180 Klassiker Der Science Fiction Und Fantasy
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Memo University of Miami 2002 – Edition: 180 Klassiker der Science Fiction und Fantasy 180 Klassiker der Science Fiction und Fantasy betrachtet von Lutz Schridde für die Science Fiction Gruppe Hannover (www.sfgh.de) Vorbemerkung: Ausgehend von der Problematik, ob und wie man Science Fition und Fantasy kategorisch unterscheiden könne, habe ich nachfolgend eine Zweitverwertung der Genre-Edition von Fiona Kelleghan (Universität Miami, USA) probiert. Ihre Edition von 180 Titeln aus dem historischen Zeitraum von 1726-1998 nimmt aus unserer deutschen Sicht recht gemischte Veröffentlichungen auf, sogar solche, die bei uns bislang rein dem Kinderbuch zugeordnet werden. Andererseits erfrischt diese Edition mit zusätzlichen Attributen für die ausgewählten Titel, z. B. "magical realism", "cultural exploration" und weitere. Das stimmt nachdenklich, ob man hier in Deutschland einen gewissen Amtsschimmel reiten sieht, wohingegen in den USA viel publikumsnäher differenziert zu werden scheint. Freilich ist Kelleghans Edition und Kommentierung nicht die "herrschende Meinung" in den USA. Für meinen Teil habe ich aus dieser Edition Hinweise auf wirklich interessante Titel gefunden, die älteren bis in die achtziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts sind mir meist bekannt gewesen. So bin ich mir nunmehr klarer, was mich innerhalb der Genre-Vielfalt eigentlich persönlich interessiert. Das mag anderen nun auch so gehen oder gegangen sein. Chronologische Ordnung und ergänzende Übersetzungsspiegel Kelleghans Auswahl habe ich chronologisch geordnet (erweitert und mit älterem Ansatz bei Zyklen oder Kollektionen) und jeweils einen deutschen Übersetzungsspiegel erstellt. Damit wollte ich dokumentieren, ob und wie oft diese Edition mit deutschem Verlagsinteresse korrespondiert hat. Sicherlich sind mir einige Übersetzungen entgangen (vgl. www.chpr.at) und bei einigen Titeln habe ich gar nicht gesucht, sofern mir das persönliche Interesse gefehlt hat. Das betrifft vor allem Kinderbücher und Jugendbücher, einiges wird vielleicht sogar in Deutschland als "Fantasy" verkauft werden. Weitere Titel gelten hier in Deutschland als Horrorliteratur, wie etwa Vampirromane. Mich hat schon gewundert, wie weit Kelleghan ausgewählt hat. Keine Genre-Navigation Die Edition von Kelleghan hat aber eine ganze Menge für sich. Sie unterstützt meine eigene inzwischen erworbene Meinung über das Genre der Science Fiction, dass es sich hier um einen literarischen Prozess eines perspektivischen Implementarismus handelt. Science Fiction hat kein "top-down-Menü", mit dem man im Genre "navigieren" könnte. Hier ist das Medium selbst die Botschaft. Science Fiction ist eine Literatur, die sich mit der Geschichte der technischen Medien entwickelt und wandelt. Sie handelt von Erfindungen und ist selbst erfinderisch, sie handelt von Katastrophen und erlebt selbst die Abhängigkeit von erheblichen gesellschaftlichen Ereignissen, man erinnere sich an die Weltwirtschaftskrise und auch an simple Papierknappheit im zweiten Weltkrieg. Womöglich wird eine virtuelle Science-Fiction-Bibliothek einst von einem Computervirus vernichtet. Ray Bradbury, Kind einer erfolgreichen Verlegerfamilie, hat mit seinem Science-Fiction-Roman "Fahrenheit 451" ein treffliches Beispiel für die fragile Lage von Literatur überhaupt gegeben. Diesen Roman, wo ganze Bücher im Untergrund einer Diktatur von Leuten durch Auswendiglernen vor dem verordneten Vergessen bewahrt werden, hat Bradbury übrigens seinen einzigen Science-Fiction- Roman genannt, da er nur hier technische Vorausschau zeige. So taucht in diesem Roman ein in die Wand eingelassener Fernseher auf und es gibt auch so etwas wie einen Walkman. Nach Bradburys eigener Meinung seien seine anderen Veröffentlichungen der Fantasy zuzuordnen. Wenn man jetzt an seine berühmten "Mars-Chroniken" denkt oder an "Der illustrierte Mann", kann man sich schon über Bradburys Unterscheidung wundern. Doch hat er richtig unterschieden – mit dem Kriterium technischer Antizipation. Beispiele "magical realism" und "extrapolatory" Besondere Beachtung kann nun Kelleghans Attribut des "magic realism" finden. Sie kennzeichnet solche Romane damit, die durchaus realistische Plots haben, aber ein magisches Setting. Sie verwendet jedoch nirgends ein komplementäres "scientific realism", als komplementär aber könnte beispielsweise die edierte Orange-County-Trilogie von Kim Stanley Robinson gelten, die Kelleghan als "science fiction/extrapolatory" bezeichnet. Insofern hat "magical realism" an sich, dass man auch von "extrapolatory" sprechen könnte. Für meinen Teil habe ich bemerkt, dass eine analytische Unterscheidung in "investigative Science Fiction" und "investigative Fantasy" wie ein Kontrastmittel einzelne Bereiche des Genres herausheben hilft. Diese investigative Literatur ist es tatsächlich, die mich persönlich in diesem Genre interessiert. Wenn man investigative Literatur lesen will, kann man gerade auch in diesem Genre Implemente davon finden. Leseprofil Wie es mir also mit dieser Edition von 180 Titeln gegangen ist, mag sie auch weiteren Genre-Lesern helfen, sich über eigenes Leseprofil klar zu werden. Diese Edition kann somit nach innen und außen orientieren. Ein Streit über den Unterschied von Science Fiction und Fantasy bringt erst etwas, wenn ein weiteres Attribut die Perspektive auf das Genre für konkreten Kontrast sorgen kann. Vor dort aus kann man dann nochmals in die Edition von Kelleghan schauen und manche Titel anders kennzeichnen. Etwa "Das unbesiegbare Land" von Geoff Ryman möchte ich selber nun als investigative Fantasy bezeichnen. Manche englische Psycho-Thriller wären hier gleichfalls als investigative Literatur zu bezeichnen, deren Plot man sich wohl auch in magischer Fantasywelt vorstellen könnte. Fantasy kann durchaus eine Schreibweise bezeichnen. Keine Geschichte der Science Fiction Kelleghan geht historisch bis 1726 zurück. In der Literaturwissenschaft, die sich mit dem Genre der Science Fiction befasst, nennt man allerdings weit ältere Titel, schon die sozialen Utopien sind sicherlich viel älter. Doch auch in der Frage, was denn alles noch betrachtet werden müsse, kann ein komplementäres Begriffspaar für Kontrast in der Wahrnehmung sorgen. Soziale Utopien können durchaus investigative Literatur sein und unterliegen ihrerseits historischen Verblendungen. Wer investigativ ist, weiß ja, dass er eigentlich kaum etwas weiß. Das Publikum weiß es umso weniger, vertraut aber darauf, dass es Neuigkeiten zu lesen gibt. Die Buchhändler wissen ohnehin sehr genau, dass diese Literatur eine verderbliche Ware ist und schlicht veraltet. Nostalgische Rückkehr in ältere Science Fiction erfrischt höchstens den Sinn für das ganze Genre. Wer meint, die Geschichte der Science Fiction vorhersehen zu können oder gar als ihr Historiker zu taugen, der ist wohl einfach übergeschnappt. Kritik an Kelleghan Die Edition bietet jeweils kurze Zusammenfassungen und knappe Analysen. In Deutschland gibt es ähnliches Angebot im Corian-Verlag, siehe unten in der Literaturliste. Man findet dieses ausführlichere bibliografische Lexikon (bald ein ganzer Meter im Regal) ebenso wie Kelleghans Buch in Hannover in der Landesbibliothek. Doch Kelleghans Sample von 180 Büchern braucht nicht verbessert werden, allenfalls können alternative Editionen durch eine andere Herangehensweise und Werthaltung geprägt sein. Wenn man etwa in das renommierte amerikanische Magazine of Fantasy and Science Fiction schaut, zeigt sich eine weitere redaktionelle Handhabung des Genres. In Deutschland hat dann der Katalog des Heyne- Verlags mit der amerikanischen Handhabung weit gehend korrespondiert. In den sechziger Jahren hatte man hier im Goldmann-Verlag hingegen gerne noch im engeren Sinne von "technisch-utopischen" Romanen und Erzählungen gesprochen. Einzelne deutsche Autoren sind heute noch persönlich durchaus rigide und mischen das literarische Design nicht. Hans Kneifel ist hier ein prägnantes Beispiel. Nutzen meiner erweiterten Analyse Kurz und knapp: Wird nun das eigene Leseprofil deutlicher, kann die weitere Rezeption des Genres unterstützt werden. Auch die Beschränkung auf das Genre kann durchbrochen werden, um zu ähnlichen Implementen in anderen Genres durchzustoßen. Insofern ist das Genre in praktischer Weise durchaus utopisch: Man kehrt ein und entdeckt eine literarische Insel, dann verlässt man diese Insel geläutert und wendet sich der Gegenwartsliteratur zu. Der perspektivische Implementarismus der Science Fiction und Fantasy als permanenter Prozessliteratur zeigt einem als Leser die volle Weisheit: Man kann nicht ein zweites Mal in den gleichen Fluss springen. Es sei denn, er ist reine Fiktion. Nach über zwanzig Jahren bin ich für meinen Teil gerne nochmal hineingesprungen in die Welt der Fiktionen in bin nach einiger Umsicht wieder beim "Alten" gelandet, unter anderem bei Theodore Sturgeon und anderen Autoren von Campbells Magazin Astounding. Literatur: - Classics of Science Fiction and Fantasy Literature, edited by Fiona Kelleghan, University of Miami (180 plot summaries and analyses in alphabetical order, two volumes. Vol. 1: Aegypt by John Crowley – Make Room! Make Room! By Harry Harrison, is pp. 1 – 342. Vol. 2: The Man in the High Castle by Philip K. Dick – Zothique by Clark Ashton Smith, and indexes and some more about awards, timeline, bibliography and sites in the world wide web, is pp. 343 – 698.) Salem Press, Inc., Pasadena, California 2002 - "Bibliographisches Lexikon der utopisch-phantastischen Literatur" Meitingen: Corian-Verlag Heinrich Wimmer, 1999. Gegeben wird ein deutscher Übersetzungsspiegel