Erfolgskontrolle Revitalisierung

Gontenschwil – Mikrohabitate und Fische

Abschlussbericht :12.05.2017

Impressum

Auftraggeber Departement Bau, Verkehr und Umwelt Abteilung Wald, Sektion Jagd und Fischerei Entfelderstrasse 22 5001 Tel.: 062 835 28 50 Fax: 062 835 28 59 E-Mail:[email protected]

Auftragnehmer Aquabios GmbH Les Fermes 57 CH-1792 Cordast Tel: +41 (0)78 835 73 71 http://www.aquabios.ch

Autor Pascal Vonlanthen: [email protected]

Zitiervorschlag: Aquabios 2017. Erfolgskontrolle Revitalisierung Wyna – Mikrohabitate und Fi- sche Aquabios GmbH, Auftraggeber: Kanton , Abteilung Landschaft und Gewässer und Abteilung Gewäs- ser und Wald, Sektion Jagd und Fischerei.

Foto Titelseite: Die Wyna in der revitalisierten Strecke bei Gontenschwil.

Verdankungen Wir bedanken uns bei der Sektion Jagd und Fischerei vom Kanton Aargau für den Auftrag. Bei Christian Tesini, Guy Périat, Jonathan Paris, Hervé Décourcière, Timon Polli, Daniel Schlunke, Thomas Kreienbühl, Lisa Wilsmeier und Germain Dellay bedanken wir uns für die Tatkräftige Unterstützung im Feld. Jennifer Vonlanthen-Heuck für die kritische Durchsicht des Dokumentes. Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Inhaltsverzeichnis

INHALTSVERZEICHNIS ...... 3 1 EINLEITUNG...... 4

1.1 AUSGANGSLAGE ...... 4 1.2 DIE WYNA ...... 4 1.3 AUFTRAG ...... 8 2 METHODEN ...... 9

2.1 IAM-BEWERTUNG ...... 9 2.2 UNTERSUCHTE STRECKEN ...... 10 2.3 ELEKTRO-ABFISCHUNGEN...... 14 2.4 HISTORISCHES FISCHARTENSPEKTRUM DER WYNA...... 14 3 RESULTATE STRECKE 1 – KONTROLLE ...... 16

3.1 HABITATAUFNAHMEN ...... 16 3.2 FISCHE ...... 18 3.3 FAZIT STRECKE 1 - KONTROLLSTRECKE ...... 19 4 RESULTATE STRECKE 2 – REVITALISIERT VERZWEIGT ...... 20

4.1 HABITATAUFNAHMEN ...... 20 4.2 FISCHE ...... 22 4.3 FAZIT STRECKE 2 – VERZWEIGT REVITALISIERT ...... 24 5 RESULTATE STRECKE 3 – MÄANDRIEREND REVITALISIERT ...... 25

5.1 HABITATAUFNAHMEN ...... 25 5.2 FISCHE ...... 27 5.3 FAZIT STRECKE 1 - KONTROLLSTRECKE ...... 29 6 RESULTATE - VERGLEICHE ZWISCHEN DEN STRECKEN...... 30

6.1 HABITATAUFNAHMEN ...... 30 6.2 FISCHBESTAND ...... 31 6.3 VERGLEICH IAM UND FISCHBESTAND ...... 33 7 DISKUSSION ...... 34 8 SCHLUSSFOLGERUNGEN ...... 37 9 EMPFEHUNGEN ...... 37

9.1 HABITATE ...... 37 9.2 WASSERTEMPERATUR ...... 38 9.3 GESCHIEBE ...... 38 9.4 FEHLENDE TYPISCHE FISCHARTEN ...... 39 9.5 EINFLUSS ARA ...... 39 10 LITERATURVERZEICHNIS ...... 40

3 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

1 EINLEITUNG

1.1 Ausgangslage

Das Gewässerschutzgesetz sieht vor, dass die Kantone für oberirdische Gewässer genügend Raum festlegen, damit diese ihre natürlichen Funktionen erfüllen können (Art. 36a Abs. 1 Bst. a Bundesgestz über den Schutz der Gewässer, Gewässerschutzgesetz, GSchG, SR 814.20). Weiter sorgen die Kantone für die Revitalisierung von Gewässern (Art. 38a GSchG). Eine Revi- talisierung ist die Wiederherstellung der natürlichen Funktionen eines verbauten, korrigierten, überdeckten, eingedolten oberirdischen Gewässers mit baulichen Massnahmen (Art. 4 Bst. m GSchG). Sie stellen eine ökologische und landschaftliche Aufwertung der Gewässer und deren Gewässerräume dar. Massnahmen zur Revitalisierung sind insbesondere die Wiederherstel- lung des natürlichen Verlaufs und die naturnahe Gestaltung von Gewässern und Gewässer- räumen (ausführlich zum Begriff der Revitalisierung, Fritsche, in: Hettich/Jansen/Norer, GSchG/WBG, Zürich 2016, Art. 38a, Rn. 4 ff.). Dabei ist auch die Zielsetzung des Bundesgesetz über die Fischerei (BGF, SR 923.0) zu berücksichtigen, wonach die natürliche (also standortge- rechte) Artenvielfalt und der Bestand der einheimischen Fische, Krebse und Fischnährtiere sowie deren Lebensräume zu erhalten, zu verbessern oder nach Möglichkeit wiederherzustel- len sind (Art. 1 Abs.1 Bst. a BGF). Idealerweise wird also der ursprüngliche und natürliche Zu- stand wieder hergestellt. Da dies in vielen Fällen, z.B. in städtischen Gebieten oder aufgrund von Hochwasserschutz sowie land- oder forstwirtschaftlichen Interessen nicht möglich ist, müssen häufig Kompromisslösungen gefunden werden. Bei diesen Kompromisslösungen ist zu beachten, dass die standortgerechte Fauna und Flora gefördert werden soll.

In den nächsten 20 Jahren sollen in der Schweiz ca. 4000 km Fliessgewässer ökologisch aufge- wertet werden. Die Massnahmen, die zu diesem Zweck getroffen werden, sind vielfältig. Von kleinräumigen und wenig aufwendigen „Instream“-Massnahmen bis grossräumigen Renaturie- rungen sind alle Zwischenstufen vertreten. Oft wird allerdings nicht untersucht wie sich diese Massnahmen auf das Ökosystem auswirken. Um die Effizienz der verschiedenen Massnahmen einstufen zu können sind deshalb Wirkungskontrollen notwendig. Dies um in Zukunft mög- lichst wirksame Massnahmen umzusetzen und Fehlplanungen zu vermeiden. Derzeit arbeitet eine Arbeitsgruppe von Bund, Kantonen und Forschung daran, eine standardisierte Herange- hensweise für Wirkungskontrollen auszuarbeiten. Vorgaben daraus liegen bisher aber noch keine vor.

Im vorliegenden Dokument werden die Resultate von Mikrohabitataufnahmen (IAM) und elektrischen Befischungen der Wyna bei Gontenschwil/ zusammengetragen und aus- gewertet. Da im Rahmen der Projektierung keine Zielvorgaben definiert wurden, orientiert sich die Wirkungskontrolle am naturnahen Ursprungszustand, also dem Zustand mit einem gerin- gen menschlichen Einfluss. Dies entspricht den gesetzlichen Vorgaben aus BGF und GSchG.

1.2 Die Wyna

Die Wyna ist ein 32 Kilometer langes Gewässer und fliesst durch die Kantone Luzern und Aar- gau (Abbildung 1-1). Die Quelle befindet sich im Kanton Luzern auf einer Höhe von 759 m. ü. M. im Chegelwald oberhalb von Neudorf. Die Grenze zum Kanton Aargau wird nach rund 10

4 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna km zwischen Beromünster und überschritten. Nördlich von Suhr mündet die Wyna in die . Verschiedene Befunde zeigen, dass die Wyna und deren Seitengewässer früher stark bestockt waren [1]. Heute ist das Wynatal durch eine intensive menschliche Nutzung aus Landwirtschaft, Industrie und Siedlungen geprägt.

Abbildung 1-1. Übersichtskarte der Hauptgewässer im Kanton Aargau. Die Wyna, die bei Suhr in die Suhre mündet, ist rot eingezeichnet. Der revitalisierte Standort ist mit einem gelben Punkt mar- kiert.

Der Untersuchungsperimeter liegt zwischen Zetzwil und Reinach (Abbildung 1-1). Ursprünglich lag in diesem Bereich ein Moor (Abbildung 1-5, Abbildung 1-2). Seitlich war dieses durch die Moräne des ehemaligen Reussgletschers begrenzt. Die Wyna floss verzweigt in mehreren Flussarmen (die Grienwyna, Brunnwyna, mittlere Wyna und Krebswyna) durch das Moor [2]. Sie wurde im Bereich des Moores durch mehrere kleine Zuflüsse gespiesen (Abbildung 1-2).

Abbildung 1-2. Michaeliskarte der Wyna im Gontenschwiler Moos (ca 1840, Quelle AGIS).

5 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Mit der Wynenmelioration im ersten Weltkrieg (1914 - 1918) wurde das Moor ausgetrocknet und die Wyna begradigt und in ein einziges Gerinne gezwängt [3]. Dabei wurde das Gerinne der Wyna tiefer gelegt und verbreitert [1, 2]. Das Moor wurde mittels unzähliger Drainagen ausgetrocknet [2]. Im Rahmen des Projekts „Wyna – Hochwasserschutz, Renaturierung und rückwärtige Erschliessung“ wurde im Bereich von Zetzwil und Gontenschwil eine Strecke von ca. 1.8 km revitalisiert. Die vorher stark beeinträchtige Ökomorphologie wird nun als naturnah bzw. wenig beeinträchtigt eingestuft (Abbildung 1-6). Dabei bezieht sich naturnah und wenig beeinträchtig nicht auf den ursprünglichen Zustand (ein Moor), sondern auf die Methode der Ökomorphologie Stufe F [4], welche den historischen Referenzzustand nicht berücksichtigt.

Abbildung 1-3. Ausschnitt des Verlaufs der Grienwyna, der geplanten Drainagen und des ebenfalls geplanten Brüg- gelmooskanals [2].

Abbildung 1-4. Die Grienwyna um 1910 [2].

6 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 1-5. Im Hintergrund die Siegfriedkarte von 1880 und rot eingezeichnet der Verlauf der Wyna von heute (Karten AGIS Kanton Aargau).

7 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 1-6. Beurteilung der Ökomorphologie der Wyna im Untersuchungsperimeter. Die revitalisierten Strecken sind als blau und grün, also wenig beeinträchtigt oder naturnah eingestuft. (Karten AGIS Kanton Aargau). Vor der Revitalisierung waren diese stark beeinträchtigt.

1.3 Auftrag

Der Auftrag beinhaltet, in zwei Strecken der revitalisierten Wyna und in einer nicht revitalisier- ten Strecke Mikrohabitataufnahmen nach der IAM-Methode durchzuführen, die Diversität sowie die Qualität des Habitats für Fische zu berechnen und quantitative Abfischungen durch- zuführen. Die Resultate der Abfischungen sollen den Habitaten gegenübergestellt werden. Diese Resultate sollen mit einem theoretischen naturnahen Zustand verglichen werden.

8 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna 2 Methoden

2.1 IAM-Bewertung

Beim sogenannten IAM (Indice d’attractivité morphodynamique) wird nicht nur die Diversität, sondern auch die Attraktivität der Habitate für die Fischfauna berechnet [5]. Dabei werden die Tiefen- und Geschwindigkeitsvariabilität des Niederwassergerinnes anhand von 10-15 Quer- profilen erhoben. Zusätzlich werden die verschiedenen Mikrohabitate kartiert und ihre Attrak- tivität bewertet. Biogene Mikrohabitate für Fische wie unterspülte Ufer, Totholzansammlun- gen, Blöcke und aquatische Vegetation werden dabei höher bewertet als weniger attraktive Mikrohabitate wie Schlamm, Sand oder Fels. Es ist mit der Methode somit möglich, sowohl die Diversität der Habitate als auch deren Attraktivität für die Fische zu erfassen.

Abbildung 2-1. Messungen der Wassertiefe und der Fliessge- schwindigkeit entlang von Querprofilen.

Der Attraktivitätsindex IAM wird aus einer Kombination aus Wassertiefe, Geschwindigkeit (Abbildung 2-1), der Anzahl Substrate und der Attraktivität der Substrate berechnet. Die Me- thode ist zwar noch nicht in der Schweiz publiziert worden, sie wurde aber bereits in der Schweiz und in Frankreich zusammen an über 250 Strecken angewendet. Im Zusammenhang mit der Wyna ist zu erwähnen, dass die Methode für Forellengewässer mit einer guten Was- serqualität bezogen auf die Gesamtfischbiomasse gute Resultate liefert (Abbildung 2-2). Durch die hohe Anzahl an Strecken, die bereits mit der Methode untersucht wurden, konnten auch statistische Grenzen zwischen Fliessgewässern, die als attraktiv oder als wenig attraktiv gelten, gezogen werden. Weiter konnte der Index für unterschiedliche Gewässerbreiten standardisiert werden.

9 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 2-2. Korrelation zwischen dem standardisierten IAM und der Fischbiomasse für Forellengewässer mit guter Wasserqualität.

Da sowohl der HMID als auch das IAM auf der Tiefenvariabilität und der Geschwindigkeitsvari- abilität basieren, können die Resultate der beiden Indizes sehr ähnlich ausfallen falls die At- traktivität der Habitate und die Anzahl Substrate mit der Variabilität dieser Paramater korre- liert, wovon jedoch nur in wenigen Fällen auszugehen ist (Abbildung 2-3). Für die Wyna wur- den jeweils beide Indices (HMID und IAM) berechnet.

Abbildung 2-3. Schematische Darstellung von drei Querprofilen: a) ein Gewässer mit geringer Variabilität und gerin- ger Attraktivität; b) ein Gewässer mit hoher Variabilität und nur mittelmässiger Attraktivität für Fische, da kaum Unterstände für Fische vorhanden sind; c) ein Gewässer mit hoher Variabilität und hoher Attraktivität für Fische.

2.2 Untersuchte Strecken

Drei Strecken wurden im Rahmen dieser Studie untersucht (Abbildung 2-5). Die erste ist eine nicht revitalisierte Kontrollstrecke, ist 92 m lang und liegt ca. 120 m oberhalb des revitalisier- ten Bereichs. (Abbildung 2-4, Abbildung 2-5).

10 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 2-4. Strecke 1: Nicht revitalisierte Kontrollstrecke. Diese liegt ca. 650 m oberhalb von Strecke 2 und ca. 120 m oberhalb der Revitalisierung.

Abbildung 2-5. Lokalisierung der Untersuchungstrecken in der Wyna.

11 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 2-6. Die Strecke 2 liegt im revitalisierten Bereich der Wyna. An diesem Standort wurde die Wyna in zwei verzweigten Gerinnen ausgebaut.

Abbildung 2-7. Google Earth Aufnahme der Strecke 2 von 2009 (links: kurz nach dem Bau) und 2014 (rechts: ca. 6 Jahre nach dem Bau).

Die zweite Strecke liegt ca. in der Mitte des revitalisierten Bereiches. Das Gewässer wurde hier in zwei Gerinnen verzweigt ausgebaut. Die untersuchte Strecke ist 90 m lang (Abbildung 2-6).

Abbildung 2-8. Strecke 3 liegt im Bereich mit etwas mehr Gewässerraum.

12 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Die dritte Strecke liegt im Bereich mit mehr Gewässerraum. Das Wasser fliesst hier in einem etwas breiteren Niederwassergerinne Die untersuchte Strecke ist 87 m lang (Abbildung 2-8). Dieser Abschnitt wurde nach der Erfolgskontrolle erneut umgestaltet. Der ehemals vorhande- nen zweite Arm, der zwischenzeitlich verlandet war, wurde erneut in Wasser gesetzt (Abbildung 2-10).

Abbildung 2-9. Google Earth Aufnahme der Strecke 3 von 2009 (links: kurz nach dem Bau) und 2014 (rechts; ca. 6 Jahre nach dem Bau).

Abbildung 2-10. Strecke 3 nach den neuerlichen Baumassnahmen Ende 2016.

13 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

2.3 Elektro-Abfischungen

Die elektrischen Befischungen wurden quantitativ durchgeführt. Dazu wurden zwei Anoden eingesetzt. Das obere Streckenende wurde jeweils mittels eines Netzes abgesperrt. Es wurden jeweils drei Durchgänge durchgeführt. Die gefangenen Fische wurden nach Art bestimmt, ver- messen und gewogen und danach wieder in der Strecke freigelassen. Die Anzahl Fische pro Strecke wurde pro Art nach der Methode von Carle & Strub geschätzt [6].

2.4 Historisches Fischartenspektrum der Wyna

Historische Informationen zum Fischbestand in der Wyna konnten nur wenige gefunden wer- den. Hofer erwähnt im Jahr 1911, dass die Wyna führ seine Forellen bekannt war [7]. In Gon- tenschwil, also im ehemaligen Moos, wurden die Schleien als besonders häufig beschrieben. Der Schneider soll nur bis vorgekommen sein. Der Alet bis Gränichen (also nur im untersten Bereich der Wyna). Das Bachneunauge bis mindestens Oberkulm. Ohne genaue Standortangaben werden für die Wyna auch noch die Groppe, der Gründling, der Hecht und der Aal beschrieben.

Es ist daher davon auszugehen, dass die obere Wyna ursprünglich der Forellenregion angehört (Biotypologie B4 bis B5 nach Verneaux [8]). Das Gontenschwiler Moor dürfte diesbezüglich teilweise eine Ausnahme dargestellt haben, durch das geringe Gefälle und die damit einherge- henden langsamen Strömungsverhältnisse und wärmeren Wassertemperaturen, dem hohen Säuregehalt usw. waren wohl auch Fischarten vorhanden, die normalerweise nicht in der Fo- rellenregion anzutreffen sind, dazu gehört wohl die durch Hofer erwähnte Schleie und mög- licherweise noch andere Arten wie der ebenfalls in der Wyna erwähnte Hecht. Inwiefern diese wirklich im Gerinne der Wyna vorkamen, oder nur in Seitengewässern oder Tümpeln des Moo- res ist unklar aber eher unwahrscheinlich. Es ist daher anzunehmen, dass früher typische Arten der Forellenregion (Forelle, Elritze, Groppe, Schmerle, Bachneunauge) häufig gewesen sind. Andere Arten wie die Schleie kamen im Bereich des Moores wohl auch zahlreich vor.

Abbildung 2-11. Einstufung der Fischzonierung der Wyna nach Huet [9]. Grafik angepasst von [10].

14 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 2-12. Vermutete historische Referenz der Fische für die Wyna in Gontenschwil (grau: Für Bachforellenre- gion typisch; schraffiert: für Bachforellenregion atypisch).

Tabelle 2-1. Erwartungswerte für die Biomasse und die Dichte für einen natürlichen Fischbestand in einem Gewäs- ser der unteren Forellenregion und für die in der Literatur erwähnten Arten.

Biomasse Abundanz Referenz Min [kg/ha] Max [kg/ha] Min [N/ha] Max [N/ha] Forelle 4 102 204 2'000 4'000 Groppe 2 5 10 750 1'500 Elritze 3 9 18 3'500 7'000 Bachneunage 5 1 800 Schmerle 4 32 64 8'000 16'000 Gründling 3 10 20 1'150 2'300 Alet 0 0 0 Hecht 1 7.5 15 20 50 Schleie 3 7.5 15 50 100 Rotfeder 0 0 0 Karpfen 0 0 0 Total 174 346 16'270 30'950

15 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna 3 Resultate Strecke 1 – Kontrolle

3.1 Habitataufnahmen

Die Mikrohabitate in diesem Abschnitt werden durch Kies und Kiesel (2-200 mm) dominiert (Abbildung 3-1). Vorhanden aber nicht häufig sind Blöcke ohne Interstitial, Sand, Fels/Hart verbaut, Blöcke, überhängende Vegetation, kolmatierte Kiesel, Bryophyten und kleine Wur- zeln, Feinsedimente. Für Fische besonders attraktive Substrate wie Totholz, unterspülte Ufer, Vegetation (im Wasser oder überhängend) fehlen. Insgesamt ist die Substratzusammensetzung für Fische wenig vielfältig und wenig attraktiv.

Abbildung 3-1. Substratzusammensetzung der Strecke 1 (Kontrolle).

Die Tiefenvariabilität dieser Strecke ist gering. So kommen nur drei Tiefenklassen vor, was für ein Gewässer wie die Wyna zu wenig ist. Die gesamte Strecke wird von mittleren Tiefen zwi- schen 20 cm bis 70 cm dominiert. Daher sind auch zu wenige Flachwasserbereiche vorhanden. Vollständig fehlen Kolke, die den grösseren Fischen Unterschlupf bieten (Abbildung 3-2). Eine Abfolge von Furt-Kolk Sequenzen ist nicht vorhanden.

Abbildung 3-2. Häufigkeit der Tiefenklassen der Strecke 1 (Kontrolle).

16 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Die Fliessgeschwindigkeiten in der Kontrollstrecke sind eher diversifiziert. So gibt es strö- mungsberuhigte und durchströmte Bereiche (Abbildung 3-3). Das Strömungsbild ist aber ho- mogen (Abbildung 3-4) und Furten mit hohen Fliessgeschwindigkeiten fehlen (> 80 cm/s).

Abbildung 3-3. Häufigkeit der Fliessgeschwindigkeitsklassen der Strecke 1 (Kontrolle).

Insgesamt sind die Tiefen- und Geschwindigkeitsvariabilität in der nicht revitalisierten Kontroll- strecke der Wyna bei Gontenschwil niedrig. Daher fällt der HMID tief aus. Auch der genauere Diversitätsindex des IAM, der auch die Substrate mit einbezieht, ist sehr niedrig. Dies ist durch den hohen Anteil am Mikrohabitat mittlerer Tiefe und mittlerer Fliessgeschwindigkeit mit Kies und Kieselsubstrat zu erklären. Dazu kommt eine geringe Attraktivität. Der IAM-Wert liegt bei unattraktiven 0.49. Dies weil attraktive Substrate wie Totholz, unterspülte Ufer und Vegetation fehlen, weil die Substratvielfalt gering ist und weil Kolken und schnellfliessende Stellen fehlen.

Abbildung 3-4. Substrate, Geschwindigkeit und Tiefe der Strecke 1 (Kontrolle). Angegeben sind ebenfalls der Attrak- tivitäts-Index nach IAM, die Diversität der Habitate nach IAM (basierend auf Tiefe, Geschwindigkeit und Substrate) und der Hydromorphologische Index der Diversität (basierend auf Tiefe und Geschwindigkeit).

17 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

3.2 Fische

3.2.1 Artenzusammensetzung In der Kontrollstrecke wurden 2016 insgesamt fünf Fischarten gefangen (Groppe, Elritze, Fo- relle, Schmerle, Alet). Zahlenmässig war das Elritze dominant (56 % der Fänge) vor der Groppe (38 %). Forellen, Schmerlen und Alet wurden nur wenige gefangen (Abbildung 3-5). Die Bio- masse ist gleichmässiger auf vier der fünf Arten verteilt. Die Forelle stellt mit 28 % den gröss- ten Anteil an der Biomasse, gefolgt von Elritze (27 %) Groppe (24 %) und Alet (20 %).

Abbildung 3-5. Artenzusammensetzung als Anzahl (links) und als Biomasse (rechts) der gefangenen Fische der Stre- cke 1 (Kontrolle).

3.2.2 Quantitative Auswertungen

Abbildung 3-6. Vergleich der gefangenen Fischbiomasse (in Klassen pro Art, in rot) mit der minimal erwarteten Biomasse für ein Gewässer der unteren Forellenregion nach Verneaux [10].

Die Resultate der quantitativen Abfischung sind in Tabelle 3-1 zusammengefasst. Die Dichte und Biomasse der Forelle, entspricht in etwa den theoretisch erwarteten Werten für ein Ge- wässer der Äschenregion (heutiger Zustand (Abbildung 3-6)), liegt aber unter den Erwartungen einer unteren Forellenregion (historischer Zustand). Elritze und Groppen sind sehr zahlreich und übertreffen die Erwartungen. Die beobachtete Gesamtfischbiomasse ist zu tief (beobach- tet 125 kg/ha, erwartet würden mindestens 200 kg/ha). Das Artenspektrum weicht etwas vom natürlichen bzw. historischen Spektrum ab, denn das Bachneunauge und die Schleie konnten nicht nachgewiesen werden. Die Fischartenzusammensetzung und die Biomasse weichen also von dem historischen Zustand ab (Abbildung 3-6)

18 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Tabelle 3-1. Resultate der quantitativen Abfischung der Strecke 1. Die Anzahl und die Biomasse der in der Gewässer Strecke insgesamt vorhandenen Fische wurden anhand einer „Maximum Weighted Likelihood“-Methode nach Carle + Strub von 1978 geschätzt [6].

Forelle Schmerle Elritze Alet Groppe Total

Anzahl nach Carle + Strub 24 7 573 37 389 1030 95% Konfidenz oben 24 7 589 37 408 1065 95% Konfidenz unten 24 7 557 37 370 995

Biomasse nach Carle + Strub 1.78 0.07 1.68 1.26 1.54 6.32 95% Konfidenz oben 1.78 0.07 1.73 1.26 1.62 6.44 95% Konfidenz unten 1.78 0.07 1.63 1.26 1.47 6.20

Anzahl/ha nach Carle + Strub 476 139 11353 733 7707 20407 95% Konfidenz oben 476 139 11670 733 8084 21101 95% Konfidenz unten 476 139 11036 733 7331 19714

Biomasse/ha nach Carle + Strub 35.19 1.29 33.29 24.92 30.55 125.24 95% Konfidenz oben 35.19 1.29 34.22 24.92 32.04 127.66 95% Konfidenz unten 35.19 1.29 32.36 24.92 29.05 122.82

3.2.3 Längenverteilung Bei den Forellen waren 0+-Fische (<140mm) vorhanden (Abbildung 3-7) aber in sehr geringer Dichte (258/ha). Nach Vorgaben des Modulstufenkonzeptes ist diese Dichte als schlecht einzu- stufen.

Abbildung 3-7. Längenverteilung der Forellen.

3.3 Fazit Strecke 1 - Kontrollstrecke

Die IAM-Auswertung zeigt, dass die Habitate in dieser Strecke eher wenig vielfältig und wenig attraktiv sind. So dominieren Furten mit Kies und Kiesel als Substrat. Es ist daher nicht überra- schend, dass Elritze und Groppen, die diese Habitate nutzen, in den Abfischungen sehr häufig gefangen wurden. Die Forelle, die Unterstände benötigt war untervertreten.

Die Resultate der Abfischung zeigen weiter, dass der Fischbestand, insbesondere die Dichte der typischen Arten wie Forelle und Schmerle heute von dem für eine Forellenregion zu erwar- tenden Zustand abweicht. Das Bachneunauge fehlt gänzlich, genauso wie die historisch be- schriebene Schleie, die wohl in ruhigen Bereichen des Moores lebte.

19 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna 4 Resultate Strecke 2 – revitalisiert verzweigt

4.1 Habitataufnahmen

Die Mikrohabitate in diesem Abschnitt sind äusserst vielfältig. Die vorhandenen Substrate sind vielfältig und keines ist zu dominant. Es sind auch attraktive Habitate vorhanden wie Hydro- phyten, unterspülte Ufer, Totholz und überhängende Vegetation (Abbildung 4-1).Totholz und unterspülte Ufer sind aber eher selten. Insgesamt ist die Substratzusammensetzung für Fische vielfältig und durch eine recht gute Attraktivität geprägt.

Abbildung 4-1. Substratzusammensetzung der Strecke 2 (revitalisiert verzweigt).

Die Tiefenvariabilität dieser Strecke ist gering. So kommen nur drei Tiefenklassen vor, was für ein Gewässer wie die Wyna zu wenig ist. Interessant ist, dass trotz Revitalisierung kaum Flach- wasserbereiche vorhanden sind. Weiterhin dominiert die Tiefenklasse von 20 cm -70 cm. Dies ist zu einem grossen Teil dem rechten Gewässerarm zuzuschreiben, der kanalartig geradeaus fliesst und keine Mäander aufweist. Des Weiteren fehlen tiefe Kolke, die den grösseren Fischen Unterschlupf bieten (Abbildung 4-2). Es sind zwar Kolk- Furt-Sequenzen vorhanden, aber ins- besondere nur im linken Arm (Durchfluss max. 1/3 des Abflusses). Der Hauptarm weist keine Kolke auf. Eine kleine Auskolkung entstand beim Zusammenfluss der beiden Arme.

Abbildung 4-2. Häufigkeit der Tiefenklassen der Strecke 2 (revitalisiert verzweigt).

20 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Die Fliessgeschwindigkeiten in der revitalisierten Strecke sind mässig diversifiziert. So gibt es strömungsberuhigte und eher mittelstark durchströmte Bereiche (Abbildung 4-3). Wie in der Kontrollstrecke fehlen aber Bereiche mit hohen Fliessgeschwindigkeiten (> 80 cm/sec). Des Weiteren ist das Strömungsmuster insbesondere im Hauptarm eher homogen (Abbildung 4-4).

Abbildung 4-3. Häufigkeit der Fliessgeschwindigkeitsklassen der Strecke 2 (revitalisiert verzweigt).

Abbildung 4-4. Substrate, Geschwindigkeit und Tiefe der Strecke 2 (revitalisiert verzweigt). Angegeben sind eben- falls der Attraktivitäts-Index nach IAM, die Diversität der Habitate nach IAM (basierend auf Tiefe, Geschwindigkeit und Substrate) und der Hydromorphologisch-Index der Diversität (basierend auf Tiefe und Geschwindigkeit).

Insgesamt sind die Tiefen- und Geschwindigkeitsvariabilität in der verzweigt revitalisierten Strecke eher gering. Daher fällt der HMID auch niedrig aus. Demgegenüber fällt der genauere Diversitätsindex des IAM, der auch die Substrate mit einbezieht, deutlich höher aus. Dies ist durch die hohe Substratvielfalt zu erklären und zeigt die Grenzen des HMID-Ansatzes auf. Dank dieser hohen Habitatvielfalt fällt auch der IAM-Index besser aus als in der Kontrollstrecke. Durch das Fehlen von Kolken und rasch fliessenden Furten ist dieser allerdings trotzdem nied- rig. Daher wird das Gewässer nach dem IAM-Index als wenig attraktiv eingestuft. Wären tiefe

21 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Kolke und schnellfliessende Furte vorhanden, würde der IAM-Index bei 1.3 liegen, was als at- traktiv eingestuft würde.

Aufgefallen ist bei den Querprofilen zudem, dass die Wyna in dieser Strecke im Schnitt bei Niederwasser eine mittlere Gerinnebreite von 7.5 m aufweist (Addition der beiden Arme), dies ist deutlich mehr als im revitalisierten Bereich flussabwärts (Strecke 3, 6.5 m) und auch im Vergleich zu einer naturnahmen Strecke in Oberkulm (ca. 6 km Flussabwärts) in welche die mittlere Breite 6.7 m betrug.

4.2 Fische

4.2.1 Artenzusammensetzung In der verzweigt revitalisierten Strecke wurden 2016 insgesamt sechs Fischarten gefangen (Groppe, Elritze, Forelle, Schmerle, Alet, Regenbogenforelle). Zahlenmässig war die Elritze do- minant (79 % der Fänge) vor der Groppe (10 %; Abbildung 4-5). Dazu kommt eine Regenbogen- forelle. Die Biomasse wird durch den Alet (47%), die Forelle (29%) und die Elritze (18%) domi- niert. Forellen und Alet sind also weniger zahlreich als Elritze, aber deutlich grösser, was sich bei der Biomasse niederschlägt.

Abbildung 4-5. Artenzusammensetzung als Anzahl (links) und als Biomasse (rechts) der gefangenen Fische der Stre- cke 2 (revitalisiert verzweigt).

4.2.2 Quantitative Auswertungen

Die Resultate der quantitativen Abfischung sind in Tabelle 4-1 zusammengefasst. Die Dichte und Biomasse der Forelle, entspricht den theoretisch minimal erwarteten Werten für ein Ge- wässer im ursprünglichen Zustand (Abbildung 4-6), der Bestand für Groppe und Elritze liegt sogar darüber. Ebenfalls über den Erwartungen liegt die Abundanz des Alet. Etwas unterver- treten ist die Schmerle. Gänzlich fehlt auch dieser Strecke das Bachneunauge. Die beobachtete Gesamtfischbiomasse ist mit 383 kg/ha sehr hoch und deutlich über dem minimal erwarteten Wert von 197 kg/ha. Der Fischbestand und die Artenzusammensetzung in dieser Strecke sind also bis auf das Fehlen des Bachneunauges und der Schleie erfreulich.

22 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Tabelle 4-1. Resultate der quantitativen Abfischung der Strecke 1. Die Anzahl und die Biomasse der in der Gewäs- serstrecke insgesamt vorhandenen Fische wurden anhand einer „Maximum Weighted Likelihood“-Methode nach Carle + Strub von 1978 geschätzt [6].

Forelle Schmerle Elritze Alet Groppe Regenbogenforelle Total

Anzahl nach Carle + Strub 102 58 1746 63 229 1 2198 95% Konfidenz oben 102 60 1791 65 263 1 2281 95% Konfidenz unten 102 57 1701 62 195 0 2117

Biomasse nach Carle + Strub 6.67 0.44 5.08 10.79 1.04 0.19 24.02 95% Konfidenz oben 6.67 0.46 5.21 11.13 1.19 0.19 24.67 95% Konfidenz unten 6.67 0.44 4.95 10.62 0.88 0.00 23.56

Anzahl/ha nach Carle + Strub 1627 925 27848 1005 3652 16 35057 95% Konfidenz oben 1627 957 28566 1037 4195 16 36381 95% Konfidenz unten 1627 909 27130 989 3110 0 33765

Biomasse/ha nach Carle + Strub 106.40 7.09 81.02 172.12 16.53 3.01 383.16 95% Konfidenz oben 106.40 7.34 83.10 177.58 18.98 3.01 393.41 95% Konfidenz unten 106.40 6.97 78.93 169.39 14.08 0.00 375.76

Abbildung 4-6. Vergleich der gefangenen Fischbiomasse (in Klassen pro Art, in rot) mit der minimal erwarteten Biomasse für ein Gewässer der unteren Forellenregion nach Verneaux [14].

4.2.3 Längenverteilung Bei den Forellen waren 0+-Fische (<140mm) recht zahlreich vorhanden (1180 Ind/ha) (Abbildung 4-7). Nach Vorgaben des Modulstufenkonzeptes ist diese Dichte als mittelmässig einzustufen. Insgesamt ist die Populationsstruktur beim Alet und der Forelle eher natürlich. Bei den Forellen ist das Wachstum wohl sehr rasch. 1+-Fische scheinen mehr als 20 cm gross zu sein.

23 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 4-7. Längenverteilung der Forellen (oben) und der Alet (unten).

4.3 Fazit Strecke 2 – verzweigt revitalisiert

Die IAM-Auswertung zeigt, dass die Habitate in dieser Strecke sehr vielfältig aber eher wenig attraktiv sind. Trotzdem zeigt sich, dass der Fischbestand insgesamt recht naturnah ist. Die Biomasse ist insgesamt sogar sehr hoch. Bei den Forellen liegt die Biomasse im zu erwartenden Bereich. Die Sömmerlingsdichte ist allerdings etwas gering. Die hohe Habitatvielfalt scheint also in dieser Strecke die reduzierte Attraktivität der Substratzusammensetzung zu kompensie- ren.

24 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna 5 Resultate Strecke 3 – mäandrierend revitalisiert

5.1 Habitataufnahmen

Die Mikrohabitate in diesem Abschnitt sind ebenfalls sehr vielfältig, auch wenn leicht weniger als in der Strecke 2. Am häufigsten sind die Substrate Sand, Kies, Kies und Kiesel. Diese stellen zusammen ca. 70 % des Substrates dar. Für Fische attraktive Habitate sind insbesondere die Hydrophyten und überhängenden Vegetation. Unterspülte Ufer sind selten und Totholz fehlt gänzlich (Abbildung 4-1). Insgesamt ist die Substratzusammensetzung für Fische vielfältig und durch eine mässige Attraktivität geprägt.

Abbildung 5-1. Substratzusammensetzung der Strecke 1 (Kontrolle).

Die Tiefenvariabilität dieser Strecke ist eher hoch. Es kommen vier Tiefenklassen vor, was für ein Gewässer wie die Wyna in etwa zu erwarten ist. Es sind aber nur wenige Flachwasserberei- che vorhanden. Auch in dieser Strecke dominiert die Tiefenklasse 20 cm – 70 cm klar (Abbildung 5-2). Es sind ausgeprägte Kolke vorhanden, was zeigt, dass durch geeignete Mass- nahmen die Ausbildung von Kolken begünstigt werden kann (Abbildung 5-3).

Abbildung 5-2. Häufigkeit der Tiefenklassen der Strecke 1 (Kontrolle).

25 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Kolk Furt Kolk Furt Kolk

Abbildung 5-3. Sukzession von Kolk-Furt Sequenzen in der revitalisierten Wyna bei Gontenschwil. Gut sichtbar sind die Elemente die zur Auskolkung geführt haben. Bei den ersten beiden Kolken von links sind dies grosse Blöcke. Beim unteren Kolk prallt die Wyna in der Kurve ans rechte Ufer (Luftaufnahme © Timon Polli).

Die Fliessgeschwindigkeiten in der revitalisierten Strecke sind ebenfalls diversifiziert. So gibt es strömungsberuhigte und eher stark durchströmte Bereiche (Abbildung 5-4). Insgesamt domi- niert mit 40 % der untersuchten Fläche die Klasse eins mit Fliessgeschwindigkeiten von 0- 10 cm/sec. Stark fliessende Bereiche sind eher wenig vertreten. Was teilweise durch das gerin- ge Gefälle und das etwas breite Niederwassergerinne erklärt werden kann.

Abbildung 5-4. Häufigkeit der Fliessgeschwindigkeitsklassen der Strecke 1 (Kontrolle).

Insgesamt ist die Tiefen- und Geschwindigkeitsvariabilität in der unteren revitalisierten Strecke der Wyna eher hoch. Dies wiederspiegelt der HMID nur bedingt. Demgegenüber fällt der ge- nauere Diversitätsindex des IAM, der auch die Substrate mit einbezieht, deutlich höher aus. Insgesamt ist die Substratvielfalt hoch. Für Fische attraktive Habitate wie Totholz, unterspülte Ufer und Blöcke sind aber untervertreten. Daher wird das Gewässer nach dem IAM-Index als mittelmässig attraktiv eingestuft.

26 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 5-5. Substrate, Geschwindigkeit und Tiefe der Strecke 1 (Kontrolle). Angegeben sind ebenfalls der Attrak- tivitäts-Index nach IAM, die Diversität der Habitate nach IAM (basierend auf Tiefe, Geschwindigkeit und Substrate) und der Hydromorphologische Index der Diversität (basierend auf Tiefe und Geschwindigkeit).

5.2 Fische

5.2.1 Artenzusammensetzung In der mäandrierenden revitalisierten Strecke wurden 2016 insgesamt sieben Fischarten ge- fangen (Groppe, Elritze, Forelle, Schmerle, Alet, Karpfen, Rotfeder). Zahlenmässig war das El- ritze dominant (79 % der Fänge) vor dem Alet (10 %) und der Schmerle (8%; Abbildung 5-6). Die Biomasse wird klar durch den Alet dominiert (62 %), gefolgt vom Karpfen (13 %), der Forel- le (11%) und dem Elritze (11 %).

Abbildung 5-6. Artenzusammensetzung als Anzahl (links) und als Biomasse (rechts) der gefangenen Fische der Stre- cke 3 (revitalisiert verzweigt).

27 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

5.2.2 Quantitative Auswertungen

Die Resultate der quantitativen Abfischung sind in Tabelle 4-1 zusammengefasst. Die Dichte und Biomasse der Forelle liegt deutlich unter den theoretisch erwarteten Werten für ein Ge- wässer im ursprünglichen Zustand (Abbildung 5-7). Dies gilt auch für die Groppe. Das Bach- neunauge fehlt auch in dieser Strecke. Elritze und Alet sind in sehr hohen, gar zu hohen Dich- ten vorhanden. Die Biomassen zeigen ein ähnliches Bild. Der Vergleich der Forellenbiomasse (67 kg/ha) mit der des Alets (381 kg/ha) zeigt wie dominant der Alet hier ist, was für ein Ge- wässer der Forellenregion nicht zu erwarten wäre. Die beobachtete Gesamtfischbiomasse ist mit 550 kg/ha sehr hoch und deutlich über dem minimal erwarteten Wert von 197 kg/ha. Der Alet macht aber 62 % davon aus.

Tabelle 5-1. Resultate der quantitativen Abfischung der Strecke 1. Die Anzahl und die Biomasse der in der Gewässe- strecke insgesamt vorhandenen Fische wurden anhand einer „Maximum Weighted Likelihood“-Methode nach Carle + Strub von 1978 geschätzt [6].

Forelle Schmerle Elritze Alet Groppe Karpfen Rotfeder Total

Anzahl nach Carle + Strub 18 159 1496 183 27 3 1 1883 95% Konfidenz oben 18 171 1542 186 34 3 1 1951 95% Konfidenz unten 18 147 1450 180 20 3 1 1815

Biomasse nach Carle + Strub 3.79 1.14 4.52 21.56 0.10 4.57 0.02 31.10 95% Konfidenz oben 3.79 1.23 4.66 21.91 0.12 4.57 0.02 31.71 95% Konfidenz unten 3.79 1.06 4.38 21.21 0.07 4.57 0.02 30.50

Anzahl/ha nach Carle + Strub 319 2814 26472 3238 478 53 18 33320 95% Konfidenz oben 319 3026 27286 3291 602 53 18 34523 95% Konfidenz unten 319 2601 25658 3185 354 53 18 32117

Biomasse/ha nach Carle + Strub 67.01 20.20 79.93 381.52 1.74 80.83 0.37 550.40 95% Konfidenz oben 67.01 21.72 82.39 387.77 2.20 80.83 0.37 561.09 95% Konfidenz unten 67.01 18.67 77.47 375.26 1.29 80.83 0.37 539.71

Abbildung 5-7. Vergleich der gefangenen Fischbiomasse (in Klassen pro Art, in rot) mit der minimal erwarteten Biomasse für ein Gewässer der unteren Forellenregion (nach Verneaux [14].

5.2.3 Längenverteilung Bei den Forellen waren 0+-Fische (<140mm) kaum vorhanden (88 Ind/ha, Abbildung 3-7). Nach Vorgaben des Modulstufenkonzeptes ist diese Dichte als sehr schlecht einzustufen. Insgesamt ist die Populationsstruktur bei der Forelle unnatürlich. In angemessener Abundanz sind ledig-

28 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna lich die Adulten vertreten. Der Alet weist eine sehr gesunde Altersstruktur auf (es wurden nicht alle 0+-Fische vermessen, was den geringen Anteil 0+-Fischen erklärt).

Abbildung 5-8. Längenverteilung der Forellen (oben) und der Alet (unten).

5.3 Fazit Strecke 1 - Kontrollstrecke

Die IAM-Auswertung zeigt, dass die Habitate in dieser Strecke sehr vielfältig aber eher mässig attraktiv sind. Die gefangene Fischbiomasse ist sehr hoch, wird aber klar durch den Alet domi- niert. Typische Arten der Forellenregion sind klar untervertreten und gar weniger vertreten als in der Kontrollstrecke. In dieser Strecke wurde der Fischbestand durch die Revitalisierung also nicht verbessert.

29 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna 6 Resultate - Vergleiche zwischen den Strecken

6.1 Habitataufnahmen

Der Vergleich der IAM-Aufnahmen zwischen den drei Strecken zeigt, dass der IAM-Wert in beiden revitalisierten Strecken höher ist als in der Kontrollstrecke (Abbildung 6-1). Die Attrak- tivität der Habitate für Fische wurde also verbessert. In der unteren mäandrierenden Strecke (Strecke 3) ist diese etwas höher als in der verzweigten Strecke (Strecke 2). Dies liegt daran, dass in der Strecke 3 stärker fliessende Furten und tiefere Kolke vorhanden sind. Beide Stre- cken weisen aber im Vergleich zu einer natürlichen Gewässermorphologie keine hohe Attrakti- vität auf. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. In der verzweigt revitalisierten Strecke fehlen tiefe Kolke, stark fliessende Furten und attraktive Substrate wie Totholz, Blöcke oder unter- spülte Ufer. In der mäandrierend revitalisierten Strecke sind besonders attraktive Substrate wie Totholz und unterspülte Ufer untervertreten. Des Weiteren besteht das Substrat im unte- ren Bereich der Strecke aus Sand.

Abbildung 6-1. Vergleich der drei Strecken für die IAM-Attraktivität (oben links), für die IAM-Diversität (oben rechts) und für dem HMID (unten links). Erwartungswerte für eine gute Attraktivität und Diversität sind rot gestrichelt dargestellt.

Der IAM-Diversitätsindex ist in beiden revitalisierten Strecken sehr hoch und gegenüber der Kontrollstrecke deutlich verbessert. Dies ist der Fall, weil die Substratvielfalt sehr hoch ist und die Substrat/Fliessgeschwindigkeit/Wassertiefe-Kombinationen sehr vielfältig sind.

30 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Der HMID zeigt sich demgegenüber in beiden revitalisierten Strecken nur leicht erhöht. Die Gründe dafür liegen in der Tatsache, dass der HMID nur die Wassertiefe und die Fliessge- schwindigkeit für seine Berechnung benutzt. Gerade die beiden Variablen sind in den revitali- sierten Strecken nicht sehr ausgeprägt, im Gegensatz zur Substratvielfalt. Die Wyna zeigt hier also direkt einen Nachteil des HMID auf, die Aufnahmen sind zwar sehr simpel, vermögen aber die Komplexität und Vielfalt der Habitate eines Gewässers nur ungenügend zu beschreiben.

6.2 Fischbestand

Die Anzahl gefangener Fische pro Hektare ist in beiden revitalisierten Strecken höher als in der Kontrollstrecke (Abbildung 6-2). In der Strecke 2 ist die Anzahl gefangener Fische gegenüber der Kontrolle um 71 % höher. In Strecke 3 gar um 63 % höher als in der Kontrollstrecke. Die Biomasse ist in der Strecke 2 gegenüber der Kontrolle um 206 % höher. In der Strecke 3 gar um 339 %. Insgesamt ist der Fischbestand in den revitalisierten Strecken etwas doppelt so gross als in der Kontrollstrecke.

Interessant ist die Feststellung, dass diese Zunahme sehr ungleich auf die verschiedenen Fisch- arten verteilt ist (Abbildung 6-4). Die Anzahl Forellen ist insbesondere in Strecke 2 deutlich höher als in der Kontrollestrecke (241 %). In Strecke 3 ist sie gegenüber der Kontrolle sogar tiefer (-33 %). Die Elritze ist in den beiden revitalisierten Strecken deutlich zahlreicher vertre- ten (145 %, bzw. 133 %). Die Schmerle ist in den revitalisierten Strecken ebenfalls häufiger (465%, bzw. 1924%). Der Alet ist in Strecke 2 leicht häufiger (37 %) und in Strecke 3 deutlich häufiger (342%). Die Groppe ist in beiden Strecken deutlich seltener (-53 %, bzw. -94 %). Dies könnte auf den geringeren Anteil des für die Groppe attraktiven Habitats Kiesel zurückzufüh- ren sein, das in der Kontrollstrecke dominant ist.

Abbildung 6-2. Vergleich der Anzahl (links) und der Biomasse (rechts) der in den drei Strecken gefangenen Fische pro Hektare.

Wird die Biomasse betrachtet, dann fällt auf, dass in Strecke 2 sowohl die typischen Arten (Fo- relle, Elritze, Schmerle, Groppe; 110%) als auch die atypischen Arten (Alet, Regenbogenforelle; 590 %) deutlich häufiger sind (Abbildung 6-3). In Strecke 3 sind demgegenüber nur die atypi- schen Arten häufiger (Alet, Rotfeder, Karpfen; 1756 %), während die typischen Arten sogar seltener sind als in der Kontrollstrecke (-13 %).

31 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 6-3. Vergleich der Biomasse pro Hektare der typischen (Forelle, Elritze, Groppe, Schmerle) und atypi- schen (Alet, Karpfen, Rotfeder, Regenbogenforelle) die in den drei Strecken gefangen wurden. Rot gestrichelt ist die minimal erwartete Biomasse. Blau gestrichelt die optimale Biomasse.

Abbildung 6-4. Vergleich der Anzahl Fische pro Hektare befischte Fläche der drei Strecken aufgeschlüsselt nach einzelnen Arten. Die rote gestrichelte Linie entspricht der minimal erwarteten Abundanz.

32 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

6.3 Vergleich IAM und Fischbestand

Der Vergleich zwischen der IAM-Attraktivität und dem Fischbestand zeigt wie erwartet eine positive Korrelation (Abbildung 6-5). Diese ist wie ebenfalls zu erwarten besonders für die Bi- omasse stark. Die beobachteten Biomassen der revit. Streckensind dabei so hoch, dass sie die Erwartungswerte für ein Forellengewässer übertreffen (gelbe Punkte; Abbildung 6-6). Dies kann vollständig durch die hohe Biomasse der atypischen Arten, insbesondere des Alets, er- klärt werden. Werden diese abgezogen, entsprechen die beobachteten Werte eher den Erwar- tungen des morphologischen Zustands (blaue Punkte; Abbildung 6-6). Es stellt sich also die Frage, wieso der Alet sich im Vergleich zu den anderen standorttypischen Arten derart durch- setzen konnte.

Strecke 2 Strecke 2 Strecke 3

Strecke 3

Strecke 1

Strecke 1

Abbildung 6-5. Zusammenhang zwischen der IAM-Attraktivität und der gefangenen Anzahl Fische und der gefange- nen Biomasse.

Abbildung 6-6. Vergleich der IAM-Werte mit der gefangenen Fischbiomasse mit Referenzdaten.

33 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna 7 Diskussion

Insgesamt zeigen die Analysen, die in dieser Arbeit vorgenommen wurden, dass die Habitat- Vielfalt in der revitalisierten Wyna gegenüber der Kontrollstrecke Ausgangszustand deutlich höher ist. Gleichzeitig ist die Habitatattraktivität ebenfalls höher, wenn auch nur auf einem mittleren Niveau. Dies hat zu einer deutlichen Zunahme der Anzahl Fische und der Biomasse geführt. In der Strecke 2 haben bis auf die Groppe, die in der Kontrollstrecke vom hohen Anteil Kieselsubstrat profitiert und daher in der Kontrollstrecke eine sehr hohe Dichte aufwies, alle Arten profitiert. Bei der Strecke 3 haben insbesondere atypische Arten profitiert. Die meisten typischen Arten für ein Forellengewässer sind gegenüber der Kontrollstrecke zurückgegangen. Dieses Resultat mag überraschen, wurde doch sowohl die Attraktivität als auch die Diversität der Habitate verbessert. Es stellt sich also die Frage wieso sich der Alet gegenüber den stand- orttypischen Fischarten derart durchsetzen konnte.

Verschiedene Gründe kommen in Frage:

 Der Alet profitiert insbesondere von den tiefen und langsam fliessenden Bereichen der Strecke 3, die mit wenigen Unterständen versehen sind (hoher Anteil an sandigem Substrat). Dort haben sich auch Hydrophyten entwickelt, die weiter flussabwärts in na- turnahen Bereichen der Wyna bei Oberkulm kaum zu beobachten sind. In Oberkulm wurden 2016 bei der Abfischung der Wyna durch das FIWI auch keine Alet beobach- tet [11], dies obwohl in dieser Strecke ebenfalls sehr ausgeprägte Kolke vorhanden sind. Die Sohle war aber durch Kies und Kiesel beschaffen und deutlich weniger ver- sandet. Des Weiteren waren die Pools mit viel Totholz und unterspültem Ufer verse- hen, die sehr attraktive Habitate für Forellen darstellen. Es ist also anzunehmen, dass die geschaffenen langsam fliessenden Habitate bei Gontenschwil dem Alet besonders zu Gute kommen. Die Reaktivierung des Zweitarms, die nach den Feldaufnamhen der vorliegenden Arbeit vorgenommen wurde, dürfte die Situation nicht verbessern. Im Gegenteil, der Anteil an langsam fliessenden Bereichen im rechten Arm werden bei Niederwasser noch zunehmen.  Die Wassertemperatur im Sommer ist hoch. So wird die 20°C-Marke im Sommer sehr oft überschritten (Abbildung 7-1). Die maximalen Temperaturen von 2007 bis 2016 la- gen bei 22.7°C () und 24.8°C (Reinach). Diese sind eher typisch für eine Bar- benregion und nicht für die Forellenregion eines Fliessgewässers. Die Wassertempera- tur dürfte früher tiefer gewesen sein. Konsequenz dieser Erwärmung des Gewässers ist eine Verschiebung des erwarteten Artenspektrums und der Häufigkeiten der einzelnen Arten. So werden wärmetolerante Arten, wie der Alet eine ist, häufiger erwartet, käl- teliebende Arten eher seltener (wie z.B. Forelle, Groppe, Elritze).  Die ARA Reinach entwässert nur ein paar hundert Meter oberhalb des Beginns der re- vitalisierten Strecke in die Wyna. Bei Niederwasser macht der Abfluss der ARA bis zu 45% des Abflusses des Vorfluters aus. Dadurch wirkt sich die ARA vermutlich auf den Fischbestand aus. Weniger anspruchsvolle Arten wie der Alet können in der Regel da- von profitieren während anspruchsvollere Arten darunter leiden. Dies sind typischer- weise die Schmerle oder die Bachforelle. Dies konnte z.B. auch im Rahmen einer aus- führlichen Untersuchung der Ron Im Kanton Luzern gezeigt werden [12]. Der Alet war direkt unterhalb des ARA-Zulaufes in deutlich höherer Biomasse vorhanden als ober-

34 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

halb. Es bleibt zu prüfen, ob die Inbetriebnahme der vierten Reinigungsstufe diesen Einfluss vermindern kann.

Abbildung 7-1. Wassertemperaturverlauf der Wyna bei Unterkulm im Juli 2010. Die 20°C-Marke wird regelmässig überschritten.

Der Einfluss der ARA auf die Wyna kann als substantiell eingestuft werden. Ein Ver- gleich der Temperaturdaten, die in der Wyna oberhalb des ARA Zuflusses gemessen wurden und den Temperaturdaten aus dem ARA-Abfluss (Daten Kt. Aargau) zeigt, dass sich die Temperatur in der Wyna je nach Jahreszeit, bei Niederwasser und mittlerem Abfluss aus der ARA um 0.7 bis 4.5°C erhöhen dürfte (Daten Kanton Aargau, Berech- nung Aquabios). Dies hat vielfältige Konsequenzen: Cypriniden können sich im Früh- ling besser fortpflanzen, da für sie ideale Temperaturen herrschen. Die Forelleneier entwickeln sich im Winter viel rascher und die Brütlinge schlüpfen früher. Die proble- matischen Temperaturen für die proliferative Nierenerkrankung (PKD) werden im Sommer deutlich häufiger erreicht. Mit der Erhöhung der Temperatur im Gewässer stellt sich die Frage, ob die gesetzlichen Vorgaben der Gewässerschutzverodnung ein- gehalten werden. Diese besagen, dass durch Wasserentnahmen, Wassereinleitungen und bauliche Eingriffe die Hydrodynamik, die Morphologie und die Temperaturver- hältnisse des Gewässers nicht derart verändert werden dürfen, dass dessen Selbstrei- nigungsvermögen vermindert wird oder die Wasserqualität für das Gedeihen der für das Gewässer typischen Lebensgemeinschaften nicht mehr genügt (Anhang 2, Ziff.12, Abs. 3, Gewässerschutzverordnung, GSchV, SR 814.201). Für Forellengewässser wer- den folgende Kriterien festgelegt: Die Temperatur eines Fliessgewässers darf durch Wärmeeintrag oder -entzug gegenüber dem möglichst unbeeinflussten Zustand um höchstens 3 °C, in Gewässerabschnitten der Forellenregion um höchstens 1,5 °C ver- ändert werden; dabei darf die Wassertemperatur 25 °C nicht übersteigen. Diese An- forderungen gelten nach weitgehender Durchmischung (Anhang 2, Ziff. 12, Abs. 4, GSchV). Die Messungen in der Wyna und im ARA-Ausfluss lassen vermuten, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht eingehalten werden. Der Einfluss der ARA auf die Tempe- ratur der Wyna sollte also genauer überprüft werden (Abbildung 7-2).

35 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Abbildung 7-2. Oben: Mittlere Wassertemperatur pro Tag in der Wyna bei Reinach (oberhalb der ARA) und im Ausfluss der ARA Reinach (vor Inbetriebnahme der vierten Reinigungsstufe). Mitte: Temperaturdifferenz zwischen der Wyna und dem Abfluss der ARA. Unten: Erwärmung der Wyna durch den Abfluss der ARA bei Niederwasser (Annahme Mischverhältnis 45% aus ARA und 55% aus Wyna, Berechnet aus Daten der Kläranlagendatenbank und den hydrologischen Daten der Wyna).

 Die PKD-Untersuchungen des FIWI haben gezeigt [11], dass die Forellen in Gonten- schwil alle von PKD befallen sind. Dies kann die Forelle im Konkurrenzkampf gegen- über anderen Fischarten wie dem Alet benachteiligen. Interessanterweise sind in Menziken, also nur wenige Kilometer oberhalb der ARA Reinach, keine Forellen von der PKD befallen.

Unbestritten ist, dass alle drei untersuchten Strecken ähnliche Umweltbedingungen (Tempera- turregime, Wasserqualität, Hydrologie, Geschiebe usw.) aufweisen. Die Unterschiede im Fisch- bestand die zwischen den drei Strecken beobachtet werden konnten sind daher alleine auf die

36 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

Morphologie des Gewässers zurückzuführen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Strecke 2 am besten abschneidet. In dieser wurden die standorttypischen Arten klar gefördert. Die Strecke 3 bringt für standorttypische, also die zu fördernden Arten, keine Verbesserung gegenüber der Kontrollstrecke.

8 Schlussfolgerungen

Bei der Planung der Revitalisierungen wurden anscheinend keine klaren Ziele formuliert. Die Schlussfolgerungen beziehen sich daher auf die Vorgaben der Bundesgesetze (BGF und GSchG). Ziel einer Revitalisierung ist demnach, ein Gewässer mit seinen Funktionen zu verbes- sern. Die gewässertypische Fauna und Flora soll dabei gefördert werden. Im Fall der Wyna beim ehemaligen Moor konnte die Habitatvielfalt und die Attraktivität verbessert werden. Die Attraktivität erreicht aber nicht ein hohes Niveau sondern bleibt trotz Verbesserung eher be- scheiden. In einer untersuchten Strecke haben sowohl standorttypische als auch -atypische Arten profitiert. In der dritten Strecke haben die typischen Arten nicht profitiert, sondern ins- besondere standortatypische Arten wie der Alet. Dies scheint insbesondere dort der Fall zu sein, wo das Niederwassergerinne zu breit ausgestaltet wurde und langsam fliesst. Insgesamt bringt die Revitalisierung eine Verbesserung des ökomorphologischen Zustandes, das Revitali- sierungspotential für die standorttypischen Zielarten wurde indes nicht überall ausgeschöpft. Moorähnliche Habitate (natürliche Zustand) wurden nicht wiederhergestellt, was unter den heutigen Umständen und Interessen auch nur schwer möglich wäre. Umso wichtiger ist es, bei der Projektierung klare Ziele zu definieren, an denen sich der Erfolg anschliessend auch mes- sen kann.

9 Empfehungen

9.1 Habitate

Bei zukünftigen Revitalisierungen sollte darauf geachtet werden, dass das Niederwassergerin- ne nicht zu breit ausgebaut wird. In Strecke drei konnte ca. 25 % Sand als Substrat beobachtet werden, was für ein Fliessgewässer wie die Wyna viel ist. Gerade in Bereichen wie dem Gon- tenschwiler Moor mit geringem Gefälle wirkt sich ein zu breites Gerinne rasch auf die Wasser- tiefe und die Fliessgeschwindigkeiten aus und somit auch auf die Granulometrie des Substrates das liegen bleibt.

Des Weiteren wird der Nutzen einer Revitalisierung in mehreren verzweigten Gerinnen für Gewässer wie die Wyna in Frage gestellt. In dieser Erfolgskontrolle hat sich diese Form zwar als erfolgreicher erwiesen und es ist historisch belegt, dass die Wyna im Bereich vom Moor in mehreren verzweigten Gerinnen floss. Der heutige Zustand hat aber nichts mit einem Moor zu tun. Die morphologischen Strukturen sollten sich also nach anderen Bereichen der Wyna rich- ten. Und diese weisen in der Regel ein mäandrierendes Muster in einem Niederwassergerinne auf. Um insbesondere die typischen Arten der Forellenregion zu fördern, hätte daher durchge- hend ein nicht zu breites und nicht verzweigtes Niederwassergerinne geschaffen werden sol-

37 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna len. Vor allem attraktive Substrate sind untervertreten und hätten durch Zugabe von Totholz und einzelnen grossen Findlingen bereichert werden können.

9.2 Wassertemperatur

Die Auswertungen haben gezeigt, dass die Sommertemperaturen für ein Forellengewässer zu hoch liegen. Soll in der Wyna ein Fischbestand wiederhergestellt werden, der dem einer Forel- lenregion näher kommt, also dem natürlichen Zustand der Wyna, dann müsste die Sommer- temperatur im Gewässer gesenkt werden. Dies sicherlich auch in Hinsicht auf eine klimabe- dingte weitere Erwärmung die in Zukunft zu erwarten ist. Folgende Empfehlungen, die für das gesamte Einzugsgebiet und auch für andere Gewässer gelten, können diesbezüglich formuliert werden:

 Der Einfluss der Kläranlage Reinach muss genauer abgeklärt werden. Die vorliegenden Daten lassen vermuten, dass die Kläranlage massgeblich zur Erwärmung beiträgt und dies bei Niederwasser in einem Masse, das über den gesetzlichen Vorgaben liegt.  Bei weiteren Revitalisierungen sollte das Niederwassergerinne nicht zu breit gestaltet werden. Die Erwärmung des Gewässers wird massgeblich durch die benetzte Fläche beeinflusst. Zu breite Niederwassergerinne führen nebst den morphologischen Defizi- ten zu einer unnötigen Erwärmung des Gewässers.  Die natürliche Bestockung des Gewässers sollte möglichst überall zugelassen werden. Die direkte Besonnung trägt massgeblich zur Erwärmung der Gewässer bei. Auf ein Mähen der Uferbereiche sollte daher verzichtet werden. Bei Revitalisierungen sollte eine natürliche Bestockung heranwachsen dürfen, dies sollte bei hydraulischen Hoch- wasserberechnungen berücksichtig werden.  Der Austausch mit dem Grundwasser ist wo immer möglich zu fördern. Die Abbildung 1-4 zeigt die nicht eingetiefte Wyna. Heute liegt das Niederwassergerinne ca. 1-2 m tiefer. Das Ausmass des Grundwasserreservoirs und die Vernetzung mit dem Gewässer sind damit beeinträchtigt, was sich auf das Temperaturregime auswirkt, insbesondere auch in kritischen Niederwasserzeiten im Sommer.  Feuchtgebiete dienen bei Niederwassersituationen als Puffer und erhöhen den Min- destabfluss. Dadurch wird auch die Erwärmung des Gewässers vermindert. Diese sind wo möglich wiederherzustellen.  Wasserentnahmen in Niederwassersituationen wegen Trockenheit im Sommer sollten frühzeitig eingeschränkt werden.  Viele Quellen, die dem Gewässer im Sommer kühles Quellwasser zuführen, wurden ge- fasst. Die weitere Erschliessung von Quellen sollte eingeschränkt werden. Wo möglich sollten erschlossene Quellen wieder freigegeben werden.

9.3 Geschiebe

Es sollte überprüft werden, ob der Geschiebetrieb nach der Sanierung des Geschiebesammlers von Reinach ausreicht [13]. Ist dies nicht der Fall, sollte geprüfte werden ob Geschiebe, das dem Sammler von Menziken entnommen wird, nicht schon flussabwärts des Geschiebesamm- lers von Reinach eingebracht werden kann, statt erst unterhalb von Zetzwil.

38 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna

9.4 Fehlende typische Fischarten

Das Bachneunauge fehlt in der gesamten Wyna. Natürlicherweise sollte dieses in der unteren Forellenregion vorkommen. Es ist wahrscheinlich, dass ihr Fehlen nicht auf strukturelle Defizi- te, das Temperaturregime oder auf die Wasserqualität zurückzuführen ist. Vermutlich konnten diese Arten das Gewässer nach einem Akuten Fischsterben einfach nicht wieder besiedeln (Wanderhindernisse, fehlende HotSpots). Es war 1994 auch nicht geplant, diese wiederanzu- siedeln [1]. Es wäre sinnvoll zu überprüfen, ob diese die einzelnen Wynaabschnitte natürlich wiederbesiedeln könnten oder nicht. Ist dies nicht der Fall, könnte eine Wiederansiedlung aus nah gelegenen grossen Populationen geprüft werden.

9.5 Einfluss ARA

Der Einfluss der ARA Reinach auf den Fischbestand sollte überprüft werden. Als Standort mit modernster Ausstattung inkl. neuer Reinigungsstufe um Mikroverunreinigungen zu beseitigen wäre zu prüfen, ob nach wie vor Auswirkungen auf den Fischbestand und die Fischgesundheit (z.B Organschäden) feststellbar sind.

39 Mikrohabitate und Fischbestand in der Wyna 10 Literaturverzeichnis

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