UNTERWEGS IM SAALE--TRIASLAND – NATURKUNDLICH-GESCHICHTLICHE EXKURSIONEN

Arnold Müller, Bernd Bahn, Erwin Bergmeier, Mathias Deutsch, Klaus Epperlein, Tobias Reeh, Reinhard Schmitt und Siegfried Siegesmund

2 Herausragende Bauwerke im Kulturlandschaftskorridor Saale-Unstrut: 1. ehemalige Klosterkirche Zscheiplitz, 2. Altstadt Freyburg mit Marienkirche, 3. Schloss Neuenburg, 4. Klosterkirche und Schlossanlage , 5. Burganlage Schönburg, 6. Naumburger Dom, 7. Altstadt , 8. ehemaliges Zisterzienserkloster Pforte, 9. Romanisches Haus Bad Kösen, 10. Burg Saaleck, 11. Rudelsburg, 12. Eckhartsburg, 13. Kloster und Kaiserpfalz Memleben

1 Bei Saaleck bildet der Untere Muschelkalk diese beeindruckende, senkrecht zur Saale abstürzende Felswand

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auf dem Hügel (höchster Punkt ist der Galgen- berg, 206,5 m ü. NN, perfekte Rundumsicht) Wer- raanhydrit neben Rotliegend-Konglomeraten an- treffen. Frühgeschichtliche Funde auf dem Bottendor- fer Hügel gehen bis in das Neolithikum zurück. Ein Kilometer nordwestlich von Bottendorf be- finden sich zwölf Grabhügel der neolithischen Schnurkeramik-Kultur. In der jüngeren Geschich- te spielte der Kupferschiefer eine wichtige Rolle. In seinem Ausstrichbereich ist früher Bergbau be- trieben worden. Davon zeugen kleine Halden und Reste von Schächten. In Bottendorf wurde der 3 Exkursionskarte Route 1 Kupferschiefer verhüttet. Ferner richtete der Säch- Exkursionsziele 1 Bottendorfer Hügel ➡ 2 Museum in Bottendorf sische Bergrat Johann Friedrich Mende als leiten- ➡ ­3 Wendelstein ➡ 4 Kiesgrube am Wendelstein ➡ 5 Klosterruine der Ingenieur für die Schiffbarmachung der Un­ Memleben ➡ 6 Steinklöbe strut von der Mündung bei Großjena bis oberhalb von Artern (1791–1795) in der alten Bottendorfer Exkursion 1: Zechstein-Hochlagen bei Kupferhütte sein „Navigationszentrum“ ein.1 Hier Roßleben wurden auch die Metallteile für die neuen Wasser- bauanlagen gefertigt. Bottendorf war zugleich der Da bei der Exkursion (Abb. 3) größere Strecken erste Werftstandort an der Unstrut. Vier dort ge- auf Straßen bewältigt werden müssen, ist sie als baute Schiffe übernahmen den Großteil der Las- Kfz-Exkursion angelegt. Alternativ kann ein Fahr- tentransporte im Zuge der Baumaßnahmen.2, 3, 4 rad benutzt werden. Die Exkursion beginnt am Nach 1795 wurde der Schiffbau in Bottendorf je- Bottendorfer Hügel. doch nicht mehr fortgesetzt. Er verlagerte sich Der Bottendorfer Hügel ist einmalig im Unstruttal nach , wo bis in das 20. Jahrhundert hin- und ein besonderer Anziehungspunkt aufgrund ein Schiffe hergestellt wurden.5, 6 Gegen Ende des seiner geologischen Struktur sowie seiner sub- 18. Jahrhunderts kam der Kupferschieferbergbau kontinentalen Magerrasen auf verschiedenen Un- zum Erliegen. Ein kleines Museum in Bottendorf tergründen. Für einen Rundgang parkt man sein ist dem früheren Kupferbergbau gewidmet. Fahrzeug am besten am Sportplatz und geht die Nun kann man von Bottendorf die Schachtstraße­ alte Schachtstraße zum Hügel hinauf. zum Hügel hinaufwandern. Am Fuß des Hügels Trotz seiner geringen Fläche ist der Bottendorfer durchquert man zunächst den basalen Zechstein Hügel ein tektonisch komplexes Gebilde (Abb. 4). mit temporären Anrissen im Kupferschiefer. Der Mehrere herzynisch streichende Störungen sowie größte Teil des Weges führt jedoch über Konglome- Querstörungen erzeugen ein engräumiges Schol- rate, zunächst Zechsteinkonglomerat, dann Kon­ lenmosaik, wodurch verschieden alte Schichten glomerate der -Formation. Sie kommen auf engstem Raum nebeneinander oberflächlich überall am und auf dem Weg unter einer schüt- ausstreichen. Die wichtigste Struktur ist eine Art teren Pflanzendecke zum Vorschein. Weiter nach Scheitelgraben, in dem Gesteine aus dem tiefen oben passiert man ein Gebüsch, danach eine Kie- Zechstein (Werra- bis basale Staßfurt-Folge) über ferngruppe und erreicht nach wenigen Schritten und neben den Konglomeraten der Eisleben-For- die Höhe bei einem guten Aufschluss in den Kong- mation erhalten geblieben sind. Man kann also lomeraten der Eisleben-Formation. Sie nimmt na-

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4 Geologischer Schnitt durch den Bottendorfer Hügel hezu den gesamten Südhang und den nordwestli- nur von wenigen Spezialisten unter den Pflanzen chen Rücken des Bottendorfer Hügels ein, partiell besiedelt und fallen durch lückigen Bewuchs auf mit einem dünnen Schleier Zechsteinkonglomerat (Abb. 6). Stellenweise findet man dort noch grü- an der Oberfläche. Beim ersten Aufschluss beginnt ne Pseudomalachite (Abb. 7), eindeutige Spuren zugleich der Scheitelgraben. Nach Südosten geht verwitterter Kupfererze. Herzynische Miere (Mi- man nun im Wesentlichen über Werraanhydrit, nuartia caespitosa, Abb. 8 [1]) und Galmei-Gras- übersteigt den Galgenberg (Abb. 5) und wandert nelke (Armeria maritima elongata, Abb. 8 [2]) weiter auf dem Kamm, wo steil stehender, dünn- siedeln hier oft als einzige Arten. Die stärker be- plattiger Stinkschiefer (Staßfurtkarbonat) in der lasteten Bereiche gehen lateral in Xerothermrasen lückigen Rasendecke zu beobachten ist. Unter- über, die aber in Abhängigkeit vom Untergrund halb des Steilhanges (in nordöstlicher Richtung) (Karbonatgehalte/pH-Wert) stärker differenziert erstreckt sich wieder ein Gebiet mit Eisleben-For- sind. Auf den karbonatfreien Konglomeraten ist mation und Zechstein-Konglomerat, umgeben die Grasnelke mit Karthäusernelken (Dianthus von Kupferschiefer und Werraanhydrit. Noch wei- carthusianorum) vergesellschaftet. Im April blü- ter nach Norden folgen Unterer und am Ziegel- hen auf diesem Untergrund größere Gruppen des rodaer Forst Mittlerer Buntsandstein. Überall im Kleinen oder Salep-Knabenkrauts (Orchis morio, zentralen und östlichen Bereich des Hügels trifft Abb. 8 [3]). Auf karbonatischem Untergrund bil- man entlang des Scheitelgrabens auf Reste des al- det das Frühlings-Adonisröschen (Adonis vernalis) ten Kupferschieferbergbaus: kleine Halden, Pin- den auffälligsten Teil des Frühlingsaspektes. Später gen und auch Nachbrüche über alten Schächten. gesellen sich zahlreiche weitere Arten hinzu, bis im Der natürliche Ausstrichbereich des Kupferschie- Spätsommer bis Frühherbst die Enziane einen ge- fers und der Kupferbergbau haben auf der Botten- wissen Abschluss bilden, vor allem Deutscher En- dorfer Höhe zu schwermetallbelasteten Böden ge- zian (Gentianella germanica). Die Rasen beherber- führt. Hochgradig belastete Bereiche werden heute gen auch eine artenreiche Pilzflora mit Saftlingen,

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4 Geologischer Schnitt durch den Bottendorfer Hügel

5 Vom Bottendorfer Hügel kann man bei klarem Wetter eine hervorragende Aussicht genießen – hier im Bild Richtung Kyffhäuser

6 Nackte Flächen im Bereich alter Kupferschieferpingen zeugen 7 Vererztes Zechsteinkonglomerat aus dem Geröll einer alten von der hohen Schwermetallbelastung des Bodens Pinge mit grünen Pseudomalachiten. Sie entstanden als Sekundär- minerale aus der Oxidation sulfidischer Kupfererze.

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1

2 3

8 Herzynische Miere (Minuartia caespitosa, 1), Galmei-Grasnelke (Armeria maritima elongata, 2) und Salep-Knabenkraut (Orchis morio, 3)

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Rötlingen, diversen Bovisten, Schirmlingen und lich schon stark von Spalten durchzogen (Subro- Egerlingen. Im Herbst fruktifizieren noch größere sion) und die Burg erscheint in fragiler Position Bestände des andernorts stark rückgängigen Wie- auf dem Felsen. Trotzdem war dieser Punkt strate- senellerlings (Camarophyllus pratensis). Der Bot- gisch günstig für eine Feste. Man konnte von hier tendorfer Hügel ist auch ein Schmetterlingshügel. aus sowohl die Unstrut als auch die nahe Handels- Selbst der seltene Schwalbenschwanz kommt hier straße (Memleben–Roßleben) kontrollieren. Die vor, dessen Raupen (Abb. 9) im Spätsommer auf Anlage wurde 1312 erstmals als Besitz der Grafen wilder Möhre zu finden sind. von Rabenswalde erwähnt, fiel im 14. Jahrhundert Nach der Rundwanderung auf dem Hügel geht es zunächst an die Grafen von Orlamünde und we- wieder zurück nach Bottendorf und von dort über nig später an die Grafen von Witzleben, welche Roßleben zum Wendelstein, wo man sein Fahrzeug die Burg zu einem der bedeutendsten Renaissan- am besten unter dem Hügel an der Schleuse ab- ceschlösser der Region ausbauten. 1623 wurde der stellt. Schleuse und Wehr sind in den 1990er-Jah- Wendelstein dem Sächsischen Kurfürsten Johann ren aufwendig saniert worden. Da die Anlage für Georg I. übergeben, der eine Modernisierung der den Betrieb des Unstrut-Flutkanals (Hochwasser- Festungswerke anwies. Im Dreißigjährigen Krieg schutz) stets von Bedeutung war, wurde sie auch plünderten Pappenheimer Soldaten den Wendel- nach dem Verlust der Klassifizierung der Un­ stein (Oktober 1632). Später (Dezember 1640) strut als Wasserstraße 1967 in Betrieb gehalten. nahmen die Schweden die Feste ein und verur- 1982 hat man das Ensemble sogar erweitert.7, 8 Im sachten teilweise bedeutende Schäden an den Bau- 20. Jahrhundert wurden ferner Schöpfwerke in der werken. 1750 erfolgte auf dem Wendelstein die Unstrutaue errichtet. Die erste Anlage nahm 1926 Einrichtung eines Gestüts. Es erlosch, weil Sol- unweit des Wendelsteins den Betrieb auf.9 Fort- daten des Lützowschen Freikorps unter Theodor an konnte das sogenannte Qualmwasser effek- Körner 1813 alle Pferde requirierten. In der Fol- tiv und binnen kurzer Zeit von den Wiesen- bzw. gezeit blieb der Wendelstein Domäne; ab 1815 un- Ackerflächen abgeführt werden.10 Vom Parkplatz ter preußischer Herrschaft. In der DDR wurde die an der Schleuse hat man den Steilhang im Wer- Domäne Wendelstein durch das Volkseigene Gut raanhydrit im Blick. Das Gestein ist oberfläch- Memleben betrieben.11, 12 Seit 1991 erfolgte schritt-

9 Raupe des Schwalbenschwanzes (Papilio machaon)

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10 Wendelstein, Gelände der Unterburg mit Aufschluss im Werraanhydrit weise die Sicherung einzelner Burgbereiche durch ra-Zyklus) an. Der Anhydrit ist nur an wenigen die zuständigen Denkmalpflegebehörden im Bun- Stellen vergipst, sodass man die millimeterfeine desland Sachsen-Anhalt. Bänderung gut beobachten kann. Vom Aussichts- Nach Besichtigung der Steilwand (sie reicht par- punkt hinter dem Aufschluss hat man einen sehr tiell bis zur Basis der Staßfurt-Formation) kommt schönen Ausblick in das Unstruttal und auf die man über einen Seitenpfad nach oben. Unter den Hügel der gegenüberliegenden Talseite (Abb. 11). erhaltenen Gebäuden sind insbesondere die Res- In Blickrichtung Süden bis Westen erstrecken sich te des namengebenden „Steins“, des Unterschlos- die Buntsandsteinhöhen von Finne und Hoher ses mit einem großen Küchenschlot und der Früh- Schrecke. Davor breitet sich die Wanne der Un- renaissancekapelle (um 1540) sowie des großen strutaue aus. Nördlich der Unstrut schließen sich oberen Schlosshofes bemerkenswert. Dort domi- Bottendorfer Höhe und die Steilstufe (Mittlerer nieren ebenfalls die Bauten der Renaissance (um über Unterem Buntsandstein) zum Ziegelrodaer 1540 und Ende 16. Jahrhundert) und des Barock Forst an. In der Ferne ist bei klarem Wetter der (Pächterwohnhaus). Von den spätgotischen Befes- Kyffhäuser mit seinem steilen Nordabfall sichtbar. tigungen haben sich die großen Toranlagen (Ne- Der Wendelstein und Teile der Unstrutaue davor braer und Querfurter Tor), der Nonnenturm mit gehören zum Naturschutzgebiet „Wendelstein“. seiner beeindruckenden ruinösen Gestalt und In der Aue erkennt man den schnurgeraden, weitere Kasematten erhalten. 19,4 Kilometer langen Flutkanal (Bretleben–Mem- Die besten geologischen Aufschlüsse auf dem leben). Er wurde zwischen 1857 und 1865 nach Wendelstein findet man im Bereich des alten Un- Plänen des preußischen Bauingenieurs Hermann terschlosses neben den Resten der alten Kapelle Wurffbain angelegt und erfüllt noch heute für den (Abb. 10). Dort steht Anhydrit (Zechstein, Wer- Hochwasserschutz im Unstruttal eine wichtige

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11 Unstrutaue zwischen dem Wendelstein und Wiehe mit dem Buntsandsteinrücken der Finne im Hintergrund

Funktion. Erst durch umfangreiche Meliorations- zänen Unstrutschottern. Sie ist derzeit in Betrieb maßnahmen und damit verbundene Flussregulie- und kann ohne Genehmigung der Betreiber nicht rungen wurde eine intensivere landwirtschaftliche betreten werden. Es lohnt sich aber ein Blick vom Nutzung der versumpften Aue möglich (bereits Rand der Grube auf die mächtigen Sande und Kie- im 19. Jahrhundert vor allem Zuckerrübenan- se. Je nach Transportkraft (Fließgeschwindigkeit) bau, Zuckerfabriken z. B. in Bottendorf, Roßle- lagerte die Unstrut hier Sande bis grobe Kiese ab. ben und Artern). Für den Gütertransport griffen Im Hintergrund ist die Halde des Kalischachtes die Zuckerfabrikanten bis zur Eröffnung der Un- Roßleben zu sehen. Salzhaltiges Wasser aus der strutbahn (Oktober 1889) auf Lastkähne zurück. Halde zieht in einem kleinen Graben ab und führ- Die Abwässer aus der Zuckerproduktion führten te zur Ansiedlung von Salzpflanzen (Halophyten). regelmäßig zu großen Fischsterben in der Un­strut. Über das Seitental kehrt man wieder zurück zum Während der Zuckerrübenkampagnen wurde der Fahrzeug und fährt weiter Richtung Memleben. Flutkanal aufgrund geringerer organischer Belas- Die Unstrutaue ist hier noch breit, doch links tung und höheren Sauerstoffgehalts dann zu ei- (südöstlich) rücken die Buntsandsteinhänge im- nem Refugium für Fische.13, 14, 15, 16 mer dichter zusammen. Dort beginnt das enge Direkt hinter den Gebäuden der Wendelstein-An- Durchbruchstal im Mittleren Buntsandstein („Ne- lage befindet sich eine Kiesgrube in mittelpleisto- braer Pforte“).

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12 Kloster Memleben mit Ruine der jüngeren Klosterkirche

In Memleben ist die Klosterruine (Abb. 12) das che mit Klausur. Nach Zerstörungen im Frühjahr nächste Ziel, erbaut aus Buntsandstein der Umge- 1525 im Zuge des Bauernkrieges wurde das Klos- bung. Der Platz war schon im Neolithikum besie- ter 1545 schließlich aufgehoben. Die jüngere Kir- delt (Funde frühneolithischer Bandkeramik). Be- che mit spätromanischer und frühgotischer Bau- sondere Bedeutung erhält dieser Ort dadurch, dass zier sowie einer wunderschönen Krypta hat im hier am 2. Juli 936 König Heinrich I. verstarb. Von Laufe des 18. Jahrhundert ihre Dächer verloren seiner Lieblingspfalz Memleben aus wurde der und wurde seither als „schöne, romantische Ru- Leichnam nach Quedlinburg/Harz überführt und ine“ gepflegt. Im 19. Jahrhundert regt sich Wi- dort in der St. Servatiuskirche beigesetzt. Auch derstand gegen den Verfall der Klosterruine. Für Heinrichs Sohn, Kaiser Otto I., hielt sich mehr- den Erhalt setzt sich u. a. Karl Friedrich Schin- fach in Memleben auf. Wie sein Vater, starb auch kel ein. Nach zwischenzeitlicher Nutzung durch er in dieser Pfalz – am 7. Mai 973. Unter Otto II. das Volkseigene Gut (VEG) Memleben wurden in und III. wurde der Standort aufgewertet. Einem den aus dem frühen 13. und dem frühen 16. Jahr- nach 979 gegründeten Benediktinerkloster mit ei- hundert stammenden und häufig umgebauten ner riesigen Kirche und Querhäusern samt Ap- Klausurgebäuden seit 2001 verschiedene musea- siden im Osten und Westen folgte ab etwa 1200 le Bereiche eröffnet.17 Von der ottonischen Anlage der Neubau einer kleineren, spätromanischen Kir- haben sich wenige, aber beeindruckende Bauteile

365 — Arnold Müller, Bernd Bahn, Erwin Bergmeier, Mathias Deutsch, Klaus Epperlein, Tobias Reeh, Reinhard Schmitt und Siegfried Siegesmund erhalten. Der Grundriss ist 2001 durch eine Pflas- Jungsteinzeit um 2500 v. Chr. benutzten Weges aus terung nachgebildet worden. der Unstrutaue auf die Finneausläufer, um den da- Am Eichberg (ehemaliger Forst des Klosters Pfor- mals unpassierbaren Unstrutdurchbruch an der te, markierter Wanderweg) trifft man im Wald Steinklöbe zu umgehen. auf viele Hohlwege, zwischen denen einer von Der größte Teil des Baumaterials für das Kloster zwei Grabhügeln ausgegraben und rekonstruiert ist zwischen Memleben und Wangen gewonnen wurde. Er gehört zur Touristenroute „Himmels- worden. Davon zeugen die imposanten, rötlichen wege“. Errichtet am Ende der Jüngeren Steinzeit, Felswände der Steinklöbe. Die Bodenverhältnis- enthielt der Hügel Nachbestattungen der Urnen- se (karbonatische Sandsteine der Rogensteinzo- felderbronzezeit (um 1000 v. Chr.) mit Bronzebei- ne) und die Sonnenexposition führten zur An- gaben, so eine Sichel, eine 14 Zentimeter lange siedlung einer speziellen Flora (Naturschutzgebiet Gewandnadel im Grab eines Mannes, eine wei- „Steinklöbe“). Sie ist von der Straße nach Wangen tere Schmucknadel und zwei spiralförmige Ohr- gut zu überblicken, an der bald auch ein sehens- ringe in einem Frauengrab. Die Hügel markie- werter Aufschluss im Buntsandstein folgt (Geotop ren offensichtlich den Aufstieg eines seit Ende der kurz vor Ortseingang Großwangen). Man parkt am Friedhof, geht erst zurück zum Geotop und kann danach auf den Bergsporn über den Bunt­ sandsteinbrüchen steigen. Ein Hohlweg führt hin- auf zur Anhöhe mit alten Schanzanlagen: Ein ge- staffeltes System mächtiger Erdwälle und Gräben riegelt den Ort gegen die Hochfläche im Westen ab. Weitere Hohlwege führen von der Spornspit- ze herab nach Wangen. Nach dem großen Haupt- wall mit etwa 5 Metern Höhe und breitem Gra- ben davor fächert der Weg im ansteigenden Hang in mehrere Hohlwege auf, die bei Erreichen der Hochfläche auslaufen. In diesem Bereich trifft man auch noch auf Spuren des alten Kaliberg- baus (Grube Georg), denn über das Gelände ver- lief eine Seilbahn Richtung Roßleben. Nach der Rückkehr von den Wallanlagen überquert man die Unstrut in Großwangen und fährt zum Parkplatz des Museums „Arche Nebra“ (Abb. 13), einer weiteren Station der „Himmelswege“ mit ei- ner ausführlichen Darstellung zur Fundgeschichte und Bedeutung der „Himmelsscheibe von Nebra“ aus der Frühen Bronzezeit (um 1600 v. Chr.). Am Hang wurden Funde von einem Rastplatz früher altsteinzeitlicher Jäger (Altpaläolithikum) gebor- gen. Sie entstammen einer Zeit zwischen Alt- und Mittelpleistozän (Übergang zum mittleren Eiszeit- alter, um 450000 vor heute), als die Unstrut im 13 Museum „Arche Nebra“ über dem Eingang zur Steinklöbe bei Durchbruch noch wenigstens 5 bis 15 Meter hö- Kleinwangen her floss. Die Feuersteingeräte von Kleinwangen

366 Unterwegs im Saale-Unstrut-Triasland – Naturkundlich-geschichtliche Exkursionen — sind neben solchen von Wallendorf bei Merseburg henden Sanders einer saalekaltzeitlichen Eisrand- die ältesten Nachweise von Urmenschen in Mittel- lage aus. Im westlichen Vorfeld der Grube wurden deutschland. Vom Museum kommt man oberhalb in den vergangenen Jahren umfangreiche archäo- der Steinklöbe zu einer lang gestreckten Wallanla- logische Grabungen unternommen. Sie ergaben ge, genannt Schanze, nördlich begrenzt vom Burg- zahlreiche Reste urgeschichtlicher Besiedlung. tal. Wo der Weg den Wall schneidet, ergaben ar- Bedeutend sind mehrere große Langhäuser einer chäologische Grabungen eine Steintrockenmauer Siedlung der frühen Linienbandkeramik mit den als äußere Wallfront, Brandreste und Keramik des ältesten Funden dieser jungsteinzeitlichen Bau- 10. Jahrhunderts, also der Anfangszeit des Klos- ernkultur in Mitteldeutschland, dazu einige Grä- ters Memleben. In diese Wallanlage ist später eine ber mit Beigaben. Auch der ursprüngliche Bach- hochmittelalterliche Turmhügelburg, eine soge- lauf aus der Steigraer Schlucht herunter wurde nannte Motte, hineingebaut worden (Mörtelmau- angetroffen, muss aber schon zur Frühen Bronze- erreste auf der Hügelspitze). zeit verfüllt gewesen sein. Nördlich, jenseits des Burgtals, erhebt sich der Nach Besichtigung der Grube folgt man ein klei- Mittelberg (250,5 m ü. NN), Fundort der Him- nes Stück Straße Richtung mit Blick auf melsscheibe zusammen mit zwei Schwertern, die Weinberge am Hang (Abb. 16). Um Karsdorf zwei Randleistenbeilen, einem Meißel und eini- bestehen die Hänge zum großen Teil aus Gestei- gen Ringen als Reste von Armspiralen. Nach den nen des Röts (Abb. 17) und der Untere Muschel- goldblechverzierten Schwertern mit Tauschie- kalk bildet nur eine geringmächtige Auflage auf rung der Klingen zu urteilen, stammt der gesam- der Hochfläche. Nach dem Passieren der Tun- te Fund vom Ende des 17. bis Anfang des 16. Jahr- nelbaustelle (ICE-Strecke) verlässt man die Stra- hundert v. Chr. Den Berggipfel umzieht ein flacher Wall mit davorliegendem Graben, wahrscheinlich aus der frühen Eisenzeit (um 750 v. Chr.). Man ge- langt dorthin dem Forstweg Langes Gestell folgend und biegt mit der Markierung zweimal rechts ab. Nach kurzem Anstieg erreicht man Wall, Fundstel- le und den modernen Aussichtsturm auf dem Gip- fel. Vom Mittelberg wandert man wieder zurück nach Kleinwangen, wo die Exkursion endet.

Exkursion 2: Karsdorfer Hänge

Die Rundwanderung (Abb. 14) beginnt am Bahn- hof Karsdorf. Man folgt der Straße nach Nordwes- ten und erreicht nach kurzer Zeit die Sandgrube (Abb. 15). Die Grube erschließt mehrere Meter Unstrutschotter mit lokalem Triasmaterial. In den 14 Exkursionskarte Route 2 Exkursionsziele 1 Kiesgrube ➡ 2 Röt-Muschelkalk-Grenze bei holsteinwarmzeitlichen Sanden/Kiesen kommt Steigra ➡ 3 Straße unterhalb von Steigra ➡ 4 mu-Aufschluss am die Muschel Corbicula vor, zuweilen auch Kno- Weg zur Hohen Gräte ➡ 5 Hohe Gräte ➡ 6 Straßeneinschnitt chen quartärer Großsäuger. Darüber breiten sich Karsdorf ➡ 7 Tongrube Zementwerk Karsdorf ➡ 8 Hänge unter Schmelzwassersande eines von Steigra herabzie- dem Lohholz ➡ 9 Galgenberg an der Bahnstrecke Unstrutbahn

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15 Blick über die Sandgrube bei Karsdorf auf den Steigraer Hang mit dem Dorf Steigra links oben

16 Die Hänge zwischen Steigra und Karsdorf beherbergen Weinberge sowie artenreiche xerotherme Rasenflächen und Gebüsche

ße bald nach links und folgt dem malerischen läuft aufwärts entlang eines Grabens nach oben. Steigraer Nebental ein Stück hangaufwärts bis Man quert die Röt-Muschelkalk-Grenze und er- zum Abzweig direkt zum Ort. Der andere Weg reicht bald schöne Anschnitte im basalen Wellen- mündet in ein schluchtenartiges, bewaldetes Tal kalk mit Fossilbänkchen und hervorragend ent- mit interessanter Flora und Pilzen (Cortinarien, wickelter Querplattung. Nach wenigen Metern ist Abb. 22 [4]). Der direkte Weg nach Steigra ver- man in Steigra.

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17 Geologischer Aufbau der Karsdorfer Hänge

Hier empfiehlt sich der Besuch des Rasenlaby­rinths (Trojaburg, Abb. 18). Von der Trojaburg geht es auf der alten Straße ein Stück zurück nach Karsdorf bis zu einem Aufschluss im basalen Wellenkalk nur wenige Hundert Meter unterhalb der Kreuzung. An den oberen Kurven der Straße steht basaler Wellenkalk an mit mikritischen Fossilbänkchen, Horizonten mit Sigmoidalklüftung (Querplat- tung) sowie einer Lage großer Ballenstrukturen. Nach Besichtigung des Aufschlusses geht man wie- der zurück nach Steigra. Kurz vor der Kreuzung mit der B 180 biegt man in eine Nebenstraße nach 18 Trojaburg in Steigra mit einem vorgeschichtlichen Grabhügel Südosten ab und wandert durch eine Siedlung zum dahinter Sportplatz, hinter dem ein Weg fast rechtwinklig nach Südwesten abzweigt. Auf diesem Weg erreicht dorfer Hohe Gräte“. Der süd-südost ausgerichtete man nach kurzer Strecke die Hangkante zum Un- Weinberg ist nahezu optimal exponiert und ent- struttal und steht annähernd über dem Portal des hält etwa 150 Jahre alte Reben, die wurzelecht ste- Tunnels der ICE-Neubaustrecke mit Blick auf die hen und die Reblaus überstanden haben. Am Berg Talbrücke. An dieser Stelle kann man an mehre- existieren aktuell 1.064 Rebstöcke in insgesamt ren kleinen Aufschlüssen den basalen Wellenkalk 55 Reihen, teils sortenrein, aber auch im Misch- besichtigen. Unterhalb der Aufschlüsse breiten satz. Die Sortenerfassung durch A. Jung (Lustadt) sich die wegen ihrer Flora bekannten Karsdorfer ergab mindestens 19 verschiedene Rebsorten, da- Hänge mit Trockenrasen, Halbtrockenrasen und runter bekannte wie Gutedel, Silvaner, Riesling, thermophilen Gebüschen sowie Weinbergen aus Elbling oder Blauer Portugieser. Von größtem Inte- (Abb. 16). Sie stehen unter Schutz (Naturschutz- resse sind 195 Pflanzen der historischen Sorte Wei- gebiet „Trockenrasenflächen bei Karsdorf“). Eine ßer Heunisch sowie wenige Stöcke der alten Sorten weinbauspezifisches Kleinod ist der Kathertsche Tauberschwarz, Affenthaler, Frühburgunder, Clai- Weinberg (Abb. 19) in der Weinbergslage „Kars- rette, Veltliner, Lindenblättriger, Müller-Thurgau,

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zahlreiche Orchideen, Graslilien und andere sel- tene Pflanzen. Schließlich kommt man an einem Hügel („Hohe Gräte“) an, der Standort einer Hö- henbefestigung (burgartiger Wohnturm) oberhalb der alten Wegverbindung („Rote Hohle“, Röt) von der Querfurter Platte zu den alten Unstrut­furten in Karsdorf und Wetzendorf war (Salzstraße nach Halle). Die alte Trasse ist durch den früheren Kalksteinbruch des Zementwerkes Karsdorf ab- geschnitten worden. Heute befindet sich hier eine Deponie. Ein Restaufschluss im hellen Muschel- kalk ist allerdings noch verblieben. Darunter brei- tet sich ein Weinberg aus. Von der „Hohen Gräte“ kommt man dann schnell nach unten zur neuen Verbindungsstraße Karsdorf–B 180 (Abb. 20). Die Straße ist canyonartig in den tieferen Wellenkalk eingeschnitten und bietet derzeit das beste Profil vom Mittleren Röt bis zu den Oolithbänken des Unteren Muschelkalks.18 Bei einer Aufschlusslän- ge von etwa 1.200 Metern (mit kleinen Unterbre- chungen) und bis um 20 Meter hohen Steilwänden 19 Blick auf den Kathertschen Weinberg. Über dem Weinberg fol- braucht man einige Zeit zur Besichtigung und be- gen xerotherme Rasen und Gebüsche auf Gesteinen des Oberröts. ginnt idealerweise unten bei der Einmündung der Straße vom Zementwerk. Riesling, Muskateller, Chardonnay und Traminer. Dort beginnt die Serie von Aufschlüssen mit ro- Als Besonderheit sind sechs Stöcke des Schwarzen ten Tonsteinen der Werksfolge Karsdorf (Kars- Heunisch zu werten, da es sich vermutlich um ei- dorf-Subformation) in einem bis zu 6 Meter ho- nige der wenigen noch existierenden Pflanzen in hen Steilhang, in dem auch der Übergang in die Deutschland handelt. In einem vom Bundesamt gipsreiche -Subformation zu beobach- für Landwirtschaft und Ernährung geförderten ten ist. Etwa 250 Meter weiter kommt nach einer Projekt zu historischen Rebsorten der Hochschule Aufschlusslücke auf der rechten Straßenseite der Anhalt und der Humboldt-Universität Berlin wer- höchste Röt mit den Myophorienschichten, zu- den Nachkommen der wichtigsten Sorten gesam- nächst die fossilreichen Myophorienplatten, dann melt, von Viruskrankheiten befreit, vermehrt und die Myophorientone mit Grenze zum Unteren Mu- veredelt. Die so gewonnenen Pflanzen werden sor- schelkalk. Ein klotziger, poröser Kalk, der etwas tenrein u. a. im Landesweingut Kloster Pforta auf- zerfressen wirkt, bildet hier die Grenzbank. Dar- gerebt – ein Beitrag zum Erhalt der Biodiversität über folgt Wellenkalk bis zur Oolithbankzone am historischer Rebsorten. oberen Ende des Straßencanyons. Fossilbänkchen Im Anschluss an den Aussichtspunkt bleibt man laden zum Sammeln von Fossilien ein, besonders auf dem Höhenweg und folgt ihm über die Höhe im Niveau der Holocrinus-Bänkchen etwa 20 Me- 220,8 Meter etwa 1,5 Kilometer nach Südosten ter über der Wellenkalkbasis. Eine große Rutsch- Richtung Karsdorf. Trocken- und Halbtrocken- masse auf der rechten Straßenseite ist besonders rasen begleiten den Weg, der wunderbare Aus- bemerkenswert und vermutlich seismischen Ur- blicke in das Unstruttal bietet. Sie beherbergen sprungs (Seebeben im Muschelkalkmeer). Die un-

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20 Der Karsdorfer Straßencanyon im Unteren Muschelkalk. Bei A ist die untere Oolithbank angeschnitten.

21 Südöstlicher Teil der Karsdorfer Hänge am Lohholz mit Aussicht auf das Zementwerk und die Talbrücke der ICE-Neubaustrecke

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22 Die Rasen und Gehölze der Hänge zwischen Steigra und Karsdorf sind reich an seltenen Pflanzen und Pilzen, hier Apenninen-Sonnen- röschen (Helianthemum apenninum, 1), Ähriger Ehrenpreis (Veronica spicatum, 2), Schmalblättriger Hohlzahn (Galeopsis angustifolia, 3) und ein gelber Klumpfuß (Cortinarius sp., 4) tere Oolithbank kommt kurz vor der Hangkante det. Auf der gegenüberliegenden Seite führt ein und ist schon ziemlich verwittert. Weg unterhalb des Gebäudes der alten Bandan- Kurz oberhalb des letzten Aufschlusses zweigt die lage zu den Hängen hoch über dem Zementwerk Zufahrt zum großen Kalksteintagebau des Ze- (Abb. 21). Sie sind berühmt für ihre Flora mit mentwerks ab. Dort gelangt man zum Aussichts- Apenninen-Sonnenröschen (Helianthemum apen- punkt und kann den großen Tagebau beobachten. ninum), das in Mitteldeutschland nur in den Kars- Hier ist Unterer Muschelkalk bis kurz unter- dorfer Hängen vorkommt. Graslilien, Pferde-Se- halb der Terebratelbänke erschlossen. Ein altter- sel (Seseli hippomarathrum), zahlreiche Orchideen tiäres Karstsystem lieferte jüngst interessante eo- wie Bienen- und Fliegen-Ragwurz (Ophrys apife- zäne Fossilien. Direkt unter dem Aussichtspunkt ra, O. insectifera), Helm-, Purpur- und Dreizähni- breitet sich ein Weinberg aus. Der Kessel des Ta- ges Knabenkraut (Orchis militaris, O. purpurea, O. gebaus ist eine Wärmeinsel und bietet dem Wein tridentata) und andere botanischen Kostbarkeiten beste Umgebungsbedingungen. Nach der Besich- (Abb. 22) sind ebenfalls häufig anzutreffen. Die tigung geht man auf der Straße wieder bis dahin Trocken- und Halbtrockenrasen verzahnen sich zurück, wo der Weg zur „Hohen Gräte“ einmün- mit dem Saum des Lohholzes und enthalten selbst

23 Die große Rötgrube des Zementwerks Karsdorf ist ein Dreh- und Angelpunkt der Rötstratigrafie und wichtige Typuslokalität. Im Bild die intensiv roten Tonsteine der Karsdorf-Subformation mit Doppelquarzit (D). Darüber folgt die Obere Violettfolge (OV) als Teil der Glei- na-Subformation.

372 Unterwegs im Saale-Unstrut-Triasland – Naturkundlich-geschichtliche Exkursionen — kleinere, thermophile Gehölze. Dieses Gebiet ist aufgrund seiner Pflanzen, Pilze und Tiere beson- ders interessant und lädt zu ausgedehnten Streif- zügen ein. Unterhalb der Trockenhänge erstrecken sich Weinberge und darunter befindet sich die große Tongrube des Zementwerks (Abb. 23). Sie ist Ty- puslokalität der Karsdorf-Subformation des Röts. Die intensiv roten Tonsteine bilden einen kräfti- gen farblichen Kontrast zur grünen Umgebung 24 Exkursionskarte Route 3 und leuchten in spätnachmittäglicher Sonne be- Exkursionsziele 1 Mauerberg ➡ 2 Klinge ➡ 3 Langer Berg sonders intensiv. Die große Grube erstreckt sich ➡ 4 Nüssenberg ➡ 5 Lohholz mit Steinbruch ➡ 6 Schafberg ➡ 7 Steinbruch Zscheiplitz ➡ 8 Zscheiplitzer Hang über rund 1.000 Meter von Nordwesten nach Süd- osten und erreicht in Südwest-Nordost-Richtung bis um 400 Meter. Im Nordwestteil haben sich auf te man eine erste Reparatur und 1997/98 umfas- dem stauenden Material größere Tümpel gebil- senden Bauarbeiten an der Schleuse und am Wehr det. Die NE-Wand ist bis zu 30 Meter hoch und aus. Am 28. Mai 1998 wurde die Schleuse für erschließt einen großen Teil der Karsdorf-Subfor- die ersten Ruderboote freigegeben.17, 19, 20 Im Jahr mation (Werksfolge Karsdorf) sowie den tieferen 2012 waren neuerliche Instandsetzungsarbeiten Teil der Gleina-Subformation. Nach den Einbli- notwendig geworden. Unmittelbar am Lauchaer cken in die Rötgrube führt ein Weg unterhalb der Schleusenkanal (stromab) wurde ein Gedenkstein Weinberge wieder zurück nach Karsdorf. zur Erinnerung an herausragende Hochwasser der Unstrut aufgestellt; darunter im Februar 1946 und März 1947. Exkursion 3: Steinbruchlandschaften – Kurz nach der Schleuse nimmt man den Wiesen- Muschelkalkbrüche um Zscheiplitz- weg nach rechts Richtung Nüssenberg (Abb. 27 Weischütz mit Nüssenberg und und 28). Nach etwa einem Kilometer quert man zwischen zwei Grundstücken mit Gebäuden die Schafberg Straße Laucha-Weischütz und folgt dem befestig- In Laucha überquert man auf der Straße nach ten Weg zur „Klinge“, einem Seitental an der West- Dorndorf-Weischütz (Abb. 24) die Unstrut und flanke des Nüssenbergs. Der Weg führt zunächst den Schleusengraben. Schleuse und Schleusenka- durch die Mittelterrasse der Unstrut („Mauer- nal bilden ein eindrucksvolles wasserbauliches berg“), der ersten Anhöhe über der heutigen Aue. Ensemble (Abb. 25). Die Anlage entstand im Zuge Die hochwassersichere Lage hat schon im ausge- der Schiffbarmachung der Unstrut (1791–1795). henden Neolithikum Siedler angezogen („Scher- Das benötigte Baumaterial wurde mit Lastkäh- benacker“ mit zahlreichen Scherben bandkera- nen von den Nebraer Steinbrüchen antranspor- mischer Gefäße). Weiter oben setzt sich der Weg tiert. Die Fertigung der eisernen Scharniere für die durch Weinberge zur Hochfläche fort. Auf der Schleusentore erfolgte in der Bottendorfer Kup- rechten (östlichen) Seite hat man vom Zugang ei- ferhütte. Um 1880 ist die Schleuse Laucha noch- nes Weinbergs den gegenüberliegenden Hang der mals umgebaut worden. Als die Unstrut 1967 den „Klinge“ im Blick. Halbtrockenrasen mit einigen Status einer Binnenwasserstraße verlor, verfiel die uralten Süßkirschbäumen sowie Gehölzgruppen Schleuse zusehends und war in den 1980er-Jah- (Birken und Kiefern) beherbergen eine artenrei- ren nicht mehr betriebsfähig (Abb. 26). 1989 führ- che Flora mit zahlreichen Orchideen und selte-

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25 Schleuse Laucha (2013)

26 Verlandete Schleuse Laucha (1987) 27 Blick über die Unstrutaue bei Laucha zum Nüssenberg nen Pilzen. Weiter talabwärts folgen Trockenwäl- rum und kommt nach wenigen Minuten an der der und thermophile Gebüschsäume. Das gesamte östlichen Flanke des Langen Berges an. Hier biegt Areal bis zur östlichen Flanke des Langen Berges der Weg nach links Richtung Müncheroda ab. ist Naturschutzgebiet. Zunächst geht man an der Wegbiegung aber ge- Auf der Hochfläche wählt man die Betonplatten- radeaus weiter, kommt zu einem Trockenrasen- spur eines Wirtschaftswegs um die „Klinge“ he- areal über dem alten Steinbruchgelände in der

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28 Die Stirnseite des Nüssenbergs nördlich von Weischütz mit Weinbergen auf der Rötbasis des Berges und Trockenrasenflächen auf der Muschelkalksteilstufe darüber

29 Blick vom Schafberg bei Zscheiplitz zum Langen Berg bei Müncheroda mit dem Steinbruchgelände in der Oolithbankzone sowie arten- reichen, subkontinentalen Rasenflächen und Resten alter Süßkirschplantagen

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30 Pflanzen und Pilze aus den Trocken- und Halbtrockenrasen des Nüssenbergs: Berg-Gamander (Teucrium montanum, 1), Echter Gaman- der (T. chamaedrys, 2), Stengelloser Tragant (Astragalus exscapus, 3) und Steppentrichterling (Clitocybe glareosa, 4)

Oolithbankzone und kann die Aussicht genie- an Weischütz heran. Die Vegetation auf der Kup- ßen (Abb. 29): Der Blick fällt auf einen Fahrweg pe und den Hängen in Süd- und Westausrichtung Richtung Müncheroda in einem Seitental, dessen besteht aus Blaugras-Trockenrasen (Teucrio-Ses- südöstliche Flanke von artenreichen Trockenra- lerietum), neben Blaugras (Sesleria caerulea) sind sen eingenommen wird. Am gegenüberliegenden Berg- und Edel-Gamander (Teucrium montanum, Hang gehen (von Müncheroda aus) Halbtrocken- T. chamaedrys) und Badisches Rispengras (Poa ba- rasen in ein Eichen-Hainbuchen-Wäldchen über. densis) häufig, auf dem Plateau hingegen einjähri- Weiter talabwärts folgen Trockenrasen auf Unte- ge Frühlingspflanzen wie das Niedrige Hornkraut rem Wellenkalk, bevor sich das Tal dann in das (Cerastium pumilum) und zahlreiche seltene Erd- größere, pleistozäne Unstruttal öffnet, das von flechten. Die Magerrasen am Nordwesthang sind Weischütz, vorbei an Zscheiplitz, Richtung Frey- Halbtrockenrasen. Die Vegetation auf der Kup- burg zieht. Nach der Aussicht macht man zu- pe besteht aus Trockenrasen mit Gamanderarten nächst einen Abstecher zum Nüssenberg. Der vom (Abb. 30), Graslilien und Orchideen. An der Süd- Wirtschaftsweg abzweigende Pfad dahin führt an westflanke kommt auch die Kugelblume vor. An- einer alten Süßkirschanlage vorbei. Darunter brei- fang Juni blüht auf dem Nüssenberg der Öster- ten sich subkontinentale Halbtrockenrasen mit ei- reichische Lein (Linum austriacum)­ und bildet ner Fülle seltener Pflanzen aus. Neben dem Früh- leuchtend blaue Flächen. Ein Wildkrautacker bie- lings-Adonisröschen sind hier der gelb blühende tet Einblicke in die sonst selten gewordene Flora Stengellose Tragant (Astragalus exscapus) und steiniger Kalkäcker. zahlreiche Orchideen (Orchis purpurea, O. milita- Nun kehrt man zurück zum Ausgangspunkt des ris) zu finden (Abb. 30). Abstechers und folgt den Weg nach unten zum al- Auf der Kuppe des Nüssenbergs bietet sich eine ten Steinbruch in der Oolithbankzone (Abb. 32). hervorragende Aussicht in den weiten Lauchaer Das Profil am Weg beginnt oben mit der obe- Talkessel sowie das pleistozäne Unstruttal zwischen ren Oolithbank (β) und führt durch das Wellen- Zscheiplitz und dem Nüssenberg/Langen Berg kalkzwischenmittel nach unten zum Steinbruch- (Abb. 31). Unterhalb der Muschelkalksteilstufe des gelände. Hier, in einem der besten Aufschlüsse Nüssenbergs, auf den sanfteren Röthängen, brei- in der Oolithbankzone, hat man ausgiebig Gele- ten sich die Weinberge aus und reichen bis dicht genheit zum Studium der unteren Oolithbank (α).

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31 Vom Nüssenberg aus kann man das pleistozäne Unstruttal bis Freyburg verfolgen (am Horizont ist die Neuenburg zu erkennen). Wein- berge und Streuobstwiesen sind auf den südwestexponierten Hängen angesiedelt.

32 Alter Steinbruch in der Oolithbankzone am Langen Berg bei Müncheroda mit massiver unterer Oolithbank A) und Wellenkalk- mittel B) zur oberen Oolithbank

33 Das Wellenkalkmittel der Oolithbänke im Steinbruch am Loh- Der Weg führt dann weiter zum Fahrweg, der holz steckt voller interessanter Phänomene. Die auffällige Lage im Seitentälchen von Müncheroda herabzieht. hier im Bild zeigt eine Deformation im plastischen Kalkschlamm des Muschelkalkmeeres. Durch die Bewegung eines Sedimentpa- Die Talhänge bestehen aus Trocken- und Halb- kets entstehen kissenartige Strukturen, die sich in einzelne Ballen trockenrasen mit artenreichen Pflanzenvergesell- auflösen können. schaftungen. Auf der gegenüberliegenden Talseite, im Eichen-Hainbuchen-Wäldchen, ist eine inter- essante Flora vorhanden, dazu kommen seltene siert dabei den Rand des Lohholzes mit interessan- Pilze (Cortinarien und Schnecklinge). Am Wald- ter Flora. Der Schießstand ist ein alter Steinbruch saum findet man u. a. Diptam (Dictamnus albus) in der Oolithbankzone mit sehr bemerkenswerten und Weißes Fingerkraut (Potentilla alba). Profilen (Abb. 33), allerdings ist er nicht öffentlich Auf dem asphaltierten Fahrweg geht es nun zur zugänglich. Etwas vor dem Gelände gabelt sich der Straße Weischütz-Zscheiplitz und weiter Richtung Weg in zwei Richtungen auf. Man geht hier talab- Zscheiplitz bis zum Abzweig nach rechts, der zum wärts dem Unstruttal entgegen. Kurz vor dem Tal- Schießstand führt. Man wählt diesen Weg und pas- grund wendet man sich am Rande eines Gehölzes

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34 Der Schafberg mit Weinbergen an der nordwestlichen Flanke (links) und großen Flächen mit artenreichen Trocken- und Halbtrockenra- sen. Darüber breitet sich die helle Geröllschüttung (Abraum) eines alten Steinbruchgeländes aus. Rechts (südöstlich) schließt sich der Zschei- plitzer Muschelkalksteilhang an und ganz unten rechts im Hintergrund ist Freyburg mit der Neuenburg zu erkennen.

nach links und wandert über einen Muschelkalk- hang nach oben zu einer Zufahrt für einen Wein- berg. Vor dem Eingangsbereich des Weinbergs liegt ein sehenswerter Aufschluss in der Oolithbankzo- ne. Er gehört zu einem alten Steinbruch, dessen Großteil sich im Gelände des Weinbergs selbst be- findet. Die ganze Umgebung ist ferner floristisch und mykologisch interessant. Besonders der Hang unterhalb des Weges ist reich an Orchideen, Kü- chenschellen und Frühlings-Adonisröschen. Von diesem Punkt führt ein Weg entlang einer Gebüschreihe aufwärts zu einem Kiefernhölzchen. Es bedeckt ein altes Steinbruchgelände in der Te- 35 An den sonnigen Hängen zwischen Laucha und Freyburg ist rebratelzone. Vom Hölzchen aus steigt man bis zur der seltene Schwalbenschwanz (Papilio machaon) anzutreffen Kuppe des Schafbergs und erreicht einen fantas- tischen Aussichtspunkt (Abb. 34). Man blickt in das Unstruttal mit dem weiten Lauchaer Talkes- sel und der Talverengung ab Weischütz. Auf der gegenüberliegenden Seite erstreckt sich der Hayn. Weiter nach Südosten folgt Balgstädt vor dem Rö- delplateau mit den „Toten Tälern“ (Naturschutzge- biet). Der Ort liegt in der Mündung des Hassel- bachtals (alter Ilmlauf) in das Unstruttal. Auf der anderen Seite (Richtung Nordwesten und Nor- den) sieht man in das pleistozäne Unstruttal zwi- schen Zscheiplitz und Müncheroda. Am Schaf- berg waren im 19. Jahrhundert die drei Bankzonen des Unteren Muschelkalks im Abbau – eine ein- malige Situation im Gebiet. Auf dem Steinbruch- 36 Perfekt getarnt ist die Blauflügelige Ödlandschrecke (Oedipoda gelände in der Terebratelzone steht heute das Kie- caerulescens) in den Geröllfluren alter Steinbruchlandschaften fernhölzchen. Der Abbau des Schaumkalks führte

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37 Pflanzen und Pilze vom Schafberg. Pyrenäen-Vermeinkraut (Thesium pyrenaicum, l.), Kugelblume (Globularia elongata, M.) und Zit- zen-Stielbovist (Tulostoma brumale, r.) zu den großen Geröllflächen auf der Hochfläche. ge Ausbildung) wohl der begehrteste Baustein der Der Schafberg ist ein Paradies für Botaniker und Region. Zahlreiche historische Gebäude sind ohne als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Der Hang zum diesen besonderen Stein kaum vorstellbar, vor al- Unstruttal besteht aus lückigen Blaugras-Tro- lem die bildhauerischen Arbeiten im Naumburger ckenrasen (Teucrio-Seslerietum) im oberen Teil Dom. Schaumkalk ist aber auch hochprozentiger und unterschiedlichen Ausprägungen von Erd- Kalk (96–98 % Kalziumkarbonat). Das nicht für seggen-Trockenrasen (Trinio-Caricetum humilis) Bauzwecke geeignete Material hat man auch ger- im mittleren Teil. Über den Oolithbänken wächst ne zu Branntkalk verarbeitet – auch in Zscheiplitz. eine Ausbildung mit Pfriemengras (Stipa capilla- Der alte Kalkofen (technisches Denkmal) ist gut ta). Häufig sind Graufilziges Sonnenröschen (He- erhalten und mit einer Erläuterungstafel versehen. lianthemum canum), Berg-Gamander (Teucrium Vom Kalkofen führt der Weg an der Hangkan- montanum) und Pferde-Sesel (Seseli hippomara- te entlang nach Zscheiplitz, mit hervorragender thrum). Auf der Nordwestseite jenseits der Kup- Sichtmöglichkeit in das Unstruttal unterhalb des pe wachsen Halbtrockenrasen mit Wohlriechen- Steilhangs. Nach einigen Hundert Metern erreicht der Skabiose (Scabiosa canescens). Die Pilzflora ist man die Mauern des ehemaligen Ritterguts Zschei- ebenfalls erstaunlich reichhaltig, ebenso die Insek- plitz und geht weiter bis zur Kirche (Abb. 40) sowie tenfauna (Abb. 35, Abb. 36, Abb. 37). Wer also zur dem Aussichtspunkt mit alter Kanone. Sie erinnert passenden Jahreszeit hier erscheint, kann einige an die Rückzugsgefechte der Napoleonischen Ar- eindrucksvolle Stunden verbringen. mee nach der Völkerschlacht von Leipzig, als das Von der Kuppe des Schafbergs geht es weiter Rich- Gros der Truppen bei Freyburg die Unstrut über- tung Zscheiplitz. An einem Gehölz zweigt ein queren musste. Zscheiplitz ist ein geschichtsträch- Weg (Geopfad) zu einem alten Steinbruchgelände tiger Ort. Bereits im späten 11. Jahrhundert be- (Geotop) ab. Nach wenigen Hundert Metern über saßen die Pfalzgrafen von Goseck hier einen gebüschbestandene Geröllhalden erreicht man befestigten Wirtschaftshof, bei dem 1085 Pfalzgraf den alten Steinbruch (Abb. 38 und Abb. 39). Hier Friedrich III. ermordet wurde. Seine Witwe Adel- wurde bis zur Erschöpfung der Lagerstätte Ende heid heiratete 1086 Ludwig den Springer, der un- der 1960er Jahre Schaumkalk abgebaut. Schaum- mittelbar darauf die Neuenburg erbauen ließ. Um kalk war aufgrund seiner technischen Eigenschaf- 1100 entstand die heutige Kirche als Ort des Süh- ten (Bearbeitbarkeit, Druckfestigkeit, dickbanki- negedenkens für den Mord. Diese Chorturmkir-

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38/39 Alter Kalkofen und Muschelkalkprofil im Geotop Schaumkalkbruch bei Zscheiplitz. Hier wurde die untere oder Hauptschaumkalk- bank 1) abgebaut. Der Wellenkalk darüber ist teilweise schon dolomitisiert (gelbe Farbe).

terschiedlichen Zeiten erhaltenen Gebäude werden gegenwärtig unterschiedlich genutzt. Hervorzuhe- ben ist der Wasserturm von etwa 1870. Von Zscheiplitz aus geht es den Weg hinab Rich- tung Mühle Zeddenbach. Im Tal berührt man ein Stück Strecke der nachfolgenden Exkursi- on (Aufschluss und Mühle Zeddenbach – Infor- mationen siehe dort). Dann geht es über die Wie- sen (Unstrut­radweg) zurück nach Weischütz. Man passiert den Zscheiplitzer Hang mit alten Streuobstwiesen, Gebüschen und Gehölzen (dar- in Trockenmauern alter Weinbergterrassen) und kommt zum steilen Prallhang unterhalb des eben besuchten Steinbruchgeländes. Im Steilhang ist ein großes, sehenswertes Steinbruchgelände in der 40 Die Kirche am Gut Zscheiplitz, eine der ältesten erhaltenen Kir- Oolithbankzone verborgen. Man erreicht es auf chen Mitteldeutschlands schmalen Pfaden über einen Wellenkalksockel. Anschließend wandert man am Fuß des Schafbergs che gilt derzeit als die älteste belegbare Kirche im weiter und kann von hier aus den unteren Teil des südlichen Sachsen-Anhalt. An ihr wurde im spä- Hanges besuchen. Richtung Weischütz folgen bald ten 12. Jahrhundert ein Benediktinerinnenkloster Weinberge und schließlich öffnet sich der Blick errichtet. Dazu hat man den Kirchenraum nach zum Nüssenberg. In Weischütz quert man die Un- Westen mit einer Nonnenempore versehen und strut und erreicht auf dem Weg durch die Aue nach nördlich eine kleine Klausur angefügt. Um 1540 etwa einem Kilometer den Rand von Laucha. Dort reformiert, entwickelte sich das Gut zu einem ad- laden Glockenmuseum, alte Stadtmauer mit Ober- ligen Wirtschaftshof mit Herrenhaus. Die aus un- tor und Rathaus zur Besichtigung ein.

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Exkursion 4: Freyburg und das Zeuchfelder Tal

Die Exkursion (Abb. 41) beginnt am Marktplatz der Weinstadt Freyburg. Die Stadt (Abb. 42) wur- de um 1203 erstmals urkundlich erwähnt, ist aber im späten 12. Jahrhundert planmäßig entstan- den. Noch heute ist der quadratische Grundriss der Altstadt geprägt durch ein regelmäßiges Stra- ßennetz. Von der seit dem späten 14. Jahrhundert kontinuierlich ausgebauten und in der Mitte des 15. Jahrhundert mit neuen Toren und vorgelager- ten Bollwerken („Barbakanen“) modernisierten Stadtbefestigung sind wesentliche Teile der Stadt- mauer (inklusive Türmen) fast vollständig vorhan- den. Besonders eindrücklich sind der Turm am 41 Exkursionskarte Route 4 Exkursionsziele 1 Aufschluss an Mühle Zeddenbach ➡ 2 Sühne­ Eckstädter Tor (1385, Abb. 43.) und die Barbakane kreuz ➡ 3 Steinbruchgelände Reußen ➡ 4 Pleistozänes Unstruttal (neben Laucha und dem Naumburger Marientor mit Prallhang unter der Neuen Göhle ➡ 5 Historisches Steinbruch- die einzige erhaltene Anlage). Nicht nur der Drei- gelände bei Schleberoda ➡ 6 Kiesgrube ➡ 7 Neue Göhle ➡ 8 Neue ßigjährige Krieg, sondern auch zahlreiche Brände Umgehungsstraße ➡ 9 Edelacker und Weg nach Freyburg

42 Blick auf Freyburg mit der Neuenburg, dem Edelacker und der Marienkirche. Im Vordergrund ist die Mühle Zeddenbach zu sehen.

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Stadtbild hier in seltener Geschlossenheit erhalten. Der herausragende Bau der Altstadt ist die Mari- enkirche. Sie ist ihrer Doppelturmfassade nach ge- wissermaßen das „landesherrliche“ Gegenstück zum bischöflichen Naumburger Dom. Der Ur- sprungsbau, eine dreischiffige Basilika mit Quer- haus und Vierungsturm, entstand ab etwa 1210. Um 1400 ersetzte der reich gegliederte Chor die romanische Apsis. Ende des 15. Jahrhunderts wur- de das Langhaus weitgehend neu errichtet (reiches Rippengewölbe). An den Fenstern und an dem Westportal findet sich bedeutende Bauplastik, be- achtlich ist auch der spätgotische Hauptaltar. Vom Freyburger Markt aus erreicht man schnell die Straße nach Zscheiplitz, passiert ein Stück der alten Stadtmauer mit dem Eckstädter Tor/ Turm und wandert unterhalb des Schweigen- bergs (Weinberge, Abb. 44) bis zur alten Wasser- mühle Zeddenbach (ca. 1 km). Zeddenbach, ein bereits Ende des 9. Jahrhunderts erwähnter Ort, entwickelte sich zu einem Dorf mit einer Bonifa- 43 Teile der alten Stadtbefestigung Freyburgs (Turm am Eckstäd- tiuskirche und zu einem wichtigen Mühlenstand- ter Tor) ort. Während die Siedlung im Laufe des 15. Jahr- hunderts wüst fiel und nur noch archäologisch nachweisbar ist, verblieb die Mühle beim Kloster Zscheiplitz. Mehrfach wurden die Mühle und/oder Nebenge- bäude durch Brände, Hochwasser sowie in Kriegs- zeiten zerstört und wieder aufgebaut. Der heutige Klinkersteinbau der letzten noch aktiven Wasser- mühle an der Unstrut stammt aus dem Jahr 1866. 1911 sind die Mühlräder durch Wasserturbinen zum Antrieb des Mahlwerkes ersetzt worden.21 Das Zeddenbacher Unstrutwehr drohte 1992 zu brechen. Durch umgehende Sicherungsmaßnah- men konnte die Anlage stabilisiert werden. Zwi- 44 Weinbau am Schweigenberg schen August 1995 und Dezember 1996 erfolgte schließlich eine umfassende Sanierung.22 haben der Stadt und ihrer Bausubstanz seit dem Bei Zeddenbach, an der ersten scharfen Rechts- 16. Jahrhundert sehr zugesetzt. kurve der Straße, wählt man zunächst den breiten Auch wenn damit der Bestand bedeutender Stadt- Weg hangaufwärts nach Zscheiplitz. Nach etwa häuser über die Jahrhunderte dezimiert und auch 150 Metern kommt man zu einem Aufschluss in das Rathaus nach einem Brand im Jahr 1685 nicht der Oolithbankzone rechts (nördlich) des Weges wieder in der alten Pracht erbaut wurde, ist das (Abb. 45). Anschließend geht man zurück zur Stra-

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45 Aufschluss in der Oolithbankzone bei Zeddenbach mit 1) unterer Oolithbank, 2) Wellenkalkzwischenmittel und 3) oberer Oolithbank

ße und folgt bis zur nächsten Biegung nach links. tertiärer Flussschotter mit den charakteristischen Dort zweigt ein Wanderweg Richtung „Reußen“ schwarzen Kieselschiefergeröllen. Diese belegen, ab. Auf diesem Pfad passiert man das „Pfalzgra- dass auf der Muschelkalkoberfläche vormals ter- fenkreuz“ (erinnert an die Ermordung von Pfalz- tiäre Flussablagerungen verbreitet waren, die in- graf Friedrich III. 1085) und erreicht nach einigen zwischen längst der Erosion zum Opfer gefallen Hundert Metern das große Steinbruchgelände am sind. Man findet im Steinbruch typische Fossili- „Reußen“. en der Terebratelzone, Coenothyris vulgaris beson- Der Steinbruch (Abb. 46) ist vor allem rund um ders schön in einer irregulären Schillanhäufung die Terebratelzone interessant. Zahlreiche Klüfte im hangenden Bereich der oberen Terebratelbank. durchziehen das Gestein und sind der Ausgang ei- Im oberen Teil des Aufschlusses (Abraumbereich) ner intensiven Verwitterung. Während die Kalk- trifft man häufig das gelbe, dolomitische Materi- mergel der Wellenkalkfazies lösungsresistenter al um die obere Schaumkalkbank an. Hier liegen sind, kann man in der oberen Terebratelbank in- die Verhältnisse ähnlich wie im dicht benachbar- tensivere Anwitterungen und Anlösungen/Kor- ten Steinbruch Zscheiplitz. Die untere Schaum- rosion erkennen. Die hochprozentigen Kalke der kalkbank findet man in Normalfazies (typischer Bankzonen sind leichter löslich, und wenn das Ge- Schaumkalk) vor. Zur Fossilführung kann man im stein Brachiopoden und Mollusken in Ersatzscha- Verhältnis zu benachbarten Schaumkalkaufschlüs- lenerhaltung führt, wittern diese lösungsresisten- sen interessante Vergleiche anstellen. Während teren Fossilien plastisch heraus. Manchmal werden der Steinbruch Zscheiplitz beispielsweise immer die Tunnel eines alten, unterirdischen Karstwas- gute Fossilien geliefert hat und die alten Brüche sersystems angefahren. Sie enthalten dann mitun- bei Schleberoda der Hauptfundort der berühm- ter von oben über Spalten nachgerutschte Gerölle ten Freyburger Seelilienplatten sind, wurden vom

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„Reußen“ derartige Funde bisher nicht bekannt – ein Hinweis auf die engräumige Differenzierung bezüglich der Fossilführung in der Schaumkalk- zone. Den aktiven Steinbruch kann man nur mit einer Genehmigung des Betreibers betreten. Nachdem man sich im Gelände etwas umge- sehen hat, überquert man die B 180 am Bodel- schwingh-Denkmal und erreicht auf dem ostwärts gerichteten Weg bald den Wanderweg zur „Neu- en Göhle“ auf dem Freyburger Galgenberg. Das gesamte Areal ist historisches Steinbruchgelände (Abbau des begehrten Schaumkalks). Überall sieht man noch Reste kleiner Gruben und Abraum der alten Brüche. Einige Aufschlüsse verstecken sich unter Baumgruppen und Gebüschinseln auf der sonst freien Hochfläche. Größere, zusammenhän- gende Profile sind jedoch kaum noch zu finden. Dafür ist das Gelände reich an interessanten Pflan- zen – also ideal für eine Kombination der Themen Geologie und Botanik. An einem Punkt am Ran- 46 Blick in den Großen Steinbruch „Reußen“ mit deutlich sichtba- de des Höhenwegs, kurz vor Erreichen des ers- ren 1) Terebratelbänken und 2) Hauptschaumkalkbank ten Querwegs nach Freyburg, stößt man auf eini- ge Erdfälle. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben Karstschlotten oder -höhlen in der Hauptschaum- kalkbank zum Einsturz geführt. Solche Strukturen sind an anderer Stelle aufgeschlossen und Teile ei- nes Karstsystems an der tertiären bis altpleistozä- nen Landoberfläche. In manchen Fällen können aber auch Einbrüche über alten, unterirdischen Abbauen in der Schaumkalkzone (Abb. 47) als Ur- sache vermutet werden. Diese Gewinnungsform ist hier früher ebenfalls betrieben worden. Nachdem man sich in dem bemerkenswerten Ge- lände etwas umgesehen hat (botanisch vor al- lem im April bis Juni lohnend), bleibt man an der Flanke der Hochfläche der Richtung treu und ge- langt nach einigen Hundert Metern zu einem auf- gelassenen Steinbruch in der Schaumkalkzone rechts des Weges. Darin ist ein recht gutes Profil vorhanden (Abb. 48). Besonders interessant sind hier noch offene Karsthohlräume im Bereich der 47 An der „Neuen Göhle“ wurde Schaumkalk auch unterirdisch Hauptschaumkalkbank. So bekommt man eine gebrochen. Das Bild zeigt den Eingangsbereich eines alten Stol- gute Anschauung zu den möglichen Ursachen der lens – heute Fledermausquartier. Erdfälle.

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Nach der Besichtigung folgt man dem Hauptweg weiter bis zum Waldrand der „Neuen Göhle“. Hier biegt der Weg nach rechts ab und führt über eine Lichtung (Wiese) hinunter in das pleistozäne Un- struttal. Nach wenigen Minuten erreicht man den Fuß der Weinberge unterhalb des Göhlberges. Die Unstrut benutzte das Tal im Altpleistozän und dann erneut in der Holstein-Warmzeit bis zur frü- hen Saalekaltzeit, bevor eine Gletscherzunge das Tal abriegelte und zur Aufschüttung des Zeuch- felder Sanders führte. Die Weinberge liegen auf dem aus Unterem Muschelkalk aufgebauten Prall- hang des alten Tals, das bis zum Vorrücken der Saalegletscher über Zeuchfeld nach Norden ver- lief. Auf der Hochfläche dehnt sich das Waldgebiet der „Neuen Göhle“ aus. Es ist durch das Auftreten zahlreicher seltener Pflanzen bekannt. Im Tal rü-

48 Neben den künstlichen Stollen gibt es auch natürliche Höhlun- cken noch die Reste der alten Lehmgrube mit Zie- gen im Schaumkalk. Sie entstanden durch Lösungsvorgänge an der gelei ins Blickfeld. An dieser Stelle baute man frü- tertiären Landoberfläche. Im Bild ist 1) die Hauptschaumkalkbank her Lösslehm ab und die Grube war wegen ihres und 2) die obere Schaumkalkbank. Profils mit fossilen Bodenhorizonten (z. B. „Frey-

49 In der großen Sandgrube zwischen Freyburg und Zeuchfeld kann man die frühsaalezeitlichen Unstrutsande (A) unter einer jüngeren Lössdecke (B) beobachten

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50 Im Einschnitt der neuen Umgehungsstraße ist der Untere Muschelkalk eindrucksvoll aufgeschlossen – hier mit oberer Schaumkalk- bank (A). Im Hintergrund die Sohlberge (ehemalige Weinberge), darüber die Neue Göhle. burger Boden“ aus dem Eem-Interglazial) unter lichen Seite immer noch einen instruktiven Ein- Fachleuten weit bekannt. Die Grube lieferte ferner blick in die Schaumkalkzone mit gut zugänglicher zahlreiche Fossilien, darunter Reste von Großsäu- oberer Schaumkalkbank. Es ergibt sich die selte- gern. ne Gelegenheit, in der oberen Bank nach Fossilien Im weiteren Verlauf der Exkursion folgt man dem zu suchen. Auf der östlichen Seite zum Pödelister Weg bis zu den ersten Häusern am nördlichsten Tal offenbart der Straßeneinschnitt ein gutes Pro- Ende Freyburgs und erreicht bald die B 176. Hin- fil der Oolithbankzone. Die Muschelkalkschichten ter dem Kreisverkehr kommt man zum Gelände zeigen flache Sättel und Mulden, vermutlich durch der großen Sandgrube (Abb. 49, Betreten nur mit Subrosion im unterliegenden Röt (Rötgipse) ver- Erlaubnis der Betreiber). Ein Blick von den Wegen ursacht. südwestlich der Grube lässt die gewaltige Dimen- Von hier aus lohnt sich noch ein Abstecher zum sion der Kies- und Sandaufschüttung nach Abrie- Waldgebiet der „Alten Göhle“. Besonders der gelung des Tales durch das vorrückende Eis der sonnenexponierte Waldrand dieses schönen Ei- Saale-Vereisung erkennen. Über dem Kies folgt chen-Hainbuchen-Waldes auf Löss über Muschel- ein interessantes, aber schwer erreichbares Löss­ kalk ist reich an beachtenswerten Pflanzen, Pilzen profil mit fossilen Bodenhorizonten. und Tieren (Abb. 51). Nirgendwo sonst kommt An der vom Kreisverkehr nach Süden ausgehen- beispielsweise der Vogelnestwurz (Neottia ni- den Umgehungsstraße geht man ein Stück berg- dus-avus) in so großen Populationen vor. Seltene an bis in die Nähe der Ausfahrt zur Neuenburg Dickröhrlinge (Boletus-Arten), Haarschleierlin- (Abb. 50). Der Straßeneinschnitt, obwohl inzwi- ge (Cortinarius) und andere Pilze sind vor allem schen nicht mehr ganz frisch, bietet auf der west- am thermophilen Waldsaum zu finden. Außerdem

386 Unterwegs im Saale-Unstrut-Triasland – Naturkundlich-geschichtliche Exkursionen —

51 In der „Alten Göhle“, einem Waldgebiet mit einem schönen Eichen-Hainbuchen-Bestand auf Löss, findet man seltene Pflanzen und Pilze, wie hier (v. l. n. r.) Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avus, 1) und Schleierlinge (hier Cortinarius galeobdolon, 2). Am sonnigen Waldrand kann man Wespenspinnen (Argiope bruennichi) beobachten, Abbildung 3 zeigt ein Weibchen mit einem Kokon. Im darauf folgenden Früh- ling wurden an gleicher Stelle die frisch geschlüpften Jungspinnen 4) beobachtet. hat man einen guten Blick in die große Sandgrube. zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert der Bau einer Über den Hauptweg kommt man zurück zur Stra- riesigen Vorburg mit Ringmauer und zwei Berg- ße, geht Richtung Neuenburg bis zum Parkplatz frieden (erhalten ist der „Dicke Wilhelm“) sowie am Hotel Edelacker. Ein Blick von der Abzwei- Modernisierungen in der Kernburg (Palas, Dop- gung zur Neuenburg aus über das Tal nach Nor- pelkapelle). Die Neuenburg war Aufenthaltsort der den rückt den Hang an der Südostecke der „Neuen heiligen Elisabeth von Thüringen, unter der das Göhle“, im Dreieck der B 176 und der Landstraße Obergeschoss der Doppelkapelle mit maurischem nach Mücheln, in den Fokus. Dort steht ebenfalls Einfluss umgebaut und ein moderner Wohnturm die Schaumkalkzone an. Vor allem im 19. Jahr- mit Latrinen errichtet wurden. Prägende spätgoti- hundert ist der Schaumkalk in mehreren Brüchen sche Ausbauten (Küche, Fürstenbau, Westtorhaus, gewonnen worden. Nach historischen Quellen als Osttorhaus) reichen bis ins mittlere 15. Jahrhun- „Brüche bei Schleberoda“ bezeichnet, können sie dert. Seit dem 16. Jahrhundert erfolgten immer als Hauptfundort der schönen Seelilienplatten mit wieder Umbauten, so etwa 1704 einer der beiden Carnallicrinus carnalli angesehen werden, für die Galerieflügel als „Hotel“ für Jagdgäste des Herzogs der Freyburger Schaumkalk berühmt wurde. Sie von Sachsen-Weißenfels. Nach 1815 wurden unter fanden damals den Weg in die größeren Museen preußischer Herrschaft Abbrüche vorgenommen, der Welt. ab 1850 folgten dann allerdings Restaurierungen Wenn die Kondition am Ende noch reicht, kann und es gab neue Nutzungen. Seit 1935 ist in Tei- man das interessante Museum in der Neuenburg len der Burganlage ein Museum untergebracht. besuchen und vom Aussichtspunkt am Burgbrun- Zwischen 1971 und 1989 kam es zu einem massi- nen die Fernsicht nach Naumburg genießen. Die ven Verfall der Anlage, dem durch sorgfältige In- Neuenburg ist die größte Burg der Landgrafen von standsetzungen schließlich Einhalt geboten wer- Thüringen und wurde weitgehend im 12. Jahrhun- den konnte. dert errichtet, zunächst die mächtige Kernburg Andernfalls wählt man den kleinen Pfad vom mit Ringmauer, einem Rundturm von 17,4 Me- Edelacker am Schlüfter-Weinberg abwärts und hat tern Durchmesser, zwei Achtecktürmen, mehreren schöne Ausblicke nach Freyburg und auf die um- Wohnbauten und Kapelle. Später folgten in der liegenden Weinberge. Weinanbau gibt es hier seit

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nach dem Ende der DDR ab 1990. Heute bewirt- schaften neben der Winzervereinigung Freyburg, in deren Räumlichkeiten einer der größten Holz- fasskeller Deutschlands zu besichtigen ist, und dem Landesweingut Kloster Pforta noch 26 Weinbau- betriebe im Haupterwerb und 23 Weinbaubetriebe im Nebenerwerb die aktuell 760 Hektar Rebfläche. Letztlich ist auch die 1856 gegründete Rotkäpp- chen Sektkellerei mit historischen und moder- nen Gebäuden sowie dem größten Cuvéeholzfass Deutschlands (Abb. 52) einen Besuch wert. Mitt- lerweile stammt fast jede dritte in Deutschland ge- trunkene Flasche Sekt aus diesem Haus. Nach kurzer Zeit ist man an der Kirche und am Marktplatz angekommen, wo die Exkursion endet.

Exkursion 5: Talkessel zwischen Naumburg-Almrich und Bad Kösen

Die Exkursion beginnt im Naumburger Ortsteil Altenburg (südlicher Stadtrand Richtung Bad Kö- 52 Das größte Cuvéeholzfass Deutschlands in einem Gewölbe der sen, Abb. 53). Von dort aus geht es auf einem rot Rotkäppchen-Sektkellerei markierten Weg zum Michaelisholz/Bismarck- turm, an dem man nach etwa 1,5 Kilometern an- dem Mittelalter. In der „Weinhauptstadt“ des Saa- kommt. Am Freisitz der Gaststätte bietet sich die le-Unstrut-Gebietes wurde 1912 die Preußische Gelegenheit, einen großen Teil der bevorstehen- Obstbau-Lehranstalt gegründet, der man 1923 den Exkursionsroute im Saaletal zu überblicken. eine Abteilung Weinbau angliederte. In dieser ent- Unterhalb des Knabenberges, am Waldrand neben stand aus einer gemeinsamen Kelterei 1934 die der Streuobstwiese (Süßkirschen), erreicht man Winzergenossenschaft. In der Schule lehrte bei- die ersten Aufschlüsse der Exkursion, alte Stein- spielsweise der Entomologe Carl Börner (1880– brüche (Abb. 54) in der Oolithbankzone mit eini- 1953), dem unter anderem die Entwicklung der gen noch intakten Profilen. ersten vollständig reblausresistenten Unterlage ge- Nach der Besichtigung dieser Aufschlüsse geht man lang, die heute seinen Namen trägt. vom Bismarckturm zum „Platten“ oberhalb von Von 1945 bis 1989 gab es lediglich die Winzerverei- Schulpforte/Bad Kösen. Das Gelände ist durch die nigung Freyburg mit ca. 250 Hektar Reben und das Gewinnung des Schaumkalks völlig durchwühlt. flächenmäßig kleinere Volkseigene Gut Weinbau Der heute hier verbreitete Laubwald stockt haupt- Naumburg, das 120 Hektar bewirtschaftete. Diesen sächlich auf dem Abraumschutt der zum Teil ural- Betrieben und den vielen Freizeitwinzern ist es zu ten Brüche. Deren Spuren kann man zwar überall verdanken, dass die Kulturlandschaft noch immer noch erkennen, doch gute Aufschlüsse sind nicht mit Reben bestanden ist. Der Neubeginn der bei- mehr vorhanden. Das Gelände gehört zum Natur- den großen Betriebe und der Start einiger Pionie- schutzgebiet „Mordtal und Platten“, bekannt durch re, die eigene Weingüter aufbauten, vollzogen sich das Vorkommen seltener Pflanzen und Pilze.

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Vom „Platten“ aus kehrt man wieder ein Stück zu- rück zum Bismarckturm und kommt über Wald- wege zur Kloppstockquelle (Abb. 55) nordöstlich der Landesschule Pforta. Hierbei handelt es sich um eine Schichtquelle an der Grenze Röt-Wellen- kalk. Das durch Klüfte des Unteren Muschelkalks sickernde Wasser staut sich auf den Myophorien- tonen des höchsten Röts und tritt dann an dieser Grenze als Quelle aus – wie vielerorts an diesem wichtigen Quellhorizont im Saale-Unstrut-Gebiet. Die Quelle speist einen Teich. Dahinter verläuft die „Kleine Saale“, ein künstlicher Wasserlauf aus dem 12./13. Jahrhundert für den Mühlenbetrieb und die Wasserver- sowie -entsorgung im Zisterzien- 53 Exkursionskarte Route 5 23 Exkursionsziele 1 Aufschlüsse im Sperlingsholz (Nähe Bismarck­ serkloster St. Marien zu Pforte. Hier haben sich turm) ➡ 2 Platten ➡ 3 Klopstockquelle ➡ 4 Köppelberg jetzt auch Biber angesiedelt. ➡ 5 Wein­berg Landesweingut Pforta ➡ 6 Napoleonstein Von der Quelle aus geht man zur Landesschule ➡ 7 Denkmal und Felsbastionen unter dem Denkmal Pforta (Abb. 56), die aus dem genannten Zister-

54 Alter Steinbruch in der Oolithbankzone (Waldrand am Knabenberg) mit unterer Oolithbank (A). Von hier aus ist viel Gestein in die his- torische Bausubstanz Naumburgs eingegangen.

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zienserkloster hervorgegangen ist. Letzteres wur- de im Jahre 1137 „ad portam“ neu gegründet und entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit zu einer be- deutenden und mächtigen Abtei. In der Refor- mationszeit aufgelöst, wurde hier im Jahre 1543 eine der drei kursächsischen Landesschulen ein- gerichtet. Der Gründungsbau war eine kreuzför- mige, flach gedeckte Basilika mit einer Staffelung der Ostteile mit Hauptapsis, Nebenapsiden und Seitenkapelle. In einer zweiten romanischen Bau- phase verändert, erfolgte zwischen 1251 und etwa 1300 ein gotischer Umbau, der mit dem großarti- gen Westgiebel endete. Im frühgotischen Ostchor beeindrucken Sitz- und Wandnischen, Piscina und Wandschränke sowie ein massiver Steinaltar. Hinsichtlich der Ausstattung seien ein großes ge- maltes Triumphkreuz (um 1270) sowie zwei roma- nische Holzschränke erwähnt. 55 Kloppstockquelle – eine Schichtquelle an der Röt-Muschel- Von der nördlich der Kirche gelegenen Klausur kalk-Grenze mit Kreuzgang haben sich ebenfalls große Tei-

56 Blick in das Gelände der Landesschule Pforta

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57 Der Köppelberg (Weinberge) ragt als Bergsporn in das Saaletal hinein. Dahinter ist der große Bogen der alten Saaleschleife mit dem Prallhang im Muschelkalk unterhalb des Platten zu sehen. Neben den Reha-Kliniken (Gebäude im Hintergrund bei Bad Kösen) mündet das Mordtal. Mordtal und Platten beherbergen eine interessante Flora und sind Naturschutzgebiet. le erhalten. Der südliche Kreuzgang ist zweischif- Überblick betrachten kann (Abb. 58). In den hö- fig. Zahlreiche Veränderungen erfolgten seit dem heren Teilen der Weinberge des Köppelbergs kann 16. Jahrhundert, z. B. der Ausbau für Schulzwe- man in ausgepflügten Brocken der Myophorien- cke ab 1572. Östlich der Klausur befindet sich das platten Fossilien des Oberen Röts sammeln. Mönchskrankenhaus (1568/75 zum Fürstenhaus Den Köppelberg umrundend wandert man nach ausgebaut). An der Ostseite des Gebäudes wurde Bad Kösen, überquert die Saale und geht nach um 1220/30 die sogenannte Abtskapelle angebaut, Nordosten in Richtung Saalhäuser. Oberhalb des ein höchst beachtliches kleines Bauwerk zisterzi- großen Weinberges (Landesweingut Pforta) rü- ensischer Frühgotik. An der Westseite der Klausur cken bald die Felsbastionen des Unteren Wel- dominiert der Neubau von Aula und Rektorat aus lenkalks näher in das Blickfeld (Abb. 59). Dieser dem späten 19. Jahrhundert. Hang mit seinem Plateau ist auch unter der Be- Der gesamte Klosterbezirk ist von der in Teilen zeichnung „Göttersitz“ bekannt. Die Besichtigung noch mittelalterlichen Mauer umgeben. Innerhalb des ganzen Komplexes bedarf einiger Zeit. Man der Umfriedung befinden sich zahlreiche klöster- beginnt vorzugsweise im Tal am nördlichen Rand liche und neuzeitliche Wohn- und Wirtschaftsge- des großen Weinbergs. Auf dem Weg dahin kann bäude, so ein romanisch-gotischer Wirtschaftsbau man sich in Weinkunde vertiefen, denn eine Rei- westlich der Kirche. Auf dem Friedhof südöstlich he zu Schauzwecken angepflanzter Weinreben il- des Chors der Klosterkirche steht eine gotische lustriert die Sortenvielfalt. Am Ende geht man am steinerne Totenleuchte aus dem Jahre 1268. Weinberg aufwärts und oberhalb des Areals zu- Von Schulpforte aus geht man weiter am Köppel- rück. Beim Aufstieg zur Röt-Muschelkalk-Gren- berg und an der Kleinen Saale entlang Richtung ze überquert man zuerst die Myophorienplatten Bad Kösen. Der Köppelberg (Abb. 57) wird aus der Dornburg-Subformation (ausgepflügte, fos- weichen Gesteinen des Röts aufgebaut – daher sei- silreiche Platten sind am Rande des Weinbergs ne sanft gerundeten Formen im Kontrast zu den zu finden) und kommt zu den blaugrau heraus- schroffen Muschelkalkhängen gegenüber (ober- witternden Myophorientonen. Darüber baut sich halb) der Saalhäuser und der Weinberge des Lan- der Steilanstieg des basalen Wellenkalks auf, des- desweingutes Pforta, die man von hier aus gut im sen basale Meter über den Myophorientonen hier

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58 Blick vom Köppelberg auf den Muschelkalksteilhang „Göttersitz“ mit dem großen Weinberg unter der Muschelkalksteilstufe

60 Im Naturschutzgebiet „Göttersitz“ blühen Graue oder Duft-Skabiose (Scabiosa canescens, 1), Helmknabenkraut (Orchis militaris, 2) und zahlreiche andere seltene Arten

durchquert. Der Hang ist auch botanisch außeror- dentlich interessant. Oben angekommen, bewegt 59 Weinberg am „Göttersitz“ mit Röt-Muschelkalk-Grenze (1) man sich zunächst im Ausstrichbereich der ehe- und Wellenkalkbastionen (2) mals abgebauten Terebratelbänke. Kaum eine Ge- ländemarke erinnert an die alte Steingewinnung. am Fuß des Steilhangs anstehen. Sie enthalten Fos- Nur im Wald hinter dem Napoleonstein stößt man silbänkchen und -linsen sowie mehrere Horizonte noch auf Reste kleiner Steinbrüche. mit Querplattung. Vom Napoleonstein wandert man zurück in öst- Nachdem man den unteren Teil der Aufschluss- licher Richtung über ein etwas buschiges Wiesen- serie in Augenschein genommen hat, steigt man gelände. Im Frühling und im Sommer blühen hier über den schmalen Pfad vom Weingut nach oben zahlreiche seltene Pflanzen (Abb. 60) in den ther- Richtung Napoleonstein. Beim Aufstieg wird der mophilen Trocken- bis Halbtrockenrasen (Natur- Wellenkalk bis etwas unterhalb der Terebratelzone schutzgebiet „Göttersitz“). Nach wenigen Hun-

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Exkursion 6: Burgenlandschaft bei Bad Kösen – Saaleck

Die Exkursion startet am Bahnhof Bad Kösen (Abb. 62). In der Stadt kann man sich zunächst auf geschichtliche Spurensuche begeben. Der Ort ist 1138 erstmals erwähnt als „Cusne“, ein dem Klos- ter Pforte übergebener Wirtschaftshof. Zeugnis- se der hervorragenden wasserbautechnischen Fä- higkeiten der Zisterzienser sind beispielsweise die Kleine Saale, die zur Brauchwasserversorgung des 61 Tempestite (1 A und 2 A), Schlammstromsedimente und Bal- Klosters Pforte diente, sowie Mühlen und Weh- lenstrukturen in den kleinen Felsbastionen dokumentieren (1 B) re, aber auch Brücken über die Kleine und Gro- die unruhigen Bedingungen im Muschelkalkmeer ße Saale (bereits im 13. Jahrhundert, um 1450 stei- nern ausgeführt, eingestürzt 1890). Das einzige dert Metern kommt man an das vordere Denkmal noch vorhandene Gebäude der Kösener Grangie (Fürst-Heinrich-Stein), von wo aus man den obe- aus dem dritten Viertel des 12. Jahrhundert, das ren Teil der Wellenkalkaufschlüsse des Steilhanges „Romanische Haus“, darf ohne Zweifel zu den äu- erreicht. Dieser exponierte Aussichtspunkt bietet ßerst seltenen romanischen Hinterlassenschaften einen sehr schönen Blick in das Saaletal zwischen klösterlicher Wirtschaft in Deutschland gerech- Naumburg und Bad Kösen. Das Panorama be- net und als der älteste erhaltene Wirtschaftsbau ginnt im Nordosten mit Naumburg. Bis etwas süd- im Land Sachsen-Anhalt benannt werden. Seine lich von der Landesschule Pforta, das dem eigenen ursprüngliche Nutzung ist unbekannt. Seit dem Standpunkt genau gegenüberliegt, entwickelt sich 16. Jahrhundert wird das Bauwerk als Scheune die Steilstufe des Unteren Muschelkalks. Hinter dem Röthügel des Köppelbergs beschreibt die Mu- schelkalksteilstufe dann einen großen Bogen nach Südosten bis an den Rand von Bad Kösen. Dieses „Amphitheater“ unter der bewaldeten Hochfläche des „Platten“ ist der Prallhang einer pleistozänen Saaleschleife. Im Süden, um Bad Kösen, wird das Saaletal zu einem engen Durchbruchstal im Mu- schelkalk. Dort erreicht die Wellenkalkbasis das Talniveau. Vom Fürst-Heinrich-Stein führt ein kleiner Pfad nach unten zu sehenswerten Aufschlüssen im Mu- schelkalk (Abb. 61). Diesen Abstecher sollten sich aber nur absolut trittsichere Wanderer mit sta- bilem Schuhwerk zumuten! Man kommt hier an die Holocrinus-Tempestite, Ballenstrukturen und 62 Exkursionskarte Route 6 Exkursionsziele 1 Geotop an der Loreley ➡ 2 Aufschlüsse am Saale­ Rutschmassen im mittleren Teil des Unteren Wel- hang Nähe Campingplatz ➡ 3–5 Rudelsburg, Kunoklamm und lenkalks heran. Diese Phänomene sind selten so Burg Saaleck ➡ 6 Aufschlüsse am Himmelreich ➡ 7 altes Stein- gut aufgeschlossen wie an diesem leider schwer bruchgelände hinter dem Himmelreich ➡ 8 Steinbruch des Kalk- zugänglichen Punkt. werkes Bad Kösen

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63 Geotop Röt-Muschelkalk-Grenze am Gasthof Loreley mit 64 Unterer Wellenkalk mit tektonischer Störung (Abschiebung) 1) Myophorienton, 2) gelben Dolomiten, 3) gelben „Grenzkalken“ in der Nähe des Campingplatzes und 4) basalem Wellenkalk genutzt, 1954 erfolgte der Umbau zu einem Mu- Aufschluss zeigt sehr eindrücklich die Röt-Mu- seum. Neben dem Gehöft (Vorwerk) entwickelte schelkalk-Grenze mit Myophorientonen, gelben sich seit dem 19. Jahrhundert ein beliebter Kurort, Grenzschichten und basalem Wellenkalk. Von der zahlreiche weitere Baudenkmäler aufweist. hier aus kann man noch einen kurzen Abstecher Dazu gehören der von 1731 bis 1736 abgeteufte hinauf zum Gradierwerk unternehmen und sich Borlach-Schacht zur Solegewinnung, das um 1750 dort über die Geschichte der Salzgewinnung in- erstellte Doppelfeldgestänge und das ab 1779 er- formieren. Der Soleförderung (Zechsteinsalz) baute Gradierwerk. verdankt Bad Kösen seinen Status als Kurstadt In unmittelbarer Nähe des Bahnhofs, am Kurpark (Sole-Heilbad). Ansonsten geht man weiter Rich- kurz vor den Bahnschranken, führt eine Fußgän- tung Campingplatz. Entlang des Weges folgen gerbrücke über die Saale. Man überquert die- nun Aufschlüsse im Unteren Wellenkalk. Durch se und orientiert sich zunächst am Gasthof „Lo- das Einfallen der Schichten in südlicher Richtung reley“ unterhalb des Gradierwerkes. Neben dem kommt allmählich der Ausstrichbereich der Oo- Gasthof beginnt im Steilhang eine sehr schö- lithbänke in den Sichtbereich, obwohl man bis ne Profilserie im Oberröt-Wellenkalk-Grenzbe- hierher noch kaum an Höhe gewonnen hat. Man reich. In Richtung Campingplatz sind auf etwa merkt, dass man sich immer weiter Richtung Fin- 600 Metern Strecke gute Aufschlüsse im Röt-Mu- nestörung bewegt. Spuren tektonischer Unruhe schelkalk-Grenzbereich und im Unteren Wellen- sind zunehmend zu erkennen. Zunächst sind es kalk zu beobachten. Der Reigen beginnt mit dem noch kleinere Sprünge und Abschiebungen, die Geotop unmittelbar am Gasthof (Abb. 63). Der zwar selten einen größeren Versatz als einige we-

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nige Meter erreichen, aber dennoch schon impo- sant wirken (Abb. 64). Hinter dem Campingplatz steigt der Weg zu den Saaleburgen kräftig an. Jetzt gilt es, die bewaldete Muschelkalksteilstufe zu überwinden. Die Wälder der Umgebung sind reich an Orchideen (Abb. 65). Man erreicht das Plateau auf der hier sehr mäch- tigen Hauptschaumkalkbank im Bereich der al- ten Vorburg mit den Burschenschaftsdenkmalen (Abb. 66). Sie wurden ab 1872 von Corpsstuden- ten des Kösener SC-Verbandes (Senioren-Corps- studenten) zum Gedenken an im Krieg gefallene Mitglieder errichtet. Das jüngste Denkmal („Lö- 65 In den Wäldern oberhalb der Rudelsburg, besonders bei wendenkmal“) entstand 1926. Freiroda, blühen ab Ende April Stattliches Knabenkraut (Orchis Die Rudelsburg wurde als Burg des Naumburger mascula, 1) und Blasses Knabenkraut (Orchis pallens, 2) Bischofs in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhundert auf einem steile Felsen (Schaumkalkplatte) über der Saale errichtet. Seit dem 17. Jahrhundert Ru- ine, wurde sie im 19. Jahrhundert zu einer belieb- ten Gaststätte und zum Treffpunkt des Kösener Senioren-Convents-Verbands sowie weiterer Stu- dentenverbindungen ausgebaut (Trinkhalle von 1898/99). Beeindruckend sind weiterhin die ro- manische Ruine mit Bergfried, der Palas sowie die spätgotischen Wehrbauten. Der über der Schaumkalkzone (Rudelsburg, Abb. 67) folgende Mittlere Muschelkalk unterliegt stärkerer Erosion, weshalb der Hang unterhalb von Kreipitzsch etwas zurückgesetzt ist. Am Fahrweg nach Kreipitzsch befindet sich noch ein kleiner Aufschluss im Mittleren Muschelkalk. Dann win- det sich die Trasse direkt unter dem Dorf durch den Steilanstieg des Trochitenkalks (Basis Oberer Muschelkalk), die Hochfläche darüber nehmen die unteren Ceratitenschichten ein. Von der Rudelsburg hat man einen unverstellten Blick auf die nordwestliche Talseite mit dem gran- diosen Muschelkalksteilhang bei der Gaststätte Himmelreich (Abb. 68). Weiter nach Nordosten schließen sich die Hänge oberhalb von Bad Kö-

66 Denkmal für die im Krieg 1870–71 Gefallenen östlich der sen mit dem großen Steinbruch des Kalkwerks an. Rudelsburg. Es ist das älteste der Denkmale des Kösener Senio- Bei klarem Wetter sind auch die Steilhänge unter- ren-Convents-Verbands. Errichtet 1872, ist ihm der Oberschaft halb der Apostelberge gut zu erkennen – ein klei- samt Adler verloren gegangen. nes Fernglas erweist sich als nützlich.

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67 Blick auf die Saaleburgen von der gegenüberliegenden Talseite. Die Rudelsburg thront auf einer mächtigen Schaumkalkplatte, die bei- den Rundtürme der Burg Saaleck darunter auf Resten des gleichen Gesteins. Im Hintergrund Freiroda und Kreipitzsch.

68 Muschelkalksteilhang am Himmelreich. In der Mitte des Hanges ist das Doppelband der Terebratelbänke zu sehen, ganz oben das alte Steinbruchgelände in der Schaumkalkzone. Links unten in der Saaleschleife befand sich ein altsteinzeitliches Wildpferdjägerlager.

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ben sich ein Kamin und eine Latrine erhalten. Seit dem 16. Jahrhundert zunehmend ruinös, erfolg- ten um 1900 sowie in den 1920er- und 1930er-Jah- ren Instandsetzungen. Bis 1945 gehörte die Burg Hans-Wilhelm Stein, der den Mördern des deut- schen Außenministers Walter Rathenau († 24. Juni 1922) Zuflucht gewährte. Vom nördlichen Teil des Geländes aus kann man ungehindert zur Rudelsburg peilen und beobach- ten, dass der Schaumkalk dort ein ganzes Stück höher liegt. In diesem Gebiet nähert man sich all- mählich der nur wenige Kilometer in Richtung Bad Sulza entfernten Finnestörung. Nach der Be- 69 Gründung des östlichen Bergfrieds der Burg Saaleck auf einem sichtigung der Burg Saaleck geht es ein kurzes Erosionsrest der Hauptschaumkalkbank Stück weiter nach unten bis zu den ersten Häusern von Saaleck (an der Straßenbiegung kurz vor der Unterhalb des Himmelreiches sieht man im Hang Brücke über die Bahnlinie). An der rechten (öst- das Doppelband der Terebratelbänke plastisch her- lichen) Straßenseite treten jetzt instruktive Auf- vortreten. Sie tauchen nach Südwesten bis auf das schlüsse im Mittleren Wellenkalk mit Ballenstruk- Niveau von Stendorf ab und verschwinden süd- turen im höchsten Teil des angeschnittenen Profils westlich davon unter der Saaleaue. Ganz im Süd- zutage. westen öffnet sich das Ilm- zum Saaletal. Oberhalb Im Ort erreicht man die Straße von Bad Kö- von Großheringen-Unterneusulza leuchten an ei- sen nach Großheringen und folgt ihr nach rechts nigen schütter bewaldeten Teilen des Hanges die (Nordosten) zur Saalebrücke. Von der Brücke aus gelblichen Dolomite des Mittleren Muschelkal- kann man den Steilhang bei der Ausflugsgaststät- kes – nur zu erkennen bei guter Sicht (Fernglas!). te „Himmelreich“ gut überblicken. Der Steilhang Von der Rudelsburg geht man auf der Straße hin- zeigt die drei Bankzonen des Unteren Muschel- ab nach Saaleck (knapp 1 km). Zunächst sind klei- kalks, beginnend mit der nur wenige Meter über ne Anschnitte im Oberen Wellenkalk beobachtbar, dem Saaleniveau liegenden Oolithbankzone. Die- dann treten die Terebratelbänke sehr plastisch he- ser Bereich ist in der Vegetationsperiode durch raus. Etwas weiter unten im Hang folgt ein enger, das Laub der Bäume verdeckt. Sehr gut kann man tiefer Einschnitt im Mittleren Wellenkalk (Kuno- jedoch das Doppelband der wegen ihrer Verwit- klamm – eiszeitliches Erosionstal). Von der Kuno- terungsresistenz plastisch hervortretenden Te- klamm aus geht man das kleine Stück Seitenweg rebratelbänke verfolgen. Ganz oben im Hang er- zur Burg Saaleck, von der im Grunde nur die bei- kennt man einen Farbwechsel in gelbliche Töne. den Bergfriede erhalten sind. Dort stehen die basalen Dolomite des Mittleren Der vom Zugang aus vordere Bergfried steht auf Muschelkalks (Orbicularisschichten) über der Resten der unteren Schaumkalkbank (Haupt- Schaumkalkzone an. schaumkalkbank, Abb. 69). Die Burg ist in auffäl- Nach der Saalebrücke kommt man jetzt nach Len- lig enger Nachbarschaft zur Rudelsburg in der ers- gefeld. Hinter den ersten Häusern sieht man klei- ten Hälfte des 12. Jahrhundert errichtet worden. nere Aufschlüsse im tieferen Wellenkalk. Dann Die heutige Bausubstanz der beiden Bergfriede zweigt ein Weg nach links Richtung Himmelreich und die sie einst verbindenden Wohnbauten stam- ab. Man steigt nach oben zum Waldrand und hat men aber aus der Zeit um 1200. Im Westturm ha- von hier aus das ganze Tal mit den Saaleburgen und

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den Wellenkalksteilhang darunter im Blickfeld. Im Wäldchen kann man überall alte, längst verschüt- tete und verwachsene Steingruben im Ausstrich- bereich des Schaumkalks bis hin zum großen Steinbruchgelände am Himmelreich beobachten. Die alten Steinbrüche vermitteln einen vortreffli- chen Überblick über die Schaumkalkzone im Saa- legebiet. Die untere Schaumkalkbank ist hier be- sonders mächtig entwickelt. Im Wellenkalkmittel zur oberen Schaumkalkbank fällt ein dezimeter- mächtiges, sehr hartes Mikritbänkchen auf. Diese „Pflastersteinbank“ lieferte früher Material für den Straßenbau in Bad Kösen. Die obere Schaumkalk- bank (Abb. 70) verdient an diesem Ort besonde- re Aufmerksamkeit. Sie beginnt mit zwei bis drei feinkonglomeratischen Lagen, die deutlich her- auswittern und oft eine wellige, erosive Basis zei- gen. Darüber folgt etwa ein halber Meter Schaum- kalk mit zahlreichen Fossilien. Oft kommen die 70 Wellenkalkmittel mit Pflastersteinbank A) und Obere Schaum- Mollusken als kalzitische Ersatzschalen, sind aber kalkbank B) im Schaumkalkaufschluss am „Himmelreich“ kaum aus dem festen Gestein zu lösen. Einige Me-

71 Blick vom Himmelreich in die Saaleaue nach Süden. Im Hintergrund mündet bei Großheringen das Ilmtal in das von links (Südosten) kommende Saaletal.

398 Unterwegs im Saale-Unstrut-Triasland – Naturkundlich-geschichtliche Exkursionen — ter der basalen Dolomite des Mittleren Muschel- wenigen Minuten über ein letztes Stück Weg ent- kalks schließen das Profil nach oben ab. lang des Kurparks. Nun kann man sich auf der Terrasse der Gaststät- te stärken und die hervorragende Aussicht in das Saaletal genießen. Man schaut direkt auf das Pano- Exkursion 7: rama der Saaleburgen gegenüber und auf die Ein- mündung des Ilmtals in das Saaletal ganz im Süden Die Wanderung beginnt in Eckartsberga (Orts- bei Großheringen (Abb. 71). Von der Gaststätte aus mitte). Die Siedlung liegt mit ihrem Altstadtkern folgt man der asphaltierten Straße Richtung Bad direkt auf der Finnestörung (Abb. 72), während Kösen. Wieder in Lengefeld angekommen, geht es der südliche Teil des Ortes bereits auf dem Rand links nach Bad Kösen. Kurz vor dem beschrank- des Thüringer Beckens positioniert ist, wo Keuper ten Bahnübergang sieht man links den großen im Untergrund ausstreicht. Die Finnestörung be- Steinbruch des Kalkwerks, der einen großen Teil steht aus einem System von Einzelstörungen mit des Unteren und die basalen Partien des Mittleren schmalen Schollen mehr oder weniger steil auf- Muschelkalkes erschließt. Funde guter Kalzite und gerichteter Buntsandstein- und Muschelkalk­ Cölestine sind von diesem Steinbruch bekannt ge- schichten. Daher wiederholen sich die Schichten worden. Das Gelände kann man allerdings nur mit mehrfach in staffelartiger Form. Weil die festeren Genehmigung des Betreibers betreten. Schichten (Unterer Muschelkalk und Trochiten- Auf dem Rückweg zum Bahnhof sieht man west- lich der Bahnlinie überall Anschnitte und Klip- pen im Unteren Wellenkalk. Nach Passieren der Schranken kommt man wieder am Abzweig zur Fußgängerbrücke über die Saale an. Der Standort Kösen war für die Saale-Flößerei von zentraler Be- deutung. Neben Naumburg war hier der Sitz ei- nes sogenannten „Floßmeisters“.24 Ihm oblag die Kontrolle der Flößerei auf der Saale und ihren Ne- benflüssen. Für die zahlreichen Floßbediensteten wurden ab 1709 sogar eigens Unterkünfte errich- tet. Zusätzlich hatte man Einwohner aus dem Um- land zu Frondiensten verpflichtet. Sie mussten vor allem das geflößte Kurzholz bergen und in soge- nannten Scheitgärten stapeln. Holzgroßabnehmer waren z. B. die Salinen in Kösen, Dürrenberg und Halle. Anfang des 19. Jahrhunderts hatten die Sali- nen einen so außerordentlich großen Holzbedarf, dass die Lagerplätze der Floßstation Kösen nicht mehr ausreichten. Holzmangel und die aufkom- mende Braunkohlenutzung in den 1830er-Jahren, insbesondere aber die Eröffnung der Saalebahn im Mai 1874, führten schließlich zum Niedergang der 25, 26 Flößerei auf der Saale. 72 Exkursionskarte Route 7 Den Bahnhof, somit den Ausgangspunkt und nun Exkursionsziele 1 Aufschluss an der Eckartsburg ➡ 2 Karweghohle auch Endpunkt der Exkursion, erreicht man in („Kare“) ➡ 3 Hohlweg ➡ 4 Weg nach Lißdorf

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73 Blick von der Windmühle über Eckartsberga in das Thüringer Becken. Es ist wie in einem Visier im kleinen Talausschnitt zwischen den Muschelkalkrücken (steil gestellter Muschelkalk im Bereich der Finnestörung) zu erkennen. Das Tal, in dem die Altstadt liegt und durch das sich der Verkehr drängt, ist Folge einer beschleunigten Erosion auf einer Querstörung der Finnestörung. Hier paust sich also Tektonik bis auf die Anlage alter Verkehrswege durch. kalk) morphologisch sehr schön herauspräpariert sen. Die Schichten sind nicht nur nahezu senk- sind, besteht das Gelände aus mehreren Höhenrü- recht aufgerichtet, sondern zeigen intern noch cken (Abb. 73). diverse Verbiegungen und wirken durch kleine Von der Ortsmitte führt ein Wanderweg durch Störungen partiell wie zerhackt. Am auffälligsten den angrenzenden Wald hinauf zur Eckartsburg. sind die beiden klotzigen Terebratelbänke. Sie bil- In einigen Schleifen durchquert man den Wald den einen guten Leithorizont zur Orientierung. und kommt oben an der Windlücke an, ein be- Nach der Besichtigung des Aufschlusses geht es kannter Aufschluss am Burggraben der Eckarts- weiter zur Burg. Die angeblich von Markgraf Ek- burg (Abb. 74). Im hohlwegartigen Aufschluss ist kehard I. im Jahre 998 errichtete und nach ihm steil gestellter Unterer Muschelkalk des ersten gro- benannte Burg hat nicht an der heutigen Stel- ßen Störungszuges der Finnestörung aufgeschlos- le gelegen, sondern wahrscheinlich auf der „Al-

74 Geotop Muschelkalkaufschluss in der Windlücke an der Eckartsburg: steil gestellter Unterer Muschelkalk in der Finnestörung mit Tere- bratelbänken (im Bild links, hinter dem Rucksack)

400 Unterwegs im Saale-Unstrut-Triasland – Naturkundlich-geschichtliche Exkursionen — teburg“ beim Dorf Mallendorf. Im Jahre 1121 er- Muschelkalk) mit einzelnen Gebüschreihen am hielten die Ludowinger, die späteren Landgrafen, Südwesthang. Die „Vier Linden“ bilden eine mar- die Burg geschenkt. Sämtliche heute vorhandenen kante Landmarke auf der baumfreien Kuppe und Bauten und die bei Ausgrabungen freigelegte äl- sind nicht zu verfehlen. Von hier aus kann man tere Bausubstanz entstanden im späteren 12. und weit ins Land schauen. Nach Südosten blickt man frühen 13. Jahrhundert. Dazu gehören die Ring- über die Hänge (steil gestellter Muschelkalk im mauern der Kernburg, ein Wohnbau („Palas“) und Bereich der Finnestörung) in Richtung Eckarts­ ein Wohnturm im Westen, weitere Gebäude und berga. Dieses Gebiet war in den Napoleonischen die beiden bemerkenswerten gewölbten Kammer- Kriegen (1806) Schauplatz der Schlacht von Auer- tore im Osten und in der Vorburg. Die nördliche städt (Diorama kann in Auerstädt besichtigt wer- Ringmauer beeindruckt wegen der Geschlossen- den, das eigentliche Schlachtfeld war aber Hassen- heit der erhaltenen romanischen Substanz und hausen). Nach Süden-Südwesten fällt das Gelände der Qualität des Mauerwerks. Nach Zerstörun- rasch zum Thüringer Becken ab. Der erste flache gen 1247 erfolgten teilweise Neubauten (Wohn- Höhenrücken jenseits des Tales zwischen Auer- turm als Bergfried erhöht, Vorburgbergfried). Die städt und Reisdorf besteht aus Unterem Keuper nachmittelalterlichen Baumaßnahmen beschränk- mit Grenzdolomit am Top (früher in der alten ten sich zumeist auf die nötigsten Reparaturen der Ziegeleigrube Reisdorf aufgeschlossen). Bei kla- nunmehr wirtschaftlich genutzten Gebäude. Seit rer Sicht ist dahinter das Muschelkalkgewölbe 1860 wurde hier eine Gaststätte betrieben, die zu- des Ettersbergs bei Weimar gut zu erkennen. Die letzt 1926 einen Ausbau mit „Rittersaal“ erfuhr. Halbtrockenrasen des Gebietes beherbergen eine Zwischen 1991 und 1994 wurde die Gaststätte mo- artenreiche Flora wie an ähnlichen Plätzen der Re- dernisiert und durch einen Anbau erweitert. gion (Abb. 76–78). Besonders beeindruckend ist Beim Besuch der Eckartsburg empfiehlt sich der die Blütezeit der Kuhschellen (Pulsatilla vulgaris). Aufstieg auf den Bergfried, denn von dort aus Tausende blühender Pflanzen bilden dann einen kann man bei bester Rundumsicht Geomorpho- leuchtend blauen Teppich. logie betreiben und einige der nächsten Ziele in Von den Vierlinden geht man einen Weg den einen größeren Zusammenhang stellen (Abb. 75). Hang hinab zu einem Wanderweg auf halber Höhe Nach Nordosten schaut man auf einen Rücken mit (König-Friedrich-Wilhelm-III-Weg). Man wendet steil gestelltem Muschelkalk, auf dem eine Wind- mühle steht. Nach Süden öffnet sich der Blick in die weite Keuperlandschaft des Thüringer Beckens mit der alten Ziegeleigrube Reisdorf und dem Et- tersberggewölbe im Hintergrund. Nach Westen kann man das Streichen der Finnestörung mit dem Steilabfall zum Thüringer Becken weit verfol- gen. In nordwestlicher Richtung ist am Rande von Eckartsberga die Karweghohle zu erkennen. Da- hinter folgen nach einer flachen Talung die Mu- schelkalkhöhen bei Lißdorf. Von der Burg aus führt der Wanderweg nach Süd- osten durch einen Eichen-Hainbuchenwald mit artenreicher Flora zum Aussichtspunkt „Vierlin- 75 Blick vom Bergfried der Eckartsburg über Eckartsberga nach den“. Kurz vor diesem endet der Wald und wech- Nordwesten. Der Pfeil markiert den oberen Ausgang der Kar- selt in eine Rasenlandschaft (Halbtrockenrasen auf weghohle.

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78 Im September findet man die ausgewachsenen Raupen des Wolfsmilchschwärmers (Hyles euphorbiae) auf der Zypres- sen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias)

anlage in der Nähe der Eckartsburg und kommt bald wieder in Eckartsberga an. Hier orientiert man sich nun Richtung nordwestlichem Rand der Stadt und kommt zur Karweghohle. Die Karweghohle erschließt ein schönes Profil von steil gestelltem Unterem Wellenkalk von der Oo- lithbankzone bis kurz über der Wellenkalkbasis auf der Höhe (Rastplatz an der B 250). Vom Ort aus läuft man von der Oolithbankzone bis zum Basis- bereich des Unteren Wellenkalks, also vom Han- genden zum Liegenden! Die Oolithbänke sind hier nicht charakteristisch ausgebildet und auf den Schichtköpfen des Weges schwer auszumachen. 76/77 Aussichtspunkt „Vier Linden“ Ende März. Zu dieser Zeit Die Dolomitbank im oberen Bereich des Wellen- blühen Tausende von Kuhschellen in den Halbtrockenrasen auf kalkmittels der beiden Oolithbänke ist im Raum Muschelkalk. Eckartsberga aber sehr charakteristisch entwickelt und auch hier entsprechend leicht zu finden. Weiter sich hier nach rechts Richtung Eckartsberga, zu- oben hat man nicht nur die Schichtköpfe der steil nächst durch Gebüschstreifen, dann wieder durch gestellten Schichten unter sich, sondern an der Sei- den Wald. Überall am Wegesrand sind kleine, alte te auch schöne Anschnitte im Unteren Wellenkalk. Steingruben im Trochitenkalk zu sehen. Zuweilen Besonders die dünnplattigen Bereiche ganz oben, sind noch Schichtflächen zu erkennen. Der Tro- am Wegende (stratigrafisch ganz unten – an der Ba- chitenkalk am Rand der Finnestörung fällt steil sis des Unteren Wellenkalks!) zeichnen sehr schön zum Thüringer Becken ein. Nach kurzer Zeit un- die von der tektonischen Beanspruchung des Ge- terquert man die Sommerrodelbahn der Freizeit- steins herrührende Verbiegung nach.

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79 Von den „Vier Linden“ aus kann der Blick weit schweifen, wie hier Richtung Bad Sulza. In dieser Richtung schaut man nach Südosten, im Streichen der Finnestörung. Die Höhen bei Hassenhausen waren Schauplatz der sogenannten Schlacht von Auerstädt. Wegnamen und Denkmale erinnern daran. Heute findet man auf den Höhen und Hängen Ackerflächen im Wechsel mit Halbtrockenrasen. Mitte links ist auch eine Wachholderheide (mit artenreicher Flora) zu erkennen – eine seltene Pflanzengesellschaft in der Region.

hier aus hat man den Blick frei Richtung Lißdorf. Im Norden-Nordwesten erstreckt sich ein Höhen- rücken aus Muschelkalk mit zwei Schichtrippen: Die Schaumkalkzone bildet die Höhe und davor zieht sich eine niedrigere, bewaldete Schichtrippe auf Trochitenkalk hin. Den Übergang in die Senke bilden die Ceratitenschichten, durch eine Störung gegen Mittleren Buntsandstein versetzt. Am Rastplatz überquert man die Straße hin zur Windmühle (Abb. 80). Die Mühle liegt auf ei- ner Schichtrippe in der steil aufgerichteten Oo- lithbankzone, die von der Karweghohle in die- se Richtung weiterläuft. Früher konnte man dem Ausstrich der gelben, dolomitischen Zone im Zwi- schenmittel der Oolithbänke auf dem Weg folgen. 80 Die Windmühle von Eckartsberga steht auf einer Muschel- Dieses geologische Vergnügen hat man seit der kalkrippe direkt über der im Tal abgeduckten Stadt Asphaltierung leider nicht mehr. Geomorpholo- gisch bleibt es trotzdem spannend, denn der klei- Auf der Höhe erreicht man einen kleinen Rastplatz ne Rücken lässt gut den Verlauf der Finnestörung an der Bundesstraße nach Norden. Die kompli- erkennen und bildet zugleich die obere Stadtgren- zierten tektonischen Verhältnisse im Gebiet füh- ze von Eckartsberga. Von hier aus kann man sich ren dazu, dass man hier den Ausstrichbereich des wieder in die Stadt begeben und beendet dort den Röts mit seiner Verebnungsfläche erreicht. Von Rundgang um Eckartsberga.

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Exkursion 8: Buntsandsteinlandschaften Beispiel Schönburg – Goseck

Die Exkursion (Abb. 81) beginnt an der Gaststät- te „Felsenkeller“ am Ortsausgang von Naumburg Richtung Schönburg. Vom Parkplatz oberhalb der Gaststätte bietet sich eine hervorragende Aussicht in das Saaletal nach Eulau-Goseck. Unten an der Gaststätte sind schöne Aufschlüsse im Buntsand- 81 Exkursionskarte Route 8 stein (Basissandstein der Solling-Formation) zu Exkursionsziele 1 Buntsandstein in Schönburg ➡ 2 Buntsandstein in Leißling ➡ 3 Goseck ➡ 4 Observatorium bei Goseck ➡ 5 Eulau beobachten. Nachdem man sich dort umgesehen hat, geht man auf der Straße ein Stück Richtung Schönburg und erreicht nach einigen Straßenkur- Die Straße ist in den Buntsandstein gehauen wor- ven die Einmündung des Wethautals in das Saale- den und steile Sandsteinwände (Hardegsen-For- tal. Hier treibt der Wethaubach eine Wassermüh- mation) begleiten den Weg (Abb. 82). Selbst der le an (Neumühle), bevor er in die Saale mündet. Unterstand der Bushaltestelle ist in den Sandstein Nach dem Passieren der Neumühle geht es weiter gegraben worden. Von der Haltestelle aus ist ein nach Schönburg. Ein Steilhang mit Aufschlüssen Abstecher zur Burg empfehlenswert, von der aus im Buntsandstein begleitet die Straße. Schönburg man einen weiten Ausblick in das Saaletal hat. selbst ist ein einzigartiges „Buntsandsteindorf“. Die Schönburg ist wie die Rudelsburg eine Anlage

82 Die Ortsdurchfahrt von Schönburg ist in den Buntsandstein (Hardegsen-Formation) gehauen worden. An den steilen Wänden lässt sich der Gesteinsaufbau bequem studieren.

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83 Keller im Detfurth-Ton unterhalb des Fachbergs der Bischöfe von Naumburg. Die heute vorhande- Vom Fachberg führt der Weg immer weiter nach nen Ringmauern und Bauten entstanden im späte- Leißling. Hinter dem letzten Haus von Schönburg ren 12. bzw. frühen 13. Jahrhundert (Palas, Berg- ist noch ein schöner Aufschluss im Detfurth-Ton fried mit Kamin). In der größeren Vorburg hat ein und den basalen Bänken der Hardegsen-Formati- zweiter Bergfried gestanden. Innerhalb der Vor- on zu sehen. Dann geht es ein Stück an der Saa- burg wurde 1539/40 das Wohnhaus des Hegerei- le entlang. Nach einigen Hundert Metern biegt die ters (Jagd- und Forstbeamter) errichtet, das bis Saale zu einer großen Schleife Richtung Goseck ins 19. Jahrhundert als Försterei diente und seit ab und der Blick öffnet sich zur weiten Saaleaue 1927 als Gaststätte genutzt wird. Seit dem frühen bei Leißling. Man nimmt den Fahrweg bis Leiß- 19. Jahrhundert wurden Restaurierungen an der ling und erreicht den Ort nach einem knappen Ki- Burg durchgeführt, die auf den Erhalt der reizvol- lometer. len Ansicht der Burg im Saaletal gerichtet waren. Am Kirchweg kann man ein schönes Buntsand- Von der Burg geht es wieder zurück in das Dorf steinprofil durchwandern. Es reicht vom Top und weiter Richtung Leißling. Zunächst kommt der Detfurth-Formation (Detfurth-Ton) bis in man zum Fachberg, der oben von einem Weinberg den Hangendbereich der Hardegsen-Formation auf Buntsandstein (Basis der Hardegsen-Formati- (Abb. 84). Darüber folgt in Richtung Hochfläche on) eingenommen wird (ein schmaler Pfad führt noch teilweise mächtiger Löss, der in einigen Sei- zum Weinberg). Darunter, in der Steilwand, tritt tentälchen angeschnitten ist (zum Beispiel an der der Detfurth-Ton zutage (Abb. 83). In das relativ Straße zur Hochfläche). Biologisch bemerkens- weiche Gestein sind Keller gegraben worden. wert sind die Gewässer in den Resten von Saale-

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84 Teil der schönen Aufschlussserie (mittlerer Teil) in der Det- 85 Schloss Goseck über der Saaleaue furth-Formation am Kirchberg in Leißling

86 Schloss Goseck, ehemalige Klosterkirche, Blick vom Igelsberg 87 Schloss Goseck mit Austritt aus dem Schlosshof zum Wander- weg

altarmen direkt hinter dem Dorf auf Weißenfels zu. Mit der Fähre setzt man auf die andere Seite der Saale über. Der Weg führt nun weiter Rich- tung Goseck (Abb. 85). In der Aue liegen einige Gehölze als Reste des ehemals vorhandenen Auen- waldes. Wegen des Vorkommens seltener Pflanzen sind diese Gehölze heute unter Schutz gestellt (Na- turschutzgebiet „Saaleaue bei Goseck“). Schloss Goseck (Abb. 86 und 87) ist auf einem steilen Buntsandsteinhang errichtet worden. Den zum Bau benötigten Sandstein gewann man in un- 88 Direkt am Schloss beginnen am Wanderweg die alten Stein- mittelbarer Nachbarschaft (Abb. 88). Noch immer brüche im Buntsandstein (Solling-Formation). Hier ist der Bau- sind die hellen Wände alter Steinbrüche im Steil- stein für das Schloss gewonnen worden. hang gut erhalten und besonders im Winter schon

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89/90 Blick vom Schloss Goseck in das Saaletal Richtung Eulau-Naumburg – einmal in spätsommerlicher Stimmung und während des Winterhochwassers 2011 aus der Ferne zu erkennen. Bald hat man auch den steilen Aufstieg aus der Aue nach Goseck erreicht. Begleitet von kleinen Aufschlüssen im Buntsand- stein geht es bergan. Oben begibt man sich in den Schlosshof. In der Burg der Pfalzgrafen von Sach- sen wurde 1053 eine Klosterkirche geweiht. Im frühen 13. Jahrhundert erfolgten der Einbau eines hoch gelegenen Chores in der Vierung und die Er- richtung neuer Westtürme. Nach Abbrüchen um 1615 sind nur noch der Südwestturm und die bau- am Hang entlang Richtung Friedhof. Man passiert geschichtlich hoch bedeutsamen Ostteile erhalten schöne Aufschlüsse in meist gelblichen Sandsteinen geblieben, mit einer eindrücklichen Einstützen- der Solling-Formation und hat einen wunderbaren krypta unter dem Altarhaus. Zwischen 2007 und Blick in das Saaletal Richtung Eulau-Naumburg 2013 sind die erhaltenen Gebäude wiederherge- (Abb. 89). Bei Eulau ragt eine Buntsandsteinzunge stellt worden. Die Klausur auf der Saaleseite wur- weit in das Saaletal hinein. Sie wird von der Saale de in nachmittelalterlicher Zeit teilweise abgebro- in einer großen Schleife zum Felsenkeller umgan- chen oder ist im Renaissanceschloss aufgegangen. gen, bevor sie Richtung „Henne“ wieder zur ande- Vom Schloss aus führt ein Wanderweg (Abb. 88) ren Seite des Tals pendelt.

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91 Nachbildung des neolithischen Sonnenobservatoriums bei Goseck. Es ist Teil der archäologischen Route „Himmelswege“.

Unterhalb von Goseck liegt die Oeblitzschleuse begebieten können Hochwasser trotz moderner (1794) mit Wehr. Diese Anlage ist ein wasserbau- Schutzanlagen (im Saale-Oberlauf wurden bereits liches Element im System der Schiffbarmachung in den 1930er-Jahren Talsperren errichtet) gravie- der Saale und Unstrut von Weißenfels bis Artern. rende Schäden verursachen. Die Saale kann tückisch sein und erhebliche Hoch- Nachdem man den Weg bis zum Friedhof gewan- wasser erzeugen. In den vergangenen Jahren ist es dert ist, biegt man nun Richtung Sonnenobserva- mehrfach zu Überflutungen gekommen (Abb. 90). torium ein, durchquert ein Stück Wald und hat Früher waren Hochwasser für die Landwirtschaft vom Waldrand aus dann schon die Rekonstrukti- mitunter von Vorteil (Durchfeuchtung der Aue on des steinzeitlichen Sonnenobservatoriums im und fruchtbarer Schlick waren förderlich für die Blick (Abb. 91). Nach kurzer Strecke erreicht man Grünlandnutzung).27 Auch konnten die Hoch- diesen wichtigen archäologischen Punkt. Das Son- wasser im Frühjahr nach der Schneeschmelze von nenobservatorium Goseck entstand im Frühneo- zentraler Bedeutung für die Flößerei auf der Saale lithikum vor etwa 6.900 Jahren (Kultur der Stich- (1258 erstmals urkundlich belegt28) sein. Die hö- bandkeramiker) und gilt vielen Archäologen als here Transportkraft der abfließenden Wassermas- älteste bekannte Konstruktion dieser Art. Die heu- sen ließ sich nutzen und die Wehre konnten von tige Nachbildung ist auf den Spuren der alten An- den Flößern „überfahren“ werden. Aufgrund der lage errichtet worden. heute oftmals ackerbaulich geprägten Inwertset- Vom Observatorium geht der Blick in das Pödelis- zung der Flussaue durch die Landwirtschaft sowie ter Tal, ein pleistozänes Saaletal. In der Ferne sind durch den Neubau von Wohnhäusern und Gewer- der Bergfried der Neuenburg bei Freyburg und

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92 Winterliche Saaleaue mit Blick nach Schönburg und zum Bergfried der Burg

Seitental wieder in das Saaletal (Abb. 92). Im zei- tigen Frühjahr blühen in dem feuchten Tal zahl- reiche Märzenbecher (Abb. 93). Am Ausgang des Tals findet man an der nordöstlichen Seite noch einen sehenswerten, aber leider stark verbuschten Aufschluss im Buntsandstein. Kurz darunter er- reicht man zwischen Weinbergen die Saale bei Eu- lau. Das Dorf schmiegt sich an einen Buntsand- steinsporn. Auf der südwestlichen Seite des Sporns werden in einer Kiesgrube Schotter der Mittelter- rasse der Saale gewonnen. Ein Blick in die Kies- grube lohnt sich, betreten kann man sie aber nur 93 In den Seitentälern des Saaletales zwischen Goseck und Eulau mit Erlaubnis des Betreibers. blühen im zeitigen Frühling die Märzenbecher (Leucojum vernum) Von Eulau aus hat man zwei Optionen für das letzte Stück Exkursion. Entweder wandert man di- die Weinberge darunter gut zu erkennen, ebenfalls rekt durch die weite Saaleaue nach Schellsitz und der Waldhang des Rödelplateaus hinter Nißmitz. setzt mit der Fähre zum „Felsenkeller“ über. Dann Das Pödelister Tal dokumentiert die teilweise er- kommt man direkt zum Ausgangspunkt zurück. heblichen Laufverlegungen der Flüsse im Pleis- Ausdauernde Wanderer können aber weiter aus- tozän. Vom Observatorium geht es nun über ein holen und von Eulau aus zur Henne weiterlaufen.

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zurückkehren muss (geparktes Fahrzeug), über- quert man an der Henne die Saale und geht auf dem Saale-Radweg ein Stück des großen Saalebo- gens zurück zum „Felsenkeller“. Wer diesen Weg nicht wählen muss, kann noch unter Weinbergen auf Buntsandstein durch den Blütengrund bis zum Steinernen Bilderbuch wandern, von dort zur Saa- lefähre zurückkehren (Fährhaus mit Hochwas- sermarken) und zum Campingplatz übersetzen. Nach etwa 2 Kilometern Weg durch die Aue er- reicht man die Stadt Naumburg in der Nähe des Bahnhofs. 94 Weinberge auf Buntsandstein am Blütengrund Nachfolgend wird die Route bis zum äußersten Endpunkt ausgeführt. Es geht also von Eulau wei- Man passiert dann noch eine schöne Weinberg­ ter, zunächst bis zur „Henne“. Dann führt der Weg landschaft mit einigen Aufschlüssen im Bunts- durch den Blütengrund mit seinen Streuobstwie- andstein und kann in einer Gaststätte in der al- sen Richtung Fähre, begleitet von Weinbergen auf ten Hennen-Brauerei einkehren und sich stärken. Buntsandstein (Abb. 94). Man passiert das Gelän- Wenn man zum Ausgangspunkt „Felsenkeller“ de an der Fähre kurz vor der Unstrutmündung

95 Ein Stück „Steinernes Bilderbuch“ im Steinauerschen Weinberg am Blütengrund

410 Unterwegs im Saale-Unstrut-Triasland – Naturkundlich-geschichtliche Exkursionen — und kommt bald zum „Steinernen Bilderbuch“ im verlor seine überregionale Bedeutung. Als Wohn- Steinauerschen Weinberg. Den anstehenden Bunt- stadt bürgerlicher Pensionäre und als preußischer sandsteinfelsen hat man mit zahlreichen Reliefs, Garnisonsstandort erfuhr es dennoch – ohne be- vor allem zu biblischen Themen mit Bezug zum deutende Industrie – beträchtliche wirtschaftli- Weinbau, geschmückt (Abb. 95). In Auftrag gege- che Blüte. Nicht zuletzt diesem Umstand ist es ben wurde diese Arbeit aus dem Jahr 1722 vom geschuldet, dass Naumburgs beachtliche Bausub- Hofjuwelier Steinauer anlässlich des zehnjährigen stanz unbeschadet bis heute überliefert ist. Thronjubiläums des Landesfürsten Herzog Chris- In Naumburg endet die letzte der vorgestellten Ex- tian von Sachsen-Weißenfels. Der Herzog selbst ist kursionen. Ein Besuch im Naumburger Dom bie- zu Pferde reitend abgebildet. In seiner Vielfalt und tet sich als Schlusspunkt an, denn hier kann man Monumentalität ist das Relief einmalig. Es zeigt al- selbst in Augenschein nehmen, welch einzigarti- lerdings deutliche Verwitterungsschäden, die vor ge bildhauerischen Glanzleistungen der heimi- allem im Laufe des letzten Jahrhunderts entstan- sche Schaumkalk aufgrund seiner besonderen Ge- den sind. Ein Vorläufer dieses Reliefs ist wohl der steinsbeschaffenheit ermöglicht hat. Naumburgs „Steinerne Engel“ am Mühlenwanderweg (Krop- gute Verkehrsanbindung erleichtert auch die Ab- pental, Schönburg). Kurz nach dem Passieren des und Weiterreise. Steinernen Bilderbuchs kommt man zu Klingers Weinberg. Der im Jahr 1920 verstorbene Leipzi- ger Bildhauer und Maler Max Klinger hat kurz Anmerkungen vor seinem Tod ein Wohnhaus auf dem nunmehr nach ihm benannten Weinberg bezogen. Ein zwei- 1 Deutsch, M.: Exkursion zur Umweltgeschichte im mittelalterli- chen und frühneuzeitlichen Thüringen – Exkursionsmaterial (III), geschossiges Weinberghäuschen („Radierhäus- unveröffentlichter Exkursionsführer, Erfurt 2011. chen“) wurde ebenfalls von Max Klinger als Atelier 2 Deutsch, M.: Quellentexte zur Geschichte der Unstrut (Teil genutzt. Der Weinberg selbst besticht durch seine V): Die Polizeiverordnung betreffend die Benutzung des Leinpfa- Trockenmauern und Terrassen. des an der Saale und Unstrut mit Zugtieren aus dem Jahr 1879, in: Vom „Steinernen Bilderbuch“ kehrt man zurück ­ARATORA – Zeitschrift des Vereins für Heimatkunde, Geschichte zur Fähre und setzt auf die andere Saaleseite über. und Schutz von Artern e. V. 20, 2010, S. 156. Am Campingplatz entlang führt ein Fahrweg nach 3 Schmölling, A.; Schmölling, K.: 200 Jahre schiffbare Unstrut: Naumburg, das man in der Nähe des Bahnhofs er- 1795–1995, Artern 1994. reicht. Der Name Naumburg geht auf die „Neue 4 Wie Anm. 2. 5 Wie Anm. 3. Burg“ der Ekkehardinger in der Zeit der Markgra- 6 Witkowski, C.: Wassertourismus 2.0. Die Entwicklung eines fen von Meißen zurück, die mit einer Siedlung (im smartphonegeführten Themenpfades zur Fließgeschichte der Un­ Bereich des heutigen Domplatzes) angelegt wurde. strut zwischen Roßleben und Freyburg, Masterarbeit am Geogra- Im Jahre 1029 begann der Bau des ersten Naum- phischen Institut der Georg-August-Universität Göttingen 2013. burger Doms; der Sitz des Bistums wurde von 7 Schlenker, G.; Laubner, J.: Die Unstrut – Portrait einer Kultur- hierher verlegt. In dieser Zeit stieg Naum- landschaft, Halle 2002. burg auch zu einem bedeutenden Handelszentrum 8 Scholz, R.; Strejc, W.; Uhlmann, H.-W.: Hochwasserschutz an auf. Domfreiheit und Marktsiedlung (Bürgerstadt) der Unstrut in Sachsen-Anhalt. Historische und aktuelle Betrach- sind noch heute baulich deutlich voneinander ab- tungen, in: Deutsch, M.; Pörtge, K.-H.; Teltscher, H. (Hg.): Beiträge zum Hochwasserschutz/Hochwasserschutz in Vergangenheit und getrennte Einheiten, die sich unabhängig vonei- Gegenwart, 2010, S. 173–189 (Erfurter Geographische Studien 9). nander entwickelt haben. Die bischöfliche Macht 9 Wie Anm. 6. ging im Zuge der Reformation verloren, das pro- 10 Wie Anm. 7. testantische Naumburg fiel an die sächsischen 11 Kugler, H.; Schmidt, W.: Das Gebiet an der unteren Un­ Kurfürsten, und schließlich 1815 an Preußen und strut. Ergebnisse der heimatkundlichen Bestandsaufnahme in den

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