Nummer (11) 12/2018

BadKreuznacher Beilage Heimatblätter

Der romanische Kirchturm in Frei-Laubersheim und seine Glocken Ein Beitrag zur Geschichte des Turmes und seiner Glocken anlässlich des Abschlusses der umfangreichen Renovierungsarbeiten

VON DIPL.-HDL. WOLFGANG ZEILER, FREI-LAUBERSHEIM

„Schon immer waren die Menschen Ortes und seiner Bewohner diente. Das Feh- selbstsüchtig und oft wenig gut. Aber das len der Schießscharten an der Ostseite und Abendläuten erklang, schwebte über den die Rundbogenöffnung des Untergeschos- Feldern, über den Wald. Es mahnte die un- ses nach Osten hin sind ein deutlicher Hin- bedeutenden, irdischen Dinge abzulegen, weis darauf, dass an dieser Turmseite das Zeit und Gedanken der Ewigkeit zu wid- Langhaus der Vorgängerkirche angebaut men.“ So schreibt Alexander Solschenizyn war. Doppelbögen mit Kelchkapitellen, wie in der Erzählung „… den Oka-Fluß ent- sie für die romanische Baukunst üblich wa- lang“. Der Klang der Glocken, so sagt man ren, kennzeichnen die dritte Ebene des Tur- auch, würde Himmel und Erde verbinden. mes. Die beiden obersten Ebenen sind der eigentliche Glockenbereich mit seiner klei- nen, mittleren und großen Glocke. Der Turm Mit Bruchsteinen vermauerte Verbindung zum frü- heren Kirchenschiff. Foto: W. Zeiler Die drei Glocken der katholischen Pfarrkir- che „St. Mauritius und Gefährten“ befinden sich im romanischen Kirchturm am östli- chen Ortseingang von Frei-Laubersheim. die am Eiermarkt in Bad Kreuznach gele- Dieser Kirchturm aus der ersten Hälfte des gene St. Nikolauskirche. Das Patronatsrecht 13. Jahrhunderts ist das mit Abstand älteste und die gewöhnlich damit verbundene Kir- Gebäude der Gemeinde; ein weithin sicht- chenbaulast war zwischen 1157 und 1185 bares und unverwechselbares Bauwerk, das dem Konvent des Klosters Tholey, als Gre- im selben Jahrhundert entstanden ist wie gorius Abt dieses Klosters war, übertragen worden. 1) Da der Bau des Turmes offenbar kurz nach der Übertragung des Patronats er- folgte, ist zu vermuten, dass die „Herren von Tholey“ maßgeblich am Bau dieses Wehr- und Kirchturms beteiligt waren. Die heutige Kirche wurde direkt nach dem Abriss der baufälligen Vorgängerkir- che in den Jahren 1792–1796 erbaut, und zwar „neben dem Thurm von diesem nörd- Zustand vor der Renovierung. Foto: W. Zeiler lich zur Seite vier Fuß entfernt“. 2) Der seit dieser Zeit freistehende, annähernd quad- ratische Turm hat eine Höhe von etwas mehr als 20 Meter und lässt sich in fünf Ebe- Aufgrund des schlechten Erhaltungszu- nen gliedern. 3) Die unterste Ebene besteht standes des Turmes, insbesondere der Ka- aus einem tonnengewölbten Raum, von pitelle und des Daches, wurde eine gründ- dem aus es keinen Zugang zu dem darüber liche Sanierung erforderlich. Die Arbeiten liegenden Turmbereich gibt. Dieser Raum dazu begannen im Jahr 2014 mit der Er- hatte früher eine fast die gesamte Breite des neuerung des Daches. Am 25. Februar 2018 Turmes nutzende Rundbogenöffnung nach wurde in einem Festgottesdienst in der Frei- Osten hin. Laubersheimer Kirche der Abschluss der Die zweite und dritte Ebene, von außen Arbeiten im Beisein der an der Renovierung erkennbar durch umlaufende Friese, sind - Beteiligten gefeiert. Die Kosten der Sanie- mit Ausnahme der Ostseite des Turmes - rung von circa 70 000 Euro teilten sich das mit Schießscharten ausgestattet. Vor allem Bischöfliche Ordinariat in Mainz und die ka- diese Schießscharten zeigen, dass das Bau- tholischen Kirchengemeinde, die durch ei- werk in früheren Zeiten nicht nur zu got- ne Vielzahl von Aktionen zur Spendenge- tesdienstlichen Zwecken genutzt wurde, nerierung ihren notwendigen Beitrag er- Der Turm nach der Renovierung. Foto: W. Zeiler sondern auch als Wehrturm dem Schutz des reichte. 2 (Seite 42 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - (11) 12/2018

Die kleine und die große Glocke Zustand ertrugen die Frei-Laubersheimer nannten Heiligen ... die Namen der hiesi- fast 20 Jahre lang, denn erst 1841 wurde ein gen Gemeinderäthe und seinen eigenen Nicht nur der Turm hat ein stattliches Al- Kostenvoranschlag beim Glockengießer Be- Namen aufgießen. Diese Glocke ist deshalb ter erreicht, sondern auch zwei seiner Be- raud aus Frankreich, damals wohnhaft in Al- nicht getauft“. 11) wohner, nämlich die kleine und die große zey, eingeholt. Der Glockengießer reichte Abholung der mittleren Glocke zu Glocke mit den Tönen c beziehungsweise zwei Voranschläge ein. In dem einen Vor- Kriegszwecken: as, die dort oben im Turm seit über 500 Jah- anschlag wurden die Kosten für das „Um- Am 16. Juli 1917, etwa eineinviertel Jahr ren (!) ihren Dienst für die Gemeinde leis- gießen der zersprungenen mittelsten Glo- vor Ende des Ersten Weltkrieges, be- ten. Nach dem ersten Weltkrieg stellte man cke auf dem Kirchthurme zu Freilaubers- schlagnahmte die Reichsregierung diese diese beiden Glocken am 20.08.1920 unter heim, sowie für das Herabnehmen, das Wie- mittlere Glocke für Kriegszwecke. Sie kam Denkmalschutz. derhinaufbringen und den Transport nach nicht mehr nach Frei-Laubersheim zurück. Die kleine Glocke wiegt mit 175 Kilo- Alzei und wieder zurück“ detailliert aufge- An ihre Stelle trat am 9. September 1924 gramm etwa ein Drittel der großen Glocke, listet. 8) Gesamtkosten 218 fl. und 32 Kreu- wiederum eine neue mittlere Glocke, die ihr Durchmesser ist jedoch mit 66 Zentime- zer. Der zweite Voranschlag enthielt Uner- von der Gemeinde Frei-Laubersheim an- ter nur ein Drittel kleiner als ihre große wartetes, denn dieser Voranschlag bezog geschafft wurde. Auf der Glocke standen, Schwester. Die einzeilige Umschrift lautet sich auf „das Umgiessen zweier Glocken wie bei der Vorgängerglocke, der Name 4): „ ih(esv)s nazarenvs rex ivdeorvm anno auf dem Kirchthurme zu Freilaubersheim, des Bürgermeisters und die Namen der Ge- d(omi)ni m cccc lxxiiii ot“, also „Jesus von der sogenannten Mittelsten und kleinen meinderäte. Bei der Ankunft der Glocke Nazareth König der Juden 1474“. Die bei- Glocke“. Die Kosten für die Erneuerung bei- hielt der Bürgermeister vor der Kirche eine den Buchstaben „ot“ am Ende der Um- der Glocken wurden im Voranschlag auf Ansprache, eine Glockenweihe fand jedoch schrift sind wahrscheinlich die Anfangs- 317 fl. 24 Kr. festgelegt. auch für diese Glocke nicht statt. buchstaben des Glockengießers Johannes Das Umgießen der kleinen Glocke fand Am 15. März 1940 waren auf Anordnung Otto, der Ende des 15. Jahrhunderts in der jedoch nie statt! Es bleibt unklar, aus wel- Görings die in den Glocken aus Bronze ent- Umgebung von Kreuznach tätig war. 5) Au- chem Grund auch die kleine Glocke aus haltenen Metallmengen zu erfassen und der ßer für kirchliche Zwecke wird die kleine dem Jahr 1474 umgegossen werden sollte. deutschen Rüstungsreserve dienstbar zu Glocke auch heute noch zum Uhrenschlag Von einer Beschädigung der Glocke wurde machen. Pfarrer Schmidt stellte über das Bi- verwendet. in den Schreiben nichts erwähnt, aber viel- schöfliche Ordinariat unverzüglich den An- leicht wollte man einen anderen Glocken- trag auf „Befreiung von der Ablieferung“ ton. Für die Zivilgemeinde und die Kir- der großen und der kleinen Glocke. (Die chenvorstände waren die beiden Angebote mittlere Glocke, die erst 16 Jahre zuvor ge- des Glockengießers ohnehin wohl nur als gossen worden war, hatte keine Chance der erste Information darüber gedacht, welche Einschmelzung zu entgehen). Pfarrer Kosten mit diesem Umguss entstehen wür- Schmidt begründete seinen Antrag mit dem den. Denn erst ein Jahr später, im Mai 1842, „künstlerischen Schmuck“ der großen Glo- wurde in einem Schreiben an den Kreisrat cke und dem „außergewöhnlich hohen mu- in Bingen deutlich, dass die Arbeiten nun sikalischen Wert“ der kleinen Glocke. Zu- begonnen werden sollten. Anfang Mai 1842 dem hätten beide Glocken einen „hohen befand sich nämlich der bereits genannte historischen Wert“, denn auf beiden Glo- Glockengießer Beraud, der sich mittlerweile cken sei das Gussjahr „1474“ zu erkennen. in Uffhofen bei Alzey niedergelassen hatte, Hierbei ist Pfarrer Schmidt allerdings ein wieder in der Bürgermeisterei Frei-Lau- „Fehler“ unterlaufen. Die große Glocke bersheim und bat darum, ihm die Arbeiten stammt zwar nach Nikitsch (s.o) aus dem zu übertragen. „Ich ließ daher“, schrieb der 15. Jahrhundert, eine Jahreszahl ist jedoch Die kleine Glocke von 1474. Bürgermeister an den Kreisrat, „mehrere auf der großen Glocke nicht angebracht. Foto: Bauingenieur E. Dondaj, Frei-Laubersheim Mitglieder der Gemeinde und Kirchenräthe Aber dieser „Fehler“ trug sicherlich dazu beikommen, um den fraglichen Gegenstand bei, dass die NS-Entscheidungsbehörde zu bereden; und während der Beredung mit keine weiteren Überprüfungen dieser Glo- dem genannten Glockengießer kam von cke anordnete. Die große Glocke hat einen Durchmesser ohngefähr ein zweiter dieses Handwerks, von 96 Zentimeter und wiegt beachtliche Friedrich Otto aus Gießen in die Versamm- 550 Kilogramm. Die einzeilige umlaufende lung“. 9) Man vereinbarte, dass beide Inschrift am Glockenhals lautet 6): osanna* Handwerker einen exakten Kostenvoran- filio* david* benedictvs* qvi* venit* in* no- schlag einreichen sollten. Diese Voran- mine* domini* gloria* in* eccelis (Hosan- schläge sollten dann zur „beliebigen Ent- na* dem Sohne* Davids* gesegnet sei* der scheidung“ dem Kreisrat in Bingen zuge- * kommt* im* Namen* des Herrn* Ehre* leitet werden. Der Kreisrat in Bingen ent- in* der Höhe*). Unterhalb der Inschrift be- schied sich für den Glockengießer Friedrich findet sich ein kleines Relief der Mutter- Otto, da dieser „billiger und gleichzeitig In- gottes mit Kind und auf der gegenüberlie- länder ist und man sich im Falle eines Falles genden Seite das Relief des Gekreuzigten. besser an denselben halten kann“. 10) Die Glocke hat keine Jahreszahlangabe, Im Jahr 1842 goss also der Glockengießer nach E. Nikitsch stammt sie aber aus dem Otto aus dem Material der alten, zersprun- 15. Jahrhundert Diese große Glocke wurde genen mittleren Glocke eine neue mittlere früher auch für gemeindliche Zwecke ge- Glocke. Auf der eingeschmolzenen Glocke Bundesarchiv, Bild 183-H26751. Glockenlager nutzt, denn sie läutete bei Feueralarm und hatte die Inschrift gestanden: In honorem S. Hamburg-Veddel. Foto: o.A. Lizenz CC-BY-SA3.0 anderen Notfällen. Archangeli Michaelis et SS. Mauritii socio- rumque ejus et S. Catharinae V.E.M. „Trotz der ernstesten Anforderung von Die mittlere Glocke Seiten des Pfarrers Rückert,“ heißt es in der Nach der Erfassung aller Glocken im Chronik der kath. Pfarrei Frei-Laubersheim, Deutschen Reich wurden die Glocken in Während die große und die kleine Glo- „dass bei dem neuen Umguss obenge- vier Gruppen, A bis D, eingeteilt. Die am cke schon über ein halbes Jahrtausend Tag nannte lateinische Schrift mit Ausnahme niedrigsten bewerteten A-Glocken, zu de- für Tag ihre Dienste für die Frei-Laubers- der neuen Jahreszahl wiederhergestellt nen fast alle nach 1800 gegossenen Glo- heimer Kirchen- beziehungsweise Zivilge- werden müssen, geschah dieses nicht. Der cken gehörten, wurden zur sofortigen Ein- meinde leisten, ist das Schicksal der mittle- damalige Gemeindevorsteher, ein lauer ... schmelzung abtransportiert. 12) Dazu ge- ren Glocken wesentlich unruhiger verlau- Katholik, dessen Namen nicht verdient hier hörte auch dieses Mal wieder die Frei-Lau- fen. genannt zu werden, versprach zwar die bersheimer mittlere Glocke, die am 1. Au- Das Umgießen der mittleren Glocke Mit- Wahrung obiger Inschrift, aus Furcht vor gust 1942 zur Einschmelzung abgeholt wur- te des 19. Jahrhunderts: den Protestanten aber, welche dazumal im de. Die unter Denkmalschutz stehenden B- Im Jahre 1822 war die mittlere Glocke Verhältnis zu den Katholiken drei Viertel und C-Glocken mussten zwar ebenfalls ab- zersprungen, „wodurch ein sehr disharmo- der Gemeinde ausmachten, ließ derselbe geliefert werden, aber man schmolz sie nisches Geläut“ entstanden war. 7) Diesen dieser Glocke statt der Namen jener ge- nicht direkt ein, sondern brachte sie vorerst Bad Kreuznacher Heimatblätter - (11) 12/2018 (Seite 43 des Jahrgangs) 3

Die Begrüßungsansprache hielt Bürger- chende Menge Wein als Handelsgut erhal- meister Vogel. Er wünschte, „dass die Glo- ten hatte. 17) cke so lange wie ihre beiden alten Schwes- „Nach der Feier wurde die Glocke von tern – und nicht mehr gefährdet durch neu- Schmiedemeister Andreas Berg und seinen en Krieg – ihren Dienst tue“. Als Vertreter Söhnen, Meistern des Schmiede- und Wag- der bürgerlichen Gemeinde übergab er die nerhandwerks und einem Dipl. Ingenieur Glocke an die beiden Konfessionsgemein- und ihren Helfern hochgebracht und auf- den. Schulkinder trugen Schillers Gedicht gehängt. Der alte Doppelschlag der beiden ´Das Lied von der Glocke´ vor. Der ev. Kir- kleineren Glocken zu den Viertelstunden chenchor unter der Leitung von Lehrer wurde wieder hergestellt. Reinhardt aus Volxheim und der kath. Kir- Am Abend, um halbneun Uhrzeit füllte ei- chenchor unter der Leitung von V. Göckel ne andächtige Gemeinde aus den beiden aus Bad Kreuznach „sangen geistliche Lie- Konfessionen die Simultankirche bis auf Mitteilung der Glockengießerei Petit & Gebr. Edel- der des Dankes und der Anbetung“. Aus den letzten Stehplatz. Einer kath. Fasten- brock vom 8. Juni 1948. Foto: W. Zeiler Anlass der Glockenweihe wurden von den andacht zur Verkündigung der Geburt jungen Mädchen Anstecknadeln mit dem Christi folgte die Feier der ev. Glockenwei- Bild zweier Glocken und der Aufschrift he. (Die kath. Glockenweihe war schon am „Glockenweihe 1949“ angeboten und von Mittwochabend vorgenommen worden.) als Rohstoffreserve in Sammellager, die den Gemeindemitgliedern eifrig gekauft. Gemeinsam wurden die Lieder „O Haupt auch „Glockenfriedhöfe“ genannt wurden. Der seit Ende August als kath. Geistlicher voll Blut und Wunden“ und „Großer Gott Damit bestand zumindest eine geringe tätige Pfarrer Karl Willimsky sprach in sei- wir loben dich“ gesungen. Chance, sie doch irgendwann zurückzube- ner Rede vom „Sinn der Glocken, die die Nach der Ansprache von Pfarrer Rohr- kommen. Nur die der D-Gruppe zugeord- christliche Gemeinde zum Gebet rufen, bach wurden die Glocken einzeln zum neten Glocken durften wegen ihres hohen durchs Leben geleiten und ihr die Zeit an- Dienst gerufen und dann erscholl ihr drei- geschichtlichen oder künstlerischen Wertes sagen.“ Pfarrer Rohrbach von der ev. Kir- faches Geläute vom (...) alten Glockenturm in den Glockentürmen bleiben. Die Bestä- chengemeinde „dankte den Helfern und in den lautlos stillen Kirchenraum zu der er- tigung für die Zuordnung zu dieser Kate- Spendern, die durch eine Weinsammlung griffenen Gemeinde. Zum Schluss beteten gorie hatte sich allerdings Göring selbst vor- die Beschaffung der neuen Glocke möglich die Gläubigen der beiden Konfessionen behalten. 13) Der Frei-Laubersheimer klei- gemacht haben“. wieder gemeinsam das Vaterunser. Die Ge- nen und großen Glocke wurde die Katego- meinde wünscht sich, dass der Name der rie D zuerkannt und sie konnten so der Glo- neuen Glocke „Friede“ sich als Gottes Frie- ckenvernichtung entgehen. de über Frei-Laubersheim, Deutschland und Die Anschaffung einer neuen mittleren aller Welt erfülle.“ Glocke nach dem Ende des II. Weltkrieges: Drei Jahre nach Ende des zweiten Welt- Quellen- und Literaturangaben: krieges bestellte Ortsbürgermeister Vogel 1) Lager, Dr.: Die ehemalige Benedicti- als Ersatz für die eingeschmolzene mittlere ner-Abtei Tholey, in: Studien und Mittei- Glocke bei der heute noch bestehenden Fir- lungen des Benediktinerordens 20, 1899, S. ma Petit & Gebr. Edelbrock, Glocken- und 385 Metallgießerei aus Gescher in Westfalen, ei- 2) Festschrift zum 200-jährigen Bestehen ne neue mittlere Glocke. Ein Herr Miesen, der Pfarrkirche St. Mauritius und Gefährten Handelsmann aus Bochum, stellte das be- in Frei-Laubersheim, 1996, S.62. nötigte Metall der zu gießenden mittleren 3) Die Gliederungen und Abmessungen B-Glocke zur Verfügung und leistete ge- nach Angaben von Bauingenieur E. Dondaj, genüber der Firma „von sich aus die Ga- Frei-Laubersheim rantie der Bezahlung ohne Rücksicht auf 4) 5) Nikitsch, Eberhard j.: Die Inschriften die Währungsreform ...“. 14) Die Glocken- des Landkreises Bad Kreuznach. In.: Die gießerei bestätigte daraufhin der Gemein- Deutschen Inschriften, 34. Band, Mainzer de, dass „die Glocke für die Gemeinde kos- Reihe 3. Band, S.105 tenlos gegossen und nach Fertigstellung ab- 6) Nikitsch, a.a.O., S.144 holbereit gestellt wird“. Der Handelsmann 7) Schreiben an den Großherzoglich Hes- Miesen verlangte in seiner Rechnung an die sischen Kreisrath des Kreises Bingen vom Gemeinde also lediglich die Kosten für die 25. Mai 1842, Ortsarchiv Frei-Laubersheim, neue Glockenarmatur (Klöppel und Auf- A XII. hängung) in Höhe von 289 DM. 8) Kostenvoranschläge des Glockengie- Die Daten der mittleren Glocke: Durch- Anstecknadel zur Glockenweihe. Foto: W. Zeiler ßers Beraud vom 3. April 1841, Ortsarchiv messer unten: “86 Zentimeter”, Gewicht: Frei-Laubersheim, A XII “361 Kilogramm”, Gussjahr: “1948”, Ton b´, 9) Abschrift des Schreibens des Bgm. von Material: “Bronze”, Inschrift: “PAX P ev. Frei-Laubersheim an den Kreisrat in Bingen und kath. Simultankirche Frei-Laubers- Es überrascht, dass der Handelsmann vom 25. Mai 1842, A XII heim.” Walter Miesen aus Bochum, der den Kauf- 10) Schreiben des Kreisrats des Kreises Am 25. März 1949 „begrüßte die Ge- preis der Glocke an die Gießerei bezahlt Bingen vom 27. Mai 1842, Ortsarchiv Frei- meinde Frei-Laubersheim auf dem Platz vor hatte, in den Festreden mit keinem Wort - Laubersheim, A XII der Kirche ihre neue Glocke“. 15) weder anonym noch namentlich - als Spen- 11) Festschrift, a.a.O., S.63 der erwähnt wurde. Die Bemerkung von 12) vgl. https://blog.archiv.ekir.de/2016/ Pfarrer Rohrbach, dass die „Weinsamm- 03/01/zwangsenteignung-der-kirchenglo- lung“ die Anschaffung der Glocke erst er- cken-fuer-die-kriegsruestung/eing.am möglichte, könnte ein Hinweis auf ein in 12.08.2018 der Nachkriegszeit nicht unübliches 13) Thümmel, Rainer, u.a: Als die Glo- „Tauschgeschäft“ sein. Zum Zeitpunkt der cken ins Feld zogen …, Leipzig 2017, S.137 Bestellung der Glocke war die Währungs- 14) Schreiben der Fa. Petit an den Bgm reform, also die Einführung der DM, noch von Frei-Laubersheim vom 8. Juni 1948; nicht erfolgt, wurde aber erwartet, denn die Ortsarchiv Frei-Laubersheim, A XII. alte Reichsmark „hatte ihre Bedeutung als 15) Das Folgende nach dem Protokoll der Wertmaßstab und Orientierungsmittel für Glockenweihe in Frei-Laubersheim vom die Produktion verloren“. 16) Es ist anzu- 31.3.1949, Ortsarchiv Frei-Laubersheim, AXII. nehmen, dass der Handelsmann Miesen die 16) Stolper, Gustav: Deutsche Wirtschaft Glocke nicht gespendet hatte, sondern als seit 1870, 2. erg. Aufl., 1966,Tübingen, S.240 Gegenleistung für die Beschaffung des Glo- 17) Eine Anfrage bei der heute noch be- Mittlere Glocke von 1949 (rechts) und große Glocke ckenmaterials und Zahlung der Herstel- stehenden Glockengiesserei Petit&Edel- aus dem 15. Jahrhundert. lungskosten an die Glockengießerei von der brock zur Bestätigung dieser Vermutung Foto: Bauingenieur E. Dondaj, Frei-Laubersheim Gemeinde Frei-Laubersheim eine entspre- blieb leider erfolglos. 4 (Seite 44 des Jahrgangs) Bad Kreuznacher Heimatblätter - (11) 12/2018 Erinnerungen an alte Zeiten

Schon vor einiger Zeit haben die Hei- Gestaltung von Familienfestlichkeiten ( Na- Angaben zu ihrer Person, sind aus dem Ma- matblätter eine interessante Textsammlung menstage, Kirchweihe, Ostern, Weihnach- nuskript entnommen, so wie es übergeben erhalten: Überreicht wurde sie von Ange- ten, Nikolaustag und Kommuniontag) durch wurde und beruhen auf Aussagen der An- hörigen einer Dame, die die folgenden kur- ihren Schönheitssinn einen besonderen gehörigen. Dazu in einer anderen Folge zen Texte im Jahr 1932 zusammengestellt Glanz…“ mehr. hat, als Weihnachtsgabe für ihre Familie in Nach der Einleitung wurden für diese Notzeit, wie sie selbst in ihrer Widmung Ausgabe passend die Passagen ausgewählt, schreibt. Sie war damals 46 Jahre alt und die sie über einzelne Bräuche des Weih- hatte das Bedürfnis, Erinnerungen aus ihrer nachtsfestes schreibt. Vielleicht wird man- Kinderzeit festzuhalten und für die Nach- cher Leser ähnliche Erinnerungen haben. Liebe Leserinnen und Leser! welt zu bewahren. Die Dame hieß Maria Eine Dorfbewohnerin, an die sie erinnert, Palm, geb. Müller: Sie war die Tochter des war die „Zockersachesbas“: Diese handelte Mit diesen zwei zur Jahreszeit passen- Dorfschullehrers Nikolaus Müller, der seine mit Süßigkeiten, die noch nicht wie heute den Themen endet der Jahrgang der Hei- Stelle in am 20. Oktober 1883 das ganze Jahr in großer Menge verfügbar matblätter 2018. antrat, drei Jahre vor der Geburt der Toch- waren und für seltene Gelegenheiten als Vielleicht kommen Ihnen beim Lesen ei- ter Maria. So stammen die Szenen, die sie Kostbarkeiten erworben wurden. So erzählt gene Erinnerungen. Eine weitere Idee für beschreibt, aus den letzten Jahren des Frau Palm: die Heimatblätter ist daher eine kleine 19. Jahrhunderts: In liebevollen Worten er- „Alljährlich vor Weihnachten machte sie neue Rubrik: Gesucht wird die Vorstellung innert sie an Personen und auch an Berufe, die Runde mit ihrem großen Korb von Haus historischer Orte, vor allem einzelner Ge- die es heute nicht mehr gibt und setzt ihnen zu Haus. Darin hatte sie den damals so be- bäude: Es darf sich gerne um weniger be- so ein „Denkmal“. Ihre „Bilder“ aus der liebten Christbaumschmuck aus Zucker- kannte und historisch bedeutende Orte Vergangenheit des Dorflebens werden in schaum gemacht. Das waren Ringe, Äpfel, handeln, sondern auch um kleinere Bau- zwei bis drei lockeren Folgen in den Hei- Birnen, Erdbeeren, Kirschen, allerlei Figu- werke, die es aber auch wert sind, dass an matblättern erscheinen: Dabei wird ihr ei- ren und auch Herzen.“ „Am Weihnachts- sie erinnert wird. Vielleicht sind sie ver- gener Tonfall weitgehend übernommen, die baum, da hingen die „Herzen“ am Silber- bunden mit persönlichen Erinnerungen, Texte nur in andere Zusammenstellung ge- draht zur Freude aller.“ Sie bedauert, dass z.B. aus der Kindheit oder an ein besonde- bracht. Wir verdanken ihr lebendige Schil- diese alte Schmucktradition aus Gebäck res Ereignis. Historische Abbildungen da- derungen des Dorflebens am Beispiel und Zuckerfiguren von „modernem“ zu wären interessant. Wer kann und möch- Braunweiler. Viel Freude beim Lesen. Schmuck aus Glaskugeln, Engelshaar und te etwas beitragen? Ich freue mich über Zu- „Ein idyllisch am Fuße des Soonwaldes Lametta abgelöst wurde. sendungen. gelegenes Dörflein war meine Heimat. Mein Der im Folgenden beschriebene Brauch Mit diesen Zeilen möchte ich den Jahr- Vater, der Lehrer des Ortes, verstand es fand noch in neuerer Zeit statt: gang beenden. Im anschließenden Inhalts- wunderbar, uns schon von frühester Kind- „Damals ging noch das „Christkindchen“ verzeichnis können Sie noch einmal in ei- heit an Herz und Sinn zu schulen für alles im Dorfe von Haus zu Haus. Das war ein ner Titelübersicht die Beiträge „Revue“ Schöne ringsumher. Er lehrte uns lesen im Mädchen der Oberstufe, das in geheimer passieren lassen. Eine Neuerung war die- Buche der schönen Natur, wusste im Unter- Wahl von ihren Mitschülerinnen zum ses Jahr leider die plötzliche Einstellung richte unser Interesse zu wecken und zu för- „Christkind“ gewählt wurde. Weiß geklei- der gedruckten Ausgabe. Aber Sie erhalten dern, verschönte das Familienleben durch det trug es auf dem Kopfe eine hochaufge- die Beiträge wie gewohnt im Sammelband eine gute Hausmusik und seinen allzeit gu- putzte „Krone“. Vor dem Gesicht hatte das bei der Frühjahrstagung. ten Humor. Selbst von tiefreligiösem Ge- Christkind einen Tüllvorhang als Schleier.“ Für das kommende Jahr liegen schon die müt, pflanzte er Gottes Wort und Gebot Abgeschafft wurde der Brauch später vom ersten Beiträge vor, und wir hoffen noch schon früh in unsere Herzen, immer be- Pfarrer, dem die Aufmachung, vor allem der auf weitere, damit wir wieder eine Vielfalt strebt uns zu guten Christen zu erziehen. In Kopfputz und der „Unfug“, der getrieben an interessanten Aufsätzen anbieten kön- allem wurde er dabei harmonisch unter- wurde, missfiel. nen. stützt von unserer vortrefflichen Mutter. Da- Soweit hier die ersten Erinnerungen von In diesem Sinn wünsche ich Ihnen frohe zu gab sie uns Mädchen noch viel von ihrer Frau Maria Palm, weitere folgen. Ein Kapi- Festtage und ein gutes Neues Jahr 2019. praktischen Lebensbetätigung und -erfah- tel wird sich z.B. Handwerkern widmen, ei- rung mit. Die Häuslichkeit erhielt durch die nes Wanderhändlern. Die Quellen, auch zu Anja Weyer M.A., Redaktion

Inhaltsverzeichnis des Jahrgangs 2018

Aufsätze Marx und Jenny von Westphalen schlie- und seine Glocken. Ein Beitrag zur Ge- Dr. Michael Vesper: Die zweite Re- ßen in Kreuznach den Bund fürs Leben. schichte des Turmes und seiner Glocken an- formation. 200 Jahre Kirchenunion in Heft 6 lässlich des Abschlusses der umfangrei- Kreuznach. Heft 1 Stefan Kühlen: Die Jahrmarktsplakate chen Renovierungsarbeiten. Heft 12 Klaus Briese, Anja Weyer: Mit Schwung von den 1930er Jahren bis zur Gegen- Anja Weyer: Erinnerungen an alte Zei- ins Neue Jahr. 50 Jahre „Bridge House wart. Farbenfrohe Verlockung ruft Bür- ten. Heft 12 Twirlers“ – 61 Jahre Square Dance in ger zu dem beliebten Bad Kreuznacher Bad Kreuznach. Heft 2 Fest. Heft 8 Franziska Blum-Gabelmann M.A.: Das PD Dr. Udo Reinhardt (Bad Kreuz- Buchbesprechungen “Eiserne Buch der Stadt Bad Kreuz- nach): „…fand aber keine Spur von ih- Dr. Michael Vesper: Zweimal 1250 Jah- nach”. Heft 2 rem Jungen und ihrem Mann“. Drei be- re- und die Geschichte geht weiter. Die Anja Weyer M.A.: Dem Menschen zu- wegende Einzelschicksale von Kreuzna- Chroniken von Frei-Laubersheim sind ein gewandt: Eine Auswahl von Bildern zum cher Oberschülern in der schweren Zeit Lesevergnügen. Heft 1 Karfreitag im Museum Schlosspark in des Zusammenbruchs 1945. Heft 9 Kreuznach. Heft 3 Dr. Michael Vesper: Aufbaujahre: Bad Dr. Martin Senner: Als Kreuznach am Kreuznach 1952-1956. Bürgermeister Jun- Seilerbach lag. Heft 3/4 germanns Rechenschaftsbericht seiner Rainer Seil: Das Schicksalsjahr 1918. Amtszeit. Heft 10 Die Bad Kreuznacher Heimatblätter erscheinen Dargestellt aus der Sicht eines Verwal- Stefan Kühlen: Von den Ursprüngen monatlich in Zusammenarbeit mit dem Verein tungsberichtes des Amtes Waldböckel- der „Schützengesellschaft zu Bad Kreuz- für Heimatkunde für Stadt und Kreis Bad Kreuznach heim. Heft 5 nach“ bis zur Gegenwart. Heft 11 e.V. (i. A. Anja Weyer M.A., Richard-Wagner-Str. Dr. Michael Vesper: Liebesheirat, lan- Dipl.-Hdl. Wolfgang Zeiler: Der ro- 103, 55543 Bad Kreuznach, Telefon 0671/757 48, ges Warten und Lektüremarathon. Karl manische Kirchturm in Frei-Laubersheim E-Mail [email protected]).