projektmanagement: Jana Heyde

Redaktionelle Mitarbeit und Recherche: Paul Wrusch Dokumentation: Kathrin Lilienthal, Sven Stillich Korrektorat: Angelika Zierer

Mit Originalbeiträgen von: Stephanie Bock, Sebastian Bukow, Sebastian Dullien, Heinz Ehrbar, Saskia Ellenbeck, Eva Gerhards, Arne Jungjohann, Jan-Hendrik Kamlage, Julia Kloiber, Philipp Kosok, Jens Libbe, Elisa Lindinger, Ilka May, Ole Meinefeld, Claudia Neu, Christine Prußky, Lena Reibstein, Jörg Sauskat, Roman Schmidt, Manuel Slupina, C. Katharina Spieß, Michael Thöne, Markus Trilling, Dirk van Laak, Claudia Wessling, Katharina Wrohlich, Oliver Wulf

V. i. S. d. P.: Annette Maennel, Heinrich-Böll-Stiftung

1. Auflage, November 2020

Der Infrastrukturatlas liegt am 14.11.2020 der Abonnementauflage der Tageszeitung „taz“ bei und liegt im Dezember 2020 ­bundesweit in den ICE-Zügen der Deutschen Bahn aus.

ISBN 978-3-86928-220-6

Produktionsplanung: Elke Paul

Druck: Druckhaus Kaufmann, Lahr Klimaneutral gedruckt auf 100 % Recyclingpapier.

Dieses Werk mit Ausnahme des Covers steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – 4.0 international“ (CC BY 4.0). Der Text der Lizenz ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/legalcode abrufbar. Eine Zusammenfassung (kein Ersatz) ist unter https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de nachzulesen. Sie können die einzelnen Infografiken dieses Atlas für eigene Zwecke nutzen, wenn der Urhebernachweis Infrastrukturatlas | Appenzeller/Hecher/Sack CC-BY-4.0 in der Nähe der Grafik steht (bei Bearbeitungen: Infrastrukturatlas | Appenzeller/Hecher/Sack (M) CC-BY-4.0).

Cover-Copyright: ©Appenzeller/Hecher/Sack

BESTELL- UND DOWNLOAD-ADRESSE

Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstraße 8, 10117 Berlin, www.boell.de/infrastrukturatlas

Der Infrastrukturatlas kann auch im Klassensatz für den Unterricht bestellt werden. Die Bestellbedingungen finden Sie auf unserer Website boell.de/publikationen. INFRASTRUKTUR ATLAS Daten und Fakten über öffentliche Räume und Netze

2020 INHALT

02 IMPRESSUM 18 INFRASTRUKTUREN VERÄNDERN AUF DEM WEG ZUR FAHRRADSTADT 06 VORWORT Ob wir auf kurzen Wegen das Rad oder das Auto nutzen, hängt von den Rahmenbedingungen ab. Der Umbau der Verkehrsinfrastruktur erfordert politische Entscheidungen – von der Gesetzgebung bis zur Realisierung.

20 ÖPNV ANSCHLÜSSE FÜR ALLE Busse und Bahnen sind ökologisch sinnvoll und sichern Menschen soziale Teilhabe, die kein Auto fahren können oder wollen. Doch die 08 ZWÖLF KURZE LEKTIONEN Angebotsqualität schwankt stark. Gerade auf ÜBER INFRASTRUKTUREN dem Land sind neue Lösungen gefragt.

10 GESCHICHTE 22 EISENBAHNNETZ SIE HALTEN DIE WELT ZUSAMMEN BELIEBT UND ÜBERLASTET Infrastrukturen überdauern Staaten und Das Schienennetz ist eine Schlüsselinfrastruktur ­Regierungen. In modernen Gesellschaften für klimafreundliche Mobilität, Teilhabe und sind alle auf sie angewiesen – und die globa­ regionale Entwicklung in Deutschland. Und es lisierte Welt wäre ohne sie undenkbar. ist an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit.

12 TEILHABE 24 KINDERTAGESBETREUUNG GUTE INFRASTRUKTUREN FÜR STRUKTUREN FÜR DIE JÜNGSTEN HEUTE UND MORGEN Von guten Betreuungsangeboten profitieren Durch Infrastrukturen erhalten wir Zugang Kinder, Eltern und die Wirtschaft. Die Zahl zu den Gütern des täglichen Lebens. Dass sie der Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren wird für uns alle in hoher Qualität verfügbar sind, seit einiger Zeit ausgebaut. Unterschiede gibt ist eine Frage der Gerechtigkeit – auch für es zwischen Ost- und Westdeutschland. nachfolgende Generationen. 26 FACHHOCHSCHULEN 14 SUBSIDIARITÄT SCHMIEDEN DES WER MACHT WAS? SOZIALEN AUFSTIEGS Die Kommunen stellen das größte Spektrum Fachhochschulen sind wichtige Akteure öffentlicher Infrastrukturen bereit. Vollständig der regionalen Entwicklung. Mit ihrer praxis­ selbst finanzieren können sie diese in der Regel nahen Lehre sind sie zudem attraktiv für nicht. Die Verteilung von Fördergeldern ist dabei Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger. immer auch eine politische Entscheidung. 28 SCHWIMMBÄDER 16 BÜRGERBETEILIGUNG WENN INFRASTRUKTUREN VON DER IDEE ZUR INFRASTRUKTUR BADEN GEHEN Wir leben in einer Beteiligungsgesellschaft, Schwimmbäder sind soziale Treffpunkte, in der die Teilhabe engagierter Bürgerinnen wie man sie in unserer Gesellschaft nur und Bürger bei der Planung neuer Infrastrukturen selten findet. Doch oft stehen sie im Fokus, fest dazugehört. Doch müssen diese Prozesse wenn Kommunen Geld sparen müssen. gut und transparent organisiert werden. Der Sanierungs­bedarf vieler Bäder ist hoch.

4 INFRASTRUKTURATLAS 2020 30 SOZIALE ORTE 42 GLOBALISIERUNG WO WIR ZUSAMMENKOMMEN EINE NEUE SEIDENSTRASSE? Vereinsheime, Theater oder Cafés ermöglichen Unter dem Label „Belt and Road Initiative“ Begegnungen und Austausch. Doch gerade beteiligt sich China weltweit am Aufbau von in ländlichen Regionen gehen viele dieser Räume Infrastrukturen für den globalen Handel. verloren. Mit guten Ideen und passgenauer Das außenpolitische Schlüsselprojekt dient Förderung lassen sich manche neu beleben. auch der strategischen Einflussnahme.

32 GESUNDHEITSVERSORGUNG 44 EUROPA EINE FRAGE DER QUALITÄT EIN GREEN DEAL Das deutsche Gesundheitssystem hat trotz FÜR INFRASTRUKTUREN guter Ausstattung Schwächen. Bei Reformen darf Grenzüberschreitende Netze und Räume sind der ländliche Raum nicht vergessen werden. für die Zukunft der EU entscheidend. Und auch Denn der Zugang zu einer guten medizinischen die ökologische Transformation mit dem Ziel Grundversorgung sollte allen offenstehen. eines klimaneutralen Europa hängt maßgeblich vom Umbau der Infrastrukturen ab. 34 STROM UND WASSER AUF DIESE NETZE KOMMT ES AN 46 AUSBLICK Die Versorgung mit Strom und Wasser ist für DREI INFRASTRUKTUREN uns selbstverständlich. Sie muss flächendeckend FÜR DIE ZUKUNFT sein und auch im Krisenfall funktionieren. Mit gezielten Infrastrukturinvestitionen Wird sie privatisiert, verlieren die Kommunen können wichtige Impulse für die soziale und an Gestaltungsspielraum. ökologische Modernisierung gesetzt werden. Gute Beispiele sind die Kinderbetreuung, 36 BREITBANDAUSBAU das Bahnnetz und Wasserstoff als Teil der GUT VERBUNDEN IN DIE ZUKUNFT Energiewende. „Das Netz“ ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Doch noch immer ist schnelles Internet vor allem auf dem Land nicht überall verfügbar. Dabei bietet die Digitalisierung Chancen, Distanzen zu überwinden.

38 INVESTITIONEN REPUBLIK AUF VERSCHLEISS Seit der Jahrtausendwende hat die Infrastruktur in Deutschland insgesamt an Wert verloren. Das liegt auch am problematischen Leitbild der „schwarzen Null“. Was kurzfristig Schulden reduziert, kann langfristig teuer werden.

40 GROSSPROJEKTE DIE VERFLIXTE „ERSTE ZAHL“ Beim Bau großer Infrastrukturen müssen Risiken­ 48 AUTORINNEN UND AUTOREN, von Beginn an mitgedacht werden. Denn QUELLEN VON DATEN, KARTEN ­Transparenz über die Dauer und Kosten schafft UND GRAFIKEN Akzeptanz. Solide Prognosen sind möglich, wie ein Blick in andere Länder zeigt. 50 ÜBER UNS

INFRASTRUKTURATLAS 2020 5 VORWORT

ffentliche Infrastrukturen sind die Grundlage, auf der sich das gesellschaftliche Leben entfalten kann. Infrastrukturen schaffen Zugänge zu den Gütern eines selbstbestimmten Lebens. Sie eröffnen, wenn sie funktionieren, Teilhabechancen für alle Bürgerin­ nen und Bürger. Und sie sind der Schlüssel für die ökologische und soziale Ausrichtung von Wirtschaft und Gesellschaft. ÖWie wir heute unsere Infrastrukturen gestalten, entscheidet ganz maßgeblich darüber, wie wir morgen leben: Ob Fahrradweg oder Autostraße, ob Kupferkabel oder Glasfasernetz, ob Windenergie oder Atomkraft – jede Entscheidung für eine bestimmte Infrastruktur gleicht einem Vertrag mit der Zukunft.

Infrastrukturen waren lange ein Thema, das nur wenige interessiert hat. Zu technisch und sperrig wirkte der Begriff, zu abstrakt die damit verbundenen Fragen. Für die meisten Menschen waren Infrastrukturen einfach da. Schließlich werden sie von früh bis spät genutzt und als selbstverständlich wahrgenommen: die Wasser- und Stromversorgung zum Teekochen am Morgen; die Verkehrsinfrastruktur für den Weg zur Kita, zur Arbeit oder zum Sport; das Handy und der PC für die Ver­ bindung mit Familie, Bekannten oder im Beruf; die sozialen Infrastruk­ turen wie Bibliotheken, Schulen, Sport- und Freizeiteinrichtungen.

Im Zuge der Covid-19-Pandemie war plötzlich für alle ersichtlich, wie sehr wir uns im privaten und öffentlichen Leben auf Infrastrukturen verlassen. Auf einmal stand die Frage im Raum, ob sich gerade die „kritischen“ Infrastrukturen bewähren, etwa das Gesundheitswesen, die digitalen Kommunikationsnetze, aber auch die Versorgung mit Wasser, Strom und Lebensmitteln. Alle haben erlebt, was es heißt, wenn Infrastrukturen von einem Tag auf den anderen fehlen oder der Zugang eingeschränkt wird – wenn Kitas und Schulen über Monate schließen, Kinos, Clubs und Theater nicht mehr öffnen und Besuche in Kranken­ häusern oder Alten- und Pflegeheimen nicht mehr zulässig sind.

So hat die Pandemie die öffentlichen Infrastrukturen weit oben auf die politische und gesellschaftliche Tagesordnung gesetzt. Doch unab­ hängig davon war schon klar: In den nächsten Jahren stehen wichtige Infrastrukturentscheidungen an. Nach Jahren einer „Republik auf

6 INFRASTRUKTURATLAS 2020 Verschleiß“ steht die Erneuerung unserer Infrastrukturen an. Es gibt viel zu tun, denn Bund, Länder und Kommunen haben die Investitionen in die Infrastrukturen in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt. Dies trifft manche Regionen, vor allem aber viele Menschen hart. Es verschärft die Ungleichheit in der Gesellschaft und fördert die Unzufriedenheit. Eine Infrastrukturoffensive ist dringend geboten!

Hier setzt der Infrastrukturatlas an. Er illustriert, wie es um Infrastruk­ turen in Deutschland bestellt ist, von den Verkehrs-, Versorgungs- und Kommunikationsinfrastrukturen über Kitas und Krankenhäuser bis hin zu Dorfläden und Schwimmbädern. Er zeigt auf, wie trotz der Komplexität von Infrastrukturen gute politische Entscheidungsprozesse gelingen können und wie diese letztlich die Legitimation von Infrastrukturen stärken. Wie wir heute unsere Vor allem aber verdeutlicht der Atlas, was Infrastruktu­ Infrastrukturen ren leisten sollten, wie sie nachhaltig gestaltet und gestalten, entscheidet langfristig verändert werden können – und warum es maßgeblich darüber, sich lohnt, in die Infrastrukturen der Zukunft zu inves­ wie wir morgen leben. tieren, um etwa Bildungschancen für alle zu eröffnen, eine geschlechtergerechte Arbeitswelt zu ermöglichen und Verkehrsnetze ökologisch zu modernisieren. Dabei ist klar, dass Infrastrukturen nicht an nationalen Grenzen enden: Sie sind die Fundamente eines gemeinsamen Europas und einer vernetzten Welt.

Mit diesem Atlas möchten wir über Infrastrukturen informieren und zum Nachdenken über ihre Gestaltung anregen. Denn Infrastrukturen er­füllen ihre Funktion nur, wenn sie gut sind – gut im Sinne der Teil­- habe für alle und gut im Sinne der ökologischen Gerechtigkeit über die Ge­ne­rationen hinweg. Eine kluge Infrastrukturpolitik gelingt nur dann, wenn wir uns heute demokratisch einmischen.

In diesem Sinne wünschen wir eine spannende und anregende Lektüre!

Dr. Ellen Ueberschär Heinrich-Böll-Stiftung, Vorstand

Dr. Sebastian Bukow Heinrich-Böll-Stiftung, Leitung Abteilung Inland

INFRASTRUKTURATLAS 2020 7 12 KURZE LEKTIONEN ÜBER INFRASTRUKTUREN

Infrastrukturen sind nicht nur TECHNISCHE NETZE UND WEGE 1 für Daten, Verkehr, Strom oder Wasser, sondern auch SOZIALE EINRICHTUNGEN UND ORTE – von Kitas und Schulen über Sporthallen und Schwimmbäder bis zu Kinos und Clubs.

Viele heutige Straßenverläufe, Hafenanlagen oder 2 Stadtgrundrisse gehen auf Entscheidungen aus dem Mittelalter oder der Antike zurück. Und auch heute treffen wir Infrastrukturentscheidungen, die VIELE JAHRZEHNTE PRÄGEN werden.

Um die ZUKUNFT ZU GESTALTEN, müssen Infrastrukturen 3 schon heute um- und ausgebaut werden – etwa für digitale Kommunikation, für Energie und Mobilität. Dies muss ökologisch nachhaltig geschehen, um auch den nächsten Generationen ein gutes Leben zu ermöglichen.

Entscheidungen über Infrastrukturen sind 4 immer auch POLITISCHE ENTSCHEIDUNGEN. Bleiben etwa Wasser- und Stromnetze in öffentlicher Hand, erhält sich die Gesellschaft wichtige Spielräume.

INFRASTRUKTUREN SCHAFFEN ZUGÄNGE für ein selbstbestimmtes 5 Leben – gerade für benachteiligte Gruppen und Personen. So entscheiden gute Infrastrukturen maßgeblich über gesellschaft- liche Teilhabechancen und tragen zu mehr Gerechtigkeit bei.

Bund, Länder und Kommunen haben in den vergange- 6 nen Jahrzehnten INVESTITIONEN IN INFRASTRUKTUREN VERNACHLÄSSIGT. Dieser Qualitätsverlust trifft abgehängte Regionen besonders hart und ist auch gegenüber künftigen Generationen ungerecht.

8 INFRASTRUKTURATLAS 2020 Etwa zwei Drittel der unter Dreijährigen in 7 Deutschland werden zum Beispiel ausschließlich zuhause betreut. Vom weiteren Ausbau der Kita-Infrastruktur würden ALLE PROFITIEREN: die Kinder, die Eltern und die Wirtschaft.

Ob in der Stadt oder im ländlichen Raum – Infrastrukturen 8 müssen ALLE ERREICHEN UND FÜR ALLE ERREICHBAR SEIN. Die Kosten dafür müssen geteilt werden.

Gerade IN KRISENZEITEN MÜSSEN INFRASTRUKTUREN 9 FUNKTIONIEREN. Das gibt es nicht umsonst, und es erfordert Bereithaltungskosten in normalen Zeiten – etwa für Krankenhausbetten und Pflegepersonal.

Ein Fünftel der deutschen Haushalte im ländlichen Raum 10 verfügt nicht über einen ZUGANG ZUM BREITBAND-INTERNET, und auch der Zugang zu einer GUTEN MEDIZINISCHEN GRUNDVERSORGUNG ist schwieriger zu gewährleisten. Hier sind beispielsweise neue Ansätze gefragt.

BREITE BETEILIGUNGSMÖGLICHKEITEN und VERLÄSSLICHE 11 PLANUNGEN schaffen Akzeptanz, gerade bei großen Infrastrukturprojekten. Worum es geht und welche Risiken bestehen, muss von Anfang an klar benannt werden.

Infrastrukturen sind weltweit verknüpft, Entscheidungen 12 über ihren Aus- und Umbau sind immer auch Machtfragen. Auch die EUROPÄISCHEN ENERGIE- UND VERKEHRSNETZE müssen als Ganzes gedacht werden, um die weitere Entwick- lung des Kontinents sozial und ökologisch zu gestalten.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 9 GESCHICHTE SIE HALTEN DIE WELT ZUSAMMEN

Infrastrukturen überdauern Staaten und seinsvorsorge“ dienen. Manche Historikerinnen und Histo­ Regierungen. In modernen Gesellschaften sind riker sehen diese schon in der Antike: So hatten die Römer alle auf sie angewiesen – und die globalisierte gewaltige Straßennetze und Wasserleitungen errichtet. Einige ihrer öffentlichen Bäder und Brückenbauten ste­ Welt wäre ohne sie undenkbar. hen noch immer. Und zahlreiche heutige Straßenverläufe, Hafenan­lagen oder Städte gehen auf Entscheidungen aus n den Medien ist das Wort „Infrastruktur“ allgegenwär­ dem Mittelalter oder der Antike zurück. Seitdem wurden tig. Meist werden damit Einrichtungen umschrieben, auf sie von neuen Infrastrukturen überlagert. Idenen das tägliche Funktionieren des Verkehrs, des Wa­ So beeindruckend die römische Infrastruktur war, so rentransports und der Kommunikation beruht. Es sind aber stand sie doch nur einem Teil der damaligen Bevölkerung auch Systeme der Ver- und Entsorgung, etwa mit Wasser zur Verfügung. In modern verwalteten Nationalstaaten stel­ und Energie oder von Müll, damit gemeint. In einem erwei­ len Einrichtungen des Verkehrs und der Kommunikation terten Sinne können zudem soziale Räume wie Schwimm­ hingegen Angebote für alle Bürgerinnen und Bürger dar. bäder oder Bibliotheken, Bildungs-, Kultur- und Betreuungs­ Heute sollen Infrastrukturen Räume verbinden und die Mit­ einrichtungen als Infrastrukturen bezeichnet werden. glieder einer Gesellschaft umfassend miteinander in Bezie­ Funktionierende Infrastrukturen werden oft mit guter hung setzen. Sie tragen zu einem Austausch von Menschen, Regierung gleichgesetzt. Viele Menschen finden, dass sich Gütern und Ideen bei. Erst durch solche Netzwerke kann die Verwaltung, Expertinnen und Experten oder „die Poli­ Arbeit differenziert verteilt werden und können Märkte ent­ tik“ um ihre Bereitstellung kümmern sollen. Umso verär­ stehen, in denen sich Bedürfnisse und angebotene Waren gerter sind sie dann, wenn es zu wenig Kitaplätze gibt, die eng aufeinander beziehen. Infrastrukturen schaffen ein­ Eisenbahn unpünktlich ist, Schwimmbäder schließen oder heitliche Räume der Kommunikation, in denen moderne das Handy auf dem Land keinen Empfang hat. Politik und demokratische Prozesse erst möglich werden. Politisch sind Infrastrukturen ein bedeutsames Thema: Auch lassen uns Infrastrukturen teilhaben und entlasten In der Forderung nach ihrer ständigen Verbesserung sind unseren Alltag. Wenn sie funktionieren, beanspruchen sie sich alle weitgehend einig. Wird dann ein neuer Straßen­ kaum unsere Aufmerksamkeit. In Deutschland verlassen wir abschnitt oder ein Internet-Knoten eröffnet, gilt dies als Be­ uns darauf, von A nach B reisen zu können und fast überall weis dafür, dass eine Gesellschaft an ihre Zukunft glaubt. Zugang zu sauberem Wasser, Elektrizität oder Informatio­ Und tatsächlich werden oft hohe Beträge investiert und nen zu haben. Viele der vernetzten Einrichtungen sind lokal weitreichende Entscheidungen getroffen. Je nach Techno­ entstanden und haben sich erst später zu großen Systemen logie oder Bauwerk kann schon die Planung und Bereit­ fortentwickelt. Dies gelingt aber nur, wenn sie von ihren stellung von Infrastruktur Jahrzehnte umfassen, ihr Betrieb Nutzerinnen und Nutzern auch angenommen werden. Bei­ noch weit länger – so profitieren viele europäische Städte bis spiele wie Fernrohrpostanlagen oder Pferdeeisenbahnen heute vom Bau moderner Kanalisation im 19. Jahrhundert. zeigen, dass sie auch wieder verschwinden können. Während ihrer Lebensdauer müssen Infrastrukturen dabei Hatte man im 19. Jahrhundert noch voller Stolz ein­ fortlaufend gepflegt, repariert und modernisiert werden. drucksvolle Bahnhofsgebäude errichtet und Wassertürme Bevor der Begriff Infrastruktur in den 1960er-Jahren mit Ornamenten versehen, sind heutige Infrastrukturen in ­populär wurde, sprach man von „öffentlichen Arbeiten“ den meisten Fällen nüchtern, in der Erde vergraben oder oder Einrichtungen, die dem „Gemeinwohl“ oder der „Da­ ­digital. Sie sind materielle Bindeglieder zwischen Vergan­

MODERNE ZEITEN Wann Infrastrukturen in Deutschland ihren Anfang hatten Die ersten elektrischen Zu ihrem Schutz entstehen Straßenbeleuchtungen in immer mehr Städten Die erste Fern- Das erste werden in Nürnberg speziell für Radfahrer aus- bahnstrecke Volksbad und Berlin in Betrieb gewiesene Wege. (Leipzig–Dresden) eröffnet in genommen. wird eröffnet.­ Hamburg.

1839 1840 1855 1882 1891 um 1900 1920er 1932

Friedrich Fröbel Die erste Starkstrom- Die ersten Kinos in fest Die erste öffent- gründet in Bad leitung verläuft zwischen dafür vorgesehenen Räumen liche Autobahn Blankenburg Frankfurt am Main und eröffnen. führt von Köln den ersten Lauffen am Neckar auf nach Bonn. Kindergarten. 176 Kilometer Länge.

10 INFRASTRUKTURATLAS 2020 DER UNTERBAU UNSERES ZUSAMMENLEBENS Dimensionen von Infrastrukturen

TECHNISCHE INFRASTRUKTUREN

Energie Verkehr 2020 INFRASTRUKTURATLAS Strom, Gas, ÖPNV, Bahn, Straßen, Fernwärme ... Flughäfen, Wasserwege …

SOZIALE INFRASTRUKTUREN Bildung und Forschung Care Kultur Freizeit Verwaltung Gesundheit Schulen, Universitäten, Altenheime, Museen, Sport- und Ämter, und Sicherheit Fachhochschulen, Pflegedienste, Theater, Spielplätze, Gerichte … Krankenhäuser, Bibliotheken … Frauenhäuser, Konzert- Schwimmbäder, Feuerwehr, Kitas … räume, Parks … Polizei … Kinos …

Kommunikation Ver- und Entsorgung Internet, Mobilnetz, Trink- und Abwasser, Telefon, Post … Müllabfuhr …

Infrastruktur umfasst nicht nur die Netze, die uns mit genheit, Gegenwart und Zukunft einer Gesellschaft. Und sie Energie, Wasser und Informationen versorgen – sondern bestehen über politische Zäsuren hinweg. auch die Räume, in denen die Gesellschaft interagiert. Da sie einen Impuls zu stetigem Wachstum in sich ­tragen, enden Infrastrukturnetze selten an den Grenzen ­einer Stadt oder eines Staates. Vielmehr ist die Globali­ ­Telegraphenlinien wurde im 19. Jahrhundert als heroische sierung ohne die weltweiten Infrastrukturen der Post, des Tat gefeiert, denn sie schienen die Menschen einander nä­ Schiffsverkehrs oder des Internets nicht denkbar. Die Vor­ her zu bringen. stellung einer Einheit der Welt beruht auf Medien, mit de­ Aus dem gleichen Grund gibt es stets auch mahnende nen sie für immer mehr Menschen erfahrbar wird. Die Ver­ Stimmen: Fachleute für Sicherheit und Gesundheit sind legung von Eisenbahnschienen und ­transkontinentalen alarmiert, wenn Verkehr oder Kommunikation scheinbar „unkontrolliert“ fließt und daher auch missbraucht werden kann. Im Fall von Krisen werden Infrastrukturen sehr schnell zu verwundbaren Lebensadern einer Gesellschaft. Infrastrukturen sind nicht immer sichtbar. Oft entziehen Aus dem Kernkraftwerk Mit dem D-Netz Kahl wird zum ersten wird das erste sie sich im Alltag unserer Aufmerksamkeit. Dennoch haben Mal Atomstrom ins digitale Mobilfunk- sie eine gewaltige Bedeutung für unser Leben. Für das Funk­ Netz eingespeist. netz installiert. tionieren von Wirtschaft und Gesellschaft, für Wohlstand INFRASTRUKTURATLAS 2020 INFRASTRUKTURATLAS und Lebensqualität sind sie unerlässlich. Aber sie sind auch ein langlebiges Erbe früherer Generationen. Deshalb ist die 1961 1969 1977 1992 2010 gegenwärtige und zukünftige Gestaltung von Infrastruk­ turen weit mehr als nur der Bau technischer Anlagen. Sie strukturiert und definiert unser Zusammenleben. In Kiel, Lübeck In Friedrichs- Der erste Off- und Flensburg hafen nimmt shore-Windpark entstehen die der erste Rufbus wird 45 Kilome- ersten Fach- seinen Probe- ter vor Borkum Viele der Infrastrukturen, die wir heute noch hochschulen. betrieb auf. eröffnet. nutzen, sind im Zuge der Industrialisierung und Verstädterung im 19. Jahrhundert entstanden.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 11 TEILHABE GUTE INFRASTRUKTUREN FÜR HEUTE UND MORGEN

Durch Infrastrukturen erhalten wir Zugang zu Infrastrukturen machen oft den Unterschied, wie Men­ den Gütern des täglichen Lebens. Dass sie schen ihr Leben führen können. Gute Schulen erhöhen für uns alle in hoher Qualität verfügbar sind, die Bildungs- und damit Karrierechancen für alle. Die Ver­ kehrsinfrastruktur gibt vor, welche Wege und Verkehrs­ ist eine Frage der Gerechtigkeit – auch für mittel wie gut und wie sicher genutzt werden können. Die nachfolgende Generationen. öffentliche Gesundheitsversorgung hat Einfluss darauf, wie lange­ Menschen­ leben, gerade dann, wenn sie keine ür ein selbstbestimmtes Leben sind wir auf funktionie­ ­privaten Leistungen zukaufen können. Und eine flächen­ rende Infrastrukturen angewiesen. Sie verschaffen uns deckende digitale Infrastruktur ermöglicht ökonomische, FZugang zu elementaren Gütern wie Bildung, Kultur, soziale und politische Teilhabe, unabhängig davon, wo wir Mobilität und Gesundheit, aber auch zu Wasser, Strom und wohnen oder uns gerade befinden. Weil diese Faktoren so Kommunikation – also zu all den prägenden Bestandteilen ausschlaggebend sind, wird eine für möglichst viele verfüg­ des täglichen Lebens, auf die niemand verzichten kann. bare, hochwertige und krisenfeste Infrastruktur auch als Be­ Dabei sind die Zugänge zu diesen Gütern keine Selbst­ weis des „guten ­Regierens“ angesehen – und Mängel an ihr verständlichkeit, vor allem dann, wenn sie in guter Qualität als ­Regierungsversagen. für alle bereitstehen sollen. Die dafür notwendigen voraus­ Infrastrukturen zu planen, errichten und erhalten ist schauenden Infrastrukturentscheidungen gehören zu den ­dabei weit mehr als eine Angelegenheit für Fachleute. Ob wichtigsten und zugleich am langfristig wirksamsten poli­ gute Infrastrukturen für alle verfügbar sind, ist vielmehr tischen Entscheidungen überhaupt. eine elementare Frage der Gerechtigkeit. Gute Infrastruk­ turen können maßgeblich dazu beitragen, dass alle die gleichen Chancen auf die Teilhabe haben. Dafür lassen sich mindestens zwei wichtige Kriterien benennen: Zugänglich­ UNGLEICH VERTEILT, GLEICHE BEDÜRFNISSE keit und Qualität. Bevölkerungsdichte in Deutschland, nach Gemeinden, 2018 Zugänglichkeit meint, dass die Menschen die jeweili­ Einwohner und Einwohnerinnen je km² ge Infrastruktur überhaupt nutzen können. Zugangshür­ Bis unter 50 50 bis unter 100 100 bis unter 150 den, die Menschen nach sozialer Lage oder Herkunft, nach 150 bis unter 200 200 und mehr ihrem gesellschaftlichen Hintergrund, nach Religion, Ge­ schlecht, Hautfarbe oder körperlicher Beeinträchtigung Kiel Schwerin von der Nutzung von Infrastrukturen abhalten, stehen die­ sem Ziel entgegen. So können Gebühren und Preise eben­ so eine regelmäßige Nutzung verhindern (zum Beispiel Hamburg bei Schwimmbädern oder Theatern) wie strukturelle oder kulturelle Hürden (etwa bei Kitas oder Hochschulen). Da­ Bremen Potsdam her gilt es, die allgemeine und gleiche Zugänglichkeit von Hannover Berlin ­öffentlichen Infrastrukturen genau zu prüfen, denn sie ist Düssel- der Schlüssel, um allen eine gesellschaftliche Teilhabe, ge­ dorf lebte Selbstbestimmung und letztlich auch sozialen Aus­ gleich zu ermöglichen. Qualität ist das zweite wichtige Kriterium für gute Infra­ strukturen. Denn nur, wenn eine Schulausbildung für alle hochwertig ist, profitieren auch diejenigen davon, die durch Dresden Magdeburg ihr Elternhaus nicht die Möglichkeit haben, ein schlechtes Erfurt Schulangebot mit privaten Ressourcen auszugleichen. Zu­ gänglichkeit und Qualität müssen also zusammen gedacht werden, nur dann können Infrastrukturen ihren Anspruch Saarbrücken und ihre Funktion erfüllen: Gleiche Chancen für alle zu Wiesbaden schaffen. Mainz München Stuttgart

In bevölkerungsarmen Regionen ist die Deckung der

INFRASTRUKTURATLAS 2020 / BBSR, WWW.DEUTSCHLANDATLAS.BUND.DE 2020 / BBSR, INFRASTRUKTURATLAS Grundbedürfnisse, pro Person gerechnet, aufwendiger. Nichtsdestotrotz muss sie auch dort gewährleistet sein.

12 INFRASTRUKTURATLAS 2020 GEBAUT FÜR GENERATIONEN Durchschnittliche Lebensdauer verschiedener Infrastrukturen und ihrer Bestandteile*

Rotorblätter von Offshore-Windanlagen müssen aufgrund von Witterung und Salzeinwirkung teilweise bereits nach 5 Jahren ausgetauscht werden.

Asphaltfahrbahndecken auf europäischen Straßen halten in Die durchschnittliche der Regel 10 bis 20 Jahre. Lebensdauer der 0 5 von der Deutschen Bahn unterhaltenen­ Die Förderung von Windkraft­ Eisenbahnbrücken­ anlagen beträgt in Deutsch- beträgt 122 Jahre. land 20 Jahre – ihre Entwurfs- 120 20 lebensdauer ist in der Regel ebenso lang.

Die Deutsche Bahn veran- schlagt die Lebendauer ihrer Pumpspeicherkraft-­ 30 ICEs auf mindestens 30 Jahre. werke können 80 bis Lebensdauer 100 Jahre betrieben 100 in Jahren 40 Jahre beträgt die ge- werden. Die Lebensdauer schätzte Lebensdauer von der Turbinen und Atomkraftwerken­ . Der Pumpen beträgt dabei radioaktive Müll, der bei der 30 bis 60 Jahre. 40 Nutzung anfällt, muss mehr als eine Million Jahre sicher verwahrt werden.

50 Experten kalkulieren für Eine Studie des Forschungs- Häuser aus Beton eine 80 zentrums Jülich ergab für durchschnittliche Nutzungs- neuere Kohlekraftwerke eine dauer von 80 Jahren. 70 durchschnittliche Lebensdauer von 45 bis 50 Jahren.

Die Stahlgittermasten von Stromfreileitungen halten im Schnitt 80, die Leiterseile und Eisenbahnschwellen aus Isolatoren 40 Jahre. Unterirdische Leitungen Spannbeton haben eine Lebens- halten ebenfalls 40 Jahre. dauer von circa 70 Jahren.

* Kann real je nach Einsatzbedingungen stark abweichen. INFRASTRUKTURATLAS 2020 INFRASTRUKTURATLAS

Manche Betonbauwerke können sogar Jahrtausende überdauern: Die Kuppel des im 2. Jahrhundert erbauten viele ­Infrastrukturen werden diesen Zielen heute nicht Pantheon in Rom besteht aus einem Leichtbeton. ­gerecht. Hier öffnet sich ein Gelegenheitsfenster für ­Veränderungen: In den kommenden Jahren werden in ­Deutschland zahlreiche­ wichtige Entscheidungen gefällt, Wurden diese Kriterien bisher vor allem auf die gegen­ etwa bei den Verkehrs-, den Kommunikations- und den wärtige Gesellschaft bezogen, so bringt der Anspruch der Energienetzen, aber genauso bei der Organisation der Ge­ ökologischen Nachhaltigkeit auch die Generationenge­ sundheitsversorgung, der Entwicklung der Schulen und bei rechtigkeit ins Spiel. Bereits heute verstärken Umwelt- und der Digitalisierung. Klimaschäden bestehende Ungleichheiten, vor allem im Die Tragweite der Entscheidungen erfordert eine brei­ globalen Maßstab. Doch die größte Ungerechtigkeit bleibt te öffentliche Debatte. Zu klären ist, entlang welcher ge­ die Einschränkung der Handlungsautonomie zukünftiger sellschaftlichen Leitbilder die Infrastrukturen der Zukunft Generationen durch unser gegenwärtiges Leben und Wirt­ entwickelt werden sollen. Welcher Grad an Qualität und schaften, etwa durch die ökologischen Schulden, die aus Zugänglichkeit dabei erreicht werden soll. Wie soziale und ­Infrastrukturentscheidungen mit ihren teils erheblichen andere Ausschlüsse vermieden werden können. Und wie zu­ Ewigkeitslasten resultieren. künftige Generationen in diesen Entscheidungen angemes­ Die Infrastrukturen des Verkehrs, des Wohnens, der sen berücksichtigt werden. Energie müssen deshalb heute so gestaltet werden, dass Die Aushandlung dieser Leitbilder und Normen muss in diese Güter auch morgen noch für alle in einer hohen der demokratischen Öffentlichkeit erfolgen. Ohne sie lassen Qualität zugänglich sind. Diese Ansprüche lassen sich in sich gute Infrastrukturentscheidungen nicht langfristig ver­ eine Aufgabe der politischen Gestaltung übersetzen, denn bindlich treffen.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 13 SUBSIDIARITÄT WER MACHT WAS?

Die Kommunen stellen das größte Spektrum zahlreiche Kindertagesstätten und fast alle Schulen, zusätz­ öffentlicher Infrastrukturen bereit. Vollständig lich soziale Einrichtungen, Theater und Museen, Parks und selbst finanzieren können sie diese in der Regel Sportstätten sowie die Infrastrukturen der sogenannten Da­ seinsvorsorge, wie Abwasserentsorgung, Straßenbeleuch­ nicht. Die Verteilung von Fördergeldern ist tung und Müllabfuhr. dabei immer auch eine politische Entscheidung. Dabei machen viele Infrastrukturen nicht an der Gren­ ze einer Gemeinde oder eines Landkreises halt. Häufig ver­ ffentliche Infrastrukturleistungen werden von allen binden sich die verschiedenen Ebenen zu einem Netzwerk, staatlichen Ebenen erbracht: vom Bund, von den das nur im Zusammenspiel funktioniert. Besonders deutlich Ösechzehn Ländern und von den rund 11.000 Kommu­ wird das bei der Mobilität: Gemeinde-, Kreis- und Landes­ nen, also Städten, Gemeinden und Landkreisen. Jede dieser straßen sowie Bundesstraßen und -autobahnen bilden eine Ebenen kümmert sich dabei zunächst um die Investitionen, Infrastruktur des Individualverkehrs. Diese Art von Vernet­ die zur Erfüllung ihrer jeweiligen Aufgaben benötigt wer­ zung endet auch nicht an nationalen Grenzen, vor allem den. So ist der Bund unter anderem für die Infrastrukturen Energie- und Verkehrsinfrastrukturen müssen mehr und der Verteidigung und des bundesweiten Verkehrs verant­ mehr europäisch funktionieren. wortlich. Die Länder unterhalten beispielsweise Hochschu­ Die zentrale Bedeutung der Kommunen bei der Infra­ len und Forschungseinrichtungen sowie die Strukturen des strukturversorgung erklärt sich aus dem Subsidiaritätsprin­ Rechts und der inneren Sicherheit, von Gerichten über Poli­ zip: Jede staatliche Aufgabe soll so weit wie möglich von zeistationen bis hin zu Gefängnissen. der unteren Ebene oder kleineren Einheit wahrgenommen Das breiteste Spektrum von Infrastrukturen stellen aller­ werden. Als demokratischer Grundsatz soll dieses Prinzip dings die Kommunen bereit. Diese reichen buchstäblich von dafür sorgen, dass sich die Menschen vor Ort selbst um ihre der Wiege bis ans Grab, von der Geburtsstation im Kreiskran­ gemeinschaftlichen Probleme kümmern können. kenhaus bis zum Gemeindefriedhof. Dazwischen kommen Aus der Verantwortung für die lokalen Infrastrukturen Menschen unablässlich mit kommunalen Infrastrukturen folgt allerdings nicht automatisch die Fähigkeit, sie auch in Berührung. Städte, Kreise und Gemeinden unterhalten kommunal zu finanzieren. Oft entstehen hier die eigentli­ chen Engpässe. Im Prinzip greift auch dann wieder das Sub­ sidiaritätsprinzip. Wo es lokal nicht mehr möglich ist, aus ei­ gener Kraft die benötigten Infrastrukturen bereitzustellen, WER SCHULDEN HAT, KANN WENIGER INVESTIEREN soll die höhere Ebene aushelfen. Kommunale Investitionen und Schulden, in Euro pro Kopf, 2019 Finanziell müssen also zunächst die Länder Beistand leis­ Schuldenstand Investitionen ten, wenn eine Kommune nicht genug freie Haushaltsmittel für Infrastrukturinvestitionen hat. Das ist in Deutschland 867 Bayern 812 eher die Regel als die Ausnahme. Denn nur wenige Kommu­ nen können ihre Aufgaben allein von den Steuern und Ab­ Baden- 494 Württemberg 606 gaben bestreiten, die sie direkt selbst einnehmen, die meis­ Mecklenburg- ten werden über den kommunalen Finanzausgleich ihres 897 600 Vorpommern jeweiligen Bundeslandes mitfinanziert. Dieser lässt Städte 548 Sachsen 560 und Gemeinden nicht nur an den Landeseinnahmen teil­ haben, er mildert auch die Unterschiede zwischen finanz­ Schleswig- 1.272 Holstein 501 starken und -schwachen Kommunen ab. Doch hängen alle kommunalen Finanzausgleiche von der Leistungsfähigkeit 694 Thüringen 455 der jeweiligen Länder ab, wodurch der Ausgleich zwischen 566 Brandenburg 453 finanzstarken und finanzschwächeren Regionen Deutsch­ lands an systemische Grenzen stößt. 1.461 Niedersachsen 419 Ebenfalls wichtig für kommunale Infrastrukturinvesti­ Nordrhein- tionen sind direkte Zuweisungen durch die Länder, manch­ 2.597 Westfalen 415 mal gekoppelt mit Geldern des Bundes und/oder der Euro­ 1.900 Hessen 413 päischen Union. Sie sind zumeist für spezifische Projekte reserviert. Gerade bei den zentralen kommunalen Infra­ Rheinland- 2.958 Pfalz 369 strukturen, etwa im Krankenhausbau oder bei den Schulen, Sachsen- 1.159 Anhalt 353

3.419 Saarland 287 In Hessen lag die durchschnittliche Schuldenlast

INFRASTRUKTURATLAS 2020 / KFW, DIFU, DESTATIS DIFU, 2020 / KFW, INFRASTRUKTURATLAS 2017 noch bei 2.614 Euro. Das Land hatte Ende 2018 einen Teil der Kredite der Kommunen übernommen.

14 INFRASTRUKTURATLAS 2020 WER WAS MACHT Für welche Infrastrukturen die administrativen Ebenen in Deutschland ganz oder hauptsächlich zuständig sind (Auswahl)

Bund Flugsicherung Bundespolizei Forschungseinrichtungen des Bundes INFRASTRUKTURATLAS 2020 INFRASTRUKTURATLAS Regulierung der Märkte für Elektrizität, Gas, Streitkräfte (u. a. Robert Koch-Institut, Deutscher Wetterdienst, Umweltbundesamt) Telekommunikation, Post und Eisenbahnen Bundesgerichte Bahn (als Alleineigentümer der DB AG) Staatliche Museen Forschungsförderung

Länder Landesstraßen Katastrophenschutz Schulen Soziale Wohnraumförderung Polizei (Lehrpläne und pädagogisches Personal) Nahverkehrszüge Gerichte Hochschulen Strafvollzug

Kommunen ÖPNV Krankenhäuser Kitas und Horte Theater Spielplätze (Straßenbahnen, Busse, U-Bahnen) Feuerwehr und Schulen Museen Grünanlagen Straßenbau und Fahrradwege Rettungsdienste (Gebäude und Sportstätten und Friedhöfe Versorgung mit Strom, Gas Gesundheitsämter Ausstattung) Schwimmbäder und Wasser Ordnungsämter Stadtbibliotheken Müllabfuhr

Viele Infrastrukturen werden von mehreren Ebenen bedient. So gibt es etwa neben der großen Zahl terien überprüfen lassen, doch wo gänzlich objektive Festle­ städtischer Theater auch einige Landesbühnen. gungen unmöglich sind, bleibt Raum für den originär poli­ tischen Diskurs und Kompromiss. Je mehr Dynamik dabei in einer Gesellschaft herrscht, spielen sie die größte Rolle. Der „goldene Zügel“, der den Ge­ desto stärker ist eine Infrastrukturpolitik gefragt. In Deutsch­ meinden mit solchen zweckgebundenen Zuweisungen an­ land sorgen Urbanisierung, demografische Alterung und gelegt wird, ist finanziell zwar meist willkommen. Politisch der weiterhin ungebremste Klimawandel dafür, dass auch ist diese Art der Infrastrukturfinanzierung aber zwiespältig, der kommunale Infrastrukturbedarf vor einem vielschichti­ da die kommunale Selbstbestimmung eingegrenzt wird. gen Wandel steht: teils, um sich den neuen Umständen an­ Schwierig wird es auch, wenn objektive Unterschiede zupassen, teils, um sich ihnen entgegenzustellen. Die Auf­ zwischen Kommunen bestehen, etwa zwischen städtischen gabe, die Gewährleistung von Infrastrukturen durch Bund, und ländlichen Räumen. So ließe sich lange darüber strei­ Länder und Kommunen dauerhaft zu sichern, ist groß – und ten, ob wirtschaftsschwache Regionen besonders leistungs­ wächst in den kommenden Jahrzehnten weiter. fähige Infrastrukturen benötigen, um sie für private Investi­ tionen (wieder) attraktiver zu machen – oder ob diese besser an wirtschaftsstarken Standorten gebündelt werden sollten, AUS EIGENER KRAFT GEHT ES NICHT da hier der Bedarf größer ist. Dieses Henne-Ei-Problem der Finanzierung kommunaler Investitionen, Anteile in Prozent*, 2019 Kausalität besteht auch in anderen Bereichen: So müssen sich ländliche Gemeinden in Regionen, die von Abwande­ Fördermittel Eigenmittel rung geprägt sind, häufig fragen, wie lange sie schwach Land der Kommunen ausgelastete Grundschulen erhalten können. Zugleich ist 23 % 38 % klar, dass Schulschließungen die Abwanderungstendenzen Fördermittel Bund verstärken können. 4 % Derartige komplexe Wechselbeziehungen bewirken, dass es kaum jemals vollständiges Einvernehmen über die Fördermittel EU „richtigen“ Infrastrukturmaßnahmen geben kann. Zwar 1 % sollen sich Entscheidungen immer auch anhand klarer Kri­ Zweckgebundene Zuweisungen Kreditaufnahme 9 % 19 % Zweckgebundene Zuweisungen helfen den Sonstiges

* Werte gerundet 4 % DIFU 2020 / KFW, INFRASTRUKTURATLAS Kommunen finanziell. Sie schränken jedoch ihre Selbstbestimmung und Gestaltungskraft ein.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 15 BÜRGERBETEILIGUNG VON DER IDEE ZUR INFRASTRUKTUR

Wir leben in einer Beteiligungsgesellschaft, in meist mehrstufigen Phasen der Konzepterarbeitung, Pla­ der die Teilhabe engagierter Bürgerinnen und nung und Konkretisierung wird zudem die Öffentlichkeit Bürger bei der Planung neuer Infrastrukturen eingebunden. Die frühzeitige und sachgerechte Informa­ tion der Betroffenen und die Beteiligung der Bürgerinnen fest dazugehört. Doch müssen diese Prozesse und Bürger sind inzwischen fest verankerte Elemente bei gut und transparent organisiert werden. der Planung neuer Infrastrukturen. Wir leben in einer „Beteiligungsgesellschaft“, in der iefgreifende gesellschaftliche Veränderungen wie viele Menschen gebildeter, kritischer und engagierter sind die Digitalisierung, die Energie- oder die Mobilitäts­ als noch vor 60 Jahren. Sie informieren sich und wollen und Twende erfordern einen flächendeckenden Aus- und können sich stärker einbringen, das Internet hat diesem Umbau von Infrastrukturen. Dabei sind große Projekte oft Wandel zusätzliche Dynamik verliehen. Diese Bereitschaft Gegenstand intensiver Debatten, aus guten Gründen: weil ist jedoch gesellschaftlich ungleich verteilt: So sind etwa Verfügbarkeit und Qualität von Infrastrukturen ­langfristig Bürgerinnen und Bürger aus bildungsfernen Milieus und beeinflussen, wie wir unser Leben führen. Und weil die mit geringeren Einkommen weitaus seltener beteiligt. Lasten oft ungleich auf die Bevölkerung verteilt sind – vom Dass sich das Verhältnis von Infrastrukturausbau und Verlauf einer Umgehungsstraße bis hin zum Standort ­Öffentlichkeitsbeteiligung grundlegend verändert hat, ­eines atomaren Endlagers sind Menschen unterschied­ lässt sich beispielsweise an den Auseinandersetzungen um lich schwer betroffen. Zudem sind gerade Großinfrastruk­ das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ ablesen. Als Folge der ge­ turen wie Windparks, Stromtrassen oder Bahnhöfe sehr stiegenen Beteiligungserwartung müssen Politik, Verwal­ ­sichtbar, ihr Bau verändert Landschaften und Städte über tung und Vorhabenträger lernen, sich mit gut organisierten Jahr­ zehnte.­ Bürgerinnen und Bürgern auseinanderzusetzen, die eigene Da Entscheidungen über Infrastrukturen immer auch Ideen einbringen, Planungen hinterfragen, frühzeitige und ein Ausdruck von politischen Mehrheiten sind, müssen sie verständliche Informationen einfordern und begründete nicht nur gut durchdacht und begründet, sondern auch fair Antworten erwarten. und gerecht gesellschaftlich verhandelt sein. Nur so wird Wahrgenommen werden aus diesem breiten Spektrum ein Interessensausgleich gewährleistet und ermöglicht, vor allem Akteurinnen und Akteure, deren Widerstand die dass heutige Entscheidungen auch morgen noch breit ge­ Planung öffentlicher Infrastrukturen verzögert oder gar tragen werden. zum Scheitern bringt. Dabei führen lokale Koalitionen trotz Die Hauptverantwortung für gute Entscheidungsprozes­ ihrer unmittelbaren Betroffenheit häufig verallgemeiner­ se liegt bei den repräsentativdemokratischen Institutionen, den Parlamenten und Gemeindeorganen, in Verbindung mit der Exekutive. Hier werden die Rahmenbedingungen Stadtentwicklung, Städtebau und Verkehrsplanung gesetzt und wird über konkrete Vorhaben entschieden. In sind laut der Umfrage die Themenbereiche, in denen es am häufigsten Bürgerbeteiligungsangebote gibt.

CHANCEN UND PROBLEME BEI DER BÜRGERBETEILIGUNG Ergebnisse einer Befragung unter Mitarbeitenden von über 200 Kommunen, 2012

„Für wie wichtig halten Sie persönlich Maßnahmen zur Bürgerbeteiligung „Welche Umsetzungsschwierigkeiten beeinflussen zurzeit zum Erreichen der folgenden Ziele in Ihrer Stadt/Gemeinde?“ Beteiligungsverfahren in Ihrer Stadt/Gemeinde?“ 1 2 3 4 0 20 40 60 80 100 Akzeptanz von kommunalen Fehlende Ressourcen in 3,53 87,3 Entscheidungen der Verwaltung Bindung der Bewohner Eingeschränkte Umsetzungs- 3,24 83,5 durch Teilhabe möglichkeiten von Ergebnissen Imageverbesserung/ Geringe Erreichbarkeit 3,05 76,4 modernes Verwaltungsbild bestimmter Zielgruppen Diskussion Niedrige Motivation 56,7 aktueller Themen 2,96 der Bürgerinnen und Bürger Zu schwacher Ideengenerierung 2,77 politischer Wille 51,6 Mangelhafte Zusammen- Kostenersparnis 2,01 38,3 arbeit der Verwaltung

Ausgewählte Antworten. Kumulierter Wert für die Antwortmöglichkeiten „Beteiligungs-

Ausgewählte Antworten. Mittelwerte einer Skala von 1 („unwichtig“) bis 4 („sehr wichtig“) ver­fahren wurde verhindert“ oder „erschwert“, Angaben in Prozent 2020 / DIFU INFRASTRUKTURATLAS

16 INFRASTRUKTURATLAS 2020 STROMTRASSEN-PLANUNG IM DIALOG 10 km Planungsverfahren für den 5. Bauabschnitt einer Hochspannungs-Überlandleitung in Schleswig-Holstein. Die vorangegangenen vier Abschnitte wurden in einem vergleichbaren Verfahren geplant. Abschnitt 5 DÄNEMARK Baubeginn ge- plant ab 2022, Schematische Darstellung Betrieb ab 2023 Nach Voruntersuchungen werden mögliche Trassenkorridore für INFRASTRUKTURATLAS 2020 / TENNET INFRASTRUKTURATLAS die Leitung bestimmt. Diese werden anschließend auf Dialogveranstal- Klixbüll/ tungen vorgestellt und durch die Hinweise der Bevölkerung ergänzt. Süd Niebüll DEUTSCHLAND 18.4.2018 Auftaktkonferenz

16.5.2018 Bürgerdialog Abschnitt 4 Fachdialoge Landwirtschaft und Naturschutz Bredstedt Betrieb geplant 17.5.2018 ab 3. Vj./2022 29.8.2018 Zwischenkonferenz

17.12.2019 Bürgermeistergespräch Husum/ Januar/Februar 2020 mehrere Gemeindedialoge Nord

seit März 2020 monatliche Bürgersprechstunden Husum

Die Korridorvarianten werden detailliert untersucht und bewertet, etwa im Hinblick auf Engstellen, Siedlungsannäherung, Umweltbelange, Abschnitt 3 Landschaftsbild usw. Unter Berücksichtigung aller Belange wird ein Betrieb geplant ab 3. Vj./2021 Vorzugskorridor bestimmt und auf der Ergebniskonferenz präsentiert.

8./9.6.2020 Digitale Ergebniskonferenz Heide 30.6. bis 3.7.2020 Trassendialoge Heide/ 22.9.2020 Infomarkt West Meldorf Innerhalb dieses Vorzugskorridors wird schließlich die konkrete Abschnitt 2 Trassierung der Strommast-Standorte vollzogen. Hierbei werden seit 9/2019 weiterhin alternative Verläufe bewertet. in Betrieb

30.9.2020 Einreichung der Planfeststellungsunterlagen Abschnitt 1 Süderdonn seit 12/2016 Brunsbüttel Untersuchungsraum Wohngebiete Naturschutzgebiete Windkraft in Betrieb Netzverknüpfungspunkt Gewerbe, Industrie Kultur- und Baudenkmäler Maststandort Umspannwerk

Die Einbindung der Bevölkerung wirkt: Im Zuge des Baus bare Argumente an. Dadurch können sie wichtige Impulse der ersten vier Abschnitte der Westküstenleitung gab es insgesamt lediglich drei Klagen von Betroffenen. für einen gelingenden gesellschaftlichen Wandel geben. Die bei Infrastrukturplanungen rechtlich vorgeschrie­ bene formelle Öffentlichkeitsbeteiligung definiert einen sehr engen Kreis der zu Beteiligenden, um Rechtssicherheit nisse der Beteiligung in die Planungs- und Genehmigungs­ herzustellen, und bietet wenig Raum für echte Mitgestal­ verfahren einfließen. 4. Neutralität: Beteiligungsverfahren tung. Um möglichst vielfältige Perspektiven, Interessen und werden von unabhängigen Dritten durchgeführt, damit Kenntnisse einzubeziehen und Blockaden zu vermeiden, die Vorhabenträger offen für ihre Ziele werben können und sind insbesondere bei konflikthaften Vorhaben informelle nicht gleichzeitig für einen fairen Prozess verantwortlich Informations- und Beteiligungsformate notwendig, etwa sind. 5. Beteiligungsgerechtigkeit: Die Beteiligung spezifi­ in Form von Infomärkten, Runden Tischen, Bürgerforen scher Milieus wird aktiv angegangen, vorhandene Barrieren und -versammlungen. Die Herausforderung ist, eine früh­ werden beseitigt. Ein Ansatz könnte eine (repräsentative) zeitige strukturierte Meinungsbildung zu ermöglichen, Zufallsauswahl sein, wie sie mit einem Bundestagsbeschluss die bessere repräsentativdemokratische Entscheidungen aus dem Juni 2020 in Form eines Bürgerrats erstmals bun­ erlaubt. Wie es gut funktionieren kann, zeigen beispielhaft despolitisch erprobt wird. 6. Legitimation: Eine wirksame die ­frühzeitige Beteiligung beim Neubau einer Hochspan­ Bürgerbeteiligung verbessert nicht nur das konkrete Infra­ nungsleitung an der Westküste Schleswig-Holsteins oder strukturvorhaben, sondern kann zudem das Vertrauen in re­ die Planung zur Ortsumgehung in Waren (Müritz). präsentativdemokratische Entscheidungsprozesse stärken. Aus der Praxis lassen sich sechs Aspekte einer guten und Gute Beteiligung schafft kommunikative Räume, in de­ erfolgreichen Beteiligung herleiten. 1. Transparenz: Es gibt nen sich Vertrauen und eine gemeinsame Sicht entwickeln, einen verhandelbaren Entscheidungsspielraum, und allen Interessen ausgeglichen und Konflikte gelöst werden kön­ Beteiligten ist klar, was verändert und entschieden werden nen. Sie erlaubt es den Verantwortlichen, auch schwierige kann – und was nicht. 2. Startpunkt: Information und Betei­ Entscheidungen zu treffen. Gute, breit beratene und getra­ ligung beginnen so früh wie möglich, auch wenn zu diesem gene Entscheidungen sind wichtig, weil die Infrastrukturen Zeitpunkt die konkrete Betroffenheit noch ­unklar­ ist. 3. Ver­ von heute die Zukunft prägen und Tatsachen schaffen, mit fahrensklarheit: Es ist verbindlich geregelt, wie die Ergeb­ denen die Gesellschaft lange leben muss.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 17 INFRASTRUKTUREN VERÄNDERN AUF DEM WEG ZUR FAHRRADSTADT

Ob wir auf kurzen Wegen das Rad oder das Auto Auch das Thema Flächengerechtigkeit spielt eine wich­ nutzen, hängt von den Rahmenbedingungen tige Rolle: Gerade in den Städten ist der Platz begrenzt, und ab. Der Umbau der Verkehrsinfrastruktur immer weniger Menschen wollen es hinnehmen, dass der gemeinsame Lebensraum vor allem auf die Bedürfnisse von erfordert politische Entscheidungen – von der Autofahrerinnen und -fahrern abgestimmt ist, etwa in Form Gesetzgebung bis zur Realisierung. von Parkplätzen. In einer Umfrage des Automobilclubs ADAC unter Bewohnerinnen und Bewohnern von Großstäd­ und 4,8 Millionen Pkw fuhren 1960 über deutsche ten sind 42 Prozent der Befragten dafür, zu Fuß Gehenden Straßen. Heute sind es knapp zehnmal so viele. Diese und Radfahrenden mehr Fläche zu Lasten des Autoverkehrs RMassenmotorisierung war seit den späten 1950er-Jah­ zu geben, und nur 19 Prozent dagegen. ren erklärtes Ziel der Verkehrspolitik. Dafür wurden Straßen Den Wunsch nach einer neuen Verkehrsinfrastruktur­ und Parkraum massiv ausgebaut, Kilometerpauschale und politik ergänzen neuere Erkenntnisse der Verkehrsfor­ Dienstwagenprivileg eingeführt und das Straßenverkehrs­ schung. Sie beschreibt unter dem Begriff des induzierten recht so formuliert, dass das Auto im Mittelpunkt der Pla­ Verkehrs den Zusammenhang zwischen Infrastruktur und nung steht. Maßnahmen zur Beschränkung des fließenden Verkehrsbelastung. So wurde unter anderem ermittelt, dass Verkehrs – gemeint ist immer der Kfz-Verkehr – müssen der Autoverkehr insgesamt abnimmt, wenn Straßen oder ­seither begründet werden und sind nur innerhalb eines sehr Parkplätze zurückgebaut werden. Diese Einsicht bietet die eng definierten Rahmens möglich. Chance für einen Paradigmenwechsel in der Stadt- und Mittlerweile spricht sich jedoch eine große Mehrheit Verkehrsplanung.­ der deutschen Bevölkerung für eine Verkehrswende aus. In Trotz positiver Impulse kommt die fahrradgerechte rund drei Dutzend Städten engagieren sich lokale Initiati­ Neuausrichtung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland ven, sogenannte Radentscheide, um den Rad- und Fußver­ nur langsam voran: Die geltende Rechtslage erschwert den kehr zu stärken. Zu ihren Forderungen gehören breite und zügigen Bau einer guten Radinfrastruktur, und das Straßen­ geschützte Radfahrstreifen an Hauptverkehrsstraßen, der Umbau von gefährlichen Kreuzungen, ein Netz an Rad­ schnellwegen durch die Stadt sowie ausreichende und ge­ Allein die Parkplätze für Autos nehmen in sicherte Abstellanlagen. Berlin mehr Fläche ein als alle Fahrradwege. Dem Nutzungsanteil entspricht das nicht.

VIEL PLATZ FÜR AUTOS Gesamtfläche der Straßen, Radwege und Schienen sowie Parkplätze und Abstellflächen in Berlin, 2017

Auf welche Weise Wege in Berlin an einem normalen Fahrräder: 4,66 km² Gesamtfläche (davon 0,13 km² Standfläche) Werktag zurückgelegt werden,­ Anteil in Prozent, 2018

Schienenfahrzeuge: 8,29 km² (davon 2,4 km² Standfläche) 25,9 17,6

26,9 29,6

Kraftfahrzeuge: (davon Standfläche) LAB MOVE INFRASTRUKTURATLAS 2020 / TU DRESDEN,

48,15 km² 8,04 km²

18 INFRASTRUKTURATLAS 2020 FAHRRADFREUNDLICHER UMBAU Leicht erhöhte Das aus den Niederlanden stammende Modell der geschützten Kreuzung Schutzinseln will mit einfachen Methoden die Sicherheit für Radfahrerinnen und Radfahrer trennen den Rad- erhöhen – unter anderem gegenüber rechtsabbiegenden Fahrzeugen. und den Autoverkehr.

Autos müssen in einem größeren Bogen abbiegen und haben Radfahrende im Blickfeld.

Fahrräder warten weit vor den Autos auf Grün Neue Radwegmarkierungen und werden so Bessere Sichtachsen besser gesehen. Vor dem Umbau INFRASTRUKTURATLAS 2020 INFRASTRUKTURATLAS

Ergänzend zu den baulichen Maßnahmen können veränderte verkehrsgesetz ist ein reines Gefahrenabwehrrecht. Auch Ampelphasen mehr Sicherheit bieten: Ein früheres Grün gibt Radfahrerinnen und Radfahrern einen Vorsprung. fehlen verbindliche bundesweite Qualitätsstandards. Zwar liegen mit den von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen verfassten Empfehlungen für Radver­ kehrsanlagen unverbindliche Designstandards vor, auf Landesregierungen können diese Mittel mit eigenen die zahlreiche Kommunen bislang zurückgegriffen haben. Programmen ergänzen und Synergien für ihre Kommunen Doch sie basieren auf dem nicht mehr zeitgemäßen Ansatz, und Landkreise schaffen – etwa indem sie Beratungsstellen die Planung an bestehenden Verkehrsströmen auszurich­ aufbauen, die bei der Antragsstellung, der Projektentwick­ ten – nicht aber, Menschen jeglichen Alters für den Umstieg lung und der Qualitätssicherung helfen. Städte und Kom­ auf das Rad zu gewinnen. Städte wie Kopenhagen machen munen müssen schließlich die Radverkehrsnetze vor Ort es vor, dass fahrradgerechte Verkehrsinfrastrukturen – zum planen und umsetzen. Sie profitieren von klaren bundes­ Beispiel komplett von Autospuren getrennte Fahrbahnen einheitlichen Vorgaben und Anreizen. für den Radverkehr – mehr Menschen aufs Rad locken. Die kompakte Stadt der kurzen Wege ist eine klima­ Obendrein fehlt in den Verwaltungen das Personal zum freundliche, resiliente und lebenswerte Stadt. Öffentlicher Umsetzen ehrgeiziger Ziele und komplexer Vorhaben wie Raum wird in ihr nicht nur auf seine Funktion als Transit­ beispielsweise der Intermodalität, also der intelligenten ort reduziert, sondern als Ort der Begegnung angelegt. Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel. Ausgeschrie­ Ein gutes Radwegenetz ist zentral für das Gelingen der bene Stellen können wegen des Mangels an Fachkräften ­Verkehrswende und der sozial-ökologischen Transforma­ nicht besetzt werden. Um mehr Planerinnen und Planer tion insgesamt. mit entsprechender Expertise auszubilden, fördert die Bun­ desregierung seit Anfang 2020 an sieben Hochschulen Stif­ tungsprofessuren für Radverkehr. GEFÄHRDET IM ALLTAGSVERKEHR Damit die Verkehrswende schneller vorankommt, sind Bei Unfällen innerorts Getötete nach Verkehrsbeteiligungsart, 2019 die verschiedenen politischen Ebenen gefragt. Der Bund kann als Rahmengesetzgeber die jahrzehntelange einseiti­ ge Bevorzugung des Autos im Straßenverkehrsrecht been­ den. Durch Maßnahmen wie die verpflichtende Einführung eines Abbiegeassistenten für Lkw kann er die Sicherheit für Radfahrende erhöhen. Zudem kann er Radschnellwege, Modellprojekte und seit dem Klimapaket auch gute Rad­ 219 124 272 308 infrastruktur innerorts fördern.

Im Jahr 2013 starben in Deutschland

Pkw, Bus etc. Kraftrad Fahrrad zu Fuß / DESTATIS 2020 INFRASTRUKTURATLAS 216 Radfahrende innerorts bei Verkehrsunfällen. Seitdem ist dieser Wert jedes Jahr gestiegen.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 19 ÖPNV ANSCHLÜSSE FÜR ALLE

Busse und Bahnen sind ökologisch sinnvoll beispielsweise die Entfernung zur nächsten Haltestelle, und und sichern Menschen soziale Teilhabe, die kein Bedienungsqualität, also wie oft und zu welchen Uhrzeiten Auto fahren können oder wollen. Doch Haltestellen genutzt werden können. Ein gutes Angebot ge­ mäß des BBSR bietet einem Fahrgast die Möglichkeit, fußläu­ die Angebotsqualität schwankt stark. Gerade fig die nächste Haltestelle zu erreichen und dort mindestens auf dem Land sind neue Lösungen gefragt. 20-mal pro Tag in Bus oder Bahn steigen zu können. In Deutschland gilt das in Großstädten für fast alle Men­ traßenbahnen, Busse, U- und S-Bahnen bringen mit schen, weshalb hier der ÖPNV ein beliebtes Verkehrsmittel vergleichsweise wenig Schadstoffemissionen und ist: Ein Drittel aller Einwohnerinnen und Einwohner von Me­ SEner­­gie­verbrauch viele Menschen ans Ziel. Das macht tropolen besitzen eine Zeitkarte. In ländlichen Regionen da­ den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu einem gegen finden nur 60 Prozent der Bevölkerung ein qualitativ entscheidenden Baustein einer ökologisch nachhaltigen gutes ÖPNV-Angebot vor. Wer dort lebt, kommt deshalb um Mobilitätsinfrastruktur. Darüber hinaus ist er ein unver­ ein eigenes Auto kaum herum. In Regionen, in denen die Be­ zichtbarer Teil der sozialen Infrastruktur und schafft gesell­ völkerung schrumpft, nimmt das Angebot des ÖPNV oft so­ schaftliche Teilhabe. Denn der ÖPNV macht auch Menschen gar noch weiter ab: Vielerorts verkehren Buslinien nur noch mobil, die sich kein eigenes Auto leisten oder sich nicht wenige Male täglich oder werden komplett eingestellt. Leid­ selbst hinters Steuer setzen können. tragende sind vor allem Jugendliche und ältere Menschen, In welchem Umfang die Menschen vor Ort den ÖPNV die noch nicht oder nicht mehr selbst Auto fahren können. nutzen, hängt jedoch stark von der Angebotsqualität Dabei sind die Bundesländer laut dem Regionalisie­ ab – die sich vor allem zwischen Stadt und Land unterschei­ rungsgesetz dazu verpflichtet, ihren Bewohnerinnen und det. Sie bestimmt über die Nutzungsmöglichkeit und kann Bewohnern einen ausreichenden öffentlichen Nahverkehr von der Politik verbessert werden. Das Bundesinstitut für zur Verfügung zu stellen. Schon 2006 stellte das Bundes­ Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) nennt drei Faktoren verkehrsministerium jedoch fest, dass dieser Anspruch zu­ für die Qualität des ÖPNV: Verbindungsqualität, etwa die künftig außerhalb der Städte mit herkömmlichen Linienver­ Dauer der Fahrzeit ins Stadtzentrum, Erschließungsqualität, kehrsangeboten „nicht mehr erfüllbar“ sein dürfte. Im ländlichen Raum sind also neue Ansätze gefragt. Eini­ ge Alternativen ergänzen schon heute das traditionelle An­ gebot, etwa Mitfahr-Apps, Bürgerbusse und andere flexible WAS ÖPNV IN DEUTSCHLAND KOSTET Bedienformen. Im hessischen Odenwaldkreis verknüpft das Preis einer Monatskarte für einen Erwachsenen für den Stadt- bereich, ohne Abonnements, ohne Online-Rabatt, in Euro, 2020 Modell „garantiert mobil!“ den traditionellen ÖPNV mit dem Individualverkehr. Über eine Mobiltelefon-App zeigt das System neben dem Fahrplan passende Mitnahmeange­ Sozialticket Normalpreis bote privater und gewerblicher Autobesitzerinnen und -be­ sitzer, die auf derselben Strecke fahren. Egal, welches Ver­ Hamburg 89,00 111,20 kehrsmittel gewählt wird, der Fahrpreis ist der gleiche und Köln 37,90 101,90 berechnet sich nach dem Tarif des Verkehrsverbundes. In Städten gibt es zwar oft ein gut ausgebautes ÖPNV- Frankfurt a. M. 66,10 91,80 System, dennoch ist das Auto auch hier in der Regel noch Berlin 27,50 84,00 das meistgenutzte Verkehrsmittel. Besonders die Verbin­ dungen ins Umland sind häufig ausbaufähig. So nutzten Nürnberg 32,40 80,10 2016 von den rund 18,4 Millionen deutschen Berufspend­ Leipzig 35,00 78,90 lerinnen und -pendlern 68 Prozent das eigene Auto auf dem Düsseldorf* 39,35 79,20 Weg zur Arbeit, nur 14 Prozent den ÖPNV, was in der Stadt zu erhöhter Lärm- und Feinstaubbelastung führt und somit

Duisburg 39,35 71,20 ein Problem für Umwelt und Gesundheit darstellt. Stuttgart 34,50 69,00 Hierbei ist auch eine intelligentere Steuerung im Sin­ ne einer multi- und intermodalen Mobilität vonnöten. Ge­ Hannover 39,40 68,00 meint ist damit, dass Menschen verschiedene Verkehrsmit­ Bremen 38,90 67,80 tel je nach Bedürfnislage nutzen und effizient miteinander kombinieren können: mit dem E-Auto zum Bahnhof, von Dresden 46,10 61,50

München 30,00 55,20 Vergünstigte Sozialtickets, etwa für Empfängerinnen

* Gleicher Preis: Bochum, Dortmund, Essen, Wuppertal VGN, VBB, RMV, KVB, INFRASTRUKTURATLAS 2020/HVV, und Empfänger von Hartz IV, wurden in vielen deutschen LVB, WSW, VRR, DSW21, BOGESTRA, RHEINBAHN, DVG, VVS, VBN, GVH, DVB, MVV DVB, GVH, VBN, VVS, DVG, RHEINBAHN, BOGESTRA, DSW21, VRR, WSW, LVB, Großstädten in den 2010er-Jahren eingeführt.

20 INFRASTRUKTURATLAS 2020 RUFBUS STATT GEISTERBUS Die rheinland-pfälzische Kleinstadt Wittlich erprobt eine Alternative zum herkömmlichen ÖPNV.

Wittlich Lüxem Krankenhaus Dorf 2016 schaffte Wittlich seine kaum Neuerburg genutzte innerstädtische Buslinie ab. Stattdessen verkehrt nun

ein flexibler Rufbus. Seit Einfüh- WITTLICH 2020 / STADT INFRASTRUKTURATLAS

rung einer mobilen App im Mai Bombogen 2018 heißt er „Wittlich Shuttle“ und wird immer häufiger genutzt.

Wittlich

Wittlich Per App oder Telefon ZOB Wengerohr

Shuttle Mathilde Shuttle Lieser 5 Fahrgäste + 8 Fahrgäste Wittlich Rollstuhl 500 m Hbf Haltepunkte des Wittlich Shuttle Frühere Stadtbusstrecke

Entwicklung der monatlichen Fahrgastzahlen Einführung der App 1000

750

500 3 Euro 3 Euro / Fahrt 4 Euro Mo–Do 5–19 Uhr 250 Mo–Fr 8–12 Uhr, 14–18 Uhr Mo–Fr 5–20 Uhr Fr 5–24 Uhr 0 „Rufbus Wittlich“ „Wittlich Shuttle“ Aug ’16 Jan ’17 Juli ’17 Jan ’18 Mai ’18 Jan ’19 Juli ’19 Jan ’20 Mai ’20

Ende Juli 2020 endete die vierjährige Experimentier- phase des Wittlich Shuttle. Es fährt weiter – und Die Herausforderungen für den ÖPNV unterscheiden das Angebot wurde aufs Wochenende ausgeweitet. sich zwischen Stadt und Land. Die Qualität des Angebots ist dabei immer auch eine Folge politischer Entscheidungen und kann nicht nur durch Investitionen verbessert werden, dort aus mit dem Zug weiter und die letzten Meter dann mit sondern auch durch Offenheit für neue Angebotskonzepte. dem Leihrad. Dazu können auch selbstorganisierte Ride- Es ist Aufgabe der Politik, in allen Regionen für einen guten und Carsharing-Angebote zählen. Dort, wo Menschen die ÖPNV zu sorgen. Nur so wird etwa auf dem Land soziale Teil­ gleichen Wege haben, können sie sich gegenseitig mitneh­ habe auch ohne eigenes Auto möglich. Vor allem aber kann men, etwa im ländlichen Potsdamer Norden dank der Mit­ nur ein hochwertiges Angebot an Bus und Bahn den Verkehr fahrinitiative „PotsAb“ oder am Bodensee, wo „HÖRI-MIT“ der Zukunft ökologisch nachhaltiger gestalten. die Höri-Halbinsel und Radolfzell verbindet. Vor allem in den Städten geht es beim ÖPNV auch um As­ pekte der sozialen Teilhabe. So sind Bildungseinrichtungen, IMMER MEHR FAHRTEN MIT DEM ÖPNV Kulturorte und andere Versorgungsangebote oft ungleich Pro Jahr in Deutschland im öffentlichen Nahverkehr beförderte über die Stadt verteilt. Ein guter ÖPNV kann dazu beitragen, Personen nach Verkehrsträger, in Milliarden Unterschiede abzubauen, indem er die Angebote für mög­ lichst viele Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt und Straßenpersonenverkehr (Busse, U-Bahnen, Straßenbahnen etc.) des Umlands erreichbar macht. Denn nur ein kleiner Teil Schienenverkehr (Regionalzüge und S-Bahnen) 12,3 11,7 der Menschen kann den Wohnort vollkommen frei wählen. 11,0 Mit steigenden Mieten in den Innenstädten werden viele in die preiswerteren Randlagen verdrängt. Von dort aus ist der 9,6 Weg ins Zentrum weiter, und ohne ein gutes ÖPNV-Ange­ 9,0 9,3 bot schwindet die soziale Teilhabe.

2,7 2,0 2,4 Das Verkehrsaufkommen in Deutschland ist in den

2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018 DIW 2020 / BMVI, INFRASTRUKTURATLAS letzten 30 Jahren gestiegen. Die meisten Strecken werden dabei noch immer mit dem Auto zurückgelegt.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 21 EISENBAHNNETZ BELIEBT UND ÜBERLASTET

Das Schienennetz ist eine Schlüsselinfrastruktur 60 Prozent des deutschen Streckennetzes elektrisch fahren, für klimafreundliche Mobilität, Teilhabe und was den Einsatz mit Diesel betriebener Lokomotiven erfor­ regionale Entwicklung in Deutschland. Und es dert, der teurer und klimaschädlicher ist. Dass es auch an­ ders geht, zeigt die Schweiz, wo das gesamte Eisenbahnnetz ist an den Grenzen seiner Leistungsfähigkeit. mit Oberleitungen ausgestattet ist. Eine weitere Herausforderung für die Bahn ist ihr Erfolg: ehr als eine Milliarde Kilometer haben Züge in Längst ist die Netzkapazität am Limit. Im öffentlich subven­ Deutschland 2019 zurückgelegt. Möglich ist das tionierten Nah- und Regionalverkehr ist die Zahl der Reisen­ Mdank eines der – trotz zahlreicher Streckenstill­ den seit 1990 von rund einer Milliarde auf über 2,7 Milliar­ legungen in den vergangenen hundert Jahren – größten den im Jahr 2018 gestiegen. So sind überfüllte Waggons im und dichtesten Bahnnetze der Welt. Derart viel Verkehr Rhein-Ruhr-Gebiet, auf der Münchner Stammstrecke oder sicher abzuwickeln bedeutet einen enormen Aufwand. So im Hamburger Hauptbahnhof ein gewohntes Bild. sind bei der DB Netz AG, die rund 85 Prozent des deutschen Überlastete Strecken machen es vielerorts aber un­ Schienennetzes betreibt, über 46.000 Menschen damit möglich, zusätzliche Züge fahren zu lassen. Die technische ­beschäftigt, Gleise instand zu halten und den Zugverkehr Infrastruktur ist zum Flaschenhals beim Wachstum eines zu überwachen. zunehmend nachgefragten Verkehrsmittels geworden. Not­ Die Unterhaltskosten werden den Nutzern, also den wendig wäre unter anderem der Ausbau ausgewählter Stre­ Bahnunternehmen, unmittelbar in Rechnung gestellt: Eine cken um ein drittes oder viertes Gleis. Zusätzliche Weichen Fahrt auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Berlin nach und Brücken im Vorfeld von Bahnhöfen könnten verhin­ München kostet etwa 12 Euro pro Kilometer, der Halt im dern, dass ein Zug die Strecke für einen anderen blockiert. Münchner Hauptbahnhof zusätzliche 55 Euro Nutzungs­ Auch die Politik hat die drängendsten Probleme inzwi­ entgelt pro Zug. Dieses Finanzierungsprinzip unterscheidet schen erkannt. Bundesregierung und Deutsche Bahn haben die Schiene von der Straße und ist eine bewusst getroffene unter anderem vereinbart, von 2020 bis 2029 in das beste­ Entscheidung des Bundes. Das europäische Recht würde es hende Schienennetz 86 Milliarden Euro zu investieren. Der erlauben, Bahnunternehmen einen Teil der Trassenkosten abzunehmen. Stattdessen hat die Infrastruktur-Sparte der Deutschen Bahn den Auftrag, Geld zu erwirtschaften. Mit GELD FÜR EIN GUTES SCHIENENNETZ über einer Milliarde Euro Gewinn trugen Gleise und Bahn­ höfe 2019 mehr als jeder andere Geschäftsbereich zum Er­ Staatliche Investitionen, Euro pro Einwohner, 2019 gebnis des Bahnkonzerns bei. Die Vorgaben der Politik, wie die Bahninfrastruktur fi­ Schweiz 404 nanziert wird, steigert die Kosten für die Kundinnen und Österreich 226 Kunden der Bahn. Das hat Einfluss auf die Attraktivität des Verkehrsmittels. Ein seit Jahren diskutierter Ansatz für Dänemark 148 günstigere Preise könnte es sein, die Infrastruktur in eine Niederlande 133 gemeinnützige Gesellschaft zu überführen. Ein gewinn-­ orientierter Wettbewerb wäre bei den Bahnbetreibern Italien 93 ­weiterhin möglich, dennoch könnte Zugfahren gerade im Deutschland 76 Fernverkehr günstiger werden. Frankreich 42 Dass mit der Bahninfrastruktur kurzfristige Gewinne er­ zielt werden müssen, hat auch Auswirkungen auf ihre Quali­ Spanien 29 tät und Leistungsfähigkeit. Über viele Jahre waren die Investi­ tionen in das Bestandsnetz zu gering. Die Zahl der Baustellen Investitionen aus Bundesmitteln ins deutsche Schienennetz auf den Strecken steigt, Weichen und Signale fallen altersbe­ nach Jahren, in Milliarden Euro 6,4 dingt häufiger aus, fast die Hälfte der Eisenbahnbrücken in 6,3 5,7 Deutschland steht seit mindestens hundert Jahren. „Störun­ 5,3 gen im Betriebsablauf“ gehören dadurch zum Alltag vieler 4,4 4,6 4,4 4,6 4,1 4,2 4,0 Reisender, im Fernverkehr ist jeder vierte Zug verspätet. 3,9 Auch das ökologische Potenzial der Bahn wird längst nicht ausgeschöpft. So lässt sich derzeit auf gerade einmal

In Deutschland lagen die staatlichen Investitionen auf 2008 ’09 ’10 ’11 ’12 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19 INFRASTRUKTURATLAS 2020 / ALLIANZ PRO SCHIENE PRO 2020 / ALLIANZ INFRASTRUKTURATLAS

Bundesebene für Fernstraßen im Jahr 2019 rund 25 Prozent über den Investitionen ins Schienennetz.

22 INFRASTRUKTURATLAS 2020 ZENTRAL UND DEZENTRAL Hochgeschwindigkeitszug-Netze in Deutschland (Stand 2020) und Frankreich (2017)

Der Fokus des TGV-Netzes liegt auf schnellen Verbindungen von Paris in den Rest Frankreichs. Durch weniger Haltepunkte und exklusive TGV-Trassen ist die Durch- schnittsgeschwindigkeit höher als im ICE-Netz. Dieses ist dafür dezentraler organi- Rostock siert – Umwege entfallen, es gibt bessere Verbindungen zwischen den Regionen. Hamburg INFRASTRUKTURATLAS 2020 / DB, SNCF, UIC SNCF, 2020 / DB, INFRASTRUKTURATLAS

Hannover Berlin DEUTSCHLAND

Lille Aachen Köln Leipzig

Paris Forbach Saar- brücken Frankfurt a. M. Rennes Karlsruhe Straßburg München Freiburg

Mülhausen

FRANKREICH

Bordeaux Lyon

Maximalgeschwindigkeit des Streckenabschnitts < 230 km/h Montpellier 230–299 km/h

≥ 300 km/h Marseille Verbindungsstrecken

Von Hamburg nach München fährt ein ICE 5,5 Stunden tatsächliche Bedarf liegt aber vermutlich noch höher. Neben und hält siebenmal. Der TGV braucht für die ähnlich lange der Sanierung des Netzes sollen auch die Elektrifizierung Strecke Paris – Marseille ohne Stopp gut 3 Stunden. und die Digitalisierung der Bahninfrastruktur vorange­ bracht werden. Alte mechanische Stellwerke werden durch moderne elektronische ersetzt. Die genaue Position der ­Schweizerinnen und Schweizer fahren doppelt so oft mit Züge soll künftig über einen europäischen technischen Stan­ dem Zug wie die Deutschen. dard digital erfasst werden. So lassen sich die Züge während Das Vorbild Schweiz zeigt: Infrastrukturen für eine der Fahrt passgenau beeinflussen, Gleise werden effektiver nachhaltige Mobilität auch in der Fläche benötigen klare genutzt, grenzüberschreitender Verkehr wird einfacher. Kon­zepte, eine konsequente Umsetzung und hohe I­nvest­ In Zukunft soll es auch einen bundesweiten Zielfahrplan itionen. Dazu kommen aber auch politische Entscheidun­ geben, den sogenannten „Deutschlandtakt“. Danach er­ gen, beispielsweise, welche Regionen direkt verbunden reichen Züge ausgewählte Bahnhöfe so, dass sich optimale sein sollen und welche nur über Anschlussverbindungen er­ Umsteigebedingungen ergeben. Zudem sind deutlich mehr reicht werden. Oder ob man den Fokus auf wenige schnelle Zugfahrten vorgesehen, etwa in einem 30-Minuten-Takt ­Trassen zwischen Metropolen legt – und so eine attraktive zwischen vielen Städten. Auf der Strecke Berlin – Hamburg Alternative zu Inlandsflügen schafft – oder auf Verbindun­ soll er schon ab Dezember 2020 realisiert werden. gen in der Fläche, was eine alltägliche Nutzbarkeit für viele Ideengeberin für das ambitionierte Vorhaben ist die und damit eine breitere Akzeptanz bedeutet. Schweiz, die seit 1987 ihr Streckennetz zielgerichtet aus­ Diesen Fragen geht aber eine Grundsatzentscheidung baut. Bahnhöfe wurden erweitert und Strecken dort aus­ voraus: Der Ausbau und die Modernisierung von Gleisen, gebaut und beschleunigt, wo entscheidende Minuten Weichen und Zugsteuerungstechnik ist ein unerlässlicher fehlten, um einen Anschluss zu erreichen. Diese lang­ Schritt. Denn leistungsfähigere Infrastrukturen machen fristige ­Investition in die Infrastruktur zahlt sich aus. Die mehr Zugverkehr überhaupt erst möglich.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 23 KINDERTAGESBETREUUNG STRUKTUREN FÜR DIE JÜNGSTEN

Von guten Betreuungsangeboten profitieren Bis Mitte der 2000er-Jahre war diese Differenz noch Kinder, Eltern und die Wirtschaft. Die Zahl ausgeprägter: In Westdeutschland besuchten weniger als der Kitaplätze für Kinder unter drei Jahren wird 8 Prozent der Kinder unter drei Jahren eine Kindertages­ betreuung, während es in Ostdeutschland fast 40 Prozent seit einiger Zeit ausgebaut. Unterschiede gibt waren. Dies entsprach dem in der Bundesrepublik viele Jahr­ es zwischen Ost- und Westdeutschland. zehnte vorherrschenden Familienmodell, in dem der Vater in Vollzeit der Erwerbsarbeit nachgeht und die Mutter sich indertagesbetreuung ist ein sichtbarer und wichtiger vorrangig um Haushalt und Kinder kümmert. In der DDR Bestandteil der sozialen Infrastruktur. Bei hoher Quali­ war es hingegen üblich, dass auch Kleinkinder in staatlichen Ktät ist sie gut für die Berufschancen von Müttern, för­ Einrichtungen betreut wurden, während beide Elternteile dert die Entwicklung von Kindern, steigert die soziale Chan­ erwerbstätig waren. In der Folge liegt der Anteil von Kindern cengleichheit, schafft Arbeitsplätze – und rechnet sich aus unter drei Jahren, die in Kindertageseinrichtungen (Kitas) all diesen Gründen auch gesamtwirtschaftlich. betreut werden, in Ostdeutschland bis heute höher. Im Frühjahr 2020 waren in Deutschland 92,5 Prozent In den vergangenen 15 Jahren wurde die Notwendigkeit der Kinder von drei bis unter sechs Jahren in einer Kinder­ eines ausreichenden Kitaplatz-Angebots für Kinder aller tagesbetreuung. Von den Kindern unter drei Jahren waren Altersgruppen immer stärker von der Politik erkannt und es 35,0 Prozent. Bei diesen sind die regionalen Unterschiede angegangen. Der Ausbau öffentlich subventionierter Kitas groß: In Ostdeutschland lag die Quote mehr als 20 Prozent­ wurde seither sukzessive forciert. Seit 2013 haben alle Kin­ punkte über der in Westdeutschland. der in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreu­ ungsplatz ab dem ersten Geburtstag, und zwar unabhängig von der Erwerbsbeteiligung der Eltern. Davor gab es seit 1996 einen Rechtsanspruch ab dem vierten Lebensjahr. GROSSE UNTERSCHIEDE Treiber dieser Entwicklung sind unter anderem im Zuge Monatlicher Elternbeitrag für Kinder im Alter von 42 Monaten, Betreuungsumfang 35 Stunden, des Wertewandels veränderte Rollen- und Geschlechter­ in Euro (gerundet), Stichtag: 31.12.2018 bilder, in Ostdeutschland sozialisierte Frauen, die eine gute Kita-Infrastruktur als selbstverständlich ansehen, sowie For­ Bruttojahreseinkommen der Familie derungen der Wirtschaft, die auf gut ausgebildete Frauen 30.000 € 50.000 € als Arbeitskräfte angewiesen ist. 0 Denn ein gut ausgebautes Angebot an Kita-Plätzen hat Berlin 0 positive Effekte auf die berufliche Karriere von Müttern – bei 0 Frankfurt a. M. Vätern gibt es keine bedeutenden Auswirkungen. Empiri­ 0 0 sche Studien zeigen, dass der Kita-Ausbau der vergangenen Düsseldorf 1 0 Jahre die Erwerbsbeteiligung von Frauen mit Kindern im 3 0 zweiten und dritten Lebensjahr signifikant erhöht hat; etwa Kiel 217 0 die Hälfte dieses Anstieges ist auf den Ausbau zurückzufüh­ Erfurt 91 ren. Davon profitieren die Frauen unmittelbar, da sich kür­ 29 Hamburg 1, 3 zere Erwerbsunterbrechungen positiv auf das Lebensein­ 123 kommen und die Absicherung im Alter auswirken. 35 Köln 125 Auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive gehen von 49 einer höheren Erwerbsbeteiligung der Mütter Wachstums­ Bielefeld 127 impulse aus, gerade in Zeiten eines zunehmenden Fachkräf­ 53 München 2 105 temangels. Zusätzlich fließt ein Teil der staatlichen Ausga­ 54 ben für die Bereitstellung der Kindertagesbetreuung in Form Stuttgart 1, 2, 4 54 von höheren Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbei­ 59 Potsdam 1 trägen an die öffentliche Hand zurück. 115 65 In den vergangenen Jahren hat auch die Diskussion um Bremen 1 146 die Qualität von Kitas zugenommen. Länder und Kommu­ 101 Leipzig 4 nen haben sich gemeinsam mit dem Bund auf Verbesserun­ 101 122 gen in diesem Bereich verständigt, denn eine qualitativ gute Saarbrücken 1, 2, 4 122 Kindertagesbetreuung ist auch für die Entwicklung von 135 Nürnberg 2, 4 135

1 Nicht alle Werte von der Stadt bestätigt. 2 Nur in städtischen Einrichtungen gültig. 3 Berechnung auf Grundlage des Nettoeinkommens. 4 Zuschüsse oder Gebührenerlasse Für 18 Monate alte Kinder liegen die Beträge fast möglich, für die Untersuchung aber nicht berücksichtigt. INFRASTRUKTURATLAS 2020 / IW INFRASTRUKTURATLAS überall höher – in Leipzig beispielsweise bei 164,22 Euro pro Monat, unabhängig vom Einkommen.

24 INFRASTRUKTURATLAS 2020 MEHR KITAPLÄTZE SCHAFFEN MEHR MÖGLICHKEITEN Anteil von Kindern unter drei Jahren in Tagesbetreuung und Anteil aktiv erwerbstätiger Mütter von Kindern unter drei Jahren nach Ländern, in Prozent, 2006 und 2018

Schleswig- Mecklenburg- Schleswig- Mecklenburg- Hamburg Hamburg Holstein Vorpommern Holstein Vorpommern 44,0 34,5 21,0 33,7 56,4 34,1 33,1 39,4 7,5 43,1 Berlin 30,5 36,2 Berlin Bremen Bremen 43,9 34,1 BMFSFJ 2020 / DESTATIS, INFRASTRUKTURATLAS 28,4 37,8 23,3 26,0 9,2 Niedersachsen Sachsen- Brandenburg 15,6 Niedersachsen Sachsen- Brandenburg 30,9 Anhalt 56,4 32,9 Anhalt 46,6 Nordrhein- 5,1 57,1 40,4 Nordrhein- 28,0 36,3 37,5 Westfalen 50,2 Westfalen 38,1 27,2 Hessen Thüringen Sachsen 28,7 Hessen Thüringen Sachsen 6,5 26,2 30,6 54,0 50,9 32,4 39,9 38,7 Rheinland-Pfalz 9,0 37,9 33,5 Rheinland-Pfalz 23,3 26,0 32,5 30,9 2018 29,1 9,4 2006 31,3 Bayern Bayern Baden- 27,5 Baden- Saarland 32,3 Saarland Württemberg 8,2 Württemberg 30,0 28,6 29,1 36,0 30,3 10,2 8,7 21,7 26,0

Tagesbetreuung von Kindern unter drei Jahren 2018, in Prozent Aktiv erwerbstätige Frauen mit Kindern unter drei Jahren 2018, in Prozent < 30 30 – 40 40 – 50 > 50 <25 25 –30 30 – 35 35 – 40 > 40

Seit Mitte der 2000er-Jahre haben die ­Kindern von großer Bedeutung. Dabei ist neben strukturel­ westdeutschen Länder beim Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren deutlich aufgeholt. len Faktoren wie dem Betreuende-pro-Kind-Schlüssel oder der Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte insbesonde­ re die Interaktion der Betreuerinnen und Betreuer mit den Kindern von großer Bedeutung. tigung finden können. Dabei ist es im Interesse der Be­ Bildungsökonomische Studien zeigen, dass insbesonde­ schäftigten als auch der gesamten Volkswirtschaft, diese re Kinder aus sozioökonomisch schlechtergestellten Fami­ Arbeitsplätze finanziell aufzuwerten. Insgesamt bringen lien von einer guten Kita-Qualität profitieren – allerdings gute Kitas auf vielen Ebenen Gewinne, die mittel- bis lang­ sind in Deutschland in der Altersgruppe unter drei Jahren fristig sogar deren Kosten übersteigen können. Hinzu gerade diese Kinder in Kitas unterrepräsentiert. Sie können kommen positive Effekte für die Gesellschaft, die sich nicht dabei etwa in Hinblick auf ihre Schullaufbahn und ihr spä­ ­monetarisieren lassen. teres Erwerbseinkommen profitieren und könnten bei guter Kita-Qualität später auch seltener von sozialen Fürsorgeleis­ tungen abhängig werden. EUROPAMEISTER DÄNEMARK Damit erzielt die Kita ökonomisch formuliert eine hohe Formale Betreuung von Kindern unter drei Jahren in europäischen Rendite. Diese ist vielfach höher als bei Investitionen in die Ländern (Auswahl) in Prozent, 2018 Bildung von Kindern zu einem späteren Zeitpunkt. Volks­ wirtschaftlich betrachtet führt auch dies zu einem Gewinn, 30≥ Std. / Woche < 30 Std. / Woche Keine Betreuung da dadurch langfristig die Einkommensteuereinnahmen Dänemark 54,5 8,7 36,8 steigen und die Ausgaben für die sozialen Fürsorgeleistun­ gen sinken. Für einzelne Gruppen kann die Kita darüber Niederlande 6,3 50,5 43,2 hinaus einen hohen Nutzen haben, etwa bei der Sprachför­ Frankreich 30,4 19,6 50,0 derung von Kindern und der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund und auch ihrer Eltern. Slowenien 44,1 2,2 53,7 Außerdem ist die Kita ein wichtiger Bereich der Sorge­ EU (inkl. GB) 18,9 16,2 64,9 arbeit, in dem zunehmend mehr Fachkräfte eine Beschäf­ Deutschland 22,1 7,7 70,2

Österreich 7,1 12,9 80,0 27,3 Prozent der Kinder unter drei Jahren waren 2012 Polen 8,8 2,1 89,2

EU-weit in formaler Kinderbetreuung. Seitdem ist dieser INFRASTRUKTURATLAS / EUROSTAT Wert jedes Jahr gestiegen und lag 2018 bei 35,1 Prozent.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 25 FACHHOCHSCHULEN SCHMIEDEN DES SOZIALEN AUFSTIEGS

Fachhochschulen sind wichtige Akteure ­Trägerschaft, wovon wiederum der größte Teil erst in den der regionalen Entwicklung. Mit ihrer vergangenen 25 Jahren gegründet wurde. Dieser Boom lässt praxisnahen Lehre sind sie zudem attraktiv für sich auch in der Zahl der FH-Studierenden fassen, die sich zwischen den Wintersemestern 2006/07 und 2018/19 fast Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger. verdoppelt hat und inzwischen über eine Million beträgt. Der Anteil an allen Studierenden erhöhte sich in diesem mmer mehr Menschen studieren in Deutschland – im Zeitraum von 27 auf 37 Prozent. Wintersemester 2019/2020 waren es rund 2,9 Millionen. Fachhochschulen sind im Vergleich zu den oftmals ISchrieb sich vor 20 Jahren noch rund ein Drittel pro Alters­ jahrhundertealten Universitäten sehr jung. Sie entstanden jahrgang an einer Hochschule ein, entscheidet sich aktuell im Westdeutschland der 1960er-Jahre – mit Europa als Ge­ mehr als die Hälfte für eine akademische Ausbildung. Denn burtshelfer. Die Vorläuferin der Europäischen Union, die Eu­ die ist der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit und ein Treib­ ropäische Wirtschaftsgemeinschaft, schrieb im Januar 1966 stoff für den wirtschaftlichen wie sozialen Aufstieg. für Ingenieurinnen und Ingenieure, die sich selbstständig Akademische Bildung kann dabei seit mehr als 50 Jah­ machen wollten, einen Hochschulabschluss vor und trieb ren nicht mehr nur an Universitäten erlangt werden, son­ damit in Deutschland die Schülerinnen und Schüler der da­ dern auch an Fachhochschulen (FH). Mehr als 200 von ihnen maligen Ingenieurschulen auf die Straße. Auf Demonstra­ gibt es heute in Deutschland, fast die Hälfte ist in privater tionen forderten sie eigene Hochschulen und hatten Erfolg: Die Politik erhob die Ingenieurschulen zu Hochschulen und verabschiedete in den darauffolgenden Jahren in allen Bun­ desländern Fachhochschulgesetze. EIN DICHTES NETZ Vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftebe­ Standorte von Hochschulen, nach Art und Trägerschaft, 2016 darfs richtete die Politik zwei Kernaufträge an die Fachhoch­ schulen: praxisnahe Lehre und anwendungsbezogene For­ schung. Die Marke Fachhochschule war erfunden und die Abgrenzung zur Universität gesetzt. Während Universitäten mit ihren Lehrstühlen und wis­ senschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für Theorie und Grundlagenforschung stehen, bieten Fach­ hochschulen mit ihrer angewandten Forschung in einem kleineren Fächerspektrum praxisnahe und klar strukturier­ te Studiengänge, die auf konkrete Berufe in der Wirtschaft, Verwaltung, der Gesundheitsbranche oder dem Sozialwe­ sen zielen. Die Akademisierung der sozialen Arbeit und der Gesundheitsfachberufe findet dementsprechend fast aus­ schließlich an Fachhochschulen statt. Der Wissenstransfer in und das Engagement für die Re­ gion sind ein Merkmal von Fachhochschulen und Teil ihres Selbstverständnisses. Mit ihrer schieren Existenz tragen sie zur Entwicklung der örtlichen Wirtschaft und Infrastruk­ turen bei. So hat beispielsweise die Fachhochschule Fulda rund 70 Partnerinnen und Partnern aus der Kommunalpoli­ tik, dem Gesundheitssektor, der Wirtschaft und der Zivilge­ sellschaft um sich versammelt, um die Gesundheit und die Lebensqualität in der Region Osthessen zu fördern. Viele Fachhochschulen haben die angestammte Be­ zeichnung abgelegt. Sie nennen sich lieber Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW), manche nutzen auch

Fachhochschulen Staatlich und kirchlich Privat Universitäten Staatlich und kirchlich Privat An 424 Hochschulen konnte im Wintersemester

Kunst-, Musik- und Theologische Hochschulen 2020 / DESTATIS INFRASTRUKTURATLAS 2019/20 in Deutschland studiert werden. Mit 213 waren mehr als die Hälfte davon FHs.

26 INFRASTRUKTURATLAS 2020 WISSENSTRANSFER IN DER REGION Ausgewählte Projekte mit lokalen Kooperationspartnern an der Hochschule Osnabrück

Ein Netzwerk für „vertikale Landwirtschaft“ Cappeln (Oldenburg) Indoor-Farmen brauchen zum Gemüseanbau 5 weder Sonnenlicht noch Ackerboden. Der Eydelstedt ­„AgrarCycle“ soll diese Form der Landwirt- Meppen schaft fördern. Ihm gehören unter anderen an: Quakenbrück 6 1 5 Mählmann Gemüsebau 7 2 6 ANEDO (Elektronik für Landmaschinen) 7 Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik NIEDERSACHSEN Damme 8 Hagedorn Software Engineering B 13 Lingen (Ems) Das lernende Gesundheitssystem In Zusammenarbeit mit der Wundambulanz des Klinikums Melle hat die HS Osnabrück ein System entwickelt, um Risiken – wie Osnabrück Bad Essen Amputationen – bei diabetischen Fußwunden frühzeitig zu erkennen. Es wird bereits erprobt. 3 12 A 9 Christliches Klinikum Melle 10 Hasbergen 4 14 Melle

NORDRHEIN-WESTFALEN 11 9 Elektrotechnik im Praxisverbund In den gleichnamigen Studiengang ist eine Lengerich Berufsausbildung in einem regionalen Unter- 15 nehmen integriert. Dazu gehören: Fachhochschulstandorte Dissen am Bielefeld 10 Volkswagen Osnabrück A Osnabrück Teutoburger Wald 11 Windmöller & Hölscher (Maschinenbau) B Lingen (Ems) Münster 8 5 km Warendorf 12 Kesseböhmer (Metallverarbeitung) 13 Grimme (Erntemaschinenhersteller)

Theaterpädagogik für Demenzkranke Düngung mit dem Smartphone Stiftungsgeld für Lebensmitteltechnik Gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewoh- Die gemeinsam mit einer Firma von Ab- Im „Food Future Lab“ sollen Studierende nern von Altenpflegeeinrichtungen im Emsland solventen der HS Osnabrück entwickelte App und Beschäftigte der regionalen Lebens­ erprobte das Forschungsprojekt „TiP.de“ den „OptiBlend“ erkennt die Zusammensetzung mittelwirtschaft zusammenarbeiten. Unter- Einsatz theaterpädagogischer Elemente von mineralischen­ Mischdüngern und hilft bei stützt wurde es mit 1,3 Millionen Euro von bei der Versorgung von Menschen mit Demenz. der Ausstreuung auf dem Feld. zwei regional verankerten Stiftungen.

1 DRK-Wohnpark Meppen-Esterfeld 3 iotec (Sensorikspezialist) 14 Aloys & Brigitte Coppenrath Stiftung 2 Seniorenresidenz Meppen 4 Amazonen-Werke (Landtechnikhersteller) 15 Dieter Fuchs Stiftung INFRASTRUKTURATLAS 2020 / HS OSNABRÜCK 2020 / HS INFRASTRUKTURATLAS

Seit dem Wintersemester 2007/08 hat sich die Zahl die englische Variante University of Applied Sciences. Die der Studierenden an der Hochschule Osnabrück fast Umbenennung zeugt vom gestiegenen Selbstbewusstsein verdoppelt: von 7.535 auf 14.280 im WS 2019/20. des Hochschultyps ebenso wie von seiner wachsenden Be­ deutung in regionalen Innovationssystemen. Fachhochschulen sind häufiger als Universitäten in Ähnlich, wenn auch in einem deutlich geringeren Maß­ gleich mehreren Kommunen vertreten. Mit ihrer dezentra­ stab, verhält es sich bei der Integration von Geflüchteten. Im len Standortpolitik haben sie in den vergangenen 20 Jahren Programm „Integra“ wurden beispielsweise im Jahr 2016 die Infrastruktur des deutschen Hochschulsystems wesent­ insgesamt 135 Hochschulen gefördert, darunter waren lich verdichtet und damit den Hochschulzugang auch rein 69 FHs und 62 Universitäten. Das Engagement der Fach­ räumlich erleichtert. hochschulen ist insofern bemerkenswert, als sie im Ver­ Besonders attraktiv sind Fachhochschulen – unter ande­ gleich zu Universitäten über deutlich geringere finanzielle rem durch ihre Praxisnähe – für Bildungsaufsteigerinnen Ressourcen verfügen. Das zeigt: Die frühere Entscheidung, und -aufsteiger. 58 Prozent der FH-Studierenden stammen eine praxisnahe akademische Ausbildungsinfrastruktur auf­ aus einem nichtakademischen Elternhaus, an Universitä­ zubauen, trägt noch immer zu einer akademischen Breiten­ ten liegt die Quote bei 42 Prozent. Besonders offen zeigen bildung für Bildungsaufsteigerinnen und -aufsteiger bei. sich Fachhochschulen gegenüber Studierenden, die be­ So weltoffen Fachhochschulen heute auch sind, sie blei­ rufliche Qualifikationen mitbringen, aber keine formale ben in ihren Regionen verankert. Sie beleben mit ihrem Hochschulzulassungsberechtigung. Von den 2018 insge­ Wissenstransfer die regionale Wirtschaft genauso wie das samt in Deutschland registrierten knapp 15.000 Studien­ soziale Leben vor Ort. Das macht sie – auch im übertragenen anfängerinnen und Studienanfängern ohne Abitur nah­ Wortsinn – zu einer nahbaren Institution, die insbesondere men die Fachhochschulen mit 9.855 Personen den größten Kindern aus nichtakademischen Familien den Weg in die Anteil auf. höhere Bildung erleichtert.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 27 SCHWIMMBÄDER WENN INFRASTRUKTUREN BADEN GEHEN

Schwimmbäder sind soziale Treffpunkte, Dimension der Bäderinfrastruktur erkennbar: Die soge­ wie man sie in unserer Gesellschaft nur nannten „Volksbäder“ machten einer breiten Bevölkerungs­ selten findet. Doch oft stehen sie im Fokus, schicht eine günstige Form des Badens zugänglich und sicherten zugleich einen Minimalstandard an Hygiene. wenn Kommunen Geld sparen müssen. Bis heute ist bei der Schwimmbadnutzung eine hohe sozi­ Der Sanierungsbedarf vieler Bäder ist hoch. ale Diversität erkennbar. Querschnittsstudien für Nordrhein- Westfalen belegen, dass Schwimmen in allen Altersklassen chwimmen gehört in Deutschland zu den ­beliebtesten beliebt ist, bei einem in etwa ausgeglichenen Geschlechter­ Sport- und Bewegungsaktivitäten und erfüllt wichtige verhältnis. Soziale Unterschiede zeigen sich jedoch bei der Sgesellschaftliche Funktionen. Denn es ist nicht bloß Frage, ob Kinder schwimmen lernen. Die Studie zur Gesund­ gesund, es hat auch einen bedeutenden sozialen Aspekt.­ heit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KiGGS) Öffentliche Hallen- und Freibäder sind unabdingbarer Be­ des Robert Koch-Instituts hat ergeben, dass Kinder von Eltern standteil kommunaler Daseinsvorsorge: Sie sichern das mit niedrigem Sozialstatus seltener schwimmen können als Schul- und Vereinsschwimmen und ermöglichen eine Nut­ gleichaltrige Kinder von Eltern mit hohem Sozialstatus. zung zu erschwinglichen Preisen. Das macht Schwimm­ Schwimmen ist eine tendenziell kostengünstige Aktivi­ bäder zu einem Treffpunkt über Einkommens- und Gesell­ tät. Im Jahr 2018 lag der durchschnittliche Preis einer Tages­ - schaftsgrenzen hinweg, wie man ihn nur selten findet. Deutschland verfügt über eine seit Jahrhunderten ge­ wachsene Schwimm- und Badekultur. Spätestens gegen Mehr als sechs Millionen Gäste besuchten 2019 Berlins Ende des 19. Jahrhunderts ist eine gesamtgesellschaftliche öffentliche Bäder, über zwei Millionen von ihnen im Rahmen von Schul, Kita-, Hort- und Vereinsschwimmen.

WIE SUBVENTIONEN SINNVOLL FLIESSEN Einnahmen und Ausgaben der Berliner Bäder-Betriebe, Angaben in Millionen Euro (gerundet), Geschäftsjahr 2019

70,77 Haushaltszuschüsse

17,32 Umsätze aus dem Bäderbetrieb

2,70 Übrige Umsatzerlöse

1,88 Auflösungen des Sonderpostens für Investitionszuschüsse

0,29 Sonstige betriebliche Erträge

92,96 Mio. Euro Betriebserträge insgesamt

39,06 Personalaufwand

22,88 Instandhaltung

15,19 Materialaufwendungen

7,60 Bewirtschaftung *

9,49 Sonstiges **

94,21 Mio. Euro Betriebsaufwendungen insgesamt

* U. a. Kosten für Straßen- und Gebäudereinigung, Objektbewachung, externe Dienstleister ** U. a. Verwaltungsaufwendungen, Abschreibungen, Vertriebsaufwendungen INFRASTRUKTURATLAS 2020 / BERLINER BÄDER-BETRIEBE 2020 / BERLINER INFRASTRUKTURATLAS

28 INFRASTRUKTURATLAS 2020 karte für öffentliche Bäder deutschlandweit bei 4,30 Euro EINE AKTIVITÄT FÜR ALLE GENERATIONEN für Erwachsene und 2,60 Euro für Jugendliche. Dies ist poli­ Zusammensetzung nach Altersgruppen in Prozent, Untersuchung tisch gewollt: So macht der Eintrittspreis nur einen geringen in neun Städten in Nordrhein-Westfalen*, 2010 – 2015 Anteil der Einnahmen eines öffentlichen Schwimmbads aus – den größten Teil bilden Zuschüsse. Eine Langzeitanaly­ 10 – 19 Jahre 40 – 49 60 – 69 se für den Zeitraum 2003 bis 2012 ergab für Freibäder einen 20 – 29 50 – 59 70 – 75 operativen Kostendeckungsgrad von im Schnitt gerade ein­ 30 – 39 mal 28 Prozent. Auch bei Hallenbädern mit einer Wasser­ fläche von 251 bis 500 Quadratmetern lag er nur bei etwas 11,3 über 30 Prozent. 18,2 Auch aufgrund der hohen kommunalen Zuschüsse ste­ 5,5 11,1 16,7 hen Schwimmbäder bei knappen Haushalten und Einspar­ 7,5 maßnahmen immer wieder im Fokus. So schlug der Bund Gesamt- der Steuerzahler im Jahr 2014 unter anderem vor, dass 10,7 bevölkerung 12,5 16,1 die Kommunen höhere Eintrittspreise und den Abbau von 10 – 75 Jahre* ­Vergünstigungen prüfen sollten. Mit Blick auf die Offenheit 19,1 für alle gesellschaftlichen Milieus ist dieser Ansatz jedoch 16,8 problematisch. 15,2 19,4 In den vergangenen Jahren war oft von einem „Bäder­ sterben“ die Rede. Eine verlässliche Datengrundlage ist hier­ zu nur in Ansätzen vorhanden. Laut Angaben der Deutschen 20,0 Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) wurden seit dem Jahr 2000 im Schnitt 80 Bäder pro Jahr geschlossen. Es existiert Schwimmerinnen allerdings keine systematische flächendeckende Erfassung und Schwimmer der Bäder, die in diesem Zeitraum neu gebaut oder umfas­ send saniert worden sind. Die umfangreichste öffentlich zugängige Sammlung bietet der Bäderatlas der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen, in dem fast 6.000 Hallen-, * in Bottrop, Dülmen, Düsseldorf, Gladbeck, Mülheim an der Ruhr, Münster, Paderborn, INFRASTRUKTURATLAS 2020 / FOKOS, BUW 2020 / FOKOS, INFRASTRUKTURATLAS Frei- und Naturbäder sowie 2.500 Badestellen aufgeführt Remscheid und Soest sind. Doch auch in diesem Datenbestand sind noch einige Lücken erkennbar, gerade bei Schulschwimmbädern. Schwimmen spiegelt die Gesellschaft wider. Das gilt Unabhängig von den absoluten Zahlen sind geschlos­ auch für das Geschlechterverhältnis: 53 Prozent sene Schwimmbäder oftmals ein Symbol des Niedergangs der Schwimmenden sind Frauen, 47 Prozent Männer. kommunaler Infrastruktur. Denn neben der sportlichen und der sozialen Funktion besitzen sie einen hohen Stellen­ wert bei der allgemeinen Stadtentwicklungsplanung und prägen in vielen Kommunen das Stadtbild. UNGLEICHHEITEN BEIM SCHWIMMERWERB Dabei ist ungefähr die Hälfte der heute noch existie­ Anteil der 5- bis 17-jährigen Kinder und Jugendlichen in Deutsch- renden Schwimmbäder bereits in den 1960er- und 1970er- land, die nicht schwimmen können, in Prozent, 2009 – 2012 Jahren entstanden. Entsprechend zeigte eine im Jahr 2018 durchgeführte Befragung von Badbetreiberinnen und -be­ treibern zum Sanierungsbedarf, dass jedes siebte Bad einen INFRASTRUKTURATLAS 2020 / RKI 2020 / RKI INFRASTRUKTURATLAS gravierenden Investitionsrückstand aufweist und somit Einschränkungen im Betrieb vorhanden oder zu befürchten Gesamt 14,5 sind. Für ein weiteres Drittel der Bäder wurde ein nennens­ werter Investitionsrückstand zurückgemeldet. Für etwas Sozialstatus* mehr als ein Viertel der Bäder mit Investitionsrückstand be­ Hoch 9,4 fürchten die Badbetreiber und -betreiberinnen zudem, dass Mittel dieser in den nächsten fünf Jahren noch anwachsen wird. 13,2 Niedrig Insgesamt zeigen alle aktuellen Studien, dass die Kom­ 23,0 munen weiterhin viel Geld aufwenden müssen, um die Bä­ Migrationshintergrund derinfrastruktur zu sichern und die vorhandenen Investi­ Ohne tionsrückstände zumindest teilweise abzubauen. Mit Blick 12,9 auf die vielfach kritisierte schlechte finanzielle Ausstattung Einseitig 15,7 der Kommunen werden in den nächsten Jahren außerdem Beidseitig 21,1 spezielle Fördermaßnahmen der Landes- und Bundespolitik nötig sein. Nur so lässt sich die gesellschaftlich bedeutsame * Index des RKI, gebildet aus Ausbildung, beruflicher Stellung und Einkommen der Eltern Funktion von öffentlichen Schwimmbädern aufrechterhal­ ten. Denn werden sie geschlossen, droht vor allem Kindern, Rund ein Siebtel der befragten 5- bis 17-Jährigen Jugendlichen und Familien aus finanziell schwachen Milieus kann nicht schwimmen. Bei Jungen liegt die Quote mit der Verlust eines wichtigen Orts für Sport und Bewegung. 16,1 Prozent höher als bei Mädchen mit 12,9 Prozent.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 29 SOZIALE ORTE WO WIR ZUSAMMENKOMMEN

Vereinsheime, Theater oder Cafés ermöglichen ­anderen bieten mit ihrem Sportfest den jährlichen Höhe­ Begegnungen und Austausch. Doch gerade in punkt des Dorflebens. Soziale Orte gestalten öffentlichen ländlichen Regionen gehen viele dieser Räume Raum und schaffen lokale Identität. Doch egal, wer in wel­ cher Trägerschaft aktiv wird: Diese Orte brauchen Ressour­ verloren. Mit guten Ideen und passgenauer cen. Finanzielle Mittel sind ebenso entscheidend wie gut Förderung lassen sich manche neu beleben. ausgebaute und intakte Infrastrukturen und eine offene Verwaltung, die Menschen zutraut, ihre Belange selbst in er Covid-19-bedingte Shutdown im Frühjahr 2020 die Hand zu nehmen. hat vielen vor Augen geführt, wie wichtig unser sozia­ Deutschland ist das Land der Vereine. Gut 17,5 Millionen Dles Miteinander ist – und wie sehr es an öffentlichen Menschen sind in mehr als 600.000 Vereinen engagiert – al­ Räumen und Infrastrukturen hängt. In Vereinsheimen lein in rund 133.000 Sportvereinen –, aber auch in Genossen­ und Jugendtreffs, in Literaturhäusern, Theatern und Clubs schaften, Stiftungen oder Selbsthilfegruppen. Eine weitere ­begegnen wir Freunden, aber auch Fremden. Es sind diese Besonderheit in Deutschland ist, dass sich wichtige kultu­ Infrastrukturen, die sozialen Zusammenhalt und kultu­ relle Infrastrukturen nicht auf wenige Metropolen konzen­ relle Begegnungen über die eigenen Milieus und über ge­ trieren. Oft haben auch kleine Städte eigene Museen oder sellschaftliche Schichten hinweg befördern können. Fehlen Literaturcafés, rund 140 öffentlich getragene Theater gibt sie oder werden sie gar von nichtdemokratischen Kräften es im ganzen Land. Hinzu kommt eine breite Verteilung von übernommen, ist das vielstimmige gesellschaftliche Mit­ Freizeit- und Kultureinrichtungen. einander in Gefahr. Allerdings haben in den vergangenen Jahrzehnten in Menschen gestalten durch ihr Engagement „Soziale vielen kleineren Kommunen nicht nur Kultureinrichtungen Orte“. Diese können von unterschiedlichen Akteurinnen und Jugendclubs geschlossen, sondern auch Geschäfte und und Akteuren getragen werden – Vereinen, Genossen­ Gastwirtschaften. In der Konsequenz verlieren gerade peri­ schaften, Kommunen, Kirchen, privaten Initiativen –, die phere ländliche Regionen ihre Orte der Begegnung, ihre ganz verschiedene Angebote unterbreiten. Die einen wid­ ­soziale Qualität und Attraktivität. men sich dem Erhalt der Dorfkneipe oder dem Freibad, die Für die lokalen Gemeinschaften sind diese Entwicklun­ gen eine Herausforderung. Ihre Ursachen sind der demo­ grafische Wandel und knappe öffentliche Haushalte, aber auch vielfältigere Familien- und Engagementstrukturen Von allen Bundesländern haben Rheinland-Pfalz (48,3 Prozent) und Baden-Württemberg (48,2 Prozent) sowie ein verändertes Konsum- und Medienverhalten: den höchsten Anteil an freiwillig engagierten Menschen.

ENGAGEMENT IN ZAHLEN

Mehr Personen: Anteil freiwillig Engagierter Weniger Zeit pro Person: Aufwand für eine Mehr auf dem Land: Anteil freiwillig an der Wohnbevölkerung in Deutschland freiwillige Tätigkeit, Anteil in Prozent Engagierter nach Regionstyp, in Prozent, ab 14 Jahren, in Prozent 2014 43,6 45,5 22,9 18,1 42,7 34,0 Stunden pro Woche 23,8 26,9 6 und mehr 3 – 5 Bis zu 2 50,2 58,1

1999 2014 1999 2014 Städtischer Ländlicher Raum Raum

Alte Vereine, junge Genossenschaften: Median* des Gründungsjahrs für verschiedene Rechtsformen bürgerschaftlichen Engagements gemeinnützige Verein Stiftung GmbH Genossenschaft

Die Hälfte aller deutschen Vereine … die andere Hälfte wurde vor 1990 gegründet … erst nach 1990

1990 2002 2005 2010

* Der Median, auch Zentralwert genannt, steht in einem nach Größe sortierten Datensatz genau in der Mitte und trennt ihn in zwei Hälften. BMFSFJ, ZIVIZ 2020 / FWS, INFRASTRUKTURATLAS

30 INFRASTRUKTURATLAS 2020 NEUE SOZIALE ORTE Standorte Das „MarktTreff“-Konzept aus Sylt Existierend Schleswig-Holstein Ladelund Flensburg Geplant Morsum Neukirchen Munkbrarup Medelby Die Idee: Das 1999 gestartete Modell Großsolt Stadum stärkt die Nahversorgung und den Jörl Steinfeld Zusammenhalt in Gemeinden mit bis Haselund Brodersby- zu 2.500 Einwohnerinnen und Ein- Goltoft Wester- wohnern. Die multifunktionalen Hallig Hooge Schwesing Ohrstedt MarktTreffs kombinieren Einzelhandel, Rantrum Neuwittenbek Dienstleistung und Dorftreffpunkt. Witzwort Tetenhusen Schwabstedt Probsteier- Hohen- SCHLESWIG-HOLSTEIN 2020 / MILIG INFRASTRUKTURATLAS Alt hagen Delve Duven- Kiel Die Standorte: Über 40 MarktTreffs Christians- stedt Hennstedt holm gibt es, weitere sind in Planung. Die Groß Kirchbarkau Vollstedt Initiative erfolgt bottom-up aus den Haale Langwedel Kasseedorf Todenbüttel Gemeinden. Bestehende Dorfläden Viehbrook können erweitert werden oder kom- Negern- bötel plett neue Soziale Orte entstehen. Rickling Gnissau Hasenkrug Klein Rönnau Die Finanzierung: Schleswig- St. Margarethen Holstein zahlt Gemeinden eine Beidenfleth Lübeck Anschubfinanzierung aus Landes-, Wewelsfleth Anteil der ländlichen Räume am Bundes- und EU-Mitteln für Planung, Land Schleswig-Holstein Beratung und Bau-Investitionen. Linau Nicht gefördert werden der Waren­ 47,4 % 78,9 % Heidgraben Koberg bestand und die Betriebskosten. Einen Teil der Investitionen tragen die Gemeinden direkt. Hamburg Gülzow Bevölkerung Fläche Das 3-Säulen-Modell

Kerngeschäft Dienstleistungen Treffpunkt Der Verkauf von Waren Das Angebot ist auf den Jede Filiale ist zudem ein des täglichen Bedarfs (Lebensmittel, Drogerie, Standort abgestimmt, möglich sind etwa: An- Ort für Austausch, Kultur und Bildung. Je nach Blumen etc.) bildet in der Regel die wirt- nahmestellen für Lotto oder Pakete, Wäschereini- Größe kann das eine Ecke zum „Klönen“ sein, schaftliche Säule eines MarktTreffs. Möglich ist gung, ärztliche Zweigpraxen, Bürgersprechstun- ein separater Raum für Treffen von Ausschüssen auch ein gastronomisches Angebot. den oder auch Co-Working und E-Auto-Sharing. und Freizeitkursen oder ein Veranstaltungssaal.

Betrieben werden die MarktTreffs von Kaufleuten im Neben- oder Hauptberuf oder auch von Teams aus saal als Lkw-Auflieger direkt in die Dörfer gebracht – diese ehrenamtlich aktiven Bürgerinnen und Bürgern. „ScreenMachine“ aus Schottland könnte auch ein Modell für deutsche Regionen sein. Und auch Dorfkneipen wer­ den als Genossenschaften wiederbelebt, so im hessischen ­Manches verschwindet, weil die Nachfrage nicht mehr aus­ ­Dalwigksthal oder in Geschwend im Schwarzwald. reicht oder weil die Gesellschaft, ihre Lebensstile und Be­ Die Erprobung innovativer Maßnahmen zur nachhal­ dürfnisse sich wandeln. Es kann daher nicht einfach darum tigen Gestaltung ländlicher Räume wird von der öffentli­ gehen, Altbekanntes zu erhalten und wiederherzustellen. chen Hand und auch von Stiftungen unterstützt, zum Bei­ Es sind auch neue Ideen gefragt. spiel durch das Forschungsprogramm „Modellvorhaben Vielerorts bringen sich Menschen mit innovativen Initia­ der Raumordnung“ (MORO) des Bundesinnenministeriums tiven aktiv ins Gemeindeleben ein. So entstehen etwa multi­ oder die „Neulandgewinner“ der Robert Bosch Stiftung. funktionale Dorfläden, in denen Nahversorgung, Kommu­ Nicht immer jedoch müssen neue Strukturen geschaffen nikation und Begegnung neu gedacht werden. Bundesweite werden. Sinnvoll ist es auch, traditionelle Akteure des länd­ Aufmerksamkeit haben die „MarktTreffs“ in Schleswig-Hol­ lichen Raums, wie Freiwillige Feuerwehren und Sportverei­ stein oder das DORV-Konzept aus Nordrhein-Westfalen er­ ne, zu revitalisieren und als Partner für ein demokratisches langt, die jeweils lokal angepasst für die Verbindung von Miteinander zu gewinnen. Kerngeschäft (Lebensmittelhandel), Dienstleistungen (zum So vielfältig Dörfer, Gemeinden und Regionen sind, so Beispiel Post oder Verwaltungssprechstunden) und Treff­ vielfältig müssen auch die Lösungsstrategien für Orte des punkt (in einer Caféecke, aber auch für Vereine) stehen. demokratischen und sozialen Zusammenkommens sein. Neue Wege werden auch für kulturelle Angebote ge­ Stets geht es darum, dass die Akteurinnen und Akteure sucht. In Mecklenburg-Vorpommern fasst das Projekt „Dorf- bedarfsgerechte Ideen für ihren Stadtteil, ihre Kleinstadt kino einfach machbar“ Kleinststandorte in einem soge­ oder ihren Verein finden. Starke lokale und demokratische nannten Abspielring zusammen. Die Mindestkosten der Institutionen und Infrastrukturen sind dabei unabding­ Filmverleiher werden gemeinsam getragen und so die bare Voraussetzung für die nachhaltige Entstehung von ­Risiken minimiert. Andernorts wird der klimatisierte Kino­ Sozialen Orten.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 31 GESUNDHEITSVERSORGUNG EINE FRAGE DER QUALITÄT

Das deutsche Gesundheitssystem hat trotz guter Bereits heute gibt es Schwächen insbesondere hinsicht­ Ausstattung Schwächen. Bei Reformen darf lich der Qualität der Versorgung. So steht Deutschland bei verschiedenen Indikatoren wie beispielsweise der Kranken­ der ländliche Raum nicht vergessen werden. haussterblichkeit nach einem Herzinfarkt oder der Zahl der Denn der Zugang zu einer guten medizinischen vermeidbaren Krankenhausfälle schlechter da als die meis­ Grundversorgung sollte allen offenstehen. ten anderen EU-Staaten. Zudem wurden in Deutschland zwischen 2005 und 2017 ährend der Covid-19-Pandemie haben sich die Stär­ immer mehr Patientinnen und Patienten im Kranken­haus ken des deutschen Gesundheitssystems und seiner behandelt, während in vielen europäischen Ländern mit WInfrastrukturen gezeigt. Kein Land der EU verfügt einer ähnlichen Demografie die Zahl der stationär behan­ über so viele Krankenhausbetten: Auf 100.000 Einwohnerin­ delten Fälle sank. Dies führt zu einem Mangel an Pflegeper­ nen und Einwohner kamen 2017 in Deutschland rund 800 sonal. Zwar gibt es, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, in Betten, bei einem EU-Durchschnitt von nur knapp über 500. Deutschland mehr Pflegekräfte als in vielen anderen OECD- Nichtsdestotrotz steht Deutschlands Gesundheitssystem Ländern, aufgrund der zahlreichen stationären Behand­ vor gewaltigen Herausforderungen: Die Zahl älterer und lungsfälle ist das Patienten-Personal-Verhältnis aber letzt­ chronisch kranker Menschen steigt, es mangelt an Fach­ endlich schlechter. kräften, und die Digitalisierung erfordert Veränderungen. Zusätzlich können sich aus dem medizinischen Fortschritt, etwa durch teure medikamentöse Therapien bei der Krebs­ Gerade in ländlichen Regionen können behandlung, große finanzielle Herausforderungen ergeben. dezentrale Lösungen für Notfälle und digitale Ansätze eine gute medizinische Versorgung sichern.

MEDIZINISCHE VERSORGUNG IN DEUTSCHLAND

Erreichbarkeit des nächsten Krankenhauses mit Grundversorgung, Anzahl Ärztinnen und Ärzte/Psychotherapeutinnen und Wegezeit in Minuten mit dem Pkw, nach Kreisen, 2019 Psychotherapeuten pro 100.000 Personen, nach Kreisen, 2019

Kiel Schwerin Kiel Schwerin

Hamburg Hamburg Bremen Bremen

Berlin Berlin Hannover Hannover

Düssel- Düssel- dorf dorf

Wies- Dresden Wies- Dresden baden baden Potsdam Potsdam Magdeburg Magdeburg Mainz Mainz Erfurt Erfurt

Saarbrücken Saarbrücken

Stuttgart München Stuttgart München

4,76 – 9,05 14,78 – 17,19 80,0 – 135,7 159,9 – 218,7 9,06 – 12,55 17,20 – 27,76 135,8 – 146,3 218,8 – 397,0 INFRASTRUKTURATLAS 2020 / KBV, THÜNEN-INSTITUT 2020 / KBV, INFRASTRUKTURATLAS 12,56 – 14,77 146,4 – 159,8

32 INFRASTRUKTURATLAS 2020 Eine Untersuchung aus dem Jahr 2012 ergab, dass sich in GESUNDHEITSKOSTEN IN DER EU Deutschland eine Pflegekraft im Schnitt um 10,5 Patientin­ Jährliche Pro-Kopf-Ausgaben nach OECD-Berechnung, in Euro*, 2018 nen und Patienten kümmern muss. In Schweden liegt dieser Wert bei 4,2, in der Schweiz, Irland und den Niederlanden bei 5,0, in Griechenland bei 6,2. Ein Mangel an Pflegeper­ Deutschland 5.352 sonal wirkt sich auf die Qualität der Versorgung aus: Die Österreich 4.763 Wahrscheinlichkeit für Infektionen, Verletzungen durch Niederlande 4.675 Stürze oder andere während des Krankenhausaufenthaltes Schweden 4.673 auftretenden Komplikationen steigt. Auch das Finanzierungsmodell der Versorgungsinfra­ Dänemark 4.553 strukturen bedarf der Überarbeitung. Weil die Bundeslän­ Luxemburg 4.486 der den Krankenhäusern seit vielen Jahren nicht genügend Frankreich 4.433 Mittel für notwendige Investitionen wie neue Apparate oder Gebäude bereitstellen, steuern die Häuser rund die Hälfte Belgien 4.389 der benötigten Gelder aus Eigenmitteln bei – beispielsweise Irland 4.224 aus den Betriebskostenpauschalen, die sie von den Kranken­ Finnland 3.725 kassen erhalten. Dies ist ein wichtiger Grund für den hohen Kostendruck im System. Obwohl Deutschland 2017 pro Kopf Malta 3.348 28 Prozent mehr für die stationäre Gesundheitsversorgung Italien 2.997 ausgab als der Durchschnitt der EU-Staaten, drohte 2018 Spanien 2.950 hierzulande 13 Prozent der Krankenhäuser die Insolvenz. Vor allem kleinere Häuser sind davon betroffen. Tschechien 2.727 Vor diesem Hintergrund diskutieren Gesundheitspolitik Portugal 2.664 und -wissenschaft seit Jahren, wie die medizinische Quali­ Slowenien 2.627 tät optimiert und die Krankenhausversorgung patienten­ gerechter organisiert werden kann. Zum einen sollen die Zypern 2.207 Krankenhäuser möglichst wirtschaftlich betrieben werden. Litauen 2.051 Dies gelingt größeren Häusern eher als kleineren. Zum an­ Estland 2.037 deren soll aber auch die Qualität der Behandlung verbessert werden. Dabei gilt: Je häufiger eine bestimmte Behandlung Griechenland 1.949 in einem Krankenhaus vorgenommen wird, desto mehr Er­ Ungarn 1.849 fahrung haben die Ärztinnen und Ärzte und desto höher ist Slowakei 1.842 die Qualität der Behandlung. Es kommt seltener zu Kompli­ Polen kationen oder Todesfällen. 1.818 Die Bertelsmann Stiftung empfahl daher 2019 eine stär­ Kroatien 1.613 kere Konzentration der deutschen Krankenhauslandschaft Lettland 1.597 und den Verzicht auf kleinere Standorte vor allem in urba­ Bulgarien 1.518 nen Räumen. Dies hätte eine bessere Qualität und Ausstat­ tung, eine höhere Spezialisierung und eine bessere Betreu­ Rumänien 1.450 ung durch Fachkräfte zur Folge. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt, 2017 schloss sich der Empfehlung an. Dennoch stieß diese in der ≤76 >76 – ≤79 >79 – ≤82 >82 Sache plausible Entscheidung in der Bevölkerung und in der

* Umrechnungskurs: 1 Dollar = 0,86 Euro OECD 2020 / EUROSTAT, INFRASTRUKTURATLAS Politik auf Widerstand. Schließt das lokale, gut erreichbare Krankenhaus ohne angemessene Ersatzversorgung, dann wird dies oft als Qualitätsverlust in der Gesundheitsversor­ Der Anteil der deutschen Gesundheitsausgaben am gung wahrgenommen. Bruttoinlandsprodukt lag 2018 bei mehr als Denn der Zugang zur Gesundheitsversorgung und ihre 11 Prozent – höher als in jedem anderen EU-Staat. Qualität sind auch Gerechtigkeitsfragen: Die schnelle Er­ reichbarkeit eines hochwertigen Angebots kann im Notfall über Leben und Tod entscheiden. Auch Menschen in länd­ So können ambulante Pflegefachkräfte und die wach­ lichen Regionen steht eine gute medizinische und pflege­ senden Möglichkeiten der Telemedizin dazu beitragen, dass rische Versorgung zu. Daher sollten kleine Krankenhäuser insbesondere chronisch kranke Menschen besser versorgt dort nicht ersatzlos verschwinden. Sie lassen sich etwa in sind. In Notfällen können Hubschrauber die Bewohnerin­ lokale Versorgungszentren umwandeln, in denen verschie­ nen und Bewohner abgelegener Räume schnell zu Spezial­ dene Gesundheitsberufe unter einem Dach Hand in Hand kliniken transportieren. Entscheidend für eine zukunfts­ zusammenarbeiten. Diese Einrichtungen können ein wich­ fähige Reform der Gesundheitsversorgung ist es dabei aber tiger Anker der regionalen Versorgung werden. Damit sie in jedem Fall, die verschiedenen Beteiligten – von der Haus­ besser mit größeren Krankenhäusern und der Pflege in der arztpraxis über das regionale Versorgungszentrum bis zum Region vernetzt werden, sind flexible Versorgungsangebote Universitätskrankenhaus – mit ihren jeweiligen Stärken als von hoher Qualität gefragt. vernetzte Infrastruktur zu begreifen.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 33 STROM UND WASSER AUF DIESE NETZE KOMMT ES AN

Die Versorgung mit Strom und Wasser ­erneuerbarer Energien und die damit verbundene dezen­ ist für uns selbstverständlich. Sie muss tralere Versorgung die Abstimmung von Stromangebot und -nachfrage komplexer. Moderne Kommunikations- und flächendeckend sein und auch im Krisenfall Informationstechnologie – die ihrerseits auf eine stabile funktionieren. Wird sie privatisiert, verlieren Stromversorgung angewiesen ist – wird dadurch zum inte­ die Kommunen an Gestaltungsspielraum. gralen Bestandteil des Energiesystems. Ein anderes Beispiel sind die Netze der Wasserver­ echnische Infrastrukturen in Form von Versorgungs­ sorgung und der Kanalisation, deren Funktionsfähigkeit netzen sind eng mit unserem täglichen Leben ver­ durch den Klimawandel beeinflusst wird. Extreme Regen­ Tbunden und haben eine tiefgreifende kulturelle mengen können vom Abwassersystem nur dann aufge­ Prägekraft. Die in vielen Teilen der Welt flächendeckende fangen werden, wenn ausreichend Speicherkapazitäten und ständige Verfügbarkeit von Elektrizität hat die heuti­ vorhanden sind. Die Wassernetze wiederum sind auf einen ge wirtschaftliche Entwicklung erst möglich gemacht. Die extremen Verbrauch an heißen Tagen nicht ausgelegt. Hier öffentliche Wasserver- und -entsorgung erleichtert unser wird es künftig vor allem in den Städten notwendig wer­ Dasein auf eine Weise, die vor einigen Generationen un­ den, vermehrt­ Brauch- und Regenwasser zu sammeln und denkbar war, sie steigert die allgemeine Hygiene und so die einzusetzen. Lebenserwartung. Und aktuell ist es der Ausbau digitaler Versorgungsnetze müssen als kritische Infrastrukturen ­Infrastrukturnetze, der eine weitere Transformation von zudem vor gezielten Manipulationen und Angriffen ge­ Wirtschaft und Gesellschaft voranbringt. schützt werden. Dies beinhaltet auch Cyberattacken, denn Wie bedeutsam und wie stark miteinander verflochten durch die zunehmende digitale Steuerung technischer An­ diese Infrastrukturen sind, zeigt sich im Fall ihres Versa­ lagen ist die Gefahr deutlich gestiegen, dass Strom- oder gens. Es ist daher eine bedeutsame Herausforderung, auch Wassernetze von Hackerangriffen betroffen werden. in Zukunft die Resilienz der Versorgungssysteme zu ge­ währleisten – also die Fähigkeit, ihre Funktion auch unter starken Belastungen aufrechtzuerhalten oder gegebenen­ In Deutschland kam es in den 1990er-Jahren zu einer falls schnell wiederherzustellen. So macht etwa der Ausbau Privatisierungswelle im Stromsektor. Auch das ist ein Grund für die hohe Zahl der Rekommunalisierungen.

UMDENKEN BEI DER GRUNDVERSORGUNG Schweden Rekommunalisierungen von Infrastrukturen und Dienstleistungen in Europa, 2000 – 2017 8

Energieversorgung Finnland Rekommunalisierungs- Norwegen projekte gesamt* 4 21

284 2020 / ÖGPP INFRASTRUKTURATLAS

3 5 Großbritannien Dänemark Litauen 5 1 64 Dänemark/ Niederlande Niederlande Großbritannien Deutschland 5 Wassersektor Ukraine Belgien Deutschland 2 1 347 Tschechien 1 17 27 106 Ungarn Frankreich 17 4 Deutschland Spanien Frankreich 152 Österreich

Abfallentsorgung Portugal 3 Spanien Italien Albanien 3 7 13 56 3 2

Frankreich Großbritannien Deutschland

* Umfasst neben den Sektoren Energie, Wasser und Abfall auch Bereiche wie ÖPNV, Gesundheit, Bildung, Bestattung, Grünflächenpflege etc.

34 INFRASTRUKTURATLAS 2020 Da die alltägliche sichere Versorgung und die Stabilität WIE ENERGIE IN ZUKUNFT ORGANISIERT WIRD der Infrastrukturen im Krisenfall von vitalem Interesse für alle Menschen sind, spielen neben der technischen Ausge­ Stromerzeugung und -verbrauch im Jahr 2050, staltung auch Fragen des Eigentums und der Regulierung nach Netzgruppen, Prognose des Netzbetreibers TransnetBW eine entscheidende Rolle. In den vergangenen 150 Jahren gab es in Deutschland wiederholt Pendelbewegungen zwi­ schen stärker öffentlichem und privatem Eigentum an Ver­ sorgungsnetzen. Damit verbunden war und ist das Problem, dass der Markt eine flächendeckende Versorgung nicht her­ zustellen vermag, die aber im öffentlichen Interesse liegt. Denn Versorgungsleistungen sollten allen Bürgerinnen und Bürgern überall und zeitgleich zu bezahlbaren Preisen und in angemessener Qualität zur Verfügung stehen. Das kann grundsätzlich auf zwei Wegen gewährleistet werden: Entweder der Staat reguliert den Markt und unterstützt das flächendeckende Angebot finanziell, oder die öffentliche Hand erbringt die Leistungen selbst. Rein ökonomisch betrachtet lässt sich nicht eindeutig sagen, ob öffentliches oder privates Wirtschaften für einen effizienten und effektiven Betrieb von Infrastrukturen bes­ ser ist. In Deutschland erfüllen viele Städte und Gemeinden diese Aufgaben selbst und betreiben dafür kommunale Stadtwerke, Wasser- oder Abwasserbetriebe. Eine starke Pri­ vatisierungswelle gab es in den 1990er-Jahren. Die Gründe der Kommunen dafür waren vielfältig: die Hoffnung auf Effizienz- und Effektivitätsgewinne, der Bedarf an privatem Stromerzeugung Energiemengen in TWh Know-how und Kapital sowie die Minimierung ihrer unter­ Windenergie auf See 160 nehmerischen Risiken. Windenergie an Land 60 80 Doch mit jeder Privatisierung verlieren Städte und Ge­ Photovoltaik 40 meinden – und damit die Bürgerinnen und Bürger – Einfluss 20 Stromnachfrage auf die politische Gestaltung. Die Folgen für die kommunale Einflussnahme sind verschieden: Während bei einer Orga­ nisationsprivatisierung Kommunen zumindest noch bei Bestand und Planung des Ausbaus strategischen Entscheidungen eine relativ große Mitspra­ von Höchstspannungsleitungen, Juni 2020 che besitzen, verlieren sie im Fall einer materiellen Privati­ sierung deutlich an Handlungsspielraum. Weltweit gesehen ist die Bilanz der Privatisierung von Versorgungsinfrastrukturen eher ernüchternd. Ein Nega­ tivbeispiel ist die Privatisierung der Londoner Thames Wa­ ter Utilities, wo eine sinkende Versorgungsqualität und feh­ lende Investitionen die Unzufriedenheit in der Bevölkerung schüren. Auch aufgrund dieser Erfahrungen geht der Trend in Deutschland in den vergangenen 15 Jahren wieder stär­ ker in Richtung Rekommunalisierung, besonders im Ener­ giesektor. Seit 2005 wurden mehr als 150 neue Stadtwerke gegründet, in zahlreichen weiteren Fällen wurden ehemals privatisierte Unternehmensanteile zurückgekauft oder Netzkonzessionen an öffentliche Betreiber vergeben. Auch im Wassersektor wurden einige wenige, dafür aber promi­ nente Rekommunalisierungen durchgeführt, so in Rostock und Berlin. Das Bewusstsein um die Bedeutung einer gut funktionie­ renden öffentlichen Infrastruktur ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Vor allem aber ist sich die Mehrzahl der Kommunen heute der strategischen Bedeutung ihrer Netze und Anlagen bewusst. Realisiert Genehmigt bzw. im Bau Im / vor dem Planfeststellungs­- oder Anzeigeverfahren Das Stromnetz der Zukunft muss flexibel sein. Je nach Im Raumordnungs-/Bundesfachplanungsverfahren­

Noch nicht im Genehmigungs­verfahren BNETZA 2020 / TRANSNETBW, INFRASTRUKTURATLAS Wetterlage wird mehr Strom im Süden oder – in den meisten Fällen – im Norden Deutschlands produziert.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 35 BREITBANDAUSBAU GUT VERBUNDEN IN DIE ZUKUNFT

„Das Netz“ ist aus unserem Leben nicht mehr Ein Engpass der Datenverbindung ist dabei, welche Tech­ wegzudenken. Doch noch immer ist schnelles nologie auf der sogenannten „letzten Meile“ verwendet wird Internet vor allem auf dem Land nicht überall – also auf der Strecke vom nächstgelegenen Verteilerkasten zum einzelnen Haushalt. Breitbandnetze können aus Kup­ verfügbar. Dabei bietet die Digitalisierung fer-, Kabelfernseh- oder Glasfaserleitungen bestehen, in der Chancen, Distanzen zu überwinden. Regel kommt ein Mix verschiedener Technologien zum Ein­ satz. Ursächlich für die Defizite der Netzqualität in Deutsch­ as Internet ist die Grundlage der digitalen Welt. land ist der große Anteil an Kupferkabeln auf der letzten Mei­ Und je weiter die Menschen ihre persönlichen und le. Diese wurden im Rahmen des Breitbandausbaus lange Dberuflichen Aktivitäten ins Digitale verlagern, des­ gefördert, um bereits vorhandene Infrastruktur zu nutzen. to stärker wird die Verfügbarkeit eines leistungsfähigen Erst 2018 änderte die Bundesregierung ihre Strategie. Internetzugangs zur Grundvoraussetzung für gesellschaft­ Was lange zeitgemäß erschien, stößt inzwischen in vie­ liche, politische und wirtschaftliche Teilhabe. Von digitalen len Regionen an seine Grenzen. So ist der Bedarf an Übertra­ Bildungs- und Informationsangeboten über Gesundheits- gungskapazitäten deutlich höher als die Leistungsfähigkeit und Verwaltungsdienstleistungen bis hin zum Arbeiten der Kupferkabel. Für eine zukunftsfähige kabelgebundende im Home-Office: Die Zugänglichkeit, Verlässlichkeit und Netzinfrastruktur wäre die direkte Anbindung der Haus­ Sicherheit der digitalen Netze ist eine gesamtgesellschaft­ halte an das Glasfasernetz sinnvoll, das aber bislang nur für liche Infrastrukturfrage der Zukunft. gut 10 Prozent der Haushalte verfügbar ist. Dies erweist sich Die Notwendigkeit für den Netzausbau in Deutsch­ vor allem in ländlichen Gebieten als problematisch, wo der land, der seit 2009 durch die sogenannte „Breitbandstra­ weiträumige Netzausbau und die damit verbundenen Tief­ tegie“ der Bundesregierung vorangetrieben wird, ist poli­ bauarbeiten teuer sind. tischer Konsens. Dies zeigt auch die Debatte um ein Recht Neben leitungsgebundenen ermöglichen auch mobile auf schnelles Internet für alle: Mit der bevorstehenden Technologien wie LTE – auch als 4G bekannt – und insbe­ Reform des Telekommunikationsgesetzes sollen Netzbe­ sondere 5G hohe Datenübertragungsraten. Die Frequenzen treiber in die Pflicht genommen werden, ihre Netze flä­ für 5G wurden im Juni 2019 für rund 6,6 Milliarden Euro chendeckend auszubauen. Bisher lief der Ausbau schlep­ versteigert, unter anderem mit der Auflage, dass bis 2022 pend. Von den staatlich vorgesehenen 11 Milliarden Euro immerhin 98 Prozent aller Haushalte je Bundesland sowie für den Gigabit-Netzausbau sind zwar 6,6 Milliarden Euro sämtliche Autobahnen, wichtige Bundesstraßen und Schie­ bereits ­gebunden, aber bis Mitte 2020 lediglich 570 Millio­ nenwege mit Übertragungsraten von mindesten 100 Mbit/s nen Euro abgeflossen. versorgt werden müssen. Nun planen vier Netzbetreiber Dabei besteht unumstritten Handlungsbedarf. In einem den Aufbau eigener 5G-Netze in Deutschland. EU-Vergleich für das Jahr 2019 lag Deutschland bei der Ver­ Wegen der geringen Reichweite der 5G-Frequenz eig­ breitung von Hochgeschwindigkeits-Breitbandnetzen auf net sich die neue Technologie jedoch nur bedingt für eine Platz 21 von 28. Für eine intensive Nutzung moderner An­ wendungen wie Videostreaming, digitaler Unterricht, ver­ netztes Arbeiten oder Telemedizin werden die bestehenden Internet mit 1.000 oder mehr Megabit pro Sekunde Netze schon mittelfristig nicht mehr genügen. ist deutschlandweit für 34 Prozent aller Haushalte und für 30 Prozent der Gewerbestandorte verfügbar.

STADT, LAND, DATENFLUSS Breitbandinternet-Verfügbarkeiten in Deutschland nach Gemeindeprägung, Anteil der Haushalte in Prozent, Mitte 2019

Hausanschluss Mobilfunk Ländlich 79,9 49,6 9,8 Ländlich 89,7 Halbstädtisch 92,4 73,7 19,3 Halbstädtisch 96,7 Städtisch 98,7 92,7 47,6 Städtisch 99,7

≥16 ≥100 ≥1.000 LTE Mbit/s Mbit/s Mbit/s INFRASTRUKTURATLAS 2020 / BMVI INFRASTRUKTURATLAS

36 INFRASTRUKTURATLAS 2020 DIGITALE TEILHABE Welchen Nutzen Breitbandanschlüsse für verschiedene Bereiche der Gesellschaft haben können

Gesundheit Alte und kranke Menschen sind Kultur weniger mobil. Ihnen können Nischenangebote – etwa aus der freien Wirtschaft die Möglichkeiten der Tele­- Theaterszene – finden nur in Groß­ Für Videomeetings oder die gemein- medizin helfen. Allerdings städten ein ausreichendes Pub­likum. same Arbeit an zentral gespeicherten erfordern Videosprechstunden Bezahlte Livestreams könnten sie Daten ist Breitbandinternet unabding- und Ferndiagnostik die Über­- überall zugänglich machen und zudem bar. Es erleichtert Firmen wie Angestell- tragung hochauflösender Fotos die finanzielle Existenz der Kulturschaf- ten das ortsunabhängige Arbeiten und Livestreams. fenden unterstützen. und fördert damit die Wertschöpfung auch in ländlichen Regionen.

Bildung Verwaltung Um digitale Unterrichtsangebote zu Bis Ende 2022 sollen 575 Verwaltungs- ermöglichen, benötigen Schulen und dienstleistungen von Bund, Ländern Hochschulen ­Gigabit-Anschlüsse: für die und Kommunen online nutzbar sein. parallele Nutzung zahlreicher Endgeräte, Diese digitalen Bürgerdienste reichen aber auch für den Einsatz von Techno­ vom Ummelden des Wohnorts über den logien wie Augmented Reality. BAföG-Antrag bis zur Baugenehmigung. INFRASTRUKTURATLAS 2020 INFRASTRUKTURATLAS

Digitale Infrastrukturen können insbesondere ­Versorgung mit schnellem Internet in der Fläche. Daher ländliche Räume besser anbinden. Doch ist hier der sollten Breitband- und Mobilfunkausbau grundsätzlich zu­ Breitbandausbau am wenigsten fortgeschritten. sammen gedacht werden. Auch geht der Aufbau der 5G-­ Infrastruktur mit einem erhöhten Energie- und Rohstoffver­ brauch einher. 5G-Netzes hat dadurch eine zentrale Bedeutung für den Di­ Neben technischen spielen auch politische Aspekte gitalstandort Deutschland. Denn trotz politischer Einigkeit eine wichtige Rolle, wie die öffentlichen Debatten um die über den Bedarf hängt Deutschland beim Ausbau des Hoch­ Nutzung von Technologie nichteuropäischer Mobilfunk­ geschwindigkeitsinternet hinterher. konzerne beim 5G-Netzausbau und um die digitale Souve­ Problematisch sind vor allem regionale Unterschiede: ränität Europas zeigten. Hier ist die Frage entscheidend, Mitte 2019 konzentriert sich die Verfügbarkeit von Gigabit- ob Unternehmen vom Netzausbau ausgeschlossen werden Anschlüssen auf Großstädte und einzelne Ballungsgebiete. sollten, um einen Zugriff auf digitale Infrastrukturen zu ver­ Ländliche Regionen sind hingegen unterversorgt. Dies gilt hindern – denn diese sind für die Wirtschaft, vor allem aber auch für das mobile LTE-Netz. In städtisch geprägten Gebie­ für die öffentlichen Infrastrukturen wie Wasser-, Energie-, ten werden 99,7 Prozent, in ländlichen Regionen nur knapp Verteidigungs- und Gesundheitssysteme, von elementarer 90 Prozent der Haushalte abgedeckt. Bedeutung. In der Kontroverse geht es letztlich um die digi­ Diese Ungleichheit in der Versorgungsqualität ist nicht tale Souveränität Europas. Der zügige 5G-Ausbau, der eine nur ein Problem der Gegenwart: Fehlen gute Netze, ver­ hohe Relevanz für die wirtschaftliche Entwicklung Europas stärken sich ohnehin bestehende Abwanderungsprozesse. hat, steht hier in Konflikt mit potenziellen Sicherheitsrisiken Die heutigen Infrastrukturdefizite gefährden also über Jahr­ für kritische Infrastrukturen und mögliche wirtschaftliche zehnte hinaus die Chancen von abgehängten Regionen. Die und technologische Abhängigkeiten. flächendeckende Mobilfunkversorgung und ein leistungsfä­ Nichtsdestotrotz gilt 5G als Schlüsseltechnologie, weil higes Breitband-Netz gehören daher zum Kernbestand einer es drahtlose und sehr viel schnellere Übertragungsraten zukunfts- und teilhabeorientierten Daseinsvorsorge. Sie sind als bisher ermöglicht, die gerade für die Industrie von ent­ ein notwendiger Schritt für die digitale Teilhabe am sozialen scheidender Bedeutung sind. Die Qualität des künftigen und politischen Leben – für alle und überall im Land.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 37 INVESTITIONEN REPUBLIK AUF VERSCHLEISS

Seit der Jahrtausendwende hat die Infrastruktur Eine der Ursachen für den Verschleiß durch zu geringe in Deutschland insgesamt an Wert verloren. Investitionen sind mangelnde finanzielle Spielräume und Das liegt auch am problematischen Leitbild Einsparmaßnahmen. Die Schuldenlast vieler Städte und Ge­ meinden ist hoch. Das liegt unter anderem an der wachsen­ der „schwarzen Null“. Was kurzfristig Schulden den Menge an Aufgaben, die ihnen zugewiesen wurden, und reduziert, kann langfristig teuer werden. an der Verteuerung bestehender Verpflichtungen. Die Auf­ gabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen er schlechte Zustand technischer Infrastrukturen in spielt also auch bei Investitionsentscheidungen eine Rolle. Deutschland ist regelmäßig Gegenstand öffentlicher Betrachtet man nämlich alle politischen Ebenen zusam­ DDebatten. Tatsächlich ist der Sanierungsbedarf im men, relativiert sich das Bild der finanziell klammen öffent­ Alltag kaum zu übersehen: Brücken sind für Lkw gesperrt, lichen Hand. Insgesamt hätte in den vergangenen Jahren Straßen und Radwege löchrig und öffentliche Gebäude sa­ durchaus mehr in Infrastrukturerhalt und -ausbau inves­ nierungsbedürftig. Oft sind die Schäden nicht mehr nur tiert werden können. So weist der Bundeshaushalt der Jahre oberflächlich, weil die öffentliche Hand die Instandhaltung 2014 bis 2019 Überschüsse auf. Die Staatsverschuldung lag über Jahre nicht ausreichend durchgeführt hat. Wird der 2019 mit unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts deut­ Substanzverlust schließlich zu groß, ist eine schlichte In­ lich unter dem EU-Durchschnitt von 79,3 Prozent. standsetzung nicht mehr lohnend oder möglich. Lange Jahre prägte das Leitbild der „schwarzen Übersteigt der Wertverlust der Gesamtinfrastruktur in Null“ – gemeint ist eine ausgeglichene Bilanz ohne Neuver­ der Summe die getätigten Instandhaltungsmaßnahmen schuldung – die öffentliche finanz- und investitionspoliti­ und Neubauten, spricht man von negativen Nettoinvestitio­ sche Debatte. Mit dieser Maxime hatte auch die Aufnahme nen. Dies ist auf kommunaler Ebene, für ganz Deutschland von Schulden für Infrastrukturinvestitionen einen schweren gerechnet, seit 2003 durchgehend der Fall, womit das Ver­ Stand. Die 2009 beschlossene und im Grundgesetz veranker­ mögen der Kommunen – in Form von Infrastruktur – zuneh­ te „Schuldenbremse“ beschränkt die strukturelle Neuver­ mend schwindet. Besonders betroffen sind Schulen und die schuldung des Bundes seit 2016 auf höchstens 0,35 Prozent kommunale Verkehrsinfrastruktur, also gerade jene Gebäu­ des Bruttoinlandsproduktes und verbietet den Bundeslän­ de und Wege, die im Alltag eine essenzielle Rolle spielen. dern die Nettokreditaufnahme ab dem Jahr 2020. In außer­ gewöhnlichen Notsituationen wie der Covid-19-Pandemie können jedoch Ausnahmeregelungen aktiviert werden. Ein erklärtes Ziel dieser Maßnahmen ist die Genera­ DIE KOMMUNEN VERLIEREN AN SUBSTANZ tionengerechtigkeit: Die Kredite, die heute aufgenommen Staatliche Nettoanlageinvestitionen* in Milliarden Euro werden, müssen in Zukunft zurückgezahlt werden, zum Bund Kommunen Beispiel durch höhere Steuern. Durch neue Schulden wer­ Länder Gesamt den Lasten auf nachfolgende Generationen verlagert, daher 5 sind sie möglichst zu vermeiden.

4 Das Leitbild der schwarzen Null und folglich eine rigide Schuldenbremse sind allerdings nicht alternativlos. Beson­ INFRASTRUKTURATLAS 2020 / DIW, DESTATIS 2020 / DIW, INFRASTRUKTURATLAS

3 ders in der Wissenschaft werden bereits seit Langem an­ 2 dere Schuldenregeln hervorgehoben, die gerade betonen,

1 dass eine Schuldenaufnahme für Investitionen sinnvoll sein kann. In diesem Sinn greift die Idee der schwarzen Null zu 0 kurz: Unterlassene Ausbau- und Erhaltungsinvestitionen -1 schädigen Infrastrukturen in ihrer Substanz, führen da­

-2 durch zu höheren Kosten in der Zukunft – und sind damit eben nicht generationengerecht. -3 Da sich diese Einsicht zunehmend auch in der politi­ -4 schen Debatte durchsetzt, steigt das Interesse an sogenann­

-5 ten Tragfähigkeitsanalysen. Diese können Auskunft darüber geben, ob die aktuelle Politik gegeben der demografischen -6 Entwicklung so fortgeführt werden kann oder ob es Anpas­ -7 sungen bei Ausgaben oder Einnahmen braucht. Neuere

-8 2001 ’02 ’03 ’04 ’05 ’06 ’07 ’08 ’09 ’10 ’11 ’12 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18

* Summe der jährlichen Investitionen abzüglich der Abschreibungen (Wertverlust durch In den 1990er-Jahren lagen die kommunalen und Alterung und Abnutzung) die Gesamt-Nettoanlageinvestitionen deutlich im Plus – was auch eine Folge der Wiedervereinigung war.

38 INFRASTRUKTURATLAS 2020 GELD FEHLT FÜR STRASSEN, SCHULEN, SPORTSTÄTTEN Von den Kommunen geschätzter Investitionsrückstand nach Sektoren (Auswahl), in Prozent und Milliarden Euro (Hochrechnung), 2019

Verkehr Schulen Sportstätten und Bäder Verwaltungsgebäude

3 % 19 % 2 % 15 % 5 % 13 % 2 % 12 %

26 % 52 % 38 % 45 % 42 % 40 % 48 % 38 %

37,1 Mrd. Euro 44,2 10,3 12,9

Wohnungswirtschaft Kinderbetreuung Wasser und Abwasser Feuerwehr

20 % 10 % 4 % 8 % 14 % 9 % 4 % 5 %

31 % 39 % 50 % 38 % 44 % 33 % 61 % 30 %

1,9 9,7 8,1 9,3

Gesundheit Kultur ÖPNV Abfallwirtschaft

40 % 7 % 6 % 4 % 24 % 3 % 30 %

28 % 25 % 66 % 24 % 53 % 20 % 68 % 2 %

1,1 6,2 0,3 0,1 INFRASTRUKTURATLAS 2020 / KFW, DIFU KFW, 2020 / INFRASTRUKTURATLAS

Gravierender Rückstand Nennenswerter Rückstand Geringer oder kein Rückstand Weiß nicht

Hochgerechnet ergibt der von den Kommunen geschätzte Investitionsrückstand für das Jahr 2019 Infrastrukturen sollten Investitionsentscheidungen beide ein Gesamtvolumen von rund 147 Milliarden Euro. Aspekte – Tragfähigkeit und ökologische Schuldenvermei­ dung – von vornherein miteinbeziehen. Die Politik steht in der Verantwortung, den aufgelau­ Weiterentwicklungen des Konzepts berücksichtigen auch fenen Investitionsrückstand durch sachgerechte Entschei­ Infrastrukturen und schlagen so eine Brücke zwischen fiska­ dungen so zu reduzieren, dass dabei nicht nur der Verschleiß lischen Herausforderungen der Vergangenheit, Gegenwart ersetzt wird, wo es tatsächlich erforderlich ist – sondern und Zukunft. Auf diese Weise können Tragfähigkeitsanaly­ zugleich eine Lenkungswirkung zugunsten einer ökologi­ sen die Qualität der Entscheidungen erhöhen, die die Politik schen Modernisierung der Republik erzielt werden kann. im Spannungsfeld zwischen Zukunftsinvestitionen und aus­ geglichenen Haushalten zu treffen hat. Hinsichtlich der Zukunftsfähigkeit von Investitionen BRÖCKELNDE BRÜCKEN darf sich der Blick dabei nicht auf ökonomische Fragen Zustand der Brücken an Bundesfernstraßen, nach Brückenfläche, allein beschränken. Neue Konzepte erweitern unter dem in Prozent, 2020 Begriff der „grünen Null“ die rein fiskalische Bilanz: Der nächsten Generation dürfen auch keine Schulden im ökolo­ 3,6 8,9 42,6 33,3 9,9 1,7 gischen Bereich hinterlassen werden.

Die intensivierte Debatte dreht sich also nicht nur um 2020 / BAST INFRASTRUKTURATLAS das „Ob“ von Investitionen in Infrastrukturen. Sie ist ver­ knüpft mit der Frage nach Leitbildern und nach der Art der Finanzierung. Mit Blick auf die langfristige Nutzung von

Die Bundesanstalt für Straßenwesen Sehr gut Befriedigend Nicht ausreichend prüft regelmäßig knapp 40.000 Brücken Gut Ausreichend Ungenügend an Autobahnen und Bundesstraßen.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 39 GROSSPROJEKTE DIE VERFLIXTE „ERSTE ZAHL“

Beim Bau großer Infrastrukturen müssen haben. Dieser ist bei Infrastrukturvorhaben oft umstritten Risiken von Beginn an mitgedacht werden. und ungleich verteilt. Anwohnerinnen und Anwohner einer Denn Transparenz über die Dauer und Kosten Schnellbahntrasse nutzt diese wenig, wenn die Züge nicht in erreichbarer Nähe halten. Ebenso bringen Windräder schafft Akzeptanz. Solide Prognosen sind und Überlandleitungen den davon Betroffenen in der Regel möglich, wie ein Blick in andere Länder zeigt. keinen direkten Vorteil, Nachteile durch Baumaßnahmen, Lärm oder eine „Verschandelung der Landschaft“ hingegen roßprojekte wie Tunnelbauten, Kraftwerke oder Bahn­ schon. Die daraus resultierenden Abstimmungs- und Opti­ höfe sorgen mit Kosten- und Terminüberschreitungen mierungsprozesse – bis hin zu politischen Grundsatzdebat­ Goft für Schlagzeilen. Das erschüttert das Vertrauen der ten – können Jahre dauern. Öffentlichkeit in diese Projekte und verringert auch die all- In der Summe entstehen Anreize, die Kosten eines Pro­ gemeine Akzeptanz für den Umbau von Infrastruktu­ jekts zu unterschätzen oder sogar schönzureden und gleich­ ren – ohne den jedoch bedeutende Transformationsvorha­ zeitig den Nutzen zu überhöhen. Schließlich lassen sich ben wie die Energiewende nicht möglich sind. Um das zu kostengünstigere Projekte auch besser im Bundes-, Lan­ ändern, müssten vorab die Kosten ehrlicher berechnet und des- oder Kommunalhaushalt abbilden und somit politisch kommuniziert sowie Risiken stärker berücksichtigt werden. leichter durchsetzen. Die Ursachen für Kostenüberschreitungen erstrecken Ein weiterer bedeutender Aspekt für Überschreitungen sich über den gesamten Projektverlauf, von der frühen Pha­ im Projektverlauf ist der Umgang mit unvorhersehbaren se der strategischen Planung über Störungen im Bauablauf Ereignissen. Kein Projekt ist risikofrei. Es gilt: je früher im bis hin zu Problemen bei der Inbetriebnahme. Ein maßgeb­ Projekt, desto höher die Ungewissheit und desto höher die licher Faktor dafür, ob ein Budget gesprengt oder ein Ter­ notwendige Risikovorsorge sowohl im Zeitplan als auch im min verfehlt wird, ist dabei die kommunizierte „erste Zahl“, Kostenbudget. Das steht aber im Konflikt mit dem Bemü­ also die anfangs geschätzten Kosten und Fristen für die hen, die „erste Zahl“ möglichst klein zu halten. Realisierung des Vorhabens. Die Festlegung dieser ersten Im Umgang mit Risiken gibt es bemerkenswerte Unter­ Zahl ist heikel: Ist sie zu niedrig, muss nachgebessert wer­ schiede zwischen Deutschland und vergleichbaren Ländern, den. Ist sie aber zu hoch angesetzt, findet das Projekt mögli­ wie der Schweiz oder Großbritannien: Dort unterteilen sich cherweise keine Zustimmung bei der Bevölkerung und den Budgetverantwortlichen. Großprojekte sind nur dann mehrheitsfähig, wenn sie 904.000 Menschen besuchten in der Saison einen erkennbaren Nutzen für die betroffenen Menschen 2018/19 Veranstaltungen in der Elbphilharmonie. Die Auslastung der Konzertsäle lag bei über 90 Prozent.

CHRONOLOGIE EINES MILLIONENBAUS + % Steigerung der öffentlich getragenen Kosten Kostenentwicklung für den Bau der Hamburger Elbphilharmonie im Vergleich zur ersten Schätzung + 48 % Oktober 2001 2003 2005 2006 INFRASTRUKTURATLAS 2020 INFRASTRUKTURATLAS Der Architekt Alexander Im Dezember entscheidet In einer Machbarkeitsstudie werden Im November wird bekannt, dass die Gérard tritt mit der Idee der Senat, die Realisie- die Baukosten auf 186 Millionen Baukosten auf 241 Millionen Euro steigen, einer Konzerthalle an den rung der Elbphilharmonie Euro geschätzt, davon 77 Millionen wovon Hamburg 114 Millionen über- Hamburger Senat heran. zu prüfen. Euro aus der öffentlichen Hand. nimmt. Geplante Fertigstellung: 2010.

+ 319 % 2011 2010 2008 2007

Im November stellt Baudienstleister Hochtief aus Im Mai wird Die geplante Fertigstellung verzögert sich Grundsteinlegung Sicherheitsbedenken die Arbeiten am Dach ein. das Richtfest um ein Jahr. Der Anteil der öffentlichen der Elbphilharmonie Neue geplante Fertigstellung: November 2014. gefeiert. Kosten steigt auf 323 Millionen Euro. im April.

+ 647 % + 925 % 2012 2013 2014 Januar 2017

Nach mehreren Ultimaten Im April gibt Hamburgs Ein Untersuchungsausschuss Eröffnungskonzert. Am Ende wird im Juli weitergebaut. Erster Bürgermeister nennt als Gründe für die Kos- hat die Elbphilharmonie 866 Die Eröffnung verschiebt Olaf Scholz bekannt: tenexplosion unter anderem Millionen Euro gekostet, davon sich auf 2017. Vereinbarter Die Elbphilharmonie eine überhastete Ausschrei- 50 Millionen private Spenden. Kostenanteil für die Stadt: wird die Stadt 789 bung, chaotische Bauplanung Der Anteil der Stadt Hamburg 575 Millionen Euro. Millionen Euro kosten. und mangelnde Prüfung. bleibt bei 789 Millionen Euro.

40 INFRASTRUKTURATLAS 2020 MAL MEHR, MAL WENIGER Vergleich der ursprünglich geplanten und tatsächlichen Kosten für ausgewählte Infrastrukturprojekte

Kosteneinsparung Neubau Labore Kostensteigerung IT-Konsolidierung Bund* der Universität Rostock Gesamtkosten geplant für 2025 fertiggestellt 2014 bisher + 240 % – 2,3 % Kernkraftwerk Kalkar geschätzt 3.400 Mio. Euro 9,5 Mio. Euro 1985, ging nie in Betrieb + 494 % Neubau Bundes- 2.797 Mio. Euro innenministerium, Berlin bezogen 2015 Schürmann-Bau, Bonn fertiggestellt 2002 – 8 % 196 Mio. Euro + 245 % 700 Mio. Euro Neubau Schwimm- sportkomplex Neubau Hochtaunus- Freiberger Platz, Kliniken, Hochtaunuskreis Dresden Inbetriebnahme 2014 eröffnet 2019 – 6 % + 94 % 188 Mio. Euro 37 Mio. Euro

Justizzentrum Ausbau der A8 Heidelberg Bahnprojekt S 21, Augsburg – München Einweihung 2011 Stuttgart fertiggestellt 2010 bisher + 214 % noch nicht – 9 % geschätzt fertiggestellt – 23 % 51 Mio. Euro 8.200 Mio. Euro 234 Mio. Euro

* Vereinheitlichung der Computersysteme der Bundesbehörden GOVERNANCE OF INFRASTRUKTURATLAS SCHOOL 2020 / HERTIE

Eine Studie der Hertie School of Governance zu 119 in die prognostizierten Projektkosten in Basiskosten und kon­ Deutschland realisierten Infrastrukturprojekten ergab eine krete Risikobudgets, die transparent kommuniziert werden. durchschnittliche Kostensteigerung von 73 Prozent. Dagegen planen Projektverantwortliche in Deutschland oft pauschale und zu geringe Risikobudgets ein und müssen die kommunizierten Zahlen im Projektverlauf dann laufend verteilt. Umgekehrt wird bei einer Kostenüberschreitung nach oben korrigieren. auch mit den Mehrkosten verfahren: Der Bauherr und die In Großbritannien ist bei Projekten der öffentlichen Auftragnehmer beteiligen sich im Rahmen ihrer Risikotrag­ Hand die Umsetzung des sogenannten „Orange Book“ zum fähigkeit an den Mehrkosten. Somit müssten die Steuerzah­ Risikomanagement gängige Praxis. In Deutschland hat die lerinnen und -zahler bei öffentlich finanzierten Projekten Reformkommission „Bau von Großprojekten“ in ihrem End­ nicht mehr die vollen Kosten bezahlen. bericht 2015 empfohlen, den Prozess aus den Internationa­ In Ländern wie Australien und Finnland hat man mit sol­ len Standards für Risikomanagement (ISO 31000) einzufüh­ chen Modellen positive Erfahrungen gemacht. Damit sie er­ ren und Projekte nur dann öffentlich zu finanzieren, wenn folgreich sind, braucht es eine Vertrauenskultur sowie Ver­ entsprechende Leitlinien auch umgesetzt werden. Dies ist änderungen im Vergabeverfahren und in den Verträgen. bisher lediglich teilweise erfolgt. Anstelle eines frühzeiti­ Einen Beitrag hierzu können die Möglichkeiten der Digita­ gen, aktiv vorausschauenden Risikomanagements wird oft lisierung im Bauwesen leisten. So helfen dreidimensionale bloß ein ereignisorientiertes Krisenmanagement zur Scha­ Visualisierungen in Form eines „digitalen Zwillings“ des densbegrenzung vollzogen, nach dem Motto „Aufwischen, Bauvorhabens und seiner Umwelt dabei, das Verständnis wenn es passiert ist“. Dieses Vorgehen kann in der Folge zu der Auswirkungen zu erhöhen und dadurch mehr Transpa­ Streitigkeiten führen, wer schuld ist und wer welche Kosten renz zu schaffen. Simulationen und Analysen an virtuellen übernimmt. Modellen begünstigen außerdem die Erkennung und Be­ Um diesen Modus zu durchbrechen, braucht es neue handlung von Risiken. Modelle der Zusammenarbeit, welche die gemeinsame Schließlich führt auch die frühzeitige Einbindung von Verantwortlichkeit von Auftraggebenden und Auftragneh­ Bürgerinnen und Bürgern durch Beteiligung und Anhörung menden bei der Erfüllung der Projektziele stärken. Risiken in die Projektplanung zu mehr Transparenz und Akzeptanz. werden gemeinsam getragen, Gefahren gemeinsam abge­ Denn das Vertrauen der Menschen in Großprojekte steigt, wehrt und Chancen gemeinsam genutzt. Bei Einsparungen wenn die Kosten und die Risiken, die Ziele und der Nutzen wird das Geld gemäß der Risikotragfähigkeit der Beteiligten offen kommuniziert werden.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 41 GLOBALISIERUNG EINE NEUE SEIDENSTRASSE?

Unter dem Label „Belt and Road Initiative“ und Entwicklungsinitiative die globale wirtschaftliche beteiligt sich China weltweit am Aufbau von Integration, das geopolitische Gefüge und die Debatte da­ Infrastrukturen für den globalen Handel. rüber verändert. Xi Jinping hat seinem Prestigeprojekt inzwischen den Das außenpolitische Schlüsselprojekt dient nüchternen Namen „Belt and Road Initiative“ (BRI) gege­ auch der strategischen Einflussnahme. ben – im deutschen Sprachraum wird der romantisch ver­ klärte Terminus „Neue Seidenstraße“ weiterhin oft verwen­ ls Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping 2013 erst­ det. Zur BRI gehören nach chinesischer Auffassung an erster mals seine Pläne für eine „Neue Seidenstraße“ be­ Stelle die zum Teil 2000 Jahre zurückreichenden Handels­ Akannt gab, fiel das internationale Echo größtenteils verbindungen zwischen China, Zentralasien und Europa skeptisch aus. In der Ankündigung sahen viele Expertinnen auf dem Land und auch die Seewege von Asien über Afrika und Experten in erster Linie eine geschickte PR-Strategie nach Europa. Inzwischen umfassen die Planungen sechs mit dem Ziel, ökonomische und geopolitische Interessen Wirtschaftskorridore von zehntausenden Kilometern Län­ durchzusetzen. Sieben Jahre später besteht die Skepsis ge und berühren, je nach Zählweise, zwischen etwa 70 und ­weiter. Doch fraglos hat Chinas ehrgeizige Infrastruktur- 140 Staaten auf fast allen Kontinenten. Chinas strategischer Ansatz ist dabei, in kooperieren­ den Staaten zum Teil dringend benötigte Infrastrukturen mitaufzubauen. Errichtet werden diese oftmals durch DER LANDWEG GEWINNT AN BEDEUTUNG ­chinesische Unternehmen, mit Baumaterialien aus China Chinas Güterzugverkehr mit Deutschland ist seit Beginn der Belt and Road Initiative gewachsen – wenn auch auf niedrigem Niveau. und finanziert mit chinesischen Krediten. Ärmere Länder, in denen BRI-Projekte entstehen, begeben sich so mitunter Schienengüterverkehr Deutschland China, in Tonnen in erhebliche Abhängigkeiten. China finanziert und baut auf diese Weise Schienen­ 47 7.557 430.952 wege und Straßen, Gas-, Strom- und Datenleitungen, Con­ tainerterminals und komplette Häfen. Das Ausmaß der BRI ist mit geschätzten 2.500 Projekten enorm: Auf etwa eine Billion US-Dollar wird das Investitionsvolumen bis 2026 ver­ 149.589 anschlagt. In bereits abgeschlossene Projekte sind über 100 56.716 Milliarden US-Dollar aus China geflossen, vor allem in Form von Krediten. Wie viele Finanzmittel China wirklich in die BRI steckt, ist letztlich schwer zu sagen, denn es ist oft nicht 2013 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19 klar, welche der von chinesischen Akteuren im Ausland in­ Warenverkehr Deutschland China nach Transportweg, 2019 vestierten Mittel wirklich originär der Belt and Road Initia­ tive zuzurechnen sind und wann es sich eher um ein zusätz­ liches „Label“ handelt. Seeweg Unstrittig ist, dass die Belt and Road Initiative ein Kern­ 19,22 20,23 0,43 Schiene bestandteil von Xis selbstbewusster Außenpolitik ist, die da­ Mio. rauf abzielt, ­Chinas Einfluss in seinen Nachbarstaaten und Tonnen 0,56 Luft darüber ­hinaus zu vergrößern. China bewirbt das Projekt in 0,03 Straße* diesem Sinne als „Win-win-Kooperation“ auf dem Weg zu * Nur Importe globaler Konnektivität. Studien zufolge könnte der Handel in den beteiligten Ländern um 2,8 bis 9,7 Prozent steigen, Durchschnittliche Transportdauer und -kosten für einen 40-Fuß- weltweit um 1,7 bis 6,2 Prozent. Container (FEU) von Schanghai nach Hamburg, Juni/Juli 2017 Mit lukrativen finanziellen Versprechen konnte China inzwischen mehr als 60 Staaten weltweit – darunter EU- Transportzeit Kosten Gründungsmitglied Italien – überzeugen, die BRI offiziell in Tagen in US-Dollar/FEU zu unterstützen. Für internationale Kritik sorgen indes in­ transparente Ausschreibungen, eine unklare Finanzierung Seeweg 32 2.410 und Projektgestaltung sowie Berichte über Korruption und 6.350 mangelnde Umwelt- und Arbeitsstandards. Schiene 16

Luft 4 32.490 Investitionen in die Bahnanlagen an der chinesisch- INFRASTRUKTURATLAS 2020 / EUROSTAT, IFO INFRASTRUKTURATLAS

kasachischen und der polnisch-belarussischen Grenze haben die Kapazitäten im Güterzugverkehr gesteigert.

42 INFRASTRUKTURATLAS 2020 INFRASTRUKTUREN FÜR DREI KONTINENTE Chinas Belt and Road Initiative umfasst mehr als 2.000 Vorhaben: Lückenschlüsse oder Verbesserungen bestehender Infrastrukturen ebenso wie Neubauprojekte oder den Kauf und Ausbau von Häfen. Die Karte zeigt viele der wichtigsten Projekte (Stand 2018).

Klaipéda

Rotterdam Antwerpen Dunkerque Le Havre Juschne Montoir-de-Bretagne Venedig Bilbao Rasŏn Vado Ligure Ambarli Marseille Wladiwostok Valencia Chongjin

Tanger Piräus Cherchell Casablanca Malta Busan Aschdod

Sues Beihai Quanzhou Karatschi Abu Dhabi Guangzhou Nouakchott Gwadar Sittwe Zhanjian Kyaukphyu Haikou Ndiago Massaua Aden Dschibuti Sihanoukville Conakry Laem Chabang Hambantota Kuantan Aboadze Lomé Kribi Malé Colombo Malacca Lagos Libreville Singapur São Tomé Lamu Mombasa Bagamoyo Daressalam Mtwara Geplant/ Darwin Vorhanden im Bau Bahnstrecke Beira Walvis Bay Ölleitung Maputo Gasleitung Hafen Kraftwerk*

* Stand 2019; nur Kraftwerke ab einer bestimmten Mindestleistung (350 MW für fossile Brennstoffe / 200 MW für erneuerbare Energien) sind erfasst. 2020 / MERICS INFRASTRUKTURATLAS

Die Finanzierung der Einzelprojekte erfolgt über Während in Europa Konzerne wie Siemens hoffen kön­ Direktinvestitionen, Kreditvergaben oder mittels nen, von der Infrastrukturoffensive zu profitieren, werden Mischformen. Sie ist von Fall zu Fall unterschiedlich. die Erwartungen kleinerer lokaler Firmen auf gute Geschäf­ te meist enttäuscht: Fast 90 Prozent der Aufträge werden an chinesische Unternehmen vergeben. Aber auch sie ge­ verhinderte Ungarn eine chinakritische EU-Erklärung zum hen, angelockt von günstigen Krediten chinesischer Staats­ Südchinesischen Meer – vermutlich kein Zufall. Das bisher banken, mitunter hohe Risiken ein und engagieren sich teuerste BRI-Projekt Europas soll in Ungarn entstehen: eine in Mega­projekten mit fragwürdigen Erfolgsaussichten. In knapp drei Milliarden US-­Dollar teure und 350 Kilometer ­Venezuela oder Pakistan sind beispielsweise Vorhaben ge­ lange Bahnlinie von Budapest nach Belgrad. fährdet oder sogar bereits gescheitert. Gerade osteuropäische Staaten hoffen – oft vergeb­ Manche Regionen belebt die BRI hingegen: Im Duis­ lich – auf Investitionsimpulse durch die BRI. Als Gegenge­ burger Binnenhafen treffen pro Woche mehr als 35 Güter­ wicht hat die EU-Kommission eine eigene Strategie vorgelegt: züge aus China ein, vor allem aus Chongqing. Sie brauchen Sie will unter dem Stichwort „Nachhaltige Konnektivität“ für die rund 10.000 Kilometer lange Strecke etwa zwei Asien und Europa mit transparenten Standards und solider Wochen – damit sind sie deutlich schneller als Schiffe und Finanzierung logistisch zusammenführen und ein durch zugleich preiswerter als Luftfracht. Chinesische Staatskon­ Chinas Strategie befördertes politisches Auseinanderdriften zerne wie Cosco investieren auch in anderen europäischen von ost- und westeuropäischen Staaten verhindern. Häfen. Im Hafen von Piräus hat sich seit der Übernahme Die BRI droht wegen der Covid-19-Pandemie ausge­ durch Cosco der Warenumschlag mehr als verdreifacht. bremst zu werden. Chinas Wirtschaftswachstum könnte Der Fall Piräus veranschaulicht aber auch das politische sich 2020 deutlich abschwächen, seine Auslandsinvestitio­ Konfliktpotenzial, das Chinas durch die BRI wachsender nen sind in den ersten Monaten des Jahres eingebrochen. Einfluss birgt: Als Griechenland 2017 eine offizielle EU-Kri­ Wie sich die Belt and Road Initiative weiter entwickelt und tik an Chinas Menschenrechtslage vor einer UN-Institution wohin sie steuert, ist seit dem Ausbruch der Pandemie noch blockierte, führten Beobachterinnen und Beobachter dies unklarer als zuvor. Für China stehen hunderte Milliarden auf Coscos Engagement in dem Land zurück. Im Jahr zuvor Dollar auf dem Spiel.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 43 EUROPA EIN GREEN DEAL FÜR INFRASTRUKTUREN

Grenzüberschreitende Netze und Räume sind ­Seeschifffahrtsrouten, Häfen, Flughäfen und Bahntermi­ für die Zukunft der EU entscheidend. Und auch nals entstehen. Im Energiesektor decken die TEN-E die die ökologische Transformation mit dem Ziel Strom-, Gas- und Ölinfrastrukturen ab und umfassen neun Prioritätskorridore in verschiedenen Regionen. Sie sollen eines klimaneutralen Europa hängt maßgeblich regionale Energiemärkte verbinden, unter anderem mit vom Umbau der Infrastrukturen ab. dem Ziel, mehr Energie aus erneuerbaren Quellen ins Netz zu bringen. ie Europäische Kommission hat sich Klimaneutralität Konkrete Ziele, Prioritäten und Vorhaben im Rahmen zum Ziel gesetzt. Im Rahmen des „European Green der Transeuropäischen Netze werden auf Vorschlag der DDeal“ soll 2050 der Nettoausstoß von Treibhausgasen Kommission vom Rat der EU und dem EU-Parlament be­ in der EU bei Null liegen. Dabei handelt es sich um nichts we­ schlossen. Finanziert werden die TEN über das Programm niger als eine grundlegende ökologische Transformation „Connecting Europe Facility“. Im EU-Haushalt 2014 – 2020 mit dem Ziel, Europa zukunftsfest umzugestalten. Möglich wurden dafür 23,7 Milliarden Euro für den Verkehrsbereich, ist dies nur, wenn schon heute die richtigen Infrastruktur­ 4,6 Milliarden Euro für den Energiebereich und 0,5 Milliar­ anpassungen angegangen werden. Die EU hat dafür wirk­ den für Telekommunikation als Zuschüsse bereitgestellt. same Instrumente zur Hand, muss diese aber auch nutzen. Die gesamteuropäische Planung und Realisierung von Der Bau und die Förderung von Infrastrukturen gehören Großprojekten ist jedoch anspruchsvoll. Das Zusammenwir­ zu den Grundfesten des europäischen Einigungsprozesses. ken etlicher Staaten und das Aufeinandertreffen verschie­ Lange Zeit dominierten dabei wirtschaftliche und soziale dener Interessen kann die Realisierung einzelner Projekte Anliegen, insbesondere der Ausgleich zwischen den bes­ gefährden. Auch zeigen Beispiele wie der Fehmarnbelttun­ ser und schlechter entwickelten und angeschlossenen Re­ nel oder die Hochgeschwindigkeitstrasse von Tallinn nach gionen in Europa. Die aktuelle Herausforderung ist es nun, Riga, dass die wirtschaftliche Tragfähigkeit nicht immer ökologische Aspekte mindestens im gleichen Maße mit­ überzeugt und mitunter die Interessen der Anwohnerinnen zudenken – nur so können Infrastrukturen für ein soziales, und Anwohner oder ökologische Folgen nicht hinreichend nachhaltiges und zukunftsfähiges Europa entstehen. berücksichtigt werden. Zentral beim Auf- und Ausbau einer gemeinsamen Ver­ Letztgenannter Aspekt gilt auch für den TEN-E-Bereich kehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur mit seinem starken Fokus auf den Ausbau einer Erdgasin- sind die „Transeuropäischen Netze“ (TEN). So sollen mit frastruktur. Bisher stehen also einige der europäisch geför­ den TEN-V für die Verkehrsinfrastruktur Mobilitätshinder­ derten Vorhaben im Widerspruch zu den neuen Zielen des nisse beseitigt werden und ein gesamteuropäisches Netz­ European Green Deal. Wenn es hingegen gelingt, mit dem werk von Schienenwegen, Straßen, Binnenwasserstraßen, noch zu verstärkenden Ausbau einer intelligenten Elektri­ zitätsinfrastruktur Angebot und Nachfrage nach Ökostrom EU-weit zu optimieren, kann dies ein zentraler Bestandteil eines erfolgreichen European Green Deal werden. MEHR GELD FÜR EINEN EUROPEAN GREEN DEAL Umso wichtiger ist es, nicht nur transnationale, son­ EU-Haushalt in Milliarden Euro dern auch regionale Infrastrukturprojekte in den Blick zu Beabsichtigter Mindestanteil der Ausgaben nehmen. Auch diese werden von der EU gefördert: mit dem für klimaschutzrelevante Maßnahmen Fonds für regionale Entwicklung und dem Kohäsionsfonds. Etwa ein Viertel der EU-Haushaltsmittel wird dafür einge­ 2014 – 2020 2021 – 2027 (Vorschlag der Kommission) setzt, für 2014 – 2020 waren das europaweit rund 261 Mil­ 30 % liarden Euro. 20 % Die regionale Ausrichtung ist dabei Chance (für die Umsetzung) wie auch Problem (für die ökologische Aus­ richtung) zugleich, denn die Mittel können je nach politi­ 960,0 1.824,3 scher Präferenz und Planung von den Mitgliedstaaten sehr Mrd. Euro Mrd. Euro* vielfältig eingesetzt werden. Mangels politischer Mehr­ heiten für den transformativen Umbau Europas ist der

Die EU-Kommission hat im September 2020 ihr Klimaziel

* Davon entfallen 750 Mrd. Euro auf das Covid-19-Aufbaupaket „Next Generation EU“. 2020 / EU INFRASTRUKTURATLAS für das Jahr 2030 erneuert: Im Vergleich zu 1990 sollen die Emissionen um mindestens 55 Prozent sinken.

44 INFRASTRUKTURATLAS 2020 FÜR EIN EUROPA OHNE HINDERNISSE Die neun Kernkorridore des Transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V), bestehend aus Straßen, Schienenwegen und Wasserstraßen, sowie ausgewählte Projekte Helsinki Öresundbrücke Auto- und Bahnverbindung Tallinn Rail Baltica (im Bau) INFRASTRUKTURATLAS 2020 / EU INFRASTRUKTURATLAS zwischen Schweden und Zugstrecke von Warschau in die Dänemark zur besseren baltischen Staaten, in der dort Anbindung Skandinaviens an NORDSEE bisher nicht vorhandenen euro- den Rest des Kontinents päischen Spurweite 1435 mm Kopenhagen Malmö (mögliche Weiterführung nach „Magistrale für Europa“ Helsinki in einem Tunnel) (noch nicht abgeschlossen) Amsterdam Durchgängige Hochge- London Berlin schwindigkeitsbahnstrecke Wasserstraße Rhein/ Maas-Main-Donau (noch nicht von Paris über Stuttgart, Warschau München und Wien nach abgeschlossen) Bratislava Ausbaumaßnahmen, etwa für Paris einen durchgängigen Mindest- tiefgang, zur Stärkung des Wien Brenner Basistunnel Bratislava Binnenschiffverkehrs vom (im Bau) Schwarzen Meer zur Nordsee Bahntunnel für den Güter- und Personenverkehr unter den Alpen als Teil der Zagreb Achse Berlin – Palermo SCHWARZES MEER Sofia Madrid Rom

Palermo Korridore Athen Skandinavien – Mittelmeer Nordsee – Ostsee Orient/Östliches Mittelmeer Atlantik Nordsee – Mittelmeer Rhein – Alpen Mittelmeer Rhein – Donau Ostsee – Adria

Für die TEN-V-Kernkorridore gelten Mindeststandards beim Ausbau. So müssen zum Beispiel die nur gelingen kann, wenn die Investitionsentscheidungen Bahnstrecken durchgängig elektrifiziert sein. für den Haushalt 2021–2027 ebenfalls transformatorisch an­ gelegt sind. Dabei handelt es sich um keine rein europäische Entscheidung. Auch auf nationaler und lokaler Ebene bieten Beitrag der EU-Strukturpolitik zur lokalen, regionalen und sich dank der EU-Fördermittel zahlreiche Möglichkeiten für nationalen Energie- und Verkehrswende bisher gering: die ökologisch-soziale Infrastrukturerneuerung. Im Durchschnitt­ werden lediglich 9,7 Prozent der bereit­ gestellten Regionalentwicklungs- und Kohäsionsmittel in eine saubere Energieinfrastruktur investiert. Das transfor­ NOCH VIEL LUFT NACH OBEN mative Potenzial der Strukturfonds wird also bisher nicht ausgeschöpft. Entsprechende politische Mehrheiten vor Anteil regenerativer Energien am Bruttoendenergieverbrauch Ort vorausgesetzt, bieten diese Mittel jedoch einen eben­ in den EU-Staaten (ohne Großbritannien), in Prozent so finanzkräftigen wie lokal passgenauen Ansatz für die Veränderung von Infrastrukturen zur Unterstützung des 100 Green Deal. 80 Infrastrukturen sind ein wichtiger Baustein für das Ziel einer klimaneutralen Wirtschafts- und Lebensweise. Auf 60 ­europäischer Ebene werden derzeit die politischen Wei­ chen gestellt. Der European Green Deal beschreibt dabei 40 einen mit Blick auf die Umsetzung ambitionierten Plan – der 18,0 18,9 20 14,4 16,7 9,6 11,9 Der Energieverbrauch in den EU-Staaten hatte 2004 2007 2010 2013 2016 2018 INFRASTRUKTURATLAS 2020 / EUROSTAT 2020 / INFRASTRUKTURATLAS

Mitte der 2000er-Jahre einen Höchststand erreicht. Seitdem ist er insgesamt leicht gesunken.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 45 AUSBLICK DREI INFRASTRUKTUREN FÜR DIE ZUKUNFT

Mit gezielten Infrastrukturinvestitionen können wie CO2 innerhalb weniger Jahre erheblich zu reduzieren, wichtige Impulse für die soziale und ökologische um die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad – und Modernisierung gesetzt werden. Gute Beispiele möglichst unter 1,5 Grad – gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Allerdings mangelt es an sowohl güns­ sind die Kinderbetreuung, das Bahnnetz tigen als auch umweltfreundlichen Energiequellen, mit und Wasserstoff als Teil der Energiewende. denen der Industrie die Umstellung von CO2-intensiver zu

CO2-neutraler Produktion gelingen könnte. ie Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wur­ Wird vor diesem Hintergrund nach dem Prinzip „Einfach den in Deutschland in den vergangenen Jahrzehn­ weiter so“ verfahren, so dürften bereits innerhalb der nächs­ Dten massiv vernachlässigt. Über einen Horizont von ten zwei Legislaturperioden die negativen Folgen deut­ rund zwanzig Jahren hat der Staat in der Summe weniger lich werden. Für viele große Industrieanlagen in Deutsch­ für neue Kapitalgüter ausgegeben als für ihre Nutzung ab­ land stehen Erneuerungsinvestitionen an, und zahlreiche geschrieben wurde. Der öffentliche Kapitalstock ist also Unternehmen wären durchaus bereit, diese Investitionen kleiner geworden, obwohl in der gleichen Zeit die Einwoh­ mit klimafreundlichen­ Technologien hierzulande vorzu­ nerzahl merklich gestiegen ist, das Verkehrsaufkommen nehmen. Dafür brauchen sie aber klare Perspektiven hin­ kräftig zugenommen hat und das Bruttoinlandsprodukt bis sichtlich der regulatorischen Rahmenbedingungen und zum Ausbruch der Covid-19-Pandemie um über 60 Prozent eine entsprechende forschungs- und industriepolitische gewachsen ist. Unterstützung. Fehlt diese Planungssicherheit, ist zu erwar­ Der verschlissene Kapitalstock ist nicht nur unangenehm ten, dass sich die Firmen zu ungunsten von Standorten in im Alltag der Bürgerinnen und Bürger, weil etwa Brücken Deutschland entscheiden. gesperrt sind oder sich Züge verspäten, sondern hat auch Ein anhaltender Investitionsstau ohne erkennbare Mo­ handfeste negative wirtschaftliche Folgen. So beklagen be­ dernisierungsdynamik könnte also zu einer Abwärtsspirale reits heute immer mehr Unternehmen, dass ihre Geschäfts­ aus Unternehmensabwanderungen, Werksschließungen tätigkeit von Mängeln in der Infrastruktur behindert wird. und generellem Zukunftspessimismus führen. Der Verlust In den kommenden Jahren fordern zudem zwei Trends von Arbeitsplätzen würde die Probleme im Rentensystem die Gesamtwirtschaft und speziell die Industrie heraus: verschärfen, das in den kommenden Jahrzehnten ohnehin die Demografie und die notwendige Dekarbonisierung. schon bei einer schrumpfenden Zahl Erwerbstätiger eine Deutschlands Erwerbsbevölkerung schrumpft absehbar, wodurch der Mangel an Fachkräften zunehmen dürfte. Global verpflichtet das Pariser Klimaabkommen die unter­ Eine Studie der Bertelsmann Stiftung hat ergeben, dass im zeichnenden Staaten, die Emissionen von Treibhausgasen März 2019 der Personalschlüssel für die Betreuung von 1,7 Millionen Kindern in deutschen Kitas nicht kindgerecht war.

WAS MEHR GELD FÜR KITAS UND SCHULEN BEWIRKEN KANN Modellsimulation zu den Auswirkungen eines dauerhaften Anstiegs der öffentlichen Ausgaben* für Kitas und Ganztagsschulen in Deutschland, 2017 Armutsquote Einkommenslücke von … Jährliches Bruttoinlandsprodukt Beschäftigung … alleinerziehenden Frauen Anstieg in Milliarden Euro** in vollzeitäquivalenten Stellen** … Kindern aus bildungsfernen Familien in Prozentpunkten** +56,7 +510.200 −0,27 −1,16 −0,89 −1,79

+11,4 +153.400 −3,85 −5,94

2017 2020 2030 2040 2050 2017 2020 2030 2040 2050 2017 2020 2030 2040 2050 INFRASTRUKTURATLAS 2020 / BERTELSMANN STIFTUNG 2020 / BERTELSMANN INFRASTRUKTURATLAS

* Schrittweiser Anstieg auf jährlich 10,4 Mrd. Euro ab 2021, davon jährlich 4 Mrd. Euro für frühkindliche Bildung, zusätzlich einmalig 9 Mrd. Euro für Ganztagsbetreuung ** Inflationsbereinigt

46 INFRASTRUKTURATLAS 2020 NEUE ENERGIE Wie eine zukünftige grüne Wasserstoffinfrastruktur aussehen könnte

ERZEUGUNG SPEICHERUNG VERWERTUNG

Industrie Insbesondere in energieintensiven Prozessen, bei denen aktuell oft noch Kohle genutzt wird, kann Wasserstoff sinnvoll zum Einsatz kommen – zum Beispiel in der Stahlverarbeitung.

Wasserstoff hat ein großes Verkehr Volumen. Ihn zu komprimieren Komprimiert ist Wasserstoff sehr kostet Energie. Eine Speicher- ­energieeffizient und hilfreich, wenn infrastruktur könnte unterirdisch große Gefährte lange Strecken zurück­ entstehen, denkbar wären unter legen: Lkw, Flugzeuge, Frachtschiffe anderem Salzkavernen. – im Individualverkehr weniger.

Energie Bei der Umwandlung von Wasser- Der Transport ist beigemischt stoff in Strom geht viel Erzeugungs- in Erdgasleitungen möglich, in Wasserstoff (H ) kommt in der Natur energie verloren. Der Einsatz wäre 2 eigens gebauten Pipelines oder nur bei wetterbedingten Engpässen nicht allein vor, kann aber aus ver- in Tanks auf Schiene und Straße. schiedenen organischen Verbindungen erneuerbarer Energien sinnvoll. gewonnen werden. Ein Weg: Wasser wird mittels Elektrolyse in Wasser- und Sauer- Wärme stoff zerlegt. Nutzt man dafür regenera- Auch zum emissionsarmen Heizen ist tive Energien, spricht man von „grünem Wasserstoff nutzbar. Wärmepumpen Wasserstoff“, der klimaneutral ist. gelten hierfür aber als effektiver. INFRASTRUKTURATLAS 2020 INFRASTRUKTURATLAS

Aus und mit fossilen Energieträgern kann ebenfalls Wasserstoff steigende Zahl von Rentnerinnen und Rentnern finanzie­ gewonnen werden. Doch dabei wird klimaschädliches CO2 ren muss. Verfügbare Einkommen der breiten Bevölkerung freigesetzt – man spricht auch von „grauem Wasserstoff“. würden dann stagnieren, was wiederum in einer Abwande­ rung gut ausgebildeter Arbeitskräfte resultieren könnte. Ein Alternativszenario wäre, öffentliche Investitionen in Deutschland nur mit einem umweltschonenden Umbau der drei infrastrukturellen Kernbereichen über die kommenden industriellen Kerne gelingen – eine Deindustrialisierung ist Jahre massiv aufzustocken: in der frühkindlichen Bildung, angesichts der Bedeutung des verarbeitenden Gewerbes an im Schienenverkehr und für den Aufbau einer Wasserstoff­ der Wertschöpfung keine politisch realistische Strategie. infrastruktur als weitere Komponente der Energiewende. Eine Wasserstoffinfrastruktur – mit Netzen und Erzeu­ Trotz eines kräftigen Ausbaus der frühkindlichen Betreu­ gungskapazitäten aus erneuerbaren Energien für „grünen ung im vergangenen Jahrzehnt wurden 2018 in Deutsch­ Wasserstoff“ – könnte es der energieintensiven Industrie land noch 70 Prozent der Kinder unter drei Jahren aus­ im Metall-, Elektro- und Chemiebereich in Deutschland und schließlich zuhause betreut. In Frankreich und Schweden ­Europa ermöglichen, eine globale Vorreiterrolle auf dem lag diese Quote nur bei 50 Prozent. Mehr Betreuungsplätze Weg zu CO2-neutralen Produktionsweisen einzunehmen. könnten die Frauenerwerbstätigkeit erhöhen und so den Die verlässliche Unterstützung der Energiewende durch den befürchteten Fachkräftemangel mildern sowie das demo­ Staat begünstigt Investitionsentscheidungen zugunsten der grafische Problem der Alterssicherung entspannen. Berech­ Standortsicherung vor Ort. Davon würden auch der Maschi­ nungen zeigen, dass die anstehenden Finanzierungsprob­ nenbau und die Automobilindustrie – zwei weitere zentrale leme des deutschen Rentensystems zu mehr als der Hälfte Branchen der deutschen Wirtschaft – profitieren. dadurch gelöst werden könnten, wenn Deutschland eine Allerdings erfordert die Wasserstofftechnologie noch ähnliche Frauenerwerbsquote wie Schweden erreicht. viel Forschungs- und Entwicklungszeit, bis sie in ausreichen­ Die nötige Verkehrswende bedarf massiver Investitio­ dem Umfang bereitstehen kann. Deshalb ist entscheidend, nen ins gesamte Bahnnetz, die jedoch mit ambitionierten den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur als eine Leuchtturmprojekten verbunden werden sollten. Das könn­ Komponente der umfassenderen Strategie für die Energie- ten zum Beispiel Schnellzugverbindungen sein, mit denen und Verkehrswende anzugehen, die auch bereits kurzfristig sich die Strecke Köln/Düsseldorf – Berlin oder gar Ham­ wirksame Technologien und Maßnahmen umfasst. burg – München in rund drei Stunden zurücklegen ließe. Mehr Geld für frühkindliche Bildung, das Bahnnetz und Schließlich ist der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur eine Wasserstoffinfrastruktur – das Ziel einer solchen In­ ein möglicher Weg, um die Dekarbonisierung der Indus­ vestitionsoffensive ist ein optimistisches, prosperierendes, trie voranzubringen. Sie ist ein entscheidender Baustein ökologisch und sozial modernisiertes Land, das gemeinsam im Kampf gegen die menschengemachte Erderwärmung. mit anderen Staaten in Europa und der Welt als Vorbild gilt. Eine gesellschaftlich breit akzeptierte Klimawende wird in Dafür legen gute Infrastrukturen die Grundlage.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 47 AUTORINNEN UND AUTOREN, QUELLEN VON DATEN, KARTEN UND GRAFIKEN

10 – 11 GESCHICHTE R. Wittwer / TU Dresden: Tabellenbericht zum Forschungs­ SIE HALTEN DIE WELT ZUSAMMEN projekt „Mobilität in Städten – SrV 2018“ in Berlin, aktualisier- von Dirk van Laak te Version vom 30.01.2020, S. 43, https://bit.ly/2GIEAqK S. 10 – 11: O. Wunder / Hamburger Morgenpost: Badespaß in S. 19 o.: BicycleDutch: Junction design the Dutch – cycle Hamburg. Als aus Hygiene Vergnügen wurde, 26.11.2017, friendly – way, 3.4.2011, https://bit.ly/3iDBUYl; https://bit.ly/3lsiFmf; froebeldekade.de: Leben und Werk, N. Falbo: Protected Intersections For ­Bicyclists, 14.2.2014, https://bit.ly/3dfSSus; weitere redaktionelle Recherchen https://bit.ly/3iKYkXw; weitere redaktionelle Recherchen S. 11: Eigene Zusammenstellung S. 19 u.: Statistisches Bundesamt: Verkehrsunfälle Zeitreihen 2019, 14.7.2020, S. 139, https://bit.ly/34pXTNc 12 – 13 TEILHABE GUTE INFRASTRUKTUREN FÜR HEUTE UND MORGEN 20 – 21 ÖPNV von Sebastian Bukow, Ole Meinefeld und Roman Schmidt ANSCHLÜSSE FÜR ALLE S. 12: BMI: Deutschlandatlas, Karte: Bevölkerungsdichte, Da­ von Lena Reibstein und Manuel Slupina tenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR, Fortschrei­ S. 20: gvh.de: Preisübersicht, https://bit.ly/3iRreWc; bung des Bevölkerungsstandes des Bundes und der Länder / mvg.de: Alle Preise im Überblick, https://bit.ly/2SHfURC; Regionaldatenbank Deutschland, Geometrische Grund­ weitere redaktionelle Recherchen lage: VG250 (Gemeinden), 31.12.2018 © GeoBasis-DE/BKG, S. 21 o.: Webangebot Wittlich Shuttle: https://bit.ly/3lpInaV; ­Bearbeitung: N. Blätgen, A. Milbert, https://bit.ly/33BkfMx ­Haltestellen, Dezember 2018: https://bit.ly/36WQt7d S. 13: R. Wolff / taz.de: Erodierende Rotoren, 5.3.2018, S. 21 u.: S. Radke, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung https://bit.ly/30QysDA; Deutsche Bahn: Faktenblatt Eisen­ (DIW), BMVI: Verkehr in Zahlen 2019 / 2020, September 2019, bahnbrücken bei der Deutschen Bahn, Dezember 2019, S. 2, S. 216 f., https://bit.ly/36C6TBv https://bit.ly/36PqkHc; weitere redaktionelle Recherchen 22 – 23 EISENBAHNNETZ 14 – 15 SUBSIDIARITÄT BELIEBT UND ÜBERLASTET WER MACHT WAS? von Philipp Kosok von Michael Thöne S. 22: Allianz pro Schiene: Deutschland investiert zu wenig S. 14: KfW, Deutsches Institut für Urbanistik (Difu): KfW- in die Schieneninfrastruktur, Juli 2020, https://bit.ly/34q0Nl4 Kommunalpanel 2020, Juni 2020, S. 9, https://bit.ly/33yYfSh; S. 23: Deutsche Bahn: ICE-Netz 2020, gültig vom 15.12.2019 Statistisches Bundesamt: Fachserie 14 Reihe 2, Vierteljährliche bis 12.12.2020, https://bit.ly/3jFE6zO; Union ­Internationale Kassenergebnisse­ des Öffentlichen Gesamthaushalts, 1. – 4. des Chemins de fer: High Speed Lines in the World Vierteljahr 2019, 8. April 2020, S. 31 f., https://bit.ly/33Ax0XS ­(Summary), aktualisiert: 27.2.2020, https://bit.ly/3jFvcCp; S. 15 o.: bpb.de: Bund, Länder und Kommunen, 2.11.2009, ­wikipedia.fr: ­Liste des lignes à grande vitesse en France, https://bit.ly/33HC6Bm; weitere redaktionelle Recherchen https://bit.ly/30HoiF0 S. 15 u.: KfW, Difu: KfW-Kommunalpanel 2020, Juni 2020, S. 17, https://bit.ly/33yYfSh 24 – 25 KINDERTAGESBETREUUNG STRUKTUREN FÜR DIE JÜNGSTEN 16 – 17 BÜRGERBETEILIGUNG von C. Katharina Spieß und Katharina Wrohlich VON DER IDEE ZUR INFRASTRUKTUR S. 24: W. Geis-Thöne: IW-Report 50 / 18. Familien müssen für von Stephanie Bock und Jan-Hendrik Kamlage die gleiche Betreuung in der Kita unterschiedlich viel zahlen, S. 16: K. J. Beckmann, S. Bock, D. Landua, B. Reimann / Difu: 31.12.2018, S. 16, https://bit.ly/36EtOw6 Auf dem Weg, nicht am Ziel. Aktuelle Formen der Bürgerbe- S. 25 o.: BMFSFJ: Kindertagesbetreuung Kompakt – Ausbau- teiligung – Ergebnisse einer Kommunalbefragung, Januar stand und Bedarf 2018, Juli 2019, S. 12, https://bit.ly/3nozwZ6 2013, S. 10, 14, https://bit.ly/3d33xc1 S. 25 u.: Eurostat, Code: tps00185: Formale Kinderbetreuung S. 17: Tennet: Die Windstrombrücke zwischen Deutschland nach Altersklassen und zeitlicher Nutzung, Letzte Aktualisie- und Dänemark. Der fünfte Abschnitt der Westküstenleitung, rung: 6.10.2020, https://bit.ly/3d2vT64 Dezember 2019, S. 12 ff., https://bit.ly/36BCDqz, Karte: https://bit.ly/30AfVuT 26 – 27 FACHHOCHSCHULEN SCHMIEDEN DES SOZIALEN AUFSTIEGS 18 – 19 INFRASTRUKTUREN VERÄNDERN von Christine Prußky AUF DEM WEG ZUR FAHRRADSTADT S. 26: Statistisches Bundesamt: Fachserie 11 Reihe 4.1. von Saskia Ellenbeck und Arne Jungjohann ­Studierende an Hochschulen. Vorbericht Wintersemester S. 18: M. Szell, S. Bogner / Move Lab: About What the Street!?, 2016 / 2017, 28. Februar 2017, S. 31 ff., https://bit.ly/33ylEU1 21.6.2017, https://bit.ly/3ixKE29, Zahlen für Berlin: S. 27: Alle Informationen finden sich im Webangebot der https://bit.ly/2SxQzti; R. Gerike, S. Hubrich, F. Ließke, S. Wittig, Hochschule Osnabrück, https://bit.ly/30JZtbP

48 INFRASTRUKTURATLAS 2020 28 – 29 SCHWIMMBÄDER S. 39 o.: KfW, Difu: KfW-Kommunalpanel 2020, Juni 2020, WENN INFRASTRUKTUREN BADEN GEHEN S. 13 f., https://bit.ly/33yYfSh von Oliver Wulf S. 39 u.: Bundesanstalt für Straßenwesen: ­Brückenstatistik, S. 28: Berliner Bäder-Betriebe: Geschäftsbericht 2019, 2020, 12.5.2020, S. 6, https://bit.ly/3lwe9mG; Erläuterung S. 29, 44, https://bit.ly/33yRvUI ­Zustandsnoten: https://bit.ly/3lhpTJE S. 29 o.: H. Hübner, O. Wulf: Kommunale Sportverhaltens­ befragungen der Forschungsstelle Kommunale Sport­ 40 – 41 GROSSPROJEKTE entwicklungsplanung in Nordrhein-Westfalen 2010 – 2015 DIE VERFLIXTE „ERSTE ZAHL“ S. 29 u.: B. Kuntz, L. Frank, K. Manz, A. Rommel, von Heinz Ehrbar und Ilka May T. ­Lampert / Robert Koch-Institut: Soziale Determinanten S. 40: NDR.de: Elbphilharmonie: Die wichtigsten Etappen, der ­Schwimmfähigkeit von Kindern und Jugendlichen 12.1.2017, https://bit.ly/2SxIVPw; Bürgerschaft der freien in Deutschland. Ergebnisse aus KiGGS Welle 1, erschienen und Hansestadt Hamburg: Drucksache 20/11500. Bericht in: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 6 / 2016, S. 137 ff., des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Elb­- https://bit.ly/3jEHzyt phil­harmonie“, 3.4.2014, S. 5, 62 f, 596, https://bit.ly/36FRal1 S. 41: N. Anzinger, G. Kostka / Hertie School of Governance: 30 – 31 SOZIALE ORTE Large Infrastructure Projects in : A Cross-sectoral WO WIR ZUSAMMENKOMMEN Analysis, Mai 2015, S. 17 f., https://bit.ly/2Sw2aJw; weitere von Claudia Neu redaktionelle Recherchen S. 30: H. Krimmer, A. Labigne, J. Priemer: ZiviZ-Survey 2017. Vielfalt verstehen. Zusammenhalt stärken, 2017, S. 10, 42 – 43 GLOBALISIERUNG https://bit.ly/3niRT1v; J. Simonson, C. Tesch-Römer, EINE NEUE SEIDENSTRASSE? C. Vogel / BMFSFJ: Freiwilliges Engagement in Deutschland. von Claudia Wessling Zusammen­fassung zentraler Ergebnisse des Vierten S. 42: Eurostat, Code: DS-022469: EXTRA EU trade since ­Deutschen Freiwilligen­surveys, Dezember 2016, S. 21, 27, 32, 1999 by mode of transport (NSTR), Letzte ­Aktualisierung: https://bit.ly/2F7d5Gt 16.9.2020, https://bit.ly/33AYoEQ; F. Bickenbach, S. 31 : Alle Informationen finden sich im Webangebot der G. ­Felbermayr, M. Goldbeck, W. Liu, A. Sandkamp / ifo Institut: MarktTreffs Schleswig-Holstein: https://bit.ly/2Iaw7wP Megatrends im Welthandel: Die neue Seidenstraße, April 2019, S. 69, https://bit.ly/3d3Cqxy 32 – 33 GESUNDHEITSVERSORGUNG S. 43: Mercator Institute for China Studies (MERICS): Die Ver­ EINE FRAGE DER QUALITÄT messung der Belt and Road Initiative. Eine Bestandsaufnah­ von Jörg Sauskat me, 7.6.2018, https://bit.ly/2GzweBp, https://bit.ly/2Gy9F06; S. 32: Kassenärztliche Bundesvereinigung: Regionale T. S. Eder, J. Mardell / MERICS: Powering the Belt and Road, ­Verteilung der Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung, 27.6.2019, https://bit.ly/36HCp0T https://bit.ly/30Hhx6f; Thünen-Landatlas: Erreichbarkeit von Krankenhäusern der Grundversorgung, https://bit.ly/2Sw5Yu2 44 – 45 EUROPA S. 33: OECD: Health spending (indicator), doi: EIN GREEN DEAL FÜR INFRASTRUKTUREN 10.1787 / 8643de7e-en, 2020, https://bit.ly/34A02Gl; Eurostat, von Markus Trilling Code: tps00205: Lebenserwartung bei der Geburt nach Ge- S. 44: Rat der Europäischen Union: Infografik – EU‑ schlecht, zuletzt aktualisiert: 9.10.2020, https://bit.ly/36DK5kN Haushalt 2021 – 2027 und Aufbauplan, 21.7.2020, https://bit.ly/34sPwAw; Europäische Kommission: Eine Billion 34 – 35 STROM UND WASSER Euro für die Zukunft Europas – der Haushaltsrahmen AUF DIESE NETZE KOMMT ES AN der EU für 2014 – 2020, 19.11.2013, https://bit.ly/30Hj7VY von Jens Libbe S. 45 o.: Europäische Kommission: Trans-European Transport S. 34: A. Furtner, S. Halmer, S. Kaya, L. Terzic, L. Wülbeck / ­ Network. TEN-T Core Network Corridors, 20.12.2013, Österreichische Gesellschaft für Politikberatung und Politik- https://bit.ly/3d5Whfv; European Commission: 30 Priority entwicklung: Rekommunalisierung in Europa, Februar 2019, Projects, https://bit.ly/3d6m9YE S. 8, 38, 58, 79, https://bit.ly/3iGWvux S. 45 u.: Eurostat, Datencode: T2020_RD330: Anteil S. 35: B. Gaillardon, J. Lotze, M. Mogel, M. Salzinger, ­erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch, K. ­Troitskyi / TransnetBW: Stromnetz 2050, April 2020, S. 35, letzte Aktualisierung: 24.9.2020, https://bit.ly/3jE3c1Z https://bit.ly/2F66zzB; Bundesnetzagentur: Leitungsvorhaben, Stand nach dem zweiten Quartal 2020, https://bit.ly/30FsCVu 46 – 47 AUSBLICK DREI INFRASTRUKTUREN FÜR DIE ZUKUNFT 36 – 37 BREITBANDAUSBAU von Sebastian Dullien GUT VERBUNDEN IN DIE ZUKUNFT S. 46: T. Krebs, M. Scheffel / Bertelsmann Stiftung: Öffentliche von Julia Kloiber und Elisa Lindinger Investitionen und inklusives Wachstum in Deutschland, S. 36: BMVI: Aktuelle Breitbandverfügbarkeit in Deutschland, November 2017, S. 19 ff., https://bit.ly/30EYdq8 Stand Mitte 2019, S. 4, 7, https://bit.ly/33BscRR S. 47: J. Carmesin / quarks.de: Ist Wasserstoff die Allzweckwaffe S. 37: Eigene Zusammenstellung für die Energiewende?, 10.6.2020, https://bit.ly/36FJgbb; BMWi: Wasserstoff: Schlüsselelement für die Energiewende, 38 – 39 INVESTITIONEN 2020, https://bit.ly/3db21ob REPUBLIK AUF VERSCHLEISS von Eva Gerhards Die Internetquellen wurden zuletzt im Oktober 2020 S. 38: M. Gornig / DIW aktuell 19: Investitionslücke in aufgerufen. Der Infrastrukturatlas ist im PDF-Format Deutschland: Und es gibt sie doch! Vor allem Kommunen herunterzuladen unter: www.boell.de/infrastrukturatlas. sind arm dran, 14.5.2019, S. 2, https://bit.ly/3izaPFC Im PDF sind alle Links anklickbar.

INFRASTRUKTURATLAS 2020 49 Professor Josef Settele, Insektenforscher und Mitverfasser des Welt-Biodiversitätsberichts HEINRICH-BÖLL-STIFTUNG «Ich kann nur sagen: Jede Art, die verschwindet, ist ein thema L e t z t e C h a n c e : J o s e f S e t t e l e ü b e r kleiner Tipping Point oder Kipppunkt. Viele Millionen den Schwund der Arten

Klare Ursachen: Jahre von Investition, wenn man es ökonomisch denkt, Warum Corona viele Millionen Jahre von Evolution: Sie sind dann menschgemacht ist Neue Wege: Wie Brandenburg einfach unwiderrufl ich verlorengegangen.» 20–4 seine Tiere rettet

Böll.Th ema 20-4

Die Natur braucht Schutz – Schwerpunkt: Biodiversität ung Das Magazin Heinrich-Böll-Stift der

Die Heinrich-Böll-Stiftung ist eine den traditionellen politischen Agentur für grüne Ideen und Richtungen des Sozialismus, des Projekte, eine reformpolitische Liberalismus und des Konser- Zukunftswerkstatt und ein vatismus herausgebildet hat. internationales Netzwerk mit Organisatorisch ist die Heinrich- weit über 100 Partnerpro- Böll-Stiftung unabhängig und jekten in rund 60 Ländern. Demo- steht für geistige Offenheit. kratie und Menschenrechte Mit derzeit 33 Auslandsbüros ist durchsetzen, gegen die Zerstörung sie weltweit gut vernetzt. Sie unseres globalen Ökosystems kooperiert mit 16 Landesstiftungen angehen, patriarchale Herrschafts- in allen Bundesländern und Die Heinrich-Böll-Stiftung mit Sitz in Berlin-Mitte strukturen überwinden, in Krisen- fördert begabte, gesellschafts- zonen präventiv den Frieden politisch engagierte Studierende sichern, die Freiheit des Individu- und Graduierte im In- und ums gegen staatliche und Ausland. Heinrich Bölls Ermun- wirtschaft liche Übermacht vertei- terung zur zivilgesellschaft- ist eine politische Stiftung und steht der Partei digen – das sind die Ziele, die lichen Einmischung in die Politik Denken und Handeln der Heinrich- folgt sie gern und möchte Böll-Stiftung bestimmen. Sie ist andere anstiften mitzutun. damit Teil der « grünen » politi- schen Grundströmung, die sich weit Bündnis 90/Die Grünen nahe. Die Stiftung versteht über die Bundesrepublik hinaus Die Natur braucht Schutz in Auseinandersetzung mit www.boell.de Schwerpunkt: Biodiversität sich als Agentur für grüne Ideen und Projekte, als ­reformpolitische Zukunftswerkstatt und internatio­ nales Netzwerk mit Partnerprojekten in rund ­ 60 Ländern. Sie kooperiert mit ihren Landesstiftungen in allen ­Bundesländern.

Heinrich Bölls Ermutigung zur zivilgesellschaftlichen Einmischung in die Politik ist Vorbild für die Arbeit So kommen wir der Stiftung. Ihre vorrangige Aufgabe ist die politische BAND 48 Der Preis auf CO besser voran Über ein wichtiges Instrument ambitionierter Bildung im In- und Ausland zur Förderung der demo- Klimapolitik 15 Fakten zu nachhaltiger Mobilität

kratischen Willensbildung, des gesellschaftspolitischen Eine Studie von Felix Chr. Matthes Engagements und der Völkerverständigung. Dabei orientiert sie sich an den politischen Grundwerten Ökologie, Demokratie, Solidarität und Gewaltfreiheit.

Ein besonderes Anliegen ist ihr die Verwirklichung einer demokratischen Einwanderungsgesellschaft sowie einer Geschlechterdemokratie als eines von Abhängigkeit und Dominanz freien Verhältnisses der ­Geschlechter. Darüber hinaus fördert die Stiftung­ Kunst und Kultur als Element ihrer politischen ­Bildungsarbeit und als Ausdrucksform gesellschaft-

Welche Tiere essen wir am liebsten? Woher kommt eigentlich unser Fleisch? licher Selbstverständigung. Wie sprechen Kühe miteinander? Und was macht das Rind im Regenwald? 63 Fragen und Antworten für alle, die wissen wollen, was Fleisch mit uns zu tun hat. UPDATE 2020 Die Themen Mobilität, Verkehrswende und öffentliche

Räume sind Arbeitsschwerpunkte der Heinrich-Böll- 2020 UPDATE Stiftung. Dazu gibt es Veranstaltungen, Podcasts und INFRASTRUKTURPublikationen wie diesen Infrastrukturatlas.ATLAS Daten und Fakten über öffentliche Räume und Netze 2020 TIERE, FLEISCH & ICH FLEISCH ICH & TIERE, TIERE, FLEISCH Heinrich-Böll-Stiftung ISBN 978-3-86928-150-6 www.boell.de/isswas Schumannstr. 8, 10117 Berlin, www.boell.de & ICH 191214_isswas_umschlagRZ.indd 1 14.12.19 14:09

DER PODCAST ZUM INFRASTRUKTURATLAS

Was sind Infrastrukturen, und warum sind sie so wichtig für Wohlstand und ein selbst­bestimmtes Leben? Wie können wir mit Infrastrukturen mehr Chancen auf gerechte Teilhabe schaffen? Wieso sind Infrastrukturen ein Schlüssel für die ökologische Transformation?

Um diese und andere Fragen wird es in unserem vierteiligen Böll.Spezial zum Infrastrukturatlas gehen. Diesen und weitere Podcasts der Heinrich-Böll-Stiftung können Sie auf unserer Webseite, bei Soundcloud, Spotify, iTunes oder in der Podcast-App Ihrer Wahl abonnieren.

Scannen Sie den QR-Code, um den Podcast zum Infrastrukturatlas zu hören, oder geben Sie Folgendes ein: boell.de/infrastrukturatlas-podcast

50 INFRASTRUKTURATLAS 2020 BISHER ERSCHIENEN

INSEKTENATLAS INSEKTENATLAS MOBILITÄTSATLAS INSECT ATLAS Daten und Fakten für die Verkehrswende 2019 Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge 2020 Daten und Fakten über Nütz- und Schädlinge 2020 Facts and figures about friends and foes in farming 2020 in der Landwirtschaft in der Landwirtschaft

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

ATLAS DE LA PAC ATLANTE DELLA PAC ATLAS DE LA PAC AGRICULTURE ATLAS Facts and figures on EU farming policy 2019 AGRAR-ATLAS AGRAR-ATLAS Chiffres et enjeux de la Politique Agricole Commune 2019 Dati e fatti della Politica Agricola Comune UE 2019 Hechos y cifras sobre la Política Agrícola Común 2019 ATLAS ROLNY Daten und Fakten zur EU-Landwirtschaft 2019 Daten und Fakten zur EU-Landwirtschaft 2019 Dokąd zmierza europejska wspólna polityka rolna 2019

VERSO REFORMEN REFORMEN PANORAMA REFORMS ROLNICTWO L’AGRICULTURE FÜR STÄLLE, FÜR STÄLLE, UNA RIFORMA DE LA FOR A DLA ZRÓWNO- EUROPÉENNE EN AGRICOLA AGRICULTURA SUSTAINABLE WAŻONEJ ÄCKER UND ÄCKER UND PERSPECTIVE NATUR NATUR ECOLOGICA EUROPEA FUTURE PRZYSZŁOŚCI

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

DE FLEISCHATLAS ATLAS LA CARNE ATLAS DA CARNE Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2013 MEAT ATLAS La réalité et les chiffres sur les animaux Hechos y cifras sobre los animales que comemos Fatos e números sobre os animais que comemos ATLAS MASA Facts and fi gures about the animals we eat que nous consommons Příběhy a fakta o zvířatech, která jíme ETYediğimiz hayvanlar ATLASI hakkında gerçekler ve rakamlar

FLEISCHATLAS FLEISCHATLAS FLEISCHATLAS MEERESATLAS OCEAN ATLAS Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2014 Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2016 Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel 2018 Daten und Fakten über unseren Umgang mit dem Ozean 2017 Facts and Figures on the Threats to Our Marine Ecosystems 2017

NEUE THEMEN DEUTSCHLAND REGIONAL REZEPTE FÜR EINE BESSERE TIERHALTUNG

EXTRA: ABFALL UND VERSCHWENDUNG

L’ATLAS DU SOL ° EUROPA-ATLAS BODENATLAS BODENATLAS Faits et chiffres sur la terre, les sols et les champs 2016 Daten und Fakten über Acker, Land und Erde 2015 Daten und Fakten über Acker, Land und Erde 2015 ATLAS PUDY Daten und Fakten über den Kontinent SOIL ATLAS Fakta a čísla o zemi, půdě a životě 2018 Facts and fi gures about earth, land and fi elds 2015

ÖSTERREICHISCHE AUSGABE

ATLAS DE L’ÉNERGIE AGRIFOOD ATLAS ENERGIEATLAS ENERGY ATLAS Faits et chiffres sur les énergies renouvelables en Europe 2018 ATLAS ENERGII KONZERNATLAS ATLAS DO Facts and figures about the corporations that control what we eat 2017 Daten und Fakten über die Erneuerbaren in Europa 2018 Facts and figures about renewables in Europe 2018 Fakty i dane o energetyce odnawialnej w Europie 2018 Daten und Fakten über die Agrar- und Lebensmittelindustrie 2017 AGRONEGÓCIO Fatos e números sobre as corporações que controlam o que comemos 2018

KOHLEATLAS ATLAS WEGLA KOHLEATLAS Daten und Fakten über einen globalen Brennstoff 2015 COAL ATLAS COAL ATLAS ATLAS UHLÍ Dane i fakty o globalnym paliwie 2015 Činjenice i podaci o fosilnom gorivu 2016 Facts and figures on a fossil fuel 2015 Facts and figures on a fossil fuel 2015 Příběhy a fakta o palivu, které změnilo svět i klima 2015 SACHSEN NIGERIA Daten und Fakten über einen verhängnisvollen Rohstoff 2017

KAKO ŽRTVUJEMO KLIMU

WIE WIR HOW WE ARE HOW WE ARE JAK SI JAK KLIMA DAS KLIMA COOKING COOKING OHŘÍVÁME PRZEGRZEWAMY WIRTSCHAFT VERHEIZEN THE CLIMATE THE CLIMATE PLANETU KLIMAT ARBEIT Hamburg

Hannover Berlin DEUTSCHLAND

25,9 17,6 Aachen Köln Leipzig

Saar- brücken 26,9

29,6 Karlsruhe Straßburg

Mulhouse

Qualitativ hochwertige Kitas sind gut für die Berufschancen der Mütter, die frühkindliche Entwicklung und den Arbeitsmarkt. STRUKTUREN FÜR DIE JÜNGSTEN, Seite 24

Schwimmbäder sind ein Treffpunkt über Einkommens- und Milieugrenzen hinweg, wie man ihn nur selten findet. WENN INFRASTRUKTUREN BADEN GEHEN, Seite 28

Das ökologische Potenzial der Bahn wird in Deutschland noch nicht ausgeschöpft. BELIEBT UND ÜBERLASTET, Seite 22

Die digitale Infrastruktur, die heute fehlt, gefährdet die Chancen von derzeit abgehängten Regionen über Jahrzehnte hinaus. GUT VERBUNDEN IN DIE ZUKUNFT, Seite 36

Infrastrukturentscheidungen wirken über Jahrzehnte – sie gehören zu den langfristigsten politischen Entscheidungen überhaupt. GUTE INFRASTRUKTUREN FÜR HEUTE UND MORGEN, Seite 12