Regionalverkehr , Erschliessung Leissigen

Argumentarium

1. Regionalverkehr Interlaken–Spiez: Heutige Situation Zwischen Interlaken und Spiez verkehren heute stündlich Regionalzüge, mit denen die Stationen Därligen und Leissigen (sowie zweistündlich Faulensee) erschlossen werden. Die Züge verkehren alternierend in zwei Varianten: 1) Knapp vor/nach dem Fernverkehrszug: Ausschliesslich Regionalverkehr, ohne Anschlüsse in Interlaken Ost nach/von der Jungfrauregion und / 2) In der Fahrplanlage des Fernverkehrs: Gemischte Funktion Regionalverkehr/Fernverkehr, mit Anschlüssen in Interlaken Ost nach/von der Jungfrauregion und Brienz/Meiringen Zusätzlich halten am Morgen zwei Fernverkehrszüge in Därligen und Leissigen. Die Kurse der Variante 1 sind in der Regel ungenügend ausgelastet. Die Kurse der Variante 2 sind vor allem zu Stosszeiten überlastet. Dies ergibt sich aus der Kapazität des Rollmaterials: Aufgrund der eingeschränkten Perronlängen in Därligen und Leissigen können höchsten zwei Kompositionen der Mutz-Doppelstockzüge mit insgesamt 670 Sitzplätzen und 220 Stehplätzen eingesetzt werden. Die Kapazität des Regionalverkehrs in Interlaken Ost nach/von Jungfrauregion und Brienz/Meiringen ist demgegenüber fast doppelt so hoch; hinzu kommt die Kapazität diverser Postautoverbindungen von/nach Interlaken Ost sowie die durch Anwohner und Touristen vom Bödeli generierten Frequenzen.

2. Regionalverkehr Interlaken–Spiez: Situation ab 13. Dezember 2020 Mit dem kommenden Fahrplanwechsel wird der Regionalverkehr zwischen Interlaken und Spiez auf Busbetrieb umgestellt. Die Kurse verkehren in beiden Richtungen stündlich, zu den Hauptverkehrszeiten im Halbstundentakt. Einzelne Kurse verkehren zudem von Leissigen und Därligen direkt zum Sekundarschulhaus Interlaken. Die bisherigen Regionalzüge entfallen.

3. Fernverkehr: Heutige Erschliessung der Region Oberland-Ost ab /Basel/Zürich Interlaken Ost wird als Vollknoten immer zur vollen Stunde mit einem Fernverkehrszug von/ab Bern bzw. Basel erschlossen. Dazwischen wird Interlaken Ost jede zweite Stunde zur halben Stunde mit einem Fernverkehrszug von/ab Bern bzw. Basel erschlossen. In der alternierenden Stunde zur halben Stunde übernimmt ein Regionalzug die Verbindung von/ab Spiez und sorgt dadurch für den Anschluss an den bzw. vom Fernverkehrszug zwischen Brig und Bern/Basel. Zusätzlich verkehren täglich vier Regioexpress-Kurspaare zwischen Interlaken und Spiez/Zweisimmen; diese bringen keine zusätzlichen Anschlüsse an den Fernverkehr.

4. Fernverkehr: Ausblick Ab Dezember 2020 wird ein zweistündlich verkehrender Shuttlezug zwischen Spiez und Interlaken den bisherigen Regionalzug ersetzen und dadurch den Anschluss an den bzw. vom Fernverkehrszug zwischen Brig und Bern/Basel übernehmen. Mittelfristig wird mit einer weiteren Zunahme der Gäste in der Region Oberland-Ost gerechnet. Die bevorstehende Eröffnung des zweiten Asts der V-Bahn («Eiger-Express») im Dezember 2020 wird zusätzlich zu einer Intensivierung der Reiseströme führen. Die Fernverkehrsverbindungen werden künftig mit längeren Zügen gefahren. Auf der mehrheitlich einspurig betriebenen Bahnstrecke zwischen Interlaken und Spiez bedingt dies den Ausbau der Kreuzungsstelle in Leissigen.

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Ende 2022 geht die Entflechtung Bern-Wylerfeld in Betrieb. Ab diesem Zeitpunkt werden somit im Fernverkehr wieder Direktverbindungen zwischen Interlaken und Zürich/Zürich-Flughafen möglich. Im Rahmen des strategischen Entwicklungsprogramms Bahninfrastruktur des Bundes ist vorgesehen, etwa im Jahr 2030 den integralen Halbstundentakt im Fernverkehr zwischen Interlaken und Bern einzuführen; die bisherigen zweistündig verkehrenden «unechten» Fernverkehrsverbindungen zwischen Bern und Spiez/Brig mit Umsteigen nach/von Interlaken (Shuttlezug) werden dann durch Direktverbindungen zwischen Interlaken und Bern bzw. Basel/Zürich ersetzt. Für die Tourismusdestinationen der Region Oberland-Ost bedeuten diese Massnahmen eine Attraktivitätssteigerung, da die Anreise mit dem ÖV sowohl für Gäste aus dem Raum Zürich/Ostschweiz als auch für internationale Gäste erleichtert wird. Dies führt zugleich zu einer Entlastung des motorisierten Individualverkehrs.

5. Vorteile Busbetrieb Interlaken–Spiez Mit dem Busbetrieb werden die Gemeinden Därligen und Leissigen sowie der Spiezer Ortsteil Faulensee sowohl in Richtung Spiez als auch in Richtung Interlaken optimal an den ÖV angebunden. Die Erschliessung mit Bussen erlaubt die Einrichtung zusätzlicher Haltestellen und verkürzt dadurch für zahlreiche ÖV-Benützer den Weg zwischen Wohnsitz und Haltestelle. Während den Hauptverkehrszeiten kann der Busbetrieb problemlos zum Halbstundentakt verdichtet werden. Beim Bahnbetrieb wäre dies aufgrund der limitierten Streckenkapazität und der für Regionalzüge ungenügenden Nachfrage nicht möglich. Schüler aus Därligen und Leissigen erhalten dank dem Busbetrieb umsteigefreie Verbindungen sowie kürzere Wege vom Zuhause bzw. von der Schule zur nächstgelegenen ÖV-Haltestelle.

6. Nachteile Busbetrieb Interlaken–Spiez Der Busbetrieb führt zu etwas längeren Fahrzeiten und zu teilweise weniger günstigen Anschlussbedingungen in Interlaken Ost. Beim Busbetrieb können Verspätungen und Anschlussbrüche eintreten, wenn die Nationalstrasse A8 überlastet ist. Auf der A8 besteht an einzelnen Spitzentagen (insbesondere während des Rückreiseverkehrs am Sonntagabend während der touristischen Hochsaison) ein Kapazitätsengpass. Pendler und Schüler sind davon in der Regel nicht betroffen, da sie zu anderen Zeiten unterwegs sind.

7. Politischer Prozess Das Angebot des öffentlichen Regionalverkehrs wird im Kanton Bern regelmässig in einem kantonalen Angebotsbeschluss festgelegt. Alle vier Jahre erlässt der Grosse Rat einen entsprechenden Beschluss. Basis dafür bilden die regionalen Angebotskonzepte, welche vorgängig ein Mitwirkungsverfahren auf regionaler Ebene durchlaufen. Die Bahnlinie Spiez-Interlaken weist aufgrund des mehrheitlich einspurigen Verlaufs eine eingeschränkte Kapazität auf, die dringend für den wachsenden Fernverkehr benötigt wird. Zudem weisen jene Regionalzüge, die keine zusätzliche «Fernverkehrsfunktion» haben, eine sehr schlechte Auslastung auf. Aus diesen und weiteren Gründen wurde eine Umstellungsstudie durch den Kanton in Auftrag gegeben. Die Regionalkonferenz Oberland-Ost hat bereits im regionalen Angebotskonzept 2018–2021 auf die damals laufende Studie über die Zukunft des regionalen Personenverkehrs zwischen Spiez und Interlaken hingewiesen. Die Kommission Öffentlicher Verkehr und die Geschäftsleitung der Regionalkonferenz Oberland-Ost haben im Rahmen der Mitwirkung zu dieser Studie eine Umstellung von Bahn auf Bus befürwortet. Den entsprechenden Beschluss für die Umstellung fasste der Grosse Rat im März 2017 nach intensiver Debatte. Ein Antrag, die Umstellung auf Busbetrieb erst später zu realisieren, wurde von einer Mehrheit der Kantonsparlamentarier abgelehnt. Die Einwohnergemeinde Leissigen und die private Interessengemeinschaft Leissigen Futura akzeptieren diesen Grossratsentscheid nicht. Sie verlangen, dass die Umstellung auf Busbetrieb ab 2022 mittels einer Kombination von Bahn- und Buserschliessung («Hybrid-Lösung», siehe unten) teilweise rückgängig gemacht wird, indem die morgendlichen Intercity-Züge, die Regioexpresszüge zwischen Interlaken und Zweisimmen sowie die Regionalzüge weiterhin in Leissigen halten.

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Entsprechende Anträge wurden im Rahmen des Mitwirkungsverfahrens zum regionalen Angebotskonzept 2022–2025 eingebracht. Die Geschäftsleitung der Regionalkonferenz Oberland-Ost hat auf Empfehlung der Kommission Öffentlicher Verkehr beschlossen, den Vorschlag mit der Hybridlösung nicht zu unterstützen, weil seine Umsetzung gegenüber dem neuen Buskonzept eine Verschlechterung der Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr bedeuten würde. Es gäbe ein Wirrwarr, weil keine getakteten Abfahrtszeiten mehr bestehen würden, dafür laufende Wechsel zwischen Bahn und Bus und somit zwischen Bahnhof und Bushaltestelle. Das wäre in keinerlei Hinsicht kundenfreundlich und gerade für Schülerinnen und Schüler nicht zumutbar.

8. Infrastruktur Bahnhof Leissigen Die Fernverkehrszüge zwischen Interlaken und Spiez kreuzen in Leissigen. Die direkten Intercity- Züge, die ab 2023 zwischen Interlaken und Zürich/Zürich-Flughafen verkehren, sind länger als die heutigen Züge. Die Kreuzungsstelle Leissigen genügt den neuen Anforderungen nicht und muss deshalb verlängert werden. Der Umbau führt zu Kosten von rund 50 Mio. Franken. Dieser Betrag bezieht sich einzig auf die Kreuzungsstelle ohne Perrons. Damit auch in Zukunft Züge in Därligen und Leissigen halten und Fahrgäste ein- bzw. aussteigen könnten, müssten zusätzlich für mehrere Millionen Franken die Perronanlagen in Därligen und Leissigen aus- bzw. umgebaut werden, da gleichzeitig auch Anpassungen der Perrons an die Vorgaben des Behindertengleichstellungsgesetzes erforderlich wären (das Gesetz schreibt vor, dass der öffentliche Verkehr bis spätestens Ende 2023 den Bedürfnissen der behinderten und altersbedingt eingeschränkten Reisenden entsprechen muss). Das Bundesparlament hat mit dem «Ausbauschritt 2035 der Bahninfrastruktur» die Einführung des integralen Halbstundentakts nach Interlaken beschlossen. Dieser soll ab etwa 2030 angeboten werden, womit die erwähnten Perronanpassungen für den Regionalverkehr bereits nach wenigen Jahren wieder überflüssig wären. Die Geschäftsleitung der Regionalkonferenz Oberland-Ost erachtet die erforderlichen Zusatzinvestitionen für den Regionalverkehr während einer nur kurzen Nutzungsdauer als unverhältnismässig.

9. «Hybrid-Lösung» Die von Leissigen Futura vorgeschlagene und von der Einwohnergemeinde Leissigen anfänglich unterstützte «Hybrid-Lösung» besteht aus einer Kombination von Bahn- und Buserschliessung. Konkret sollen in Ergänzung zum Busbetrieb ab 2022 wieder die morgendlichen Intercity-Züge, die Regioexpresszüge Interlaken–Spiez–Zweisimmen sowie die Regionalzüge in Leissigen halten. Dieses Modell ist aus den folgenden Gründen kein tauglicher Ansatz:  Die vorgeschlagene «Hybrid-Lösung» ist für Därligen und Faulensee äusserst unattraktiv und würde eine Verschlechterung gegenüber der heutigen und der neuen Buserschliessung mit dem ÖV bedeuten.  Die «Hybrid-Lösung» wäre nur bis etwa 2030 (Einführung des Halbstundentakts im Fernverkehr) nutzbar. Mit Einführung des integralen Halbstundentaktes im Fernverkehr würden die notwendigen Minimalvorgaben auf der Regionalbahnlinie nicht mehr erreicht werden können. Entsprechend müsste spätestens auf diesen Zeitpunkt hin ohnehin auf Busbetrieb umgestellt werden.  Die «Hybrid-Lösung» würde aufgrund von langen Standzeiten zu einem unwirtschaftlichen Busbetrieb führen; das Einsparpotenzial wäre wesentlich geringer, als in den Unterlagen zur «Hybrid-Lösung» dargestellt.  Die «Hybrid-Lösung» benötigt zusätzlich zu den Investitionen in die Bushaltestellen auch Investitionen in die Bahnhaltestellen von mehreren Millionen Franken, die aber für den Regionalverkehr nur während kurzer Zeit genutzt werden könnten (bis zur Einführung des integralen Halbstundentakts).  Mit der «Hybrid-Lösung» würde sich die Kundenfreundlichkeit für die Bewohner von Därligen, Leissigen und Faulensee verschlechtern: Aufgrund von uneinheitlichen Abfahrtszeiten und einem laufenden Wechsel zwischen Bahn und Bus würde ein Wirrwarr entstehen. Därligen würde zudem äusserst unregelmässige Verbindungen nach Interlaken und Spiez erhalten.

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10. Reduzierte Forderung der Einwohnergemeinde Leissigen Die Einwohnergemeinde Leissigen, die zuerst auch die «Hybrid-Lösung» unterstützte, hat ihre Anträge nach Behandlung des Themas durch die Kommission ÖV angepasst. Sie beantragt nun, die beiden Intercity-Züge am Morgen (IC61-1056, IC61-1058) und den Intercity-Nachtzug freitags und samstags (IC61-993) auch nach dem Bau der Kreuzungsstelle in Leissigen halten zu lassen. Da sich das Angebotskonzept auf den Regionalverkehr beschränkt, kann das Anliegen nicht direkt darin aufgenommen werden. Die Geschäftsleitung der Regionalkonferenz, die dieses Anliegen unterstützt, hat deshalb entschieden es in Form eines Prüfauftrags an den Kanton ins Angebotskonzept aufzunehmen. 2. März 2020/rkoo

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