Fraktionssitzung 18. 4. 1967 17.

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18. April 1967: Fraktionssitzung

ACDP, 08-001-1013/1. Zeit: 15.05 Uhr – 16.43 Uhr. Vorsitz: Barzel, Rasner. [1. Bericht des Fraktionsvorsitzenden] Barzel: Meine Damen und Herren! Ich eröffne unsere Fraktionssitzung, von der ich die begründete Hoffnung habe, daß sie nicht so lange zu dauern braucht. Sie werden sich erinnern, daß ich am letzten Mittwoch in der Sondersitzung der Fraktion aus anderem Anlaß zum ersten Male ein ärztliches Bulletin vorgelesen habe über die Erkrankung unseres früheren Bundeskanzlers .1 Sie sind inzwischen, glaube ich, durch die öffentliche Meinung, durch die Presse, durch den Rundfunk und das Fernse- hen ausreichend in verschiedenen Etappen von der weiteren Entwicklung informiert. Wir haben hier von uns aus unseren Einfluß geltend gemacht, zum größeren Teil mit Erfolg, in der Informationspolitik dafür zu sorgen, daß hier nicht ein Rummel entsteht, sondern daß alles, was sich ereignet, unter zwei Worten gesehen wird, unter dem Wort »Dank« und unter dem Wort »Ehrfurcht«, sowohl gegenüber dem Mann wie gegen- über dem, was sich ereignet. Deshalb würde ich Ihnen auch heute nicht empfehlen, sich jenen anzuschließen, die aus diesen Vorgängen Schlagzeilen für sich selbst suchen, also nicht noch eine besondere Aktion dieser Fraktion. Konrad Adenauer weiß, daß wir nicht nur in Gedanken bei ihm sind. Er weiß, daß unsere besten Wünsche ihm gelten. Und ich glaube, dies genügt für diesen Zeitpunkt. Alles andere sollte man jetzt, glaube ich, nicht tun. Dies ist kein Anlaß für laute Dinge. Ich kann Ihnen leider eine erfreuliche Mitteilung insoweit nicht machen. Es ist natürlich erstaunlich, daß in einigen Bereichen eine Stabilisierung einge- treten ist. Das letzte Kommuniqué spricht von keinen wesentlichen Veränderungen. Soweit dazu! Meine Damen und Herren, wir haben leider noch einige andere Krankenlager, wie Sie wissen. Ich habe inzwischen Herrn Kollegen Struve selbst besuchen können. Ich fand ihn besser vor, als ich es erwartet hatte und bin zuversichtlich, ihn im Spätsommer hier wieder in voller Arbeit sehen zu können. Er bat mich, Ihnen seine Grüße auszurichten. Wir hatten Gelegenheit, eine Fülle von anstehenden Fragen, nicht nur solche der Agrarpolitik, miteinander zu besprechen, und es war für mich wichtig, seine Meinung aus der Distanz zu hören. Dem Kollegen Rösing, der uns vorige Woche noch einmal an einem Tage Sorgen be- reitete, geht es wieder besser. Er ist also im Krankenhaus, aber auf. Dagegen hat unsere Kollegin Brauksiepe doch allerhand Schmerzen mit ihrem ja nicht nur gebrochenen Arm rechts unten, sondern es sind ja auch einige Fingerknochen kompliziert angebro- chen. Sie ist daheim in Oelde und hat es etwas schmerzhafter. Wir bleiben in Verbin- dung und sorgen dafür, daß die guten Wünsche und auch die Blumen da sind. Meine Damen und Herren, wir waren sicher alle zum Wochenende, hoffentlich hatten Sie nicht alle soviel Termine wie ich im Wahlkampf in Schleswig-Holstein und in Rheinland-Pfalz.2 Die Beteiligten dort, die Ortskundigen, die Landeskundigen und an- dere Sachverständige sind zuversichtlich. Ich würde aber bitten, das jetzt nicht laut zu zeigen, sondern bis zum Wahltagabend ernsthaft zu arbeiten und dann zu sehen, was passiert. Sollte die Bevölkerung von Rheinland-Pfalz und die von Schleswig-Holstein nicht ihrem eigenen Interesse folgend klare Mehrheiten schaffen und dann koaliti- onspolitische Entscheidungen notwendig werden, so glaube ich, muß von vornherein klar sein, daß die Entscheidungen, die in Kiel und Mainz allein zu treffen sind, aus der Verantwortung und der Erfahrung von Kiel und Mainz allein zu treffen sind. Und daß wir hier Exportartikel und besonders gute Ratschläge nicht zu bieten haben. Ich glau- be, das ist für uns alle zur Einstellung auf das kommende Wochenende ganz wichtig. Meine Damen und Herren, ich möchte dann sehr herzliche Glückwünsche sagen an die Kollegen von uns, die in der vergangenen Woche oder in dieser Woche zu Parlamenta- rischen Staatssekretären ernannt worden sind, oder die aber in dieser Woche noch dazu ernannt werden. Ich darf das auf einmal sagen. Mein Glückwunsch gilt also dem Kolle- gen Adorno, dem Kollegen Benda, Guttenberg und Leicht. Das ist eine alphabetische Reihenfolge. Ich verbinde damit meinen Dank an die Kollegen, die hier in verschiede-

1 Vgl. Protokoll der Fraktionssitzung vom 12. April 1967, TOP 1. 2 Am 23. April 1967 fanden in den beiden Bundesländern Landtagswahlen statt.

Copyright © 2016 KGParl Berlin 1 Fraktionssitzung 18. 4. 1967 17. nen Funktionen der Fraktionsführung sich besondere Verdienste erworben haben durch harte Arbeit und nicht in anderer Weise. Herzlichen Dank dafür. Ich bin sicher, wir werden dies fortsetzen. Und meine Damen und Herren, ich habe noch eine andere Bitte an diese Kollegen. Dieses Gesetz3, aufgrund dessen sie tätig werden, war in dieser Fraktion ein bißchen umstritten. Das Gesetz selbst ist knapp in seinem Inhalt und sei- nen Aussagen. Sie werden also die Chance haben, ein Stück Wirklichkeit zu prägen durch die Art, in der Sie die Arbeit tun. Auch dafür unsere Unterstützung, meine Da- men und Herren. Der Fraktionsvorstand empfiehlt Ihnen zwei personelle Entscheidungen für uns, die sich aus der andern Funktion dieser Kollegen ergeben, gleich heute zu treffen. Und zwar empfiehlt Ihnen der Fraktionsvorstand, zum Nachfolger für den Kollegen Benda als Vorsitzenden des Arbeitskreises I unseren Kollegen Dr. Bert Even, der bisher der Stellvertreter war, zu wählen. Dies ist eine Wahl im Sinne unserer Satzung, die norma- lerweise durch Zettel vorgenommen werden soll. Wenn keiner widerspricht, geht es auch anders. Zum zweiten empfehlen wir Ihnen zu bestätigen, und das ist des Ranges dieser Position wegen, glaube ich, gut, obwohl es formal nicht nötig ist, unseren Kolle- gen Windelen als neuen Obmann im Haushaltsausschuß. Wir haben dann noch ein paar weitere Dinge, die Herr Rasner in seinen Bericht auf- nehmen wird. Wir haben letzte Woche diese drei Kommissionen wegen der Struktur- frage eingesetzt.4 Es ist uns daran gelegen, diese Kommissionen in dieser Woche zu konstituieren, um der Regierung dartun zu können: die Gesprächspartner sind da. Darum geht es ja in der ersten Phase. Dies sollen Arbeitsgruppen sein, dabei ist es nicht möglich, alle interessierten Beteiligten, alle betroffenen Kollegen daran zu beteiligen. Da wir auch auf anderen Gebieten ähnliche Arbeitsgruppen noch bekommen werden, bitte ich also um Verständnis, wenn der Andrang nicht allzu groß sein sollte. Mein be- sonderer Gruß gilt dem Kollegen Lemmer, der nach einiger Zeit wieder unter uns ist. Nicht nur »Berlin bleibt doch Berlin«, sondern auch » bleibt doch Ernst Lemmer«. Ich glaube, das kann man wirklich sagen. Ich habe dann, meine Damen und Herren, nur noch zwei politische und eine andere Frage zu erörtern. Die politischen Fragen sind folgende: 1. Sie erinnern sich, daß wir in der vergangenen Woche diese Regierungserklärung mit dem humanitären Programm hier gemacht haben und dem beigetreten sind.5 Sie sehen jetzt aus Ost-Berlin höchst unterschiedliche Nachrichten.6 Wir haben deshalb zunächst darum gebeten, daß die Kollegen Gradl, von Eckardt und Wagner ständig und sehr sorgsam in Verbindung auch mit anderen Stellen die Entwicklung verfolgen, damit wir ständig handlungsfähig sind. Wir würden Ihnen die Linie empfehlen, zu sagen, daß wir zunächst einmal, wie das gestern abend Herr Kollege Gradl nach Abstimmung mit uns getan hat, natürlich all das zurückweisen, was Herr Ulbricht da an üblem politischen Zeug gesagt hat. Das wir aber weiter bohren und auf die sachliche Antwort warten; die freilich kann erst von uns voll analysiert werden, wenn der Parteitag zu Ende ist und in Sonderheit die Rede von Herrn Breschnew da ist und das Echo auf sie bekannt ist. Wir bitten also hier, auch die ganzen öffentlichen Verlautbarungen über diese Kollegen laufen zu lassen, weil das, glaube ich, allein vernünftig ist und dafür sorgt, daß wir ei- nen vernünftigen Kurs halten können.

3 Gemeint ist das »Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre« vom 6. April 1967, BGBl. 1967 I S. 396. 4 Siehe Protokoll der Fraktionssitzung vom 11. April 1967, TOP 1. Eine Arbeitsgruppe sollte sich mit energiepolitischen Fragen befassen, insbesondere mit der Kohle. Vorsitzender dieser Arbeitsgruppe war . Eine zweite Arbeitsgruppe wurde zu Fragen der Verkehrspolitik mit dem besonderen Blick auf die Bundesbahn eingesetzt. Den Vorsitz übernahm Alfred Burgemeister. Schließ- lich richtete die Fraktion eine Arbeitsgruppe zur Frage der mittelfristigen Finanzplanung ein, die leitete. 5 Gemeint ist die Regierungserklärung von Bundeskanzler Kiesinger zur Deutschlandpolitik vom 12. April 1967, zu der die drei Bundestagsfraktionen jeweils durch ihren Vorsitzenden eine Erklärung abgaben. Vgl. BT STEN. BER., 5. Wahlperiode, 101. Sitzung am 12. April 1967, S. 4686–4689. 6 Vom 17. bis 22. April 1967 fand in Ost-Berlin der 7. Parteitag der SED statt. Vgl. hierzu AdG 1967, S. 13123–13128; DOKUMENTE ZUR DEUTSCHLANDPOLITIK V/1 (1966/67), S. 949–968 u. 969–978. In seinem Eröffnungsreferat erklärte der Erste Sekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrats der DDR, Walter Ulbricht, die neue Bundesregierung betreibe im Gegensatz zu ihren Deklarationen die alte Politik, habe sie aber beweglicher gemacht und bedrohe so in erhöhtem Maße die europäische Sicherheit. Zugleich schlug er, auf die Regierungserklärung Kiesingers vom 12. April 1967 Bezug nehmend, vor, der Vorsitzende des Ministerrates der DDR und »der Bundeskanzler der westdeut- schen Bundesrepublik« sollten sich treffen, um über erste Schritte auf dem Weg zur Verständigung der beiden deutschen Staaten zu verhandeln und entsprechende Verträge abzuschließen.

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2. Sie haben der Presse entnommen, daß in der Frage der Nichtverbreitung der Atom- kernwaffen ein Termin vor uns steht. Sie erinnern sich an das, was der Kanzler uns vo- rige Woche im Vorstand gesagt hat. Ich habe es hier mitgeteilt. Sie wissen, daß der NATO-Rat am Donnerstag tagt.7 Heute morgen war der Verteidigungsrat, morgen früh tagt das Kabinett. Es geht um die Frage, ob man bereit ist, mit einem wie auch immer geänderten Entwurf mit Begleittext in die endgültige Beratung zu geben, das heißt, wir stehen in diesen Tagen vor einer entscheidenden Weichenstellung. Unsere Bundestagsfraktion hat bisher die für die Regierung förderliche Position eingenommen, sichtbar sachlich bemüht zu sein in dieser Frage, ohne zur Unzeit oder gar mit falschen Argumenten schon endgültig votiert zu haben. Wie lange dies noch tunlich ist, ist eine offene Frage. Es könnte sein, daß wir in dieser Woche noch einmal deshalb zusammenkommen müssen. Ich empfehle aber jetzt in die- sem Augenblick, nicht in diesen Tagen, wie folgt zu verfahren, da wir auch noch keine Gelegenheit hatten, den Kanzler selbst zu sprechen, er war bis gestern im Wahlkampf, heute morgen im Verteidigungsrat und wird erst gleich hier sein: Herr Kollege Birrenbach hat in der Zwischenzeit die erforderlichen Informationen ein- gezogen, daß wir um 16 Uhr die damals eingesetzte kleine Arbeitsgruppe zu diesem Thema bitten, zusammenzutreten, damit Herr Kollege Birrenbach dort einen ersten Bericht geben kann und wir dann in Fühlungnahme miteinander bleiben, um zu sehen, was weiter zu geschehen hat, meine Damen und Herren. Ich würde es für falsch halten, jetzt in eine Debatte zu gehen, ohne ausreichend informiert zu sein, auch über die Ten- denzen im Augenblick bei dem Verfahren und in der Behandlung seitens der Bundes- regierung. Dazu gehört dann auch die Frage, wie wir und eventuell auch ob wir, aber das ist wohl auch keine Frage mehr, in der nächsten Woche hierzu im Hause eine De- batte haben werden. Sie erinnern sich, daß andere Fraktionen des Hauses, aber auch einige von uns, es lieber gesehen hätten, wenn sich schon vor einigen Wochen das Haus mit der Frage beschäftigt hätte. Es gab eine Bemühung, es in dieser Woche zu tun. Das ist, glaube ich, wegen der Termine, von denen ich sprach, falsch. Aber das Haus und auch wir werden nicht warten können, bis eine ratifikationsreife Vorlage da ist, um sich ein bißchen einzuschalten. Und das wird wahrscheinlich in der nächsten Woche zu ge- schehen haben. Die Frage ist aber, auf der Grundlage einer Regierungserklärung oder einer gemeinsamen Großen Anfrage der Koalitionspartner? Auch das bitte ich nachher in der Arbeitsgruppe zu erörtern. Ich habe das eben Herrn Birrenbach nicht sagen können. Herr Kliesing, ich glaube, Sie sind da auch drin. Würden Sie auch diesen par- lamentarischen Punkt mit einbeziehen in Ihre Beratungen um vier Uhr? Dann würde ich bitten, dieses Thema, wenn möglich, hier nicht weiter zu vertiefen. Mir bleibt noch eines, meine Damen und Herren. Wir sind es unserem Kollegen Stingl schuldig, ihn gegen eine Unterstellung, die in der Presse geäußert worden ist im Zu- sammenhang mit unserer Mitbestimmungsdebatte neulich, in Schutz zu nehmen. Da ist der Eindruck erweckt worden, als würde der Kollege Stingl Verhandlungen führen oder Entscheidungen treffen, die durch persönliche Interessen beeinflußt sind.8 Ich möchte das in aller Form zurückweisen. Wir sind der Sache nachgegangen, und ich stelle in aller Form fest, daß sich der Kollege Stingl wegen seiner Verhandlungsführung und Entscheidung nicht durch persönliche Interessen beeinflussen läßt. Das letzte, ich weiß damit selbst noch nichts anzufangen, aber ich finde es so interessant, daß ich es Ihnen sagen wollte. Ich sehe hier eben, daß die Sozialdemokraten, der Abgeordnete Hubert Lemper, fol- gende interessanten – interessant unter vielfältiger Hinsicht – Fragen in die Fragestunde dieser Woche einführen wollte: 1. Beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen einer neuen Wehrkonzeption für die Bundesrepublik Deutschland die Wehrdienstzeit von 18 auf 12 Monate zu reduzieren und gleichzeitig die Gesamtzahl der Soldaten auf etwa 300 000 entsprechend herabzu- setzen? 2. Wie viele Milliarden DM können in den zu 1. gestellten Fragen jährlich eingespart werden?9

7 Am 20. April 1967 fand eine Sitzung des Ständigen NATO-Rats statt, der keine Einigung über einen amerikanischen Vertragsentwurf zur Nichtverbreitung von Kernwaffen erzielte, sich aber damit ein- verstanden erklärte, dass die USA auf der Grundlage ihres Entwurfs Besprechungen mit der Sowjet- union über die Formulierung eines Vertrages aufnahmen. Vgl. AdG 1967, S. 13118. 8 Vgl. hierzu Vermerke für Barzel vom 10. und 12. April 1967, in: BA, N 1371-244. 9 Vgl. Mündliche Anfragen des Abgeordneten Lemper betreffend den Geschäftsbereich des Bundes- ministers der Verteidigung vom 17. April 1967 (BT-Drucksache zu V/1634, Fragen 108 u. 109). Be- antwortet wurden die Fragen durch den Parlamentarischen Staatssekretär Adorno in der Bundestags-

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Meine Damen und Herren, wir werden Anlaß nehmen, das mit dem Koalitionspartner zu erörtern. Ich glaube, daß ich damit den Bericht aus dem Vorstand gegeben habe. Darf ich nur eben feststellen, meine Damen und Herren, ich glaube, die Abteilung Glückwünsche, Behandlung unserer Erkrankten brauche ich nicht zur Debatte zu stellen. Die Glück- wünsche für Lemmer haben Sie selbst unterstrichen. Nichtverbreitung wollen wir so machen, wie wir das eben besprochen haben. SED-Parteitag in dieser Gruppe. Bleiben die Personalien, die ich vortrug. Ich glaube, zunächst die Wahl des Kollegen Even. Wird das durch Zettelwahl gewünscht, oder können wir es durch Handaufheben machen? Wird ein anderer Vorschlag gemacht? Auch das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung: Wer dem Vorschlag des Fraktionsvorstandes, den Kol- legen Dr. Bert Even zum Nachfolger des als neuer Parlamentarischer Staatssekretär aus dem Amt des Vorsitzenden des Arbeitskreises I ausscheidenden Kollegen Benda zu wählen, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen – Gegenprobe – Enthaltun- gen? Keine Gegenstimmen, keine Enthaltungen. Ich gratuliere dem Kollegen Even zu seiner einstimmigen Wahl bei seiner eigenen Enthaltung! Ich wünsche ihm Glück für diese Tätigkeit, und wir alle versprechen uns viel von der Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Kollege Even. Die andere Personalie ist die Frage des Obmannes im Haushaltsausschuß. Das wählen die Kollegen unter sich. Aber wegen des Ranges dieser Funktion ist es gut, wenn das in aller Form hier bestätigt wird. Wer dieser von den betroffenen Kollegen des Haushaltsausschusses getroffenen Ent- scheidung bestätigend zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen – Gegenpro- be – Enthaltungen? Bei einer Enthaltung, und das ist dann auch noch die eigene, Herr Kollege Windelen, meinen herzlichen Glückwunsch und auf weitere gute Zusammen- arbeit! Meine Damen und Herren, die anderen personellen Dinge, die sich stellen, so Vor- standsersatz, der vielleicht nötig wird, auch die Nachfolge unseres Kollegen Adorno, werden wir besprechen, wenn das vollzogen sein wird. Und ich bitte, das alles in den großen Rahmen unserer verschiedenen personellen Überlegungen hinein zu stellen. [2. Einrichtung von Fraktionsarbeitskreisen] Meine Damen und Herren! Kommission Energie mit Schwergewicht Kohle, Vorsit- zender, das letzte Mal besprochen, Kollege Brand, Remscheid. Vorschlag des Vorstan- des für die Mitglieder: Blumenfeld, Burgbacher, Frau Jacobi, Rinsche, Russe, Schober, Springorum, Stark und Stecker. Von der CSU: Frau Geisendörfer, Memmel und Schmid- huber. Kommission Finanzplanung: Vorsitzender Theo Blank. Mitglieder: Artzinger, Bewe- runge, Even, Martin, Mick, Schmidt/Wuppertal, Stingl, Windelen. Von der CSU: Alt- hammer, Niederalt, Pohle. Kommission Verkehr, Schwergewicht Bahn: Vorsitz: Burgemeister. Mitglieder: Brück, Conring, Meister, Müller-Hermann, Seebohm. Von der CSU: Lemmrich. Meine Damen und Herrn, darf ich um Wortmeldungen bitten? Wuermeling: Für die Kommission Finanzplanung, die ja wohl wegen der mittelfristi- gen Finanzplanung – ich will die anderen damit nicht runtersetzen – eine besondere Wichtigkeit hat, möchte ich einmal folgende Anregung geben. Wir sorgen bei solchen Kommissionen immer dafür, daß die einzelnen Landesgruppen beteiligt sind, daß die einzelnen sozialen Gruppen beteiligt sind usw. Aber in bezug auf das politische Pro- gramm der CDU treten wir manchmal ein bißchen kurz. Ich erinnere an die Stellung- nahme unseres Fraktionsvorsitzenden im Plenum des Bundestages, in der es hieß, daß die Eigentumsförderung und der Familienschutz weiterhin vorrangiges Ziel unserer Arbeit sind. Ich möchte deswegen eigentlich vorschlagen, daß wir für diese beiden Bereiche – ich schlage mich nicht selber vor und bitte auch, nicht daran zu denken – in die Finanz- kommission je einen Kollegen hineinbringen, einen Fachmann für die Eigentumspolitik und einen Fachmann für die Familienpolitik. Und weil zum zweiten in dieser Kommis- sion, wie wir gehört haben, keine Frau vertreten ist – ich habe mich immer zum Anwalt der Damen gemacht in diesen Zusammenhängen –, möchte ich vorschlagen, für die Familie hier vielleicht Frau Schroeder hinzuzunehmen und für die Eigentumspolitik den Kollegen Häussler, der ja wohl der beste Sachverständige wäre.

sitzung am 27. April 1967. Vgl. BT STEN. BER., 5. Wahlperiode, 106. Sitzung am 27. April 1967, S. 4921 f.

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Barzel: Ich empfehle, so zu verfahren, einschließlich des Zusatzes vom Kollegen Wu- ermeling. Rasner: Der Vorstand schlägt vor als Nachfolger von Herrn Bernhard im Verwal- tungsrat der Lastenausgleichsbank den Kollegen Stiller. Barzel: Wir verfahren so. [3. Bericht aus dem Ältestenrat mit anschließender Aussprache] Rasner berichtet aus dem Ältestenrat: Der Vorsitzende des [Haushalts-]Ausschusses10 hat in Aussicht gestellt, daß der Haushalt bis spätestens Freitag, den 12. Mai, im Aus- schuß fertiggestellt werden kann. Der Präsident des Hauses11 hat angekündigt, wenn der Haushaltsausschuß bis zu diesem Zeitpunkt nicht fertig sei, werde er von seinen Rechten als Präsident Gebrauch machen und die erste Woche der Pfingstferien strei- chen, daß er also Mittwoch, Donnerstag und Freitag nach Pfingsten die Präsenzpflicht erklären würde, weil wir anders mit dem Haushalt dann nicht über die Runden kämen, nämlich 2. Lesung Haushalt durchzuführen am 7., 8. und 9. Juni; 3. Lesung am 14. und 15. Juni. Es folgen noch zwei Berliner Wochen – dann zum Ablauf der laufenden Plenarwoche. Barzel bittet, dies schriftlich festzuhalten. Parlamentarischer Staatssekretär Benda: Zur Tagesordnung dieser Woche darf ich mir die Frage erlauben, ob etwas bekannt ist über eine Aktuelle Stunde, die angeblich von der FDP beabsichtigt sein soll über das Verhältnis »Kirche und Staat«? Rasner: Um eine Aktuelle Stunde herbeizuführen, gibt es zwei Möglichkeiten. Die ei- ne, die fairerweise immer angewandt werden sollte, ist die, daß man im Ältestenrat, wenn man das vorhat, Bescheid sagt. Die Freien Demokraten haben das nicht getan. Nach der bisherigen Praxis – und Herr Genscher ist in diesem Punkte eigentlich fair, muß ich sagen – nehme ich also an: keine Aktuelle Stunde. Das bedeutet nicht, daß die FDP eine Fülle von Zusatzfragen stellen kann. Windelen: Die Kollegen aus dem Haushaltsausschuß werden alles tun, um die Termin- planung einzuhalten. Eine Gewähr kann ich aber nicht übernehmen. Ich zweifle, ob wir die Planung bei dem jetzigen Stand einhalten können. Althammer: Ich teile die Skepsis meines Kollegen Windelen. Die sitzungsfreie Woche könnte bleiben, und nur der Haushaltsausschuß müßte tagen. Herr Präsident, das wur- de in früheren Jahren auch schon so gehandhabt. Bundestagspräsident Gerstenmaier: Ich würde das am liebsten machen, aber soweit geht meine Macht nicht. Ich kann nur Anordnungen treffen aufgrund von Paragraph 7 der Geschäftsordnung für das ganze Haus. Alles andere muß ich dem freien Ermessen der Ausschüsse überlassen. Es wurde mir gesagt, es sei keine Rede davon, daß, falls der Haushaltsausschuß länger tagen müsse, also wenn er am 12. Mai nicht fertig sei, der Ausschuß dann allein in einer sitzungsfreien Woche arbeiten würde. Es kommt noch etwas dazu, das muß man fairerweise sagen, daß unsere Kollegen im Haushaltsausschuß es auch fertig bringen würden, allein zu tagen. Aber es gibt noch eine ganze Reihe von Vorlagen, die bei den Ausschüssen liegen, und zwar bei wichtigen Ausschüssen liegen, so gewichtige Vorlagen, daß ich mich überhaupt frage, wie werden wir denn damit bis zu den Parlamentsferien fertig? Diesem Gesichtspunkt wurde zum Beispiel die Berlinwoche geopfert, weil wir in Berlin die Erfahrung gemacht haben, daß dort, auch wenn wir nur mit Ausschüssen tagen, die Konzentration doch nicht ganz die ist, wie wenn wir hier eben in der Routinewoche tagen. Das ist das eine. Es empfiehlt sich also auch aus einer Reihe von anderen Gründen. Oder würde es sich rechtfertigen, diese Woche in Anspruch zu nehmen, sonst, meine Damen und Herren, stehen wir nur vor der mißlichen Erwägung, bis möglicherweise tief in den Juli hinein zu tagen. Das aber wiederum möchte ich aus zwei Gründen nicht, von denen ich jetzt nur einen nenne. Wir müssen alles Erdenkbare tun, um einigermaßen noch unter dem Zeitdruck, unter dem wir mit dem Haushalt stehen, insbesondere wegen einer Reihe von Maßnah- men, die mit dem Haushalt verbunden sind und von hochpolitischer Wichtigkeit sind, mit dem Haushalt so schnell wie möglich zu Rande zu kommen. Und in Anbetracht dieser Situation halte ich es nicht nur für das Haus vertretbar, daß es in dieser Woche eben antritt, sondern, meine Damen und Herren, ich halte es einfach für meine Pflicht, solange mir die Geschäftsordnung auferlegt, die Geschäfte dieses Hauses zu leiten.

10 Erwin Schoettle. 11 .

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Köppler: Ich möchte darauf hinweisen, daß, wenn diese Situation eintritt, die Mitglie- der des Ausschusses für die Strafrechtsreform sozusagen über Pfingsten durchtagen, denn die haben von sich aus bereits beschlossen, an eine andere sitzungsfreie Woche für eine Klausurtagung dranzugehen. Burgemeister: Herr Präsident, ich möchte nur zu bedenken geben, daß wir jetzt in Niedersachsen den Wahlkampf anlaufen lassen12 und für diese Woche meine Kollegen aus dem niedersächsischen Bereich sich fast vollständig bereits vergeben haben und ihre Termine auch ausgebucht haben. Wir kämen also alle erheblich in Schwierigkeiten, weil wir eine Reihe von Wahlversammlungen absagen müßten. Rasner: Ich sage noch einmal, wir wissen, wie schwer es ist. Der Kollege [Schoettle]13 hat gesagt, er glaube, mit äußerster Anstrengung den Termin 12. [Mai] erreichen zu können. Merkatz: Thema Atomsperrvertrag! Ich würde sehr empfehlen, daß eine Große Anfra- ge der Fraktion gemacht wird. Das ist der eine Punkt. Der zweite, eine Kurzdebatte, eine »Aktuelle Stunde« für eine Frage »Kirche und Staat« hielte ich für einen ganz er- heblichen Fehler. Dem sollten wir uns mit allen Mitteln widersetzen. Es ist völlig unreif und unmöglich, ein solches Problem in einer »Aktuellen Stunde« zu behandeln. Barzel: Es ist nicht unsere Absicht. Es könnte aber passieren gegen unseren Willen. Probst: Ich möchte ein Wort sagen zur Haushaltsverabschiedung. Ich bin davon über- zeugt, daß der Glaube an eine Konjunkturbelebung erst dann wieder einsetzt, wenn unser Haushalt verabschiedet ist. Ich möchte die Kollegen bitten, alles zu tun, um zu dem genannten Termin fertig zu werden. Althammer: Zu der Frage von Frau Dr. Probst möchte ich sagen: Der Haushaltsaus- schuß hat in der letzten Woche den Beschluß gefaßt, daß alle Einzelhaushalte, die Inve- stitionen enthalten, Verkehr, Forschung usw., als erste behandelt werden sollen. Zwei- tens hat er beschlossen, sobald einer dieser Haushalte im Haushaltsausschuß durchbe- raten ist, daß die Verwaltung dann ermächtigt sein soll, bereits Bewilligungen heraus- zugeben in einem gewissen Rahmen, das heißt also nicht, daß damit das Verabschie- dungsrecht des Parlamentes in irgendeiner Form beeinträchtigt werden soll, aber das, was an sich jetzt schon im laufenden Vollzug geschehen muß – es wird ja schon ein Zwölftel jeweils herausgegeben –, das soll in verstärktem Umfang betrieben werden, so daß also allein während der Durchberatungen hier schon ein Belebungseffekt eintreten soll. Das ist so überlegt und in Aussicht genommen worden, eben aus diesem Grunde, weil man sagt, der Eventualhaushalt allein wird es ja nicht schaffen, sondern es kommt auf die Ansätze an, die im ordentlichen Haushalt stecken. Und hier haben wir also vom Ausschuß her die Weichen entsprechend gestellt. Es kommt jetzt auf die Verwal- tungspraxis an, daß die das dann auch so schnell wie möglich vollzieht. Rasner (übernimmt den Vorsitz): Sind noch Wortmeldungen zu diesen Terminvor- schlägen? Burgemeister: Der Arbeitskreis II hat sich heute morgen von den beiden Hauptspre- chern, die für die Debatte vorgesehen sind, in kurzen Zügen die Absichten vortragen lassen, die die beiden Sprecher in der Diskussion verfolgen. Es ist vorgesehen, daß als erster Sprecher für die Fraktion Herr Prof. Burgbacher und als zweiter Sprecher für den Arbeitskreis Dr. Luda und als dritter Sprecher Prof. Stein sprechen soll. Es ist in dieser Situation, in der wir heute morgen die Dinge besprochen haben, darauf hingewiesen worden, daß es wünschenswert wäre, wenn die beiden Hauptsprecher des Arbeitskreises, die Kollegen Prof. Burgbacher und Dr. Luda, möglichst kurz hinterein- ander die Gelegenheit zum Sprechen bekämen. Dadurch aber, daß nun noch ein Spre- cher des Arbeitskreises III, ein Sprecher der CSU, dazwischen kommt, zieht sich die Geschichte sehr auseinander, und wir kommen mit den Dingen, die eigentlich zusam- mengehören, dadurch ein bißchen auseinander. Wie können wir es einrichten, daß die Sprecher des Arbeitskreises III möglichst hintereinander und möglichst bald zum Zuge kommen und erst danach die anderen Sprecher – das ist die Frage, die hier in der Frak- tion noch zu klären ist. Rasner: Die Frage der Reihenfolge der Redner eignet sich nicht für eine Abstimmung in der Fraktion. Die Arbeitskreisvorsitzenden von II14 und III15 sollten das entschei- den.

12 Am 4. Juni 1967 fanden Wahlen zum niedersächsischen Landtag statt. 13 In der Vorlage: Schüttler. 14 Alfred Burgemeister.

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Burgemeister: Der Arbeitskreisvorsitzende von III ist selber Redner und ist als Schiedsrichter daher nicht geeignet. Rasner: Ich habe nicht von Schiedsrichtern gesprochen und bin sicher, daß Sie und Herr Dr. Pohle eine vernünftige Lösung finden werden. Even: Herr amtierender Vorsitzender, meine Damen und Herren! Im Artikel 95 des Grundgesetzes in der gegenwärtigen Fassung ist zur Wahrung der Einheit des Bundes- rechts ein oberstes Bundesgericht vorgesehen, also über dem Bundesgerichtshof, dem Bundesverwaltungsgericht, dem Bundesarbeitsgericht, dem Bundessozialgericht und dem Bundesfinanzhof. Die Einrichtung eines weiteren besonderen Gerichts wird jedoch allgemein als un- zweckmäßig empfunden. Mit Zustimmung der betreffenden Gerichte sieht daher die Regierungsvorlage einen anderen Weg vor, das Ziel nämlich, die Wahrung der Einheit des Bundesrechts zu erreichen. Das ist Gegenstand einmal einer Grundgesetzände- rung16 und zweitens eines einfachen Gesetzes, das die entsprechenden Ausführungen mit sich bringt.17 Danach soll durch einen gemeinsamen Senat das Ziel der Wahrung der Rechtseinheit erfolgen; ein gemeinsamer Senat, der aus den Richtern der genannten Bundesgerichte gebildet werden soll. Der Arbeitskreis empfiehlt grundsätzliche Zu- stimmung. Herr Dr. Güde hat dazu referiert und vorgetragen, daß an und für sich eine grundsätzliche Problematik nicht bestehe. Der Arbeitskreis empfiehlt Ihnen, Herrn Dr. Güde zu bitten, in der Debatte für uns zu sprechen. Rasner: Dritter Punkt, die Vorlagen zur Kfz-Steuer18, Herr Kollege Pohle. Pohle: Ich kann mich ganz kurz fassen. Der Antrag ist vom Herrn Kollegen Erhard initiiert. Herr Erhard wird den Antrag begründen und dazu sprechen. Ich weiß nicht, Herr Rasner, ob inzwischen geklärt ist, daß zugleich mit diesem Antrag auch der Frak- tionsantrag vorgelegt wird zur Änderung der Tagessätze im grenzüberschreitenden Verkehr. Zu dem wird sicher Herr Müller-Hermann was sagen. Und obendrein ist heute noch dazugekommen die Initiative des Kollegen Schmidt zur steuerlichen Rege- lung für Elektrofahrzeuge. Also, diese drei Vorlagen werden hintereinander begründet und dann möglicherweise debattiert werden. Ich weiß nicht, ob die Regierung, sei es der Finanz-19, sei es der Verkehrsminister20, dazu sprechen wird. Rasner: Sie können davon ausgehen, Herr Pohle, daß zur Vorlage des Kollegen Erhard aus der SPD jemand dagegen sprechen wird. Aber die Ausschußüberweisung ist nicht strittig. Zum Plenum dieser Woche ist noch anzumerken, daß die FDP ihren Antrag zu den Schäden in den Wäldern21 begründen wird. Wir sollten mit ein paar Sätzen, Herr Kol- lege Stooß, zu diesem Antrag auch Stellung nehmen. [4.] Berichte aus den Arbeitskreisen Berberich: Zum Bericht aus dem Arbeitskreis II. Meine Damen und Herren, gegen ei- nen solchen Antrag und einen solchen Beschluß müßte ich erhebliche Bedenken an- melden.22 Denn das würde dazu führen, und wir haben uns mit diesem Problem schon einmal, und das in der vorigen Legislaturperiode, befaßt, das würde dazu führen, daß fast alle Landgastwirtschaften in den kleinen Dörfern schließen müßten. Und wenn das der Sinn und Zweck eines solchen Antrages ist, dann können Sie ja einen solchen An-

15 Wolfgang Pohle. 16 Vgl. den von der Bundesregierung am 20. Februar 1967 eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 95 des Grundgesetzes (BT-Drucksache V/1449). 17 Vgl. den von der Bundesregierung am 20. Februar 1967 eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes (BT-Druck- sache V/1450). 18 Gemeint sind die Anträge der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Picard, Häfele und Genossen vom 21. Februar 1967 betreffend ein Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (BT- Drucksache V/1452), der Fraktion der CDU/CSU vom 11. April 1967 betreffend ein Gesetz zur Än- derung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (BT-Drucksache V/1622) und der Abgeordneten Schmidt (Wuppertal), Bading, Mertes, Elbrächter und Genossen vom 18. April 1967 betreffend die steuerliche Regelung für Elektrofahrzeuge (BT-Drucksache V/1638). 19 Franz Josef Strauß. 20 . 21 Vgl. Antrag der Abgeordneten Ertl, Effertz, Logemann, Wächter, Reichmann, Walter und der Frak- tion der FDP vom 15. März 1967 betreffend schnelle Behebung von Sturmschäden in Privat- und Staatswaldungen (BT-Drucksache V/1558). 22 Berberich nahm hier offensichtlich Bezug auf die gemeinsamen Beratungen der Arbeitskreise I und II zum Entwurf eines Gaststättengesetzes (BT-Drucksache V/205).

Copyright © 2016 KGParl Berlin 7 Fraktionssitzung 18. 4. 1967 17. trag einbringen. Wenn er eingebracht wird, werde ich im Plenum gegen diesen Antrag sprechen, auch dann, wenn er von der Fraktion eingebracht wird. Burgemeister: Wir werden, sobald der Termin feststeht, mit den fertigen Änderungs- anträgen noch einmal in die Fraktion kommen. Betreffend die Diskussion über das Jah- resgutachten morgen23, möchte ich die Frage an die Fraktion richten, ob außer den jetzt hier genannten Kollegen noch jemand anderes die Absicht hätte, morgen in der Diskussion zu sprechen? Wir möchten nämlich verhindern, daß etwa bei den Diskus- sionen zwischen den einzelnen Sprechern der Fraktion unterschiedliche Meinungen auftreten. Rasner: Will jemand noch sprechen? Das ist nicht der Fall, Herr Kollege Burgemeister. [5. Bericht des Bundeskanzlers zum Nonproliferationsvertrag] Bundeskanzler Kiesinger: Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren! Gemeinsame Sorgen, das ist das richtige Stichwort. Es geht ja jetzt in der Frage des Nichtverbrei- tungsvertrages darum, wie wir, die Regierung, übermorgen im NATO-Rat taktieren wollen, denn die Amerikaner wollen im NATO-Rat erreichen, daß die Verbündeten zustimmen einer Vorlage, einem gemeinsamen Text der Amerikaner und der Sowjets in Genf. Das soll keine Zustimmung zum Inhalt bedeuten, also keine Verpflichtung, daß man sich mit irgendeinem Teil des Vertrages einverstanden erklärt, aber es soll doch immerhin die allgemeine Richtung anweisen, daß man damit das Zustandekommen ei- nes Nichtverbreitungsvertrages für erstrebenswert halte. Ohne jeden Zweifel setzt sich dem Frankreich entgegen, obwohl die endgültige Hal- tung Frankreichs noch nicht klar ist. Die Franzosen sagen: Wenn da ein Beschluß ge- faßt werden soll, muß er einstimmig gefaßt werden, und wir haben ja bereits erklärt, daß wir einem solchen Schritt nicht zustimmen würden. Also dürfte der Punkt eigent- lich gar nicht auf die Tagesordnung! So daß sich also etwa abzeichnet, daß möglicher- weise nichts anderes herauskommt als eine Bekanntgabe der amerikanischen Absichten, ohne daß darüber ein Beschluß gefaßt wird.24 Aber ich habe die Sache noch nicht im Kabinett gehabt. Wir haben heute morgen eine Sitzung des Verteidigungsrates gehabt, wo wir die Problematik noch einmal durchge- sprochen haben. Morgen wird sich das Kabinett schlüssig werden. Wir haben ja er- reicht, daß diese Beratungen eben um dieser Kabinettssitzung willen um einen Tag ver- schoben wurde. Die Sache steht so, daß man sagen kann, daß vor allem auf dem Gebiet der Sorgen um die ungestörte wissenschaftliche Entwicklung und die wirtschaftliche Entwicklung die Amerikaner uns in weiten Teilen entgegengekommen sind. Einige Fragen sind noch offen geblieben, in einigen Fragen haben sie sich ganz hart gezeigt, und im Hintergrund steht natürlich die alles überschattende politische Frage: Soll man überhaupt einem solchen Vertrag zustimmen, oder soll man nur zustimmen, wenn er in irgendeiner Weise befristet ist, oder nur zustimmen, wenn er in einer anderen Weise wie bisher auflösbar ist? Das ist die politische Frage. Aber die Frage kann jetzt natür- lich im Augenblick wohl kaum gestellt werden. Überlegungen zur Befristung – und ich verhehle nicht, daß ich selber sehr stark an diesen Überlegungen beteiligt bin – gehen in verschiedenen Völkern um, selbst in der neutralen Schweiz, in Schweden usw. Das ist die eine Frage. Die zweite Frage ist, wann und wie wird das Parlament mit diesen Dingen befaßt. Da war ja der Wunsch der Fraktionen nach einer Unterrichtung des Parlaments erst in die- ser Woche. Dann hat man es auf die nächste Woche verschoben, und dann ist natürlich die adäquate Form die Abgabe einer Regierungserklärung. Welchen Effekt eine solche Parlamentsdebatte auf die weitere Entwicklung haben kann, das muß abgeschätzt wer- den. Auch darüber will ich morgen im Kabinett mal beraten. Aber es ist klar, es muß ja an einem bestimmten Zeitpunkt das Parlament, der , mit dieser ganzen Pro- blematik konfrontiert werden. Das ist also im Augenblick, ganz grob gezeichnet, der Stand. Die Amerikaner drängen wieder. Sie wollen mit dieser Sache in manchen Fragen klar kommen. Es ist auch offensichtlich so, daß sie nicht gerne in diesem Stadium der Dinge mit den Sowjets verhandeln, weil sie dann glauben, sich nicht durchsetzen zu können,

23 Gemeint ist die wegen des Todes von Konrad Adenauer am 19. April 1967 auf den 27. April 1967 verschobene Beratung des Jahresgutachtens 1966 des Sachverständigenrates zur Begutachtung der ge- samtwirtschaftlichen Entwicklung, der Stellungnahme der Bundesregierung dazu sowie des Sonder- gutachtens über die Wirtschaftslage im Frühjahr 1967. Vgl. BT STEN. BER., 5. Wahlperiode, 106. Sit- zung am 27. April 1967, S. 4976–5000 in Verbindung mit den BT-Drucksachen V/1160, V/1313, V/1588. 24 Siehe hierzu Anm. 7.

Copyright © 2016 KGParl Berlin 8 Fraktionssitzung 18. 4. 1967 17. während sie meinten, wenn die Dinge mal in Genf sind und andere, nicht der NATO angehörende Mächte zu Wort gekommen sind, daß dann doch einige Dinge eher durchzusetzen sind als jetzt in diesen Gesprächen. Aber nach wie vor ist für mich der Sachverhalt beunruhigend. Er ist für mich beunru- higend im Gesamtzusammenhang der amerikanischen Politik überhaupt. Ich will hier darüber keine allzu breiten Ausführungen machen. Seit vielen Wochen quäle ich mich ab, hinter die Motive der gegenwärtigen amerikanischen Politik zu kommen, meine Damen und Herren, befrage, wen ich befragen kann, unsere Leute, ausländische Besu- cher, und ich kann Ihnen sagen, es ist überall die gleiche komplexe Stimmung, die glei- che Unsicherheit gegenüber Amerika festzustellen, weil die Leute nicht wissen, was sie davon halten sollen. Das sind zum Teil sehr ruhige Beobachter, die seit vielen Jahren die amerikanische Politik verfolgt haben. Wobei immer wieder die große Frage gestellt wird: Ist das eine weit konzipierte neue amerikanische Politik, die aus irgendwelchen Gründen nun völlig neue Prioritäten gesetzt hat? Oder sind den Amerikanern einfach die Dinge entglitten, schwimmen sie also? Das ist das eigentlich Beunruhigende mit dem Atomsperrvertrag. Dies trifft mit Plänen zusammen, erhebliche Truppen von Europa zurückzuziehen, er- hebliche, was wiederum eine Überprüfung unserer ganzen Verteidigungspolitik not- wendig macht. Es ist überhaupt der Zeitpunkt gekommen, daß wir den Ort unseres Landes in dieser Welt, sowohl den Verbündeten gegenüber, der Dritten Welt gegen- über wie dem Osten gegenüber, neu zu fixieren versuchen müssen. Ich habe den Außenminister um eine zweitägige Klausurtagung mit dem Auswärtigen Amt gebeten, bei der eine erste Tour d‘horizon vorgenommen werden soll. Denn es ist gar kein Zweifel, daß wir eben in den letzten Jahren hier ein wenig in den Tag hinein gelebt haben. Es tut mir leid, es sagen zu müssen. Aber es ist eben der Eindruck, den ich bekommen habe. Diese Situation ist nach meinem Gefühl außerordentlich beunru- higend, und das Befremdlichste daran ist, daß es nicht gelingen will, die Amerikaner dazu zu bewegen, ihre Entscheidungen tiefer zu motivieren, das heißt also, sie wirklich dazu zu bringen, wozu ich sie ja nun immer und immer wieder aufgefordert habe, wirklich nicht nur zu sagen, ja, wir brauchen also den Atomsperrvertrag, weil diese Waffen nicht weiterverbreitet werden sollen. Das ist kein Argument, das man Verbün- deten gibt. Ebenso wenig genügen mir die Argumente, die sie angeben für die beab- sichtigte Truppenreduktion. Und wir haben ja auch unter uns Freunde, die viele Jahre ein besonders intensives Ver- hältnis zu führenden amerikanischen Politikern gehabt haben und mit mir wahrschein- lich in der Beurteilung der Lage übereinstimmen, nicht wahr, Herr Birrenbach? Das ist also die Situation, und ich kann angesichts dieser Situation nur sagen, wir werden uns anstrengen müssen, eine Klärung herbeizuführen. Wenn wir das können, wenn uns das gelingt, dann müssen wir alles auf einen neuen Boden stellen. Also, nach wie vor halte ich persönlich das Atlantische Bündnis als eine für uns le- benswichtige Angelegenheit. Wie die Amerikaner selber darüber denken, das vermag ich auch nur eben aus den verschiedensten Äußerungen, die ich von ihnen höre, zu sa- gen. Eben hatte ich einen Besucher25, der noch aus einer Unterhaltung im Juni des letzten Jahres mit einem führenden amerikanischen Politiker das Ergebnis mitbrachte auf seine Frage: »Wenn Sie vor die Entscheidung gestellt werden: Nonproliferation oder Bündnis – was hat für Sie den größeren Rang?«Und das im Juni des letzten Jahres. Das hat sich inzwischen eben doch ein wenig geändert. Mehr kann ich Ihnen im Augenblick zu diesen Dingen nicht sagen. Ich möchte auch im Augenblick in einem so großen Kreise nicht mehr sagen. Aber ich will immerhin ein- fach die Fraktion mit teilnehmen lassen an dieser gewaltigen Sorge, die ich habe. Ebenso bestürzend sind für mich Nachrichten, die ich höre über die Einstellung, sagen wir mal, der gesamten Oberschicht amerikanischer Beamter im State Department zur Deutschlandfrage. Ich kann es nur andeuten. Das alles muß uns Anlaß geben, unsere Gesamtsituation neu zu überprüfen und zu sehen, was wir von unserer bisherigen Po- litik beibehalten können und wo wir unsere Positionen etwa werden ändern müssen. Das ist ein sehr sorgenvolles und schwieriges Geschäft, dem wir uns da unterziehen müssen.

25 Gemeint ist offensichtlich Botschafter Swidbert Schnippenkötter, der Beauftragte der Bundesregie- rung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Laut Terminplan nahm Kiesinger am 18. April 1967 an einer Sitzung des Bundesverteidigungsrates teil, auf der Botschafter Schnippenkötter über den Stand der Verhandlungen zum Atomwaffensperrvertrag referierte. Vgl. ACDP, 01-226-320.

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Dann hinein, Herr Vorsitzender, in den Nichtverbreitungsvertrag mit seiner Proble- matik! Wenn es im NATO-Rat so kommen sollte – und ich vermute, daß es so kom- men wird –, daß man ein Verfahren findet, gegen das sich kein Widerspruch anmeldet, dann muß es ja eine möglichst vage Formulierung sein, damit Frankreich noch in ir- gendeiner Weise mitmachen kann. Frankreich wird ja nur mitmachen, wenn kein Be- schluß gefaßt wird. Also, Frankreich könnte allenfalls mitmachen, wenn es um eine bloße Kenntnisnahme dessen geht, was Amerika vorhat. Ich vermute, in diese [Rich- tung]26 wird es gehen, und der eigentliche Kampf der Meinungen wird dann einsetzen. Für mich ist es immer wieder interessant, wie stark doch auch kleinere Staaten, wie zum Beispiel die Schweiz, Bedenken haben; Bedenken, die in eben diese Richtung ge- hen wie unsere eigenen. Ich meine jetzt nicht die Frage der Sicherung der wissenschaft- lichen und wirtschaftlichen Entwicklung auf diesem Gebiet, sondern die eigentlich po- litischen Fragen – wie sehr sie immer wieder den Gedanken der Abrüstung mit dem Gedanken der Nichtverbreitung verbinden wollen. Und ich kann mir denken, daß da in Genf27 sich noch eine Menge Widerstand zeigen wird. Wenn es uns gelingt, diese Debatte im Bundestag eindrucksvoll zu gestalten, kann sie uns im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung helfen. Wir sind da ja immer in der etwas schwierigen Situation. Auf der einen Seite ist für uns das zweifellos viel wichtiger als für andere Völker. Wir haben dieses Verhältnis zur Sowjetunion, der gegenüber wir uns verpflichten sollen, die wiederum der eigentliche Gegner einer für uns akzeptablen Lösung des Deutschlandproblems ist. Der Vertrag ist praktisch für ewige Zeiten vorge- sehen, denn die Kündigungsmöglichkeiten sind so beschränkt, daß sie kaum Aussicht haben, je realisiert werden zu können. Das ist also eine außerordentlich schwierige Lage. Auf der anderen Seite kennen Sie ja den Verdacht überall in der Welt. Wenn wir von Atomwaffen sprechen, dann spitzt man doch sofort die Ohren. Wir müssen also au- ßerordentlich vorsichtig taktieren. Auf der anderen Seite können wir natürlich Lebens- interessen unseres Volkes dabei nicht aufgeben. Wie gesagt, bei der Entscheidung, die in dieser Woche fällt, geht es darum nicht, geht es nicht um irgendeine Zustimmung zu irgendeinem Teil des Vertrags. Zum andern muß ich anerkennen, daß immerhin entgegen den Berichten, die man zunächst hörte und las, es so scheint, als sei im allerletzten Augenblick doch in den Verhandlungen in Wa- shington einiges Erhebliche mehr erreicht worden, als es zunächst geschienen hatte. Aber das ändert nichts an dem politischen Sachverhalt, den ich eben geschildert habe. So sieht es im Augenblick aus. Und ich glaube, Herr Vorsitzender, mehr sollte ich in diesem Moment wohl nicht sagen. Barzel: Herr Bundeskanzler, wir sind Ihnen sehr dankbar, daß Sie auch in dieser Frage uns zwischendurch an Ihren Sorgen und auch am Fortgang der Dinge beteiligen, daß wir nicht nur gehört werden, wenn es fertige Jas oder Neins gibt. Wir haben gehört, daß eine Zustimmung etwa noch nicht zur Debatte steht, aber aus dem Verfahrensgang ergibt sich natürlich, daß am Donnerstag ein Zug abfährt, Herr Bundeskanzler. Und insoweit sollte auch die Bereitschaft erklärt werden, der Vorlage als Diskussions- grundlage zuzustimmen. Das, glaube ich, darf man hierzu sagen. Zum zweiten glaube ich, darf ich Ihnen sagen, Herr Bundeskanzler, daß die Sorgen, die Sie haben, die Sie zum Teil angedeutet haben, zum Teil ausgesprochen haben, die unse- ren sind, und daß wir hier – und das sollen Sie wissen in diesen schweren Entscheidun- gen – mit vollem Vertrauen zu Ihnen stehen, Herr Bundeskanzler, auch zu den einzel- nen Maßnahmen jeden Tages, die Sie nach sorgfältiger Prüfung der Dinge für richtig halten. Ich glaube, dies sollten Sie wissen, weil es Ihre Arbeit erleichtern wird. Diese Fraktion hat bisher, wie ich glaube, und so war es ja auch besprochen, eine für die Regierung sehr förderliche Position gehabt. Wir haben uns weder festgelegt auf ein Ja oder auf ein Nein. Wir haben die Sache sorgfältig erörtert mit verschiedenen Sach- verständigen, Politikern und anderen, und ich glaube, dies wäre förderlich für die Re- gierung. Mir schien es im Augenblick doch richtig, wenn wir bei dieser Position noch bleiben, also nicht etwa Sie ermuntern, so oder so zu fahren, und nur noch einmal un- terstreichen, was Sie uns vorige Woche und diese Woche gesagt haben, daß natürlich die vitalen Interessen unseres Volkes auf keinen Fall berührt werden. Ich glaube, weiter sollten wir in diesem Augenblick nicht gehen. Und ich meine, wir alle sollten draußen

26 In der Vorlage: Rechnung. 27 Gemeint ist die 18-Mächte-Abrüstungskommission. Im Dezember 1961 einigten sich die USA und die Sowjetunion auf die Einsetzung eines neuen Abrüstungsgremiums. Am 13. Dezember 1961 wur- de dieser Vorschlag von der UNO-Vollversammlung angenommen, und am 14. März 1962 nahm die 18-Mächte-Abrüstungskommission in Genf ihre Arbeit auf. Vgl. dazu EA 1962, Z 9 u. 72.

Copyright © 2016 KGParl Berlin 10 Fraktionssitzung 18. 4. 1967 17. sagen – Herr Birrenbach hat ja ein vorzügliches Papier gemacht28, über das wir vorige Woche gesprochen haben –, daß wir Wert darauf legen, daß all diese Dinge geklärt werden; einfach deshalb, weil wir vertragsgetreu zu sein wünschen, nicht eine Unter- schrift zu leisten wünschen in der Hoffnung: Na, das wird schon anders werden im Laufe der Entwicklung. Ich glaube, dies muß ganz klar sein. Und deshalb müßte subtil eben das andere doch wieder ausgelotet werden. Als letztes, meine Damen und Herren, die Lage, die wir hier im Hause in der Koalition auch zu berücksichtigen haben. Sie wissen, daß die Freien Demokraten viel weiterge- hende Dinge, auch in Hannover29, gesagt und beschlossen haben als das, was jetzt zur Debatte steht. Sie wissen auch, daß die sozialdemokratische Fraktion – wenn ich so sa- gen darf – sich in ihrer Mehrheit viel leichter tut, hier etwa viel schneller ein Ja zu fin- den, ohne diese subtilen Untersuchungen, die hier angestellt werden. Ich glaube, wenn ich diesen Hinweis nur gebe, auch auf die Lage hier im Hause und auf die Lage der Ko- alition, ist dies auch wichtig, und wir wollen ja um Gottes Willen nicht in einen fal- schen Verdacht kommen. Und so bin ich sehr glücklich, Herr Bundeskanzler, daß Sie, wenn ich richtig gehört habe, sich besonders befriedigt geäußert haben hinsichtlich der Bemühungen der Bundesregierung auf dem zivilen Gebiet der Technik, der Forschung und der wirtschaftlichen Nutzung. Das ist schon einmal sehr erfreulich, aber das heißt natürlich auch, daß andere Dinge noch offenkundig der Klärung bedürfen. Meine Damen und Herren, mir würde es, glaube ich, vernünftig erscheinen, wenn wir den Zwischenbericht des Bundeskanzlers, der für jeden, der zuhören konnte, doch eine Menge enthielt, ohne eine Debatte entge- gennehmen könnten und so verbleiben, wie ich das eben auch noch versuchte, ein biß- chen zu unterstreichen oder fortzuführen, daß wir, Herr Bundeskanzler, mit einer Be- schlußfassung dieser Fraktion oder einem weitergehenden Votum als bisher weiter warten, das heißt, daß wir dann auch in der nächsten Woche eine so beschriebene för- derliche Position einnehmen würden, die die Probleme und die Erwartungen nach vor- ne schiebt, die wir für erfüllbar halten. So schiene mir die Anlage der Debatte von uns richtig. Bundeskanzler Kiesinger: Also, ich denke mir es so: Zunächst habe ich morgen früh den Außenminister30 bei mir zu einer sehr ausführlichen Aussprache. Dann werden wir im Kabinett die Ergebnisse der heutigen Beratung im Verteidigungsrat besprechen, und dann habe ich vor, sofort – und ich lege sogar großen Wert darauf, daß wir das ma- chen – mit einem Arbeitskreis, dieser Arbeitsgruppe der Fraktion die Ergebnisse zu be- sprechen. Was die Verhandlungen übermorgen im NATO-Rat selber anlangt, so wer- den wir dauernde Verbindung halten mit Brüssel, um jeweils von Fall zu Fall noch im letzten Augenblick eine Entscheidung so oder so treffen zu können. Jedenfalls müssen wir dann in der nächsten Woche wohlvorbereitet in einem guten Zusammenspiel in die Debatte hineingehen. Sie haben natürlich mit der Kennzeichnung der Situation hier im Hause vollkommen Recht. Ich habe eben eine gewisse Neigung festgestellt drüben in der SPD, sich jetzt schon eigentlich damit abzufinden, daß man diesen Vertrag unbefristet unterschreibt. Das spürt man aus den verschiedenen Bemerkungen heraus. Vielleicht täusche ich mich, aber das wird sich ja zeigen. Ich habe nur noch eine Bitte! Sie wissen, daß ich immer Hemmungen habe, in einem solch großen Kreis über heikle Probleme zu sprechen, weil man nie die Garantie hat, daß am andern Tag das wieder in der Zeitung steht. Also, der Kanzler fürchtet dies, der Kanzler fürchtet jenes. Ich würde also sehr herzlich darum bitten, daß also unter allen Umständen solche Dinge vertraulich gehalten werden. Daß also vor allem von der Fraktion selbst aus keinerlei Andeutungen rausgehen. Ich erinnere mich an die unseligen Zeiten, als ich Vorsitzender des Auswärtigen Aus- schusses war, wo damals die beiden Fronten sich gegenüberstanden. Es war schlechter- dings unmöglich in diesem Ausschuß, irgendeine Frage vertraulich zu behandeln. Sie stand mit Sicherheit schon am andern Tage in der Zeitung, beziehungsweise sie kam am

28 Gemeint ist eine Ausarbeitung von Birrenbach vom 8. April 1967 unter dem Titel »Zur Problematik des Atomsperrvertrages«, die zur Information der Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU dienen sollte, insbesondere für die Landtagswahlkämpfe in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Für den Wortlaut dieser Ausarbeitung vgl. ACDP, 01-433-117/2. 29 Gemeint ist der 18. Bundesparteitag der FDP, der vom 3. bis 5. April 1967 in Hannover stattfand. Vgl. hierzu AdG 1967, S. 13107–13109. 30 .

Copyright © 2016 KGParl Berlin 11 Fraktionssitzung 18. 4. 1967 17. selben Abend noch im Rundfunk. Es waren einfach Leute da, die nicht dicht hielten. Das Ergebnis war, daß dieser Ausschuß in allen wichtigen Fragen praktisch zur Untä- tigkeit verdammt war, und daß es die Aufgabe des Vorsitzenden gewesen ist, möglichst nichts von wirklicher Substanz in diesem Ausschuß zu behandeln. Sie können sich denken, wie mir damals zu Mute war in dieser Position. Und es wäre sehr schade – an sich möchte ich gerne die Fraktion teilhaben lassen an diesen Überle- gungen und Sorgen –, wenn das dadurch schwer behindert oder gar in manchen Fällen unmöglich gemacht würde, wenn sich herausstellen würde, daß man nichts sagen kann, ohne daß es sofort dann in die Welt hinaus kommt und in der Zeitung steht. Ich kann diese Bitte nur mit allem Ernst noch einmal wiederholen. Barzel: Also, meine Damen und Herren, wenn nicht aus anderen Gründen, dann aus Gründen, daß wir auch morgen noch etwas hören wollen, sollten wir diesem Wunsch wirklich hundertprozentig entsprechen. Ich danke dem Herrn Bundeskanzler, ich dan- ke der Fraktion, daß sie mit diesem Verfahren soweit einverstanden ist, was bedeutet, daß wir rechtzeitig zusammentreten, wenn sich etwas weiteres ereignet.

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