Mittwoch, 3. Oktober 2012 | az | www.aargauerzeitung.ch Zurzach-Aaretal 33 Wenn Beatrice malt, sind Nasenspitzen in Gefahr Kleindöttingen Klientinnen und Klienten des Arbeitszentrums malen Bilder für eine Ausstellung im Kernkraftwerk

VON ANGELO ZAMBELLI

DIENSTAG, 15.20 UHR, 1. Stock im Arbeits- und Wohnzentrum Kleindöt- tingen: Beatrice führt den Pinsel ganz vorsichtig und achtet darauf, dass sie die Farbe so auf die Leinwand bringt, wie sie sich das vorgestellt hat. Ihre bevorzugte Farbe scheint Magenta zu sein. Im Moment ist sie gerade damit beschäftigt, zwei Her- zen ins rechte obere Eck ihres Bildes zu malen. Für wen sie die Herzen malt, will Beatrice auch nach wieder- holter Nachfrage nicht verraten. Sie schmunzelt nur und sagt: «Das gfallt mer so.» Fünf Minuten später geht Beatrice die Farbe aus. «Brauchst Du noch mehr Magenta?», fragt der aus- gebildete Maltherapeut und Arbeits- agoge Heinz Bollinger. «Nein, nein», «Was ist? Bist Du am Spaghettidrehen?» Heinz Bollinger, Maltherapeut und Arbeitsagoge im AWZ antwortet Beatrice und greift sich die auf dem grossen Arbeitstisch stehen- de Plastikflasche mit gelber Farbe. Dann setzt sie sorgfältig Punkt um Punkt zwischen die beiden Herzen Margrit liebt kräftige Farben. Pro Woche malt sie mindestens ein Bild. ANGELO ZAMBELLI und die zuvor schon auf die Lein- wand aufgebrachten grafischen Ele- warum: «Wenn die weissen Partien so einen speziellen Effekt zu erzie- bringen, was ihnen gerade beliebt. PLÖTZLICH LEGT Ursula den flachen mente. auf Deinem Bild klein sind, wirken len. Margrit setzt den Rat sofort um Bollinger bezeichnet das Malen als Pinsel zur Seite und verlangt einen die Farben viel kräftiger.» Während und ist ob des Resultats hell begeis- gute Möglichkeit für Menschen mit runden. Beatrice möchte dem Zei- URSULA HAT SICH EXTRA für den Beatrice fast ausschliesslich Magen- tert. einer Behinderung, kreativ zu sein tungsmann die Nase mit Farbe betup- Mann von der Zeitung schön ge- ta und Gelb verwendet, bevorzugt und sich zu entfalten. «Unsere Klien- fen – was dieser lachend ablehnt – macht. Ihr Bild ist fast fertig. Wie Ursula einen bunten Farbmix. Bei «DIE VORLIEBE unserer Klientinnen ten nehmen die Schwingungen der und Margrit summt hingebungsvoll Beatrice gibt auch sie sich grösste ihr dominieren warme Farben wie und Klienten für Farben ist von der Farben auf. Bilder malen löst Spon- den «Schacher Sepp». Das Lied läuft Mühe, präzise zu malen. Während Gelb, Orange und Rot, die sie mit er- Tagesform abhängig», erklärt Heinz tanität und ein Gefühl der Freiheit gerade im Radio im Regal hinter den Elvis im Radio «It’s now and ever» staunlicher Geschicklichkeit mit Bollinger. Bei den Malnachmittagen aus. Malen zu dürfen, was sie gerade drei Malerinnen. Ursula ist die singt, stochert Ursula gedankenver- Hellblau und Grün kombiniert. Bol- haben die Teilnehmer die Möglich- empfinden, hat bei Menschen mit Schwerarbeiterin unter den drei loren mit dem Pinsel in der Farbe linger rät ihr, die noch nassen Far- keit, unter Anleitung zu malen oder einer Behinderung einen sehr ho- Kleindöttinger Künstlerinnen: Unter auf dem Kartonteller herum. «Was ben ineinanderlaufen zu lassen und spontan das auf die Leinwand zu hen Stellenwert.» ihren Händen entsteht mindestens ist?», fragt Heinz Bollinger. «Bist Du ein Bild pro Woche. Andere schaffen am Spaghetti drehen?» Alle lachen. ■ ein oder zwei Bilder pro Monat. Doch Die Atmosphäre beim Maltag im KUNST OHNE GRENZEN: 200 PERSONEN SCHAFFEN ERSTAUNLICHES wie sagt Maltherapeut und Arbeits- Raum fürs «Wohnen mit Tagesstruk- agoge Heinz Bollinger: «Das Ergebnis tur» ist locker und gelöst, ja ver- Rund 200 Erwachsene, Ju- kraftwerks Leibstadt der Öf- Johann , die Heilpä- und beeinträchtigte Men- ist von untergeordneter Bedeutung. gnügt. Ab und zu wird innegehalten gendliche und Kinder aus vier fentlichkeit gezeigt werden. dagogische Schule Döttin- schen zwar auf die Hilfe der Was zählt, sind die Freude am Malen und diskutiert, da und dort erteilt Zurzibieter Institutionen ha- Die Bilder können für wenig gen und die Stiftung «Inte- Gesellschaft angewiesen und die gemeinsam verbrachte Zeit.» Maltherapeut Bollinger Ratschläge, ben in Malstunden und Pro- Geld gekauft werden. An der gration von Kindern und Ju- sind. «Sie sind aber auch in wie die Bilder noch besser werden jektwochen gegen 200 Bilder Aktion «Kunst ohne Grenzen» gendlichen» Koblenz. Der der Lage, Erstaunliches zu könnten: «Du musst die Farben geschaffen, die vom 21. Ok- beteiligen sich das Arbeits- Aktion liegt die Erkenntnis zu- leisten», sagt Roger Cavegn, grossflächiger auftragen, damit die tober bis 11. November im In- und Wohnzentrum Klein- grunde, dass körperlich, geis- Geschäftsführer des AWZ Weitere Fotos vom AWZ-Maltag auf weissen Stellen verschwinden», er- formationszentrum des Kern- döttigen, das Schulheim St. tig und psychisch behinderte Kleindöttingen. (ZA) www.aargauerzeitung.ch muntert er Beatrice und erklärt ihr,

IG Nord will bei der Umsetzung des Jugendtreff wird wiedereröffnet – mit neuer Strategie

Staatsvertrages mitbestimmen VON PIRMIN KRAMER nügt nicht, einen Jugendtreff anzubie- ten und dann zu hoffen, dass das An- Zurzibiet Die IG Nord wehrt nehme, um ihre Ausbaupläne und ben, den Süden noch stärker zu ent- Wislikofen/ Die Kinder und gebot genutzt wird, wie das an grösse- sich gegen Lärmkanalisierungen ihr favorisiertes Betriebsregime lasten. Jugendlichen in Wislikofen und Siglis- ren Orten oder in Städten möglicher- durchzusetzen. «Wir werden uns mit allen politi- torf können sich freuen: Der Jugend- weise funktioniert.» Das Leiterteam und Ausbaupläne, wie sie ihrer «Die direkt betroffenen Gemein- schen und juristischen Mitteln dafür treff Raindrops ist wiedereröffnet habe Vertrauen geschaffen und viele Ansicht nach unter dem Deck- den werden in der politischen Ver- einsetzen, dass der Staatsvertrag für worden. Bereits letztes Jahr hatte es Eltern überzeugt, dass ihre Kinder im mantel des Staatsvertrages teilungsdiskussion kaum noch an- die direkt betroffenen Gemeinden einen Neustartversuch gegeben, doch Jugendtreff gut aufgehoben sind. Das verfolgt werden. gehört», sagt Hanspeter Lienhart, und für alle Regionen fair umgesetzt der Treff lief damals nicht gut an, wie Raindrops können Schüler aus Melli- Präsident der IG Nord. «Die Vertei- wird», betont IG-Präsident Lienhart. Raindrops-Koordinator Lukas Böhler kon, Rümikon, Wislikofen und Siglis- lungsdebatte darf nicht über unsere sagt. Im Gemeindemitteilungsblatt torf besuchen. Der Staatsvertrag bürde der Schwei- Köpfe hinweg geführt werden. Wir 24 Zurzibieter Gemeinden sind dabei «Strichpunkt» hiess es 2011: «Die Das Raindrops soll ein Ort sein, an zer Bevölkerung eine schwere Hypo- Die IG Nord ist eine gemeinsame meisten Abende warteten die Trefflei- dem sich Jugendliche in ungezwunge- thek auf, da während der betriebsin- «Die Verteilungsdebatte Initiative von 38 Gemeinden aus drei ter vergebens auf Besucherinnen und ner Atmosphäre ohne Konsumations- tensiven und lärmsensiblen Stun- Kantonen (Zürich, , Schaff- Besucher.» druck treffen können, erklärt Böhler. den ab 18 Uhr abends und am frü- darf nicht über unsere hausen) im Norden des Flughafens «Es ist ein Lernfeld, ein Ort ausserhalb hen Morgen deutlich mehr Flüge Köpfe hinweg geführt Zürich. Sie setzt sich für die Interes- Erfreulicher Start der Schule, an dem die Jugendlichen über Schweizer Gebiet geführt wer- sen der Gemeinden und deren Bevöl- «Jetzt sind wir auf einem guten neue Leute kennenlernen und Bezie- den müssen, schreibt die IG Nord in werden.» kerung ein. Die IG Nord verfolgt die Weg, das haben die ersten Treffen in hungen aufbauen können.» Die einer Pressemitteilung. Hanspeter Lienhart, Entwicklungen rund um den Flugha- diesem Monat gezeigt», sagt Lukas Hauptbeschäftigungen: Töggelen, Bil- Das Bazl und die Flughafen Zü- Präsident der IG Nord fen Zürich-Kloten kritisch und koor- Böhler. Rund 20 Jugendliche im lard und Musikhören. rich AG hätten bereits präsentiert, diniert daraus entstehende Aktivitä- Oberstufenalter hätten im Septem- Ziel der Arbeit mit den Jugendli- wie sie den Staatsvertrag umzuset- ten. Damit gibt die IG der Bevölke- ber das neue Angebot genutzt. «Wir chen sei zudem, die Beteiligung am zen gedenken. «Mit Verlängerungen wollen eine Umsetzung, die den An- rung nördlich des Flughafens eine haben gehofft, dass das Projekt gut Gemeinwesen zu fördern und die Mit- der Pisten 28 und 32 sollen die Flug- liegen aller Regionen und den Ent- unüberhörbare Stimme. laufen würde, aber ich habe immer sprache der jungen Menschen in der bewegungen über dem Norden und wicklungsperspektiven der Ge- Der IG Nord gehören 24 Gemein- gesagt, dass es ein Experiment ist», Region zu unterstützen. Neben Lukas dem Westen sowie neu noch stärker meinden Rechnung trägt.» den des Planungsverbandes Zurzibiet erzählt Böhler. «Der Start war nun Böhler zählen zum Team Paula Roh- über dem Osten kanalisiert werden. an: Baldingen, Böbikon, Böttstein, sehr erfreulich, eine positive Überra- ner, Philipp Germann, Fabienne Bet- Das ist weder betrieblich noch «Keine Pistenverlängerungen» Döttingen, Endingen, , Full- schung.» schmann, Ramona Marchetti und Ca- volkswirtschaftlich nötig und für Die Kernforderungen der IG Reuenthal, Kaiserstuhl, Klingnau, Ko- Mit einer neuen Strategie haben thrin Wichtrey. Das Raindrops ist ein die Erfüllung des Staatsvertrages Nord zur Umsetzung des Staatsver- blenz, Leibstadt, Lengnau, , die Verantwortlichen die Jugendli- Jugendtreff mit zwei Standorten: Er nicht notwendig», schreibt die IG trages sind: Keine Pistenverlänge- Mandach, , , Riet- chen in die Treffs gelockt. «Wir haben findet im Wisliker Schulhauskeller Nord. Es liege auf der Hand, dass die rungen, keine Lärmkanalisierung heim, Rümikon, , Siglis- gemerkt, dass wir direkt auf die Ju- und im Siglistorfer Feuerwehrmaga- Flughafen Zürich AG die Vereinba- und keine gekröpften Anflugverfah- torf, , Unterendingen, gendlichen zugehen, sie wirklich ein- zin statt – abwechslungsweise jeden rung mit Deutschland als Vorwand ren, die ausschliesslich zum Ziel ha- Wislikofen, . (AZ) laden müssen», sagt Böhler. «Es ge- Freitag von 19 bis 22 Uhr.