P REUSSEN Nr. 28 – 11. Juli 2015 11 Beim Wembley-Tor stand er im Kasten Hans Tilkowski: Am Sonntag wird der Vizeweltmeister von 1966 und Fußballnationaltorwart von 1957 bis 1967 80 Jahre alt

Vielleicht war Hans Tilkowski der Jahren unzweifelhaft nachwies, ren und Wolf - anerkannte Meister des Faustens, er unter Herberger und Helmut gal. Nachdem seine Mannschaft bestaussehende deutsche Natio - dass das „3. Tor“ eben gar keines gang Overath. 1964 wurde er mit mit Grausen betrachtet haben. Schön 39 Länderspiele – teils als gegen Benfica Lissabon mit 1:2 naltorhüter – schließlich wurde er war – der Ball schlicht nicht hinter der russischen Torwartlegende Nicht immer hatte er es leicht Kapitän der Nationalelf –, womit verloren hatte, gewann sie das immer wieder mit dem US-Schau - der Linie war. Schütze Lew Jaschin in die Europa-Aus - und mit manchen Trainern so sei - er zeitweilig sogar deutscher Re - Rückspiel mit 5:0. Seinen letzten spieler Paul Newman verwechselt. später: „Nachdem ich jahrzehnte - wahl berufen. Als erster Torhüter ne Probleme, zumal er als dünn - kordnationaltorhüter war. Auftritt im Torwartdress absolvier - Für viele war er aber auch in sei - lang die Wiederholungen gesehen wurde er 1965 Deutschlands „Fuß - häutig und durchaus auch als Ihm, dem Torwart der Extraklas - te er mit 61 Jahren: ein Benefiz - nem Fach der Beste. Nicht um - hatte, muss ich einräumen, dass es baller des Jahres“ – wozu jener schwierig galt. Auf Unrecht rea - se, wurden gleichwohl auch beim spiel. sonst wurde er zum Fußballer des so aussieht, als habe der Ball nicht Elfmeter, den er vor 14 3 000 Zu - gierte er sensibel. BVB mit Bernhard Wessel und der Seine „Torpfosten“ seien Glaub - Jahres 1965 gewählt, jenes Jahres, die Linie überschritten.“ Die Pari - schauern in Rio de Janeiro gegen zog ihm bei der WM 1962 in Chile Frankfurter Eintracht mit Peter würdigkeit, Menschlichkeit, Re - in dem er mit dem BVB seiner Ge - ser „L’Équipe“ war schon 1966 Brasilien hielt, beigetragen haben in letzter Minute den jungen Wolf - Kunter zeitweilig andere ausge - spekt, Gerechtigkeit, unterstrich er burtsstadt den DFB-Po - deutlicher: „Das dritte Tor – das mag. Das „Sportmagazin“ titelte gang Fahrian vor. Woraufhin „Til“ zeichnete Torwächter vor die Nase kürzlich noch. In Herne trägt die kal gewann. Ein Jahr später kam niemals geschossen wurde …“ seinerzeit: „Nicht Pelé, sondern Til sofort nach Hause fliegen wollte, gesetzt. Bei be - „Hans-Tilkowski-Schule“ seinen mit dem Europapokal der Pokal - Hans Tilkowski hieß der Bedau - war der Größte“; der Namen. Der stets ta - sieger das Sahnehäubchen. ernswerte, der den „Tor-Bock“ kas - „Sportbeobachter“ dellose Sportsmann, sierte, den der sowjetische Linien - ernannte ihn gar um den es nie priva - Im Direktvergleich würde sich richter Tofik Bachramow geschos - zum „Stern von te Skandale gab, en - Hans Tilkowski vor keinem der sen hatte. Viele erfahrene Fußbal - Rio“. gagiert sich seit Jahr - nach ihm regelmäßig zu Torwart- ler würden eher sagen: Tilkowski Meister in der zehnten in vielfälti - „Titanen“ erkorenen Amtsnachfol - hat das Tor verhindert. Denn hätte wurde er ger Weise ebenso ger verstecken müssen. Im Gegen - er nicht dort gestanden, wo er lau - nie. Mit Borussia beharrlich wie er - teil: Der „König erte, dann hätte Dortmund (BVB) er - folgreich für soziale des Stellungs - sich der Schütze rang er jedoch 1965 Projekte, unter an - spiels“ stand Geoff Hurst kaum den DFB-Pokal. Ein derem für leukämie- meist schon dort, genötigt gesehen, Jahr danach gewann und tumorerkrankte wo diese gerne den Ball so hoch sein Team mit ihm Kinder. Er selbst – spektakulär hin - über ihn hinweg als Rückhalt im zu seiner aktiven fliegen – nicht zu zielen, dass er Glasgower Hamp - Zeit kaum anfällig – selten um die Ga - nur die Querlatte den Park gegen den war in den letzten lerie zum Applaus traf. FC Liverpool als er - Jahren an Krebs er - zu animieren. In Wembley ste deutsche Mann - krankt und unterzog „Bei aller Reak - hatte Tilkowski schaft den Europa - sich einer Bypass- tionsschnelligkeit den Fußballregeln pokal (der Pokalsie - Operation. Am blieb er kühl bis nach ohnehin nur ger) – welch ein Tri - 12. Juli 2015 wird er ans Herz, bei je - zwei reguläre Ge- umph! Kurz danach 80 Jahre alt. der Parade sach - Hans Tilkowski Bild: Archiv gentore zulassen folgte die WM in Helmut Rahn lich wie ein aufge - müssen. Denn England. lehnte es in seinen räumter Schreibtisch“, beobachte - auch das vierte hätte beileibe Der 1935 in Dort - letzten Lebensjah - te Sportautor Jo Viellvoye. Doch nicht anerkannt werden dürfen, mund geborene Til - ren ab, zum dritten wenn es denn einmal um panther - da sich zu diesem Zeitpunkt be - kowski, in einer Hu - Tor von Bern inter - artige Sprünge ging, dann zeigte reits scharenweise siegestrunkene sener Zechenkolo - viewt zu werden; er sich der 1,82 Meter große Zuschauer auf dem Platz tummel - nie aufgewachsen, hatte schlicht genug „schwarze Hans“ mit seiner enor - ten. „Bild“ hatte recht: „Wir haben war nach guter west - davon. Hans Til - men Sprungkraft ebenfalls als Tor - 2:2 verloren.“ fälischer Art eher Das umstrittene 3:2: Hans Tilkowski muss hinter sich blicken Bild: pa kowski bleibt gedul - hüter der Weltklasse. Es war denn auch ein maßlos schweigsam und ge - dig, redet ebenso Bei der unvergesslichen Welt - enttäuschter, weinender Hans Til - lassen. Zu Späßen war er indes was durch die Einbehaltung seines endete er seine Karriere schon mit nachdenklich wie humorvoll dar - meisterschaft 1966 in England lie - kowski, dem Königin Elisabeth II. gerne aufgelegt, wie Auftritte in Reisepasses verhindert wurde. Für 34 Jahren in der fast erfolglosen über – und spricht sich gegen Tor - ferte der Dortmunder Nationaltor - die Hand reichte. Die deutsche Fernsehshows bewiesen; doch den sonst so Beherrschten unty - Ära Erich Ribbeck. Er wechselte kameras aus –, auch wenn es mit wart reihenweise Glanzparaden Mannschaft freilich gewann mit Clownerien à la und pisch – aber so wollen es die Ge - sogleich auf den Trainerstuhl und diesen damals wohl kaum ein ab. Bis zum Finale musste er nur ihrer besonnenen Manier, mit der Petar Radenkovic waren ihm rüchte – zerlegte er sodann Teile rettete Werder Bremen vor dem Wembley-Tor gegeben hätte. Ohne zwei Gegentore hinnehmen. Doch sie das Unrecht hinnahm, welt - fremd. Ausflüge in gegnerische seines Zimmers, betrank sich, Abstieg. Seine Karriere als dieses epochale Nicht-Tor, das wer an Tilkowski denkt, dem fällt weite Sympathien. Strafräume waren den Schlussleu - schrie lauthals, er sei betrogen Übungsleiter – das Diplom erwarb auch ihn um den Weltmeistertitel zunächst ein Tor ein, das nicht fiel: Der Lorbeerkränze für den Vize - ten damals ohnehin untersagt. worden und soll Herberger auf er als Jahrgangsbester mit der No - brachte, wäre die Erinnerung an das ominöse dritte von Wembley. weltmeister Tilkowski sind viele Brutalitäten wie Kung-Fu-Tritte dem Rückflug gar an den Kragen te eins – führte den Bodenständi - den feinen Sportsmann und Jubi - Die Briten gelten gemeinhin als geflochten: Er hielt den ersten Elf - und Boxeinlagen seiner Nationa - gewollt haben. Mit „dem Chef“ gen bis nach Athen und war letzt - lar in unserer schnellebigen Zeit faire Sportsleute. Dazu passt, dass meter der neugegründeten lelf-Nachfolger Uli Stein, Harald sprach er denn auch jahrelang lich eher wechselvoll. nach fast einem halben Jahrhun - ausgerechnet deren ruhmreiche Bundesliga; unter den Schützen, Schumacher, , Tim kein Wort mehr. Dennoch: Zwi - Sein wohl bestes Spiel absolvier - dert wohl kaum mehr so wach. Universität Oxford in den 90er die an ihm scheitern sollten, wa - Wiese & Co. mag er, immerhin der schen 1957 und 1967 absolvierte te er 1963 mit dem BVB in Portu - Norbert Breuer-Pyroth