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Neunforn: Ein Korsett wird aufgebrochen

Hochwasserschutz und Ökologie sind keine Gegensätze: Dank Aufweitungen des Flussbettes kann der Hochwasserschutz gewährleistet werden. Wasserliebende Tiere und Pflanzen finden vielfältige Lebensräume. Das Ereignis berechnet) beliefen sich die Schä- den an Mobilien, Immobilien, Am Schweizer Nationalfeiertag von landwirtschaftlichen Kulturen und 1978 hätte es sich niemand träu- an den Gewässern. men lassen, dass bereits eine knap- pe Woche später nicht das Feuer, sondern das Wasser im Mittelpunkt Der Hintergrund der Aufmerksamkeit stehen würde. Die , die am 7. August mit rund In über 2500 Metern Höhe liegt die 1100 Kubikmeter pro Sekunde das Quelle der Thur, und auf 350 Meter Im Hochwasser von 1978 brach bei Felben Dreissigfache an Wasser führte wie über Meer fliesst sie in den Rhein. der Damm, und das Wasser ergoss sich im jährlichen Durchschnitt, hielt Auf der 130 Kilometer langen in die Allmend . die Thurgauer und Zürcher Bevölke- Strecke durchströmt sie keinerlei rung in Atem. Ihre Befürchtungen Seen, die als Ausgleichsbecken die- waren nicht übertrieben: Die Dämme nen könnten. So weist sie auch im hielten dem Druck nicht stand, Unterlauf Merkmale auf, die sonst und das Thurtal wurde weiträumig eher für einen Wildbach als für ein überflutet. Auf knapp 12 Millionen Fliessgewässer im Mittelland kenn- Franken (zu damaligen Preisen zeichnend sind: In kurzer Zeit kann sie von einem ruhigen in einen reissenden Fluss umschlagen. Die jährlichen Hochwasser der Thur hielten die Bevölkerung im Tal «auf Distanz» – bis 1890 eine erste Korrektion sie berechenbarer machte. Der mäandrierende Fluss wurde begradigt, indem an den schmalsten Stellen der Schlaufen ein Durchbruch gegraben wurde. Querprofil der begradigten Thur nach der ersten Korrektion Zwei Dämme, die den neu geschaf- fenen Flusslauf in einer Entfernung von 50 bis 150 Metern flankieren, sollten für zusätzliche Sicherheit sorgen.

Auch nach der Korrektion wurde der gelegentlich von Über- schwemmungen heimgesucht. Im Jahr 1910 etwa erreichte ein Hochwasser die Dimensionen der Fluten von 1978. Durch die Korrek- tion entstanden neue Probleme: Im begradigten Bett floss das Wasser rascher ab als zuvor, was seine Ero- sionskraft erhöhte. Als Folge senkte sich die Sohle der Thur ab – was die Grundwasservorkommen der Region und die wenigen verblie- benen Auenwälder zu gefährden begann. Ausserdem lagerte der Fluss laufend Material auf den Vor- ländern ab. In den hundert Jahren nach der Korrektion von 1890 erhöhten sich die Vorländer – die Flächen zwischen dem Fluss und den Dämmen – allmählich um bis zu 3 Metern. Dadurch verrin- gerte sich das Durchflussprofil der Thur, und am Fuss der Dämme bildeten sich Rinnen, wo die Erosion Der Kanal der Thur wird wechselseitig aufgebrochen. beim Hochwasserereignis umso Dadurch steht für das Hochwasser mehr Platz zur Verfügung mehr Kraft entfalten konnte und so und es entstehen vielfältige Lebensräume. die Dämme gefährdete.

2 Dass die Überschwemmungen in lungsreichen Flusslauf gestalten. den 1970er Jahren kostspielige Seine natürliche Pendelbewegung Schäden anrichteten, war letztlich diente dabei als Vorbild. Mit seinen auch darauf zurück zu führen, dass vielfältigen Strukturen wie Kies- sich der Mensch mit seinen Tätig- bänken, Abflussrinnen und Flut- keiten immer näher an den Fluss mulden in den Vorländern ist der wagte. Die Thurvorländer, einst als Flussraum zum Lebensraum für Überflutungsflächen und allenfalls Amphibien, Libellen und anderen für eine extensive Nutzung vor- aquatischen Wirbellosen gewor- gesehen, wurden mittlerweile den. Buhnen, d.h. längliche Bau- intensiv bewirtschaftet. werke, die in den Fluss ragen, schützen lokal das Naturufer, in Aus ökologischer Sicht wies die Kombination mit Faschinen. Diese korrigierte Thur ebenfalls Defizite Art der Uferverbauung vergrössert auf. Der eintönige Wasserlauf mit das Angebot an Schlupfwinkeln gleichmässiger Sohlenmorphologie für die Wasser- und Uferbewohner. bot kaum Brut- oder Laichplätze für Wasservögel, Fische und aquatische Ende April 1993 wurde mit den Kleinlebewesen. Die Wasserqualität Korrektionsarbeiten für den 1. Ab- schwankte stark, je nachdem, wie schnitt unterhalb der Rorerbrücke Wo der Kanal aufgeweitet wurde, lagert viel Wasser der Fluss gerade führte. bei Frauenfeld begonnen. Im sich Kies ab, und das Flussbett erhält eine Herbst 2002 war die Sanierung der abwechslungsreichere Struktur. Thur bis zur Zürcher Schwelle beim Die Massnahmen Fahrhof bei Niederneunforn abge- schlossen. Das Bild des Flusses hat Sicherheit vor Hochwasser und Ver- sich durch die Sanierung positiv ver- besserung der ökologischen Situa- ändert. Die Vorländer liegen wieder tion sind die zwei Hauptziele der tief, und mehrere Abschnitte sind laufenden zweiten Thurkorrektion. als Flachufer ausgestaltet. Die ge- Auf das erste zielte die Verstärkung schaffenen Aufweitungen haben der mehr als hundert Jahre alten die Gewässerdynamik stark belebt, Dämme. Denn die ursprünglichen Kiesinseln sind entstanden. Im Schutzwälle waren mit den Mitteln Bereich «Schäffäuli» bei Nieder- des ausklingenden 19. Jahrhun- neunforn – einem Auenwald von derts aufgeschüttet worden – mit nationaler Bedeutung – wurde eine Schaufel, Schubkarre und Pferde- grosse Aufweitung geschaffen. fuhrwerk. Die Qualität des Damm- Die neue, attraktive Flusslandschaft materials war deshalb recht unter- wurde in Zusammenarbeit mit schiedlich. Die neuen Dämme sind dem Nachbarkanton (AWEL Zürich) höher, die Dammkrone ist breiter, geplant und umgesetzt. und spezielle Dichtungsmassnah- men und Sickerleitungen beugen Schäden durch Sickerwasser vor. Bevor die Schutzmassnahmen umgesetzt Die Auflandungen im Vorland wur- worden waren, gefährdete die Sohlen- den abgetragen, so dass sie jetzt erosion der Thur Grundwasservorkommen und die wenigen verbliebenen Auenwälder. noch 2,50 Meter über der Fluss- sohle liegen und bei Hochwasser vollständig überflutet werden kön- nen. Dieser Fall wird im Jahr etwa ein bis zwei Mal eintreten, denn das Hauptgerinne ist in der Lage, Wassermengen von 230 Kubik- metern pro Sekunde abzuführen, ohne ins Vorland auszuufern. Eine Sohlenrampe und eine Strecke, wo auf der Sohle gröberes Material zugegeben wurde, beugen dem Abtrag der Flusssohle vor. Ausser- dem erhielt die Thur mehr Bewe- gungsfreiheit, indem Abschnitte mit wechselseitigen Aufweitungen einen mäanderartigen, abwechs-

3 Die Bilanz Eckdaten Die zweite Thurkorrektion hält, was man sich von ihr versprach: Als im Ausgangslage Mai 1999 das Wasser einen Jahr- hunderthöchststand erreichte, Einzugsgebiet Gewässercharakter 2 rauschten die Fluten durch die neu A=1696 km ; Höchster Punkt: Auengebiet 2503 m.ü.M, tiefster Punkt: 350 m.ü.M. Auch im Unterlauf wildbachähnlich gestalteten Abschnitte, ohne grös- 25,7% Wald, 5,5% Siedlung, Gefälle seren Schaden anzurichten. Bereits 65,7% Kulturland, 2,3% Fels/Ödland sind zahlreiche Tier- und Pflanzen- Mittleres Gefälle 1,6 ‰ Geologischer Untergrund arten, die sich in dynamischen Lockergesteine (postglaziale Alluvionen Flusslandschaften wohl fühlen, an (Sand, Kies) und jüngere Glazial- den neuen, strukturreichen Ufern schotter/Flussschotter) heimisch geworden. Der Fluss- regenpfeifer ist zurückgekommen, Schadenereignis 7.August 1978 und die Thurgauerinnen und Thurgauer freuen sich über einen Niederschlag und Prozesse Folgen Sintflutartige Niederschläge im ganzen Dammbrüche; Überschwemmungen Erholungsraum, der unvergessliche Einzugsgebiet der Thur und Sitter mit im thurgauischen und zürcherischen Naturbeobachtungen bietet. 100 mm Niederschlag in 24 Stunden Thurtal unterhalb Felben Schadensumme 12 Mio. CHF (gedeckte bzw. versicherte Schäden)

Massnahmen Wasserbauliche Massnahmen Weitere Massnahmen • Dammerhöhung (0,5 –1m) und • Sicherung des Raumbedarfs Dammverstärkung • Grosse Aufweitung bei Niederneunforn • Änderung Vorlandgeometrie • Festlegung Bewirtschaftungsvorgaben • Wechselseitige Aufweitungen für das Hochwasserprofil über eine Länge von ca. 300 Gesamtkosten auf 12 bis 15 m Breite; Grosse • 12 Mio. CHF für Abschnitt Aufweitung (von 50 m auf ca. 100 m «Rorerbrücke-Uesslingerbrücke» Breite) über eine Länge von ca. 2 km • 12 Mio. CHF für Abschnitt • Flachschüttungen «Uesslingerbrücke bis Gemeindegrenze • Ufer- und Sohlensicherung Uesslingen/Neunforn» • Kapazitätserhöhung • 9,3 Mio. CHF für Abschnitt «Gemeindegrenze Uesslingen/ Neunforn bis Zürcher Schwelle»

Abfluss Kapazität Spitze Kapazität vor Ausbau während Ereignis nach Ausbau 1100 m3/s 1080 m3/s 1300 m3/s (100-jährliches Ereignis)

Impressum Beteiligte Unternehmungen, Institutionen und Personen Herausgeber Bundesamt für Wasser und Geologie BWG Auftraggeber Hydraulische und Konzept, Text Egger Kommunikation Bern, Departement für Bau und Umwelt, geschiebetechnische Begleitung Lucienne Rey Kanton Thurgau, Frauenfeld Hunziker, Zarn & Partner AG, Ingenieur- Gestaltung Scarton+Stingelin SGD, Bern büro für Fluss- und Wasserbau Aarau Projektleitung Fachliche Marco Baumann, Abteilung Wasserwirtschaft/Wasserbau, Interkantonale Abstimmung Begleitung Manuel Epprecht, Amt für Umwelt Kanton Thurgau, Projektkommission Thur (PKT); Simone Hunziker Frauenfeld AWEL Zürich Bildnachweis Abteilung Wasserwirtschaft/ Wasserbau, Amt für Umwelt Planung, Ausarbeitung technischer Umsetzung mit Vertretern Kanton Thurgau, Frauenfeld Berichte der Gemeinde und kantonalen Schlaginhaufen und Partner, Frauenfeld; Fachstellen Internethinweis Die Publikation ist im PDF- BHAteam AG, Frauenfeld; Begleitgruppe Thur Format auf der BWG-Internet- Van Roojen und Partner AG, site www.bwg.admin.ch Zuständiger Experte BWG als Download verfügbar Ökologische Projektbegleitung Manuel Epprecht Copyright © BWG, Biel, asp Landschaftsarchitekten AG, Zürich Dezember 2004

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