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TV-HUMOR Stuss mit lustig Nächste Woche startet Deutschlands erster Comedy-Kanal. Es ist der Höhepunkt einer durch alle Sender schwappenden Spaßwelle – aber kein Beweis für wirklich wachsende Lockerheit im Land. NIK / ADOLPH PRESS NIK / ADOLPH CHRISTOPHER ADOLPH / VARIO IMAGES / VARIO ADOLPH CHRISTOPHER Rateteam von „Genial daneben“ (Sat.1)*, Komödiant Barth: „Bunt flimmerndes Stimmungspillenarsenal“

s gibt Momente im Fernsehen, da ist Von wegen „Schluss mit lustig“, wie Pe- Cordula Stratmann oder bis alles gut. Als zum Beispiel kurz vor ter Hahnes pietistisch-stammtischlernder zu Speckrollen wie Elton oder Markus Ma- EWeihnachten Olli Dittrich in die Rol- Bestseller heißt, mit dem der ZDF-Mann ria Profitlich– okay, die kennt man wenigs- le von Franz Beckenbauer schlüpfte und zwar monatelang die Bestsellerlisten tens. Aber wer ist noch mal Mirja Boes? den wahren Kaiser zwischen Größe und blockierte, aber sicher keinen Trend her- Oder Annette Frier? Bernhard Hoëcker? Wahn so wunderbar komisch ersetzte, dass aufbeschwor. Denn jetzt geht’s erst richtig Martin Schneider? Ralf Schmitz? Ist Paul das Original ins Exil gehen müsste. Wenn los – Stuss mit lustig. Ein Brei uniformen Panzer der mit den brikettdicken Bril- sich als kränkelnd-zerknit- Frohsinns quillt durch alle Kanäle, Shows lengläsern und dem Sprachfehler? Oder terte Journalisten-Karikatur Horst Schläm- und Tageszeiten. Wer wenigstens unfall- der mit dem unfassbar breiten Mund? Wer mer („Isch hab Rücken“) an Prominente frei einen Schweißfleck präsentieren kann, kennt Tetje Mierendorf? Eben. ranwanzt. Oder wenn Bastian Pastewka in scheint sich bereits Comedian nennen zu Das lässt sich facettenreich nennen. der nach ihm benannten Sat.1-Sitcom orien- dürfen. Aber viele der Kalauer, die dieser Come- tierungslos durch den Alltag schusselt. Der hiesige Humorsektor dehnt sich dy-Nachwuchs produziert, scheinen sich Doch zwischen solchen Unikaten ist die immer weiter aus. Und mit dem Terrain an Leute zu wenden, die den IQ einer Inflation austauschbarer Komik in vollem wächst auch die Konkurrenz: RTL, Sat.1 Scheibe Cervelatwurst haben. Das Gag- Gang. Kaum ein Zuschauer behält noch und ProSieben saugen Komikarbeiter mitt- Genre ist im deutschen Fernsehen dabei – den Überblick über die unzähligen Sitcoms lerweile an wie schwarze Löcher unbe- noch mehr als in anderen Ländern – ein und Sketchserien, Improvisations- und scholtene Materie. Einmal eine Kellerbüh- Massenprodukt geworden, das sich seine Chartshows, all die lustigen Samstagnäch- ne überlebt, schon gibt’s ’ne eigene Show. eigenen Abspielflächen schafft: Am 15. Ja- te und Fun-Freitage, Namen und Formate. Immer rascher tauchen neue Talente auf, nuar startet im frei empfangbaren Fernse- Selbst das ZDF reagiert auf seine Weise – werden alte Gesichter ausgewechselt. Gaby hen auf der Frequenz des untergehenden und entdeckt das politische Kabarett neu Köster, Ingo Appelt, Kaya Yanar, Rüdiger Viva Plus Deutschlands erster reiner Ko- (siehe Interview Seite 228). Hoffmann, , Michael Mitter- miksender, Comedy Central. maier? Helge Schneider, Bully Herbig, Jo- Der neue Kanal bringt Auslandsware chen Busse? Quasi schon das Gestern. wie die britische Kultserie „Little Britain“ * Hintere Reihe: Hella von Sinnen, Bernhard Hoëcker, Hugo Egon Balder; vorn: Ralf Schmitz, Anke Engelke, Von Harald Schmidt bis Atze Schröder, nach Deutschland und zeigt auch Eigen- Martin Schneider. von Piet Klocke bis Tom Gerhardt, von produktionen. Etwa Filmchen, die behin-

226 der spiegel 2/2007 derte Comedians mit versteckter Kamera ist doch super.“ Balder ist eine Art Vater- England. Dort hätten die Deutschen be- gedreht haben. Dann fehlt wirklich gar figur in der heimischen Witzewelt. Er hat richtet, wie bei ihnen ein neues Comedy- nichts mehr am Humorstandort D. die Moderation von „Tutti Frutti“ über- Format entsteht. Sie adaptierten eine Sen- Senderchef Markus Andorfer hat seine lebt, „RTL Samstag Nacht“ erfunden und dung aus dem Ausland, ließen ein Kon- eigene Theorie, weshalb TV-Humor zur- dem Fernsehen in jüngster Zeit „Genial zept und eine Pilotsendung produzieren zeit so ermüdend ist. „Die großen Sender daneben“ geschenkt, eine der wenigen und schickten den Klamauk-Erlkönig dann können bei Marktanteilsvorgaben von 15 Shows, in denen spontaner Witz wirklich in die Marktforschung, um danach zu ent- Prozent nur ein Mainstream-Programm an- funktioniert. Leider kübelt er das Land ne- scheiden, ob die Show gemacht wird. Die bieten“, sagt er und empfiehlt sein eigenes benbei noch mit „Promi ärgere dich nicht“ Engländer hätten nur gefragt: „Und was Projekt als Therapie: „Deshalb werden wir und anderen TV-Kindergeburtstagsspäßen ist dann Ihr Job?“ ihnen bei der Entdeckung von Talenten für den deutschen Star-Bodensatz zu. „Was habe ich schon gegen die Markt- immer voraus sein.“ Die nächste Welle „Das Fernsehen gleicht als ,Stimmungs- forschung anreden dürfen“, so Pastewka. fröhlich dilettierender TV-Anfänger rollt apotheke fürs Gemüt‘ einem bunt-flim- Bei jeder Nörgelei des Testpublikums, bei also schon an. mernden Stimmungspillenarsenal, das für allem, was Probezuschauern auch nur un- Doch all diese Boom-Phänomene müs- jede Seelenpein und jede Tagesverfassung bewusst aufstieß, hätten die Marktforscher sen nicht bedeuten, dass Deutschland zum das richtige Mittelchen bereithält“, schreibt sofort die Pointe streichen wollen. „Nahe- Spaßplatz Nummer eins geworden ist. Die dagegen der Psychologe Stephan Grüne- zu alles, was die Tester beanstandeten, immer neuen Pointenparaden gerade im wald in seinem Buch „Deutschland auf der empfand ich als positiv“, erinnert sich Pas- Fernsehgeschäft beweisen eher die Ängst- Couch“. Vielleicht trifft diese Beschreibung tewka. „Die Leute haben genau auf die ent- lichkeit ihrer Macher. exakt den Kern des Unwohlseins an der ge- scheidenden Punkte reagiert, weil sie ih- Denn auf Witz zu setzen ist so riskant fühlten Verkalauerisierung der Republik: nen aufgefallen sind. Nehmen wir die raus, wie ein Salzletten-Abend auf der Couch. Das meiste, was unter Comedy läuft, ist in- bügeln wir das Ding schon wieder glatt.“ Die Quoten enttäuschen selten. Humor zwischen so sehr auf Massengeschmack ge- Allmählich scheint auch den Programm- ging und geht immer. Er ist – verglichen eicht, so klar aus ein paar bekannten In- verantwortlichen zu dämmern, dass allzu etwa mit einer „Tatort“-Minute – verhält- haltsstoffen zusammengerührt wie ein Anti- glatte Gute-Laune-Placebos auf Dauer ihre nismäßig günstig herzustellen, lockt jün- depressivum. Hier wie dort machen auf Wirkung verlieren: „Wir müssen noch nä- gere Zielgruppen an und gilt als wieder- Dauer die Nebenwirkungen müde. her an den Alltag der Zuschauer ran“, sagt verwertbar. Mit all den immer neuen Schenkelklop- der bei RTL für Comedy zuständige Holger Formate wie „Schillerstraße“ oder „Ge- fer-Shows verhält es sich durchaus ähnlich, Andersen. „Das Publikum will vor allem, nial daneben“ taugen neuerdings sogar als was nicht nur die Profis merken. Dem dass Comedy echt ist und der Comedian Exportschlager. Und am Ende der Verwer- preisgekrönten Pastewka zum Beispiel ist nahbar.“ So erklärt er sich auch den Erfolg tungskette greifen die Zuschauer sogar das meiste, was heutzutage gesendet wird, einer Figur wie Kerkelings Horst Schläm- noch begeistert nach DVD-Boxen von viel zu gleichförmig und erwartbar. „Es mer. „Das ist einer, der sich gehen lassen „Dittsche“ bis „Stromberg“. Humor ren- gibt zu viele aerodynamisch gestaltete Co- kann. Der hat viele Schwächen, und gera- tiert. Worüber also klagen? medy-Sendungen“, sagt er. „Immer die- de deshalb spricht er viele an.“ „Es gibt zurzeit sehr, sehr viele talen- selbe Comedy-Rhythmik. Werde ich noch Das Publikum erwartet offenbar gerade tierte deutsche Comedians“, sagt auch überrascht? Selten.“ von seinen Komikern auch, dass sie keine Hugo Egon Balder, „und es gibt immer Pastewka erzählt von einem Treffen von reinen Kunstprodukte sind, sondern dass mehr Platz für Comedy im Fernsehen. Das Fernsehmanagern aus Deutschland und sie in ihrem Leiden und in dem, was daran FRANZISKA KRUG / ACTION PRESS (L.); FOKUHL / LAIF (R.) KRUG / ACTION FRANZISKA Komiker Kerkeling (als Horst Schlämmer), Pastewka: „Zu viele aerodynamisch gestaltete Comedy-Sendungen“

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komisch und erleichternd ist, echt sind. Au- thentizität indes ist ein mühsames Geschäft. Deshalb versuchen die Sender auf Um- wegen, wenigstens den Schein von Echt- „Hochgradig ärgerlich“ heit zu erzeugen. Dazu gehören Sendun- gen, in denen die Komiker spontan sein Die Kabarettisten Georg Schramm und Urban Priol über ihre müssen, Improvisationsshows wie „Schil- geplante ZDF-Kabarett-Premiere „Neues aus der Anstalt“ lerstraße“ oder jene Ad-hoc-Reaktions- shows wie eben „Genial daneben“. SPIEGEL: Ab 23. Januar machen Sie im Schramm: Die hatte bei den Zuschauern Obendrein haben die TV-Manager neu- ZDF gemeinsam Kabarett. Der Titel einen Vertrauensvorschuss gekriegt. erdings die Bühnenshows des Nachwuch- „Neues aus der Anstalt“ klingt erst mal Priol: Und die ersten hundert Tage wa- ses für sich entdeckt. Sie filmen einfach trostlos. ren grauenvoll für uns. ab, was fürs Live-Publikum gedacht ist. Priol: Es ist keine Anstalt mit weißen Schramm: Die Leute haben es spürbar Mario Barth ist der erfolgreichste Live-En- Betten und so. Es sieht da eher aus wie nicht gemocht, dass man gleich auf die tertainer zurzeit. Mario wer? in einem Hotel. Wir werden in der An- neue Regierung eindrischt, und sagen: Okay, wenn man das Gesicht sieht, fällt stalt den immerwährenden Wahnsinn „Jetzt lass die doch erst einmal machen.“ einem auch wieder die eine oder andere darstellen. Wir werden andere Kaba- Priol: Es kamen Briefe und Mails – bis Zote dazu ein. Wahrscheinlich bekommt rettisten als Gäste haben, das sind dann zu vorgefertigten Todesanzeigen, im- der 34-Jährige bei der nächsten Verleihung Patienten oder Besucher. mer mit dem gleichen Thema. des Comedy-Preises eine Statue für sein SPIEGEL: Und Sie sind die Oberärzte? Schramm: Doch dann… Lebenswerk – so schnelllebig ist die Bran- Priol: Nein. Ich bin der Arzt, und Georg Priol: … am Tag 101… che geworden. ist der Patientensprecher … Auf RTL präsentiert Barth Schramm: … in der Figur des Rentners derzeit „Die besten Come- Dombrowski … dians Deutschlands“. Sein Büh- SPIEGEL: … den das Publikum aus dem nenprogramm heißt „Männer ARD-„Scheibenwischer“ kennt. Als sind primitiv, aber glücklich!“. Sie dort mit einigem Krach gingen, ha- Es gibt Bücher. Es gibt DVDs. ben Sie gesagt, Sie hätten gern mehr Die Leute strömen zu Tau- auf die Unterschiedlichkeit der einzel- senden in die Kölnarena nen Kabarettisten gesetzt. oder die Dortmunder West- Schramm: Das wird jetzt auch so sein. falenhalle, um diesen Herren-

Urban ist eher der schnelle, aktuelle / ZDF BÄNSCH KERSTIN witz der Generation WG zu Typ. Ich bin eher der grundsätzliche. Kabarettisten Schramm, Priol sehen. Das gibt viel Reibung. „Es gibt keine lahmen Zeiten“ Er erzählt von sich und seiner Freun- SPIEGEL: Sie haben damals auch gesagt, din, von Handtaschenkauf und Männer- Sie wollten als Rentner Dombrowski Schramm: … als klar wurde, was aus werkzeug. Und von der Anprobe neuer nicht ständig allein den Krawallbruder der Gesundheitsreform wird, da haben Kleider. „Haben die einen Tannenbaum- machen. die Leute der Regierung und speziell trichter in der Umkleidekabine? Wie bist Schramm: Stimmt. Deshalb brauche ich Angela Merkel von heute auf morgen du denn da reingekommen?“ den Gegenpart ja. Sonst müsste ich komplett die Sympathien entzogen. Jeder zweite Satz ist auf solche Lacher mich ständig aus mir selbst heraus auf- Priol: Zu Recht! kalkuliert, jeder fünfte auf einen Brüller. regen. Das hat für den Zuschauer sei- SPIEGEL: Haben Sie das öfter erlebt, Das ist perfekt getaktet und geht so schnell, nen Reiz, zu sehen, wie der Dombrow- dass Personen tabu sind? dass der Zuschauer gar nicht die Zeit hat, ski, der sich beim „Scheibenwischer“ Priol: Am Tag, an dem Lady Diana töd- der Stalinorgel des Barthschen Brachial- immer nur vier Minuten am Ende auf- lich verunglückt ist, war ich am Abend humors zu entkommen. Der Mann ist eine geregt hat, auch an seine Grenzen stößt. auf einem Kreuzfahrtschiff. Die Hälfte Art Fips Asmussen für unter 30-Jährige. SPIEGEL: Sie starten Ihr neues Kabarett der Passagiere wusste von dem Tod. Doch nur, weil das live ist und auf einer in eher politiklahmen Zeiten. Die andere Hälfte nicht. Ich habe so Bühne spielt, ist es auf Dauer auch nicht Schramm: Waren Sie in letzter Zeit im plaudernd angefangen: Es gibt jeden kreativer. Die ganze Show wirkt wie der Urlaub, oder was? Tag acht Todesopfer auf den Straßen letzte Aufguss allerletzter Geschlechter- Priol: Es gibt keine lahmen Zeiten. Das von Paris, heute ist auch jemand aus klischees. Barth gibt dazu die Fleisch Interesse des Publikums an Politik nimmt dem Ausland zu Schaden gekommen, gewordene Pommesbude: Die Fritteuse zu. Es gibt keine Politikverdrossenheit, Lady Di ist tot, und außerdem … Da kocht, aber das Öl ist alt. sondern nur Politikerverdrossenheit. war es ganz still. Es gab am nächs- Eigentlich müsse bald mal Schluss sein SPIEGEL: Das sind Schlagworte. ten Tag Unterschriftenlisten, dass ich mit all den Gags über Schuhe kaufende Schramm: Ich erlebe das auf der Tour- von der Reise ausgeschlossen werden Frauen und Männer, die am Frühstücks- nee überhaupt nicht, dass die Leute po- soll. tisch nichts sagen, findet Thomas Her- litikmüde sind. Die Leute sind hoch- Schramm: Kreuzfahrten sind schlimm. manns, Gründer und Conferencier des gradig verärgert. Ich habe eher den 1994 war ich auf einer Mittelmeer- auch schon fossilen „Quatsch Comedy Eindruck, dass sich die Leute gern kreuzfahrt mit 256 verrenteten SPD- Clubs“: „Diese Nummern laufen jetzt damit auseinandersetzen, weil sie Genossen an Bord. Ein Desaster. Ich schon seit mehr als vier Jahren. Es scheint merken, da läuft etwas grundsätzlich habe die Nummer gespielt vom an der sich da nichts zu ändern in den Beziehun- merkwürdig und anders, als wir uns Welt leidenden Sozialdemokraten Au- gen zwischen Männern und Frauen. Aber das alle vorgestellt haben. gust, der seiner krebskranken Frau eine irgendwann wird das doch auch mal SPIEGEL: Sonst klagen Kabarettisten Postkarte aus dem Urlaub schickt. Das langweilig.“ über die Große Koalition. war ein kompletter Flop. Es klingt allenfalls wie eine Hoffnung. Je- denfalls wirkt Hermanns in diesem Moment überhaupt nicht komisch. Markus Brauck

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