Chronos und weinender Putto : bernische Grabdenkmäler des 17. und 18. Jahrhunderts

Autor(en): Kehrli, Manuel

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Kunst + Architektur in der Schweiz = Art + architecture en Suisse = Arte + architettura in Svizzera

Band (Jahr): 54 (2003)

Heft 1: Grabmonumente = Monuments funéraires = Monumenti funerari

PDF erstellt am: 06.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-394234

Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber.

Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind.

Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch

http://www.e-periodica.ch Manuel Kehrli

Chronos und weinender Putto

Bernische Grabdenkmäler des 17. und 18. Jahrhunderts

In nachreformatorischer Zeit scheinen in den Kirchen Gleichheit der städtischen Bürger hatte freilich ihre Grenzen, da der Stadt wie dem Münster oder der Heiliggeistkirche sie erstens die Stadtbürger von den Bewohnern der Landschaft keine Grabdenkmäler errichtet worden zu sein. und zweitens die Besitzenden von den Besitzlosen schied. Wenn Das erstaunt angesichts der patrizischen Vergangenheit auch die Vermögenden im Münster keine Altäre, Kapellen und und der damit verbundenen Vorliebe für ständisch Grabstellen mehr ihr Eigen nennen durften, so war es doch geordnete Selbstdarstellungder bernischen Aristokratie. gebräuchlich, dass die Kirchenstühle bis ins 19. Jahrhundert Bedeutende Grabdenkmälerhaben aber sehrzahlreich Privatbesitz blieben. in bernischen Landkirchen das Zeitliche überdauert und Das Bestattungsverbot in bernischen Kirchen wurde ausserhalb gewähren einen faszinierenden Einblick in den der Stadt Bern jedoch nur wenige Jahrzehnte befolgt und stilistischen und ikonografischen Wandel der bernischen begünstigte die Entwicklung patrizischer Grabmalkultur auf dem Grabmalkultur. Lande.4 Das Grabmal für Callus Caldi (ti575), Hofmeister zu Königsfelden, in der ehemaligen Klosterkirche daselbst verkörpert Die in Bern hatte auch soziale Folgen: Stimmfähige eines der frühesten nachreformatorischen Grabmäler eines Bürger der Stadt sollten, ob adelig oder nicht, auf denselben Stand Berner Bürgers. Die geografiche Ferne zur Stadt Bern mag gebracht werden. Für sämtliche Uatsmitglieder wurde beispielsweise wesentlich dazu beigetragen haben; möglicherweise auch die das Tragen der bis 1798 üblichen schwarzen Amtstracht Tatsache, dass Königsleiden in der Vergangenheil eine bedeutende mit weissem Beffchen eingeführt.' Besonders verständlich wird königliche Grablege war, woran (laidi gewissermassen die angestrebte Gleichheit in kirchlichen Angelegenheiten: Für anzuknüpfen versuchte. die Stifter von Kapellen und Allären im Münster muss es schmerzlich Es bleibt uns nicht verborgen, dass nodi am Ende des 16. gewesen sein, als ihre Stiftungen aus der Kirche gebracht Jahrhunderts in Bern der alte Glaube im Geheimen praktiziert wird, und in den allermeisten Füllen zerstört wurden. Ebenso wie wir das etwa von Diebold von Erlach (1561-1622) wissen, einschneidend wird auch der wohl vom Stadtschreiber Peter Cyro der Reisen ins Heilige Land unternahm und Ritter des Ordens verlasste Ratsbeschluss vom 29. November 1529 gewesen sein, vom Heiligen Grab sowie des Heiliggeistordens war. Bildinhalte der die Bestattung im Innern des Münsters verbot: «die edlen kostbarer Textilien um 1600 zeigen deutlich, dass die Traditionen begert inen ir grebnuß in der kilchen ze lassen in irn capellen, ist des alten Glaubens in bestimmten Haushalten in Bern noch daruff geratenn das sy das best thuend, das liinfur niemands in allgegenwärtig waren. ' der kilchen vergraben, lieb und leid mit einandern han [...]».' Zu Beginn des 17. Jahrhunderts häuften sich Grabmäler der Das Verbot galt natürlich nicht nur für das Münster, sondern für Herrsrhaftsfamilion auf dem Lande. Die privaten Besitzer von Herr- alle bernischen Kirchen. Die republikanische Zielsetzung des schaftsrechten besassen in vielen Fällen auch die Kirchensätze Bates kommt im letzten Satz des Beschlusses sehr deutlich zum der entsprechenden Kirchen, und so linden wir in ehemals wichtigen Ausdruck, indem die Betroffenen mit den übrigen Einwohnern I'wingherrsrhaften ebenso bedeutende Crablegen der Stadt «Liebe und d. h. patrizischer Leid» teilen sollten, ihre Verstorbenen Familien wie etwa in , Jegenstorf, , ebenfalls auf dem Friedhof beisetzen Eine mussten. Bestattung Spiez oder Hindelbank. In l.andkirchen. deren Kirchensätze sich auf dem städtischen Friedhof bedeutete unmittelbar nach der in staatlichem Besitz befanden, Hessen sich Pfarrherren, Landvögte Reformation, dass weder noch die Grabplatten llolzkreuze an und deren Angehörige bestatten, wenn sie während der Verstorbenen erinnern durften.' Die obrigkeitlich geforderte jeweiligen Amtszeit verstarben.

2003 1 K'A A»A 37 Eine Vorstellung vom Aussehen der vor der Reformation tene für Hans Sc.hnewly von Landeg (nach 1476) im Münster gebräuchlichen Grabplatten gibt eine nicht geringe Anzahl überlieferter (Abb. 1). Bei verschiedenen Grabungen des 19. und 20. Jahrhunderts Exemplare oder Fragmente in den stadtbernischen im Münster kamen zahlreiche Grabplattenfragmente zum Kirchen. Eine der frühesten, vollständig erhaltenen ist die nach 1324 Vorschein, welche heute in den Boden oder die Wände eingelassen entstandene Platte für den öffentlich enthaupteten Ritter Walter sind. I[(unrich Türler bemerkte 1896 zu den zeitgenössischen Senn von Münsingen in dei' ehemaligen Dominikanerkirche, Funden, dass es sich in allen Fällen um Steine mit Wappen heute Französische Kirche, in Bern. Sie zeigt eine hochgotische handelte.7 Trotz der rein zufälligen Überlieferung vorref'ormatori- reliefierte Darstellung des Senn-Wappens mit Kübelhelm und scher Grabplatten zeigen diese doch, dass der Schmuck in den Helmkleinod. Fis ist übrigens die einzige Reliefplatte Berns aus allermeisten Fällen aus Wappenreliefs in Bronze oder Haustein dem 14. Jahrhundert.'' Nicht nur heraldische Elemente, sondern bestand und obwohl die 'tradition der Grabplatten mit der auch Grabumschriften zieren die sehr beschädigte Grabplatte für Reformation kurzerhand abbrach, weichen die erhaltenen Exemplare

Petermann von Krauchthal (nach 1425) und die vollständig erhal¬ des beginnenden 17. Jahrhunderts nicht davon ab (Abb. 2).

1 Grabplatte für Hans Schnewly von Landeg, nach 1476, Sandstein, Münster Bern.- iaOÄ\^Ak;*WÖn? 1 -« « Km Vorreformatorische Platte mit Umschrift und >—> Wappen mit Helm und Helmzier. ^ ' m ».': 1. 2 Grabplatte für Ulrich von Bonstetten, «4U %?:a s* À wÇ nach 1607, Sandstein, Kirche m Jegenstorf.-Auch nach der Reformation e T-y enthalten Grabmälervorerst nur S3 Ë* 1 heraldische Elemente und Inschriften. 3 Grabplatte für Burkhard Fischer, nach !=t3 1707, Sandstein, Kirche Thierachem. - Der Wappenschild des Pfarrers von TJ Thierachern wird von einem Gerippe a s '."? gehalten, welches in der Linken die Heilige Schrift in Händen hat. -¦¦> Krf rz:v 4 Johann Friedrich Funk I. (zugeschrieben), Grabplatte für Christoph von Graffenried, 1759, schwarz und weiss gefasster Sandstein, cd KirchhoFWorb.- Spätbarocke Grabplatten — ' m » h m behalten das Schema des Spätmittelalters bei, 1^ »y> doch in der Gestaltung werden sie üppiger.

CZJ C_/ iBa'WÙfraûcBKnxniotff l?éiïenjUrfftnfon^p1loB

m -¦¦ imciifêjvtjrioHfiipiatEbtii -, iz.?bnti.'Hifflpi6o7.. 9 u g «3$£« WM ÄijjujiiefjciojTiijQyHnm

38 K'A A*A 2003.1 Eine herrschaftliche Grablege in der Kirche Worb Mitherr zu Worb. und seine Cattin Dorothea Manuel (ti6o7>. die Im Chor der Kirche Worb wurden 1983/84 durch den Archäologischen beide von derselben Hand stammen und deshalb nach dem Tod

Sandstein Grabumschriften Dienst des Kantons Bern 1 3 Grabplatten in Berner der Gattin entstanden sein dürften. Die lateinischen nus der Zeitspanne von 1607 bis 17.39 ausgegraben Die auf den Rahmen nennen die Namen der Verstorbenen. Herren zu Worb, die auch im Besitz des Patronatsrechts der Kirche Innerhalb der Rahmen befinden sich oben die beiden in waren, benutzten den Chor als Privatkapelle und Grablege.'' heraldischer Weise einander zugewendeten Familienwappen auf Anhand der restaurierten, an der Kirchhofmauer aufgestellten Renaissance-Schild mit Spangenhelm. I leimzier und Helmkleinod; Grabplatten für die Herrschaftsfamilien von Diesbach, Manuel unten sind Rollwerk-Kartuschen mit lateinischen Sinnsprüchen und von Graffenried lassen sich die stilistischen Veränderungen angebracht. Dieser schlichte, schon vor der Reformation während anderthalb Jahrhunderten exemplarisch ablesen wie verbreitete Typus setzte sich in Worb bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts an keinem andern Ort im Kanton Bern." Die Reihe beginnt mit fort. Rahmen. Wappen und Kartuschen blieben bis ins den beiden Platten für Hans Rudolf von Diesbach (1549-1594). ausgehende 17. Jahrhundert frei von zusätzlichen ikonografischen

f

i J % r~iJf2* *

s^ m ' fi et *<< um rtlClACET Vi* ri»— K3KVS A QtMTOWHi

*m 1 Reipviucä BaiNFwsi 1 ¦-> ì ^ ...LAMElWcCnouC i.r \ ¦»•"«nib tmn Tvs -V OvcU»Ma. ' r-*M» sfc units OmmsScm *v».

1ahdowwsim( m y AitwH^itMB*AfK Im Qwt'inV

^^^Hè.l SVI K»V)T "I N»f«SEwANVfoA.f*"-.-rM«Q ¦ ¦rBllRICHARnilS rr.TJfLF 9miteà*u<>&v>x~.- n ,:*mston Amo MKH.iX.MEmr AW.VS1I. ' Hir? Hnj/;< per atì.oj o)ior j VigikuJiM t isit)nnVìì-qimy('iiiiìi'<

¦hirrAf.wtonòm \- - 'i in Cr Ailnr\0(<)[<('piu\rì /iij -rchw, fi .mccvm. U\\ \h Vcn 1 lì/ \nS

1 **v ;»¦

U.

2003 1 K»A A-A 39 Elementen. Die Grabplatte für Kaspar von Graffenried (1632- Die Worber Grabinschriften geben, meist in Latein, Auskunft 1682) weist erstmals Vanitas-Symbole auf: Der gerade, von über Namen, Stand, Daten und Ämterlaufbahn der jeweiligen Palmwedein eingefasste Wappenschild wird von Gebeinen, Schädel Personen und berichten über Todesursachen sowie in wenigen und Stundenglas bekrönt. Kaspars Sohn. Christoph von Fällen über Charaktereigenschaften. Oftmals linden wir sinnige

Graffenried 1654-17 io), erhielt eine Platte, die eine neue Gestaltung Gedichte oder Sprüche, wie etwa bei dem Fnde 1 7. Jahrhundert einführt, welche vielerorts wiederzufinden ist: Der geflügelte knapp dreijährig verstorbenen Karl Christoph von Graffenried: Chronos als Schildhalter, welcher über einer Drapierung zu «WIE SCHÖN IST EIN BLVMEN IN GARTEN/VND OB MAN GLEICH schweben scheint. Das Grabmal für Salome von Büren (1670- MIT FLEIS DERSELfben tltlVT ABWARTN SO IST / DOCH ALS 1708). der Gattin von Christoph von Graffenried, zeigt nicht VMB SONST WAN/DRVISFK (iF|ht u|NI) DIJÌ S1ZV BODEN STOST Chronos als Schildhalter, sondern ein geflügeltes Gerippe mit L'ALT Sl DAHIN GESCHWIND». Kopftuch, welches hinter dem barocken Wappenschild sitzt. Unterhalb des Schildes stehen ein erloschener Kerzenstock und Im Berner Münster wird 1601 ein neues Grabmal aufgestellt ein Stundenglas. Ein dieser Anordnung entsprechendes, aber Obwohl seit 1529 ausdrücklich verboten, entstand im Berner

plastisch deutlicher ausgearbeitetes Grab erhielt Pfarrer Burkhard Münster durch Werkmeister Hans Thüring 1 601 ein beachtliches Fischer (-(-1708) in der Kirche Thierachern (Abb. 3). Hier Grabmal, welches jedoch gar keines ist: das als Epitaph gestaltete hält das Gerippe in der linken Hand zusätzlich die Heilige Schrift Denkmal für Berchtold V. von Zähringen. In drei Inschriften mit den Buchstaben A / Q. als Hinweis auf den Berufsstand ist das angenommene Gründungsdatum der Stadt Bern, der des Verstorbenen. Herausragend in der Worber Reihe ist die letzte Hinweis auf den Stadtgründer und das Datum der Errichtung des Grabplatte für Christoph von Graffenried (1661-1743), den Denkmals angebracht. Das Errichtungsdatum wird ausdrücklich Gründer New Berns in North Carolina; sein Enkel Emanuel hatte in Jahren nach Christi Geburt und nach Einführung der sie 1759 wohl bei Johann Friedrich Funk I. in Auftrag gegeben Reformation in Bern angegeben.':l Heraldische Elemente beherrschen (Abb. 4)." Der formale Aufbau unterscheidet sich nicht von den die Gestaltung des Denkmals: Im Hauptfeld ist das Bernorwap- übrigen Platten in Worb, doch die Gestaltung hebt sich deutlich pen zwischen Reichs- und Zähringerwappen in einer Linie ab. Ursprünglich schwarz und weiss bemalt, wird die Tafel mit dargestellt, während ringsherum die Wappen der Mitglieder des der goldenen Inschrift von einem durchbrochenen Rocaille-Rah- Täglichen Rates angeordnet sind. Dem Betrachter des Denkmals men eingefasst, der auf zwei Füssen steht." Zwischen den Füssen wird geradezu theatralisch vorgeführt, wie der bernische Staat ist ein Schädel mit zwei gekreuzten Beinknochen zu erkennen. sich selbst versteht. Es ist eigentlich kein Denkmal für eine

Im oberen Teil mit feinerem, aber entsprechendem Rahmen Einzelperson, sondern vielmehr ein Verwand, um den Staat darzustellen prangt das Graffenriecl-Wappen unter einem Hut in einer und zu legitimieren.1'1 Das Denkmal versinnbildlicht, class sich Kartusche à palmes. Bern aufseinen Gründer beruft und sich als Teil des Reiches sieht.

5 Epitaph für Anna Margaretha von m Wattenwyl, nach 1695, Sandstein, Kirche Trachselwald. - Das Wandgrab befindet <*>- sich nicht am Ort des eigentlichen Grabes und kann deshalb auch in einer kleinen Kirche beachtliche Ausmasse $& m *tw l M «r annehmen. 6 Johann August Nahld.Ä., Epitaph f<- J!. :. für Beat Ludwig May, 1748, Stuckmarmor,

fi¦ %, Stadtkirche Thun.-Embleme und die m> durch den Verstorbenen verfasste Inschrift \ tan« : *%,ir">°3,-*;"'v verdeutlichen die soziale Stellung des K '< durch das Grabmal Verehrten. 7 Grabrelief für Ursula Moratell, nach 87f ,*inOri:lfi¥T. taUtWirJM'* 1652, Bronze, Kirche .-Schlichte f imrafvn ¦ Variante eines Grabmals, welches zusammen ÎUrifcijrfnSikl mit jenem des Gatten als Pendant die Kapel- lenwand schmückt. w«4 !>•&•»* %

40 K>A A-A 2003.1 Das Bernerwappen steht auf einer Linie mit Reich und Zähringen, Nun Lebt,/Und Gottes Lob mit vreis [siel] Erhebt./Gebohren. VII. womit es den Souveränitätsanspruch von Stadt und Republik Juny. MDCLVIL/ Starb XXIV. marti. MDCXCV». Darunter befindet Bern verdeutlicht. Die vielen kleinen Wappen der Ratsherren sich eine weitere, hochovale Kartusche mit Blätterkrone, welche unterstreichen die republikanische Regierungsform, und das das Monogramm des Gatten B|artlom|E M|ay| enthält. Vor dem Datum gibt Aufschluss über die konfessionelle Ausrichtung und Giebel prangt das Wappen der Wattenwyl mit Spangenhelm und Gebundenheit des Staates. Zudem hat das Zähringerdenkmal die Helmkleinod in Form einer Frau mit Flügelarmen. Begleitet wird Verbreitung von Epitaphen in bernischem (iebiet begünstigt und das Wappen von zwei dämmenden Vasen. Das ganze Grabdenkmal zu Nachahmungen geführt, wie etwa dem Grabmal für Karl von ist durch eine im Gegensatz zum plastischen Werk wenig Bonstetten 1594-1675) in der Kirche Jegenstorf. subtil ausgeführte, an vier Knoten aufgehängte Grisaille-Draperie hinterlegt. In seinem gesamten Erscheinungsbild wirkt das Epitaphe für Landvögtin und Landvogt Epitaph in Trachselwald sehr harmonisch und durchdacht. An der nördlichen Chorwand der Kirche Trachselwald befindet Obwohl die Putten nur flankieren, ziehen sie die Aufmerksamkeit sich das vollplastische Epitaph für Anna Margaretha von Wat- des Betrachters auf sich und übermitteln ihre Botschaft: Hier tenwyl (1657-1695), der Gattin des Landvogtes Bartlome May Iraner der Irdischen, dort Hoffnung auf Auferstehung. Im (Abb. 5).' ' Es ist als geschweiftes Frontispiz aufgebaut, welches formalen Aulbau entsprechend und mit wenigen Abweichungen in von vier Voluten getragen und einem Dreieckgiebel überragt der Ausführung präsentiert sich das nach 1692 entstandene wird. Das Frontispiz wird links und rechts von zwei Putten Epitaph für Maria von Muralt in der Kirche Oberbipp. flankiert; während der linke Putto weint, blickt der rechte hoffnungsvoll Ein halbes Jahrhundert später schufJohann Augusl Nah] das nach oben. Der Weinende steht auf seinem linken Bein, reibt Epitaph für Beat Ludwig May (1697-1747), Mitherr zu Rued und Sich mit der linken Hand die Augen und hält in seiner Hechten Sehultheiss (Landvogt) zu Thun (Abb. 6). Der Umstand, dass den Wappenschild des hinterbliebenen Gatten. Der andere Putto die Witwe von May die Schwester des Architekten Albrecht Stür- sitzt auf einem Sockel und schwingt sein rechtes Bein. Die breitovale ler war, könnte dazu beigetragen haben, dass der eben erst in Kartusche vor dem Frontispiz wird von einem Feston mit Bern niedergelassene Bildhauer Nahl mit diesem Auftrag Schlange eingerahmt, den oben ein Schädel und zwei gekreuzte bedacht wurde."' In den Thuner Ratsmanualen ist die Errichtung Beinknochen Grabinschrift abschliessen. Die Kartusche beinhaltet die eines Epitaphs für Beat Ludwig May erwähnt, da diese genehmigt in Versform: «Fragstu Leser was dis hier sey: / Ein grab- werden musste und der Rat der Witwe dafür gar einen Geldbetrag schrift der LandVögtin Mey, / Frau Ann Margret Von Watenweil übergeben liess.I? Das in weissem Stuck ausgeführte Grabdenkmal gnant, / Ein Tugendbildte Wohl Gekant, / Die Ihren Stamm gantz stellt ein drapiertes, von zwei Putten gehaltenes Bahrtuch Adellich, / Erhallen hat Preiswürdiglich, / So hier Ihr Leben hat dar. Oberhalb des Tuches sind eine bekrönte Kartusche mit Geendt,/Und Ihre Seel In llimel Gsendt,/I)a Sie in Voller Freud dem May-Wappen und ein posaunender Engel sowie Hellebarde, Fahnen, Trompete, Degen und Liktorenbündel angebracht. Ein Putto hebt das untere Ende des Bahrtuches an und gibt so den Blick frei auf eine Konsole mit einem Schädel und einer rauchenden Fackel. Die zu erahnenden Bedeutungen der verschiedenem Symbole werden durch die Inschrift V erklärt, welche auf die Eigenschaft als Herr Rued m Mays zu und Leerau, Sehultheiss zu Thun und ehemaligen Hauptmann in niederländischen Diensten hinweist. Bemerkenswert ist der zweite Abschnitt: «Die grab- hat Sich schrifft er / Bey leben selbst geschriben / Durch Tugend und nach dem verdienst/Die Tod gebliben». Beat Ludwig Ma> erhielt von Nahl ein Epitaph, welches angesichts seiner hohen plastischen Qualität weitherum seinesgleichen sucht. Bekanntere Werke Nahls sind jedoch das Grabmal für die Pfarrersgemahlin Maria Magdalena Wäber von 1 753 und das Grabmonument für Hieronymus von Erlach von 1751 in der Kirche Hindelbank."

Neue Kapellen für Herrschaftsfamilien Wie bereits dargelegt, waren private Kapellen und Grablegen im Berner Münster seit der Reformation verboten und Chöre von Landkirchen dienten als Ersatz. Von der Mitte des 17. Jahrhun-

2003 1 K'A A'A 41 derts an erhielten die Kirchen in Belp und Oberdiessbach Kapel- che Oberdiessbach eine Memorialkapelle errichten (Abb. 8). Die lenanbauten. Johann Rudolf Stiirler (1597-1665), Herr zu Belp, Ahnen des Nikiaus von Wattenwyl pflegten in der Kirche Jegenstorf liess an der Kirche daselbst 1651 eine Kapelle anbauen, welche repräsentative Grabmäler aufzustellen. Das gegen Ende weniger als Grabkapelle zu dienen hatte, als den Mitgliedern der des 17. Jahrhunderts entstandene Epitaph für Nikiaus'jüngere Herrschafts- und der Pfarrersfamilie Platz bieten sollte."'Stürler Schwester Anna Margaretha in Trachselwald wurde oben näher und seine Gattin Ursula Murateli 1603-1652) erhielten schlichte, beleuchtet. Mit der Memorialkapelle für Albrecht wurde innerhalb hochovale Bronzereliefs als Grabmäler (Abb. 7), welche an den der Familie und darüber hinaus ein Höhepunkt an Pracht Seitenwänden der Kapelle angebracht sind. und Anspruch in der bernischen Grabmalkunst erreicht.20 Der «ryche Wattenweiler» genannte Nikiaus von Wattenwyl Für die sehr stark im politischen Denken verhafteten Berner (1653-1691) erbte von seinem Vater die Herrschaft Jegenstorf des 17. und 18. Jahrhunderts hatten die Künste nur ihre Berechtigung, und von seinem Onkel Albrecht die Herrschaft Oberdiessbach. wenn sie ausdrücklich der obrigkeitlichen und privaten Zum Gedenken an seinen Erbonkel liess er nach 1671 in der Kir¬ Selbstdarstellung dienen konnten. Sogar die private Selbstdar-

8 Memorialkapelle für Albrechtvon Wattenwyl, nach 1671, Stuckmarmor, Kirche Oberdiessbach. - Eine ganze Kapelle soll mit einer Plastik, Emblemen und Inschriften an die Verdienste eines wohlwollenden ^K T* Erbonkels erinnern. *5Ä

¦¦ «s ^ J

"^T-i s kV

.,-. r11 Î m \.r

1

V Î V

42 K>A A>A 2003 1 Stellung war obrigkeitlich gebunden, da die regierenden Taschenbuch auf daslahr 1896, hrsg. 17 Ebd., S. 123. Geschlechter letztlich die Stützen der alten Stadt und Republik Bern von Heinrich Türler, Bern 1896, 18 Vgl. dazu: Thomas Weidner, Die S. 86-87. Grabmonumente von Johann August verkörperten. Neben der Architektur und der Porträtmalerei 8 Ernst /\eb\, Die Grabplatten bei Nahl in Hindelbank.in: Berner kam der Bildhauerei bei Taufsteinen und Brunnenfiguren, der Kirche Worb, Worb 1991. Die Zeitschrift für Geschichte und Heimatkunde, besonders der Grabmalkunst grosse, vielleicht bisher zu wenig biografischen Angaben zu den 2,1995, S. 51-88, und Axel wahrgenommene Bedeutung zu. Grabplatten, Transkriptionen und Übersetzungen Christoph Gampp, Das Grabmal der aus dem Lateinischen sind Maria Magdalena Langhans von nicht immerverlässlich. Johann August Nahl von 1751, in:

9 Samuel Rutishauser,/C/'rc/ie Worb, Kunst+Architektur in der Schweiz Résumé Bern 1985 (Schweizerische Kunstführer, 46,1995, Heft i,S. 72-75. Peu après la Réforme, le Petit Conseil du canton de Berne interdit hrsg. von der Gesellschaft für 19 Andres Moser, Kirche Belp, 0.0. Schweizerische Kunstgeschichte 377), 1964 (Schweizerische Kunstführer, l'inhumation à l'intérieur des églises, ce qui ne suspend pourtant que S.20. hrsg. von der Gesellschaft für brièvement l'art funéraire bernois. Vers 1600, des seigneurs, titulaires de 10 Etwas weiter östlich, an der Nordseite Schweizerische Kunstgeschichte), S. 5. l'intérieur droit de patronage, rétablissent la pratique de l'inhumation à der Kirchhofmauer befinden sich 20 Georges Herzog, Mars am Lager des églises rurales situées sur leur domaine. Ainsi, en particulier zwei weitere, aus der Kirche entfernte der Venus. Albrecht und Nikiaus von und sehr stark verwitterte Grabplatten: Wattenwyl und ihr Neues Schloss à Worb et Jegenstorf, on construit des tombeaux, utilisés pendant un Die eine fürReginaTscharner Oberdiessbach, in: Ausstellungskat. siècle et demi, illustrant l'évolution des monuments stylistique (1665-1731), der Gattin von Christoph Im Schatten des Goldenen Zeitalters funéraires. Des générations de baillis et de prélats se font également von Graffenried (1661-1743), die andere 1995 (wie Anm. 14), S. 72-73. enterrer dans les églises, ce qui contribue à enrichir l'art funéraire dans für ein Ehepaar Bachmann-TillierJ?]. 11 Hermann von Fischer, FONCK A ABBILDUNGSNACHWEIS l'ensemble des territoires sous tutelle bernoise. BERNE. Möbel und Ausstattungen 1: Kunstdenkmäler des Kantons Bern der Kunsthandwerkerfamilie Funk im (Martin Hesse). -2,3,6-8: Riassunto 18. Jahrhundert in Bern, Bern 2001, Denkmalpflege des Kantons Bern. - Subito dopo la Riforma, il Piccolo Consiglio di Berna proibì l'inumazione S. 162-163. 4: Gerhard Howald, . - 12 Die FUsse erinnern an diejenigen 6: Hans Meier, Thun dei defunti all'interno delle chiese. Il decreto non incise però in des Spiegels in Pendulen-Form aus maniera duratura sulla cultura dei monumenti funebri bernesi. Verso dem Rathaus des Äusseren Standes ADRESSE DES AUTORS il 1600 i la sepoltura signori titolari dei diritti di patronato ripristinarono in Bern, Bernisches Historisches Manuel Kehrli, cand. phil. hist., nelle chiese di campagna che si trovavano sotto il loro controllo. Museum, Inv.-Nr. 18031, vgl. von Fischer wissenschaftlicher Mitarbeiter, 2001 (wie Anm. 11), S. 175. Stiftung Schloss Jegenstorf, General- Le tombe create in particolare a Worb e a Jegenstorf, rimaste in uso 13 Inschrift:M.P. ANNO KPÌXTO- Guisanstr. 5, 3303 legenstorf durante un secolo e mezzo, rivelano l'evoluzione stilistica dei monumenti FONI \X MILLESIMO SEXCENTESIO / all'interno funebri nel corso del tempo. L'adozione dell'inumazione ECCLESIAEAUTEM CHRISTI IN HAC delle chiese anche da parte delle famiglie di balivi e di sacerdoti CIVI: /TATE II 1 l//7'f."VEi/ \ÏLXXIII WILLADINO/ condusse a un importante sviluppo nella cultura dei monumenti /DlominoJCHRISTIANO PRAEFECTO TEMPLI, (lat./gr.[errich¬ funebri sull'intero territorio bernese. tet?] im Jahre der Geburt Christi Tausendsechshundert, aber auch im Jahre

73 nach der Wiedererrichtung der ANMERKUNGEN Bern 1912,5.140-141. Kirche Christi in dieser Stadt, durch Herrn Der Kirchmeier Verfasser dankt folgenden Personen 4 Andres Moser, Die Landkirchen Christian Willading, für Anregungen und Unterstützung: und ihre Ausstattung, in: Illustrierte vom Rat.) Vinzenz Bartlome (Bern), Berner Enzyklopädie, 3, Siedlung 14 Hans Christoph von Tavel, Zur Hermann von Fischer (Muri b. Bern), und Architektur im Kanton Bern, Bern Selbstdarstellung des Standes Bern Sabine Häberli (Basel), Andreas Hänni 1987, S. 73- im 17. Jahrhundert, in: Im Schatten des

(Bern), Gabriele Keck (Mézières), 5 Vera Heuberger, ß/7derwe/f des Goldenen Zeitalters. Künstler und Peter Martig (Jegenstorf), Beat Scher- Himmelbetts. Gestickte Bettbordüren Auftraggeber im bernischen 17. Jahrhundert, tenleib (Bern), Urs Martin Zahnd der Spätrenaissance, mit Beitragen Ausstellungskat. Kunstmuseum (Hinterkappelen). von AnneWanner-leanRichard und Bern, Bd. 2, Bern 1995, S. 294. Manuel Kehrli, Bern 2000 (Glanzlichter 15 Jürg Schweizer, Trachselwald. 1 Quirinus Reichen und Karen aus dem Bernischen Historischen Dorf, Schloss, Gemeinde, Basel 1974 Christie, Das Schnittmusterbuch von Museum 2), S. 16-17. (Schweizerische Kunstführer, hrsg. Salomon Erb, Bern 2000 (Glanzlichter 6 Paul Hofer, LucMojon, Die von der Gesellschaft für Schweizerische aus dem Bernischen Historischen Kunstdenkmäler des Kantons Bern, Bd. 5, Kunstgeschichte 154), S. 8. Museum 3), S. 12. Die Kirchen der Stadt Bern, Basel 16 Eduard Fallet, Der Bildhauer 2 StaatsarchivBern,Alli02,S.262 1969,5.152-153. Johann August Nahl der Altere. Seine (29.11.1529). 7 HeinrichTürler.D/eMäreund BernerJahre von 1746 bis 1755, Bern 3 Eduard von Rodt. Bernische Kaplaneien des Münsters in Bern vor 1970 (Archiv des Historischen Vereins Kirchen. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte, der Reformation, in: Neues Berner des Kantons Bern 54), S. 121.

2003 1 K-A A*A 43