19. Wahlperiode Plenarprotokoll 19/16

HESSISCHER LANDTAG 26. 06. 2014

16. Sitzung

Wiesbaden, den 26. Juni 2014

Amtliche Mitteilungen ...... 979 67. Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Mindestlohn vernichtet Zu- Entgegengenommen ...... 979 kunftschancen junger Menschen in Hessen – Vizepräsident Frank Lortz ...... 979 Einstieg in den Arbeitsmarkt wird unnötig Präsident Norbert Kartmann ...... 1045 erschwert) – Drucks. 19/537 – ...... 985 Bericht des Präsidenten über die Angemes- Abgehalten ...... 991 senheit der Entschädigungen von Abgeordne- ...... 985 ten und zur Anpassung von Leistungen nach Wolfgang Decker ...... 986 dem Hessischen Abgeordnetengesetz zum Heiko Kasseckert ...... 987 1. Juli 2014 Janine Wissler ...... 988 – Drucks. 19/549 – ...... 979 Kai Klose ...... 989 Entgegengenommen ...... 979 Minister Tarek Al-Wazir ...... 990

68. Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE 66. Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde eine Aktuelle Stunde (Ahnungslose Landesre- (Woche der Entscheidung im Bundestag – gierung – NSA in Hessen) auch das neue EEG muss den Ausbau der er- – Drucks. 19/533 – ...... 979 neuerbaren Energien in Hessen fördern und Abgehalten ...... 985 nicht bremsen) – Drucks. 19/538 – ...... 991 Dr. Ulrich Wilken ...... 979 Christian Heinz ...... 980 Abgehalten ...... 998 Rüdiger Holschuh ...... 981 Frank-Peter Kaufmann ...... 991 Jürgen Frömmrich ...... 982 Timon Gremmels ...... 992 Wolfgang Greilich ...... 983 Peter Stephan ...... 993 Minister Axel Wintermeyer ...... 984 René Rock ...... 995 Janine Wissler ...... 996 74. Dringlicher Entschließungsantrag der Frakti- Minister Tarek Al-Wazir ...... 997 on DIE LINKE betreffend Geheimdiensttä- tigkeit in Hessen – Drucks. 19/554 – ...... 985 Abgelehnt ...... 985

Ausgegeben am 15. Juli 2014 Hessischer Landtag, Postfach 3240, 65022 Wiesbaden 974 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

69. Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine 8. Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Frak- Aktuelle Stunde (Hessens Engagement bei tion DIE LINKE für ein Zehntes Gesetz zur der Aufnahme von Flüchtlingen verstärken – Änderung des Hessischen Gesetzes über die Kommunen entlasten) öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) – Drucks. 19/539 – ...... 998 – Drucks. 19/477 zu Drucks. 19/394 – ...... 1032 Abgehalten ...... 1004 Nach zweiter Lesung dem Innenausschuss zu- rücküberwiesen ...... 1040 Ernst-Ewald Roth ...... 998 Astrid Wallmann ...... 999 Alexander Bauer ...... 1032, 1034 Barbara Cárdenas ...... 1000 Hermann Schaus ...... 1032, 1038 René Rock ...... 1000 Nancy Faeser ...... 1035, 1037 Mürvet Öztürk ...... 1001 Jürgen Frömmrich ...... 1036, 1038 Minister Peter Beuth ...... 1003 Wolfgang Greilich ...... 1039 Florian Rentsch ...... 1004 Minister Peter Beuth ...... 1039

70. Antrag der Fraktion der CDU betreffend ei- 9. Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Frak- ne Aktuelle Stunde (Kein Aufweichen der tion der SPD für ein Gesetz zur Verbesse- Stabilitätskriterien – Debatte der Sozialisten rung der Krankenhausversorgung und zur schadet deutschen und hessischen Interessen) Anerkennung von Leistungen in der Pflege – Drucks. 19/540 – ...... 1004 – Drucks. 19/486 zu Drucks. 19/214 – ...... 1040 Abgehalten ...... 1010 In zweiter Lesung abgelehnt ...... 1045 Michael Boddenberg ...... 1004 10. Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Frak- Florian Rentsch ...... 1005 tionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE Willi van Ooyen ...... 1006 GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung des Thorsten Schäfer-Gümbel ...... 1007 Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 Ursula Hammann ...... 1008 – Drucks. 19/487 zu Drucks. 19/140 – ...... 1040 Minister Dr. Thomas Schäfer ...... 1009 In zweiter Lesung angenommen: Gesetz beschlossen ...... 1045 43. Antrag der Fraktion der FDP betreffend ...... 1040 Hessen-Forst muss Willen der Kommunen Dr. Thomas Spies ...... 1040 beachten Marcus Bocklet ...... 1041 – Drucks. 19/503 – ...... 1010 Dr. Ralf-Norbert Bartelt ...... 1041 Dem Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Land- Marjana Schott ...... 1042 wirtschaft und Verbraucherschutz überwiesen ...... 1022 Florian Rentsch ...... 1043 Staatssekretär Dr. Wolfgang Dippel ...... 1044 René Rock ...... 1010, 1021 Timon Gremmels ...... 1011, 1013 Florian Rentsch ...... 1013 11. Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Lan- Martina Feldmayer ...... 1014 desregierung für ein Gesetz zur Änderung Marjana Schott ...... 1016 des Haushaltsgesetzes 2013/2014 Peter Stephan ...... 1017 – Drucks. 19/524 zu Drucks. 19/387 – ...... 1045 Ministerin Priska Hinz ...... 1019 Nach zweiter Lesung dem Haushaltshausschuss zurücküberwiesen ...... 1055 53. Antrag der Fraktionen der CDU und BÜND- 50. Entschließungsantrag der Fraktionen der NIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Demons- CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be- trationsrecht und Meinungsfreiheit schützen treffend finanzpolitische Leitlinien der Lan- – Gewalt bei „Blockupy“ verhindern – für desregierung weisen Weg zu generationenge- den Dialog von Demonstranten und Polizei rechter Haushalts- und Finanzpolitik – Drucks. 19/515 – ...... 1022 – Drucks. 19/511 – ...... 1045 Dem Innenausschuss überwiesen ...... 1032 Dem Haushaltsausschuss überwiesen ...... 1055 Jürgen Frömmrich ...... 1022 78. Dringlicher Entschließungsantrag der Frak- Dr. Ulrich Wilken ...... 1024 tion der SPD betreffend miserable Finanzsi- Nancy Faeser ...... 1026 tuation des Landes Alexander Bauer ...... 1028 – Drucks. 19/567 – ...... 1046 Wolfgang Greilich ...... 1029 Minister Peter Beuth ...... 1031 Dem Haushaltsausschuss überwiesen ...... 1055 Präsident Norbert Kartmann ...... 1045 Wolfgang Decker ...... 1046 Günter Schork ...... 1046 Norbert Schmitt ...... 1047 Willi van Ooyen ...... 1049 Jörg-Uwe Hahn ...... 1050 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 975

Sigrid Erfurth ...... 1052 52. Antrag der Fraktionen der CDU und BÜND- Minister Dr. Thomas Schäfer ...... 1054 NIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kompensa- Holger Bellino ...... 1055 tionsmittel für Wohnraumförderung weiter zweckgebunden nutzen – Drucks. 19/513 – ...... 1056 46. Antrag der Fraktion der SPD betreffend Ja zur Flüchtlingshilfe – Nein zum politischen Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Zickzackkurs des hessischen Innenministers – Drucks. 19/507 – ...... 1055 19. Antrag der Fraktion der SPD betreffend Mo- Dem Innenausschuss zur abschließenden Bera- ratorium für die Einführung des Praxisse- tung überwiesen ...... 1055 mesters in der Lehramtsausbildung Günter Rudolph ...... 1055 – Drucks. 19/348 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 14. Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend EU-Schulobstprogramm – Drucks. 19/242 – ...... 1056 20. Antrag der Abg. Lotz, Gremmels, Löber, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, Siebel, Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Warnecke (SPD) und Fraktion betreffend Hofabgabeklausel abschaffen – Drucks. 19/350 – ...... 1056 15. Antrag der Fraktionen der CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Hessen in- Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 tensiviert den Ausbau der schnellen Breit- bandversorgung – Drucks. 19/249 – ...... 1056 21. Antrag der Fraktion der FDP betreffend Hessen braucht zukunftsfähiges Konzept für Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Großveranstaltungen der Landesregierung – Hessentag alle zwei Jahre – Drucks. 19/352 – ...... 1056 16. Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Abkommen mit der Schweiz hätte Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Steuerhinterzieher geschont und dem Land finanziell geschadet – Drucks. 19/310 – ...... 1056 22. Antrag der Fraktion der FDP betreffend endgültige Absage an anlasslose Vorratsda- Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 tenspeicherung – europäischen Datenschutz auf hohem Niveau sicherstellen – Drucks. 19/362 – ...... 1056 36. Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Steuerhinterziehung konsequent bekämpfen – hessische Finanzverwaltung weiter stärken – Drucks. 19/441 – ...... 1056 23. Antrag der Fraktion der FDP betreffend un- begleitete minderjährige Flüchtlinge konzep- Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 tioneller fördern – Drucks. 19/371 – ...... 1056 17. Entschließungsantrag der Fraktionen der Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be- treffend Hessen bleibt Innovationsregion in Europa 24. Antrag der Fraktion der SPD betreffend kei- – Drucks. 19/331 – ...... 1056 ne Schwächung der Autonomie der Landes- schülervertretung – Kassenauslagerung zu- Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 rücknehmen – Drucks. 19/372 – ...... 1056 18. Antrag der Abg. Siebel, Gremmels, Löber, Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, War- necke (SPD) und Fraktion betreffend Kom- pensationsmittel Wohnungsbau zweckgerich- 25. Antrag der Fraktion der FDP betreffend tet verwenden Chaos in Bund und Land beenden – kalte – Drucks. 19/347 – ...... 1056 Progression endlich abschaffen – Drucks. 19/373 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 976 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

27. Antrag der Abg. Löber, Gremmels, Lotz, 34. Antrag der Fraktion der FDP betreffend Er- Müller (Schwalmstadt), Schmitt, Siebel, folg des Kommunalen Schutzschirms nicht Warnecke (SPD) und Fraktion betreffend weiter gefährden – kommunale Selbstverwal- Verbot der Verwendung von Bisphenol A im tung muss erhalten bleiben Lebensmittelbereich – Drucks. 19/407 – ...... 1056 – Drucks. 19/393 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056

35. Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP 28. Entschließungsantrag der Fraktion DIE betreffend Arbeitsplätze in der Kali-Indus- LINKE betreffend Verschreibungspflicht für trie in Hessen sowie sach- und umweltgerech- Notfallkontrazeptiva mit dem Wirkstoff Le- te Entsorgung anfallender Abwässer sowie vonorgestrel (Pille danach) aufheben Laugen und Bau einer Pipeline – Drucks. 19/396 – ...... 1056 – Drucks. 19/438 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056

29. Antrag der Fraktion der FDP betreffend 37. Antrag der Fraktion der SPD betreffend Baurecht für die A 49 – Lückenschluss zügig überfällige Anhebung der Erschwerniszula- voranbringen gen für den Dienst zu ungünstigen Zeiten – Drucks. 19/397 – ...... 1056 (DuZ) – Drucks. 19/459 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056

30. Antrag der Fraktionen der CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Erfolgsmo- 38. Antrag der Fraktion der FDP betreffend dell Häuser des Jugendrechts ausbauen Verwendung zusätzlicher Mittel für einen – Drucks. 19/400 – ...... 1056 „Zukunftspakt für die Qualität der Bildung“ – Drucks. 19/460 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056

31. Antrag der Fraktionen der CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN betreffend For- 51. Entschließungsantrag der Fraktionen der schungsstandort Hessen erfährt weitere Ver- CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be- stärkung treffend Gelder des Bundes fließen vollstän- – Drucks. 19/403 – ...... 1056 dig an die hessischen Hochschulen – Bildung hat in Hessen Vorfahrt Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 – Drucks. 19/512 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 32. Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be- treffend Bundesrat beschließt Gesetzentwurf 39. Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zur Steuervereinfachung – Hessen tritt für betreffend Adoptionsrecht für eingetragene ein einfacheres Besteuerungsverfahren ein Lebenspartnerschaften – Drucks. 19/404 – ...... 1056 – Drucks. 19/461 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056

33. Entschließungsantrag der Fraktionen der 40. Antrag der Abg. Siebel, Gremmels, Löber, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be- Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, War- treffend Inbetriebnahme der Partikelthera- necke (SPD) und Fraktion betreffend Fehlbe- pieanlage am Universitätsklinikum Gießen legungsabgabe in kommunaler Verantwor- und (UKGM) tung ermöglichen – Drucks. 19/406 – ...... 1056 – Drucks. 19/462 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 977

41. Antrag der Abg. Frankenberger, Barth, 61. Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Eckert, Faeser, Gremmels, Grüger, Weiß schusses für Wirtschaft, Energie, Verkehr (SPD) und Fraktion betreffend Investitions- und Landesentwicklung zu dem Antrag der und Mobilitätsberichte zur Infrastruktur Abg. Frankenberger, Grüger, Barth, Eckert, – Drucks. 19/474 – ...... 1056 Faeser, Gremmels, Weiß (SPD) und Fraktion betreffend transatlantisches Freihandelsab- Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 kommen mit den USA (TTIP) nur unter be- stimmten Bedingungen – Drucks. 19/481 zu Drucks. 19/358 – ...... 1056 42. Antrag der Fraktionen der CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Klima- Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 schutz stärken – Weltklimarat mahnt zügiges Handeln an – Drucks. 19/498 – ...... 1056 62. Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- schusses für Umwelt, Klimaschutz, Land- Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 wirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abg. Schmitt, Gremmels, Löber, Lotz, Müller (Schwalmstadt), Siebel, War- 47. Antrag der Fraktion der SPD betreffend necke (SPD) und Fraktion betreffend Geneh- Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfol- migungen von Sicherheitsmaßnahmen für gung und Unterdrückung Homosexueller Standortzwischenlager beschleunigen auch nach 1949 – Drucks. 19/488 zu Drucks. 19/351 – ...... 1056 – Drucks. 19/508 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056

73. Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP 48. Antrag der Abg. Siebel, Gremmels, Löber, betreffend Aufnahmeverfahren für syrische Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, War- Flüchtlinge beschleunigen necke (SPD) und Fraktion betreffend Um- – Drucks. 19/548 – ...... 1056 wandlung von Wohnraum in Büroraum ver- hindern Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 – Drucks. 19/509 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 79. Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Aufnahme syrischer Flüchtlinge 49. Antrag der Abg. Siebel, Gremmels, Löber, – Drucks. 19/568 – ...... 1056 Lotz, Müller (Schwalmstadt), Schmitt, War- necke (SPD) und Fraktion betreffend Hessen Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 muss Städtebauförderung absichern – Drucks. 19/510 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056

54. Antrag der Fraktion der FDP betreffend Alt- Kennzeichen für Kfz soll Entscheidung des Kreistages sein – Drucks. 19/516 – ...... 1056 Von der Tagesordnung abgesetzt ...... 1056 978 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Im Präsidium: Präsident Norbert Kartmann Vizepräsidentin Heike Habermann Vizepräsident Frank Lortz Vizepräsidentin Ursula Hammann Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken Vizepräsident Wolfgang Greilich Auf der Regierungsbank: Minister für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung Tarek Al-Wazir Minister und Chef der Staatskanzlei Axel Wintermeyer Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Hessen beim Bund Lucia Puttrich Minister des Innern und für Sport Peter Beuth Minister der Finanzen Dr. Thomas Schäfer Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz Minister für Wissenschaft und Kunst Boris Rhein Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Priska Hinz Staatssekretär Michael Bußer Staatssekretär Mark Weinmeister Staatssekretär Mathias Samson Staatssekretär Werner Koch Staatssekretär Thomas Metz Staatssekretär Staatssekretärin Dr. Beatrix Tappeser Staatssekretär Jo Dreiseitel Staatssekretär Dr. Wolfgang Dippel Abwesende Abgeordnete: Volker Bouffier Angela Dorn Stefan Grüttner Eva Kühne-Hörmann Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 979

(Beginn: 9:04 Uhr) Und ein besonderer Dank geht natürlich an unseren Trai- ner, an unseren Coach Wolfgang Decker. Wenn wir ge- Vizepräsident Frank Lortz: wonnen haben, nimmst du es gern für dich in Anspruch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Freun- (Abg. Wolfgang Decker (SPD) erhebt sich. – Allge- de! Ich eröffne die Sitzung, stelle die Beschlussfähigkeit meiner Beifall) des Hauses fest, Wenn wir verloren haben, weist du immer gern darauf hin, (Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- dass der Günter Rudolph noch ein bisschen aktiv dabei ist. denten) (Allgemeine Heiterkeit) bitte Sie um Aufmerksamkeit und darf Ihnen vor Eintritt in Wir haben auf jeden Fall gewonnen und machen auch wei- die Tagesordnung mitteilen: ter. Im Juli ist dann das Achtelfinale, und dann marschie- Nach § 22 des Hessischen Abgeordnetengesetzes ist der ren wir weiter, bis wir ganz vorne sind. Herzlichen Dank Präsident des Landtags dazu verpflichtet, dem Landtag an alle. jährlich einen Bericht über die Angemessenheit der Ent- Es wurde auch, wie immer, der Scheck des Präsidenten an schädigungen zu erstatten. Daher gebe ich Ihnen diesen den Verein zur Förderung des Fußballkunstrasenplatzes in Bericht, der am 25. Juni 2014 verteilt wurde, zur Kenntnis. Hochheim überreicht. Auch das ist eine sehr schöne Ge- Der Angemessenheitsbericht wird vom Plenum entgegen- schichte. Am 15. Juli steht das nächste Spiel an und wird genommen. ebenfalls direkt übertragen. Herzlichen Dank an unsere Jetzt zur Tagesordnung. Es sind noch offen die Punkte 8 Mannschaft, Glück auf. bis 11, 14 bis 25, 27 bis 43, 46 bis 54, 61, 62, 66 bis 70 so- (Allgemeiner Beifall) wie 73 und 74. Vereinbarungsgemäß tagen wir heute – – Meine Damen und Herren, ihr Lieben, jetzt beginnen wir (Norbert Schmitt (SPD): Na? Na? – Weitere Zurufe) mit der Tagesordnung und der Aktuellen Stunde, Punkt – Ich gehe davon aus, dass wir alle vernünftig sind. So lan- 66: ge tagen wir heute Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktu- (Allgemeiner Beifall) elle Stunde (Ahnungslose Landesregierung – NSA in Hessen) – Drucks. 19/533 – bei einer Mittagspause von einer Stunde. Wir beginnen mit den Anträgen für die Aktuelle Stunde, übliches Verfahren, Anschließend wird Punkt 74, der Dringliche Entschlie- fünf Minuten. Nach Tagesordnungspunkt 66 wird Tages- ßungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Geheim- ordnungspunkt 74, ein Dringlicher Entschließungsantrag diensttätigkeit in Hessen, Drucks. 19/554, aufgerufen. – zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und abgestimmt. Fünf Minuten. Herr Dr. Wilken hat das Wort. Nach der Aktuellen Stunde geht es mit Tagesordnungs- punkt 43 weiter. Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Es fehlen heute entschuldigt ganztägig wegen Erkrankung der Ministerpräsident Bouffier und die Frau Staatsministe- Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir wissen rin Kühne-Hörmann sowie Herr Staatsminister Grüttner. nicht erst seit gestern, dass wir durch den US-Auslandsge- heimdienst NSA und den britischen Geheimdienst GCHQ Dann weise ich darauf hin, heute Abend wird im Landtags- eine umfassende Ausforschung von Telefonaten, SMS, In- restaurant das Fußballspiel übertragen. Meine Damen und ternet, E-Mails und sozialen Netzwerken erleiden. Wir Herren, aber viel wichtiger ist, dass unsere Landtagself un- wissen auch nicht erst seit gestern, dass hieran US-Einrich- serer Nationalmannschaft eine sehr gute Vorlage gegeben tungen auf hessischem Boden maßgeblich beteiligt sind: hat. Die Landtagself hat 5 : 4 gewonnen. der Dagger Complex in Griesheim bei Darmstadt, das (Allgemeiner Beifall) European Security Center, eine NSA-Station in Frankfurt unter anderem im Generalkonsulat und das European Italien, Spanien, England sind ausgeschieden, unsere Elf Technical Center hier in Wiesbaden. ist eine Runde weiter. Darüber sind wir sehr froh. Es war der zweite Sieg in Folge – 5 : 4 gegen die DJK Hochheim. Die rasante Entwicklung der Informationstechnologie Für die Politprofis der zweite Sieg in Folge nach dem Sieg macht diese nationale Grenzen sprengende Überwachungs- beim Hessentag. Hier steht – ich wollte es erst gar nicht dimension erst möglich. Meine Damen und Herren, doch glauben –: Keeper Weinmeister hatte mit tollen Paraden nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch erlaubt oder großen Anteil. gar wünschenswert. (Heiterkeit und allgemeiner Beifall – Minister Axel (Beifall bei der LINKEN) Wintermeyer: Echt?) Wir stehen vor einer gewaltigen Herausforderung, die uns Man sollte einmal sagen: Unsere Katze von Nordhessen ist das digitale Zeitalter und eine globalisierte Welt aufbür- wirklich in großem Einsatz. den. Was sind Datenschutz und Privatsphäre, Berufs- und Betriebsgeheimnisse, Meinungs- und Pressefreiheit unter (Allgemeine Heiterkeit) den sich verselbstständigenden Bedingungen von Big Data, Er dosiert die Gegentore immer so, dass es mit denen automatisierter Totalüberwachung und digitaler Durchdrin- stimmt, die wir geschossen haben. Vier Tore hat Timo Ge- gung ganzer Gesellschaften eigentlich noch wert? orgi geschossen. Herzlichen Glückwunsch, das hat es lange Was sind die Grundrechte auf Kommunikationsfreiheit und nicht mehr gegeben. informationelle Selbstbestimmung überhaupt noch wert? (Allgemeiner Beifall) 980 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Können sich Staaten, ihre einzelnen Bürgerinnen und Bür- (Beifall – Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten ger dagegen noch wirksam schützen? – Manfred Pentz (CDU): Was ist mit dem russischen Geheimdienst?) Mittlerweile wissen wir auch, dass nicht allein US-, briti- sche und ausländische Geheimdienste in den globalen Wir müssen dies beenden, um unser Recht auf Freiheit zu- Massenüberwachungsskandal involviert sind, sondern dass rückzugewinnen, um unseren Rechtsstaat und die Demo- eben auch deutsche Geheimdienste an dem Geheimver- kratie zu schützen und um die Digitalisierung und damit bund mitwirken. Der Bundesnachrichtendienst, der In- auch die profitable Verwertung all unserer Lebensbereiche landsgeheimdienst Verfassungsschutz und der militärische zu beenden. Abschirmdienst gehören dazu. Herr Präsident, ich komme zu meinen letzten Sätzen. Mei- Ebenfalls eingebunden in die globale Geheimdienstarbeit ne Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir, dass uns Ed- sind große internationale Internetunternehmen wie etwa ward Snowden, Chelsea Manning und andere Whistle- Microsoft, Google, Facebook, deren Server und Kundenda- blower auf diese Probleme und Gefahren hingewiesen ha- ten für Geheimdienste von höchstem Interesse sind. ben. Setzen Sie sich mit mir dafür ein, dass Ihnen politi- sches Asyl gewährt wird. – Ich bedanke mich. Es ist Zeit, dass wir uns dagegen wehren. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Deutschland ist damit integraler Bestandteil der US-Si- cherheitsarchitektur und des Kriegs gegen den Terror. Vizepräsident Frank Lortz: Auch hier aus Hessen heraus organisierten und organisie- Herr Kollege Dr. Wilken, vielen Dank. – Das Wort erhält ren die USA Entführungsflüge sowie Folter und Hinrich- Herr Abg. Heinz für die CDU-Fraktion. tungen der Terrorverdächtigen. Deutsche Agenten und alli- ierte Partnerdienste forschen verdeckt über den Bundes- nachrichtendienst – die Tarnbehörde ist die Hauptstelle für Christian Heinz (CDU): das Befragungswesen – jährlich Hunderte Flüchtlinge und Asylbewerber aus. Das ist eine vollkommen missbräuchli- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! che Instrumentalisierung Schutz suchender Menschen. Nach zweieinhalb Monaten haben wir schon wieder eine Aktuelle Stunde zum Thema NSA. Da kann man sich fra- (Beifall bei der LINKEN) gen: Wie ist es dazu gekommen? Ausgeforscht und gesammelt werden dabei auch kriegsre- Ich möchte an den Vorredner anknüpfen. Es ist begrüßens- levante Informationen, um verdächtige Zielpersonen aus- wert, dass Herr Dr. Wilken und viele andere dieses Hauses findig zu machen und mutmaßliche Terroristen mit bewaff- die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ lesen. Das ist keine neten Kampfdrohnen zu ermorden. Das ist unerträglich schlechte Entscheidung. und muss gestoppt werden. (Hermann Schaus (DIE LINKE): Keine Schleich- (Beifall bei der LINKEN) werbung bitte!) All dies geschieht vor unserer Haustür. Wie die Landesre- Es gibt in Hessen schlechtere Medien. gierung letzte Woche zugegeben hat, hat sie davon keine Ahnung. So stand es in der „Frankfurter Allgemeinen Zei- (Zuruf) tung“ am Montag dieser Woche. Auch das ist unerträglich Sie haben daraus zitiert. Deswegen habe ich daran ange- bis unglaublich. knüpft. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie schon eine vernünftige und kluge Zeitung lesen, Meine Damen und Herren der Landesregierung, mit Er- dann sollten Sie sich nicht auf die Überschrift beschränken, laubnis des Präsidenten darf ich Ihnen die Titelseite der sondern die Artikel und die Kommentare zu Ende lesen. „Süddeutschen Zeitung“ von heute zeigen. Das Bild, was da gezeichnet wird, ist nicht ganz so schwarz und weiß, wie es in der Überschrift aussieht. (Der Redner hält eine Zeitung hoch.) Ich habe auch eine Vermutung, wie es zu dieser Aktuellen Zeitung zu lesen hilft im Zweifelsfall, um Ahnung zu be- Stunde gekommen ist, zu der zweiten dieser Art innerhalb kommen, was in diesem Land passiert. von gut zwei Monaten. Montagmorgen drohte die Frist zur (Beifall bei der LINKEN) Einreichung eines Antrags auf eine Aktuelle Stunde abzu- laufen. Ich weiß nicht, wer darauf gekommen ist. Wahr- Wenn wir von Aktivitäten in Hessen bzw. in der Bundesre- scheinlich war es Herr Dr. Wilken. Er saß, Müsli oder ein publik Deutschland reden, müssen wir sagen, dass hier ein- Erdnussbuttersandwich essend, und hat nach einem Thema deutig Rechtsverstöße vorliegen. gesucht. (Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten) (Hermann Schaus (DIE LINKE): Bei uns ist das an- Diese müssen ermittelt, aufgeklärt und geahndet werden. ders als bei der CDU!) (Beifall bei der LINKEN) Günstigerweise kam dann die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mit einer knackigen Überschrift. Das Szenario der digitalen Spionage und Massenüberwa- chung macht deutlich: Wir befinden uns in einem gehei- Man sollte da weiterlesen und schauen, was eigentlich in men Informationskrieg oder, anders ausgedrückt, in einem den letzten zehn Wochen passiert ist. Der „Spiegel“ hat er- permanenten präventiven Ausnahmezustand. Wir müssen neut Dossiers veröffentlicht, die übrigens seit einem Jahr diesen Zustand, den man mit der US-amerikanischen Paro- bekannt sind. Er hat sie in den letzten Wochen erstmals auf le „Yes, we scan“ bezeichnen könnte, beenden. seiner Website und in seinem Magazin veröffentlicht. Die Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 981

Dokumente, über die wir reden, sind inzwischen aber ein (Beifall bei der CDU) gutes Jahr alt. Deshalb kann ich festhalten: So wie DIE LINKE mit dem Unter anderem geht es in den Dokumenten, die der „Spie- Thema umgeht, wird man der Sache nicht gerecht. Die gel“ noch einmal aufgegriffen und veröffentlicht hat, um Welt ist nicht schwarz-weiß. Sie hat vielmehr viele Facet- die tatsächlichen oder möglichen nachrichtendienstlichen ten. Mit dieser regelmäßigen großen Empörung, garniert Tätigkeiten, die von US-Einrichtungen aus, die in Hessen mit einer Prise Antiamerikanismus, zur Befriedung Ihrer beheimatet sind, betrieben werden. linken Basis machen Sie sich es zu einfach. Wo ist das wirklich Neue? – Wir haben im April 2014 (Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des fraktionsübergreifend festgestellt, dass das Verhalten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Geheimdienstes NSA nicht akzeptabel ist. Selbstverständ- Es gibt in dieser Sache nichts Neues. Es gibt auch keinen lich kann weder das massenhafte Ausspähen deutscher vermeintlichen oder echten Aufreger. Die Landesregierung Bürger noch das Abhören des Handys der Kanzlerin von macht wie jeden Tag ihre Arbeit. Sie handelt korrekt. Sie uns geduldet werden. Wir können das hier gerne noch ein- hat sich in diesem Fall an die richtige Stelle gewandt. mal wiederholen. Aber ich sehe da nichts Neues, was die Aktuelle Stunde rechtfertigen würde. Wir werden den gesamten Komplex weiterhin aufmerksam beobachten. Sobald es wirklich etwas Neues gibt – das Das einzig vermeintlich Neue, an das Sie anknüpfen, ist, wird spätestens mit Vorlage des Abschlussberichtes des dass jetzt laut einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen NSA-Untersuchungsausschusses des Bundestages der Fall Zeitung“ Herr Staatsminister Wintermeyer den Chef des sein –, können wir gerne ernsthaft und substantiiert über Bundeskanzleramtes angeschrieben und um Aufklärung dieses Thema sprechen. der jüngsten Gerüchte gebeten hat. Wir können nichts An- stößiges daran erkennen, dass der Chef der Staatskanzlei Heute können wir nur festhalten: Es gibt nichts Neues. – dem Chef des Kanzleramts einen Brief schreibt und um Für die nächste Aktuelle Stunde sollten Sie sich vielleicht Aufklärung bittet. Er hat seine Arbeit so gemacht, wie er wirklich ein aktuelles Thema suchen. – Herzlichen Dank. sie jeden Tag 14 bis 16 Stunden lang macht. (Beifall bei der CDU und der Abg. Sigrid Erfurth (Manfred Pentz (CDU): So sieht es aus, ganz ge- (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) nau!)

Eines möchte ich festhalten: Wir haben in unserem födera- Vizepräsident Frank Lortz: len Staatsaufbau gewisse Zuständigkeiten. Für einige Din- ge sind die Bundesregierung und der Chef des Bundes- Vielen Dank, Kollege Heinz. – Das Wort hat der Abg. Hol- kanzleramtes zuständig und der richtige Ansprechpartner. schuh, SPD-Fraktion. Wenn sich die Landesregierung in dieser Frage an den Chef des Bundeskanzleramtes wendet, dann ist das voll- kommen richtig. Sie haben eine Aktuelle Stunde daraus ge- Rüdiger Holschuh (SPD): macht. Es scheint kein anderes Thema zu geben. Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ansonsten können wir feststellen: Der Bundestagsuntersu- Die Thematik rund um das Verhalten der US-Geheim- chungsausschuss zu NSA arbeitet. Er wird noch einige dienste in Deutschland beschäftigt den Hessischen Landtag Monate, eher wohl einige Jahre arbeiten und aufklären. immer wieder. Zuletzt haben wir am 3. April aus Anlass Auf die Ergebnisse sind wir alle sehr gespannt. der vielfältigen und berechtigten Bürgerproteste über die NSA und ihre Machenschaften hier in diesem Hause disku- Am Ende möchte ich noch auf Ihren Rundumschlag mit tiert. dem Dringlichen Entschließungsantrag zu sprechen kom- men, der hektisch nachgeschoben wurde. Genauso wie vor Ich bin dieser Diskussion sehr dankbar, konnten wir doch zwei Monaten können wir wieder feststellen, dass Sie ver- von allen Fraktionen hören, dass keiner mit der Verhaltens- suchen, in einem kurzen Text sieben verschiedene Themen weise der USA einverstanden ist. Fraktionsübergreifend zu behandeln. wurde festgestellt, wie inakzeptabel dieses Verhalten der NSA gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern ist. Dass Nachrichtendienste, auch unsere Nachrichtendienste, grundsätzlich mit befreundeten Diensten zur Aufklärung (Beifall bei der SPD und der LINKEN) zusammenarbeiten, ist nicht anstößig. Das ist nicht zu be- „An Hessen führt kein Weg vorbei!“ Diesen Slogan haben anstanden. Das ist deren Arbeit. Der Bundesnachrichten- die Amerikaner bei ihrem Aufbau eines europaweiten bzw. dienst und auch der militärische Abschirmdienst sorgen weltweiten Netzes wohl mehr als berücksichtigt. seit gut sechs Jahrzehnten dafür, dass die Bürger in Deutschland frei und sicher leben können. (Heiterkeit bei der SPD) (Beifall bei der CDU und der Abg. Eva Goldbach Durch Edward Snowden wussten wir, dass das Technical (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Center auf dem Gelände der Storage Station in Kastel als der primäre Kommunikationsknotenpunkt der NSA in Dass sie mit britischen Diensten, mit amerikanischen Europa gilt. Aber natürlich – das ist heute Morgen schon Diensten, mit französischen Diensten und Diensten anderer angeklungen – zählt auch der Dagger Complex in Darm- NATO-Länder zusammenarbeiten, ist keine neue Erkennt- stadt dazu und in besonderer Weise auch das amerikani- nis. Vielmehr ist das ausdrücklich erwünscht. Denn in ei- sche Generalkonsulat in Frankfurt. Beides spielt eine her- nem militärischen und in einem politischen Bündnis ist es ausragende, unrühmliche Rolle. Nicht zuletzt das Intelli- ausdrücklich so, dass man sich austauschen und zusam- gence Center, das in der Clay-Kaserne in Erbenheim ent- menarbeiten soll. In vielen Fällen ist es dadurch gelungen, steht, ist ein Zeichen dafür, wie Amerika in Europa nach- Bedrohungen für die deutsche Bevölkerung abzuwenden. richtentechnisch aufrüstet. 982 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Meine Damen und Herren, die aktuelle Berichterstattung gewusst? Waren deutsche Geheimdienste involviert? Wie der Recherchen von NDR, WDR und „Süddeutsche Zei- wurden die parlamentarischen Kontrollgremien informiert? tung“, die gestern Abend bekannt wurden, zeigen, dass Ich bin gespannt, was die Arbeit des Untersuchungsaus- Frankfurt mit dem weltweit wohl größten und wichtigsten schusses auf Bundesebene dazu noch zutage fördert. Netzknoten eine entscheidende Rolle spielt. Es ist mehr als bedenklich, dass die NSA einen nicht kontrollierbaren Zu- Wenn staatliche Nachrichtendienste, ohne dass man dar- gang zu den Internetverbindungen von über 50 Ländern, über informiert wird bzw. die Kontrolle darüber behalten die in Frankfurt zusammenlaufen, haben wollte. kann, millionenfach Daten abschöpfen, ist dies auf jeden Fall auch hier keine Standardsituation. Mag sein, dass es in (Beifall bei der SPD und der LINKEN) der Denkart der Amerikaner auch um Aufklärung geht. In Meine Damen und Herren, dabei ist es gut, dass die dama- erster Linie aber steht nun das Recht auf Privatheit zur Dis- lige Bundesregierung dies nicht erlaubt und wenigstens position. einen Kompromiss verhandelt hat, bei dem die Daten von (Beifall bei der SPD) Bundesbürgern unberührt blieben. Und es ist gut, dass die- se Zusammenarbeit im Jahr 2007 beendet wurde. Nur ein Obrigkeitsstaat misstraut seinen Bürgerinnen und Bürgern. Für ihn ist Kontrolle das einzige Mittel, die Angst Meine Damen und Herren, solche Entscheidungen sind vor Freiheit zu befriedigen. Alle Menschen werden ihm zu keine Standardsituation. potenziellen Feinden, und damit wird jegliches staatliches (Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD)) Handeln gerechtfertigt. Der Druck unserer Partner war wohl sehr hoch, und trotz- Der Kern eines Rechtsstaats muss aber die Unschuldsver- dem wurden zumindest die Interessen unserer Bürgerinnen mutung sein. Was seit dem Sommer 2013 öffentlich wurde und Bürger, unseres Landes verteidigt. und jetzt immer mehr herauskommt, ist die Umkehr der Unschuldsvermutung zu einem Generalverdacht. Meine Ob die Kommunikationswege funktioniert haben und wer Damen und Herren, das bedroht die Demokratie. wann wen informiert hat, ist trotzdem noch zu klären. Das wird in den nächsten Wochen sicherlich noch erheblichen (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Diskussionsstoff bieten. Natürlich ist Aufklärung rund um die Aufklärer der Ge- Vizepräsident Frank Lortz: heimdienste sehr schwer. Nachfragen zu den genannten Anlagen werden nicht beantwortet und bleiben unkom- Lieber Herr Kollege Holschuh, die Nachspielzeit hat be- mentiert. Maximal werden Zusagen gemacht, man werde gonnen. Bitte. sich bei vorgesetzter Stelle für diese Bedenken einsetzen. Vonseiten der Bundesregierung werden erklärende Formu- lierungen gewählt, die meines Erachtens alles offen lassen. Rüdiger Holschuh (SPD): Dass sich Herr Wintermeyer nun bemüßigt sieht, den Kol- Ich komme zum Ende. legen Altmaier in Berlin um Auskunft zu bitten, zeigt, wie Wir sind unserem Partner USA für seine Leistungen für niedrig der Informationsstand der Landesregierung bei die- unser Land dankbar. Gerade deshalb müssen wir aber auch sem Thema ist. klarstellen: Für uns ist eine Gesellschaft mit einem hohen (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Schutz der Bürgerrechte ein unverhandelbares Gut, denn Bürgerrechte sind Grundrechte. – Danke schön. Immerhin bezieht er sich nicht nur auf einzelne Anlagen, sondern fragt schon einmal die Gesamtsituation ab, um (Beifall bei der SPD und der LINKEN) auch nicht diejenigen zu vergessen, die bislang nicht be- kannt sind. Wenn aber ein Brief mit einem Auskunftsersu- Vizepräsident Frank Lortz: chen alles ist, was die Landesregierung bisher dazu unter- nommen hat, und sie dies mit einer kleinen Pressenotiz Vielen Dank, Herr Kollege Holschuh. – Das Wort hat der versieht, die suggerieren soll „Wir kümmern uns“, dann Abg. Frömmrich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. wird das dem Informationsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land nicht gerecht. Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU)) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Titel dieser Aktuellen Stunde gelesen habe, ha- Der Druck und damit die Kontrolle seitens der Politik muss be ich mich auch erst einmal gefragt: Was gibt es da ei- hochgehalten werden. Die Nachrichtendienste sind zum gentlich Neues? Wir haben uns mit dieser Frage doch Schutz unseres Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger schon mehrfach im Landtag beschäftigt. da. Sie dürfen kein unkontrolliertes Eigenleben führen. (Janine Wissler (DIE LINKE): Es gibt sogar einen (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Manfred Pentz Untersuchungsausschuss dazu!) (CDU): Jetzt kommt Ihr Beitrag!) Ich bin dann der Rede vom Kollegen Wilken gefolgt, habe Die Vereinigten Staaten haben bei der Sammlung und Ver- mich aber eigentlich immer noch gefragt, was es denn wendung von Daten einen völlig anderen Blick auf die Neues zu berichten gibt. Bürgerrechte als wir in Deutschland. Die aktuelle Bericht- erstattung zeigt, dass viele Fragen immer noch offen sind: (Janine Wissler (DIE LINKE): Fragen Sie doch ein- Wie viel und nach welchem Muster überwachen Geheim- mal Ihre Kollegen im Bundestag!) dienste deutsche Bürgerinnen und Bürger? Wer hat davon Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 983

Deshalb bin ich sehr dankbar, dass wenigstens der Kollege len sie anderes tun? Diese Frage hätte ich gern einmal von Holschuh den Bezug zur Aktualität hergestellt hat, nämlich Ihnen beantwortet. zu den Berichten von gestern Abend und auch zu dem Be- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und richt in der „Süddeutschen Zeitung“ von Herrn Leyen- bei Abgeordneten der CDU – Manfred Pentz (CDU): decker heute Morgen. Das ist im Prinzip das Aktuelle. Was Ganz genau!) die LINKEN aber beantragt haben, ist Schnee von gestern, das ist ziemlich alter, abgestandener Kaffee. Wir haben – das haben wir auch beim letzten Mal einhellig begrüßt – das getan, was man in diesen Fällen tun muss. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Der Deutsche Bundestag hat einstimmig einen Untersu- der CDU) chungsausschuss eingerichtet, der sich genau mit diesem Meine Damen und Herren, ich erinnere daran, dass wir die- Themenkomplex befassen soll. Genau dieser Untersu- sen Themenkomplex auch hier schon ausgiebig diskutiert chungsausschuss hat die Kompetenzen, sich mit BND, haben. Eigentlich waren wir uns hier im Landtag einig, und Verfassungsschutz, mit militärischem Abschirmdienst und das ist auch gut so, dass diese Verhaltensweisen der Ge- sich mit dem Verhalten des Innenministers und des Kanz- heimdienste, der Amerikaner, leramtes zu beschäftigen. Wir von meiner Fraktion zumin- dest haben ein hohes Zutrauen zu den Kolleginnen und (Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE)) Kollegen unserer Fraktion im Deutschen Bundestag, dass aber auch der Geheimdienste befreundeter Staaten wie der sie die Arbeit im Untersuchungsausschuss, der die NSA- Briten, die sie hier in Deutschland an den Tag legen, für Vorgänge aufklären soll, auch ordentlich und anständig uns auf keinen Fall akzeptabel sind und man ganz deutlich machen werden. Wenn Sie dieses Zutrauen nicht haben, in Richtung der Amerikaner und der Briten sagen muss: So dann tut es uns leid. geht man mit Freunden, mit Verbündeten nicht um; das ist (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und inakzeptabel, was ihr da tut. Abgeordneten der CDU – Manfred Pentz (CDU): (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Ganz genau!) der CDU) Unterm Strich: Die Situation ist unbefriedigend. Wir wür- Ein zweiter Punkt, den wir beim letzten Mal hier in großer den uns auch wünschen, dass man endlich weiß, was pas- Einigkeit festgestellt haben, ist, dass das Abhören, das siert. Insbesondere die Berichterstattung heute Morgen, Sammeln von Metadaten, das Scannen von E-Mails und was die Frage des Internetknotens in Frankfurt angeht, ist vor allen Dingen das Abhören von Regierungsvertreterin- besorgniserregend. Aber wir müssen da Zutrauen zum Un- nen und -vertretern, der Bundeskanzlerin, von Vertreterin- tersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages haben. nen und Vertretern der EU-Kommission überhaupt nicht Das ist die zuständige Stelle. Sie haben die nötigen Kom- geht. Beim letzten Mal haben wir schon sehr deutlich in petenzen und die nötigen Möglichkeiten, auf Bundesebene Richtung der Amerikaner und der Engländer festgestellt, die zuständigen Stellen zu befragen. Man kann bedauern, dass das auf keinen Fall geht, schon gar nicht mit Verbün- dass die Landesregierung keine zusätzlichen Informationen deten. hat. Aber ich hätte gern einmal die Frage von denjenigen beantwortet, was denn eine Hessische Landesregierung in Es hat auch nichts mit Antiamerikanismus zu tun, wenn diesem Bereich tun soll. – Vielen Dank. man dies feststellt. Das hat einfach damit etwas zu tun, dass wir darauf hinweisen, dass in Deutschland deutsche (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Gesetze gelten, dass wir einen hohen Standard beim Daten- bei Abgeordneten der CDU – Manfred Pentz (CDU): schutz haben und es uns nicht gefallen lassen, dass in Ganz genau! – Zurufe von der LINKEN)) Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern der Bundesre- publik Deutschland eingegriffen wird. Das kann man auch zu Freunden, zu Verbündeten sehr deutlich sagen. Vizepräsident Frank Lortz: (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Das Wort hat der der CDU) Abg. Greilich für die FDP-Fraktion. Als wir das beim letzten Mal diskutiert haben, waren wir uns eigentlich alle einig. Die Faktenlage ist – leider, muss Wolfgang Greilich (FDP): man sagen – relativ dünn. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun wird von verschiedenen Medien immer wieder der Ich glaube, es gibt niemanden hier im Haus, der nicht dann gleiche Sachverhalt in unterschiedlicher Weise erzählt, doch immer wieder, auch wenn man mit vielem rechnet, aber trotzdem ist die Faktenlage sehr dünn. Das bedauern überrascht und frappiert ist, wenn Neuigkeiten auf den wir ausdrücklich. Auch für ein Parlament, für Regierungen Tisch kommen, wie z.B. durch den Bericht von „SPIEGEL ist das eine vollkommen unbefriedigende Situation. Ich er- online“ vom 18. Juni oder das, was heute bzw. gestern innere daran: Auch im Jahr 2013 haben wir das schon mit Abend auf „tagesschau.de“ und in der „Süddeutschen Zei- der damaligen Regierung diskutiert. tung“ berichtet worden ist. Das hat mich noch viel mehr Der Kollege Hahn war damals als Justizminister beteiligt. vom Hocker gehauen. Da sehe ich, dass eine deutsche Wir haben den Innenminister angeschrieben und versucht, Bundesregierung von 2004 bis 2007, die letzte rot-grüne Klarheit zu bekommen. Leider hat die Landesregierung Bundesregierung – soweit zu Ihrem großen Zutrauen zu Ih- keine weiteren Erkenntnisse. Aber ich frage auch in Rich- ren Kollegen, Herr Kollege Frömmrich – freiwillig einge- tung der LINKEN: Was soll denn eine Landesregierung räumt hat: Greift doch einmal zu auf unseren Internetkno- tun, außer Briefe zu schreiben und von den zuständigen ten in Frankfurt. Greift euch ab, was ihr denn so braucht. Behörden des Bundes, dem Innenminister, dem BND, den (Zuruf von der CDU: Ja, freiwillig!) Nachrichtendiensten Informationen einzufordern? Was sol- 984 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Das ist erst 2007 gestoppt worden. Das ist in der Tat eine Option mehr. Umso wichtiger ist es, dass wir auch über die erschütternde Botschaft, wie teilweise in Deutschland von europäischen Grenzen hinaus den Datenschutz gewährleis- deutschen Geheimdiensten selbst und deutschen Regierun- ten und dass wir deswegen mit den Amerikanern sehr ge- gen mit dieser Frage umgegangen wurde. nau über ein transatlantisches Datenschutzabkommen re- den, und zwar im Zusammenhang mit dem verhandelten (Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CDU) transatlantischen Freihandelsabkommen. Ich sage das bei Wir halten es durchaus für richtig, wenn die Landesregie- dieser Gelegenheit sehr deutlich. rung jetzt beim Bundeskanzleramt bezüglich der Erkennt- (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD) nisse aus den Snowden-Dokumenten nachgefragt hat. Die Aufklärung, was von deutschen Einrichtungen getan wird Wer hier den Abbruch der Verhandlungen mit den USA und was von ausländischen Einrichtungen in Deutschland fordert, der handelt genau kontraproduktiv. Der Antrag der und in Hessen getan wird, ist in der Tat eine Frage, die uns LINKEN ist in diesem Zusammenhang, auch wenn darin auch zu interessieren hat. Die Frage hat auch die Landesre- der eine oder andere Satz steht, den wahrscheinlich jeder gierung zu interessieren. Nur zweifeln wir auch nicht dar- unterschreiben könnte, insgesamt eine Sammlung von Po- an, dass die Erkenntnisse der Landesregierung überschau- lemik, Antiamerikanismus und ähnlichem. bar sind und überschaubar bleiben werden. Das liegt in der (Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE)) Natur der Sache. Es geht hier nicht um hessische Zustän- digkeiten und hessische Angelegenheiten, sondern es geht Deswegen kann man diesem Antrag sicherlich nicht zu- um Bundesangelegenheiten. stimmen. Lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir unsere Daten in Zukunft besser schützen können. Damit Vor diesem Gesamthintergrund und der Entwicklung der haben wir genug zu tun. NSA-Spähaffäre ist es in der Tat an der Zeit, auch einmal ein bisschen mehr Ehrlichkeit in die Debatte hineinzubrin- (Beifall bei der FDP) gen. Das Erheben von Daten – legal oder illegal – ist letzt- lich aufgrund des technischen Fortschritts nicht mehr zu verhindern. Das ist ein Eingeständnis, das man sich ma- Vizepräsident Frank Lortz: chen muss, ob man das gut findet oder nicht. Man kann Vielen Dank, Herr Kollege Greilich. – Das Wort hat Herr bestenfalls den Zugriff erschweren. Aber vor allem müssen Staatsminister Wintermeyer. wir uns in Zukunft etwas intensiver mit der Frage befassen, wie wir die Daten, die ohnehin anfallen, und zwar in viel- facher Hinsicht, so schützen, dass unzulässige Zugriffe so- Axel Wintermeyer, Minister und Chef der Staatskanz- weit wie möglich eingeschränkt werden. lei: (Beifall bei der FDP) Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeord- Wenn klar ist, dass Geheimdiensttätigkeit kaum zu unter- nete! Das in vielen Presseartikeln geschilderte Verhalten binden ist – und ich sage auch sehr klar: gerade im Hin- der NSA in der Vergangenheit hat zweifelsohne Anlass zu blick auf verschiedene weltpolitische Situationen sollten Sorge und Aufregung gegeben. Wir wissen – das muss wir uns nichts vormachen, denn Geheimdienstarbeit ist auch einmal gesagt werden –, dass fast jede Nation, die es auch notwendig –, dann ist es viel spannender, wie wir als sich finanziell leisten kann, und sicher auch eine Vielzahl Bundesrepublik Deutschland und wir als Hessen mit dieser von Nationen, die es sich eigentlich nicht leisten können, Situation umgehen. Da gibt es in der Tat immer wieder Geheimdienste haben. Ich gehe davon aus, dass die Not- überraschende Erkenntnisse neben der, dass die rot-grüne wendigkeit solcher Institutionen – das betone ich – hier Bundesregierung diesen Zugriff erlaubt hat. überwiegend nicht in Zweifel gezogen wird. Ich finde es unglaublich, dass wir bis heute nicht in der La- Die Frage, die uns seit Wochen beschäftigt, ist doch die: ge sind, unseren innerdeutschen Datenverkehr auch so zu Wie weit geht die demokratische Legitimation solcher In- organisieren, dass nicht alles über ausländische Provider stitutionen? – Das gilt übrigens auch für den KGB und hat und ausländische Internetknoten läuft. Wir müssen zuse- früher auch für die Abteilung Aufklärung bei der Stasi ge- hen, dass wir es organisiert bekommen, wenigstens den in- golten. nerhalb Deutschlands laufenden Verkehr über Server in (Beifall bei der CDU – Zurufe von der LINKEN – Deutschland laufen zu lassen und nicht über das Ausland, Zurufe des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU) – Ge- und dass wir europäischen Datenverkehr in Europa über genrufe der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE)) Server laufen lassen und nicht außerhalb. Das ist wieder et- was, was mich frappiert hat. Ich bin davon ausgegangen, – Genau: Guck und horch. – Nach den vorliegenden Pres- dass wir vieles von dem, was geschieht, natürlich nicht seberichten scheint die NSA Grenzen überschritten zu ha- wissen und dass wir ansonsten vorsichtig mit Fernmelde- ben, die nicht hinnehmbar wären und die es dann neu zu verkehr und E-Mail-Verkehr umgehen müssen. Aber dass justieren gelte. der Deutsche Bundestag seinen gesamten Internet-Traffic (Anhaltende Zurufe – Glockenzeichen des Präsiden- über einen Provider rootet, der eng mit NSA und GCHQ ten) zusammen arbeitet, macht mich doch wieder fassungslos. Es gibt so einfache Dinge, die man einfach einmal ver- Aber die Frage ist doch: Wer justiert dieses Verhältnis zwi- nünftig regeln muss. Wenn das nicht passiert, dann greift schen Staaten? Mit Verlaub: Hessen oder ein anderes Bun- man sich an den Kopf. desland jedenfalls nicht. (Beifall bei der FDP) Wie Ihnen allen sicherlich bekannt sein dürfte, ist die Rechtsgrundlage für die Stationierung verbündeter Streit- Das von uns geforderte No-Spy-Abkommen mit den USA kräfte in der Bundesrepublik Deutschland der im Jahre ist bekanntlich nicht zustande gekommen. Das ist keine 1954 mit den USA und sieben weiteren Vertragsstaaten ge- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 985 schlossene Aufenthaltsvertrag. Dieser gilt nach dem im Snowden-Information aufschreien, nur weil sich das Jahre 1990 geschlossenen Zwei-plus-Vier-Vertrag fort. Als Geschehen in der direkten Nachbarschaft abspielt, weitere rechtliche Grundlage für die Präsenz ausländischer tragen wenig zur Lösung der gesamten Problematik Streitkräfte in Deutschland kommen das im Jahre 1951 ge- bei. schlossene NATO-Truppenstatut und diverse weitere Ver- Das gilt auch für die von den LINKEN initiierte Aktuelle einbarungen hinzu. Stunde. Meine Damen und Herren, es kann daher keinem Zweifel (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE unterliegen, dass der Regelungsinhalt dieser internationa- GRÜNEN) len Abkommen eindeutig dem Bund im Rahmen seiner ausschließlichen Zuständigkeit für auswärtige Angelegen- heiten sowie für den Verteidigungsbereich zugewiesen ist. Vizepräsident Frank Lortz: Vor diesem verfassungsrechtlich vorgegebenen Hinter- Vielen Dank, Herr Minister Wintermeyer. – Es gibt keine grund liegt es daher schlicht in der Natur der Sache, dass weiteren Wortmeldungen. Ansprech- und Verhandlungspartner für die betreffenden Regierungsbehörden der USA und anderer Nationen nicht Wir kommen zur Abstimmung über den Dringlichen Ent- etwa die Landesregierungen – auch nicht Hessische Lan- schließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend desregierung –, sondern ausschließlich die Bundesregie- Geheimdiensttätigkeit in Hessen, Drucks. 19/554. Wer rung ist. stimmt zu? – Die LINKE. Wer ist dagegen? – CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die FDP. Wer enthält Ich stimme dem „FAZ“-Journalisten Badenhop ausdrück- sich? – Die SPD. Damit ist dieser Dringliche Entschlie- lich zu, der in seinem Kommentar in der „FAZ“ vom 23. ßungsantrag abgelehnt. Juni dieses Jahres darauf hingewiesen hat – ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten –: Ich rufe Tagesordnungspunkt 67 auf: … dass die entscheidenden Protagonisten in diesem Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Spiel nicht in Wiesbaden sitzen, sondern in Berlin Stunde (Mindestlohn vernichtet Zukunftschancen jun- und in Washington. Dort müssen die grundsätzlichen ger Menschen in Hessen – Einstieg in den Arbeitsmarkt Fragen geklärt werden, die der NSA-Skandal aufge- wird unnötig erschwert) – Drucks. 19/537 – worfen hat. Das Wort hat die Kollegin Nicola Beer, FDP-Fraktion. Dass die Fraktion DIE LINKE trotz dieser eindeutigen Faktenlage, die ihr nicht unbekannt sein dürfte, dennoch glaubt, die Landesregierung hier der – ich sage bewusst: Nicola Beer (FDP): negativen – Ahnungslosigkeit bezichtigen zu können, dürf- te daher wenig überzeugend sein. Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kol- legen! Unter dem Label „soziale Gerechtigkeit“ soll nächs- (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- te Woche in Berlin ein Gesetz beschlossen werden, das in NISSES 90/DIE GRÜNEN) Wahrheit der Beginn der politischen Lohnfestlegung und Es belegt vielmehr, dass es der LINKEN-Fraktion in dieser damit die Aushöhlung der Tarifautonomie ist und das zu- für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes sehr wohl dem zu einem massiven Wegfall von Arbeitsplätzen führen bedeutenden Angelegenheit überhaupt nicht um eine Auf- wird. klärung in der Sache selbst geht, sondern ausschließlich (Beifall bei der FDP – Hermann Schaus (DIE LIN- um den Versuch einer Skandalisierung aus rein parteipoli- KE): Im Leben nicht! Im Gegenteil!) tischem Kalkül, entweder zur Ablenkung von früherem Verhalten der Geheimdienste ihrer Vorgängerpartei SED – Herr Kollege, weil Sie schon jetzt dazwischenrufen: Ich oder aus blankem Amerikanismus. will mit Ihnen heute gar nicht darüber diskutieren, (Beifall bei der CDU – Zurufe von der LINKEN) (Hermann Schaus (DIE LINKE): Ach so!) Meine Damen und Herren, in dem Weg über die Bundesre- warum es nicht sinnvoll ist, einen flächendeckenden, ein- gierung – so sind auch meine Schreiben zu verstehen – se- heitlichen gesetzlichen Mindestlohn zu haben, sondern mir he ich die einzige Möglichkeit für uns als Landesregierung, geht es vor allem darum, dass man, wenn man schon ein in dieser Angelegenheit Aufklärung zu bekommen. solches Gesetz macht, es handwerklich wenigstens so ma- chen sollte, dass nicht auch noch die Zukunftschancen (Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wir können ja ge- Tausender junger Menschen in unserem Land vernichtet meinsam demonstrieren, Herr Wintermeyer!) werden. Dies ist unbefriedigend – das sehen auch wir so –, aber es (Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Das ist nun einmal die Rechtslage. müssen Sie in Berlin diskutieren, nicht hier!) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einem Aus- – Herr Kollege Schmitt, ich diskutiere das hier, weil ich es zug aus dem Kommentar von Peter Badenhop in der mehr als traurig finde – meine Fraktion hat eine entspre- „FAZ“ schließen. Ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsi- chende Anfrage an die Landesregierung gestellt –, dass denten: diese Landesregierung stumm bleibt, wenn in Deutschland Ob die amerikanischen Geheimdienstler nun in die Chancen junger Menschen vernichtet werden, Stuttgart, Darmstadt oder im neuen Europa-Haupt- (Beifall bei der FDP) quartier der Army in Wiesbaden ihr Geschäft betrei- ben, spielt am Ende keine Rolle. Jene Stimmen aus und zwar durch die Zustimmung zu einem Gesetzentwurf, der hessischen Landeshauptstadt, die bei jeder neuen der vorgibt, gerade diesen Menschen helfen zu wollen. 986 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Verheerend sind insbesondere die Regelungen zu Förder- on –, in denen eine Ausbildung, ein Studium nicht gezielt programmen zur Vorbereitung auf Ausbildung, die Rege- auf die speziellen berufliche Tätigkeiten vorbereitet. lung zu den Altersgrenzen und die Regelung zu den Prakti- Wir werden sehen, dass viele dieser Praktikumsstellen ka. Wir werden sehen, dass durch diesen Gesetzentwurf wegfallen werden, weil die Ausbildungsbetriebe und die Förderprogramme für schwache Jugendliche – also solche jungen Leute wissen, dass die sechs Wochen, die zukünftig mit einem schlechten oder gar keinen Schulabschluss –, die für ein freiwilliges Praktikum nur noch zur Verfügung ste- sie auf reguläre Ausbildung vorbereiten sollen, wegfallen, hen, bevor Mindestlöhne gezahlt werden müssen, zu kurz weil solche Förderprogramme häufig von Betrieben oder sind, um tatsächlich einen Einblick zu bekommen, der von den Sozialpartnern – also auch von den Gewerkschaf- nachher etwas für das Berufsleben bringt. ten – organisiert werden, aber von der Mindestlohnrege- lung nicht ausgenommen sind. (Beifall bei der FDP) Wir haben ferner die ausgesprochen widersinnige Rege- Wir werden sehen, dass die Betriebe unter diesen Bedin- lung, dass der Mindestlohn bereits ab dem 18. Lebensjahr gungen nicht mehr in der Lage sein werden, Praktika von gezahlt werden soll. Das zeigt, dass man sich die tatsächli- drei Monaten Dauer oder gar länger anzubieten. Wenn Sie che Praxis in Deutschland nicht angeschaut hat. Die Mehr- mit der Praktikaregelung wirklich die schwarzen Schafe er- heit der Jugendlichen in Deutschland, die in Ausbildung reichen wollen, die mit Praktika Missbrauch betreiben, sind, ist älter als 18 Jahre. Das gilt ausweislich der Antwort dann wäre es besser, über Qualitätsstandards für Praktika der Landesregierung auf unsere Anfrage auch für Hessen, im Hinblick auf Ausbildungsinhalte zu reden, um sicherzu- wo mehr als zwei Drittel aller Jugendlichen in irgendeiner stellen, dass auch nach sechs Wochen Praktikum noch wei- Form in Ausbildung, in beruflicher Ausbildung, sind. Auch ter Ausbildung betrieben wird. Das wäre besser, als die Be- wenn man die an den Hochschulen Studierenden abzieht: troffenen einer starren Mindestlohnregelung zu unterwer- Mehr als zwei Drittel sind über 18 Jahre alt. fen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Das bedeutet, dass sie bei regulärer Beschäftigung unter das Mindestlohngebot fallen. Das bedeutet in der Konse- Vizepräsident Frank Lortz: quenz – Herr Schaus, das müssen Sie den Menschen in Hessen dann aber auch sagen –, dass ein Packer bei Ama- Frau Kollegin Beer, Sie müssen langsam zum Schluss zon das Doppelte dessen bekommt, was ein Lehrling bei ir- kommen. gendeinem Handwerksbetrieb verdient. (Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): Nicola Beer (FDP): Deshalb machen die jungen Leute keine Ausbildung mehr?) Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Stattdessen wird die Große Koalition in Berlin ein Gesetz beschließen, Das heißt auch, dass Sie einen fatalen Anreiz setzen. Sie das das eigentliche Problem nicht löst. Es ist traurig, dass setzen den fatalen Anreiz, das in der Gegenwart schnell die Hessische Landesregierung, dass auch der Ministerprä- verdiente Geld mitzunehmen, statt in die eigene Zukunft sident mit seiner durchaus einflussreichen Stellung in der Zeit zu investieren. Bundespolitik dazu schweigt. (Beifall bei der FDP – Zurufe von der LINKEN) Es wäre wichtiger, für diese jungen Menschen eine breit Ein Gesetz, das junge Menschen vor die Wahl stellt, Aus- angelegte Qualifikations- und Vermittlungsoffensive zu hilfen statt Auszubildende zu werden, ist weder sozial noch haben. Stattdessen bekommen wir ein Gesetz, bei dem of- gerecht, und es ist vor allem nicht nachhaltig. fensichtlich die soziale Fassade wichtiger ist, als den Men- schen in Deutschland tatsächlich zu helfen. (Beifall bei der FDP) (Beifall bei der FDP) Kommen wir zu der ebenso fatalen Praktika-Regelung. Praktika sind ein Teil der Qualifizierungsphase im Leben von Menschen. Sie sollen Einblicke in das Berufsleben, in Vizepräsident Frank Lortz: die Berufswirklichkeit und das Kennenlernen betrieblicher Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Das Wort hat der Herr Abläufe ermöglichen. Abg. Decker für die SPD-Fraktion. (Hermann Schaus (DIE LINKE): Bei Architekten geht das über mehrere Jahre!) Wolfgang Decker (SPD): – Herr Schaus, Praktika sind mitnichten das, wozu Sie sie zu stilisieren versuchen, nämlich dass Arbeitgeber Prakti- Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! kanten als billige Arbeitskräfte missbrauchen. Zunächst möchte ich mich bei der FDP-Fraktion dafür be- danken, dass auch sie endlich die Bedeutung des Themas (Hermann Schaus (DIE LINKE): Schauen Sie sich erkannt und daraus eine Aktuelle Stunde gemacht hat. an, was bei den Architekten passiert! Da dauern die Praktika Jahre!) (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE)) Lieber Herr Schaus, es geht darum, dass man parallel zum Studium bzw. zur Ausbildung oder auch unmittelbar da- Wir wollen Ihnen gern dabei behilflich sein, auch bei die- nach die Möglichkeit hat, bestimmte Berufsfelder kennen- sem Thema endlich auf den rechten Weg zu kommen. Da- zulernen, gerade in Bereichen – Sie kennen ja den Kultur- zu sollten wir allerdings den ansonsten sehr geschätzten bereich in Hessen, deshalb kennen Sie auch die Diskussi- Kollegen und Kolleginnen der FDP-Fraktion erklären, was da funktioniert und was garantiert nicht funktioniert. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 987

Beginnen wir einfach einmal bei dem Titel der Aktuellen autonomie eingebettet ist. Wir stärken damit unser bewähr- Stunde. Da fängt für uns im Prinzip der Humbug schon an. tes Tarifsystem, das wesentlicher Bestandteil unserer so- Die Rede der Kollegin Beer hat es nicht wesentlich besser zialen Marktwirtschaft ist und um das uns immer noch vie- gemacht. Ich will Ihnen auch sagen, warum: Sie hat näm- le Staaten auf dieser Welt beneiden. lich völlig offen gelassen, was Sie eigentlich mit den jun- (Beifall bei der SPD) gen Menschen vorhaben. Die Kombination von Mindestlohn und Stärkung der Tarif- (Beifall bei der SPD) verträge ist wichtig und richtig, weil sie zu einer wirksa- Nach Ihrer Rede wird es nämlich dabei bleiben, dass die men Eindämmung des Niedriglohnsektors beiträgt. Frau jungen Menschen bis zu ihrem 25. Lebensjahr und darüber Kollegin Beer, die aktuelle methodisch fortgeschrittene hinaus, auch wenn sie eine Ausbildung haben, immer noch Forschung kommt übrigens zu dem klaren Ergebnis, dass mit 3,50 € bis 6,50 € abgespeist werden – nichts anderes. durch den Mindestlohn keine nennenswerten negativen Be- schäftigungswirkungen eingetreten sind – auch bei den 14 (Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus Branchen nicht, die für sich schon einen Mindestlohn ein- (DIE LINKE)) geführt haben. Es wird Sie kaum überraschen, dass wir völlig andere Vor- (Zuruf von der LINKEN) stellungen von den Zukunftschancen junger Menschen ha- ben. Das geht bei uns mit einem gerechten Ausbildungs- Im Gegenteil ist allein durch die geplante Einführung des und Schulsystem los, und es geht bei uns mit einer Garan- Mindestlohns eindeutig Bewegung in den Niedriglohnsek- tie auf qualifizierte Ausbildung weiter, und es geht darum, tor gekommen. Ich nenne zwei Bespiele: das Friseurhand- für die jungen Menschen, die studieren wollen, gute Bedin- werk und das Fleischerhandwerk. Das sind die Fakten. An gungen an den Universitäten zu schaffen. Das sind die denen sollten Sie sich einmal orientieren. richtigen Wege. (Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen (Beifall bei der SPD) (DIE LINKE)) Wir wollen nicht, dass viele junge Menschen in der End- Sie sollten das Vehikel der Zukunftschancen junger Men- losschleife „Dauerpraktikum, Befristung, Dumpinglöhne“ schen bitte nicht dazu missbrauchen, um eine sozial drin- bleiben. Wir wollen, dass sie erst gar nicht da hineingera- gend gebotene Gesetzesregelung wie den Mindestlohn hier ten. Darum geht es – auch in unserem Gesetzentwurf. mit Ihrer generell ablehnenden Haltung zu unterminieren. Kolleginnen und Kollegen der FDP und mögliche sonstige (Beifall bei der SPD) noch vorhandene Bedenkenträger im Hause, lassen Sie Es wäre in Ordnung, wenn Sie an der Stelle wenigstens sich vom Coach der Landtagself den Rat geben: Vermei- einen konkreten Vorschlag gemacht und uns gesagt hätten: den Sie künftig veraltete Standardsituationen, da fangen 18 Jahre finden wir deswegen nicht richtig, weil wir für 20, Sie zu viele Gegentore. 21, 22 oder 23 Jahre sind. – Dazu haben wir von Ihnen (Beifall bei der SPD) nichts gehört. Vergessen Sie endlich die angeblichen Selbstheilungskräf- Genau an dieser Stelle treffen wir aber auf den Kern des te der Wirtschaft. Die funktionieren nicht. Deshalb brau- FDP-Pudels. An dieser Stelle sehen wir: Sie wollen die chen wir klare und faire Regelungen. Gehen Sie endlich dringend gebotene neue Ordnung auf dem Arbeitsmarkt mit uns den Weg der Vernunft, und – ich darf an alle Frak- einfach nicht, und zwar ganz und gar nicht. Das ist die ty- tionen in diesem Hause appellieren – unterstützen Sie die pische Standardsituation für Sie von der FDP. Sie verfallen Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. – Herzlichen immer noch in den alten pawlowschen Reflex, wenn Sie Dank. die Wörter „Mindestlohn“ und „Fairness auf dem Arbeits- markt“ auch nur hören. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Aber ich sage Ihnen an dieser Stelle sehr deutlich: Wir, die Vizepräsident Frank Lortz: SPD auf Bundesebene und auch meine Fraktion in diesem Vielen Dank, Herr Kollege Decker. – Das Wort hat der Hause, wollen diese Fairness auf dem Arbeitsmarkt. Es ist Abg. Heiko Kasseckert, CDU-Fraktion. gut, dass der Gesetzentwurf endlich auf den Weg gebracht worden ist. (Beifall bei der SPD) Heiko Kasseckert (CDU): Das ist deswegen gut, weil mit der Einführung des Min- Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die destlohns schon ab dem 01.01.2015 fast vier Millionen Opposition das Thema Mindestlohn in einer Aktuellen Menschen bessere Einkommen und Lebensbedingungen Stunde aufruft, verwundert nicht wirklich. Dass wir uns als erhalten. Es ist auch gut, dass der Mindestlohn in Deutsch- CDU in der Verantwortung einer Großen Koalition in Ber- land einheitlich und flächendeckend gelten wird und dass lin vorhalten lassen müssen, dass gerade die Partei Ludwig die Tarifparteien die Gelegenheit erhalten, branchenspezi- Erhards – mit dem Anspruch, die Partei für eine freie und fisch und tarifvertraglich Übergänge zu organisieren. Wir soziale Marktwirtschaft zu sein – in dieser Diskussion ihre brauchen den gesetzlichen Mindestlohn schon deswegen, Prinzipien aufgibt, das gehört zu den Spielregeln der Poli- damit das Lohnniveau in Deutschland nicht immer weiter tik. nach unten ausfranst. Das ist der wesentliche Punkt. Gewiss finden Sie viele Aussagen aus den zurückliegenden Es ist richtig, dass die Einführung des gesetzlichen Min- Jahren, in denen Vertreter der CDU – egal ob auf Landes- destlohns in ein Maßnahmenbündel zur Stärkung der Tarif- oder Bundesebene – vor der Einführung eines Mindest- lohns gewarnt haben. Dazu muss man deutlich sagen: Die- 988 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 se Sorgen und Warnungen sind nicht deshalb vom Tisch, Wir dürfen nur nicht – das ist wichtig – das Kind mit dem weil wir in Berlin eine Große Koalition haben. Ganz im Bade ausschütten und mit einer undifferenzierten Regelung Gegenteil, sie haben Einfluss auf die schwierigen Koaliti- Arbeitsplätze gefährden, den Einstieg junger Menschen in onsverhandlungen genommen, an deren Ende – das wissen das Berufsleben erschweren oder studentische Praktika un- Sie von der FDP selbst ganz genau – Kompromisse stehen. möglich machen. Die Einführung des Mindestlohns war und ist ein solcher (Beifall bei der CDU und der FDP) Kompromiss. Die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich, wo es einen ho- (Günter Rudolph (SPD): Ein guter!) hen Mindestlohn gibt, ist für uns ein mahnendes Beispiel. Die Vorbereitungen zur Einführung des Tarifpaketes, das Deshalb setzen wir auf drei Punkte: auf einen verantwor- den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn beinhaltet, ha- tungsvollen Umgang der Tarifvertragsparteien mit diesem ben so viel Zeit in Anspruch genommen, weil es eben nicht Instrument, auch unter Berücksichtigung saisonaler und la- ganz trivial ist, allen Ansprüchen gerecht zu werden, und gebedingter Fragestellungen, auf längere Übergangsrege- weil es beim ersten Hinsehen tatsächlich einen Eingriff in lungen für einen sanften Übergang auf tarifliche Rege- die Tarifautonomie darzustellen scheint. Teile des Gesetz- lungen und auf die Bereitschaft, Fehlentwicklungen unter- entwurfs der Bundesregierung – auch das muss man deut- wegs zu korrigieren, also bei erkennbar negativen Folgen lich sagen – sind vor diesem Hintergrund durchaus mit zügig und effektiv nachzusteuern. Sorge zu sehen und machen aus unserer Sicht Anpassun- gen bei den Plänen der Bundesarbeitsministerin notwendig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so betrachtet sehen wir im Allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn einen Ausdruck Durch die Einführung kluger Stellschrauben aber, wie etwa der Wertschätzung für die geleistete Arbeit und keinen nach erstmaliger Festsetzung des Mindestlohns auf 8,50 € Grund für ein Angstszenario im Hinblick auf die Zukunft pro Stunde eine von Arbeitgebern und Arbeitnehmern pari- junger Menschen. – Vielen Dank. tätisch besetzte Mindestlohnkommission einzurichten, bleibt die Tarifautonomie bestehen. Auch die Tarifbindung (Beifall bei der CDU) von Branchen und Betrieben wird erhöht, und gute Tarif- verträge sorgen für gute Löhne. Sie sind ein Markenzei- chen des Erfolgs der sozialen Marktwirtschaft. Vizepräsident Frank Lortz: Herr Decker hat darauf hingewiesen, dass die negativen Vielen Dank, Kollege Kasseckert. – Das Wort hat die Abg. Auswirkungen auf die Arbeitsplätze sehr gering bleiben Janine Wissler, Fraktion DIE LINKE. werden. Das belegen verschiedene wissenschaftliche Stu- dien zu den bereits geltenden Branchenmindestlöhnen, und das wird auch durch die Fortschreibung des Mindestlohns Janine Wissler (DIE LINKE): auf sozialpartnerschaftlicher Basis künftig gewährleistet. Herr Präsident, meine Damen und Herren, die FDP hat die- Da es zur Stunde nur Branchenmindestlöhne gibt – im Üb- se Aktuelle Stunde beantragt, weil sie sich angeblich um rigen kamen alle bisherigen Branchenmindestlöhne in der die Zukunftschancen junger Menschen sorgt, die sie ausge- Regierungszeit von CDU-Kanzlern zustande –, ist das Ta- rechnet durch die Einführung des gesetzlichen Mindest- rifpaket sozusagen der Anschub dafür, dass die Beschäftig- lohns bedroht sieht. Wenn Sie aber junge Menschen fra- ten im Allgemeinen fair entlohnt werden, geleitet von dem gen, welche Zukunftssorgen sie haben, werden Sie wohl Ziel, dass Menschen davon leben können und Anerken- kaum hören, dass sie Angst vor dem Mindestlohn haben. nung und Wertschätzung für ihre Arbeit erhalten. Ich glau- (Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der be, in diesem Hause sollte es keinen Zweifel daran geben. SPD) In betrieblicher Hinsicht ergeben sich für die überwältigen- Wovor junge Menschen aber tatsächlich Angst haben, ist, de Anzahl von verantwortungsvollen Unternehmern, die dass sie keine Chance auf einen sicheren Job haben. Viele ihren Mitarbeitern schon heute faire und anständige Löhne Menschen kämpfen mit ständigen Befristungen, die mittel- zahlen, Mechanismen, die vor Lohndumping und wettbe- fristige Planungen oder gar eine Familiengründung unmög- werbsverzerrenden Löhnen schützen. lich machen, und viele arbeiten zu Niedriglöhnen. Liebe Frau Beer, dennoch sind Ihre mahnenden Worte da- Das wirkliche Problem ist, dass Hunderttausende in Prakti- mit nicht vom Tisch gefegt, im Gegenteil. Die Einführung ka stecken, die, wenn überhaupt, eher symbolisch bezahlt eines Mindestlohns muss mit Bedacht erfolgen, und er werden. In der Hoffnung, in ein reguläres Arbeitsverhältnis muss mit der notwendigen Weitsicht eingesetzt werden. übernommen zu werden, arbeiten sie teilweise jahrelang in Wenn wir wollen, dass unsere Wirtschaftskraft und unsere aneinandergereihten Praktika, ohne davon wirklich leben Unternehmen nicht unter einem allgemeinen gesetzlichen zu können. Mindestlohn leiden, müssen wir erkennbar Belastungen schnell aufgreifen und aus dem Weg räumen. Deshalb: Wenn sich die FDP wirklich Sorgen um die Per- spektiven junger Menschen machen würde, sollte sie ein- Dazu gehören die Regelungen für Auszubildende – Sie ha- mal eine Aktuelle Stunde zu prekärer Beschäftigung, zu ben es angesprochen –, die Regelungen für Praktikanten, Kettenbefristungen und zu Lohndumping beantragen, statt die Altersgrenze bei Jugendlichen, die Regelungen für den hier absurde Horrorszenarien zum Mindestlohn zu konstru- klassischen Zeitungsausträger, über die diskutiert wird, die ieren. Regelungen für ehrenamtlich Tätige oder auch die beson- deren Regelungen zur Beschäftigung von Langzeitarbeits- (Beifall bei der LINKEN) losen – um hier nur einige Beispiele zu nennen, die es not- Gerade erst am Montag hat das Institut für Arbeit und Qua- wendig machen, darüber nachzudenken. lifikation an der Universität Duisburg-Essen eine Studie zu den Folgen des Mindestlohns vorgestellt. Diese kommt zu Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 989 dem Schluss, dass der Mindestlohn in anderen Ländern Das sollten Sie sich einmal für sich selbst vorstellen, bevor keinerlei negative Beschäftigungseffekte hat, genauso we- Sie anderen Leuten erzählen, dass sie zu Hungerlöhnen ar- nig wie die hierzulande bereits existierenden Branchen- beiten sollen, und das auch noch als Chance verkaufen. mindestlöhne. Im Gegenteil, die Mindestlöhne seien im (Judith Lannert (CDU): Kein einziges Beispiel!) Kampf gegen das Lohndumping wichtig. Nein, die FDP sorgt sich nicht um junge Arbeitnehmer; Frau Beer, Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass junge denn die sind durch den Mindestlohn überhaupt nicht in Menschen keine Ausbildung mehr machen, weil im Gele- Gefahr. Der Mindestlohn ist vielmehr eine Gefahr für genheitsjob ein Lohn von 8,50 € pro Stunde lockt. Das Niedriglöhne und vor allem für die Gewinne derjenigen, Problem ist vielmehr, dass viele Menschen überhaupt kei- deren Geschäftsmodell genau darauf basiert, dass sie Dum- nen Ausbildungsplatz finden. pinglöhne zahlen. Sie machen sich zum Anwalt von Unter- Es ist auch ein Märchen, dass es die sogenannten Unquali- nehmen, die Dumpinglöhne zahlen und ihr Geschäftsmo- fizierten sind, die auf einen Niedriglohnsektor angewiesen dell genau darauf gründen. sind. Auch hier hilft ein Blick in die Studie: Mehr als drei (Beifall bei der LINKEN) Viertel aller Betroffenen mit Stundenlöhnen unter 8,50 € haben eine abgeschlossene Berufsausbildung, teilweise so- Deshalb sage ich: Ja, wir brauchen einen gesetzlichen Min- gar einen akademischen Abschluss. Frau Beer, die tatsäch- destlohn, und zwar ohne Ausnahmen und Schlupflöcher. lich niedrig qualifizierten jungen Menschen brauchen doch keine Billigjobs und keine schlecht bezahlten Praktika, (Beifall bei der LINKEN) sondern Ausbildungsplätze. Das fordern auch die Gewerkschaften. Es darf keine Be- (Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der schäftigten zweiter Klasse geben. Der Lohn muss von der SPD) Arbeit abhängig sein; er darf nicht vom Status abhängig sein. Deswegen muss der Mindestlohn auch für Langzeit- Statt die vermeintlichen Risiken des Mindestlohns zu be- erwerbslose und für junge Menschen gelten. Jede zusätzli- schwören, sollten Sie sich einmal mit den Risiken und Ne- che Ausnahme erschwert Kontrollen, schafft Ungerechtig- benwirkungen des Niedriglohns befassen; denn Nied- keiten und eröffnet die Möglichkeit, den Wettbewerb doch riglöhne bedeuten ein Leben in Armut und Unsicherheit, wieder nach unten zu treiben, wie es heute schon durch gerade auch im Alter. Leiharbeit und Werkverträge geschieht. Meine Damen und Herren von der FDP, ich finde es zy- Der Niedriglohnsektor hat sich in den letzten Jahren immer nisch, den Mindestlohn abzulehnen, wenn man selbst weiter ausgebreitet. Seit der Agenda 2010 hat er einen weich gebettet ist und erst gestern die eigenen Diäten er- Boom erlebt – auf Kosten der Beschäftigten. Wir reden höht wurden. heute über 8 Millionen Niedriglöhner in Deutschland. In keinem anderen europäischen Land hat sich in den letzten (Zurufe von der FDP: Oh Gott!) Jahren ein solch riesiger Niedriglohnsektor entwickelt. Es Wenn man selbst abgesichert ist, ist es sehr leicht, so dar- muss hier ein Mindestlohn geschaffen werden, um eine über zu reden. Es ist genau dieser Wohlstandschauvinis- verlässliche Untergrenze einzuziehen. mus, der die FDP zutiefst unsympathisch macht und dafür Ich komme zum Schluss. gesorgt hat, dass sie aus dem Bundestag geflogen ist. (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der FDP) Vizepräsident Frank Lortz: Frau Beer, ich finde, Sie sollten sich die Frage stellen, ob Sie bereit wären, für 5, für 6 oder für 7 € in der Stunde zu Ja, Kollegin Wissler, seien Sie so lieb. arbeiten, ob Sie jeden Morgen für ein Leben auf Sozialhil- feniveau aufstehen würden, Janine Wissler (DIE LINKE): (Clemens Reif (CDU): Und Sie?) DIE LINKE tritt seit ihrer Gründung für einen flächen- und wie es Ihnen ginge, wenn Sie den anderen beim Leben deckenden gesetzlichen Mindestlohn ein, den praktisch alle zuschauen und Ihren Kindern immer erklären müssten, Nachbarländer haben. Von einem Vollzeitjob muss man le- dass ein Kinobesuch, Eisessen oder gar ein Urlaub ein Lu- ben und später eine armutsfeste Rente beziehen können, xus ist, den Sie sich nicht leisten können. Wenn Sie und dafür reichen 8,50 € nicht aus. Der Mindestlohn muss Freundschaften verlieren würden, weil Sie sich den abend- existenzsichernd sein; denn in diesem reichen Land muss lichen Kneipenbesuch nicht mehr leisten können und sich gelten: Von Arbeit muss man leben können. schämen, das Ihren Freunden gegenüber zuzugeben. (Beifall bei der LINKEN) (Clemens Reif (CDU): Haben Sie schon einmal ge- arbeitet?) Vizepräsident Frank Lortz: Versetzen Sie sich einmal in die Lage von jemandem, der Vollzeit arbeitet und trotzdem aufstocken muss. Wenn Ar- Vielen Dank, Frau Kollegin Wissler. – Das Wort hat der beit so wenig wert ist wie Dreck, nimmt man den Men- Abg. Kai Klose, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. schen nicht nur die materielle Grundlage, sondern man raubt ihnen auch noch die Würde. Kai Klose (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall bei der LINKEN – Judith Lannert (CDU): Wo sind die Beispiele?) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Endlich kommt der Mindestlohn auch in Deutschland. Angesichts der be- schämenden Situation, dass in unserem Land viele Men- 990 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 schen trotz Erwerbstätigkeit auf Arbeitslosengeld II ange- Gestatten Sie mir, abschließend noch ein Wort zur Rolle wiesen sind, und aufgrund des dramatischen Anwachsens der FDP in dieser Frage zu sagen. Frau Beer, ich finde es des Niedriglohnsektors ist es längst an der Zeit, dass der abenteuerlich, dass hier ausgerechnet die FDP Kroko- Mindestlohn auch in Deutschland gesetzlich verankert dilstränen über die vermeintlichen Nachteile des Mindest- wird. Das ist gut so, meine Damen und Herren. lohns für Jugendliche vergießt. Sie wollen den Mindest- lohn, wie es ihn in den allermeisten europäischen Staaten (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und gibt, und damit ein Stück mehr Gerechtigkeit in diesem bei Abgeordneten der CDU) Land doch überhaupt nicht. Das haben Sie beiläufig ge- Uns GRÜNE freut das besonders, denn wir haben seit zehn sagt. Jahren für dieses Ziel gekämpft. Es ist wirklich bedauer- (Zuruf des Abg. René Rock (FDP)) lich, dass die Einführung des Mindestlohns in Deutschland so lange politisch blockiert wurde, insbesondere von der Frau Beer, es mag sein, dass Sie das heute nicht diskutie- FDP. Umso mehr begrüßen wir die für 2015 geplante Ein- ren wollen, aber es drang doch aus jedem Ihrer Sätze führung eines gesetzlichen Mindestlohns in Höhe von durch. Sie wollen den Mindestlohn überhaupt nicht; inso- 8,50 €. Wir werden ihn z. B. in unserem Hessischen Ta- fern sind Sie an dieser Stelle einfach ein schlechter Zeuge. riftreue- und Vergabegesetz verankern. – Vielen Dank. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU) Wir brauchen den Mindestlohn als Haltlinie gegen Lohn- dumping und für einen fairen Wettbewerb. Von ihm kön- nen fünf Millionen Beschäftigte profitieren, darunter über- Vizepräsident Frank Lortz: proportional viele Frauen. Deshalb geht der Gesetzentwurf der Bundesregierung nach unserer Auffassung grundsätz- Vielen Dank, Kollege Klose. – Ich frage, ob noch jemand lich in die richtige Richtung. das Wort wünscht. – Dann kommt Herr Minister Al-Wazir. Bitte sehr. Meine Damen und Herren, es ist schon ein Fortschritt, dass wir inzwischen, jedenfalls überwiegend, nicht mehr über das Ob, sondern über das Wie der Einführung des Mindest- Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Ver- lohns diskutieren. Wir GRÜNE haben gleichwohl einige kehr und Landesentwicklung: Kritikpunkte an dem Gesetzentwurf, was beispielsweise die Zusammensetzung der Mindestlohnkommission oder Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! die Evaluationsfristen betrifft. Wir haben auch durchaus Ich glaube, wir haben in der Debatte gemerkt, dass der die Hoffnung, dass sich an diesen Punkten noch etwas tut. Mindestlohn jetzt vor der Tür steht und dass die FDP diese Aktuelle Stunde beantragt hat, weil – das hat Herr Abg. Aktuell wird aber, das ist auch heute der Fall, insbesondere Klose gerade ausdrücklich und zutreffend gesagt – sie den über die Ausnahmen vom Mindestlohn diskutiert, die ver- Mindestlohn überhaupt nicht will. Es ist aber so, dass sich schiedenerseits gefordert werden. In die Debatte geworfen alle im Bundestag vertretenen Fraktionen für einen Min- sind derzeit z. B. Ausnahmen für Studierende, für Rentne- destlohn ausgesprochen haben. Ich glaube, dass das unter rinnen und Rentner, für Minijobberinnen und Minijobber, dem Strich für die soziale Marktwirtschaft in Deutschland für Zeitungsausträgerinnen und Zeitungsausträger, für Sai- gut ist. sonarbeitskräfte, für Taxifahrerinnen und Taxifahrer oder Langzeitarbeitslose. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jenseits der rechtlichen Zweifel, die wir, wie wir wissen, Wenn man sich einmal überlegt, worin denn das Verspre- an der pauschalen Ausnahme großer Gruppen haben müs- chen der sozialen Marktwirtschaft besteht, dann ist es sen, müssen wir doch vor allem eines sehen: Entscheidend durchaus so, dass sich das in den Sechzigerjahren einmal für die Wirkungskraft des Mindestlohns ist seine Reich- in einem Satz niedergeschlagen hat, der da heißt: Leistung weite. Je mehr Ausnahmen zugelassen werden, desto weni- muss sich lohnen. ger kann er als Schutz vor Lohndumping dienen. Wir haben in Deutschland einen sehr großen Niedriglohn- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bereich, in dem sich Leistung in den letzten Jahren eben nicht gelohnt hat. Menschen haben zwar Vollzeit gearbei- Die Ausnahme großer Gruppen vom Geltungsbereich des tet, mussten aber am Ende des Monats zum Amt gehen und Mindestlohns birgt gerade im Gegenteil die Gefahr, dass er um staatliche Unterstützung bitten. Das ist unterm Strich systematisch unterlaufen werden kann und ein neuer Nied- für die soziale Marktwirtschaft in Deutschland keine gute riglohnsektor unterhalb des Mindestlohns entsteht. Das Nachricht, sondern eine Gefahr gewesen. Ich glaube, dass wollen wir nicht. ein Mindestlohn von 8,50 € Deutschland am Ende nicht (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weniger wettbewerbsfähig machen wird, sondern dass er ein wirkungsvolles Instrument ist, um die Löhne am unte- Aber wir GRÜNE finden es richtig, keinen Anspruch auf ren Ende der Skala anzuheben und damit klar zu machen, den Mindestlohn für Lehrlinge, Ehrenamtliche und Prakti- dass die Idee der sozialen Marktwirtschaft nicht nur Zu- ka im Rahmen von Schule, Ausbildung oder Studium zu kunft hat, sondern auch mit neuem Leben gefüllt wird. verankern. Für Praktika nach dem Ausbildungs- und Studi- enabschluss muss der Mindestlohn aus unserer Sicht dage- Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu gehört aber gen auch gezahlt werden. Deshalb muss sehr behutsam ab- auch, dass man das mit Augenmaß macht. Dazu will ich in gewogen werden, welche Ausnahmen man vom Mindest- Richtung der Linkspartei ausdrücklich sagen: Wer dann lohn definiert. mit Ideen um die Ecke kommt, sofort über 10, 12 oder 13 € pro Stunde zu reden, würde am Ende alle Vorurteile erfül- len. Er würde am Ende wirklich in Gefahr kommen, dass Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 991 ein solcher Mindestlohn, wenn er denn zu hoch angesetzt (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – wird, all die negativen Effekte haben könnte, die von den Wolfgang Decker (SPD): Ja, das ist Ausbeutung!) Gegnern immer vorgebracht werden. Deswegen würde ich jetzt wirklich vorschlagen, dass wir Vizepräsident Frank Lortz: mit 8,50 € pro Stunde beginnen. Am Ende müssen die Ta- rifparteien in der Mindestlohnkommission natürlich auch Herr Minister, seien Sie so gut und denken an die Redezeit die Auswirkungen beachten, um zu sehen, ob man nach- und an das Fußballspiel. steuern muss. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Ver- bei Abgeordneten der CDU) kehr und Landesentwicklung: Was bei der Debatte in Deutschland ein bisschen schwierig Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Natürlich wer- ist, ist der ständige Alarmismus, also beständig ist alles ka- den wir gemeinsam ganz genau beobachten müssen, ob es tastrophal und fatal. unerwünschte Nebeneffekte gibt. Aber ich sage ausdrück- (Clemens Reif (CDU): Ja, ständig der Untergang!) lich: Ein Mindestlohn macht nur dann Sinn, wenn er nicht so viele Umgehungstatbestände beinhaltet, dass er keine – Ja, ich habe die Rede von Frau Kollegin Beer genau ge- Wirkung entfalten kann. hört. – Vielleicht können wir doch einmal sagen: Es gibt jetzt eine Übereinkunft, wo alle im Deutschen Bundestag Lassen Sie uns das jetzt beginnen, und dann werden wir sagen: „Wir fangen damit an“, und natürlich werden wir schauen, ob die ganzen alarmistischen Reden am Ende des sehen müssen, ob Teile der alarmistischen Forderungen, Tages Wirklichkeit werden. Ich bin davon überzeugt, dass der an die Wand gemalten Kassandrarufe, Realität werden der Mindestlohn am Ende eine gute, eine positive Auswir- oder nicht. kung auf den Wirtschaftsstandort Deutschland haben wird. – Vielen Dank. (René Rock (FDP): Sie müssen die Augen aufma- chen!) (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bin davon überzeugt, dass es am Ende nicht der Fall sein wird. Ich will ausdrücklich sagen – eigentlich lautet der Titel der Aktuellen Stunde: „Was passiert mit jungen Vizepräsident Frank Lortz: Menschen?“ –: Ich glaube, dass es richtig ist, dass die Aus- Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt keine weiteren bildung an sich davon nicht erfasst wird. Ich bin auch da- Wortmeldungen. Damit ist Tagesordnungspunkt 67 erle- von überzeugt, dass es den Jugendlichen und den Eltern digt. sehr bewusst ist, dass ein kurzfristiger Mehrverdienst in ei- nem Aushilfsjob zulasten einer nachhaltigen Qualifikation Ich rufe Tagesordnungspunkt 68 auf: teuer erkauft wäre. Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN be- (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE treffend eine Aktuelle Stunde (Woche der Entschei- GRÜNEN) dung im Bundestag – auch das neue EEG muss den Die Landesregierung wirbt darum, dass es rationale Ent- Ausbau der erneuerbaren Energien in Hessen fördern scheidungen gibt. „Rationale Entscheidungen“ heißt: Es ist und nicht bremsen) – Drucks. 19/538 – immer besser, einen Ausbildungsberuf zu erlernen und ei- Das Wort hat Kollege Frank-Peter Kaufmann, BÜNDNIS ne Ausbildung abzuschließen, als in einem Aushilfsjob zu 90/DIE GRÜNEN. sein. Wir fördern dies mit zahlreichen Maßnahmen wie mit dem Ausbau der Berufsorientierung in den Schulen, mit der Verbesserung des Übergangs von der Schule in den Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beruf und mit der Optimierung der Ausbildungsplatzver- mittlung. An diesem Punkt will ich auch sagen: Wir wollen Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! auch einen neuen Anlauf starten für bessere Rahmenbedin- Selten war eine Aktuelle Stunde so aktuell wie diese, denn gungen – mit einem neuen Bündnis für Ausbildung in Hes- wir befinden uns unmittelbar in genau der Woche, in der sen. Ich bin davon überzeugt, dass wir es damit hinbekom- die Beratungen im Deutschen Bundestag stattfinden. Am men, mehr jungen Leuten eine Chance auf eine qualifizier- Dienstag hat sich der Ausschuss ausgiebig mit dem Thema te Ausbildung zu geben. befasst. Wie Sie alle wissen, steht das Thema morgen in Berlin auf der Plenartagesordnung. Es ist damit zu rech- (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE nen, dass das Gesetz verabschiedet wird. GRÜNEN) Insoweit ist die erste Kritik an das Verfahren zu richten. Ich setze auch darauf, dass wir, was die Praktika angeht, Wir haben hier eine Vorgehensweise, die von allen Seiten, natürlich Ausnahmen in diesem Gesetz haben werden, die selbst von denjenigen, die in Berlin in Regierungsverant- auch sinnvoll sind. Alle Praktika, die gesetzlich vorge- wortung stehen, skeptisch, wenn nicht sogar kritisch beur- schrieben sind, sind ausgenommen, also im Rahmen von teilt wird. Unsere Aktuelle Stunde soll so etwas wie die Schule und Studium. Alle Praktika, die weniger als sechs Funktion des Nebelhorns übernehmen. Die Berlinerinnen Wochen lang dauern, sind ebenfalls ausgenommen. Es ist und Berliner im Parlament sind in einem Zustand, in dem so, da müssten wir uns eigentlich einig sein, dass Praktika, sie nicht den Durchblick haben, gleichwohl das Gesetz be- die teilweise über Jahre gehen und nicht vergütet werden, schließen werden. Da kann man die Warnung nur mög- in Zukunft natürlich nicht mehr möglich sein werden, weil lichst laut aussprechen. das ein Ausweichtatbestand wäre, den wir alle miteinander nicht wünschen können. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 992 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Meine Damen und Herren, in der Presse ist der schöne jetzt unter anderen Bedingungen abschließen, als sie ur- Satz, der Bismarck zugeschrieben wird, zitiert. Ich darf ihn sprünglich wollten. auch hier benutzen. Er lautet: Meine Damen und Herren, die Zeit läuft davon, das Ge- Je weniger die Leute wissen, wie Würste und Ge- würge über die Eigenstromerzeugung würde einen eigenen setze gemacht werden, desto besser schlafen sie. Setzpunkt erfordern. Dazu kann ich aus Zeitgründen nicht mehr vertieft Stellung nehmen. Ich darf Ihnen aber eines (Heiterkeit – Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE sagen: Man muss schon daran erinnern, dass der Bundes- GRÜNEN) wirtschaftsminister und Parteivorsitzende der SPD offen- Warum sage ich das? – Ein Änderungsantrag von 204 Sei- sichtlich aus seinem Korsett nach dem Motto „Kohleförde- ten ist durch den Ausschuss gepeitscht worden und steht rung an vorderer Stelle“ nicht so ganz herauskommt, weil jetzt zur Verabschiedung an. Das ist nicht das, was uns al- die erneuerbaren Energien und ihre Fortentwicklung mit len in der Koalitionsvereinbarung in Berlin zum Thema diesem Gesetzentwurf nicht besonders gefördert werden. EEG versprochen worden ist, nämlich ein geordnetes Ver- Das kann man nur bedauern. fahren. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- (Zuruf des Abg. Michael Boddenberg (CDU)) ruf des Abg. Gerhard Merz (SPD)) Deshalb wird man wohl davon ausgehen müssen, dass eine In Hessen haben wir in unserer Koalitionsvereinbarung ei- Reparaturgesetzgebung sehr bald wird folgen müssen. Das ne klare Linie gezogen. Die werden wir auch weiterziehen. Thema ist im Hessischen Landtag bereits mehrfach behan- Da werden wir am Ende auch Erfolg haben, so viele Knüp- delt worden. Wir erinnern uns daran, es hat am 1. April ei- pel uns Herr Gabriel und seine SPD auch zwischen die ne Sonderministerpräsidentenkonferenz stattgefunden, Beine werfen werden. – Vielen Dank. über die der Ministerpräsident am 02.04. im Plenum aus- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und giebig berichtet hat. Danach hat in den Gremien eine ganze bei Abgeordneten der CDU) Menge an Debatten stattgefunden, die nicht so sehr im Fo- kus der Öffentlichkeit stehen, aber dennoch wichtig sind. Die Einwände und Vorträge aus dem Deutschen Bundesrat Vizepräsident Frank Lortz: wurden von der Bundesregierung überwiegend zurückge- wiesen. Da kann man nur sagen: Das ist alles ein sehr hek- Vielen Dank, Kollege Kaufmann. – Das Wort hat Herr tisches und keineswegs geordnetes Verfahren. Abg. Gremmels, SPD-Fraktion. Aus hessischer Sicht ist die Vorlage des Gesetzentwurfs (Clemens Reif (CDU): Ach du liebe Zeit!) nicht ganz so schlimm, wie zwischenzeitlich zu befürchten – Meine Damen und Herren, bitte keine Kommentare, war. Sie ist aber keineswegs erfreulich. Insofern lohnt es wenn ein Redner zum Rednerpult geht. Darauf hatten wir sich, den Aufruf an den Deutschen Bundestag zu richten: uns verständigt. Das gilt für alle, auch für die Veteranen in Ihr könnt das noch deutlich besser machen. unseren Reihen. Ich bitte, darauf zu achten. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auf jeden Fall sollte man nicht versäumen, den Einsatz des Timon Gremmels (SPD): Ministerpräsidenten und des stellvertretenden Ministerprä- sidenten dafür zu loben, dass wenigstens der gröbste Unfug Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! im Gesetzentwurf gestrichen werden konnte. Besser ge- Ich halte die Zwischenrufe alle aus, weil ich auch ein worden ist jetzt zum einen das Referenzertragsmodell und großer Zwischenrufer bin. zum Zweiten, dass der Nettozubau von 2.500 MW und Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der Novellie- nicht der Bruttozubau bewertet wird. rung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, das morgen im Leider nicht besser geworden sind die beiden Punkte, auf Bundestag verabschiedet wird, gibt es in der Tat Licht und die ich noch eingehen werde, der Vertrauensschutz für die auch Schatten. Allerdings muss man sagen, dass die Aus- Investoren, Stichwort: Stichtagsregelung, und die Frage gangslage für diese Reform mit einem Koalitionspartner der Eigenstromerzeugung. Meine Damen und Herren, das auf Bundesebene, der zur Energiewende eher ein taktisches könnte man noch ändern. Das Erneuerbare-Energien-Ge- Verhältnis hat, und einer schwarz-gelben Vorgängerregie- setz soll ja den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern rung, die die Energiewende vor die Wand gefahren hat, und nicht bremsen, wie unser Titel heißt. Der vorliegende (Beifall bei der SPD – Jürgen Frömmrich (BÜND- Gesetzentwurf macht es genau anders herum: Er fördert NIS 90/DIE GRÜNEN): Es waren immer die ande- weniger und bremst mehr. ren!) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sowie einer EU-Kommission, für die die Förderung der er- Schon in der der Koalitionsvereinbarung war im Hinblick neuerbaren Energien schon immer ein Dorn im Auge war, auf den Vertrauensschutz Böses zu ahnen gewesen. Wir sich sehr schwierig gestaltete. Es war wirklich eine sehr müssen heute konstatieren, dass der sogenannte Stichtag schwere Ausgangslage. Das muss an dieser Stelle ziemlich 23. Januar 2014 nach wie vor im Gesetz steht. Man kann deutlich gesagt werden. Herrn Gabriel nur sagen, er vergisst dabei wohl offensicht- (Beifall bei der SPD) lich, dass nicht die formale Genehmigung der Beginn eines solchen Verfahrens ist, sondern der Beginn weit vorher Allerdings kann man aus der Sicht von Hessen, einem Bin- liegt, weil zwingend notwendige technische Planungen und nenland, sagen, dass die Onshoreförderung und die Solar- Gutachten erstellt werden müssen. Alle Vorhaben, die in industrie mit dem, was morgen im EEG verabschiedet wer- dieser Phase stecken, aber bis zum 23. Januar noch keine den wird, nicht zufrieden sein können. Das muss man an Genehmigung hatten, sind die Gelackmeierten, weil sie dieser Stelle sagen, weil wir im Hessischen Landtag dafür Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 993 da sind, die hessischen Interessen zu wahren. Sehr viele Er hat hier Konzepte erarbeitet und so viel Verantwortung, der derzeit in Planung befindlichen Windkraftprojekte sind dass ich erwarte, dass man auch dazu steht. Eine öffentli- durch die künftig etwas niedrigere Förderung nicht mehr che Distanzierung von Ihrem Parteifreund Rainer Baake wirtschaftlich zu betätigen. habe ich aber noch nicht wahrgenommen. Sehr geehrter Herr Kollege Kaufmann, zur Wahrheit der (Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- Verhandlungen der letzten Tage gehört auch, dass die SPD ten) sehr wohl auf Bundesebene Angebote unterbreitet hat, die Ich sage Ihnen noch etwas. Auch der Ministerpräsident der Stichtagsregelung zu verschieben. Das ist an der CDU auf GRÜNEN, Herr Kretschmann, hat eine sehr unrühmliche Bundesebene gescheitert. Das gehört zur Wahrheit. Rolle bei dieser Verhandlung gespielt. (Beifall bei der SPD – Jürgen Frömmrich (BÜND- (Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU und dem NIS 90/DIE GRÜNEN): Es waren immer die ande- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ren!) Wenn am 2. April bei der Zusammenkunft der Ministerprä- Die Arbeitsteilung des Ministerpräsidenten war, hier vor sidenten in Berlin bei der Kanzlerin Herr Kretschmann so- Ort Bundesratsinitiativen zu starten und in Berlin als stell- zusagen allen Verhandlungen einen Freibrief erteilt, vertretender Bundesparteivorsitzender der CDU diese zu konterkarieren. Mit diesem Zwiespalt muss der Minister- (Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- präsident leben. Dieses Angebot lag auf dem Tisch, ist aber ten) an der CDU gescheitert. dann schwächt das diejenigen, die um eine Verbesserung (Beifall bei der SPD) der Gesetzeslage gekämpft haben. Gelungen ist, darüber sind wir in der Tat erfreut, dass bei (Beifall bei der SPD) der Frage der PV-Eigenstromnutzung künftig kleine Haus- dachanlagen bis 10 kWp ausgenommen sind. Das ist insbe- Ich zitiere einmal. Im Anschluss an den 2. April gab es ei- sondere auch das Verdienst von Thorsten Schäfer-Gümbel, ne Bundespressekonferenz. Herr Kretschmann sagte dort: der in den letzten Tagen sehr viel verhandelt und Einfluss Es war in der Tat wichtig, die Kosten der Umlage zu genommen hat. Insofern ist das der richtige Weg. stabilisieren und gleichzeitig aber die Energiewende Bei größeren PV-Eigenstromanlagen haben wir eine Staf- nicht auszubremsen. Ich glaube, das ist uns ganz gut felung, dass bis zum Jahr 2017 nur 40 % gezahlt werden gelungen. müssen. Das ist ein richtiges Signal. Wobei ich auch ziem- Das sagte Winfried Kretschmann, Ministerpräsident der lich deutlich sage: Eine Zahlung der EEG-Umlage auf GRÜNEN, am Tag nach der Verhandlung mit Frau Merkel selbst produzierten Strom ist insgesamt eher eine Strafzah- zum Energiekonsens. Sie von den GRÜNEN tragen also lung als ein Anreiz für erneuerbare Energien. eine Mitverantwortung, meine sehr verehrten Damen und (Beifall bei der SPD) Herren. An dieser Stelle können Sie sich nicht so billig vom Acker machen. Wir als hessische SPD hätten uns etwas anderes ge- wünscht. Insbesondere die nordhessische Solarindustrie (Beifall bei der SPD – Zurufe von dem BÜNDNIS und den Mittelstand mit Tausenden von Arbeitsplätzen 90/DIE GRÜNEN) stellt das vor sehr große Herausforderungen. Das muss an Ich sage Ihnen auch, dass diese Reform des EEG die Ener- dieser Stelle auch gesagt werden. giewende nicht aufhalten kann und nicht aufhalten wird – Was mich aber an dieser Stelle richtig ärgert, Herr Kauf- sie wird sie in der Tat verschleppen, das sehe ich auch mann, ist die Doppelzüngigkeit der GRÜNEN. so –, sie wird von den Menschen akzeptiert und ist aus meiner Sicht eine große Chance, dezentrale erneuerbare (Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Energien vor Ort zu fördern. Oh!) Wenn das EEG verabschiedet sein wird, haben wir endlich Das muss an dieser Stelle deutlich gesagt werden. Politi- wieder die Zeit, den Fokus auf Hessen zu legen, weil unse- sche Verantwortung trägt natürlich der Minister Sigmar re Landesregierung hier handeln muss. Auch hier werden Gabriel; das ist gar keine Frage. Dazu stehen wir, und Ga- Frau Hinz als Naturschutzministerin und Herr Al-Wazir als briel steht ebenfalls dazu. Aber sein Staatssekretär als Va- Landesplanungsminister gefordert sein, dafür zu sorgen, ter der Reform ist Rainer Baake. dass das 2-%-Ziel bei der Windenergie umgesetzt werden kann. Da liegt der Fokus ab August wieder auf Hessen, (Zuruf von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: und da müssen Sie als Landesregierung endlich einmal Ih- Aha!) re Hausaufgaben machen. – Vielen Dank. Der ist in Hessen kein Unbekannter. Er war hier Staatsse- (Beifall bei der SPD) kretär unter Joschka Fischer. (Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- Vizepräsident Frank Lortz: ten) Vielen Dank, Herr Kollege Gremmels. – Das Wort hat der – Anscheinend habe ich die GRÜNEN getroffen, wenn sie Abg. Peter Stephan, CDU-Fraktion. jetzt so dazwischenrufen. – Und er war auch der Chefbera- ter von Tarek Al-Wazir beim Hessischen Energiegipfel. Peter Stephan (CDU): (Beifall bei der SPD – Florian Rentsch (FDP): Na sowas! – Weitere Zurufe) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst an Sie, Herr Kaufmann: Ihr Beitrag und die ganze Diskus- 994 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 sion zeigen, dass die GRÜNEN in Hessen klüger sind als Zur Umlage auf den selbsterzeugten Strom: Einerseits die GRÜNEN in Berlin; denn Sie haben sich in Hessen den muss man sagen, dass eine gewisse Solidarität natürlich richtigen Partner gesucht, um die Energiewende zu betrei- dazugehört. Andererseits müssen wir sehr, sehr genau auf- ben, während die GRÜNEN in Berlin einfach zuschauen. passen, welche Auswirkungen dies auf die Industrie hat Darüber sollten Sie einmal mit ihren Kollegen in Berlin re- und vor allem auf diejenigen, die Strom und Wärme für den, wenn sie denn ordentliche Politik machen wollen. sich selbst produzieren. (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Frau Merkel warnt in diesem Zusammenhang vor einer GRÜNEN – Lachen und Zurufe von der SPD) Zerschießung des EEG durch Brüssel. Wir müssen Herrn Energiekommissar Oettinger unterstützen, der für uns als Ich bin mir aber einig mit Ihnen, dass wir gemeinsam die Deutsche in Brüssel Positionen vertritt, wenn er diese Energiewende in Hessen voranbringen können, Herr Kauf- Energiewende und die Energiepolitik insgesamt auf euro- mann. päische Füße stellen will. Aber wir müssen ihn auch davor (Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- warnen, die Energiewende in Deutschland auf dem Altar ten) Brüsseler Bürokratie zu opfern. Wir können sie in Hessen so voranbringen, wie wir sie ein- Wir wissen, dass jetzt die Fotovoltaik im Ausbau gebremst mal im Energiegipfel beschrieben haben, aber auch – – werden könnte. Darüber haben wir hier schon lange und oft diskutiert. Aber die Befreiung für Häuslebauer halte ich für wichtig; denn damit kann jeder in seinem eigenen Haus Vizepräsident Frank Lortz: weiterhin Fotovoltaik zur Eigenstromproduktion einsetzen. Einen Moment, Herr Kollege. – Meine Damen und Herren, Bei den energieintensiven Unternehmen sind die Befreiun- ich bitte um Aufmerksamkeit. gen auf das Volumen der vergangenen Jahre gedeckelt worden. Das wird an der einen oder anderen Stelle schon zu Problemen führen. Davor dürfen wir nicht die Augen Peter Stephan (CDU): verschließen. Wir müssen auch sehr sorgfältig auf die Die Energiewende in Hessen werden wir so umsetzen, wie Übergangsregelungen in diesem Bereich achten, wie sie auf unserem Energiegipfel und in den Koalitionsvereinba- ausformuliert sind. rungen beschrieben, auch mit dem neuen EEG. Die Sorge um die Arbeitsplätze in energieintensiven Unter- Schauen wir zurück; denn es ist keine Diskussion der letz- nehmen nimmt uns das neue EEG nicht. Wir müssen dort ten Wochen, sondern sie hat begonnen, als Minister Alt- weiterhin am Ball bleiben. Aber insgesamt wird auch eines maier von etwa eineinhalb Jahren zum ersten Mal über ei- der Ziele verfolgt, das wir in der Koalitionsvereinbarung ne Strompreisbremse gesprochen hat. Seit dieser Zeit ist festgehalten haben, nämlich das EEG mehr in Richtung das EEG Thema. Dass es zum Schluss eines Gesetzge- Marktwirtschaft zu führen. Mit dem Ausschreibungsver- bungsverfahrens immer hektisch zugeht, ist nicht nur bei fahren ab 2017 wird der Weg zu mehr Marktwirtschaft ein- diesem EEG so. geschlagen, und irgendwann werden wir das EEG nicht mehr brauchen, weil die Energiewende zu regenerativen In der Summe sage ich: Grundsätzlich ist es richtig, was Energien beendet sein wird und wir dann eine neue Ener- morgen in Berlin wohl beschlossen wird. Natürlich gibt es giepolitik haben. im Einzelfall Kritik. An dieser Stelle darf ich mich dem Lob für unsere Landesregierung anschließen, an Herrn Kolleginnen und Kollegen, insgesamt sind wir auf einem Staatsminister Al-Wazir und Herrn Ministerpräsidenten guten und verlässlichen Weg. Die Bremse des Anstiegs der Volker Bouffier, die doch noch das eine oder andere für EEG-Umlage ist eingeleitet und findet statt. Die energiein- uns haben erreichen können. tensiven Unternehmen haben Befreiungen, wir haben einen verlässlichen Ausbaupfad für die Zukunft. Wir haben die (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Chancen für unser Land, diese Energiewende schaffen und GRÜNEN – Florian Rentsch (FDP): Was denn?) den Erfolg dann auch in den folgenden Jahren einfahren zu Ich sage weiter: Was gut für die Bürgerinnen und Bürger können. in Hessen ist, ist, dass der Anstieg der EEG-Umlage laut (Norbert Schmitt (SPD): Dazu habt ihr ja den richti- Schätzungen sehr moderat ausfällt, manche gehen auch gen Koalitionspartner!) von einem Rückgang aus. Das ist eine ganz wichtige Vor- aussetzung, um die Akzeptanz der Energiewende weiter zu Ich glaube, die gemeinsame Positionierung von CDU und steigern. GRÜNEN in Hessen, aber auch in Berlin unter der CDU- geführten Koalition, wird uns in eine bessere Energiezu- Wichtig und richtig im Sinne der Industrie sind auch die zu kunft führen. beschließenden Ausnahmeregelungen bzw. Befreiungstat- bestände, die mit Einschränkungen im Wesentlichen fort- Ich möchte mit der Feststellung schließen, dass das neue geführt werden können. Dieses EEG muss jetzt beschlos- EEG die Energiewende in Hessen zwar nicht massiv be- sen werden, damit sie beantragt werden können. schleunigt, aber auch nicht massiv bremst. Wir werden in Hessen das Beste aus dem neuen EEG machen. – Vielen Die Windenergie in Hessen ist angesprochen worden. Ja, Dank. dort gibt es Bremsen beim Ausbau. Nichtsdestotrotz wer- den wir auch in Hessen die Verdopplung der Stromproduk- (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE tion mit dem neuen EEG erreichen können. Auch Biogas- GRÜNEN) anlagen sind heftig umstritten. Auch dazu können wir sa- gen, dass es zwar Einschränkungen gibt, sie insgesamt aber bestehen bleiben. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 995

Vizepräsident Frank Lortz: man liest, was beschlossen werden soll, stellt man fest: Ge- nau das Gegenteil macht er. Vielen Dank, Kollege Stephan. – Das Wort hat der Abg. René Rock, FDP-Fraktion. Sie haben hier einen Minister, der wirft Nebel. Man weiß nicht mehr, wohin er läuft. Er irrt in seinem Nebel herum. Liebe GRÜNE, bei diesem Nebelminister in Berlin, der René Rock (FDP): nicht genau weiß, wohin er will, ob er jetzt sparen will, ob Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Lieber er erhöhen will, ob er die Industrie schützt oder einen Aus- Herr Gremmels, Sie werden noch oft hier stehen und Pi- gleich schafft, ob er das EEG fördert oder die Umlage sen- rouetten drehen, wie wir es heute mit ihrem „nordrhein- ken will – egal, wo er hinkommt, eine neue Botschaft. westfälischen“ Wirtschaftsminister Gabriel erlebt haben, Liebe GRÜNE, dieser Nebelwerfer in Berlin hat jemanden daran werden Sie sich gewöhnen können. am Abzug sitzen. Am Abzug dieses Nebelwerfers sitzt (Zuruf des Abg. Timon Gremmels (SPD)) Herr Baake; das haben wir heute schon gehört. Er ist derje- nige, der die Nebelkanone ausrichtet, befüllt und abfeuert. Wir werden dann schmunzelnd zuschauen, wie Sie sich an Das ist ein GRÜNER, daraus können Sie sich nicht heraus- dieser Übung abarbeiten. winden. Das ist genau das, was wir hier erleben: Nebel, (Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) – Anhalten- Nebelwerfer und Leute am Abzug, de Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten) (Beifall bei der FDP – Jürgen Frömmrich (BÜND- Lieber Herr Kaufmann, Sie als Nebelhorn des EEG – da NIS 90/DIE GRÜNEN): Der nebelpolitische Spre- musste ich schon schmunzeln, als ich Ihre Rede gehört ha- cher der FDP!) be. Sie sagten, fünf Minuten würden nicht reichen, um die statt dass Sie die energiepolitischen Realitäten ernst neh- Ausführungen zu machen, die Sie gern gemacht hätten. men, statt dass Sie akzeptieren, dass die Kosten immer Aber in diesen fünf Minuten haben Sie doch gar nichts ge- weiter weglaufen. Wenn das, was Gabriel macht, einiger- sagt. Ich weiß gar nicht, wofür Sie mehr Zeit gebraucht maßen funktioniert und Sie ein Jahr lang die Kosten dämp- hätten. fen können, dann sind das immer nur Einmaleffekte, die (Beifall bei der FDP) Sie auf den Weg gebracht haben, sonst nichts. Da kann ich nur sagen: Das ist keine nachhaltige Politik. Sie haben die Lieber Herr Kaufmann, Sie wollten sich dafür loben, was physikalische, die ökonomische und auch die Realität in die Landesregierung oder die GRÜNEN noch beim EEG der Bevölkerung nicht mehr vor Augen. eingebracht haben. Aber Sie haben nichts eingebracht, dar- um war auch das Backenaufblasen beim Nebelhorn die Darum kann ich nur hoffen, dass in diesem Nebel, in dem beste Leistung, aber es kam kein Ton heraus – nur ein Pfei- sich Herr Gabriel befindet und in den Herr Baake immer fen und sonst nix. mehr Nebel hineinschießt, Herr Gabriel aus Zufall viel- leicht irgendwann einmal doch in die richtige Richtung Kretschmann und Al-Wazir haben in Berlin doch gar läuft. Das wäre mein Wunsch an dieser Stelle. Ansonsten nichts auf die Reihe gebracht von dem, was Sie hier ver- bleibt von dieser Aktuellen Stunde Nebel und nichts. kündet haben. Ich bin dankbar, dass es nicht geklappt hat. Aber sich hierhin zu stellen und so zu tun, als ob die GRÜ- (Beifall bei der FDP – Zurufe von der SPD) NEN eine Leistung vollbracht hätten, dazu kann ich nur sa- An meine Freunde von der Union: gen: völlig außer Realität. (Heiterkeit bei der CDU) (Beifall bei der FDP) Herr Stephan, Sie sagen, die Brüsseler Bürokratie stoppt Eigenstrom – nichts erreicht. Stichtag – nichts erreicht. die Energiewende. – Nein, das ist nicht die Brüsseler Büro- Von daher: Sich als GRÜNE hier für etwas loben, was man kratie, es ist auch nicht der Energiekommissar Oettinger, nicht getan hat – vielen Dank. sondern das ist das Wettbewerbsrecht in Brüssel. Das ist Um in Ihrem Bild zu bleiben – Nebel, Sie als Nebelhorn in das, was der gute Teil der EU ist. Das ist der Teil, der Ih- dem großen Nebel –: Der große Nebelwerfer ist natürlich nen in der Energiewende beim EEG in den Arm fällt, und Sigmar Gabriel. So ist es. Er ist der Nebelwerfer in Berlin das ist richtig so. Die müssen richtig ziehen am Arm, so- beim Thema EEG und Energiewende. dass von Brüssel aus das EEG ausgehebelt wird, sodass wir wieder einen Wettbewerb haben, dass wir auf dem Wir haben gedacht, als Gabriel Wahlkampf gemacht hat Energiesektor wieder Vernunft haben. und als er als Minister angetreten ist, er hätte es ein bisschen verstanden. Er hat den Menschen gesagt, dass er Dahin müssen wir, und dafür war die Aktuelle Stunde auch sich dafür einsetzen will, dass die Energiekosten sinken. Er gut. Beschweren Sie sich nicht über die Leute in Brüssel, hat den Menschen gesagt, er will die Stromsteuer abschaf- die noch nicht vergessen haben, wofür Sie auch einmal ge- fen. Er hat den Menschen gesagt, wir müssen etwas dage- standen haben. – Vielen Dank. gen tun, dass sie immer weiter von den Energiekosten be- (Beifall bei der FDP – Clemens Reif (CDU): Oh, oh, lastet werden. – Nebel geworfen. Da ist nichts übrig ge- Herr Rock!) blieben. Er ist weggetaucht. Das ist die Realität.

(Beifall bei der FDP) Vizepräsident Frank Lortz: Dann bleibt in dieser kurzen Zeit eigentlich nur noch fest- Vielen Dank, Kollege René Rock. – Das Wort hat Frau zuhalten: Er hat uns vorgemacht, er wolle den Ausbau Abg. Janine Wissler, DIE LINKE. bremsen, er würde bei 2.500 MW Zubau der Windenergie den Deckel draufmachen. – Das stimmt alles nicht. Wenn 996 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Janine Wissler (DIE LINKE): So wird die teure Ausbauförderung der letzten Jahre kon- terkariert. So wird die klimaschonende Stromgewinnung Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nach langem erst gefördert und jetzt stärker belastet, und das alles mit Hin und Her zwischen Bundesregierung, den Ländern und dem erklärten Ziel, die EEG-Umlage und damit den Strom- der EU und nach langen Verhandlungen, die bis vorgestern preis zu senken. dauerten, soll morgen die mehr als 200 Seiten dicke Novel- le des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Bundestag ver- Dabei will ich noch einmal sagen, dass es dem Boom der abschiedet werden. Die Abgeordneten haben also nicht Erneuerbaren zu verdanken ist, dass der Börsenpreis für einmal drei Tage Zeit, um sich mit den umfangreichen Än- Strom derzeit niedrig ist. Da man aber mit dem EEG 20- derungen auseinanderzusetzen. Ich meine, so führt man jährige Preisgarantien für Ökostromanlagen gegeben hat, parlamentarische Beratungen ad absurdum. steigt die Differenz zum Börsenpreis und damit die Umla- ge. Dieser Anstieg der EEG-Umlage ist aber mitnichten ein (Beifall bei der LINKEN) Beleg für das Scheitern des Systems, im Gegenteil. Es geht hier nicht um irgendein Gesetz. Die Energiewende (Beifall des Abg. Stephan Grüger (SPD)) ist ein ganz zentrales Zukunftsprojekt, und das EEG spielt dabei eine entscheidende Rolle. Angeblich geht es bei der Man sollte außerdem nicht vergessen, dass die Strompreise aktuellen EEG-Novelle darum, den Strompreis zu senken. für die Industrie niedrig sind, dass sie in den letzten Jahren Ob das gelingen wird, ist mehr als fraglich. Aber die Risi- gesunken sind und im europäischen Vergleich mit zu den ken für die Energiewende sind enorm groß. Denn wesentli- niedrigsten gehören. che Grundsätze, die bisher galten, werden infrage gestellt. (Beifall des Abg. Stephan Grüger (SPD)) Dabei – das muss man immer wieder sagen – ist das EEG Um die Strompreise zu senken, müsste man ganz andere ein großer Erfolg und diente als Vorbild für ähnliche Ge- Möglichkeiten in Gang setzen. Man müsste dafür sorgen, setze in vielen anderen Ländern. Dennoch macht der Anteil dass die Strompreisaufsicht wieder eingeführt wird, dass der Erneuerbaren erst 25 % des Strommixes aus. Das zeigt, die Stromsteuer gesenkt wird, dass es bundeseinheitliche dass der Weg noch viel zu lang ist, als dass man heute Netzentgelte gibt. Vor allem müssten die Industrierabatte schon den Bremsvorgang einleiten könnte. zulasten der Privathaushalte abgeschafft und stattdessen Ja, das EEG hat eine Lenkungsfunktion, und es ist ein Ein- Verbesserungen der Energieeffizienz in den extrem griff in den Markt. Damit wird die Macht der Energierie- stromintensiven Unternehmen gefördert werden. sen beschnitten, ihr Geschäft eingeschränkt und in die er- (Beifall bei der LINKEN) neuerbaren Strukturen umverteilt. Das war auch der Sinn des Ganzen. Oder, wie Hermann Scheer es damals sagte, Meine Damen und Herren, die Energiewende ist für uns als das EEG ist das erste Energiegesetz, das gegen die Ener- LINKE mehr als die Umstellung auf erneuerbare Energien, giekonzerne durchgesetzt wurde. sondern wir wollen einen Umbau der Energiewirtschaft. Es ist die Gelegenheit, die Macht der großen Vier zu brechen (Beifall bei der LINKEN und der SPD) und auf eine dezentrale, kleinteilige und vor allem demo- Jetzt steht die Marktintegration der Erneuerbaren ganz kratische Eigentümerstruktur umzustellen. Dazu müssen oben, was praktisch die Unterordnung der erneuerbaren wir die dezentrale Energiegewinnung weiter ausbauen und Energien unter die fossil-atomare Energiegewinnung be- öffentliches, also vor allem kommunales und genossen- deutet. Die Garantievergütung soll abgeschafft und durch schaftliches, Eigentum fördern. die verpflichtende Direktvermarktung ersetzt werden. Zu- (Beifall bei der LINKEN und des Abg. Stephan Grü- dem werden Zubaudeckel eingeführt. ger (SPD)) Meine Damen und Herren, ich glaube, damit droht nicht Der Umbau des EEG, wie er morgen im Bundestag verab- weniger als die Teilabschaffung des EEG. Ob das Gesetz, schiedet werden soll, ist eine Bremse für die Energiewen- das morgen aller Voraussicht nach verabschiedet wird, sei- de, eine Rückkehr zu den alten Strukturen und damit ein nem Namen noch gerecht wird, ist wirklich zweifelhaft. Geschenk für die alten Energiekonzerne. (Beifall des Abg. Stephan Grüger (SPD)) Wenn es so kommt, dann wird das de facto erfolgreichste Nun muss man anmerken, dass Strom und Markt hierzu- Klimaschutzgesetz der Lobbyarbeit der konventionellen lande noch nie viel miteinander zu tun gehabt haben. Jetzt Energiewirtschaft und der Schwerindustrie geopfert. Dafür sagt man, dass sich die erneuerbaren Energien behaupten tragen die Große Koalition und natürlich der zuständige sollen gegen Kohle und Atom. Aber gerade hier – beim Wirtschaftsminister Gabriel die Verantwortung. Ich finde, Generationenprojekt der Energiewende – brauchen wir wie wenig der Großen Koalition die Energiewende am Steuerungselemente, um den Vorrang für die erneuerbaren Herzen liegt, zeigt sich auch daran, dass sie Günther Oet- Energien festzuschreiben. tinger erneut als EU-Kommissar nominiert hat. Dann kam man auf die besonders skurrile Idee der soge- nannten Sonnensteuer: Wer mit seiner eigenen Solaranlage Vizepräsident Frank Lortz: Strom erzeugt und ihn selbst verbraucht, soll darauf eine EEG-Umlage bezahlen. Wer also etwas ökonomisch und Frau Kollegin Wissler, Sie müssen zum Schluss kommen. ökologisch sehr Sinnvolles tut, wird zur Kasse gebeten und quasi mit einer Strafzahlung belegt. Das ist eine absurde Konstruktion. Zwar gibt es jetzt eine Bagatellgrenze von Janine Wissler (DIE LINKE): 10 kW. Trotzdem bleibt es ein absurdes Grundprinzip. Ich komme zum Schluss. – Auch in Hessen haben wir das (Beifall bei der LINKEN) Problem, dass dieses EEG die Energiewende faktisch aus- bremsen wird. Ja, das EEG ließe sich verbessern. Es sind viele sinnvolle Reformvorschläge gemacht worden. Aber Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 997 das Gesetz, wie es jetzt vorliegt, gefährdet die Energiewen- lich ein Punkt, von dem ich glaube, dass er eigentlich das de, es bremst sie aus, und das ist eigentlich nur ein Ge- Gegenteil als Ziel haben müsste. schenk an die großen Konzerne. – Vielen Dank. (Demonstrativer Beifall des Abg. Stephan Grüger (Beifall bei der LINKEN und des Abg. Stephan Grü- (SPD)) ger (SPD)) Ich sehe einen dritten Punkt. Wer das dringend notwendige Vertrauen bei Investoren zurückgewinnen möchte, der hat Vizepräsident Frank Lortz: die Tatsache wirklich kritisch zu bewerten, dass wir wei- terhin in der Zukunft eine drohende Belastung von Be- Vielen Dank. – Herr Minister Tarek Al-Wazir. standsanlagen haben. Auch dieses ist sicherlich nichts, was insgesamt hilft. Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Ver- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und kehr und Landesentwicklung: bei Abgeordneten der CDU) Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Deswegen gibt es durchaus problematische Bereiche. Ich Vielleicht vorab: Der jetzt mühsam zustande gekommene will an einem Punkt dem Kollegen Gremmels aber wider- EEG-Entwurf ordnet den Ausbau der erneuerbaren Ener- sprechen. Es ist eher eine politische Übersprungshandlung, gien. Er dient durchaus dem grundlegenden Ziel der Ener- wenn ein Vertreter der SPD jetzt erklärt, dass die GRÜ- giewende, eine kosteneffiziente Energieversorgung mög- NEN daran schuld sind, lichst vollständig aus erneuerbaren Energiequellen sicher- (Widerspruch des Abg. Timon Gremmels (SPD)) zustellen. Es ist völlig unstreitig, dass die EEG-Reform dringend notwendig ist. dass das, was ein SPD-Minister vorlegt, falsch ist. Herr Gremmels, ich will es einmal so sagen: Ich habe Sigmar (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gabriel in allen Gesprächen als sehr selbstbewussten Mi- So weit sind wir uns sicherlich einig. Aber der Entwurf, nister wahrgenommen. der vorgestern Abend oder nachts gekommen ist, enthält (Torsten Warnecke (SPD): Das ist immer so!) durchaus weiterhin sehr problematische Einzelregelungen, wo wir uns natürlich die Frage stellen, ob das am Ende un- Ich glaube, dass er durchaus das, was er vorlegt, auch sel- serem gemeinsamen Ziel der Energiewende nützt oder in ber verantwortet. bestimmten Punkten auch schaden kann. (René Rock (FDP): Er hat es gelesen!) Es ist uns im Laufe des Verfahrens der letzten Monate ge- Ich will es einmal so herum sagen: Am Ende des Tages meinsam mit anderen Bundesländern gelungen, den gröbs- würde es bei Gesetzesvorhaben von dieser Wichtigkeit und ten Unfug zu entschärfen, der sich teilweise im Gesetzent- Größenordnung kein Minister zulassen, dass er sagt: Ei- wurf befunden hat. Ich war geradezu entsetzt, als im Laufe gentlich will ich das ja gar nicht; das war mein Staatssekre- des Verfahrens der Vorschlag enthalten war, auch bei tär. Kleinst-Fotovoltaikanlagen die EEG-Umlage jedenfalls teilweise zu erheben. Am Ende hätte der Messaufwand (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE mehr Geld gekostet, als an realen EEG-Umlagezahlungen GRÜNEN – Zuruf des Abg. Timon Gremmels eingegangen wäre. (SPD)) Es ist uns also gelungen, den gröbsten Unfug herauszube- Ich glaube, da tun Sie Ihrem Parteivorsitzenden Unrecht. kommen. Wir haben auch in der Frage Netto- statt Brutto- Wenn das, was er vorlegt, aus Ihrer Sicht schlecht ist, dann betrachtung bei den Windkraftanlagen und bei der Bemes- war es der grüne Staatssekretär; wenn es denn verbessert sung des Referenzertragsmodells gerade im Sinne unserer wird, war es die SPD – Energiewende in Hessen Verbesserungen erreicht. Das ist (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE alles richtig. Nur haben wir weiterhin zahlreiche Rege- GRÜNEN) lungen, die die Energiewende vor Ort eher behindern als fördern. meine sehr verehrten Damen und Herren, so funktioniert unsere Arbeitsteilung nicht. Ich will zwei Punkte nennen. Die Belastung der eigenen Stromerzeugung wird uns in den nächsten Jahren noch be- (Allgemeine Unruhe – Glockenzeichen des Präsi- schäftigen, weil die Gefahr besteht, dass wir beim Zubau denten) von Eigenstromerzeugungsanlagen, von Kraftwärmeanla- Ich will ausdrücklich auf Hessen zurückkommen. Wir wer- gen und erneuerbaren Energieanlagen einen Einbruch erle- den mit diesem EEG jetzt umgehen müssen. Wenn der Fo- ben werden. Ich stelle mir schon die Frage, ob das im Sin- tovoltaikzubau nicht so kommt, wie wir das berechnet ha- ne der Sicherung der Energieerzeugung und auch im Sinne ben, bedeutet das umso stärker, dass wir auf die Windkraft der Energiewende sein kann. Diese Frage muss man stel- setzen müssen. Wenn ich unsere Windkraftziele sehe, len. wenn ich unsere Ziele an Leistungen sehe, die wir brau- (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE chen, brauchen wir im Jahr 2019 eine zusätzliche Strom- GRÜNEN) menge von etwa 4,5 TWh pro Jahr durch Wind und Sonne, wenn wir die Verdopplung erreichen wollen. Wir werden in diesem Jahr – ich fürchte auch im nächsten Jahr – einen weiteren Einbruch beim Zubau der Fotovol- Das bedeutet, dass wir die installierte Windkraftleistung in taikanlagen erleben. Das ist keine Frage des Geldes mehr, den kommenden fünf Jahren nahezu verdreifachen müssen. denn wer heute eine Fotovoltaikanlage zubaut, macht das Das heißt, Jahr für Jahr müssen etwa 380 MW an Wind- zu sehr geringen Vergütungssätzen. Insofern ist das sicher- kraftleistung neu installiert werden und damit doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. 998 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Vizepräsident Frank Lortz: Markt geworfen und benannt hat. Und sie sind mehr als dramatisch. Damit ist eine Situation gegeben, das normale Herr Minister, Sie denken an die Redezeit. Spiel des Lebens zu unterbrechen, kurz inne zu halten und sich neu zu orientieren, damit wir uns angesichts der hohen Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Ver- und immer noch steigenden Flüchtlingszahlen den Fragen kehr und Landesentwicklung: stellen. Ich komme zum Schluss. Die Fragen lauten: Wie viele Flüchtlinge kann und muss die Bundesrepublik Deutschland – und damit auch unser Das ist ambitioniert. Aber das ist durchaus erreichbar. Es Bundesland – aufnehmen? Für welche Dauer und unter setzt angesichts des jetzigen EEGs, wie es sich abzeichnet, welchen Bedingungen sollen diese Flüchtlinge aufgenom- voraus, dass wir anhaltenden technischen Fortschritt bei men, betreut und integriert werden? – Schließlich geht es den Windkraftanlagen, aber auch Anpassungen – und zwar auch um die Frage, wer die Kosten für all das trägt. nach unten – bei den Pachten und bei den allgemeinen Be- triebskosten brauchen. (Vizepräsidentin Heike Habermann übernimmt den Vorsitz.) Wir müssen auch bei den Windvorranggebieten prüfen, ob wir verstärkt Gebiete einbeziehen müssen, die höhere Der Bürgerkrieg in Syrien ist nur ein Beispiel für viele an- Windgeschwindigkeiten aufweisen, die aber bisher wegen haltende Konflikte in vielen anderen Teilen des Nahen und eines möglichen höheren Konfliktpotenzials mit Natur- Mittleren Ostens und in Teilen Afrikas. Die Armutswande- schutzbelangen nicht näher betrachtet werden. Wir werden rung aus allen möglichen Teilen der Welt hat die Zuwan- das prüfen und versuchen müssen, die unterschiedlichen derung der Flüchtlinge und Asylsuchenden nach Europa Belange in Einklang zu bringen. insgesamt, aber auch in unser Land so stark ansteigen las- sen. Wir sind innerhalb unserer Fraktion der Meinung, dass (Beifall des Abg. Torsten Warnecke (SPD)) die Zeit gekommen ist, miteinander – das betrifft nicht nur Wir wollen bis zum Jahr 2019 ein Viertel unseres Strom- die Fraktionen, sondern übergreifend Bund, Land und verbrauchs in Hessen aus grünen Stromquellen erzeugen. Kommunen – nach einer Lösung zu suchen, damit wir die- Ich bedaure, dass der vorliegende Gesetzentwurf des EEG se Herausforderung angemessen meistern können. den Weg dahin nicht gerade einfacher macht. Rückenwind (Beifall bei der SPD) sieht anders aus. Wir wollen trotzdem mit Kraft an unseren Zielen festhalten und dafür sorgen, dass wir sie am Ende Ich erinnere mich gut an die Situation Anfang der Neunzi- auch erreichen. gerjahre, als ich im Caritasverband intensivst mit der Flüchtlingsproblematik konfrontiert wurde. Damals war (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE die Situation in der Bevölkerung eine völlig andere, als sie GRÜNEN) heute ist. Wir haben in der Bevölkerung eine hohe Bereit- schaft. Wir haben eine steigende Bereitschaft, natürlich insbesondere die Flüchtlinge aus Syrien, aber auch aus an- Vizepräsident Frank Lortz: deren Teilen der Welt aufzunehmen. Das können wir posi- Vielen Dank, Herr Minister. – Keine weiteren Wortmel- tiv zur Kenntnis nehmen. Das dürfen wir nicht aufs Spiel dungen. Punkt 68 erledigt. setzen. Deshalb sollte es gemeinsame Überlegungen des Bundes, des Landes und der Kommunen hinsichtlich der Ich rufe Tagesordnungspunkt 69 auf: Frage geben, was zu tun ist, damit wir eine angemessene Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Antwort darauf geben können. Stunde (Hessens Engagement bei der Aufnahme von (Beifall bei der SPD) Flüchtlingen verstärken – Kommunen entlasten) – Drucks. 19/539 – Eine Frage dabei – es ist nur eine, aber eine ganz entschei- dende – betrifft die Kosten. Es ist gut, dass wir dafür 60 Das Wort hat der Abg. Ernst-Ewald Roth, SPD-Fraktion. Millionen € mehr im Haushalt haben werden. Das ist lo- benswert. Aber wir dürfen die Augen nicht davor ver- schließen, dass wir noch viele Millionen Euro brauchen, Ernst-Ewald Roth (SPD): damit die Kommunen vor Ort das stemmen können, was Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Präsident ihnen in der nächsten Zeit aufgrund dieser Situation zu war heute Morgen mehrmals darum bemüht, viele Redner stemmen aufgegeben ist. Ich bin zutiefst davon überzeugt, zu ermahnen, sich so kurz zu fassen, damit er und andere dass da deutlich nachgebessert werden muss. heute Abend pünktlich zum Fußballspiel kommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (René Rock (FDP): Nicht bei dem Thema!) Ich wage noch keine Prognose. Aber wir können davon Auch wenn es bei diesem Thema ungewöhnlich sein mag – ausgehen, dass die Summe von 60 Millionen €, die jetzt ich finde es nicht. Das Spiel beginnt heute Abend wie jedes eingestellt ist, wahrscheinlich annähernd verdoppelt wer- andere Spiel mit einer Standardsituation. Die erste Stan- den muss. dardsituation im Fußballspiel ist der Anstoß. Ich greife be- wusst dieses Bild auf, weil mit der Standardsituation eine Vizepräsidentin Heike Habermann: Spielunterbrechung fortgesetzt, das Spiel neu aufgenom- men wird. Herr Kollege Roth, kommen Sie bitte zum Schluss Ihrer Rede. Wir haben bei dem Thema Flüchtlinge eine solche Situati- on erreicht, weil vor wenigen Tagen der UN-Flüchtlings- kommissar die Zahlen neu – ich darf das sagen – auf den Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 999

Ernst-Ewald Roth (SPD): (Beifall bei der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich komme zum Schluss meiner Rede. – Ich will jetzt das sagen, was ich sonst eigentlich an den Anfang meiner Rede Auch der Bund kommt seiner Verpflichtung nach. Im Mai gestellt hätte. Jetzt sage ich es als dringende Einladung, als 2013 wurde ein erstes Programm des Bundes geschaffen, Appell am Ende meiner Rede. mit dem ermöglicht wurde, dass 5.000 Menschen aus Syri- en nach Deutschland kommen konnten. Im Dezember 2013 Es geht uns bei dieser Aktuellen Stunde nicht darum, auf gab es dann das zweite Programm des Bundes. irgendjemanden mit dem Finger zu zeigen oder das Spiel, dort ist die Regierung, und dort ist die Opposition, zu Das erste Programm ist nahezu ausgeschöpft. Bei dem durchbrechen. Vielmehr wollen wir einladen, das gemein- zweiten Programm gibt es nach wie vor freie Kontingente. sam als Herausforderung zu sehen und einen Weg zu fin- Trotzdem haben die Innenminister des Bundes und der den, dass wir das gemeinsam gut meistern. – Danke. Länder vereinbart, das bisher bestehende Kontingent von 10.000 Menschen noch einmal zu verdoppeln. So wird er- (Beifall bei der SPD) möglicht, dass insgesamt 20.000 Menschen nach Deutsch- land kommen können. Im Moment finden dazu gerade die Vizepräsidentin Heike Habermann: Abstimmungen statt. Vielen Dank. – Als Nächste erhält Frau Kollegin Wall- Insgesamt sind bis Mai 2014 rund 40.000 Syrer nach mann für die CDU-Fraktion das Wort. Deutschland gekommen. Davon sind 32.000 Asylbewer- ber. Auch diese Zahlen belegen, wie wichtig uns unsere Verantwortung ist. Astrid Wallmann (CDU): Natürlich kommen die Flüchtlinge nicht nur aus Syrien. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen Wir haben in Hessen insgesamt im vergangenen Jahr 8.688 und Herren! Wenn wir in diesen Tagen über die Flücht- Asylanträge gezählt. Man kann davon ausgehen, dass wir lingsproblematik sprechen, haben wir alle wohl das Thema in diesem Jahr mit weit mehr als 10.000 Asylanträgen zu Syrien vor Augen. Wer aus seiner Heimat vor Krieg und rechnen haben. Verfolgung geflohen ist, für den trägt die Staatengemein- Dabei lässt das Land die Kommunen nicht im Stich. Die schaft die Verantwortung, ihn menschenwürdig unterzu- Kreise und kreisfreien Städte erhalten für die Unterbrin- bringen und zu versorgen. gung der Asylsuchenden eine zuletzt im Dezember 2013 (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. angepasste und dann auch regional gestaffelte Pauschale. Lothar Quanz (SPD)) Sie liegt zwischen 521 und 630 € im Monat. Das sind 20 % mehr als vor der Anpassung. Aus diesem Grund hat die Bundesrepublik zu Beginn des Konflikts über eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung Ich möchte den Vergleich zu Rheinland-Pfalz ziehen. Dort gestellt, um zu helfen. Anfang des Jahres wurden noch ein- wird ebenfalls eine Pauschale gezahlt. Übrigens wird das mal weitere 80 Millionen € in Aussicht gestellt. in 12 der 16 Länder so gehandhabt. Rheinland-Pfalz be- zahlt 430 €. Wir sind damit gemeinsam mit den USA und Großbritan- nien Spitzenreiter bei den Geberländern. Ich glaube, die Wenn man den Vergleich zu den anderen Bundesländern Zahlen belegen sehr eindeutig, dass Deutschland zu seinen zieht, sieht man, dass wir uns im oberen Mittelfeld befin- humanitären Verpflichtungen steht. den. Richtig ist aber auch, dass der Hessische Rechnungs- hof in einem Prüfungsbericht auf eine regionale und funk- (Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des tionale Spreizung bei einzelnen Kostenarten hingewiesen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) hat. Das haben wir während der letzten Sitzung des Haus- Da Millionen Menschen auf der Flucht sind, ist aber auch haltsausschusses vernehmen können. klar, dass Deutschland und Europa nicht alleine in der La- Auch dieses Thema haben wir im Blick. Bereits im De- ge sind, alle Menschen aufzunehmen. Es ist aber auch zember 2013 wurde unter Leitung des Sozialministers eine selbstverständlich, dass das Bundesland Hessen einen eige- Asylkonferenz einberufen. Infolgedessen wurde eine Ar- nen Beitrag leistet. Deswegen haben wir ein eigenes Pro- beitsgruppe Asyl eingerichtet, der die Kommunalen Spit- gramm des Landes initiiert, um den Familiennachzug bei zenverbände und die betroffenen Ressorts angehören. Das den syrischen Flüchtlingen zu verbessern und zu ermögli- heißt, wir sind im Dialog und nehmen dieses Thema sehr chen, sie nach Deutschland zu bringen. Wir haben dieses ernst. Ich merke aber auch an, dass wir das Thema Asylbe- Programm sogar noch einmal bis zum 30. November 2014 werberleistungsgesetz, das auf Bundesebene geregelt wird, verlängert. im Gesamtkomplex nicht außer Acht lassen dürfen. Vor wenigen Tagen hat die Innenministerkonferenz statt- Das finde ich ganz wesentlich: Auf dem Hessentag fand gefunden. Auch im Namen der CDU begrüße ich aus- die Kommunalkonferenz statt, bei der natürlich der gesam- drücklich, was dort vereinbart wurde. Die Länder, die ein te Themenkomplex Gegenstand der Gespräche war. Hier eigenes Aufnahmeprogramm haben – das gilt für Hessen –, wurde vereinbart, dass man für das Jahr 2015 eine Rege- werden zukünftig die Kosten der Krankenversicherung für lung finden möchte. alle syrischen Flüchtlinge übernehmen. Das bedeutet, dass der ursprünglich im Plenum gemeinsam gefasste Beschluss – ich glaube, das war im Dezember 2013 –, dass diese Re- Vizepräsidentin Heike Habermann: gelung nur für 365 Personen gilt, damit obsolet ist. Das wird zukünftig für alle gelten. Das ist ein wichtiger huma- Kollegin Wallmann, Ihre Redezeit ist abgelaufen. nitärer Beitrag. 1000 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Astrid Wallmann (CDU): (Horst Klee (CDU): Ei, ei, ei!) Ich komme zum Schluss. Herr Irmer, die Realität jedoch spricht eine andere Spra- che: Hessen hat in der vergangenen Woche drei Asylbe- Noch zwei Fakten: Das Land Hessen investiert sehr viel werber aus Eritrea mit einem eigens zu diesem Zweck Geld. Im Nachtragshaushalt 2014 haben wir noch einmal gecharterten Flugzeug nach Italien zurückgeschoben. 60 Millionen € eingestellt; insgesamt stehen im Jahr 2014 knapp 140 Millionen € zur Verfügung. Die Zunahme der (Hermann Schaus (DIE LINKE): So ist es!) Asylbewerberzahlen stellt uns – alle Ebenen: Bund, Län- Diese Landesregierung, die finanziell überforderten Kom- der, Kommunen – vor große Herausforderungen. Diesen munen die für eine menschenwürdige Aufnahme von Ge- Weg wollen wir gemeinsam mit den Kommunen gehen, flüchteten erforderlichen Mittel verweigert, die wegschaut, und das werden wir auch tun. – Vielen Dank. wenn Geflüchtete mitten in Hessen in rostenden Stahlcon- (Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des tainern untergebracht werden, scheut keinen noch so BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) großen organisatorischen und finanziellen Aufwand, (Janine Wissler (DIE LINKE): Allerdings!) Vizepräsidentin Heike Habermann: um drei Asylbewerber von Frankfurt nach Italien abzu- Danke schön. – Das Wort hat Kollegin Cárdenas, DIE schieben. LINKE. (Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU)) Daher fragen wir die Landesregierung: Ist das die „gelebte Barbara Cárdenas (DIE LINKE): Humanität“, die angeblich im Mittelpunkt hessischer Asyl- und Flüchtlingspolitik steht? Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Erstaunt mussten wir beobachten, wie Innenminister Beuth sich ge- Wir fragen die Landesregierung weiter: Was ist mit den gen eine Aufstockung des Kontingents für die Aufnahme Menschenrechten, die angeblich auch im Mittelpunkt hes- syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge von 10.000 auf 20.000 sischer Asyl- und Flüchtlingspolitik stehen – wenn die Personen wehrte. Das ist eine Größenordnung, die weit Landesregierung sich noch nicht einmal an die Mindest- hinter den mehr als 76.000 Anträgen für Angehörige von standards der europäischen Rückführungsrichtlinie hält in Deutschland lebenden Syrern zurückbleibt. Innenminis- und entgegen kaum missverständlicher Bestimmungen die- ter Beuth lenkte erst dann ein, als klar war, dass der Bund ser Richtlinie Abschiebungshäftlinge im Gefängnis unter- für die Kosten aufkommt. bringt? Wenn Innenminister Beuth fordert, dass zunächst die be- Wie ist es insgesamt um das Rechtsverständnis dieser Lan- stehenden Programme ausgeschöpft werden müssen, dann desregierung bestellt, wenn reihenweise Gerichte – vom verschweigt er listig, dass diese Kontingente deswegen Landgericht bis hin zum Bundesgerichtshof – die nicht ausgeschöpft werden können, weil Anträge nur Landesregierung darauf hinweisen, dass es rechtswidrig schleppend bearbeitet werden und weil die für das hessi- ist, Flüchtlinge wie Straftäter zu behandeln und sie ins Ge- sche Kontingent aufgestellten Hürden, insbesondere im fängnis zu stecken? Obwohl die Landesregierung von die- Hinblick auf die finanzielle Leistungsfähigkeit in Deutsch- sen Gerichtsentscheidungen weiß und weiß, dass sogar die land lebender Angehöriger, derart hoch angesetzt sind, Generalanwaltschaft am europäischen Gerichtshof von der dass sie komplett an den Realitäten vorbeigehen. Rechtswidrigkeit der hessischen Praxis ausgeht, tut sie trotzdem so, als ginge sie das alles nichts an. Hessen will Solidarität zum Nulltarif. Hessens Hilfsange- bot richtet sich nur an die Wohlhabenden unter den Flücht- Wir schließen uns der Forderung der Diakonie Hessen und lingen. Wer Schutz vor dem Bürgerkrieg in Syrien sucht, von Pro Asyl an. Die hessische Praxis, Abschiebungshäft- muss einen in Deutschland lebenden Verwandten vorwei- linge im Gefängnis unterzubringen, muss aufhören. Wir sen können, der bereit ist, für sämtliche Kosten mit Aus- fordern die Landesregierung auf, unverzüglich die Freilas- nahme der Krankheitskosten aufzukommen. sung der Betroffenen aus der Justizvollzugsanstalt Preun- gesheim zu veranlassen. – Ich danke Ihnen. Wenn Innenminister Beuth ernsthaft daran interessiert ist, dass dieses Aufnahmeprogramm ausgeschöpft wird, dann (Beifall bei der LINKEN) möge er doch bitte ein realistisches Angebot an Schutzsu- chende unterbreiten. Wer nämlich so tut, als würde er hel- fen wollen, seine Hilfe aber an nicht erfüllbare Vorausset- Vizepräsidentin Heike Habermann: zungen knüpft, handelt unmoralisch. Danke schön. – Als Nächster spricht Kollege Rock, FDP. (Beifall bei der LINKEN) Wer aber das Aufnahmekontingent – das nicht ausge- René Rock (FDP): schöpft worden ist, weil es nicht ausgeschöpft werden kann – als Argumentationshilfe nimmt, um weitere Hilfen zu Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Die verweigern, der handelt zynisch. SPD hat hier eine Aktuelle Stunde zur Situation der Flücht- linge auf die Tagesordnung gesetzt. Ich halte das für not- (Beifall bei der LINKEN) wendig und für richtig. Das Markenzeichen schwarz-grüner Flüchtlingspolitik, das Wenn man sich ansieht, was aktuell passiert, wenn man die kristallisiert sich immer mehr heraus, ist eine Politik der Fernsehbilder aus dem Irak sieht und hört, dass dort schon Ignoranz und Härte, die einhergeht mit einer wohlwollen- wieder 1 Million Menschen – zumeist Christen, die vor re- den Rhetorik, die besonders gerne Schlagwörter wie „Men- ligiöser Verfolgung Angst haben – auf der Flucht sind, ein schenrechte“ und „gelebte Humanität“ einstreut. neuer Krisenherd, der sich an eine sehr lange Kette weite- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1001 rer Krisenherde anschließt, dann kann man fast verzwei- Menschen, die uns nur dann etwas kosten, wenn sie krank feln. Man kann an der Not und dem Leid der Menschen auf werden. Das sind Menschen, die hier Unterschlupf finden, der Welt verzweifeln. die bei ihren Verwandten unterkommen. Das sind Men- schen, die nur unsere Grenze überschreiten wollen, um hier Bleiben wir konkret bei Syrien und versuchen wir, uns die Schutz zu finden vor Verfolgung, Vertreibung, Folterung Zahlen vor Augen zu führen: Wir haben in Hessen gut und Tod. 6 Millionen Bürger. In Syrien sind 6 bis 7 Millionen Men- schen auf der Flucht, in Syrien selbst; 2,7 Millionen Syrer Das ist etwas, was wir weiter ausbauen müssen und wo wir sind außerhalb ihres Landes auf der Flucht, in Flüchtlings- nicht zurückstehen dürfen. Herr Innenminister, bei großer unterkünften in den Nachbarländern untergebracht. Von Wertschätzung, die ich Ihnen gegenüber habe, über diese diesen 2,7 Millionen Menschen sind 1 Millionen Kinder. Aussage, es seien doch genug Plätze da und wir müssten uns nicht darum kümmern, sollten Sie dringend noch mal Das sind Zahlen, die einen erschrecken lassen. Aber diese nachdenken. Zahlen sagen noch nichts über das persönliche Leid der einzelnen Menschen. (Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN) (Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem Frau Wallmann, ich glaube, wir sind uns in vielem einig. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aber Folgendes muss ich Ihnen leider vorhalten. Herr Bocklet hat das auch schon einmal getan. Die 60 Millio- Wenn man sich das vor Augen führt und dann liest, dass nen € mehr im Nachtragshaushalt als große Leistung hin- die gesamte Europäische Union, ausgenommen Deutsch- zustellen ist schon Augenwischerei. Sie wissen genau: Es land und Schweden, 3.900 Sonderplätze für Flüchtlinge gibt ein Landesaufnahmegesetz, und dort gibt Pauschalen aus Syrien zur Verfügung stellt, dass Länder wie Großbri- pro Asylbewerber, die Sie den Kommunen zahlen müssen. tannien und Frankreich 500 Plätze für Flüchtlinge zur Ver- fügung stellen, dann ist man ein Stück weit beschämt. Genau diese Summe – keinen Euro und keinen Cent mehr – haben Sie eingestellt. Das ist nur das gesetzlich notwen- (Beifall bei der FDP, der CDU, der SPD und dem dige Bereitstellen von Mitteln und sonst nichts. Es ist keine BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) besondere Leistung in der Form, dass Sie das Problem in Dann bewertet man natürlich die 20.000 Plätze, die besonderer Weise weiter im Auge haben. Wenn Sie dann Deutschland zur Verfügung stellt, in dem Kontext der EU noch sagen, Sie wollen mit den Kommunen gemeinsam anders und muss natürlich klar sagen: Deutschland ist in das Problem lösen, dann reden Sie einmal mit den kommu- der EU vorbildhaft – bei weitem aber noch nicht dort, wo nalen Vertretern und mit ihren Bürgermeistern und Landrä- wir alle aus dem Bauch heraus und von Herzen sein sollten ten und mit ihren Beigeordneten. Reden Sie mit ihnen, hö- und müssten. ren Sie ihnen zu, und glauben Sie ihnen auch, was sie Ih- nen sagen. (Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE)) – Ich will gar keine Unterschiede machen, woher die Flüchtlinge kommen. Vizepräsidentin Heike Habermann: Ich muss sagen: Hier kann ich die Landesregierung nicht Herr Kollege Rock, Ihre Redezeit ist abgelaufen. gänzlich aus der Verantwortung entlassen. Wenn Innenmi- nister Beuth sagt, wir könnten keine weiteren Plätze zur Verfügung stellen, weil noch so viele Plätze frei und nicht René Rock (FDP): belegt – sozusagen nicht nachgefragt – sind, man sich je- Ein letzter Satz. Dann erkennen Sie, dass Sie im Nach- doch die realen Zahlen vor Augen führt und sieht, dass wir tragshaushalt noch etwas tun müssen. Nehmen Sie die 76.000 Anträge für diese 20.000 Plätze haben und dass von Menschen, die den Flüchtlingen helfen wollen, die Bürge- diesen 76.000 Anträgen bisher 6.000 Zustimmung erhalten rinnen und Bürger ernst. Helfen Sie ihnen. Versuchen Sie, haben, dann kann man doch nicht sagen, das sind zu viele dazu beizutragen, eine humanitäre Situation in Deutsch- Plätze, und die werden nicht nachgefragt. Vielmehr liegt es land für die Flüchtlinge herzustellen. – Vielen Dank. klar auf der Hand: Es gibt 76.000 Anträge, 20.000 freie Plätze, 6.000 davon sind belegt – da besteht Handlungsbe- (Beifall bei der FDP, der SPD und der LINKEN) darf in der Verwaltung, und zwar dringend, notwendig und schnell. Vizepräsidentin Heike Habermann: (Beifall bei der FDP, der SPD, dem BÜNDNIS Danke schön. – Jetzt spricht Kollegin Öztürk für BÜND- 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Willi van Ooyen NIS 90/DIE GRÜNEN. (DIE LINKE)) 14.000 Menschen sind auf der Flucht, die bei uns unter- kommen könnten, womöglich die Hälfte Kinder. Und dann Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): liegt es am Verwaltungshandeln. Womöglich sind viele Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Verwaltungsstellen nicht ausreichend besetzt. Ich mache Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, ich möchte keinem Mitarbeiter Vorwürfe. Ich sage: Das ist ein Struk- erst einmal ausdrücklich Herrn Roth dafür danken, dass er turproblem. Das muss man dringend und schnell angehen. hier eine sehr ausgewogene und ruhige Rede gehalten hat. Man darf nicht sagen: 20.000 Plätze sind das Ende der Dis- kussion. Vielmehr müssen wir uns den Realitäten anpas- (Ernst-Ewald Roth (SPD): Wie es seine Art ist!) sen. Er hat das mit dem Anliegen getan, dass die Belange der Dabei müssen wir uns immer vor Augen führen: Wir spre- Flüchtlinge, die in den nächsten Jahren vermehrt zu uns chen hier nicht von Asylbewerbern. Wir sprechen von kommen werden, im Fokus stehen. Deswegen halte ich das für den angemessenen Ton, wenn man diese Thematik dis- 1002 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 kutiert. Es wäre nicht angemessen, eine Diskussion hervor- (Zuruf von der SPD: So ist es! – Nancy Faeser zurufen, die versucht, ein Liesel-Peter-Spiel auf die eine (SPD): Macht er ja!) oder andere Ebene zu werfen. Das wollen wir als GRÜNE Da brauchen wir also auf der Bundesebene die Unterstüt- nicht. Das will auch die Koalition nicht. Von daher ver- zung. traue ich darauf, dass wir auch in Zukunft ausgewogen über dieses Thema diskutieren werden. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Auf der Landesebene haben wir unsere Aufgaben und un- bei Abgeordneten der CDU) sere Hausaufgaben durchaus im Blick. Wir arbeiten sie auch gemeinsam ab. Ich habe nicht den Eindruck, dass in Wir sind sehr froh, dass auf Bundesebene die Innenminis- dieser Landesregierung sowohl der Innenminister oder der terkonferenz die Aufnahme weiterer 10.000 Flüchtlinge Sozialminister oder andere Minister sich dieser Verantwor- aus Syrien beschlossen hat. Wir möchten auch ausdrück- tung entziehen. Das ist überhaupt nicht der Fall. Deswegen lich Innenminister Beuth dafür danken, dass er das Thema möchte ich auch bitten: Frau Cárdenas, Sie haben das The- Kostenübernahme angesprochen und geklärt hat, wie das ma angesprochen. Ich fand es nicht sehr angemessen, wie denn nun ist, wenn Länder eigene Aufnahmeprogramme Sie versucht haben, hier den Innenminister anzugreifen. haben, und wie die Kostenverteilung vonstatten gehen Ich glaube, dass wir in Hessen in der neuen Koalition ganz wird. Denn das ist auch ein notwendiger Punkt, dass man bestimmt eine andere Flüchtlings- und Asylpolitik machen auf der Bundesebene, wenn man Beschlüsse fasst, deutlich werden. klärt, nicht die Länder und die kommunalen Ebenen bei der Kostenübernahme allein zu lassen, sondern auch die ei- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und gene Verantwortung zu tragen. der CDU – Janine Wissler (DIE LINKE): Total an- ders! Da lachte sogar der Innenminister!) (Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD)) – Ja, davon bin ich überzeugt. Das werden wir auch umset- Das ist nun klar. Deswegen glaube ich jetzt, dass wir uns zen. – Ich will auch darauf hinweisen: Wenn wir ernsthaft durchaus in der Diskussion auf die Belange der Menschen wollen, dass die Menschen vor Ort hier in Hessen aufge- in Hessen ausrichten sollten und unseren Fokus wirklich nommen und untergebracht werden können, dass sie ihre auf die humanitäre Frage richten sollten, wie wir mit Asyl- Kinder in die Schule schicken können, dass sie eigene bewerbern und Flüchtlingen generell, aber auch mit Wohnungen und einen Arbeitsplatz finden, dann stehen Flüchtlingen speziell aus Syrien umgehen wollen. wir alle gemeinsam in der Verantwortung, auch auf kom- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) munaler Ebene, den ehrenamtlichen Helfern dabei zu hel- fen, die Ausländerbehörden fit zu machen, ebenso wie all Die aktuellen Zahlen des UNHCR haben auch bei uns die Sozialdezernenten, die wir haben, sodass sie in der La- große Sorge hervorgerufen. Auch der aktuelle Vormarsch ge sind, neue Wege zu gehen. der radikal fundamentalistischen Terrorgruppe ISIS im Irak und auch in Syrien erzeugt bei uns sehr viel Sorge. Es Von daher lassen Sie uns bitte diesen Weg gemeinsam ge- ist klar, dass in den Anrainerstaaten Syriens in den letzten hen. Lassen Sie uns Vorschläge gemeinsam erarbeiten. Jahren sehr große Verantwortung übernommen worden ist. Aber spielen Sie nicht das Spiel, die Bundesregierung oder Es ist auch klar, dass in den Ländern wie der Türkei, Jorda- die Hessische Landesregierung würde ihrer Verantwortung nien und Libanon die Situation der Flüchtlinge in den La- nicht gerecht werden. Das ist mitnichten so. Wenn die FDP gern sehr dramatisch ist und dass wir hier als Hessen unse- jetzt ihr humanitäres Herz entdeckt hat, sei es so. Aber ich ren Beitrag bei der Hilfe, beim Schutz und bei der Aufnah- kann Sie auch nicht aus der Verantwortung entlassen. In me von Flüchtlingen leisten wollen. der Vergangenheit haben Sie sehr geschlampt. Sie haben hier kein Geld zur Verfügung gestellt, damit die Unterbrin- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gung der Flüchtlinge an die kommunalen Träger weiterge- Ich möchte aber auch klarmachen, dass es auf Bundesebe- geben worden ist. Auch der Integrationsminister hat sich ne bis vor kurzem einen Bundesaußenminister der FDP um dieses Thema – – gab, Herrn Westerwelle, der auch auf dem Tahrirplatz war und sich dort hat feiern lassen – so sage ich das einmal –, und nachher, als es darum ging, die Aufnahmekontingente Vizepräsidentin Heike Habermann: zu erfüllen, waren die Auslandsvertretungen im besonde- Kollegin Öztürk, kommen Sie bitte zum Schluss. ren Maße gefragt. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- ruf des Abg. René Rock (FDP)) Mürvet Öztürk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt hat diese Aufgabe die SPD. Es ist wichtig, dass Au- Von daher will ich versuchen, trotzdem positiv abzuschlie- ßenminister Steinmeier in dieser Frage nach den Besuchen, ßen. Für uns steht die humanitäre Situation der Menschen die er gemacht hat, in der Bundesregierung weiter enga- im Mittelpunkt. Wir wollen den Menschen in Hessen eine giert dafür kämpft, so sage ich es einmal, dass in den Aus- Lebensperspektive eröffnen. Wir wollen ihnen Schutz ge- landsvertretungen die vorhandenen Hürden abgebaut wer- ben. Das wird diese neue Koalition gemeinsam erfolgreich den. Wenn Menschen Anträge stellen wollen und wenn machen. Wenn jetzt die Oppositionsparteien dabei helfen Menschen zu ihren Angehörigen nach Hessen kommen wollen, finde ich das sehr gut. Ich bedanke mich für Ihre wollen, dann müssen sie erst es schaffen, aus Syrien her- Aufmerksamkeit. Das war nicht die letzte Diskussion über auszukommen, und sie müssen es erst schaffen, in den die Flüchtlinge. Auslandsvertretungen der Türkei, im Irak oder im Libanon (Ernst-Ewald Roth (SPD): Ich fürchte es!) einen Antrag stellen zu können. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1003

– Ich fürchte es. – Aber ich bin sicher, dass das konstruktiv aufnehmen müssen. Sie müssen sie nicht nur unterbringen, sein wird. So habe ich Sie verstanden, Herr Roth. – Herzli- sondern auch in die Gemeinschaft integrieren, ob das die chen Dank. Kinder sind, die in Kindergärten und Schulen gehen, ob es um Vereine oder um Sprachangebote und Ähnliches geht. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Es sind die Kommunen, die sich am Ende darum kümmern bei Abgeordneten der CDU) müssen. Deswegen finde ich es nur recht und billig, dass wir als Land darauf achten, dass wir die Kommunen auch Vizepräsidentin Heike Habermann: finanziell an dieser Stelle nicht überfordern. Danke schön. – Als Nächster spricht Staatsminister Beuth. (Nancy Faeser (SPD): Das ist unstreitig!) – Das ist zwischen uns unstreitig. Ich rede im Moment ja mit denen, die in dieser Debatte angemessene Beiträge ge- Peter Beuth, Minister des Innern und für Sport: leistet haben. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP)) Herr Kollege Roth, ich bin Ihnen, um im Bild zu bleiben, für den Anstoß sehr dankbar, den Sie eben hier in die Dis- – Ich komme gleich noch einmal auf Sie, Herr Kollege kussion eingebracht haben. Sie haben gesagt: Wir wollen Rentsch, bzw. auf den Kollegen Rock zurück. die Situation angemessen meistern und einen Konsens su- Ich finde, dass es richtig war, dass wir über die Frage ge- chen. – Ich finde das ausdrücklich richtig und bin auch der stritten haben, ob der Bund, wenn er eine besondere huma- Auffassung, dass wir uns sehr darum bemühen, über die nitäre Leistung anbieten möchte, dann auch den wesentli- Landesgrenzen hinaus mit den Kollegen aus den anderen chen Teil der Kosten trägt. Die Sorgen und Nöte haben die Bundesländern und mit dem Bund, sodass wir eine gute Kommunen zu tragen, aber der wesentliche Teil der Kos- und angemessene Lösung insgesamt für die Situation fin- ten sollte vom Bund übernommen werden. den. Deswegen will ich mich auch den angemessenen Bei- trägen in dieser Debatte zuwenden. Herr Roth, Frau Wall- In diesem Zusammenhang sind zwei Erfolge gelungen, die mann und Frau Kollegin Öztürk, herzlichen Dank. in der Debatte schon angeklungen sind. Zum einen über- nimmt der Bund die Kosten für die 10.000 zusätzlich nach Hessen und Deutschland werden das Leid, das hier zu Deutschland kommenden syrischen Flüchtlinge. Zum an- Recht beschrieben worden ist, das es in Syrien und im Irak deren haben wir in diesem Zusammenhang eine Verein- gibt, auch überall auf unserem Planeten, aber nicht allein heitlichung bezüglich der Krankheitskosten erreicht. Wir lösen können. Aber wir werden unseren humanitären Bei- Hessen haben im Dezember ein Aufnahmeprogramm be- trag leisten. Wir leisten ihn auch in einem sehr großen Um- schlossen, in dessen Rahmen wir für 365 Menschen aus fang bereits heute. Wir können die Themen Flüchtlinge Syrien die Krankheitskosten übernehmen und auf die Ab- und Asyl nicht völlig voneinander trennen. Denn es ist na- gabe von Verpflichtungserklärungen für die Unterbringung türlich so, dass zwar die Rechtsgrundlage, auf der die Men- verzichten. schen in unser Land kommen, eine andere ist, aber am En- de sind die Menschen hier, um die wir uns bemühen und Das war bislang in allen Bundesländern völlig unterschied- um die wir uns kümmern müssen. lich geregelt. Wir haben uns in diesem Zusammenhang darauf geeinigt, zu sagen: Wenn wir derartige Aufnahme- Ich finde es dann schon angemessen, wenn man sich ver- programme durchführen, müssen wir angesichts der Zahl gegenwärtigt, dass Deutschland insgesamt allein ein Drittel der Menschen, die zu uns kommen wollen – es ist eben ge- der Asylbewerber in Europa aufnimmt. Ein Drittel der sagt worden, dass 6 oder 7 Millionen Menschen auf der Asylbewerber in ganz Europa nimmt allein die Bundesre- Flucht sind –, dafür Sorge tragen, dass für einen großen publik Deutschland auf. Ich finde, das ist ein Ausdruck von Teil der Flüchtlinge ihre Verwandten Verpflichtungserklä- besonderer Humanität. Die Deutschen leisten einen we- rungen aussprechen. sentlichen humanitären Beitrag in dieser Welt. Ich finde, das sollte man in so einer Debatte auch einmal deutlich machen. Vizepräsidentin Heike Habermann: (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Herr Staatsminister, die Redezeit der Fraktionen ist abge- GRÜNEN) laufen. Die Situation, die sich uns darstellt, ist nicht einfacher ge- worden. In den letzten fünf Monaten hat sich die Zahl der Peter Beuth, Minister des Innern und für Sport: Asylerstanträge um 60 % erhöht. Wir haben knapp 55.000 Asylbewerber, die in unser Land kommen wollen. Darüber Ich komme sofort zum Schluss. – Insgesamt gesehen wer- hinaus wollen wir Flüchtlinge aufnehmen. Deren Elend ist den in Deutschland nunmehr die Krankheitskosten von den hier zu Recht beschrieben worden. Wir sehen es jeden Ländern für die Kommunen übernommen. Ich glaube, dass Abend, z. B. im Fernsehen. Wir müssen aber darauf ach- das unter dem Gesichtspunkt der Vereinheitlichung ein ten, dass wir die Akzeptanz in der Bevölkerung dafür er- ganz wichtiger Aspekt war. Insofern hat sich der Einsatz, halten, dass wir auch zukünftig Flüchtlinge, Menschen in den die Innenminister der Länder dort geleistet haben, für Not in unserem Land aufnehmen. Deswegen müssen wir die Menschen, die zu uns kommen wollen, für die Flücht- einen Ausgleich schaffen. Ich bin der Auffassung, dass wir linge am Ende insgesamt gelohnt. das im Moment sehr gut hinbekommen. Ein letzter Satz, meine Damen und Herren. Ich habe schon Wenn wir hier über die Aufgaben der Kommunen diskutie- gesagt, dass ich die Debatte in Teilen als unangemessen ren, will ich sagen: Die Frage, aufgrund welcher rechtli- empfunden habe. Herr Kollege Rock, ich will ausdrücklich cher Regeln die Menschen zu uns kommen, ist an der Stel- sagen: Wir müssen uns hier nichts vormachen. Wir haben le völlig egal. Es sind die Kommunen, die diese Menschen viele Debatten miteinander geführt. Aber ich muss es als 1004 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Unverschämtheit bezeichnen, dass Sie mir unterstellen, ich Wir haben in den letzten Tagen lesen und hören können, hätte vorgetragen, man müsse sich um das Problem nicht das sich die Sozialisten, allen voran der Präsident der Fran- kümmern. Das ist schlicht eine Sauerei. zösischen Republik und der Präsident Italiens, unter Betei- ligung des stellvertretenden Regierungschefs der Bundes- (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE republik Deutschland, Sigmar Gabriel, erneut mit der Fra- GRÜNEN) ge befasst haben, ob es nicht sinnvoll sein könnte, die Kri- terien aufzuweichen, die wir gemeinsam festgehalten und Vizepräsidentin Heike Habermann: festgelegt haben, beispielsweise dadurch, dass man über die bisherigen Vereinbarungen hinaus neue Fristverlänge- Herr Rentsch, ist das eine Meldung zur Geschäftsordnung? rungen gewährt. (Florian Rentsch (FDP): Nein! – René Rock (FDP): Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das ist Will der Minister etwas dazu sagen, wie er dazu das Falscheste, was man machen kann. kommt, sich am Ende der Debatte so auszu- drücken?) (Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich glaube, das führt nur zu der irrigen Annahme, das Florian Rentsch (FDP): Grundproblem sei, dass der Gesetzgeber jetzt klare Regeln Frau Präsidentin, in der parlamentarischen Debatte ist vie- aufstellt. Wir sollten uns darüber verständigen, dass das les möglich, auch dass man sich einmal die Meinung sagt. Grundproblem ist, dass viele Mitgliedstaaten der Europäi- Das Wort „Sauerei“ ist aber sicherlich kein parlamentari- schen Union, darunter früher auch Deutschland, schlicht- scher Ausdruck eines Regierungsmitglieds. weg über ihre Verhältnisse gelebt haben. Weil das so ist, haben wir im Deutschen Bundestag und im Vizepräsidentin Heike Habermann: Bundesrat nach intensivsten, monatelangen Beratungen zwei sehr klare Beschlüsse gefasst, um der Bundesregie- Der Herr Staatsminister hat entschieden, sich so auszu- rung den Auftrag zu geben, in Brüssel entsprechende Ver- drücken. Ich werde das nicht rügen. Ich denke aber, wir al- träge zu unterschreiben, nämlich den Fiskalvertrag und den le sind der Auffassung, dass das mit Sicherheit nicht der Stabilitäts- und Wachstumspakt. Nach langen Debatten, Sprachgebrauch ist, den wir hier pflegen sollten. auch auf Länderebene und in der Länderkammer Bundes- (René Rock (FDP): Das spricht dann für sich!) rat, hatten wir hierfür eine überwältigende Mehrheit. Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wort- An dieser Stelle muss aber noch einmal daran erinnert wer- meldungen zu diesem Punkt vor. Die Aktuelle Stunde ist den, dass das einzige Bundesland, das der Verabredung der damit abgehalten. europäischen Staaten, dass man in alle Verfassungen Schuldenbremsen implementiert, seinerzeit nicht zuge- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 70: stimmt hat, das rot-rot regierte Brandenburg gewesen ist. Das sage ich deswegen, weil wir uns hin und wieder verge- Antrag der Fraktion der CDU betreffend eine Aktuelle genwärtigen müssen, was es eigentlich bedeutet, wenn So- Stunde (Kein Aufweichen der Stabilitätskriterien – De- zialdemokraten den LINKEN Avancen machen, was das batte der Sozialisten schadet deutschen und hessischen für ein Verfassungsorgan wie den Bundesrat bedeutet, was Interessen) – Drucks. 19/540 – dessen Mehrheitsbildung in entscheidenden, existentiellen Die erste Wortmeldung kommt vom Kollegen Boddenberg, Fragen angeht. CDU-Fraktion. (Beifall bei der CDU) Deutschland steht nach dem hoffentlich baldigen Auslau- Michael Boddenberg (CDU): fen dieser Krise sehr gut da. Das hat etwas mit den enor- men Anstrengungen der Unternehmer und der Arbeitneh- Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! merinnen und Arbeitnehmern, den ebenso großen Anstren- Wir haben gestern im Zuge der Debatte anlässlich des gungen unserer gesamten Gesellschaft, aber auch mit ver- Setzpunktes der SPD-Fraktion zur AfD – wenngleich die nünftigen Abschlüssen der Tarifpartner zu tun. Wenn die Debatte, wie wir wissen, völlig unnötig war, was den ei- LINKEN – das weiß man, wenn man solche Sätze sagt – gentlichen Titel anbelangt – erfreulicherweise von allen gleich erwidern werden, zu welchem Preis wir diese Haus- demokratischen Fraktionen in diesem Hause gehört, dass haltskonsolidierung sie sich zum Euro bekennen. Ich interpretiere das so, dass sie daher mit den vielen Maßnahmen der Bundesrepublik (Willi van Ooyen (DIE LINKE): Schuldenschnitt!) und der Europäischen Union zu dessen Stabilisierung ein- – Schuldenschnitt und anderes – erreicht haben, dann sage verstanden sind. ich, Herr van Ooyen: Wenn das Ergebnis all dieser massi- Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wenn man das so ven strukturellen Veränderungen in der Bundesrepublik sagt, dann muss man sich aber auch so verhalten. Dann Deutschland ist, dass wir 2 Millionen weniger Arbeitslose muss man vor allen Dingen vermeiden, Signale und Zei- haben und feststellen dürfen, dass das Auseinanderdriften chen auszusenden, die möglicherweise dazu führen, dass der einkommensschwächsten und der einkommensstärks- die, die die Politik bewerten und beobachten, Zweifel dar- ten Gruppen in unserer Gesellschaft, das wir jahrelang be- an haben können, ob das Bekenntnis zum Euro ernst ge- obachten konnten, geringer geworden ist – sich jedenfalls meint ist. nicht weiterentwickelt hat, wie Sie immer wieder fälschli- cherweise behaupten –, (Beifall bei der CDU) (Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE)) Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1005 sind wir, die Christdemokraten, sehr einverstanden damit, Florian Rentsch (FDP): diesen Preis zu zahlen. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- Die Kollegen von der Union haben im Hessischen Landtag KE): Die Zahlen hätte ich gern belegt! – Hermann ein Thema aufgegriffen, das für alle Bürgerinnen und Bür- Schaus (DIE LINKE): Wo haben Sie das denn her?) ger in Hessen – in der ganzen Bundesrepublik – eine zen- trale Bedeutung hat: den Stabilitätspakt der Europäischen Unabhängig davon gibt es Verständnis für das Ansinnen Union. Das hat massive Auswirkungen auf die Frage, wie der genannten Staatspräsidenten, die vor Ort enorme sich in den nächsten Jahren in Deutschland die Strukturen Schwierigkeiten haben, die notwendige Politik durchzuset- weiterentwickeln. zen. Aber ich sage: All das, was dort gewünscht wird, ge- ben die Verträge her. Auf der anderen Seite sage ich aber: Es geht auch darum, wie wir mit dem Thema umgehen, über das wir gestern de- Die Europäische Kommission hat einen enorm großen Er- battiert haben, nämlich ob wir den Eurokritikern von der messensspielraum bei der Fristverlängerung. Sie schaut AfD noch weiteren Zündstoff für ihre Kritik an der Euro- nicht nur auf nominale Defizite, sondern auch auf struktu- päischen Union liefern wollen. Genau das, was hier pas- relle Defizite. Das heißt, sie bietet, wie in Ungarn und Po- siert – das, was Herr Gabriel gemacht hat –, ist Wasser auf len geschehen, den Staaten an, ihnen, mit Ausblick auf ei- die Mühlen dieser Gegner. ne mittelfristige Stabilisierung – damit sich die Defizite nicht erhöhen –, die jetzigen Investitionen in die Stabilisie- (Beifall bei der FDP) rung ihrer Rentensystem nicht anzurechnen. Ich finde es nicht parlamentarisch, deshalb verwende ich das Wort „Sauerei“ nicht im Zusammenhang mit dem, was Vizepräsidentin Heike Habermann: Herr Gabriel macht. Ich glaube, das ist nicht angemessen. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das, was Herr Kollege Boddenberg, die Redezeit ist abgelaufen. Gabriel macht, ist das Gegenteil von dem, was von einem deutschen Vizekanzler in einer solchen Debatte zu erwar- ten ist. Michael Boddenberg (CDU): Der europäische Stabilitätspakt ist die Grundlage dafür – er Aber in zwei oder drei entscheidenden Fragen darf es keine war die Geschäftsgrundlage für die Staaten in Europa –, Einschränkungen geben. Die christdemokratische Union, dass wir überhaupt eine Europäische Union schaffen, eine allen voran die CDU in Hessen, sowie die Landesregierung gemeinsame Wirtschaftspolitik betreiben und vor allen von CDU und GRÜNEN in Hessen bleiben bei dieser kla- Dingen jetzt, in der Conclusio, in eine gemeinsame Finanz- ren Politik der Haushaltskonsolidierung. Ich bin sehr ge- politik eintreten können. spannt darauf, wie das Verhalten der Sozialdemokraten, al- len voran ihres Vorsitzenden Schäfer-Gümbel, sein wird, (Janine Wissler (DIE LINKE): Wenn das die Grund- wenn es um das konkrete Einsparen und Konsolidieren im lage der Europäischen Union sein soll!) hessischen Haushalt geht. – Frau Kollegin Wissler, eine gemeinsame Währung ist (Beifall bei der CDU) eben nicht nur eine Chance, sondern sie bedeutet auch viel Verantwortung für die Länder, wenn sie mit diesem Thema Frau Präsidentin, eine letzte Bemerkung will ich Herrn umgehen. Schäfer-Gümbel nicht ersparen: Wir haben in diesen Tagen unsägliche Äußerungen eines brandenburgischen Land- (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der tagsabgeordneten gehört, CDU) Wir diskutieren jetzt in diesem Land über die Situation, Vizepräsidentin Heike Habermann: dass der deutsche Vizekanzler gegenüber anderen Sozialis- ten in Europa sagt – anscheinend aus parteipolitischen Kollege Boddenberg, bitte den letzten Satz. Gründen –: Liebe Freunde, weicht doch die Kriterien wei- ter auf. – Diese Kriterien sind zuletzt von der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder gerissen worden, Michael Boddenberg (CDU): übrigens in demselben Jahr, in dem auch die Franzosen die der den Bundespräsidenten in einer Art und Weise be- Kriterien gerissen haben. schimpft hat, die ich unerträglich finde, indem er gesagt Die damalige Situation hat nicht nur dazu geführt, dass hat, der Bundespräsident sei ein „widerlicher Kriegshet- Deutschland einen blauen Brief aus Brüssel bekommen zer“. Herr Schäfer-Gümbel, nicht nur mit Blick auf die De- musste, sondern wir haben auch lange Zeit gebraucht, um batte über die Haushaltskonsolidierung, sondern auch in überhaupt wieder aus diesem Dilemma herauszukommen; anderer Hinsicht erwarte ich eine klare Distanzierung von denn es ist eben eine Finanzpolitik gemacht worden, die Ihnen und der hessischen SPD. sich nicht an den Kriterien des Stabilitätspakts orientiert (Beifall bei der CDU) hat. (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU) Vizepräsidentin Heike Habermann: Die Realität ist, dass die Reformen im Sozialbereich weiter Vielen Dank. – Als Nächster hat Herr Kollege Rentsch, verschleppt werden, wenn wir eine solche Politik machen, FDP-Fraktion, das Wort. also den Ländern, die die Reformen dringend nötig haben, noch mehr Zeit einräumen. Dass notwendige Reformen in 1006 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 anderen Mitgliedstaaten verschleppt werden, ist das Ge- (Zurufe von der CDU) genteil von dem, was wir für einen stabilen Euro brauchen. Ich glaube, die Europapolitik ist ein sehr deutliches Zei- Deshalb frage ich: Welchem Deutschen soll dieses Ange- chen dafür, dass sich eine Veränderung andeutet. Das war bot an die Kollegen in Frankreich etwas nützen? Das, was sicherlich auch der Grund, warum Staatspräsident Hollan- wir Deutsche machen müssen, ist, dass wir eine Vorreiter- de die sozialdemokratischen Parteipolitiker – ich halte sie rolle einnehmen, wenn es um die Frage geht, dass endlich nicht für Sozialisten – aus Europa zusammengerufen hat: wieder konsequent gehandelt wird und dass das, was ver- um zu überlegen, ob es angesichts der politischen Situation traglich vereinbart worden ist, auch gilt. Verehrte Kolle- Veränderungsmöglichkeiten gibt, die dabei helfen, dass ginnen und Kollegen, das ist die Politik, die von Deutsch- Europa weiter zusammenwächst und nicht auseinander- land gemacht werden muss. Das Gegenteil ist hier der Fall. bricht. (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der (Horst Klee (CDU): Der kriegt doch nichts auf die CDU) Reihe, der Hollande! Ein absoluter Flop, der Hollan- de!) Deshalb ist einer der Vorwürfe der Damen und Herren von der AfD durch das Verhalten von Herrn Gabriel genau be- Wer eine andere Europapolitik will, muss sich mit der stätigt worden. Die AfD hat erklärt, dass die Kriterien des Eurokrisen-Kanzlerin Merkel anlegen. Europa braucht europäischen Stabilitätspakts und alle Rettungsmechanis- nicht allein eine Lockerung der Austeritätsschraube, son- men, die wir auf den Weg gebracht haben, massiv der poli- dern eine Gerechtigkeitswende, die auf drei Elementen tischen Einflussnahme unterliegen. Das ist es, was die fußt: Erstens muss der Spekulationssumpf auf den Finanz- Menschen beunruhigt: wenn man Regeln aufstellt und die- märkten, der immer noch jederzeit ganze Staaten in den se aufgrund von anderen Mehrheiten auf einmal wieder in- Abgrund reißen kann, auf Dauer durch Regulierungsmaß- frage gestellt werden. nahmen ausgetrocknet werden. Ich kann nur sagen: Wenn man dieser Partei, der AfD, (Beifall bei der LINKEN) noch mehr Wasser auf die Mühlen geben möchte, macht Zweitens brauchen wir ein europäisches Zukunftspro- man genau das. Man stellt das, was man vereinbart hat, gramm, das den Investitionsstau in der öffentlichen Infra- wieder infrage und billigt letztendlich politischen Mehrhei- struktur auflöst und vor allen Dingen die Massenarbeitslo- ten zu, darüber zu entscheiden. Das kann nicht der Weg sigkeit bekämpft. der Bundesrepublik Deutschland sein. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage auch: Sigmar Gabriel hat als Vizekanzler eine Verantwortung, der er gerecht werden muss. Wer das Amt Drittens. Europa muss endlich eine Sozialunion werden, ei- von Ludwig Erhard innehat, sollte dessen Überzeugung ne Sozialunion, die die gemeinsamen Mindeststandards für nicht verraten. Er sollte in dieser Frage konsequent das Löhne, Renten, Sozialleistungen, die Besteuerung von Un- weiterverfolgen, was wir vereinbart haben. ternehmen und natürlich die Besteuerung von Reichen ein- führt. Das ist das Gegenprogramm zu Merkels Europa der Deswegen will ich zum Abschluss sagen: Die Zinspolitik kalten Schulter. der Europäischen Zentralbank führt nicht nur dazu, dass wir in Deutschland bei der Eigentumsbildung, bei der Ver- (Horst Klee (CDU): Ach Gott!) mögensbildung und bei der Altersvorsorge erhebliche Pro- bleme bekommen, sondern sie ist auch ein politischer He- Die Erkenntnis von Gabriel ist ein kleiner Fortschritt ge- bel, der betätigt wird, um notwendige Reformen in diesen genüber der bedingungslosen Zustimmung der SPD im Ländern nicht zu machen. Das kann nicht der Weg sein. Bundestag zu bisher allen selbstmörderischen Austeritäts- programmen für die europäischen Krisenstaaten. Das Be- Herr Kollege Boddenberg, damit will ich Sie nicht ver- harren auf den Agendareformen zeigt leider auch, dass der schonen: Das, was wir in Deutschland zurzeit machen, Wirtschaftsminister noch nicht begriffen hat, wie zerstöre- nämlich dass wir notwendige Reformen wie die Agenda risch das deutsche Lohndumping für die Integration des 2010 zurücknehmen und sogar hinter den Status quo ante europäischen Wachstumsraums war und ist. Wo Löhne, dieser Reform zurückgehen, ist genauso unverantwortlich Renten und Sozialleistungen sinken und die öffentlichen wie die Reden von Sigmar Gabriel. – Vielen Dank. Dienste auf Sparflamme gefahren werden, schwächelt die Binnennachfrage. Nur auf Exportüberschüsse lässt sich (Beifall bei der FDP) keine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung begründen. Die europäische Linke und wir in Deutschland fordern in Vizepräsidentin Heike Habermann: Übereinstimmung mit den deutschen und vor allen Dingen Vielen Dank. – Das Wort hat Kollege van Ooyen, Fraktion mit der großen Mehrheit der europäischen Gewerkschafter DIE LINKE: seit längerem einen entschiedenen Politikwechsel. Die Be- völkerungsmehrheit in Europa hat nichts von einer Locke- rung des unsinnigen Stabilitäts- und Wirtschaftspaktes Willi van Ooyen (DIE LINKE): bzw. des Fiskalpaktes, wenn man gleichzeitig Löhne drückt und den Sozialstaat zerstört, wie es Gabriel auch Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren! Herr Kolle- fordert. ge Boddenberg, ich fühle mich übrigens auch mit den spa- nischen Arbeitslosen solidarisch. Eine Agenda 2010 für Europa verschärft die Depression. Defizitregeln werden nur dann noch gebraucht, um Steuer- (Michael Boddenberg (CDU): Das müssen Sie mir ausfälle durch die Absenkung der Binnennachfrage zu nicht sagen! Darum kümmere ich mich mehr als kompensieren. Die Staatsverschuldung ist in jenen EU- Sie!) Staaten am stärksten gestiegen, die am meisten gekürzt ha- – Das glaube ich nicht. ben. Wer die Eurokrise lösen und die Staatsverschuldung Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1007 bekämpfen will, braucht – ich zähle auf –: einen New Deal (Zuruf der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE)) mit einer strikten Regulierung und Schrumpfung des Fi- – Ich habe nicht gesagt: „der Linkspartei“, sondern „aus nanzsektors, die Trennung von Investmentbanking und der Linkspartei“, das ist schon etwas anderes. Ich spare mir klassischem Bankgeschäft, die massive Ausweitung öffent- jetzt jede Bemerkung zu Distanzierungen Ihrerseits zu Ko- licher Investitionen sowie eine EU-weite Vermögensabga- alitionen von CDU und Linkspartei in Brandenburg, zu be für Millionäre, aber auch zinsgünstige Kredite der EZB Frau Steinbach, Herrn Irmer, Herrn Willsch, der Jungen an betroffene Krisenstaaten. Union Rheingau-Taunus und zu allen anderen. Ich will (Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg zum eigentlichen Thema etwas sagen. (CDU): Sie scheinen Ihre eigenen Zahlen zu haben!) (Michael Boddenberg (CDU): Sehr gut!) Wir werden die wirtschaftspolitische Geisterfahrt der Kür- – Herr Boddenberg, das ist „sehr gut“. – Das eigentliche zungsdiktate und der arbeitnehmerfeindlichen Politik so- Thema, um das es geht und das Sigmar Gabriel und die so- wohl im Parlament als auch außerparlamentarisch bekämp- zialdemokratischen und sozialistischen Parteivorsitzenden fen, wie etwa das Freihandelsabkommen TTIP mit den in Frankreich zum Thema gemacht haben, ist, wie wir mit USA oder dasjenige mit Kanada. dem Umstand umgehen, dass beispielsweise in den Län- (Michael Boddenberg (CDU): Wenn Sie so weiter- dern Südeuropas inzwischen bis zu 60 % der unter 25-Jäh- machen, ist Ihr Ferienhaus auch bald weg!) rigen ohne Arbeit und Ausbildung sind, dass viele darüber hinaus ohne Arbeit und Ausbildung sind, und wie wir an- Diese Freihandelsabkommen treiben die weitere Privatisie- gesichts dieser sozialen Krise, die zunehmend zu einer po- rung öffentlichen Eigentums voran und werden von uns litischen Krise wird, zu einer Kurskorrektur kommen, zu natürlich abgelehnt. Der Widerspruch von Kapital und Ar- einem Politikwechsel in Europa. beit wird mit dem brutalen Versuch, jetzt in Europa noch auf die Schnelle neoliberale Positionen gegen Krisenstaa- (Michael Boddenberg (CDU): Das liegt aber nicht ten durchzupeitschen, nicht außer Kraft gesetzt werden am Geld!) können. Man wird um einen drastischen Schuldenschnitt – Herr Boddenberg, diesen Politikwechsel haben wir – „wir“ Herr Boddenberg – nicht umhinkommen, denn ich weiß, heißt an dieser Stelle: Union, FDP, BÜNDNIS 90/DIE der Widerstand gegen diese Politik von Merkel und Co. GRÜNEN und SPD – im Sommer 2013 im Übrigen im wird wachsen. – Vielen Dank. Deutschen Bundestag gemeinsam verabredet, indem wir (Beifall bei der LINKEN) nämlich im Begleitbeschluss des Fiskalpaktes ausdrücklich darauf hingewiesen haben, dass wir für Europa dringend Wachstumsimpulse brauchen, damit Arbeit und Ausbil- Vizepräsidentin Heike Habermann: dung gerade auch in Krisenländern entstehen können. Vielen Dank. – Als Nächster spricht Kollege Schäfer- (Beifall bei der SPD – Michael Boddenberg (CDU): Gümbel, SPD. Das kann man nicht mit Geld heilen!) Da Sie genauso wissen wie ich, dass die Finanzmarkt- und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wirtschaftskrise nicht vorbei ist und dass uns die Auswir- kungen noch sehr lange beschäftigen werden, ist diese De- Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnen und batte zwingend notwendig. Deswegen hat Sigmar Gabriel Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! Die Aktuelle als Vizekanzler in den Debatten der letzten Tage darauf Stunde der Union, die in der vergangenen Woche vorberei- hingewiesen, dass wir nicht nur über einen Stabilitätspakt tet und am Montag beantragt wurde, hätte sicherlich heute reden, sondern dass der Stabilitätspakt ganz ordentlich und einen anderen Titel, wenn sie nach der Regierungserklä- vollständig „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ heißt, und rung von Bundeskanzlerin Merkel am gestrigen Tage ein- dass wir darauf dringen, dass er vollständig angewendet gebracht worden wäre. Die Standardsituation für diese Ak- wird und nicht nur auf einige Punkte reduziert wird. Das ist tuelle Stunde ist leicht berechenbar – zu meiner Rechten in der Formel zusammengebunden worden: Dringend not- die Konservativen, die für das Sparen stehen, und dort der wendige Reformen gegen mehr Zeit für den Defizitabbau. sozialistische Block, der für die Schulden steht. Das ist der Kern dessen, was dort zum Thema gemacht (Michael Boddenberg (CDU): Das ist ein bisschen wurde. etwas anderes!) (Beifall bei der SPD) – Herr Boddenberg, Sie wissen, wie das häufig mit Stan- Ehrlich gesagt ist es das, was wiederum mit der CDU, der dardsituationen im Fußball ist; ganz häufig landet der Ball FDP und an dieser Stelle ohne BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- anschließend im Aus. NEN, aber mit der Sozialdemokratie im Jahre 2011 im (Beifall bei der SPD) Hessischen Landtag mit Blick auf das Konjunkturpro- gramm, auf Wachstumsimpulse passiert ist, mit dem wir Deswegen will ich Ihrer letzten Bitte, die Sie nach Ablauf angesichts der Krise versucht haben, Arbeit und Ausbil- Ihrer Redezeit formuliert haben, gern nachkommen. Ich dung auch in Hessen zu sichern. habe den Bemerkungen meines Fraktionsvorsitzenden Kol- legen , vielleicht nicht bei jeder Wort- (Beifall bei der SPD) wahl, in Bezug auf die Erklärung aus der Partei DIE LIN- Deswegen ist die Debatte über Konsolidierung und Investi- KE im Zusammenhang mit dem Bundespräsidenten nichts, tionen zwingend notwendig. Wir wollen, dass der Wachs- aber auch überhaupt nichts hinzuzufügen. tums- und Stabilitätspakt vollständig angewendet wird und (Beifall bei der SPD) nicht nur in Teilen. Ich könnte Ihnen jetzt – – 1008 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

(Holger Bellino (CDU): Das haben wir doch ge- den Cem Özdemir anschließen. Er bezeichnet diese Debat- macht!) te um ein Aufweichen des Stabilitätspakts als „Placebo, das Europa nicht weiterbringt“. Deswegen will ich zum Schluss sagen – Herr Boddenberg, diese Aktuelle Stunde hätten Sie sich in der Tat sparen (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und können, wenn Sie gewusst hätten, was die Kanzlerin der CDU) gestern sagen würde –: Wir sind uns einig darüber, dass Europa die Wirtschafts- (Holger Bellino (CDU): Nein, nein!) und Finanzkrise längst noch nicht überwunden hat. Es be- steht aber kein Grund, dass wir jetzt am Stabilitäts- und Wir werden die Debatte um den Wachstums- und Stabili- Wachstumspakt in seiner jetzigen Form irgendetwas verän- tätspakt ehrlich führen müssen. Die einen haben in der dern. Vergangenheit in der Tat zu stark und einseitig über Spar- politik geredet. Die anderen haben entschieden zu wenig (Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das will auch über Reformen geredet. Beides muss sich aus unserer keiner!) Überzeugung ändern. Wenn wir nämlich in Europa nicht Ich sage auch noch einmal, warum ich das denke. Wachs- mehr Arbeit und Ausbildung schaffen, werden die Europa- tumsfördernde Investitionen und größere Strukturreformen feinde wie Frau Le Pen am Ende in die Regierungszentra- sind nach dem derzeitigen Regelwerk bereits möglich. Die len einziehen. Und das sage ich Ihnen: Das wird Europa derzeit geltenden Verfahren und Regeln sind genügend fle- am Ende teurer kommen als der Grundsatz Reformen und xibel. Auch die konjunkturelle Lage eines Mitgliedstaates mehr Zeit bei den Sparwegen. – Herzlichen Dank. wird bei der Ausgestaltung des Schuldenabbaupfades be- (Beifall bei der SPD) rücksichtigt. Insofern ist die Diskussion um eine mögliche Aufweichung des Stabilitäts- und Wachstumspakts eine falsche Diskussion. Vizepräsidentin Heike Habermann: Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wachstum auf Pump um Vielen Dank. – Als Nächste spricht Kollegin Hammann, jeden Preis, das funktioniert nirgends mehr. Wir brauchen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Haushaltsdisziplin. Haushaltsdisziplin ist mit Blick auf die nachfolgenden Generationen das Gebot der Stunde. Des- wegen müssen alle EU-Staaten den Mut aufbringen, unsin- Ursula Hammann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nige Aufgaben zu hinterfragen. Ich sage auch ganz deut- Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! lich: Es ist notwendig, dass die Korruption eingedämmt Der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs hat gestern wird, bei der sich Wenige in unglaublicher Weise auf Kos- begonnen. Im Vorfeld gab es ein Treffen der sozialisti- ten Vieler bereichern. schen Staats- und Regierungschefs in Frankreich, und man (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und hat eine Debatte über den Stabilitätspakt losgetreten. In der CDU) dieser Debatte ging es um ein mögliches Aufweichen die- ses Stabilitätspakts; sie wollen eine flexiblere Auslegung Es ist ebenfalls absolut wichtig, dass wir in Europa ge- der Regeln zum Defizitabbau in Europa. meinsam Steuerhinterziehung und Steuerbetrug bekämp- fen. (Vizepräsident Wolfgang Greilich übernimmt den Vorsitz.) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist nichts An- rüchiges, wenn man über eine Entwicklung in Europa Das ist die Diskussion, die wir zu führen haben. Dieser spricht, wenn man weiß, dass es Länder gibt, die krisenge- notwendige Kampf gegen Verschwendung, Korruption und schüttelt sind, die Probleme auf dem Arbeitsmarkt und eine Steuervermeidung hat nichts, aber auch gar nichts mit dem hohe Jugendarbeitslosigkeit haben. Stabilitätspakt zu tun. Dieser Kampf bringt genügend Mehreinnahmen, um die dringend notwendigen Zukunfts- Diese Diskussion hat Begehrlichkeiten in vielen Mitglied- investitionen in den Krisenländern Europas zu finanzieren. staaten geweckt. Man hat auch eine Diskussion geschürt, die da heißt: Möglicherweise können wir am Stabilitäts- Wir brauchen Investitionen in die Bildung junger Men- pakt wieder etwas verändern. – Da sage ich Ihnen: Das ist schen. Es darf nicht passieren, dass in den Krisenländern schon ein Problem. Dieser Eindruck darf natürlich nicht eine halbe Generation in Arbeitslosigkeit und Resignation entstehen. versinkt. In der gesamten EU stehen darüber hinaus große Investitionen an: in den ökologischen Umbau der Indus- Die Problematik der Arbeitslosigkeit, insbesondere der ho- triegesellschaft und in eine nachhaltige Energie- und Ver- hen Jugendarbeitslosigkeit, wurde eben angesprochen: kehrswirtschaft. Das muss gemeinsam gestemmt werden. 60 % in einigen Mitgliedstaaten. Das darf uns nicht ruhen Eine Diskussion um die Aufweichung des Stabilitätspakts lassen. Das ist etwas, das uns auch umtreibt und wo wir ist dabei in keiner Weise hilfreich. Sorge haben. Die Diskussion um den Stabilitätspakt ist da- bei aber die falsche Diskussion. Kurz zusammengefasst: Strukturreformen und wachstums- fördernde Investitionen sind nicht nur nötig, sie sind auch (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und nach dem derzeitigen europäischen Regelwerk möglich. der CDU) Dabei wird die konjunkturelle Lage eines Mitgliedstaates Es wäre ein fatales Zeichen und würde die Glaubwürdig- bei der Ausgestaltung des Schuldenabbaupfades berück- keit unserer europäischen Krisenpolitik beschädigen. Sie sichtigt. wissen alle, erst 2011 wurde der Stabilitätspakt reformiert. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben die Die Diskussion ist an dieser Stelle absolut unnötig. Ich Möglichkeiten. Lassen Sie uns diese Probleme gemeinsam kann mich deswegen auch nur unserem Bundesvorsitzen- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1009 angehen. Lassen Sie uns nicht über eine Diskussion der Wir brauchen Vertrauen in die Regeln und in die Politik, möglichen Aufweichung eines Stabilitätspakts ereifern. – dass sie sich an die Regeln hält, die sie sich gegeben hat. Vielen Dank. Sie darf nicht die Regeln dann ändern, wenn es Probleme gibt. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU) (Beifall bei der CDU – Günter Rudolph (SPD): Sie haben ein Problem mit der Wahrheit!) Vizepräsident Wolfgang Greilich: – Herr Rudolph, Sie haben immer ein Problem mit der Wahrheit, und dann werden Sie laut. Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Landesregierung spricht Herr Finanzminister Schäfer. (Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das sagen ausge- rechnet Sie! – Günter Rudolph (SPD): Die Schwarz- geldpartei!) Dr. Thomas Schäfer, Minister der Finanzen: Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb ist es Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! von entscheidender Bedeutung, dass von Deutschland – – Viele werden sich noch an die Diskussionen der Jahre (Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD)) 2009 und 2010 im Vorfeld der Begründung des Europäi- schen Stabilitäts- und Wachstumspaktes erinnern. Warum – Herr Rudolph, beim Schimpfen sind Sie der Ausbund an sind die Staaten Europas denn dazu gekommen, Verände- Zurückhaltung. Deshalb bin ich da sehr gelassen und ent- rungen ihrer rechtlichen Regeln rund um staatliche Finan- spannt. zierung mit einem unglaublich schnellen Tempo umzuset- Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß, dass zen? Weil im Nachzug der Finanzmarktkrise der Jahre Ihnen das unangenehm ist. Immer dann, wenn sozialdemo- 2008/2009 zunehmend an den internationalen Kapital- kratische Herzthemen der Wirtschaftspolitik in der öffent- märkten Zweifel daran aufkamen, ob die Staaten Europas – lichen Debatte stehen, sind es meistens solche Fragestel- einige, vielleicht sogar in Summe – für die Zukunft in der lungen, die wachstumshemmend und wachstumsbremsend Lage sein würden, ihre Verbindlichkeiten zu bedienen. sind, wie wir es beispielsweise in Frankreich gesehen ha- Es waren nicht nur die anonymen Kapitalmärkte, sondern ben. Herr Hollande ist mit dem Ziel angetreten, für Wachs- insbesondere in den USA große Pensionsfonds, die die tum zu sorgen, und hat mit seiner Politik das Gegenteil er- Rentenleistungen für Millionen von Rentnerinnen und reicht. Rentnern zu verwalten haben, die die schlichte Entschei- (Beifall bei der CDU) dung getroffen haben: Bevor wir nicht sicher sind, ob die Europäer ihre Probleme in den Griff bekommen, investie- Wenn er dann die Initiative ergreift, die Regeln ändern zu ren wir nicht mehr in europäische Staatsanleihen. wollen, dann müssen wir als Deutsche gemeinsam, ein Vi- zekanzler genauso wie alle anderen in der Regierung, sa- Im Kern war es eine Frage des Vertrauens, ob die Europäer gen, dass wir Regeln im europäischen Stabilitäts- und ihre Probleme in den Griff bekommen können. Es gab be- Wachstumspakt haben, die angewendet und eingehalten reits seit 1993 Regeln, beginnend mit den Maastrichter werden müssen. Wir dürfen nicht als Erstes nach Paris fah- Verträgen. Als es ernst wurde, haben Deutschland und ren und das gleiche Lied singen wie Herr Hollande und Frankreich damit begonnen, diese Regeln zu brechen. Herr Renzi. Darum geht es. Über diese Fragestellung müs- Mancher erinnert sich noch an die Heldenpose des damali- sen wir diskutieren. gen Bundeskanzlers, als er zurückkam und erreicht hatte, dass es keine Sanktionen zulasten Deutschlands gab. Es muss dabei bleiben, dass Deutschland zum europäi- Wahrscheinlich war das der größte europapolitische Fehler schen Stabilitäts- und Wachstumspakt in allen seinen Ele- der letzten 20 Jahre. menten steht. Deutschland muss vor allem eines tun: seine eigenen Hausaufgaben machen. Wir dürfen uns nicht dar- (Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten der auf ausruhen, dass wir im Moment die Wachstumslokomo- FDP) tive Europas sind. Wir müssen sicherstellen, dass wir das So hatte man praktisch ein Déjà-vu. Es gibt wieder Länder auch in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bleiben. Wir Europas, die Probleme haben, obwohl sie wenige Jahre zu- dürfen nicht glauben, dass wir Fehler, die andere in Europa vor die Verabredungen des Stabilitäts- und Wachstums- gemacht haben, nur kopieren müssen, damit es für man- pakts unterzeichnet haben. Übrigens gibt es keinen Wider- chen dann etwas entspannter geht. Wir müssen in unserem spruch: Stabilität und Wachstum gehören zusammen. Es Land in den nächsten Jahren an den Strukturreformen wei- sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Es gibt keine Sta- ter arbeiten. bilität ohne Wachstum und kein Wachstum ohne Stabilität. Vor dem Hintergrund unserer eigenen demografischen Beides gehört zusammen, darum müssen wir uns küm- Entwicklung, die im Übrigen sehr viel schlechter ist als mern. beispielsweise die in Frankreich, wird uns noch manch un- (Beifall bei der CDU) angenehme Erscheinung nicht erspart bleiben. Das ist die Verantwortung, die wir haben, für heute und für die künfti- Warum Déjà-vu? Kaum hatten sozialistische Regierungen gen Generationen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksam- in Europa ein Problem, treffen sie sich im Kreis der Sozia- keit. listen gemeinsam mit Herrn Gabriel und erklären, dass die Regeln geändert werden müssen. Das ist das Gegenteil von (Beifall bei der CDU) dem, was wir brauchen. (Nancy Faeser (SPD): Das stimmt doch gar nicht! – Vizepräsident Wolfgang Greilich: Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Das ist gelogen!) Vielen Dank, Herr Minister. 1010 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Damit ist auch diese Aktuelle Stunde abgehalten und wir Wald wächst und wie wichtig seine Naturschutzaufgaben kommen zum letzten Tagesordnungspunkt dieser Vormit- sind. Es ist darin auch festgelegt, dass die Bürger zu betei- tagssitzung, dem Setzpunkt der FDP-Fraktion, Tagesord- ligen seien, wie es mit dem hessischen Wald weitergeht. – nungspunkt 43: Dies alles können Sie auf 100 Seiten nachlesen. Antrag der Fraktion der FDP betreffend Hessen-Forst (Beifall bei der FDP) muss Willen der Kommunen beachten – Drucks. In diesen 100 Seiten dieser Naturschutzleitlinie für den 19/503 – Hessischen Staatswald, der der Ministerin sicherlich be- kannt sein dürfte, ist nachzulesen, wie wichtig es ist, wenn Die Redezeit beträgt zehn Minuten. Zunächst hat Abg. man einen Feldweg im hessischen Wald pflegt, alles Mög- Rock für die FDP-Fraktion das Wort. liche bei seinem Ausbau und seiner Nachverdichtung zu beachten. Das alles können Sie dort nachlesen, aber Sie René Rock (FDP): finden kein Wort darüber, was alles zu tun ist, wenn man ein Windrad im hessischen Wald installiert und welche Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die grüne Folgen das hat. Energiewende bedroht den hessischen Wald. Als eines der waldreichsten Bundesländer ist Hessen mit rund 40 % (Beifall bei der FDP) Waldfläche in besonderer Verantwortung für seinen Wald. Dazu gibt es zwei Seiten auf der Internetseite von Hessen- Hessen-Forst ist der größte Waldbesitzer und trägt eine Forst, das sind relative Allgemeinplätze. Auch die Frage ganz besondere Verantwortung mit Blick auf die Frage, der Beteiligung der Kommunen verläuft sich in Allgemein- wie es mit dem hessischen Wald weitergeht. plätzen. Die Planung, die Sie, Ihre Fraktion und diese Landesregie- Ich will Ihnen aber einmal sagen, was es für den hessi- rung verfolgen, Frau Ministerin, sieht vor, 4.000 Wind- schen Wald bedeutet, wenn Sie dort 10, 12 oder 15 Wind- kraftanlagen in die hessischen Wälder zu verpflanzen – räder in einen Windpark stellen, welche Schneisen Sie da- 4.000 Windkraftanlagen, alle nach neuestem Standard, mit in den hessischen Wald schlagen, wie viele Bäume 200 m hoch und mit gewaltigen Auswirkungen auf diesen dort fallen, wie groß die Aufstellfläche für die Kräne ist – Wald. hektarweise wird dort Wald entfernt und werden Bäume (Zuruf) gefällt. Was Sie sonst in jedem Stadtbild bekriegen, egal, auf welchem Marktplatz ein Baum gefällt werden muss, an Das ist eine völlig verfehlte und falsche Politik, und ich be- den Sie sich dann ketten, ist Ihnen hier völlig egal: wenn danke mich für die Anregung von der Regierungsbank, hektarweise Wald gefällt wird. Es wird Boden verdichtet, Herr Präsident, so etwas ist immer förderlich für den Rede- es fahren Sattelschlepper und gewaltige Kräne – all dies in beitrag. den absoluten Naturräumen unseres Landes. Dann werden (Beifall bei der FDP) Tausende Tonnen Beton im Waldboden versenkt und der Boden verdichtet mit all den Naturschutzfolgen, um die Ich will nicht verhehlen, dass diese grüne Überlegung – bei wir wissen. allen anderen Fraktionen würde darüber nachgedacht, ob es so sinnvoll und nicht doch vermeidbar ist – bei Ihnen so (Manfred Pentz (CDU): Ei, ei, ei!) gesehen wird, dass Ihre grüne Spitzenkandidatin aus dem All das finden Sie gut, und all das bringen Sie als GRÜNE letzten Wahlkampf, Frau Dorn, klar und deutlich und ganz voran. Ich kann nur sagen: Kehren Sie ab von diesem Irr- stolz in der „FAZ“ geäußert hat, der hessische Wald brau- weg, bleiben Sie stehen, hören Sie damit auf, nehmen Sie che Windräder. Wir sagen: Das braucht er nicht. die Aufgaben für den hessischen Wald wieder ernst und (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Timon Grem- kümmern Sie sich darum, Herr Kaufmann. Machen Sie mels (SPD)) das. Nein, liebe GRÜNE, der hessische Wald leidet unter (Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS Windrädern, und auch die Menschen leiden unter Windrä- 90/DIE GRÜNEN)) dern. Sie zerstören den Erholungs- und Naturraum, sie zer- Dann fragt man sich natürlich, warum Hessen das macht. stören das Landschaftsbild, sie zerstören den Lebensraum Warum machen wir das? Warum wollen wir 4.000 Wind- der Tier- und Pflanzenwelt und sie bedrohen womöglich kraftanlagen im hessischen Wald aufbauen, und was soll die Lebensqualität und die Gesundheit unserer Bürgerin- der Grund dafür sein? Der Klimaschutz ist der Grund da- nen und Bürger. für. Und warum macht es dann überhaupt ökonomischen Es ist interessant, wenn man sich mit dem Hessen-Forst Sinn, ein Windrad in den hessischen Wald hinein zu bau- und dessen Leitlinien auseinandersetzt. en? Das ist das EEG, durch das solche ökonomischen und ökologischen Fehlinvestitionen hochgradig subventioniert (Manfred Pentz (CDU): Was ist denn mit der Ener- werden. giewende? – Hans-Jürgen Irmer (CDU): Sie waren doch die Ersten, die die Energiewende wollten!) (Beifall bei der FDP – Timon Gremmels (SPD): Und woher soll die Energie kommen?) – Herr Lehrer, vielleicht sollten Sie nicht so viel dazwi- schenrufen. – Diese Leitlinie für den Hessischen Staats- Das ist ja nicht nur allein meine Meinung. Es ist auch nicht wald umfasst 100 Seiten, die ich auch jedem empfehlen nur die Meinung eines Expertenrates der Bundesregierung kann, der jetzt dazwischenruft. Darin wird deutlich ge- oder der Experten überhaupt. Es ist das IPCC, also sozusa- macht, wie wichtig der hessische Wald für den Naturraum gen die Gralshüter des Klimawandels und des Klimaschut- in Hessen ist, wie wichtig er für die Lebensqualität der zes auf Weltebene, auf Ebene der UN. Die haben uns ins Menschen ist, wie die Biodiversität an diesem hessischen Stammbuch geschrieben, das EEG habe in Deutschland keine Auswirkungen auf den Klimaschutz. Das können Sie Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1011 dort nachlesen. Damit wird Ihnen das eine Argument, das – Das Nebelhorn aus dem Hintergrund, Herr Kaufmann. wirklich in Betracht gezogen werden könnte, nämlich den Das haben wir heute schon einmal gehört, und da kam ge- Klimaschutz, aus der Hand geschlagen. nau ein solches Pfeifen zustande. Aber dafür, dass der Wald verschwindet, sorgen Sie ja nun. Das hätte ich mir Was aber bleibt Ihnen? Es bleiben Ihnen Investoren, die bei Ihnen auch nie vorstellen können. Geld verdienen wollen – das ist nichts Schlimmes. Es blei- ben die leeren Versprechungen an Kommunen und andere, (Beifall bei der FDP – Lachen der Abg. Martina denen Sie Heilsverkündungen gemacht haben, um über- Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) haupt jemanden zu überzeugen, einen solchen ökonomi- Es ist so, dass Sie als Ideologen immer genau wissen, schen und ökologischen Blödsinn anzustellen. wann Sie die Bevölkerung beteiligen wollen und wann (Beifall bei der FDP) nicht. Wenn Sie glauben, es entspreche dem Zeitgeist und Sie erwarte große Zustimmung, dann sind Sie für Bürger- Jetzt kommt Hessen-Forst ins Spiel. Wie gesagt: Hessen- beteiligung. Wenn Sie aber merken, dass Ihnen der Wind Forst als großer Waldbesitzer trägt in besonderer Weise ins Gesicht bläst, dann haben Sie nicht einmal mehr Lust Verantwortung. Bis jetzt war es unter der alten Landesre- dazu, Bürgerinitiativen zu begegnen, Sie vermeiden Podi- gierung so, dass Hessen-Forst erklärt hat, keine Windräder umsdiskussionen und wollen auch keine Unterschriften aufzustellen, wenn die entsprechende Kommune das nicht mehr entgegennehmen, sondern Sie ducken sich weg, ver- wolle. Genau daran aber wird man heute nicht mehr ge- stecken sich hinter Ihren Ämtern und setzen mithilfe mi- messen: Hessen-Forst hat in seiner im Internet nachzule- nisterialer Gewalt Ihre ideologische Politik gegen den Wil- senden Leitlinie nur noch stehen, dass die Kommune betei- len der Bürgerinnen und Bürger vor Ort durch. ligt werden solle und man Partnerschaft wolle, die Ent- scheidung am Ende aber einzig und allein bei Hessen-Forst Das wollen wir nicht. Das werden wir zu verhindern versu- liege. chen. Ich kann Sie nur auffordern: Nehmen Sie den Bür- gerwillen in Hessen ernst. Kommen Sie zurück zu einer Wenn man den Vorbericht dazu liest, ist klar, dass allein bürgerfreundlichen Politik, und beenden Sie diesen Wind- die Frage Vorrang hat: Wie lassen sich möglichst viele kraftausbau im hessischen Wald. – Vielen Dank. Windräder im hessischen Forst errichten? – Genau das ist Wahnsinn und eine absolute Fehlentwicklung der Politik, (Beifall bei der FDP) der man entgegentreten muss. Hier muss zur alten Linie zurückgekehrt werden, keine Windräder gegen den Wunsch der Kommunen vor Ort zu errichten. Vizepräsident Wolfgang Greilich: (Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Ursula Ham- Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Als Nächster hat Herr mann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) Kollege Gremmels, SPD-Fraktion, das Wort. Damit kommen wir natürlich auf ein wichtiges Argument zurück, das man im Zuge der Energiewende immer wieder Timon Gremmels (SPD): hört, nämlich den Bürger mitnehmen zu wollen, den Bür- ger ernst zu nehmen und ihm die Energiewende zu erklä- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal wun- ren. All das wird mit Ihrem Handeln konterkariert. Sie neh- dert man sich schon, wenn man die FDP hört. Man könnte men den Bürger bzw. die Kommune, in welcher der Bürger in Bezug auf die Diskussion der letzten Wochen meinen, seine Meinung konkret auch gegenüber der Kommunalpo- nicht die GRÜNEN sind die neue FDP, sondern die FDP litik äußern will und kann, komplett aus der Willensbil- sind die neuen GRÜNEN, die auf einmal das Thema Na- dung heraus. turschutz und Umweltschutz entdecken. Dabei wollte ich euch nicht beleidigen, liebe Kolleginnen und Kollegen von (Florian Rentsch (FDP): Wie in Darmstadt!) den GRÜNEN. Ihr wart immer sehr viel intelligenter bei Die Kommune darf nur noch sagen, ob sie will oder nicht, euren Projekten. So platt, das schafft einfach nur die FDP. und dann macht Hessen-Forst mit den Investoren, was ih- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nen genehm ist. Die Kommunen dürfen sich vielleicht noch an einem Unternehmen beteiligen oder Ähnliches, ob Wie mein Kollege Gerd Merz es gerade auf den Punkt ge- sie aber die Windräder wollen oder nicht, das entscheiden bracht hat: Wenn Frank Kaufmann das Nebelhorn der nicht mehr die Kommune bzw. die Bürger vor Ort, sondern GRÜNEN ist, ist René Rock das Waldhorn der FDP. das wird hier von einer grünen Ministerin vorgegeben. Und Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich finde, das wie diese Vorgaben aussehen, können Sie jeden Tag in der war ein sehr blamabler Auftritt. Denn man muss ziemlich Zeitung lesen. Das wird sie auch hier am Rednerpult noch deutlich sagen, wer die Grundlage dafür geschaffen hat, einmal deutlich machen. Das heißt: Bäume, Wald, Natur- dass wir in Hessen auch im Wald Windkraftanlagen erbau- raum – egal. Menschen, Wille der Bevölkerung – egal. Nur en können. Das war dieser Minister Florian Rentsch, der noch die ideologische grüne Energiewende, die ökono- damals den Landesentwicklungsplan mit unterschrieben misch und ökologisch sowie für den Klimaschutz keinen hat. Kein halbes Jahr später unterschreibt er so einen An- Ertrag bringt. trag der FDP. Sie haben die politische Verantwortung in (Beifall bei der FDP) den letzten fünf Jahren getragen. Da kann man sich nicht einfach aus der Verantwortung stehlen. Ich bitte Sie und fordere Sie dazu auf, die Kommunen in Hessen ernst zu nehmen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) (Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) Es war doch so, dass wir alle gemeinsam – politisch waren die LINKEN in dieser Frage auch dabei – gesagt haben: Wir wollen in Hessen 2 % Windvorrangflächen installie- 1012 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 ren. Das war die politische Grundlage des Hessischen wir die Energiewende so hinkriegen, dass wir Kyrill und Energiegipfels. andere Stürme und Hurrikans in dieser Größenordnung in Hessen nicht mehr haben werden. Dafür brauchen wir die (Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP)) Energiewende, und dafür ist Windkraft im Binnenland eine Den haben Sie unterschrieben. Sie haben letztens schon an- wichtige und sinnvolle Voraussetzung. gekündigt, dass Sie die Unterschrift zurückziehen. Das ha- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- ben wir alle zur Kenntnis genommen. Aber damals war das wie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Ihre Auffassung. Ich werde Ihre Rede, wie Sie sie vorgetragen haben, nach- In der Umsetzung haben wir dann – Ihr Ministerium war lesen. Ich werde eine Abschrift machen und sie an den Pri- federführend dabei – den Landesentwicklungsplan aufge- vatwaldbesitzerverband und den Grundbesitzerverband stellt. Da war eine Vorgabe, mit der Sie manifestiert haben: schicken, Ihre ehemaligen Freunde; Es kommt dort Windkraft hin, wo eine hohe Windge- schwindigkeit ist. (René Rock (FDP): Oh!) Daraufhin gab es ein Gutachten vom TÜV Süd, der ausge- denn 25 % der Waldfläche in Hessen sind in Privatbesitz. rechnet hat: Es ist in einer Mittelgebirgslandschaft nun ein- Das ist so. mal so, dass in einem bewaldeten Gebiet besonders hohe (Jürgen Lenders (FDP): Die Privatflächen fallen Windgeschwindigkeiten sind. – Sie haben damals die Vor- doch immer heraus!) gabe gemacht, es werden nur dort Windvorranggebiete ein- gerichtet, wo eine Mindestwindgeschwindigkeit von 5,75 – Nein, das ist auch falsch. Es fallen nicht überall Privat- m/s herrscht. Das waren Sie, Herr Rentsch. Sie haben das waldflächen weg. – Ich lade Sie wieder ein: Kommen Sie unterschrieben. Sie haben es auf den Weg gebracht. bitte in meinen Wahlkreis, zum Ritterschaftlichen Stift bei Kaufungen. Vom Ritterschaftlichen Stift werden Wind- Dann gehört es sich, hier wenigstens zu sagen: Wir haben kraftanlagen gebaut, und zwar in regionaler Wertschöp- damals falsch gelegen, wir haben einen Fehler gemacht, fung mit den Stadtwerken in Kassel und mit Bürgerbeteili- wir sind jetzt anderer Auffassung. Aber Sie sollten nicht gung, mit Investitionen vor Ort. Das bringt Wertschöpfung eine so billige Nummer abziehen, wie es Herr Kollege in die Region, und das fördert die Akzeptanz der Men- Rock hier gemacht hat. Das war Populismus pur. schen, wenn wir sie mitnehmen und auf dem Weg beglei- (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ten. Insofern ist das aus meiner Sicht der richtige Weg und NEN und der Abg. Marjana Schott (DIE LINKE)) nicht diese Demagogie, die Sie hier an den Tag legen. Eigentlich ist es auch unter der Würde der FDP. Aber da (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sieht man einmal, wie weit sie gesunken ist. bei Abgeordneten der SPD) Schauen wir es uns einmal an, wie es ist, wenn wir das in Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte noch Hessen schaffen wollen mit der Windkraft. Unser Bundes- einmal deutlich machen, dass wir an dieser Geschichte land hat 42 % Wald. Wir wollen nicht in Siedlungsnähe weiterarbeiten müssen und dass die Landesregierung, dass bauen. Wir wollen den Menschen die Windkraftanlage Schwarz-Grün in dieser Frage am Zug ist. Herr Minister nicht direkt vor die Haustür setzen. Wir wollen einen ver- Al-Wazir, ich habe Ihre Worte in der EEG-Debatte vorhin nünftigen Abstand haben. Dann gehört es zur Redlichkeit sehr wohl gehört, als Sie gesagt haben, dass wir natürlich dazu, zu sagen, dass wir auch ins Waldgebiet gehen müs- schauen müssen, dass wir in der Abwägung zwischen Na- sen, selbstverständlich, und zwar unter Berücksichtigung turschutzbelangen und Windkraft etwas hinbekommen, so- aller naturschutzrechtlichen und umweltrechtlichen Ge- dass wir dieses 2-%-Ziel in Hessen erhalten können. Das sichtspunkte. nehme ich sehr wohl zur Kenntnis. (Hans-Jürgen Irmer (CDU): Welchen Abstand wol- Ich weiß, dass es schwierig sein wird und dass wir dort len Sie denn?) noch den einen oder anderen Konflikt lösen und regeln müssen. Wir bieten als SPD unsere sachliche Zusammen- – Herr Kollege Irmer, beim Abstand sind wir uns doch ei- arbeit an. Ich glaube, wir haben hier ein gemeinsames In- nig. Wir wollen die 1.000 m Abstand haben, wie sie vorge- teresse. sehen sind. Da gibt es überhaupt keinen Widerspruch. Ich sage aber auch, dass es bei Windkraftanlagen im Wald Aber wenn wir es so wollen, dann müssen wir auch sagen, nötig ist, dass die Anrainerkommunen beteiligt werden. Da dass wir natürlich in den Wald hineingehen müssen. Natür- stimme ich Ihnen zu. Das ist so, und zwar nicht nur bei der lich kann man das im Wald auch sinnvoll machen. Ich lade Standortfindung, sondern auch hinterher beim Betrieb. Es Sie gerne ein, Herr Rock. Kommen Sie in meinen Wahl- ist so, eine Windkraftanlage verändert das Landschaftsbild kreis. Wir haben in meinem Wahlkreis eine Windkraftanla- optisch. Das ist eine Tatsache. Dann möchte ich aber auch, ge gebaut, und zwar auf eine Fläche, wo Kyrill gewütet dass die Anrainerkommunen finanziell davon profitieren. hat. Dort ist die Windkraftanlage entstanden. Da ist jetzt übrigens auch wieder aufgeforstet worden. (Beifall des Abg. Michael Siebel (SPD) – Zuruf des Abg. René Rock (FDP)) Ein halbes Jahr nach Errichtung der Windkraftanlage blüht und wächst dort vieles. Naturschützer sagen mir: Die Da warten wir auf Schwarz-Grün, dass sie endlich die Lan- Waldfläche im Umfeld z. B. einer Windkraftanlage ist deshaushaltsordnung so ändern, dass Anrainerkommunen ökologisch höherwertig, weil da die Möglichkeit besteht, bei Investitionen im Staatsforst etwas von den Pachtein- dass sich das Getier dort trifft, dass dort auch andere Pflan- nahmen abbekommen. Da gab es zwischen SPD und GRÜ- zen wachsen. Das ist eine sinnvolle Ergänzung. NEN einmal eine gemeinsame Linie. Wenn ich den Koali- tionsvertrag richtig sehe, haben Sie sich hier bei der Union Ich hatte Kyrill schon angesprochen. Kyrill war eine Folge durchgesetzt. Sie haben da unsere Unterstützung. Aus mei- des Klimawandels. Ich sage Ihnen: Mir ist wichtiger, dass Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1013 ner Sicht muss das aber möglichst bald umgesetzt werden, Ich will den Menschen, die heute da sind, erklären, was das weil wir gerade in den Regionalversammlungen dabei sind, heißt. Das heißt eben, dass es dort, wo wir den Willen der die Regionalpläne aufzustellen. Bürger nicht erreichen und wo dies Menschen vor Ort sa- gen, keinen Sinn macht. Herr Kollege Gremmels, das, was Hier ist ganz klar Schwarz-Grün am Zug, endlich ein Kon- wir mit diesen Windanlagen in Hessen an vielen Stellen zept vorzulegen, wie sich die Anrainerkommunen im Land machen, macht keinen Sinn, weil dort, wo wenig Wind Hessen an Windkraftprojekten im Wald beteiligen können. bläst, eine Anlage nie wirtschaftlich arbeiten kann. In diesem Sinne lassen Sie mich noch etwas zum Ab- (Beifall bei der FDP) schluss sagen. Wenn Sie es wirklich ernst gemeint hätten, Herr Rock, wenn die FDP dieses Thema wirklich ernst ge- Ich finde dies keine Definition von Wirtschaftlichkeit. Sie meint hätte, dann hätte man einen ordentlichen Änderungs- haben vorhin gesagt, wenn die Subventionen wegfallen, sei antrag zum Hessischen Waldgesetz, das wir gerade novel- es nicht mehr wirtschaftlich. Dort, wo Subventionen ge- lieren, gestellt oder ein Änderungsgesetz vorgelegt. Dann braucht werden, kann es nie Wirtschaftlichkeit geben, Herr hätten Sie damit gesagt, Sie wollen keine Windkraft im Kollege Gremmels. So wird Marktwirtschaft draus. Wald. (Zuruf des Abg. Ursula Hammann (BÜNDNIS (Zuruf des Abg. René Rock (FDP)) 90/DIE GRÜNEN)) – Natürlich hätten Sie das machen können, Herr Rock. Das ist das Problem. Das hat der Kollege Rock nämlich Aber Sie haben nicht den Mut oder nicht die Zeit dafür. Sie sehr schön erklärt. Es macht doch keinen Sinn, wenn wir haben hier lieber einen billigen Vierzeiler hingelegt, statt diese Anlagen vor Ort gegen den Willen der Menschen in- inhaltlich etwas zu machen. stallieren. Das, was Kollegin Hinz noch so weggelächelt hat, finde ich sehr spannend. Man muss den Menschen auf den Zuschauerrängen sagen: Wenn Sie etwas ändern wollen, dann müssen Sie eine Ge- Als wir noch regiert haben, als die FDP in diesem Land setzesvorlage machen. Dann können wir seriös darüber noch Verantwortung getragen hat, hatten wir mit Hessen- diskutieren. Dann gäbe es auch eine Anhörung, und die Forst eine Vereinbarung, dass nicht auf Landesflächen aus- Experten würden Ihnen sagen, dass Sie völlig auf dem gewichen wird und Windanlagen installiert werden, wenn Holzweg sind die Kommune vor Ort gesagt hat: Wir wollen sie nicht. (René Rock (FDP): Holzweg?) Ich will Ihnen das Beispiel aus Wiesbaden nennen. In Wiesbaden wird den Stadtverordneten nach dem Motto ge- – auf dem Holzweg sind, völlig okay. – In diesem Sinne droht: Nehmt lieber die städtischen Flächen, sonst wird die sage ich ganz klar für die SPD: Diesem Antrag, wie Sie ihn Anlage auf Hessen-Forst-Flächen installiert; dann verdient hier formuliert haben, können wir nicht zustimmen. Das ist ihr noch nicht einmal etwas dran, so verdient ihr wenigs- der völlig falsche Weg. Die FDP ist damit im Abseits. – tens mit. – Finden Sie das eine reelle Politik, wenn das Vielen Dank. Land seine Macht ausnutzt (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Wolfgang Greilich: Kollege Rentsch, bitte kommen Sie zum Ende. Vizepräsident Wolfgang Greilich: Vielen Dank, Herr Kollege Gremmels. – Das Wort für eine Kurzintervention hat Herr Kollege Rentsch. Florian Rentsch (FDP): (Gerhard Merz (SPD): Jetzt geht der Holzweg wei- und versucht, Windkraftanlagen zu installieren? Das ist der ter!) falsche Weg und hat auch nichts mit Akzeptanz und Bür- gerwillen zu tun. (Beifall bei der FDP) Florian Rentsch (FDP): Verehrte Damen und Herren der Sozialdemokratie! Das große Ziel der Energiewende war auch Ihr großes Thema Vizepräsident Wolfgang Greilich: vor einigen Jahren im Wahlkampf. Ich kann Ihnen sagen, Vielen Dank. – Herr Kollege Gremmels, wenn Sie wollen, Herr Kollege Gremmels: Was der Kollege Rock gesagt hat, können Sie erwidern. Zwei Minuten. war sehr fachkundig. Leider haben Sie gerade am Thema vorbeigeredet bei der Frage, welche planungsrechtlichen (Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Grundsätze es in Hessen dazu gibt. NEN): Er hat es falsch gesagt!) Sie haben mich als ehemaligen Wirtschaftsminister ange- sprochen, der für das Thema zuständig war. Wir haben Timon Gremmels (SPD): kein 2-%-Ziel – dafür haben Sie uns immer kritisiert –, sondern wir haben einen 2-%-Grundsatz. Von dem kann Kollege Rentsch, anscheinend kennen Sie nur Ihre eigenen man abweichen, auch nach unten abweichen. Deshalb ist Gesetze und nicht das, was Sie damals unterschrieben ha- das, was Herr Kollege Rock gerade gesagt hat, natürlich ben. Ich habe hier ziemlich klar und deutlich gesagt: Sie fachlich richtig. Deshalb ist auch richtig, dass ich es ver- haben damals mit auf den Weg gebracht, dass als Verord- antworte. Aber ich verantworte kein 2-%-Ziel, sondern nung für die Ausweisung von Vorrangflächen eine Min- einen 2-%-Grundsatz. destwindgeschwindigkeit von 5,75 m/s gilt. Sie wussten damals, dass dieses in der Mittelgebirgslandschaft passiert. Sie wussten damals, weil ein Gutachten des TÜV Süd auf 1014 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 dem Tisch gelegen hat, wo diese Vorrangflächen sind, oder in einem Klettergerüst übernachtet. Ich nehme an, Sie nämlich im bewaldeten Gebiet. haben daran teilgenommen. Vielleicht hat der wirtschafts- politische Sprecher der FDP-Fraktion geschaut, wie man Das alles haben Sie gewusst und in der Koalition mit den eine Plattform in den Baum baut. Das alles können Sie ler- Schwarzen doch gemeinsam so auf den Weg gebracht. nen, wenn Sie sich in Zukunft an jeden Baum ketten wol- Versuchen Sie also nicht, sich hier aus der Verantwortung len, meine Damen und Herren von der FDP. zu stehlen. Sie haben dafür die Voraussetzungen geschaf- fen. Aber weder die Natur im Allgemeinen noch der Wald oder die Flächenversiegelungen im Besonderen bei Infrastruk- Wenn Sie jetzt sagen, Sie nehmen das alles zurück und wa- turmaßnahmen haben die FDP je interessiert. Das haben ren damals auf dem Holzweg, dann nehmen wir das zur wir seit Jahrzehnten im Landtag mitbekommen. Wenn die Kenntnis. Aber Ihre Politik, die Sie gemacht haben, hat FDP den Wald bewachen soll, dann ist das so, als wenn nicht dazu geführt, dass Sie bei der letzten Landtagswahl man eine Katze bittet, ein Schälchen Whiskas bewachen zu nennenswerte Ergebnisse erzielt haben. 5,0 % ist das Er- lassen. Nichts anderes ist das. gebnis, und das hat auch etwas mit Ihrer windigen Politik zu tun. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Timon Gremmels (SPD)) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es hat die FDP – das wissen Sie doch ganz genau – nicht interessiert, als 230 ha Bannwald für den Flughafenausbau gerodet werden mussten. Sehr geehrte Damen und Herren Vizepräsident Wolfgang Greilich: von der FDP, wo waren bitte schön Ihre Tränen gewesen? Das Wort hat Frau Kollegin Feldmayer, Fraktion BÜND- 230 ha wertvoller Bannwald sind für den Flughafenausbau NIS 90/DIE GRÜNEN. gerodet worden. (Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP)) Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben noch geklatscht, als dieser Wald gefällt worden ist. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die FDP küm- mert sich jetzt um den Naturschutz. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (René Rock (FDP): Ihr macht ja jetzt nichts mehr!) Und jetzt? – Jetzt, wo es um die Energiewende geht, zu der Sie – zumindest in der letzten Legislaturperiode so getan Das war sogar eine dpa-Meldung wert, so ungewohnt ist haben, als würden Sie dazu stehen – angeblich damals ge- das. Ich darf aus der dpa-Meldung zitieren: standen haben, beklagen Sie, dass für eine Windkraftanla- Die FDP widmet sich eher ungewohnt dem Schutz ge im Wald 6.000 m2 Wald gerodet werden sollen. Das der Wälder. sind 0,6 ha. Das war die Vorberichterstattung zu dieser Plenarwoche. Ich habe einmal ausgerechnet, wie viel Windkraftanlagen Es heißt tatsächlich zumindest in Ihrem Antrag: in diese 230 ha Bannwald hineinpassen würden – 383 Windkraftanlagen. Und am Langener Waldsee sollen für Der Wald ist außerdem der wichtigste Lebensraum Kiesabbau, worüber Sie sich auch nicht beklagt, sondern für unsere Tier- und Pflanzenwelt. was Sie im Gegenteil begrüßt haben, noch einmal 63 ha Mann, na sieh mal einer an, hier könnte man doch hoffen, Bannwald gerodet werden. Das ist eine Fläche für 100 dass die FDP nach sieben Monaten des Machtverlustes zu Windkraftanlagen nach Ihrer Berechnung, meine Damen ganz neuen Einsichten gekommen ist, zu neuen Ufern auf- und Herren von der FDP. brechen will und jetzt auf einmal ihr Herz für den Natur- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) schutz entdeckt hat. Sie wollen jetzt auf einmal das Öko- system Wald retten, wow. Es hat die FDP doch nie, nie, niemals interessiert, wenn für den Straßenbau ein einziger Baum gefällt werden sollte, (Florian Rentsch (FDP): Zu lange in Frankfurt ge- wenn für den Straßenbau vielleicht Tiere umgesiedelt wer- lebt!) den sollten. Das haben wir doch in der letzten Wahlperiode – Herr Rentsch, Naturschutz lag der FDP ja schon immer erlebt, wie Sie hier aufgestanden sind und gesagt haben: am Herzen. Schon immer – wahrscheinlich hat es nur kei- Wir brauchen mehr Straßenbau in Hessen; wir brauchen ner gemerkt, und Sie selbst jetzt auch nicht. mehr Mittel für den Straßenbau. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben an keiner einzigen Stelle gehört, dass es viel- leicht darum geht, auch Natur zu erhalten, wenn vielleicht Wir können Ihnen einmal ein paar Tipps geben, was das da ein Baum gefällt wird oder in ein Ökosystem eingegrif- Thema Naturschutz angeht. fen werden soll. Keinen einzigen Ton haben wir dazu von (Florian Rentsch (FDP): Sagen Sie einmal, was Pla- der FDP gehört. nungsrecht ist!) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zu- Da war doch vor Kurzem dieses Waldcamp im Treburer ruf des Abg. Florian Rentsch (FDP)) Wald gewesen. Sehr verehrte Damen und Herren von der Bis vor Kurzem haben Sie doch noch gedacht, dass der sel- FDP, ich nehme an, Sie haben da einmal vorbeigeschaut. tene Rotmilan ein serbischer Freischärler ist. Sie haben Ich habe einmal nachgedacht, was da so los war. Man doch überhaupt keine Ahnung gehabt, was das überhaupt konnte sich im Wald in kreativer Protestform üben, wie ist. Es ist geradezu durchsichtig und lachhaft, wenn Sie man sich z. B. an den Baum kettet sich hier aufspielen, als wären Sie Naturschützer. Kein (Florian Rentsch (FDP): Es gibt noch Grenzen!) Mensch glaubt Ihnen das. Sie müssen ja selbst lachen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1015

(Florian Rentsch (FDP): Aber über Sie!) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Timon Herr Rentsch, nach sieben Monaten des Machtverlusts des Gremmels (SPD)) Ministeramts kann ich verstehen, dass es schmerzt. Herr Banzer hat das letzte Mal schon gesagt: Das Ministeramt Man könnte meinen, die Mitglieder der FDP hätten neue kommt nicht zurück. – Nach sieben Monaten des Verlusts Einsichten gewonnen oder würden alle an kollektiver des Ministeramts wissen Sie vor lauter Verlustschmerz an- Amnesie aufgrund des Verlustes des Ministeramtes leiden. scheinend nicht mehr, was Sie hier alles beschlossen ha- Wir wissen es nicht. Aber wir glauben es nicht. ben. Es geht ihnen doch einzig und allein darum, Ängste bei Sie selbst haben beschlossen, dass aus der Atomkraft hier den Menschen zu schüren. Sie wollen Ängste bei den Men- in Hessen ausgestiegen werden soll. Sie selbst haben be- schen schüren, um die paar Wähler, die Sie noch haben, schlossen, dass man sich zu einem Energiegipfel trifft. Sie bei der Stange zu halten. Ich finde, das kann man Ihnen selbst haben verkündet und die Ergebnisse des Energiegip- nicht durchgehen lassen. Ich finde, unsere Aufgabe als ver- fels am 10. November 2011 präsentiert, dass auf 2 % der antwortliche Politikerinnen und Politiker in Hessen ist es, Landesfläche Vorranggebiete für Windkraftanlagen ausge- die Ängste der Menschen ernst zu nehmen, aber keine wiesen werden sollen. Da waren Sie noch dabei, meine Da- Ängste zu schüren. men und Herren von der FDP. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Sie selbst haben doch dafür gesorgt, dass die Ergebnisse bei Abgeordneten der CDU) des Energiegipfels, nämlich 2 % als Vorrangfläche für Es geht doch nicht um die Frage Energiewende oder Natur- Windkraftanlagen auszuweisen, in ein Umsetzungskonzept schutz. Beides gehört doch zusammen: Energiewende und geflossen sind. Da waren Sie mit dabei. Sie waren doch Naturschutz. Das müssen wir gemeinsam schaffen. Dafür Mitinitiator gewesen. Jetzt haben Sie das alles vergessen? müssen wir bei den Bürgerinnen und Bürgern werben. Wir – Das kann doch nicht wahr sein. dürfen da keine Ängste schüren. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Wir nehmen die Ängste der Menschen ernst, die sich Sor- wie der Abg. Timon Gremmels (SPD) und Manfred gen machen, dass die Natur durch den Bau der Windkraft- Pentz (CDU)) anlagen leiden könnte und dass seltene Vogelarten und Herr Rentsch, Sie selbst haben doch dafür gesorgt, dass die Fledermausarten leiden könnten. Aber wir alle wissen doch Ergebnisse in ein Umsetzungskonzept, in ein Energiezu- ganz genau, dass bei allen Planungsvorhaben – das gilt kunftsgesetz geflossen sind und alles abgesichert wird. Sie auch für die der Windkraftanlagen – weiterhin das Bundes- selbst haben doch dafür gesorgt, dass diese Änderungen, naturschutzgesetz gilt. Es ist nicht außer Kraft gesetzt. die sich daraus ergeben, in dem Landesentwicklungsplan Wir alle wissen doch ganz genau, welche Waldflächen 2000 – das ist die Vorrangplanung für Windenergieanlagen vom Bau für Windkraftanlagen ausgenommen sind. Das – hineingeschrieben werden sollen. Es steht ausdrücklich haben wir hier alles zusammen besprochen. Das haben sie in der Änderung des Landesentwicklungsplanes, dass für doch vorgeschlagen. Ich sage es Ihnen noch einmal: Natio- die intensive Nutzung von Windkraftanlagen auch Wald- nalparks, Bannwald, Schutzwald, Kernzonen der Biosphä- flächen vorgesehen sind. renreservate, die hochwertigen Waldflächen sind von vorn- Das steht in dem Landesentwicklungsplan. Den haben Sie herein ausgeschlossen. verfasst. Den haben Sie unterschrieben. Das alles haben Eines ist doch auch klar: Wenn wir für Windkraftanlagen Sie hier vergessen? – Das ist doch unglaublich, was Sie 2 % Vorrangfläche haben, dann haben wir eine Konzentra- heute hier für ein Schauspiel abliefern. tion der Windkraftanlagen da, wo es möglich ist, wo es (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und wirtschaftlich gut ist und wo es effizient ist. des Abg. Timon Gremmels (SPD)) Sie haben es in den Landesentwicklungsplan hineinge- Herr Rentsch, ich darf aus Ihrer Pressemitteilung vom 20. schrieben: Es gibt 2 % Vorranggebiet für Windkraftanla- März 2013 zitieren: gen. Das heißt, dass 98 % Ausschlussflächen sind. 98 % des Landes Hessen sind vor dem Bau der Windkraftanla- Unsere Verordnung ist ein vernünftiger und kon- gen geschützt. Ich finde, das muss man den Bürgerinnen struktiver Kompromiss zwischen den Belangen der und Bürgern erklären und muss nicht noch die Ängste bei Windenergie und denen der betroffenen Bürger und ihnen schüren. Kommunen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Ich zitiere weiter: bei Abgeordneten der CDU) Sie stellt sicher, dass für die Windenergienutzung Wir, die Mitglieder der Koalition, stehen zur Energiewen- die Flächen ermittelt werden, die die höchste Akzep- de in Hessen. Wir werden sie vorantreiben, aber gleichzei- tanz in der Bevölkerung haben, die wirtschaftlich am tig die Sorgen der Menschen um die Natur ernst nehmen. effizientesten und für Natur und Landschaft am ver- Darin besteht der Unterschied zur FDP. träglichsten sind. Haben wir jetzt irgendetwas daran geändert? – Nein. Ge- nau so ist es bei der Energiewende. Genau so werden wir Vizepräsident Wolfgang Greilich: jetzt die Windkraftanlagen nutzen. Genau auf dieser Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Grundlage machen wir doch weiter. Herr Rentsch, all das haben Sie vergessen. Es ist doch geradezu lachhaft, was Sie heute hier abliefern. 1016 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): versiegeln, weil darauf ein Atom- oder Kohlekraftwerk seht. Das ist aber sehr knapp. Das sind genau zehn Minuten. – Gut. Ich zitiere: Wald ist für viele Bürgerinnen und Bürger Erho- Vizepräsident Wolfgang Greilich: lungs- und Naturraum. Frau Kollegin, ich habe gesagt: „Ihre Redezeit ist abgelau- So hat es die FDP-Fraktion in ihrem Antrag formuliert. fen.“ Ich habe nicht gesagt, dass Sie nicht mehr das Wort Das hat sie beim Ausbau des Frankfurter Flughafens nie haben. Vielmehr bitte ich Sie, zum Ende Ihrer Rede zu interessiert. kommen. Ich zitiere noch einmal: Viele Bürgerinnen und Bürger sind von den Ausma- Martina Feldmayer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ßen der Eingriffe in ihren Wald schockiert. Herr Präsident, entschuldigen Sie bitte, da habe ich Sie Das hat die hessische FDP bei den Rodungsarbeiten zum falsch verstanden. Gestatten Sie mir noch ein paar Bau der Nordwestlandebahn hinsichtlich des Baus des Ter- Schlusssätze. minal 3 oder des Baus der Autobahn 44 völlig kalt gelas- sen. Die FDP hat jahrzehntelang die Nutzung der Atomenergie und der Kohle vorangetrieben. Sie wollen jetzt für den Jetzt soll der Landtag feststellen, dass Windkraftanlagen Atommüll nicht verantwortlich sein. Das wissen wir. im Wald die Bindung der Bürgerinnen und Bürger mit ih- rem Wald stören und den Lebensraum für Mensch, Tiere Sie wollen aber auch keine Energiewende. Sie wollen kei- und Pflanzen massiv beeinträchtigen. ne Windkraftanlagen. Meine Damen und Herren der FDP, der Strom kommt nicht aus der Steckdose. Meine Herren der FDP, Sie haben in Ihrem Antrag die Molche vergessen. Werden diese nicht auch durch die (Zuruf von der SPD: Doch!) Windkraftanlagen massiv gestört? Entschuldigen Sie bitte, Bitte denken Sie einmal darüber nach. aber eine gefühlte Ewigkeit mussten wir die Ausflüsse der kruden Wachstumspolitik der FDP und der CDU erdulden. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Da kann man bei so einem Antrag schon einmal ein bei Abgeordneten der CDU sowie des Abg. Timon bisschen sarkastisch werden. Gremmels (SPD)) (Beifall bei der LINKEN)

Vizepräsident Wolfgang Greilich: Die Argumentation der ehemaligen Wirtschaftsminister Posch und Rentsch sind uns noch in schlechter Erinnerung. Frau Kollegin Feldmayer, vielen Dank. – Auf der Tribüne Es ging da um den Bau der A 49, der A 44, den Ausbau begrüße ich zunächst den ehemaligen Abgeordneten, Herrn des Frankfurter Flughafens, den Bau der Rhöntrasse oder Kollegen Weimar. Herzlich willkommen. Es ist schön, Sie den Bau des Flughafens Calden. Das Markenzeichen der hier wieder einmal zu sehen. hessischen FDP-Fraktion war immer, die Wachstumslogik (Beifall) in ihren Köpfen als Beton in die Landschaft zu bringen. Das stand für Fortschritt und als Garant für die Steigerung Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort erhält Frau Abg. des Bruttosozialprodukts: kein Beton, kein Wirtschafts- Schott für die Fraktion DIE LINKE. wachstum. Dabei waren Ihnen die Gefühle der Menschen für ihren Marjana Schott (DIE LINKE): Wald oder ein massiver Eingriff in das Ökosystem Wald völlig wurscht. Jetzt kommen Sie und tun so, als ob Sie das Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ja, Hessen- etwas angehen würde. Forst muss bei der Entwicklung der Windkraftnutzung mit den Kommunen enger zusammenarbeiten. Hessen-Forst (Beifall bei der LINKEN) sollte Partner und Dienstleister der Kommunen sein. Wir jedenfalls können nicht glauben, dass der Stahlbeton Die Akzeptanz der Kommunen für eine dezentrale als Entwicklungsmodell bei der FDP in Hessen ausgedient Stromerzeugung mit Windkraftanlagen steigt erheblich, haben soll. Die hessische FDP soll jetzt bürgernah sein, die wenn sie über den ökologischen Nutzen hinaus auch noch Rolle des Waldverstehers haben und Naturraumschützer ökonomisch profitieren. Seit dem hessischen Energiegipfel sein. Das ist ein ganz neues Bild. Das ist echt unglaublich. werben wir dafür, die Entwicklung der Nutzung der Wind- (Hermann Schaus (DIE LINKE): Das glaubt kein kraft in Hessen in die Hände der Bürgerinnen und Bürger Mensch!) und der Kommunen zu legen und ihnen dafür Waldflächen pachtfrei zur Verfügung zu stellen. Meine Herren der FDP, das nimmt Ihnen niemand ab. Als Öko-FDP sind die GRÜNEN wesentlich besser. Wenn ich den Antrag der FDP-Fraktion wohlwollend aus- lege, kann ich das darin ansatzweise wiederfinden. Darüber (Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN und bei Ab- hinaus schlägt mir eine gute Mischung aus emotionalisie- geordneten der SPD) render Naturromantik, neu entdeckter Bürgernähe und öko- Schon lange bemühen sich die GRÜNEN um die radikale logischem Halbwissen entgegen. Ich kenne nicht eine Äu- bürgerliche Mitte, wie der ehemalige Frankfurter Stadtrat ßerung aus der FDP, in der problematisiert worden ist, wie Lutz Sikorski es formuliert hat. viel tausend Tonnen Stahlbeton unsere besten Auenböden Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1017

Wir sollten die liberale Partei in Deutschland ten sowie eines zur Windhöffigkeit. Wenn Windräder bei- sein, … spielsweise nicht zwischen Brut- und Futtergründen stehen oder zu bestimmten Tageszeiten in der Brutsaison abge- Das hat Minister Tarek Al-Wazir erst Anfang dieses Mo- schaltet werden, lassen sich viele Zusammenstöße verhin- nats der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zum dern. Uns allen muss klar sein, dass Fensterverglasung, Besten gegeben. Sein bayerischer Kollege Janecek ergänz- Autos, Flugzeuge und Züge für Vögel ein viel größeres Ri- te: siko darstellen. Die GRÜNEN sollten den Abgang der FDP nutzen, (Beifall bei der LINKEN) endlich konsequent für echten Wettbewerb einzutre- ten und dem Staatsdirigismus der Großen Koalition Sicher werden 4.600 Windkraftanlagen, die wir für die an- Einhalt zu gebieten. gestrebte Leistung von 28 TWh benötigen, das gewohnte Landschaftsbild verändern. Niemand kann das in Abrede Es ist schön, dass endlich auch einmal jemand der GRÜ- stellen. Sicher müssen wir darauf achten, dass für Touris- NEN sagt, dass sie die besseren Neoliberalen sind. mus und Denkmalschutz sensible Bereiche zu schonen (Beifall bei der LINKEN) sind. Sicher ist aber auch, dass wir in der Zukunft, wenn wir andere Alternativen entwickelt haben, Windkraftanla- Wir haben hier scheinbar den Versuch eines Rollentauschs. gen problemlos in wenigen Wochen wieder abbauen kön- Mit dem Tausch der Sitzplätze hat es nicht anfangen sol- nen. len. Da war noch etwas Zurückhaltung angesagt. Aber in der Zwischenzeit sind sie auf dem Weg. Ihr ökologischer Fußabdruck ist klein – im Gegensatz zu der Umweltzerstörung durch CO2-Ausstoß bei Kohlekraft Was die Pseudoökologen der FDP nicht verstanden haben, und dem ewig strahlenden Atommüll, mit dem wir werden ist, dass der Einsatz erneuerbarer Energien gleich nach leben müssen. Das, was die Windkraftanlagen jetzt an Ver- dem Einsparen der Energie der beste Naturschutz ist. Was änderung bedeuten, kann man schnell zurückbauen, wenn die Mitglieder der FDP hingegen verstanden haben, ist, die Technik weiterentwickelt ist. Schon das ist ein Riesen- dass die Offshore-Windkraftanlagen aufgrund der höheren vorteil, den diese Anlagen mitbringen. Vergütung eine lohnende Anlageform für große Kapitalin- vestoren sind. Dafür war Philipp Rösler verantwortlich. Er (Beifall bei der LINKEN und des Abg. Mathias war einmal Wirtschaftsminister. Die Investitionen für Off- Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) shore-Windparks liegen in einer Größenordnung, die bür- Deshalb werben wir sehr dafür, dieser klimaschonenden gernah nicht mehr zu stemmen sind. und vergleichsweise preisgünstigen Technik der Stromer- So kennen wir die FDP. Es war schon immer ihr Anliegen, zeugung auch in Hessen zum Durchbruch zu verhelfen. Windkraftanlagen im Binnenland zu verhindern und Anla- Beim Ausbau von erneuerbaren Energien steht Hessen im- gemöglichkeiten offshore für Großinvestoren zu fördern. mer noch ganz hinten. Wir werben auch dafür, die Kom- Dass Sie damit auch die Strompreise nach oben treiben, munen und die Menschen vor Ort zwingend an den Gewin- weil Strom aus Offshoreanlagen fast doppelt so teuer ist nen aus den Windkraftanlagen zu beteiligen. wie der über Land erzeugte Strom, nehmen Sie billigend in Kauf. Da sind Sie sich auch beim vorliegenden Antrag völ- Da spielt auch die Politik von Hessen-Forst eine große lig treu geblieben. Rolle, sicher aber anders, als es die FDP vorschlägt. Wenn mit diesen Einnahmen Schwimmbäder oder Bibliotheken Die Einführung und Durchsetzung jeder neuen Technolo- erhalten werden können, erhöht sich die Akzeptanz, lassen gie polarisiert zwangsläufig. Gewohntes verändert sich. sich nachteilige Veränderungen besser ertragen, und sie Gewohnheiten erfahren Einschränkungen. Das ist ein opti- leisten einen Beitrag für die angespannten Kommunalfi- maler Nährboden für hoch emotionalisierte Debatten. Da nanzen. Zudem geht es um die Schließung von Wertschöp- muss man nicht noch zündeln, das Thema und die aufge- fungsketten. Auch ökonomisch ist es überaus sinnvoll, dass wühlten Gemüter instrumentalisieren – auch nicht, wenn Umsätze aus der Windenergie im Land verbleiben und man gegen die politische Bedeutungslosigkeit ankämpft. nicht mittels Kapitalinvestoren neues Risikokapital gene- (Beifall bei der LINKEN) rieren. Die Windkraft gehört in Bürgerhand. – Herzlichen Dank. In Naturschutzverbänden, Parteien und Kommunalparla- menten gibt es derzeit Auseinandersetzungen um die (Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der Standorte von Windkraftanlagen in Hessen. Die Menschen SPD) sind nicht prinzipiell gegen Windkraft. Sie wollen die An- lagen aber nicht in Sichtweite, nicht in ihrem Wald. Vizepräsident Wolfgang Greilich: Die inhaltlichen Einwände sind vielfältig: Veränderung des Landschaftsbildes, Artenschutz, Discoeffekt, Blinklichter, Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat der Geräuschemissionen und vieles mehr. Die Umweltverbän- Abg. Stephan für die CDU-Fraktion. Bitte sehr. de, das Bundesamt für Naturschutz und viele engagieren sich vor Ort und bemühen sich, den Einsatz der Windener- gie mit den Belangen von Arten- und Biotopschutz so ver- Peter Stephan (CDU): träglich wie möglich zu gestalten. Es gilt, diesen Prozess Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eines zu unterstützen, und nicht, ihn zu instrumentalisieren. wird deutlich: Mit diesem Antrag steht die FDP sehr allein. (Beifall bei der LINKEN) Ich glaube, das liegt auch an der Extremformulierung, die sie gewählt hat. Es ist bereits deutlich geworden, dass wir für jede Wind- kraftanlage eine Einzelfallbetrachtung brauchen. Diese Zunächst drei Anmerkungen oder auch Korrekturen. muss wenigstens ein ornithologisches Gutachten beinhal- 1018 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Es wird von der FDP immer wieder eine Zahl von 4.000 nung machen. Es gibt diese 2 % Vorrangfläche für Wind- Windrädern genannt. Diese Zahl bezieht sich auf Hessen, energie, also 98 % Ausschlussfläche, die als Vorgabe für nicht auf den hessischen Wald. Da sollte man ganz einfach die Regionalplanung festgehalten sind. einmal realistisch bleiben. Wer hat denn diese Vorgaben gemacht? – Das war feder- (Beifall des Abg. Timon Gremmels (SPD)) führend das Wirtschaftsministerium, damals von der FDP geführt. Zweitens. Hessen-Forst stellt keine Windräder auf, sondern Hessen-Forst stellt Pachtflächen zur Verfügung. Auch das (Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE sollten wir festhalten. GRÜNEN): Nein! – Echt?) Zum Dritten: Die 2 % Landesfläche für Windvorrangge- Darin haben wir bestimmte Kriterien festgelegt, an denen biete sind nicht irgendein unverbindliches Ziel. Wir haben wir uns noch heute entlang bewegen. Das sind die Windge- sie im Energiezukunftsgesetz in § 1 festgehalten. schwindigkeiten. Wir alle haben die Windkarte angesehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man nun zu dem (René Rock (FDP): Herr Stephan, wenn Sie jetzt so Antrag der FDP von heute kommt, dann überrascht – Frau anfangen, dann erzählen wir auch einmal! Jetzt Feldmayer hat das, glaube ich, auch schon ausgeführt – die reichts!) Positionierung der FDP zum Wald. Ich erinnere an das Wer in Hessen ein bisschen unterwegs war oder ist, der Thema FSC, ich erinnere an das Thema Bannwald. Das ist weiß: Der meiste Wind weht dort, wo Wald ist, nämlich noch ganz nahe, das war nämlich zu der Zeit, als die FDP auf den Gebirgen. Es war doch damals jedem klar, dass wir nicht mehr in der Mitverantwortung war. Da wurde von die Windenergieflächen, die 2 % Vorrangflächen, nach der FDP über den Wald völlig anders geredet, gerade als es diesen Kriterien nicht nur in der flachen Landschaft, auf darum ging, den Bannwald in den städtischen Gebieten den Maisfeldern und den Graswiesen, finden, sondern wir besser zu schützen. Da spielte die Natur keine Rolle. finden sie vor allem im Wald. Das war damals jedem klar, (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. als wir das beschlossen haben. Timon Gremmels (SPD)) (Beifall bei Abgeordneten der CDU und bei dem Jetzt auf einmal redet die FDP anders über den Wald. Da BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) muss man also vorsichtig sein. Hessen ist zu 42 % bewaldet. Wollen wir 42 % der Lan- Und ein Weiteres: Die FDP vertritt doch sicher weiterhin desfläche von der Windenergie ausschließen? Es wurde die Position, dass der Betrieb Hessen-Forst wirtschaftlich schon darauf hingewiesen: Dann müssen wir vielleicht zu arbeiten hat. Auch das geht momentan völlig unter. wirklich auf 300 m Mindestabstand zur Wohnbebauung. Das wollen wir nicht, wir wollen da weiterhin die 1.000 m Wir haben es gehört: Energiewende, Energiewende-Partei Abstand. oder Gegen-Energiewende-Partei. Ich glaube, Bilder mit brennenden Windrädern auf dem Taunuskamm haben der (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) FDP bisher nicht geholfen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum heute also die Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie sind denn heute die Aufregung der FDP über Windräder im Wald, über etwas, Möglichkeiten, Windenergieanlagen in Hessen zu bauen? das sie mitbeschlossen hat? Die Möglichkeiten sind, vielleicht übertrieben, unbegrenzt. Zu diesem Loblied auf den Wald kommt im FDP-Antrag Sie sind lediglich reglementiert durch das Immissions- noch eine tatsachenverdrängende Aussage hinzu, nämlich schutzgesetz. Sie sind im Außenbereich privilegiert. Das die, dass es für Windenergieanlagen im Wald keine natur- heißt, heute kann, vielleicht auch etwas überspitzt, jeder- schutzrechtlichen Abwägungen wie bei anderen Bauvorha- mann überallhin bauen. ben gebe. In Hessen haben wir keine Regionalpläne mit Windvor- (Timon Gremmels (SPD): Blödsinn!) rangflächen. In Nord- und Mittelhessen wurden diese Plä- ne gerichtlich gekippt, weil die Abwägungen inkorrekt wa- Möglicherweise hat man dabei übersehen, dass man im ren. In Südhessen wurden diese Pläne überhaupt nicht zur Wirtschaftsministerium, gemeinsam mit dem Umweltmi- Entscheidung gebracht, denn das, was damals in der Re- nisterium, einen Erlass herausgegeben hat, mit der Über- gionalversammlung gewünscht war – und zwar von den schrift: „Leitfaden zur Berücksichtigung der Naturschutz- kommunalen Vertretern; dort sitzen die Kommunen drin belange bei der Planung und Genehmigung von Windener- und bestimmen darüber –, war ein Plan, der einfach nur ei- gieanlagen in Hessen“, 29.11.2012. Das waren zwei Minis- ne Verhinderungsplanung der Windenergie war. terien, ein schwarzes und ein gelbes, die haben das ge- meinsam herausgegeben. Damit ist doch festgehalten, nach Der einzige Schutz der Kommunen heute: Sie haben Flä- welchen Kriterien Windenergieanlagen zu prüfen sind. chennutzungspläne erstellt. – Aber welche Kommune in Hessen hat denn momentan einen rechtsgültigen Flächen- (Beifall der Abg. Judith Lannert und Manfred Pentz nutzungsplan? Auch das hätten die Kommunen schon lan- (CDU) sowie bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- ge einleiten können. Teilweise haben sie das jetzt nachträg- NEN) lich getan. Aber wo gibt es heute rechtsgültige Pläne? Sie können weiter hineinschauen in die Vorgaben für die Nur über solche rechtsgültigen Flächennutzungspläne und regionale Planung – ich glaube, Herr Gremmels hat das über die Regionalversammlung und die Regionalpläne ha- ausgeführt –, wo bestimmte, naturschutzfachlich sehr ben die Kommunen einen Einfluss darauf, wo Windener- wichtige Flächen von vornherein ausgeschlossen sind. gieanlagen gebaut werden dürfen. Heute Morgen hat Herr Al-Wazir auch ausgeführt: Wir müssen einmal schauen, wie wir jetzt zurande kommen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wollen wir denn nun? Was machen wir? – Wir werden eine geordnete Pla- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1019

Ausdrücklich aber hat er ausgeführt: Wir müssen dort jetzt gen den Willen politisch legitimierter Gremien gegeben, das Thema Naturschutz stärker beachten. seien es die lokalen Parlamente oder eben auch die Regio- nalversammlungen. Und so gehen wir heute auch vor.Warum also diese Dis- kussion über den Wald? Ich glaube die Kolleginnen und Sind diese Pläne aber einmal beschlossen, dann bin ich der Kollegen von der FDP haben ganz einfach die Vorge- Auffassung, dass Hessen-Forst frei ist, diese beschlossenen schichte vergessen. Flächen so zu nutzen, wie er es für richtig hält. Und schließlich: Die endgültigen Beschlüsse darüber, wo Ich habe Ihnen im März 2013, als wir schon einmal über Windenergieanlagen überhaupt errichtet werden dürfen, die Frage, ob Hessen-Forst Geld aus Pachten an die Kom- treffen die drei Regionalversammlungen. In diesen drei munen zahlen soll, ausgeführt, dass zwei Drittel aller Ver- Regionalversammlungen sitzen ausschließlich kommunale träge, die Hessen-Forst zu dem Zeitpunkt abgeschlossen Vertreter. Ich kann mir vorstellen, dass es dort keine hatte, mit Kommunen oder mit kommunalen Genossen- 100-%-Beschlüsse geben wird, aber sicherlich gibt es dort schaften abgeschlossen worden sind. Auch an der Stelle Mehrheiten. glaube ich, dass Hessen-Forst so gehandelt hat, wie es die Kommunen wollten und für richtig gehalten haben. Am Ende noch zu Hessen-Forst. Hessen-Forst ist der Kern des Antrags der FDP. Hessen-Forst – ich glaube, darüber (Beifall bei Abgeordneten der CDU) sind wir uns im Wesentlichen einig – soll auch wirtschaft- Von daher geht aus unserer Sicht der Antrag der FDP, vor lich arbeiten, genau wie jeder Privatwaldbesitzer. allem in Abs. 4, aber auch in den anderen Absätzen völlig (Lachen des Abg. Manfred Pentz (CDU)) ins Leere. Doch lassen Sie mich abschließend auch darauf hinweisen, dass die Errichtung von Windenergieanlagen – Ja, das ist doch so. weiterhin ein heftig umstrittenes Thema ist und sein wird. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) (Zuruf von der SPD: Ja!) Hessen-Forst soll und wird wirtschaftlich arbeiten. Dazu Der Bau von Windenergieanlagen, ob im Wald oder auf gehört die Generierung von Einnahmen. Die Generierung freier Flur, ist ein Eingriff. Es ist ein Eingriff in die Natur, von Einnahmen kommt aus dem Wald aus dem Erzeugnis und es ist ein Eingriff in das Landschaftsbild. Das belastet Holz, und die Generierung von Einnahmen kommt auch den einen mehr oder weniger, dem anderen ist es egal, und aus der Verpachtung von Flächen. Private Waldbesitzer der Dritte freut sich darüber. Dieses Bild ergibt sich aber können und dürfen das tun. Da reden wir dann über die nun quer durch die Gesellschaft. Dieses Bild ergibt sich Freiheit des Eigentums bei der FDP: Ich habe mein Eigen- durch die Kommunen, durch die Politik und die Verbände. tum, und ich darf das nutzen. Wir haben, und das ist unsere Aufgabe in der Politik, in der Im Übrigen ist mir ein Satz im FDP-Antrag aufgefallen, Fortführung des hessischen Energiegipfels Windenergie der von dem Wald der Bürger spricht. Das hat mich etwas ausreichend Raum zu geben. an Frau Wissler erinnert. Da hätte ich vielleicht von ihr er- Deswegen ist es auch richtig, über einen solchen Antrag wartet, dass sie so etwas sagt. Aber wenn die FDP sagt, der wie den heutigen zu diskutieren. Aber wir müssen darauf Wald sei der Wald der Bürger, dann sind wir, so glaube hinweisen: Wir müssen – und das halte ich für eine Aufga- ich, weit davon entfernt, zu sagen, den Wald als Privatei- be der Politik, auch nach dem Energiegipfel – gemeinsam gentum würden wir nicht auch schützen. Das geht auch für für Akzeptanz in der Windenergie werben. Wir müssen die die Menschen, die einen privaten Wald besitzen, und geht Vor- und Nachteile abwägen. Wir müssen die Energiewen- für die Kommunen, die einen Wald besitzen, oder auch das de auch mit der Windenergie voranbringen. Land Hessen, das Wälder besitzt. Abschließend möchte ich sagen: Für uns als CDU-Fraktion (Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- zeigt sich bei der Behandlung dieses Antrags, dass Hessen- KE): Das hätte von mir sein können! – Gegenruf des Forst vorbildlich im Sinne der Vereinbarungen des Ener- Abg. René Rock (FDP)) giegipfels wie auch im wohlverstandenen Interesse des Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Hessen-Forst besitzt Forstbetriebs, der Natur und der tangierten betroffenen 40 % aller Waldflächen in Hessen, oder 17 % der Landes- Kommunen, arbeitet. Daher bedurfte es unserer Meinung fläche in Hessen ist Wald von Hessen-Forst. Wir brauchen nach im Falle Hessen-Forst dieses Antrags nicht, den wir – diese Flächen auch für Windenergie. Hessen-Forst hat die das habe ich schon erklärt – demgemäß auch ablehnen eigene Positionierung dargestellt. Am 01.10.2012 gab es werden. – Vielen Dank. eine ausführliche Pressemitteilung mit folgenden Kern- (Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- punkten: NEN und bei Abgeordneten der SPD) Hessen-Forst unterstützt die Energiewende einmal durch optimierte stoffliche Nutzung, aber auch durch die Bereitstellung von Flächen für Windenergieanla- Vizepräsident Wolfgang Greilich: gen. Waldfunktion und Standortfunktion werden Vielen Dank, Herr Kollege Stephan. – Ich nehme an, für aufeinander abgestimmt. Hessen-Forst sucht nach die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Hinz. abgestimmten Konsenslösungen mit den Kommu- Bitte sehr, Sie haben das Wort. nen. Hessen-Forst unterstützt kommunale Lösungen. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, genauso hat Hessen- Forst in der Vergangenheit gearbeitet und gehandelt. Es Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, hat, soweit ich weiß, keine Verpachtung von Flächen gege- Landwirtschaft und Verbraucherschutz: ben, die nicht mindestens 1.000 m von der Wohnbebauung Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese plötzliche entfernt waren. Es hat keine Verpachtung von Flächen ge- Sorge der FDP um die Kommunen, dass deren Planungs- 1020 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 wille durch den Landesbetrieb Hessen-Forst missachtet gipfel im April 2011 kam überein, die Nutzung der Wind- werden könnte, wenn die Ziele des Energiegipfels erreicht kraft im Wald zu intensivieren. Die Landesregierung sollte werden sollen, finde ich schon bemerkenswert, um es den Ausbau der Windkraft in Hessen durch die Bereitstel- freundlich auszudrücken. lung geeigneter landeseigener Waldgrundstücke vorantrei- ben. Hierzu wurde entsprechend der Beschlussfassung im (Zuruf von der SPD) ersten Halbjahr 2012 ein Erlass angefertigt. Ausdrücklich Die FDP ist besonders wendig, stellen wir hier und heute hat sich der damalige Landesplanungsminister der FDP zu fest. diesen Ergebnissen des Energiegipfels bekannt. Er war von der FDP, falls es jemand hier im Saal vergessen haben soll- (Hermann Schaus (DIE LINKE): Nicht nur heute! – te. Zuruf von der SPD) (Zurufe der Abg. René Rock und Florian Rentsch Von der Partei, die den Weg für die Erreichung des Zwei- (FDP)) prozentzieles gebahnt hat über den Wahlkampf, wo Sie zu- mindest partiell Windkraftgegner wurden bis zum heutigen Mit der Änderung des Landesentwicklungsplans Hessen Tag, wo Sie sich vollends hier als Windkraftgegner gerie- 2000 und den Vorgaben zur Nutzung der Windenergie hat ren – das war schon ein weiter Weg. Aber dass Sie sich das damals von der FDP-geführte Wirtschaftsministerium jetzt heute hierhin stellen und sagen, der Schutz des Wal- gemeinsam mit dem damaligen Umweltministerium die des gehe Ihnen über alles, das ist wirklich so dick aufgetra- Leitplanken gesetzt, nach denen nach wie vor Waldflächen gen, dass es eigentlich keiner mehr glauben kann. unabhängig von der Besitzart für die Windkraftnutzung er- schlossen werden sollen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der (Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP)) Abg. Janine Wissler (DIE LINKE)) Dieser Erlass wurde gemeinsam erarbeitet. Auch hier gilt, Ich gebe den Abgeordneten recht, die darauf hingewiesen dass es erstaunlich ist, dass die FDP ihre damalige Politik haben, dass die FDP bei dem Thema Bannwaldschutz im nicht mehr gelten lassen will. Landtag, zum Thema FSC und Flächenstilllegung im Wald (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und etwas völlig anderes dargelegt hat. bei Abgeordneten der CDU) (Zuruf des Abg. Florian Rentsch (FDP)) Verlässliche Planungsleitlinie war und ist weiterhin der ge- Da war Ihnen der Schutz des Waldes bislang überhaupt meinsame Erlass des Wirtschafts- und Umweltministeri- nichts wert. Sie sollten einmal versuchen, Ihre Positionen ums vom 17.05.2012. Die politische Verantwortung für ein bisschen besser übereinzubringen, sonst glaubt Ihnen das Wirtschaftsministerium hatte damals Wirtschaftsminis- nämlich kein Mensch das, was Sie da sagen. ter Posch. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Damals ist in einem Erlass ganz klar festgelegt worden, der CDU – Zurufe von der FDP) dass allein das Vorhandensein von Wald grundsätzlich kein Hinderungsgrund ist, Vorrangflächen für die Wind- Natürlich ist es so, wenn eine Landesfläche zu 42 % von energienutzung auszuweisen. Wald belegt ist, dass wir, wenn wir Vorrangflächen aus- weisen und dort Windkraftanlagen errichten wollen, Wald (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und in Anspruch nehmen müssen. Das ist völlig klar. Das des Abg. Timon Gremmels (SPD)) wussten Sie auch, als Sie noch an der Regierung waren. Das haben Sie damals gemeinsam mit der CDU festgelegt. Aber es bedeutet eben auch, dass 98 % der Fläche des Lan- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich heute hierhin stellen des nicht in Anspruch genommen werden sollen. Ich glau- und sagen, es sei alles ganz schrecklich, was da passiert. be, das muss man auch einmal deutlich machen. Sie haben die Grundlage dafür gelegt, und seither wurde an (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und diesem Verfahren kein Jota geändert. bei Abgeordneten der CDU und der SPD) (Widerspruch bei der FDP) Man muss deutlich machen, dass wir auch eine Schutz- Auch der sogenannte naturschutzfachliche Erlass vom 29. funktion erfüllen wollen, sowohl für die Bürgerinnen und November 2012 kommt zu keiner anderen fachlichen Ein- Bürger als auch für den Landschaftsschutz und natürlich schätzung. Auch dieser Erlass gilt fort. Herr Rentsch, da- auch für den Naturschutz. mals waren Sie in der Verantwortung. Sie haben diesen Er- Ich kann nur sagen – jetzt auch einmal für Sie von der FDP lass gemeinsam mit der damaligen Umweltministerin Putt- mit –: rich entwickelt, und er wurde veröffentlicht. Auf dieser Grundlage wird weiterhin geplant und auch entschieden. (René Rock (FDP): Besser nicht!) Ich weiß gar nicht, wie Sie die Wendung, die Sie heute hier Die Landesregierung ist hier seit 2012 eigentlich auf einem vorgetragen haben, inhaltlich begründen wollen. ganz guten Weg, nämlich in einem geordneten Verfahren (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem gesetzlichen Auftrag nachzukommen und die gefas- bei Abgeordneten der CDU) sten Beschlüsse des Energiegipfels gemeinsam mit den Landkreisen, den Städten und Gemeinden umzusetzen. Sie Sie nehmen die Kommunen für die Behauptung in An- haben da einmal etwas ganz Sinnvolles auf den Weg ge- spruch, dass alles ganz furchtbar sei, dass die Kommunen bracht. Das müssen Sie jetzt mit sich ausmachen, warum keine Windkraftanlagen haben wollen. Dazu kann ich nur Sie das heute negieren. sagen: Die Kommunen wollen mehrheitlich den Ausbau der Windkraftnutzung. Zu uns kommen viel mehr Be- Aber ich möchte doch noch einmal einen Blick zurückwer- schwerden darüber, dass Kommunen die Windkraftnut- fen auf die Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung. Der Energie- zung derzeit nicht ausbauen können, weil die Pläne noch in Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1021 der Offenlage sind, weil die Teilregionalpläne noch nicht René Rock (FDP): in Kraft sind, weil bestimmte naturschutzfachliche Über- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! prüfungen nochmals durchgeführt werden müssen, als Be- Sie müssen ein bisschen aufpassen, wie Sie argumentieren. schwerden von Kommunen, die sagen, sie werden von Zunächst muss ich feststellen, dass kaum ein Redner zur Hessen-Forst gedrängt, weil der Landesbetrieb irgendwel- Sache gesprochen hat, che Flächen in Wäldern für Windkraftanlagen ausweist, die die Kommunen nicht vor der Haustür haben wollen. (Beifall bei der FDP – Lachen bei der CDU, der Sie von der FDP malen hier ein Zerrbild der Wirklichkeit, SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) das man so nicht stehen lassen kann. sondern sich an irgendwelchen Beschlüssen aus der letzten (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Legislaturperiode abgearbeitet hat. Dazu möchte ich jetzt bei Abgeordneten der CDU) gerne etwas sagen. Sie von der damaligen Opposition – die GRÜNEN waren ja dabei – haben uns in jeder Plenarwo- Ich darf Ihnen versichern: Wir sind im Dialog mit den che vorgeworfen, wir seien die Verhinderer der Energie- Kommunen, um die Interessen der Städte und Gemeinden wende, zu gewährleisten. Natürlich sind die Kommunen auch inso- fern dabei, dass sie jetzt bei der Erstellung der Teilregio- (Timon Gremmels (SPD): Das sind Sie auch!) nalpläne ihre Stellungnahmen abgeben. Auch diese Stel- lungnahmen werden gewichtet, auch da sind die Kommu- die FDP wolle die Energiewende nicht, wir wollten die nen gefragt. Sie können daher doch nicht so tun, als wür- Energiewende ausbremsen, wir seien diejenigen, die sich den wir über das Interesse der Kommunen hinweggehen dagegenstellen. Das haben Sie uns in jeder Plenarwoche und die Regionalplanungsbehörden würden am Schluss vorgeworfen. entscheiden. Auch in diesen Gremien sitzen Kommunalpo- (Janine Wissler (DIE LINKE): Das ist ja auch so!) litiker. Es wird nicht über ihre Köpfe hinweg entschieden. Auch das will ich hier noch einmal klar und deutlich sagen. Sie hatten dafür gute Argumente, das gebe ich zu. Diese Argumente geben wir Ihnen jetzt zurück. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU) (Beifall bei der FDP – Lachen bei der CDU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Die Kommunen profitieren ausdrücklich von Windkraftan- LINKEN) lagen im offenen Land und im Wald. Wir machen das möglich. Wenn kommunale Stadtwerke und Bürgergenos- Herr Kaufmann und andere Kollegen aus der Regionalver- senschaften beteiligt und landeseigene Flächen zu verpach- sammlung, Sie stellen sich jetzt hierhin und behaupten, Sie ten sind, können die Kommunen beteiligt werden. Wir seien überrascht, dass die FDP Windräder im Wald nicht werden diese Form der Beteiligung weiterentwickeln, weil wolle. Wir haben aber sowohl kommunalpolitisch als auch wir glauben, dass das eine gute Möglichkeit ist, die Kom- hier im Landtag immer eine stringente Politik betrieben. Es munen an der Energiewende noch stärker teilhaben zu las- ist doch ein Zerrbild, wenn Sie jetzt behaupten, wir hätten sen. Das ist zwar schon jetzt möglich, aber ich glaube, dass diese Dinge nie ins Feld geführt, obwohl wir das immer wir das noch besser machen können. wieder getan haben. Das hat nichts damit zu tun, dass die Kommunen, wie Sie Liebe Kollegen von der Union, ich habe mich schon im so schön gesagt haben, „erpresst“ werden sollen. Ich glau- Wahlkampf sehr darüber geärgert, dass die CDU, wenn die be vielmehr, dass es richtig ist, dass die Kommunen z. B. Windkraftbefürworter im Publikum saßen, Herrn Stephan dann, wenn Windräder an den Grenzen zu ihrer Gemar- aufs Podium geschickt hat – es gibt genügend Zeugen da- kung errichtet werden, einen Ausgleich bekommen sollten, für, z. B. Frau Wissler und Herr Gremmels –, der eine und dass das akzeptanzfördernd ist. Das ist nichts Schlech- Brandrede für die Aufstellung von Windrädern gehalten tes, sondern es bedeutet, dass wir versuchen, die Bürgerin- und sich den Applaus abgeholt hat, und wenn sich Herr nen und Bürger bei der Energiewende mitzunehmen. Rentsch und ich mit den BI getroffen haben, ist der heutige Minister Beuth gekommen und hat eine flammende Rede Das sollte unser aller Interesse sein. Ich hatte bisher den gegen Windräder gehalten. Sie von der Union sollten sich Eindruck, wir alle hier im Hause seien erstens froh, dass fragen, wo Sie gestanden haben. Wo wir gestanden haben, Biblis abgeschaltet ist und endlich abgebaut werden kann, war jedem in diesem Haus klar und ist auch jedem Journa- und zweitens für die Energiewende. Dann sollten wir aber listen klar. Deshalb brauchen Sie hier keine Pirouetten zu auch gemeinsam dafür sorgen, dass die Energiewende vor- drehen. angetrieben wird. Diskussionen, wie sie von der FDP hier angezettelt worden sind, helfen dabei überhaupt nicht. Ich (Beifall bei der FDP – Zurufe von der CDU und dem glaube, das stellt Sie ins Abseits. Damit müssen Sie aber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) selber klarkommen. Herr Gremmels, Sie haben doch an der Stelle immer ge- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sagt, wenn Frau Puttrich allein regieren würde, dann würde bei Abgeordneten der CDU) es mit der Energiewende aufwärts gehen. Die GRÜNEN haben sich doch zu Frau Puttrich hingezogen gefühlt. In der Arbeitsgruppe 1 mit Herrn Al-Wazir und Frau Puttrich Vizepräsident Wolfgang Greilich: hat man sich als Koalitionspartner der CDU fragen müs- sen: Was ist denn hier los? Was findet denn hier an Zunei- Vielen Dank, Frau Ministerin Hinz. – Als Nächster hat sich gung statt? Damals hat sich die jetzige Regierungskoalition der Kollege Rock für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet. doch schon angedeutet. Redezeit: fünf Minuten. (Zurufe von der CDU) 1022 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Sie können nicht behaupten, dass wir hier nicht stringent Ich rufe Tagesordnungspunkt 53 auf: argumentieren würden. Unsere Argumentation ist sogar sehr stringent. Unsere Haltung in dieser Sache haben wir Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/ sowohl kommunalpolitisch als auch hier im Landtag im- DIE GRÜNEN betreffend Demonstrationsrecht und mer vertreten. Meinungsfreiheit schützen – Gewalt bei „Blockupy“ verhindern – für den Dialog von Demonstranten und (Beifall bei der FDP) Polizei – Drucks. 19/515 – Daran können Sie den Unterschied zwischen Ihnen und Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten je Fraktion. uns erkennen. Herr Gremmels, jeder, der Ahnung von die- Als Erster spricht Kollege Frömmrich von BÜNDNIS sem Thema hat, weiß ganz genau, dass das Zukunfts- und 90/DIE GRÜNEN zu uns. Bitte schön, Herr Kollege, Sie Energiegesetz, das Frau Puttrich zu verantworten hat, ein haben das Wort. 2-%-Ziel beinhaltet und dass der Landesentwicklungsplan, den Herr Rentsch entwickelt hat, den Grundsatz, 2 % der (René Rock (FDP): Er spricht zu uns! Vielen Dank!) Fläche für Windkraft auszuweisen, beinhaltet. Das haben Sie hier als Versuch der FDP gegeißelt, den Siegeszug der Windkraft auszuhebeln. Nein, unsere Haltung war strin- Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): gent, war absolut nachvollziehbar, und all die Pirouetten, Insbesondere zu dir. – Frau Präsidentin, meine sehr verehr- die Sie drehen, all das, was sie uns jetzt vorwerfen, ist ten Damen und Herren! Das Grundrecht auf freie Mei- doch nur Schall und Rauch, um vom Thema abzulenken. nungsäußerung und Versammlungsfreiheit ist in unserem (Beifall bei der FDP) Land ein hohes Gut. In Art. 8 Abs. 1 des Grundgesetzes heißt es: Die zuständige Umweltministerin sagt, die nicht existieren- den Regionalpläne würden den Ausbau der Windkraft Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmel- bremsen. Herr Kaufmann, geben Sie Ihrer Ministerin ein- dung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu mal Nachhilfe. Erklären Sie ihr, dass man überall Windrä- versammeln. der errichten kann, solange Regionalpläne keine Aus- Wir alle sollten uns dafür einsetzen, dass dieses Grund- schlusswirkung entfalten. Ich bin ja erschrocken, als ich recht geschützt, gepflegt und verteidigt wird. das von der Ministerin an der Stelle gehört habe. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und (Beifall bei der FDP) bei Abgeordneten der CDU) Frau Ministerin, der zweite Satz Ihrer Rede hat eigentlich Wir sollten uns auch immer wieder vor Augen führen, dass alles auf den Punkt gebracht. Sie haben gesagt: Wenn wir in vielen Ländern die Ausübung dieses Rechts keine die alte Regelung mit Hessen-Forst so lassen, dass also die Selbstverständlichkeit ist. In vielen Ländern wird von vie- Kommunen entscheiden können, ob sie Windräder haben len Menschen um dieses Recht gerungen. Deswegen soll- wollen oder nicht, wenn sich die ausgewiesenen Flächen ten wir mit diesem Recht pfleglich umgehen. auf ihrer Gemarkung befinden, dann ist die Energiewende gescheitert. Wir legen Ihnen heute einen Antrag vor, in dem es um die geplanten Blockupy-Proteste in Frankfurt geht, um zu un- Es war der zweite Satz Ihrer Rede, der Sie bloßstellt, der terstreichen, dass es die Aufgabe der Polizei ist, das De- klarmacht, wie Sie das mit dem Bürgerwillen sehen. Wenn monstrationsrecht und die Meinungsfreiheit zu schützen Sie an der Macht sind, dann setzen Sie mit den Mitteln des sowie Gewalt zu verhindern, und dass der Dialog zwischen Staates Ihre Ideologie durch. Dann ist Ihnen der Bürgerwil- Demonstranten und Polizei das wirksamste Mittel ist, um le völlig egal. Das ist heute deutlich geworden. einen reibungslosen und gewaltfreien Ablauf dieser Veran- (Beifall bei der FDP – Lachen bei dem BÜNDNIS staltungen zu ermöglichen. 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU) Vizepräsident Wolfgang Greilich: Diese grundsätzlichen Ziele sollten wir alle in diesem Hause teilen, egal welcher Meinung wir in der Sache sind. Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Mir liegen keine Wort- meldungen mehr vor. (Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD)) Der vorliegende Antrag, Drucks. 19/503, soll dem Aus- Demonstrationen und öffentliche Meinungsäußerungen schuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Ver- sind das Salz in der Suppe einer Demokratie. Man braucht braucherschutz überwiesen werden. – Ich sehe keinen Wi- die Ziele von Demonstranten nicht zu teilen, aber eine in- derspruch, dann ist das so geschehen. takte Demokratie muss ermöglichen, dass diese Form des Protests möglich ist. Wir treten in die vereinbarte Mittagspause von einer Stun- de ein. Die Sitzung wird um 14:20 Uhr fortgesetzt. Ich weiß, dass es bei manchen Protesten nur schwer zu er- tragen ist, zuzuschauen. Ich erinnere an Demonstrationen (Unterbrechung von 13:21 bis 14:21 Uhr) der NPD oder an den Aufmarsch der Salafisten, der jetzt in Offenbach geplant ist. Aber eine intakte und lebendige De- Vizepräsidentin Ursula Hammann: mokratie zeichnet aus, dass sie genau das erträgt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir fahren mit der Sit- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zung fort. bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy Faeser (SPD)) Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1023

Man kann diesen Demonstrationen möglicherweise etwas Auch die Unbeteiligten, nämlich die Einwohner, die Ge- entgegensetzen. Aber ich glaube, es ist ein großes Prinzip schäftsleute und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und eine große Errungenschaft unseres Grundgesetzes, der Stadt Frankfurt, haben Rechte. Es ist eine Selbstver- dass man zulässt, dass andere ihre Meinung äußern. ständlichkeit, dass diese Rechte von den Demonstrations- teilnehmern geachtet werden. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU – Janine Wissler (DIE Wir setzen uns mit aller Kraft dafür ein, dass die Ausübung LINKE): Dass von der Polizei keine U-Bahn-Statio- dieses Grundrechts gewährleistet ist. Wir betonen aber nen dichtgemacht werden!) auch, dass wir zu einer friedlichen Protest- und Demonstra- tionskultur aufrufen. Aus Fehlern der Vergangenheit muss man lernen. Man muss Großdemonstrationen und Einsätze analysieren. Man (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und muss Risiken neu bewerten und einschätzen, und man bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy muss neue Schlussfolgerungen aus diesen Protesten ziehen. Faeser (SPD)) Wir begrüßen deshalb ausdrücklich den dialogorientierten Wir rufen zur Wahrung einer friedlichen Protest- und De- und deeskalierenden Ansatz der hessischen Polizei bei der monstationskultur auf, sagen aber gleichzeitig, dass dabei Begleitung der angekündigten Demonstration und zum auch die Rechtsgüter Dritter zu beachten sind und ge- Schutz des Demonstrationsrechts. Es ist gut, dass die hessi- schützt werden müssen. Meine Damen und Herren, ich sche Polizei frühzeitig Dialogangebote unterbreitet hat. glaube, wir sind uns in diesem Saal einig, dass Gewalt kein Wir appellieren erneut an die Organisatoren der geplanten Mittel der politischen Auseinandersetzung sein kann und Proteste, auf diese Dialogangebote einzugehen; denn nur darf. so können wir gewährleisten, dass diese Prozesse funktio- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und nieren. bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Faeser (SPD)) bei Abgeordneten der CDU) Uns ist bewusst, dass Teile der Bevölkerung angesichts der Meine Damen und Herren, es liegt im Interesse aller fried- Globalisierung der Finanzkrise und der Schuldenkrise be- lichen Demonstranten und der Bürgerinnen und Bürger der sorgt sind und diese Sorge und auch das Mitgefühl mit den Stadt Frankfurt, dass durch eine umfassende Abstimmung von der Krise betroffenen Menschen durch Demonstratio- Missverständnisse und Konfliktpotenziale frühzeitig aus- nen und Proteste öffentlich bekunden wollen. Ich glaube, geräumt werden, um das Recht auf friedliche Demonstra- angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, angesichts junger tionen zu sichern. Menschen, denen die Perspektive im eigenen Land fehlt, und angesichts zusammenbrechender Sozial- und Gesund- (Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): Missverständnis- heitssysteme sollte man Verständnis für diese Art von Pro- se!) test haben. Ich verstehe nicht, warum diese Dialogangebote der Frank- Schlussfolgerungen, die Teile dieser Protestbewegungen furter Polizei bisher nicht von allen angenommen worden ziehen, teilen wir nicht. Aber man muss Verständnis dafür sind. Nur wenn man miteinander redet, baut man Vertrau- haben, dass es Menschen in unserem Land gibt, die ihren en auf und kann Verständnis für die Position des jeweils Protest zum Ausdruck bringen wollen. anderen entwickeln. Deswegen fordern wir noch einmal ausdrücklich dazu auf, sowohl die Dialogangebote der Po- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und lizei und auch die der Polizeiführung in Frankfurt anzuneh- der Abg. Nancy Faeser (SPD)) men. Wir bekennen uns auch zum europäischen Einigungspro- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zess. Der europäische Einigungsprozess ist Garant für Frie- bei Abgeordneten der CDU) den, Freiheit und Zusammenarbeit in Europa. Wir sind froh, dass Frankfurt der Sitz bedeutender Institutionen, wie Deeskalierende Maßnahmen vonseiten der Polizei und der der Europäischen Zentralbank und europäischer Aufsichts- Landesregierung hat es in Fülle gegeben. Ich will sie nur behörden, ist. Bei aller berechtigten und unberechtigten kurz erwähnen: die frühzeitige Einrichtung des Vorberei- Kritik an der Arbeit dieser Institutionen: Sie tragen doch tungsstabs; die frühzeitige Einladung zum Dialog durch erheblich zum europäischen Integrationsprozess bei. den Frankfurter Polizeipräsidenten; die Tagung der Leiter der sogenannten Alarmhundertschaften, um die Kommuni- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und kation mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu proble- bei Abgeordneten der CDU) matisieren; das praktische Deeskalationstraining in Anwe- Wir sind uns der besonderen Verantwortung des Landes senheit des hessischen Innenministers Peter Beuth; das für den Schutz dieser europäischen Institutionen bewusst. wiederholte öffentliche Eintreten des Innenministers für ei- Ich bin mir sicher, dass die Mehrheit in diesem Haus das ne friedliche und kommunikative Demonstrationskultur so sieht. Deswegen fordern wir die Teilnehmerinnen und und seine Zusage, die Polizei werde weiterhin eine deeska- Teilnehmer an den Demonstrationen anlässlich der Eröff- lierende und kooperative Rolle spielen; und die transparen- nung des EZB-Neubaus auf, die gesellschaftliche Diskussi- te Information aller Landtagsfraktionen durch den hessi- on über die Globalisierung und die europäische Einigung schen Innenminister. friedlich zu führen und die Rechte der anderen zu achten. Gemeinsam mit der Polizeiführung sind die Obleute des (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Innenausschusses am 13. Mai 2014 über das Lagebild und bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Nancy den Planungsstand ausführlich informiert worden. Meine Faeser (SPD)) Damen und Herren, diese Form von Deeskalation, von Or- 1024 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 ganisation und Transparenz ist das, was wir uns zur Vorbe- „Es ist kein Anlass zur Freude,“ – da zitiere ich einmal reitung dieser Demonstrationen in Frankfurt wünschen. wieder die „FAZ“ – „was das Gericht entschieden hat“, auch nicht für Sie. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU) (Zuruf des Abg. Horst Klee (CDU)) Es ist aus Sicht der Polizei und der Landesregierung rich- Wenn ausschließlich Polizeivideos gesichtet werden und tig, diesen konstruktiven Ansatz fortzuführen, auch weiter- andere Videoaufnahmen wie die von , also hin Dialog- und Deeskalationsangebote zu machen, die dem Betreiber der Rechtsaußen-Internetseite „blu-NEWS“, Anmeldergespräche weiterzuführen, den Austausch mit vorliegen, aber jeder Beweisantrag seitens Blockupy unter- den Anmeldern zu suchen, in der Öffentlichkeit den recht- sagt und vom Gericht kein einziger Zeuge seitens Blocku- lichen Rahmen klar zu machen, unter dem solche Demons- py gehört wird, habe ich doch meine Zweifel an der Unpar- trationen stattfinden, und deutlich zu machen, dass die Ein- teilichkeit dieses Gerichts. Von daher ist dieses Urteil auf sätze der Polizei, dass der Einsatz gegen Störer und Ge- keinen Fall ein „Grund zur Freude“. walttäter, dem Schutz der Demonstranten dienen. Das (Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg muss, glaube ich, der Öffentlichkeit klargemacht werden. (CDU): Die waren bestimmt irgendwo unterwegs! (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die hatten keine Zeit!) Es finden Schulungen der Polizei zu Deeskalationsmaß- Meine Damen und Herren, wir müssen zur Kenntnis neh- nahmen statt. Es hat Kommunikationstraining stattgefun- men – das gehört eben auch zu den Fakten, zu denen Herr den, und wir werden demnächst die Kennzeichnung für Po- Frömmrich gerade nichts gesagt hat –, dass die Argumen- lizeibeamtinnen und Polizeibeamte in Hessen einführen. tation der Polizeileitung und der Richter am Montag dieser Die Verordnung ist auf dem Weg; der Innenminister ist in Woche eben nach wie vor lautete: Ich sehe auf diesem Vi- Abstimmungsgesprächen mit Vertreterinnen und Vertre- deo Vermummte. Das ist ein Straftatbestand. Da muss die tern der Mitarbeiter. Das sind Ansätze für eine deeskalie- Polizei einschreiten, und die Demonstration wird rechtmä- rende Kommunikationsstruktur bei solchen Einsätzen. ßig aufgelöst. Die Polizei, die Polizeiführung und die Landesregierung (Alexander Bauer (CDU): Sehen Sie das etwa an- haben viele Angebote gemacht, um die Demonstrations- ders?) und Meinungsfreiheit zu schützen und friedliche Proteste – Ja, das sehe ich anders. zu ermöglichen. Ich kann nur an alle Verantwortlichen ap- pellieren, diese Angebote anzunehmen, ins Gespräch zu (Hans-Jürgen Irmer (CDU): Warum vermummen die kommen, Vorurteile abzubauen und im Dialog den Ablauf sich dann?) der geplanten Proteste vorzubereiten. Es ist jetzt an denje- nigen, die diese Demonstrationen vorbereiten und durch- Ich darf kurz einmal aus der „Frankfurter Rundschau“ zi- führen, diese Dialogangebote der hessischen Polizei und tieren: der Polizeiführung anzunehmen. Ich glaube, wenn wir Wer je einer Demo der autonomen Antifa beiwoh- dorthin kommen, sind wir auf einem guten Weg. – Herzli- nen durfte, der weiß, dass die Demonstration vom chen Dank für die Aufmerksamkeit. 1. Juni fast ein Musterbeispiel an Friedfertigkeit war. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Recht hat die „FR“ an dieser Stelle. der CDU) (Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der CDU: Oh!) Vizepräsidentin Ursula Hammann: Zu den Fakten gehört auch, dass der Richter am Montag Vielen Dank, Herr Kollege Frömmrich. – Als nächster unmissverständlich gesagt hat, dass eine Versammlungslei- Redner spricht Kollege Wilken von der Fraktion DIE LIN- tung und damit die Durchführung einer Demonstration aus KE. Bitte schön, Herr Kollege. seiner Sicht nur noch möglich ist, wenn der Versamm- lungsleiter straffe Anordnungen hundertprozentig durch- setzt. Bitte entschuldigen Sie einmal, unter diesen Bedin- Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): gungen wird kein Veranstalter mehr eine Demonstration anmelden können, wenn er sie hundertprozentig durchset- Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach dieser zen muss. BÜNDNIS-90-schwarzen Lobhudelei (Hans-Jürgen Irmer (CDU): Wieso denn nicht? Das (Frank Lortz (CDU): Na, na!) sind doch alles friedliche Demonstranten! Es pas- möchte ich ein bisschen zu den Fakten zurückkommen. Zu siert doch gar nichts!) den Fakten gehört nun mal auch, dass wir Anfang dieser Das sind Einschränkungen des Demonstrationsrechts, die Woche ein in vieler Hinsicht bemerkenswertes Gerichtsur- wir zur Kenntnis nehmen müssen. Wir sind der Meinung: teil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main zu dem Es muss das Recht des Veranstalters bleiben, zu entschei- Unterbinden der Demonstration Blockupy im letzten Som- den, wie eine Demonstration aussieht. Er muss über die mer hatten. Nicht nur Anwesende dieses Prozesses, son- Größe der Transparente entscheiden dürfen; er muss über dern auch sehr viele Medienvertreter, die nicht im Raum die Bekleidung sowie über die Farbe der Demonstration waren, haben die Hände überm Kopf zusammengeschlagen entscheiden dürfen, all das gehört zum Demonstrations- und gesagt: „Und das war auch noch rechtmäßig, was wir recht. da erlebt haben.“ (Beifall bei der LINKEN – Michael Boddenberg (Zuruf von der CDU) (CDU): Aber nicht über die Größe der Pflasterstei- ne!) Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1025

Die Videoaufnahmen, die wir auch am Montag wieder se- Vizepräsidentin Ursula Hammann: hen durften, zeigen ganz eindeutig, dass die Polizei zu je- Herr Dr. Wilken, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn dem Zeitpunkt und von jedem Teil der Demonstration Vi- Boddenberg zu? deoaufnahmen machen konnte, dass also die mitgeführten Regenschirme nicht insoweit einen vollkommenen Sichtschutz darstellten, dass man nicht zu jedem Zeitpunkt Dr. Ulrich Wilken (DIE LINKE): alles filmen konnte. Das heißt im Umkehrschluss auch, die damalige Auflage, dass alle Menschen, die demonstrierten, Nein, heute nicht. Sie können sich zu einer Kurzinterventi- und alle Gepäckstücke polizeilich durchsucht werden soll- on melden. ten, war reine Schikane. Es war eine Schikane, die auf je- (Zuruf von der CDU: Oh!) den Fall dazu geführt hätte, dass die Demonstration auf keinen Fall ordnungsgemäß durchführbar gewesen wäre. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass in Hessen die Rechtslage so ist, dass die Kooperationsgespräche von der (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU: An Ordnungsbehörde anberaumt werden. Dabei werden selbst- dem Tag hat es doch gar nicht geregnet!) verständlich sowohl die Polizei wie auch die Veranstalter Am Montag haben wir allerdings auch etwas Neues erfah- eingeladen. So ist der Weg in Hessen. In Nordrhein-West- ren, nämlich das, was wir die ganze Zeit vermutet haben, falen hätten Sie recht, da wird das Gespräch mit der Polizei dass die Einkesselung und das Anhalten der Demonstration geführt. In Hessen ist die Rechtslage eine andere. im Vorfeld geplant worden sind. Der Einsatzleiter der Poli- (Beifall bei der LINKEN) zei Frankfurt hat zugegeben, dass er morgens um sieben Uhr vom Inlandsgeheimdienst Verfassungsschutz eine Nur noch ein paar Gedanken zu dem, auf das Sie in Ihrer neue Lageeinschätzung vorgefunden und Rede und Ihrem Antrag so großen Wert gelegt haben, näm- lich der Frage der Deeskalation. Sie dürfen diesen Begriff (Manfred Pentz (CDU): „Inlandsgeheimdienst“?) eigentlich nur in den Mund nehmen, wenn Sie die gewalt- daraufhin geplant habe, die Demonstration zu stoppen. Er tätige Situation voraussetzen. Damit nehmen Sie die Fak- hat übrigens, so viel zum Charmeangebot der hessischen ten wiederum überhaupt nicht zur Kenntnis. bzw. Frankfurter Polizei, auch auf Nachfrage keine Veran- (Horst Klee (CDU): So ein Quatsch! – Weitere Zu- lassung gesehen, darüber mit dem Veranstalter der De- rufe von der CDU) monstration ein Gespräch zu führen. Er hat um 12:40 Uhr den Einsatzbefehl für den Kessel gegeben, das war übri- Es hat bei den Blockupy-Demonstrationen 2012 und 2013 gens, dies nur zu Ihrer Kenntnisnahme, noch bevor irgend- einen Aktions- und Demonstrationskonsens gegeben, der welche Feuerwerkskörper gezündet worden sind, und die genau die von Ihnen – ich sage einmal zu Recht – eingefor- Demo gestoppt. So viel zu den Fakten. derte Friedfertigkeit beinhaltet hat. Alle Demonstrations- teilnehmerinnen und -teilnehmer haben sich 2012 und Mit dem Stichwort „Charmeoffensive“ komme ich zu dem 2013 daran gehalten. Das ist Fakt, das müssen Sie zur BÜNDNIS-90-schwarzen Antrag, den wir hier vorliegen Kenntnis nehmen. haben. Ich will einmal dahingestellt lassen, ob sich die Po- lizei mit ihren Demonstrationsvorbereitungen, indem sie (Beifall bei der LINKEN) im Hof des Polizeipräsidiums herummarschiert, nicht eher Sie kommen immer zu dem Schluss und sagen: Ja, daran der Lächerlichkeit preisgibt. Das sei dahingestellt. Aber ich nehmen aber Menschen teil, die in anderen Situationen bin selbstverständlich auch der Meinung, dass die Polizei eventuell einmal Gewaltbereitschaft gezeigt haben. Einsätze trainieren muss. (Hans-Jürgen Irmer (CDU): Eventuell!) Ich habe hohes Vertrauen in die hessische Polizei, dass sie beides kann, entweder deeskalieren oder knüppeln. Es – Bisher ist das immer noch eine Unterstellung. – Ich sage kommt darauf an, was ihr befohlen wird. Damit sind wir Ihnen aber: bei der politischen Entscheidungsebene, und da habe ich (Hans-Jürgen Irmer (CDU): Es war auch schon ein- nach wie vor ein erhebliches politisches Problem. mal anders!) (Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Manfred Es kommt nicht darauf an, wie sich Menschen irgendwo Pentz (CDU)) verhalten haben oder verhalten würden, sondern es kommt Uns und den anderen Veranstaltern von Blockupy geht es darauf an, wie sie sich im Rahmen von Blockupy verhal- selbstverständlich auch immer um Kommunikation. ten. Sie haben sich dort an unseren gemeinsamen Aktions- und Demonstrationskonsens gehalten, übrigens auch bei (Wortmeldung des Abg. Michael Boddenberg den Aktionen des zivilen Ungehorsams. (CDU)) Bitte nehmen Sie als Fakt zur Kenntnis, dass Ihre ständige Ich darf Sie daran erinnern, wir waren in der Vergangen- Unterstellung, dass deeskalierend gewirkt werden muss, heit bei der Organisation der Blockupy-Proteste diejenigen, einzig und allein den Zweck verfolgt, Bürgerinnen und (Hans-Jürgen Irmer (CDU): Die gehetzt haben!) Bürger davor zu warnen, an diesen friedlichen Protesten – sie werden auch dieses Jahr und sie werden auch nächstes die immer auf zeitige Kooperationsgespräche gedrungen Jahr friedlich sein – teilzunehmen. – Ich bedanke mich für haben, die uns verweigert bzw. kurz vor knapp, also das Ihre Aufmerksamkeit. letzte Mal 20 Stunden vor der Demonstration, überhaupt angeboten wurden. (Beifall bei der LINKEN – Horst Klee (CDU): Abenteuerlich!) 1026 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Vizepräsidentin Ursula Hammann: schlechtes Krisenmanagement und eine Fehlerkultur des damaligen Innenministers Boris Rhein. Vielen Dank, Herr Kollege Wilken. – Als nächste Redne- rin spricht Frau Kollegin Faeser für die SPD-Fraktion. Bit- Deshalb erfolgte kaum eine Aufarbeitung. Im Gegensatz te schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort. zu den damals regierenden Fraktionen hat die SPD nach den schlimmen Ereignissen Demonstrationsteilnehmer, Po- lizei und auch einen der Organisatoren an den Tisch ge- Nancy Faeser (SPD): bracht. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch wir haben im Plenum mehrfach über diese Ereignisse Herr Wilken, ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass wir diskutiert. Herr Frömmrich hat es gesagt, es habe damals heute die Debatte im Vorfeld der Ereignisse im Herbst und viele große Fehler gegeben. Er hat damals gesagt, er halte Winter etwas differenzierter und sachlicher führen können, den Einsatz nicht für verhältnismäßig. Herr Frömmrich, als wir sie leider im letzten Jahr führen mussten. Sie haben auch erklärt, dass es von den Äußerungen der (Willi van Ooyen (DIE LINKE): Wahrscheinlich letzten Jahre nichts zurückzunehmen gelte. – Das haben Frühjahr 2015!) Sie auch heute noch einmal hier getan. Herr Wilken, ganz ehrlich, was Sie hier über die hessische Die Gerichte beraten nach wie vor über diese Demonstra- Polizei gesagt haben, dass es entweder Deeskalieren oder tionen. Wir werden uns auch noch eine ganze Zeit damit Draufknüppeln gibt, finde ich eine Unverschämtheit, und beschäftigen müssen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt das weise ich weit zurück. hat in seiner Entscheidung vom Montag festgestellt, dass der Polizeikessel rechtmäßig gewesen sei. Der Kläger hat (Lebhafter Beifall bei der SPD, der CDU und dem aber angekündigt, Rechtsmittel einzulegen, eine rechtskräf- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Pentz tige Entscheidung bleibt abzuwarten. (CDU): Das ist armselig!) Herr Wilken hat nur die Überschrift zitiert. Ich will Ihnen Ich will das aufgreifen, was Herr Frömmrich zu Beginn etwas aus dem Kommentar der „FAZ“ vom Dienstag zitie- seiner Rede gesagt hat. Es ist wichtig, sich in dieser Debat- ren: te auf die Grundsätze zu einigen, dass nämlich die De- monstrationsfreiheit eines der höchsten Güter der Verfas- Das Urteil wird jedoch das Kernproblem nicht lösen, sung, nicht nur der Hessischen Verfassung, sondern auch das sich die Polizei mit ihrem präventiven Vorgehen des Grundgesetzes der Bundesrepublik, ist, als eine Form selbst eingebrockt hat: Der Verlust an Vertrauen der Meinungsfreiheit. Es ist wichtig, dass wir uns in die- wiegt ungleich schwerer als die richterliche Bestäti- sem Haus auch zur Gewaltfreiheit bekennen. Diese Grund- gung der Polizeiführung in ihrem Handeln. sätze sollten für uns alle gelten. Genau das ist der Kernpunkt, worüber wir uns heute unter- (Beifall bei der SPD, der CDU und dem BÜNDNIS halten sollen, dass solche Ereignisse wie letztes Jahr nie 90/DIE GRÜNEN – Hermann Schaus (DIE LIN- wieder passieren dürfen. KE): Nichts anderes tun wir!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE Meine Damen und Herren, wir haben vor einem Jahr an GRÜNEN) gleicher Stelle und fast zum gleichen Zeitpunkt über die Es geht um die Gewährleistung eines sehr wichtigen Frei- Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt dis- heitsrechts, der Versammlungsfreiheit und damit auch der kutieren müssen, so sage ich es einmal. Es war ein denk- Gewährleistung der freien Meinungsäußerung. würdiger Tag, denn der Einsatz anlässlich der Demonstra- tion in Frankfurt ist, das sage ich jetzt sehr freundlich, Das Recht des Bürgers durch Ausübung der Ver- mehr als unglücklich gewesen. sammlungsfreiheit, aktiv an Meinungsbildungs- und Willensbildungsprozessen teilzunehmen, gehört zu Herr Kollege Frömmrich hat es übrigens auch gesagt, dass den unentbehrlichen Funktionselementen eines de- dort große Fehler passiert sind. Das Anhalten des Demons- mokratischen Gemeinwesens. trationszugs über neun Stunden, der Polizeieinsatz und der anschließende Umgang damit haben dem Ansehen der So das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung weltoffenen Stadt Frankfurt und dem weltoffenen Land zu Brokdorf vom 14.05.1985. Hessen sehr geschadet. Meine Damen und Herren, das Es geht also in der Debatte um den Schutz der Bürgerinnen sollten wir auch zur Kenntnis nehmen. und Bürger aus Art. 8 Grundgesetz. Dieses Grundrecht hat Es gab verletzte Polizeibeamte, und es gab verletzte De- – ich habe es eingangs gesagt – dort seine Schranken, wo monstranten. Ich rufe noch einmal die Kommentierung der Gewalt im Spiel ist. Es ist aber wichtig, deswegen ist die „FAZ“ von damals in Erinnerung vom 3. Juni 2013: Debatte im Vorfeld auch gut: Das Land muss sich zunächst dafür einsetzen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihr Bür- Und doch hat die Polizei am Samstag übertrieben, gerrecht wahrnehmen und friedlich ausüben können. selbst wenn sie es für geboten halten musste, die Versammlung vorzeitig aufzulösen, und selbst wenn (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE sie geltend machen konnte, dass von einzelnen GRÜNEN) Chaoten Straftaten verübt worden waren, rechtfertigt Trotz der Entscheidung des Verwaltungsgerichts vom das nicht das gezeigte Maß an körperlicher Gewalt. Montag haben wir neun Stunden Einkesselung gehabt. Das Dazu der Hinweis der OSZE an Hessen, man möge mit sollten Sie nicht einfach wegwischen. Ich finde, dass so et- Journalisten freundlicher umgehen. Das ist in diesem Bun- was in diesem weltoffenen Bundesland nicht mehr passie- desland ein denkwürdiges Ereignis gewesen. Hinzu kam, ren darf, dass die Bundesrepublik so auf Hessen blicken das will ich noch einmal in Erinnerung rufen, ein extrem muss. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1027

(Beifall bei der SPD) Auch das gehört dazu, wenn das Vertrauen der Menschen in Europa zurückgewonnen werden soll. Die Menschen aus ganz Europa, die an der Demonstration im Herbst teilnehmen werden – Herr Frömmrich hat es (Beifall bei der SPD) auch angesprochen –, haben ein berechtigtes Anliegen, das Meines Erachtens müssen wir auch viel Transparenz und sie in der Öffentlichkeit kundtun möchten. Sie empfinden Aufklärung über europäische Politik schaffen. Das sage ich angesichts der europäischen Krise, dem Umgang mit den auch sehr selbstkritisch; denn das gilt für alle von uns hier Banken während der Wirtschaftskrise und der Globalisie- vertretenen Fraktionen von Parteien. Es reicht eben nicht rung insgesamt, ein sehr starkes Unbehagen, das sich un- aus, nur wenige Wochen vor der Wahl Wahlkampf zu be- terschiedlich stark ausdrückt und mit vielen Ängsten ver- treiben, sondern wir müssen die Menschen bei Europa bunden ist. ganz anders mitnehmen und informieren. Diese Unzufriedenheit – und darum werden wir uns küm- Die Hintergründe, Ursachen und inhaltliche Aspekte der mern müssen – ist bei der Europawahl sehr deutlich zutage bevorstehenden Großdemonstration gehören zu den wichti- getreten: zum einen durch eine sehr schlechte Wahlbeteili- gen Punkten. Und es reicht nicht aus, darauf zu verweisen, gung und zum anderen auch durch das leider sehr gute Ab- dass die EZB in Frankfurt verbleibt und gestärkt wird, wie schneiden rechtsextremer Parteien in ganz Europa. Das Sie es in Ihrem Antrag tun. Das ist ohne Zweifel gut, be- sind Tatsachen, die wir nicht ignorieren dürfen. Hier muss rührt aber die notwendige gesellschaftliche Debatte über- es auch darum gehen, was wir tun können, damit die Men- haupt gar nicht. schen nicht mehr rechtsextreme Parteien wählen. Dazu ge- hört der dringende Abbau hoher Jugendarbeitslosigkeit in Dennoch will ich auch ausdrücklich sagen, dass viel Rich- Europa und die Verbesserung der Lebensbedingungen vie- tiges in dem von Ihnen heute vorgelegten Antrag steht. ler Menschen in Europa. Auch wir begrüßen es, dass sich die hessische Polizei im Vorfeld der anstehenden Großdemonstration auf eine dia- (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des logorientierte und deeskalierende Strategie konzentriert. BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Und, Herr Wilken, das will ich Ihnen sagen: Es ist übliches Ich finde, das ist ein zentraler Punkt. Wir haben es bei den Geschäft der Polizei vor Großeinsätzen. Da gab es keinen Diskussionen im letzten Jahr immer wieder angesprochen, Punkt, um an dieser Stelle zu sagen, das sei kein richtiger dass es eigentlich gar nicht mehr um die von den Men- Ansatz. – Natürlich ist es ein richtiger Ansatz, bei bevor- schen auf der Straße vertretenen Inhalte ging, sondern nur stehenden Großeinsätzen auf Dialog und Deeskalation zu noch um den Einsatz der Polizei und darum, ob Menschen setzen. friedlich diskutieren könnten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Deswegen finde ich es auch wichtig, heute den inhaltlichen CDU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aspekt in den Vordergrund zu stellen. Ich bin dem Kolle- Wichtig ist in der Tat auch, wie es ebenfalls in Ihrem An- gen Frömmrich dankbar, dass er das getan hat; denn in Ih- trag steht, der Dialog mit den Organisatoren der Proteste rem gemeinsamen Antrag kommt dieser Aspekt zu kurz. In im Vorfeld; denn das dient in erster Linie auch der Ver- diesem gemeinsamen Antrag, den Sie uns vorgelegt haben, meidung von Missverständnissen und Konfliktpotenzialen. geht es eben vorrangig um die Frage des Polizeieinsatzes und wie im Vorfeld damit umzugehen ist. Deswegen finde Übrigens sind dieser Dialog und vor allem die Transparenz ich es, ehrlich gesagt, wichtig, da nochmal einen Schwer- der Entscheidungen in den stattfindenden Demonstration punkt zu setzen, weswegen wir uns bei der Abstimmung ebenso entscheidend, also auch während der Ereignisse vor enthalten werden. Ort. Das sollte auch mit den gut ausgebildeten Kommuni- katoren der Polizei persönlich stattfinden und nicht nur, Es geht nämlich vielmehr darum, dass wir Demokraten viel wie es im Antrag steht, via Twitter. Ich glaube, Twitter ist dafür tun müssen, verlorengegangenes Vertrauen zurück- ein gutes Mittel und ein zusätzlicher Einsatz, aber nicht das zugewinnen. Das Problem darf nicht einfach verschwiegen erste Mittel der Wahl, weil es sicher darum gehen wird, werden, und das gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die vor Ort miteinander zu reden. gestrige Debatte über den Umgang mit der AfD in Deutschland, die ebenfalls Ängste und Sorgen mit üblem (Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Wohl wahr!) Rechtspopulismus beantwortet hat.

(Manfred Pentz (CDU): Diese Debatte haben Sie ins Vizepräsidentin Ursula Hammann: Plenum gebracht! Fangen Sie doch nicht schon wie- der damit an, gestern war es schon peinlich genug! – Frau Kollegin, Sie müssten zum Ende Ihrer Rede kommen. Gegenruf des Abg. Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD)) Nancy Faeser (SPD): – Ich sage es Ihnen gern noch einmal, Herr Pentz: Sie ha- ben gestern dazu geredet und keinerlei deutliche Aussage Frau Präsidentin, das tue ich gern. – Ich möchte es noch dazu getroffen, wie die hessische CDU zur AfD steht. Da einmal sagen: Es sind sehr viele Selbstverständlichkeiten sollten Sie sich also lieber zurückhalten. in Ihrem Antrag enthalten. Natürlich lehnen auch wir Ge- walt bei Demonstrationen ab, auch verbotene Gegenstände (Beifall bei der SPD – Zurufe) gehören nicht dorthin, und selbstverständlich ist die öffent- Dazu gehört sicher auch, dass der Spitzenkandidat der liche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Worum es EVP, Jean-Claude Juncker, auch zum Kommissionspräsi- in der heutigen Debatte aber vor allen Dingen geht, ist die denten gewählt und nicht ein Dritter, vorbei am Europäi- Einräumung eines friedlichen Demonstrationsrechts. Im schen Parlament, von den Regierungschefs bestimmt wird. Vorfeld geht es vor allem darum, dass so schlimme Ereig- nisse wie im letzten Jahr nie wieder in diesem Bundesland vorkommen. – Herzlichen Dank. 1028 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

(Beifall bei der SPD und des Abg. Mathias Wagner Bei den meisten Demonstrationen kann man sicher sein, (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) dass alles ruhig und geordnet verläuft. Ich habe gehört, dass in Frankfurt rund 1.000 Demonstrationen im Jahr ab- laufen, wobei die allermeisten friedlich und ohne großes Vizepräsidentin Ursula Hammann: Aufsehen vonstattengehen. Bei einigen Demonstrationen Vielen Dank, Frau Kollegin Faeser. – Als nächster Redner weiß man oder vermutet es schon im Vorfeld, dass Proble- spricht Kollege Bauer von der CDU-Fraktion. Bitte schön, me entstehen können. Herr Kollege, Sie haben das Wort. Gerade, wenn man das vermutet, muss man präventiv, de- eskalierend, aber auch mit einer klaren Ansage zu den Nor- men und Regeln eines Rechtsstaats agieren. Der Landtag – Alexander Bauer (CDU): so unser Antrag – ruft deshalb zu einer friedlichen Protest- Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! und Demonstrationskultur auf, die geltende Gesetze und Es ist schon irgendwie seltsam, dass man in diesem Hohen die Rechtsgüter Dritter achtet. Haus für unparlamentarische Ausdrücke eine Rüge erhält, (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE aber für eine unparlamentarische Grundeinstellung nicht GRÜNEN) gerügt wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir verlangen nichts Un- (Beifall bei der CDU und bei Abgeordneten des mögliches: Wir fordern von denen, die zur Eröffnung des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) EZB-Neubaus in Frankfurt am Main Demonstrationen an- Ich will das deutlich machen: Hier spricht Kollege Dr. gekündigt haben, dass sie die gesellschaftliche Diskussion Wilken – der nicht nur irgendein normaler Abgeordneter über Globalisierung und europäische Einigung friedlich ist, sondern dazu noch Vizepräsident des Hessischen Land- führen. Es müsste doch eigentlich eine Selbstverständlich- tags – keit sein, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der in Frankfurt angekündigten Demonstration auf Gewalt gegen (Zuruf von der CDU: Ei, ei, ei! – Gegenruf der Abg. Personen und Sachen verzichten und im Geiste einer Janine Wissler (DIE LINKE): Ihr habt ihn doch ge- grundrechtlich geschützten freiheitlichen Demonstrations- wählt!) kultur die Rechte auch anderer achten. Das ist in unserem offen in diesem Haus und stellt die Unabhängigkeit von Land doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Gerichten infrage und fragt, ob diese Urteile rechtmäßig Wir sind uns auch bewusst, dass Teile der Bevölkerung an- zustande gekommen oder tendenziös seien. Das ist für gesichts der Globalisierung sowie der Finanz- und Staats- einen jungen Kollegen unerträglich. schuldenkrise besorgt sind und diese Sorge auch öffentlich (Beifall bei der CDU) durch Demonstrationen und Proteste bekunden wollen. Für uns ist die Versammlungsfreiheit ein hohes Gut, und es ist Wir diskutieren in diesem Haus über die rechtspopulisti- ein wertvolles Grundrecht, wenn die Teilnehmer dieser so- sche AfD und fragen uns nicht, welches Rechtsstaatsver- genannten Blockupy-Proteste ihre Meinung auf die Straße ständnis die Linkspartei in diesem Haus hat. Das müsste bringen wollen, auch wenn wir als Christdemokraten deren doch mal zur Debatte gebracht werden, meine Damen und Ansichten und Auffassungen nicht teilen mögen. Herren. Trotzdem halten wir die antikapitalistische Stoßrichtung (Beifall bei der CDU – Zurufe) dieser Proteste aus; denn dafür wissen wir nach 65 Jahren Frau Kollegin Faeser hat dankenswerterweise schon die Bundesrepublik viel zu gut, was wir unserer Wirtschafts- Frage danach gestellt, was es für eine Grundeinstellung sei, form zu verdanken haben. Unsere Form des Kapitalismus, wenn man die hessische Polizei in die Schublade packt, unsere soziale Marktwirtschaft verbindet sich mit Weltof- wonach sie entweder deeskalieren oder den Knüppel her- fenheit und Toleranz. Und so unmenschlich kann es in un- ausholen würde. Das ist nicht unser Bild der hessischen serem Land nicht zugehen, wenn allein im letzten Jahr 1,2 Polizei, und wir weisen das aufs Schärfste zurück, Herr Millionen Menschen neu zu uns nach Deutschland gekom- Kollege Wilken. men sind. Von solchen Einwanderungsbewegungen in so- zialistische Länder ist mir jedenfalls nichts bekannt, liebe (Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS Kolleginnen und Kollegen von der Linkspartei. 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU – Gegenruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE)) (Beifall bei der CDU – Janine Wissler (DIE LIN- KE): Was ist denn das für ein Argument? – Vizeprä- Meine Damen und Herren, im Herbst wird anlässlich der sident Dr. Ulrich Wilken übernimmt den Vorsitz.) Eröffnung des Neubaus des Gebäudes der Europäischen Zentralbank mit umfangreichen Aktionen und Demonstra- Die betroffenen Behörden, unsere hessische Polizei, wer- tionen des sogenannten Blockupy-Bündnisses zu rechnen den auf gute demokratische Art vorbereitet sein. Eine Viel- sein. Bei vielen Jahrestagen, aber auch bei einmaligen Er- zahl von Dialog- und Deeskalationsangeboten wurde be- eignissen weiß man, dass es zu Demonstrationen kommen reits gemacht. Um weitere wollen wir die Landesregierung wird. bitten. Die Einzelheiten, was bereits passiert ist, führt unser gemeinsamer Antrag auf. Das gehört zum Kalender einer freien demokratischen Ge- sellschaft dazu. Und wir Christdemokraten wissen, dass Wir begrüßen ausdrücklich, dass die hessische Polizei das Grundrecht, friedlich und ohne Waffen zu demonstrie- frühzeitige Dialogangebote unterbreitet hat, und wir appel- ren, ein hohes Gut des demokratischen Rechtsstaats ist. lieren an die Organisatoren der genannten Blockupy-Pro- Wir werden uns auch künftig mit aller Kraft dafür einset- teste in Frankfurt, auf dieses Dialogangebot ohne Vorbe- zen, dass die Ausübung dieses Rechts in Hessen gewähr- dingungen einzugehen. Wir rufen die Organisatoren auf, leistet bleibt. im Vorfeld der Demonstrationen den Dialog mit der Poli- Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1029 zei und der Stadt Frankfurt zu suchen. Es ist im Interesse Schluss ganz deutlich und klar – nicht akzeptabel, wenn aller, der Demonstranten und der Bürger von Frankfurt, man sich vermummt. Es ist nicht akzeptabel, wenn man dass durch umfassende Abstimmungen im Vorfeld Feuerwerkskörper zündet. Es ist nicht akzeptabel, wenn Missverständnisse ausgeräumt werden und Konfliktpoten- man Farbbeutel wirft, und es ist eine Straftat, Polizisten zu ziale erkannt und bestenfalls geglättet werden können. Es beleidigen oder gar körperlich anzugreifen. ist wichtig und richtig, wie hier agiert wird. (Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE 90/DIE GRÜNEN) GRÜNEN) Wer friedlich und ohne Waffen demonstrieren will, der Meine Damen und Herren, wir begrüßen die deeskalieren- lässt das alles bleiben. den Maßnahmen von Polizei und Landesregierung im Vor- (Michael Boddenberg (CDU): Wenn es nicht regnet, feld, namentlich – das wurde schon vom Kollegen Frömm- braucht man auch keinen Regenschirm!) rich genannt – die frühzeitige Einrichtung eines Vorberei- tungsstabs der Polizei unter Führung erfahrener Beamter. Die Polizeibeamten können nicht als Blitzableiter für die Es ist durch den Polizeipräsidenten in Frankfurt eine früh- Wut einzelner Demonstranten ihren Kopf hinhalten. zeitige Einladung zum Dialog ausgesprochen worden. Es gibt praktisches Deeskalationstraining. Es gibt nach wie Meine Damen und Herren, wir wünschen uns sehr, dass al- vor wiederholt das öffentliche Eintreten des Innenministers le vorgesehenen Deeskalationsmaßnahmen ihr Ziel errei- für eine friedliche und kommunikative Demonstrationskul- chen. Wir begrüßen ausdrücklich den dialogorientierten, tur. Es gibt auch die Zusage des Innenministers, die Polizei deeskalierenden Ansatz der hessischen Polizei bei der Be- werde ihre deeskalierende und kooperative Rolle fortfüh- gleitung der angekündigten Demonstrationen. ren. Dass unser Versammlungsrecht im Rahmen der Rechts- Es gab auch, und das ist einmalig und besonders lobens- staatlichkeit ausgeübt werden kann, dafür stehen die Frau- wert, eine Information aller Landtagsfraktionen durch den en und Männer der hessischen Polizei. Innenminister gemeinsam mit der Polizeiführung und den (Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Obleuten des Innenausschusses über das Lagebild und den NEN und bei Abgeordneten der SPD) Planungsstand. Das wurde ausführlich erläutert. Das be- grüßen wir alle sehr gerne und herzlich, weil es wichtig ist, Sie werden das Demonstrationsrecht schützen, die Mei- im Vorfeld diese Informationen transparent zu machen. nungsfreiheit schützen. Sie werden aber auch – das sage ich ganz klar – Gewalt verhindern. – Besten Dank für die Meine Damen und Herren, zum Schutz friedlicher De- Aufmerksamkeit. monstrationen und zum Schutz unbeteiligter Bürger muss die Polizei diese kommunikativen Maßnahmen ergreifen. (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Sie muss im Vorfeld erklären, was bei einer Demonstration GRÜNEN) zulässig ist und was nicht zulässig ist. Deshalb ist es für uns ganz entscheidend, dass Deeskalation keine Einbahn- Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: straße darstellt. Man kann Angebote aussprechen, man kann Einladungen unterbreiten, man muss sie aber auch Danke, Herr Bauer. – Für die FDP-Fraktion hat sich Herr annehmen. Deshalb braucht die Polizei einen dialogberei- Greilich gemeldet. ten Partner auf der anderen Seite. Im Juni des vergangenen Jahres hat der damalige Ver- Wolfgang Greilich (FDP): sammlungsleiter leider den Polizeikontakt, sagen wir ein- mal höflich – Zitat – „nicht ganz ausgeschöpft“, um die Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Einhaltung der Auflagen durchzusetzen. Das muss dieses Ich will zunächst etwas vorwegstellen, weil es mich wirk- Mal anders werden. Das ist ganz entscheidend. lich freut, in dieser Debatte einen doch sehr breit angeleg- ten Konsens der Demokraten festzustellen, was sowohl den Es ist im Interesse der Allgemeinheit nicht zu dulden, dass Schutz des Demonstrationsrechts angeht als auch das Be- sich möglicherweise Straf- und Gewalttäter unter dem kenntnis zum Rechtsstaat und das Bekenntnis zum Schutz Deckmantel des Demonstrationsrechts verstecken und des Rechtsstaats, auch mit den Mitteln der Polizei. Die Leib, Leben oder Eigentum anderer beschädigen. Gewalt- Einzigen, die sich hier außer der Reihe gestellt haben, sind täter, die das freiheitliche Demonstrationsrecht beispiels- die Mitglieder der Linksfraktion. Das nehmen wir zur weise durch Gewalt gegen Polizeibeamte derart missbrau- Kenntnis, das ist aber auch nicht sonderlich überraschend. chen, müssen nach unserer Auffassung verfolgt werden und die Konsequenzen ihrer Straftaten tragen. (Beifall bei der FDP, der CDU und bei Abgeordne- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, die Versammlungsfreiheit ist als Ausprägung der Meinungsfreiheit eines der wichtigsten Liebe Landtagskollegen, die CDU-Fraktion bekennt sich Freiheitsrechte und ein Kernelement des demokratischen klar und unmissverständlich zur gesetzlichen Aufgabe der Rechtsstaats. Das bedeutet für uns alle, dass Meinungsfrei- Gefahrenabwehrbehörde und der Polizeibehörden. Gefah- heit in fast alle Richtungen staatlicherseits umfassend zu ren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sind abzu- gewähren und zu gewährleisten ist, aber dass sie auch zu wehren. Hierzu gehört auch der Schutz Dritter vor Gewalt schützen ist vor Repressionsversuchen derjenigen, die ihre gegen Personen und Sachen. Meinung absolut über andere Meinungen stellen wollen. Zur Aufgabe der Polizei gehört es übrigens auch, zu erwar- Was heißt das mit Blick auf die Blockupy-Demonstratio- tende Straftaten zu verhüten sowie für Verfolgung künfti- nen der Vergangenheit und die, die bevorstehen? Es ist ger Straftaten vorzusorgen. Es ist – das sage ich zum schon mehrfach gesagt worden: Friedliches Demonstrieren 1030 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 muss unbedingt und ohne Wenn und Aber gewährleistet Klar ist – das haben auch Sie zur Kenntnis zu nehmen, und sein. Dieser Aspekt „friedlich“ bedarf in diesem Zusam- da war ich vorhin schon etwas über die Beurteilung über- menhang ganz besonderer Betonung. Das haben uns die rascht, die wir gehört haben –, das Verwaltungsgericht Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt. Er umfasst nicht Frankfurt hat in einem sehr sorgfältig ausgearbeiteten und nur, dass keine aktiven Waffen eingesetzt und mitgeführt begründeten Urteil erklärt, dass der Kessel, wie er damals werden dürfen, sondern dass auch passive Bewaffnung, durchgeführt wurde, rechtmäßig war. Das Urteil ist noch d. h. das Tragen von Schutzwaffen, gegen Vollstreckungs- nicht rechtskräftig, aber es ist durchaus lesenswert. maßnahmen der Polizei untersagt ist, dass das eine Straftat Weil das hier ein bisschen untergangen ist, will ich doch nach dem Versammlungsgesetz darstellt. einmal an die Vorgeschichte der Ereignisse im Juni 2013 Ich muss an dieser Stelle erwähnen: Es gab Diskussionen erinnern. Völlig aus dem Fokus geraten ist, was ein Jahr um die Frage, wie mit Dingen wie der plastikverstärkten vorher passiert ist, im Mai 2012. Damals hatten wir bürger- Baseballkappe umzugehen ist. Das ist keine passive Be- kriegsähnliche Zustände in der Frankfurter Innenstadt, waffnung. Das hat unser Rechtsstaat festgestellt. Der (Janine Wissler (DIE LINKE): Was?) Rechtsstaat funktioniert, und deswegen ist auch dies ein Thema, bei dem man sagen kann: Die Gesetze sind so, wie bürgerkriegsähnliche Zustände in der Frankfurter Innen- sie sind, in Ordnung. Sie sind einzuhalten, und sie sind stadt. Und die Polizei musste sich anschließend mit Recht durchzusetzen. fragen lassen, wieso sie nicht noch entschiedener gegen die Aggressoren, denen es nie um die Meinungsbekundung, Hinsichtlich der Blockupy-Demonstrationen bedeutet das sondern offenkundig um Gewalt ging, vorgegangen war. auch, dass jeglicher Missbrauch des Demonstrationsrechts, den wir in der Vergangenheit feststellen konnten, um Ge- (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der walt gegen Sachen und Menschen auszuüben, nicht akzep- CDU) tabel ist, dass dem massiv entgegengetreten werden muss. Ein Ergebnis dieser zugegebenermaßen schwierigen Aus- (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der gangslage für die zu erwartenden Proteste im kommenden CDU) Herbst zur EZB-Eröffnung ist jetzt der vorliegende Antrag der Regierungskoalition. Ich finde das schon nachvollzieh- Die Notwendigkeit, die praktische Konkordanz, also den bar. Ich habe ein bisschen geschmunzelt, als ich den An- bestmöglichen Ausgleich zwischen den verschiedenen trag gesehen habe, weil es in der Tat schwierig ist, die sich grundgesetzlich geschützten Rechtspositionen herzustellen, abzeichnende Konfliktsituation zwischen CDU und GRÜ- haben auch die Mütter und Väter des Grundgesetzes im NEN vernünftig aufzulösen. Auge gehabt und ihm entsprechend mit dem Gesetzesvor- behalt Rechnung getragen. Deswegen haben wir ein ein- Reagieren die Polizeikräfte aus Sicht des linkeren Spek- fachgesetzlich ausgestaltetes Versammlungsrecht, das die trums zu hart, kommen die Kollegen von den GRÜNEN in Schranken dieses Versammlungsrechts definiert. Das muss Erklärungsnöte, wenn Sie sich das vor Augen führen, was hier besonders betont werden, weil gerade die Linkspartei Sie in der Vergangenheit erklärt haben. Ziehen dagegen die in diesem Hause offensichtlich der Auffassung ist, unter Gewalttäter durch die Stadt und terrorisieren die Bevölke- dem vorgeschobenen Schutzmantel des Versammlungs- rung so, wie vor zwei Jahren geschehen, rechts sei quasi alles erlaubt und dem rechtsstaatlichen Zu- griff entzogen. Ich sage sehr deutlich: Genau das ist nicht (Janine Wissler (DIE LINKE): Terrorisieren die Be- so. völkerung?) Diese Einstellung der Linkspartei wird vor allem durch den wird die Union in Schwierigkeiten kommen, ihre Position Umstand deutlich, dass auch dann, wenn über Blockupy entsprechend zu erklären. gesprochen wird, in der Regel und in erster Linie über den Herr Kollege Beuth, ich muss offen sagen, ich beneide Sie Einsatz im Sommer 2013 und den sogenannten Polizeikes- nicht um das, was Sie an politischer Situation zu meistern sel gesprochen wird. Die Polizei hat damals hart reagiert. haben. Der vorliegende Antrag soll offensichtlich alle Das ist gar keine Frage. Eine abschließende Bewertung Eventualitäten abdecken. Wer diesem Antrag zustimmt, verbietet sich aus unserer Sicht zum jetzigen Zeitpunkt, da der bescheinigt der Landesregierung indirekt, alles Nötige noch einige Verfahren offen sind, nicht endgültig rechts- getan zu haben, um zum einen das Versammlungsrecht und kräftig durch Gerichte entschieden sind. zum anderen die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu ge- Vorschnelle Verurteilungen – ich betone: in die eine wie währleisten. die andere Richtung – mögen die Sache anderer hier im Meine Damen und Herren von der schwarz-grünen Koaliti- Hause sein. Von der Linkspartei gibt es zu diesem Thema on, Sie werden verstehen, wir werden Ihnen diesen Blan- einen ganzen Stapel an Pressemitteilungen, von dem Duk- koscheck ebenso wenig ausstellen wie sonstige Blanko- tus der Plenardebatte im Juni 2013 ganz zu schweigen und schecks, die Sie gerne hätten. auch ganz zu schweigen von dem, was heute von dem Ver- treter der Linkspartei hier vorgetragen wurde. Dieser Duk- (Michael Boddenberg (CDU): Nö!) tus macht deutlich, hier geht es nicht um Blockupy, hier Wir halten die offeneren Kommunikationsformen der Poli- geht es nicht um Meinungsfreiheit, sondern hier geht es um zei, die in dem Antrag beschrieben werden, für sinnvoll ganz andere Dinge. und die richtige Lehre aus den Vorkommnissen im vergan- (Janine Wissler (DIE LINKE): Um was geht es denn genen Juni. Selbstverständlich sollte, solange das vertret- dann?) bar ist, immer Deeskalation dem harten Zugriff vorgezo- gen werden. Meine Damen und Herren, liebe Frau Kollegin Wissler, wir vertrauen auf die Gerichte und darauf, dass die ihre Ar- Ich sage eines und damit eine kleine Bemerkung zu Frau beit ordentlich machen. Faeser: Sie haben gemeint, man solle sich weniger bei dem Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1031

Thema des Instruments Twitter bedienen und mehr reden. Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: Darin stimme ich Ihnen völlig zu. Danke, Herr Greilich. – Für die Landesregierung hat sich Twitter kann nur eine Notlösung sein. Dass die Polizei zu Staatsminister Beuth zu Wort gemeldet. dieser Notlösung greift, hat etwas damit zu tun, dass das Gespräch verweigert wird, dass genau die Gesprächsange- bote nicht wahrgenommen werden. Dann finde ich es bes- Peter Beuth, Minister des Innern und für Sport: ser, wenigstens über Twitter zu versuchen, die eine oder Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! andere Botschaft zu setzen, als gar nichts zu tun. Ich möchte mich sehr herzlich bei den Kolleginnen und (Janine Wissler (DIE LINKE): Dann muss die Ge- Kollegen für die Debatte und auch für den Antrag bedan- genseite folgen!) ken. Ich finde, es ist wichtig, dass wir die Gelegenheit hier wahrnehmen, miteinander über Fragen zu diskutieren, von – Frau Kollegin Wissler, die „Gegenseite“, denen wir heute schon wissen, dass sie uns und vor allen (Michael Boddenberg (CDU): Das sagt schon alles!) Dingen auch unsere Behörden in den nächsten Monaten beschäftigen werden. Ich danke vor allen Dingen auch für das ist schon der Duktus, der genau passt. Für Sie ist die die Inschutznahme der Kolleginnen und Kollegen der Poli- Polizei immer nur die Gegenseite. Die Polizei ist aber nicht zei gegen die wirklich unsäglichen Angriffe der Linkspar- die Gegenseite. Die Polizei ist die Institution, die unseren tei, die hier eben geschehen sind. Rechtsstaat vor Gewalttätern schützt. (Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS NEN und der FDP) 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, Polizeibeamte in Hessen, aber Meine Damen und Herren, dass die Koalition dies alles auch darüber hinaus, ermöglichen das Recht, Versamm- sinnvoll umgesetzt hat, dass dies die besten und die geeig- lungsfreiheit und Meinungsfreiheit wahrzunehmen. Das ist netsten Maßnahmen sind, die zur gleichmäßigen Wahrung deren tägliches Geschäft. Wenn ich „tägliches Geschäft“ aller berechtigten Interessen führen, sage, dann meine ich tägliches Geschäft in Frankfurt. An (Willi van Ooyen (DIE LINKE): Auch Herr Grei- jedem Tag findet in Frankfurt eine Demonstration statt. An lich!) jedem Tag. Kollege Bauer hat es gesagt, 1.000 sind es im Jahr. das kann ich aus jetziger Sicht im Vorhinein sicherlich nicht so ohne Weiteres bestätigen. Wir werden das genau An jedem Tag sorgen Polizeibeamtinnen und Polizeibeam- beobachten und analysieren. Wir werden Sie am Ergebnis te dafür, dass die Menschen ihr Recht auf Meinungsfrei- messen. Wir hoffen und wünschen uns für alle Beteiligten, heit, auf Versammlungsfreiheit ausüben können. Das tun seien es die friedlichen Demonstranten, seien es die Be- sie, indem sie dafür Sorge tragen, dass die Aufzüge den wohner der Stadt Frankfurt, dass die Proteste einen friedli- richtigen Weg finden, dass der Verkehr geregelt ist. Sie chen Verlauf nehmen und es keiner Klärung durch Gerich- sorgen sich um die Sicherheit der Demonstrationsteilneh- te oder einer Aufarbeitung hier im Landtag bedarf. Warten mer in diesem Umfang. Ich finde, das sollte der Hessische wir es ab. Landtag auch zu schätzen wissen. Ich weiß, dass die Kolle- ginnen und Kollegen das tun. Deswegen ein herzliches Eines will ich vorab sagen, und zwar an die Adresse der Dankeschön für die Debatte. Linkspartei. Der Solidarisierungsgrad mit der Blockupy- Bewegung ist bei Ihnen – wie wir wissen – besonders (Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- hoch. Das ist Ihr gutes Recht. Aber nehmen Sie bitte Ihre NEN und der FDP) Verantwortung nicht nur gegenüber den Demonstranten, Meine Damen und Herren, wir sind gut beraten, bei der sondern auch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern der Frage der Ermöglichung von Versammlungen und De- Stadt Frankfurt und den Einsatzkräften der Polizei wahr. monstrationen darauf zu sehen, dass wir mit den Veranstal- Sorgen Sie dafür, dass die Gesprächsangebote angenom- tern kooperieren, dass wir dafür Sorge tragen, dass die men werden, was bis heute nicht der Fall ist. Bislang fehlt Veranstaltungen in geordneten Bahnen verlaufen und diese Einsicht bei Ihnen offensichtlich vollständig, wie die friedlich über die Bühne gehen können. Rede vorhin deutlich gemacht hat. Das macht die Polizei. Darum sorgt sich die Polizei – übri- (Beifall bei der FDP – Janine Wissler (DIE LINKE): gens bei größeren Demonstrationen weit im Voraus, wie Wann ist denn die EZB-Eröffnung?) wir das jetzt auch hier im Zuge der EZB-Eröffnung schon Meine sehr geehrten Damen und Herren, die FDP-Fraktion fast ein Jahr im Voraus miteinander diskutieren. Die Poli- steht unverrückbar an der Seite friedlicher Demonstranten, zei übt Zurückhaltung, natürlich. Sie hat gar keinen Grund, gleich welcher politischen Richtung. Sie steht für die um- sich in den Vordergrund zu spielen, weil die Demonstran- fassende Gewährleistung des Versammlungsrechts. Wir ten, die wenigen, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit aus- stehen aber nicht als Steigbügelhalter für Chaoten zur Ver- üben wollen, im Vordergrund stehen. fügung, die das Versammlungsrecht für ihre Zwecke miss- (Zuruf des Abg. Willi van Ooyen (DIE LINKE)) brauchen wollen, um ihren Bedarf nach Krawall zu decken. Dem wird entschieden entgegenzuhalten sein. Und Die Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte müssen dann da wird uns die Polizei an ihrer Seite finden. – Vielen auch differenzieren und differenzieren dürfen zwischen de- Dank. nen, die friedlich ihre Meinung sagen, und anderen, die et- was anderes im Schilde führen. Auch das muss die Polizei (Beifall bei der FDP, der CDU und dem BÜNDNIS leisten. 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, ich glaube, die Diskussion, die wir hier und sicherlich auch in den nächsten Wochen und 1032 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Monaten miteinander führen, soll auch ein bisschen denje- bringen. Wir wollen eine Vertrauensbasis herstellen, die es nigen signalisieren, die friedlich demonstrieren wollen, vor allem allen Gutgläubigen, die friedlich demonstrieren dass sie auch eine Verantwortung haben – nicht nur die Po- wollen, ermöglicht, mit offenem Herzen auf die Demons- lizei. trationen zu gehen. Die Differenzierung muss möglich sein zwischen denen, Wir beschreiben einen Rahmen, von dem wir glauben, dass die friedlich demonstrieren, und denen, die etwas anderes innerhalb dessen friedlich demonstriert werden kann. Der im Schilde führen. Auch das ist wichtig. Da besteht aber Polizei kann vertrauensvoll begegnet werden. eine Verantwortung, die einem jeden Demonstrationsteil- Insofern wäre ich dankbar, wenn Sie sich noch einmal nehmer am Ende auch selbst gestellt ist. überlegen würden, ob Sie diesem Bekenntnis nicht beitre- Meine Damen und Herren, ich will es mit aller Deutlich- ten wollen. Ich glaube, die Debatte hat gezeigt: Eigentlich keit auch an diejenigen, die friedlich demonstrieren wollen, sind wir uns einig. Wir wollen, dass die Versammlungs- sagen: Es darf keine Solidarität mit Gewalt in solchen Auf- freiheit, dass die Meinungsfreiheit und das Demonstrati- zügen geben. onsrecht von den Menschen friedlich ausgeübt werden soll. Dem wollen wir zur Durchsetzung verhelfen. Das ist das (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Ziel dieses Antrags. Deswegen habe ich die Bitte, dem GRÜNEN sowie des Abg. René Rock (FDP)) auch zuzustimmen. – Vielen Dank. Die Ausgestaltung des Demonstrationsrechts ist am Ende (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE natürlich ein Stückchen auch in den Händen derjenigen, GRÜNEN) die das ausüben möchten. Es gibt kreative Formen. Es mag bunt sein, es mag abwechslungsreich sein. Das ist nicht das Thema. Es ist auch nicht unser Thema, das zu beurteilen. Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: Es gibt aber eine Grenze: Gewalt ist keine Form des Pro- tests. Herr Minister Beuth, danke. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir sind damit am Ende der Debatte (Beifall bei Abgeordneten der CDU, der SPD und zu Tagesordnungspunkt 53 angekommen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ) Ich bitte die parlamentarischen Geschäftsführer, mir zu Wenn Gewalt gegen Menschen, gegen Polizeibeamte oder helfen. Ich höre immer, dass abgestimmt werden soll. Bei Sachen ausgeübt wird oder wenn Straftaten verübt werden, mir steht, der Antrag soll dem Innenausschuss überwiesen gibt es keinen Handlungsspielraum. Dann gilt das Legali- werden. – Das machen wir dann auch so. Damit wird der tätsprinzip. Dann muss die Polizei konsequent handeln. Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE Dann hat die Polizei auch die Unterstützung der politisch GRÜNEN, Drucks. 19/515, dem Innenausschuss überwie- Verantwortlichen dieses Hauses verdient. So ist es. sen. Ich bin ein bisschen über das Verhältnis zum Rechtsstaat Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf: erschrocken, das gerade vom Vertreter der Fraktion DIE LINKE hier geäußert wurde. Die Beurteilung, wie das Ver- Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion DIE fahren vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt gelaufen LINKE für ein Zehntes Gesetz zur Änderung des Hes- ist, und welche Beweisanträge es da gegeben hat, sollte ei- sischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und gentlich nicht Sache des Hessischen Landtags sein. Viel- Ordnung (HSOG) – Drucks. 19/477 zu Drucks. 19/394 – mehr ist das die Sache des Verwaltungsgerichts. Es verbie- tet sich für uns, uns darüber zu erheben und das in einer Ich bitte als Erstes Herrn Bauer, uns Bericht zu erstatten. solchen Debatte ins Feld zu führen. Herr Dr. Wilken, ich will eines aufgreifen. Sie haben ge- Alexander Bauer, Berichterstatter: sagt: Der Veranstalter muss über die Durchführung der De- monstration entscheiden. – Ich sage Ihnen: nein. Friedli- Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! ches Vorgehen und die Einhaltung von Recht und Ordnung Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses lautet: ist nicht disponibel, und zwar nicht in Hessen und nirgend- Der Innenausschuss empfiehlt dem Plenum mit den Stim- wo in Deutschland. Das muss auch in Zukunft so bleiben. men der CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP gegen die Stimme der Fraktion DIE LINKE, den Ge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des BÜND- setzentwurf in zweiter Lesung abzulehnen. – Danke schön. NISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der CDU sowie der Abg. Ich bin Ihnen für die Debatte sehr dankbar. Herr Kollege Wolfgang Greilich und Jörg-Uwe Hahn (FDP)) Greilich und Frau Kollegin Faeser, ich bedauere ein bisschen, dass Sie unserem Antrag nicht zustimmen kön- nen. Es handelt sich um ein Bekenntnis zum Demonstrati- Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: onsrecht. Es handelt sich um ein Bekenntnis zum Dialog Ich danke für die Berichterstattung. – Als erster Redner hat zwischen denen, die friedlich protestieren wollen, und der sich Herr Schaus für die Fraktion DIE LINKE zu Wort ge- Polizei. Es handelt sich um ein Bekenntnis zur Freiheit, zur meldet. Die Redezeit beträgt 7,5 Minuten je Fraktion. Versammlungsfreiheit und zur Meinungsfreiheit. Ich finde, dass das in diesem Antrag so abgewogen ist, dass man dem sehr gut zustimmen kann. Hermann Schaus (DIE LINKE): Frau Kollegin Faeser, Sie haben viel von Vertrauen ge- Herr Präsident, ich bitte untertänigst um Entschuldigung, sprochen. Ich finde, das ist ein Stück weit auch eine Chan- dass ich Ihnen ins Wort gefallen bin. ce, nämlich dass wir Vertrauen in die Maßnahmen ausspre- chen. Das wollen wir mit diesem Antrag zum Ausdruck (Heiterkeit der Abg. Janine Wissler (DIE LINKE)) Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1033

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Brandenburg. Das wurde dort von der rot-roten Regierung Eigentlich könnte es so einfach sein. Im letzten Jahr waren umgesetzt. es DIE LINKE und die GRÜNEN, die als Einzige die Die hessischen GRÜNEN haben das letztes Jahr abge- Kennzeichnung der hessischen Polizei verbindlich regeln schrieben. Das geschah als Reaktion auf einen Antrag, den wollten. In den meisten zivilisierten Staaten der Welt wird wir eingebracht hatten. das so gemacht. Es ist deshalb zu Recht eine zentrale For- derung der Bürgerrechtsorganisationen und auch von Herr Frömmrich, jetzt haben wir von den GRÜNEN abge- Amnesty International. schrieben. Dazu stehen wir auch. Im Kern ist das natürlich Ihr Gesetzentwurf aus dem letzten Jahr. Das Fazit lautet: In Deutschland haben drei Bundesländer inzwischen die Grundsätzlich sind alle dafür. Wir haben einen Gesetzent- Kennzeichnungspflicht eingeführt. Weitere Bundesländer wurf, hinter dem eigentlich alle Parteien stehen könnten. wollen folgen. Warum machen wir es dann nicht? Als LINKE sagen wir: Das ist eine gute Entwicklung. Hes- Ich komme zum zweiten Vorteil. Ein Gesetzentwurf des sen sollte da nicht länger im Abseits stehen. – Deshalb Parlaments hat eine hohe Legitimation und einen klaren wollen wir die Kennzeichnung endlich auf den Weg brin- Zeitablauf hinsichtlich der Beratung. Wir hätten das noch gen. vor der Sommerpause beschließen können. Denn die Stel- (Beifall bei der LINKEN) lungnahmen der Experten liegen aus der Anhörung letzten Jahres vor. Die Gründe sind bekannt. Eine Kennzeichnung erhöht die Transparenz der Polizeiarbeit. Sie ermöglicht die Aufklä- Und drittens, das ist sehr wichtig: Bei einem Gesetzent- rung von Vorwürfen, wie sie auch in Hessen immer wieder wurf werden die Betroffenen im Landtag mündlich ange- geäußert wurden. Befürchtungen der Polizei, demzufolge hört. Man hätte dann also deren Bedenken aufnehmen und eine Kennzeichnung die Identifikation der Privatperson auch die Entscheidung des Landtags rechtfertigen müssen. und damit das Nachstellen durch Straftäter ermögliche, Genau deshalb wird unser Gesetzentwurf jetzt mit absur- sind unbegründet. Das ist nachweislich in anderen Bundes- den Begründungen und Unterstellungen abgelehnt. Nicht ländern nicht eingetreten. einmal eine Anhörung gibt es zu diesem Gesetzentwurf – Das Gegenteil ist sogar der Fall: Die Kennzeichnung wird ein Novum im Landtag. Einen solchen Umgang mit einem sehr positiv aufgenommen. Das bestätigt sogar der Berliner Gesetzentwurf hat es noch nie gegeben. Innenminister von der CDU. Nach dessen Erhebungen gibt (Beifall bei der LINKEN und der Abg. Nancy Faeser es keine negativen Auswirkungen auf die Polizei. (SPD)) Wir sollten das also auch in Hessen so machen und das Also nochmals: Angeblich sind alle Fraktionen grundsätz- endlich regeln. Die Chancen dazu waren gut. Denn nach lich dafür. Trotzdem lehnen Sie es ab. Es ist eine erprobte den GRÜNEN und der LINKEN sind plötzlich auch CDU und gute Regel aus der Praxis, und trotzdem lehnen Sie sie und FDP dafür. Mit einigen Abstrichen sind es auch die ab. Das Gesetz wäre schnell und mit hoher Legitimation Sozialdemokraten. umsetzbar, und trotzdem lehnen Sie es ab. Schließlich wä- Die SPD sagt, man müsse das auf Bundesebene machen. re es garantiert, dass die Betroffenen hier im Landtag ge- Das stimmt. Das wäre noch besser. Aber auf Bundesebene hört werden, aber trotzdem lehnen Sie es ab. machen Sie es nicht. Deshalb müssen wir das machen, was CDU und GRÜNE haben es also abgelehnt, eine Anhörung wir in Hessen machen können. zu diesem Gesetzentwurf durchzuführen. (Beifall bei der LINKEN) (Alexander Bauer (CDU): Wir hatten doch schon ei- Das ist, die vorliegende Regelung hier einzuführen, so wie ne Anhörung!) es auch unter SPD-geführten Regierungen in Berlin, Bran- – Herr Bauer, normalerweise gibt es eine Anhörung zu ei- denburg und Rheinland-Pfalz geschehen ist. nem Gesetzentwurf, immer. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag steht es zwar drin, (Alexander Bauer (CDU): Es gibt doch eine schrift- aber von der schwarz-grünen Regierung gibt es bisher wi- liche Anhörung!) dersprüchliche Signale. Herr Frömmrich hat heute etwas dazu gesagt. Wir werden sehen, ob auch Mitglieder der Dass sich die GRÜNEN dazu hergeben, noch dazu, da es CDU-Fraktion dazu konkrete Aussagen machen. doch ihr eigener Entwurf ist, ist schon sehr bezeichnend. Aber Sie haben eine mündliche Anhörung abgelehnt. Die GRÜNEN haben gesagt, das solle noch vor dem Herbst eingeführt werden. Die CDU sagt: Da muss man (Alexander Bauer (CDU): Es gibt kein Recht auf ei- einmal schauen. – Herr Frömmrich, es gibt bisher keine ne mündliche Anhörung!) zeitliche Aussage. Soweit ich weiß, gibt es bisher auch kei- ne Anhörung der Betroffenen durch den Innenminister. – Herr Bauer, jetzt tun Sie doch nicht so. Ich muss aufpas- sen, damit ich weiter im parlamentarischen Sprachge- Das soll also entweder auf die lange Bank geschoben wer- brauch bleibe, wenn Sie weiter so dazwischenrufen. den, oder es soll an den Betroffenen vorbei gemacht wer- den. Oder es geschieht beides, es wird auf die lange Bank (Zuruf des Abg. Holger Bellino (CDU)) geschoben und an den Betroffenen vorbei gemacht. In der Opposition nannten die GRÜNEN das damals noch Als LINKE haben wir deshalb einen Gesetzentwurf dazu „die Arroganz der Macht“. Es ist schon bemerkenswert, eingebracht. Er hat drei große Vorteile. wie schnell Sie sich selbst diese Arroganz der Macht ange- eignet haben. Erstens sollte der Gesetzentwurf eigentlich Konsens sein. Denn er basiert auf einer Initiative der CDU-Fraktion in (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Nancy Fae- ser (SPD)) 1034 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Meine Damen und Herren, das ist der springende Punkt. eingereicht. Dazu wurde eine Anhörung durchgeführt. Die Vor allem CDU- und im Übrigen auch FDP-Abgeordnete Unterlagen liegen vor. Dort haben sich bei Weitem nicht wollen sich offensichtlich mit den Betroffenen gar nicht an alle so positiv geäußert und gesagt, das ist das Geschenk einen Tisch setzen. Offenbar wollen Sie nicht öffentlich er- des Himmels. Haben Sie einmal die Stellungnahme der Po- klären, warum Sie Ihre Meinung nun geändert haben. Das lizeigewerkschaften gelesen? ist den Betroffenen gegenüber eigentlich sehr feige. (Hermann Schaus (DIE LINKE): Ja!) Meine Damen und Herren, ich habe lange überlegt, wie wir Keine Einzige sagt: Das muss kommen, das muss schnell mit diesem Affront gegenüber den betroffenen Polizeibe- kommen, das ist das Nonplusultra. Keine Einzige. amtinnen und -beamten umgehen sollen. Ich bin zu dem Entschluss gekommen, Ihnen nochmals eine Möglichkeit (Hermann Schaus (DIE LINKE): Das würde ich ger- einzuräumen, Ihre starre Haltung zu überdenken. In einer ne mit denen öffentlich diskutieren!) solch wichtigen Angelegenheit sollten die Betroffenen, ih- re Gewerkschaft und die Verbände unbedingt im Landtag Deshalb ist es wichtig, die Betroffenen mitzunehmen. Ich öffentlich angehört werden. frage mich ernsthaft: Wir wollen zwar in der Sache das Gleiche, wir wollen eine Identifizierung der Polizeibeam- Deshalb beantrage ich für unsere Fraktion hiermit, eine ten ermöglichen. Dafür wollen wir eine sinnvolle Variante dritte Lesung durchzuführen und unseren Gesetzentwurf finden. Dabei geht Genauigkeit vor Schnelligkeit. dem Innenausschuss zurückzuüberweisen. Dies halte ich für den einzig angemessenen Umgang mit den Sorgen und Interessant ist aber, und das habe ich Sie auch schon beim Befürchtungen hessischer Polizeibeamtinnen und -beam- letzten Mal gefragt, und auch bei der dritten Lesung werde ten. ich Sie danach fragen: Sie haben den Gesetzentwurf der GRÜNEN 1 : 1 abgeschrieben. Im Textentwurf des Ge- (Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Jürgen setzes haben Sie alles, paste and copy, übernommen. Dabei Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) haben Sie darauf hingewiesen, dass das von den GRÜNEN ist. Dort sagen Sie, was Sie wollen. Das ist in Ordnung. Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: Zu einem Gesetzentwurf gibt man aber immer auch eine Begründung und schreibt, warum man etwas will. Da ist es Danke, Herr Schaus. – Für die CDU-Fraktion hat Herr schon spannend – ich habe das einmal farblich markiert –, Bauer das Wort. (Der Redner hält ein Blatt Papier hoch.) (Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er und in Sorge für die hessischen Polizeibeamten – dass Sie alles Orangene übernommen haben, einen ent- das ist schon absurd! – Gegenruf des Abg. Willi van scheidenden Passus aber nicht. Ich will Ihnen einmal sa- Ooyen (DIE LINKE): Herr Frömmrich, Sie haben es gen, was Sie nicht übernommen haben. Dazu müssten Sie auch schwer! – Heiterkeit bei der SPD) sich einmal äußern. Gerne schenke ich Ihnen dafür etwas Redezeit von mir. Denn damals schrieb unserer Koalitions- partner von heute: Alexander Bauer (CDU): Die Ausübung des staatlichen Gewaltmonopols Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! durch die Polizei ist ein zwingender und zentraler Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Wirklichkeit. Aspekt des demokratischen Rechtsstaats. Er muss Herr Kollege Schaus, die Wirklichkeit ist: Niemand will geschützt und gestärkt werden … Ihren Gesetzentwurf. Sie haben doch gehört – ich war Be- Und das Zitat geht weiter: richterstatter –: Er wurde von allen anderen Fraktionen im Ausschuss abgelehnt, und das mit gutem Grund. Die Anerkennung des staatlichen Gewaltmonopols durch die Bürger ist von erheblicher Bedeutung. Wir sind zwar der Überzeugung, dass wir eine Kennzeich- nung wollen, das stimmt. Dazu aber brauchen wir nicht Ih- Ich frage Sie noch einmal: Erkennen Sie das staatliche Ge- ren Gesetzentwurf. Darin sind sich zumindest die anderen waltmonopol an, oder erkennen Sie es nicht an? Denn das Fraktionen einig. ist die entscheidende Frage. Warum haben Sie das wegge- lassen? Es steht in Ihrer Begründung nicht drin. Ich will Ihnen einmal erklären, was der Grund dafür ist. Schon jetzt sind wir kurz davor, in Abstimmung mit den (Hermann Schaus (DIE LINKE): Lesen Sie jetzt un- Betroffenen – das ist das entscheidende Momentum – eine seren Text auch vor! Warum lesen Sie unseren Text Regelung zu finden, die akzeptiert und toleriert wird und jetzt nicht vor?) die auch die berechtigten Interessen der Polizeibeamtinnen Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind. Das fügt sich näm- berücksichtigt und in Schutz nimmt. Das ist der Weg, den lich organisch in die Debatte von vorhin ein. Denn auch der Innenminister geht. Wir unterstützen ihn bei diesem bei Blockupy lauten die Fragen: Welches Rechtsstaatsver- Vorhaben, ständnis haben Sie? Wie gehen Sie mit den Urteilen unse- (Zuruf der Abg. Nancy Faeser (SPD)) rer Gerichte, unserer unabhängigen Justiz um? Welches Verständnis haben Sie von Polizeibeamten? und alle anderen Fraktionen sehen das im Grunde ähnlich. (Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE)) (Beifall der Abg. Sigrid Erfurth, Jürgen Frömmrich und Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)) Meine Damen und Herren, das zeigt, welche Auffassung Sie von unserer hessischen Polizei haben. Ich will Ihnen noch einen zweiten Grund nennen, weshalb Ihr Gesetzentwurf mehr als fragwürdig ist. Sie sagen zwar, (Beifall der Abg. Astrid Wallmann (CDU) sowie der er sei von den Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN Abg. Sigrid Erfurth und Jürgen Frömmrich (BÜND- übernommen. In der Tat haben die ihn auch schon einmal Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1035

NIS 90/DIE GRÜNEN) – Hermann Schaus (DIE Deshalb sage ich zum Schluss meiner Rede: Wir brauchen LINKE): Das ist absurd!) diesen Gesetzentwurf nicht in der zweiten Lesung. Wir werden ihn ablehnen, und wir werden ihn auch in der drit- Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre ein Leichtes ge- ten Lesung ablehnen. – Besten Dank für die Aufmerksam- wesen, das Bekenntnis zum Gewaltmonopol des Staates keit. mit aufzunehmen. Wenn Sie in Ihrer Begründung sagen, eine Kennzeichnung würde das Vertrauen der Bürgerinnen (Beifall bei der CDU) und Bürger in die Polizei stärken und schützen, dann muss ich Ihnen nochmals sagen: Die Menschen vertrauen der hessischen Polizei wie fast keinem anderen Berufsstand. Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: Es gibt jährlich Untersuchungen, welche Berufe ein beson- Danke, Herr Bauer. – Für die SPD-Fraktion hat sich Frau deres Prestige, ein besonderes Ansehen bei den Menschen Faeser gemeldet. haben. (Zuruf des Abg. Gerhard Merz (SPD)) Nancy Faeser (SPD): In der Regel ist da der Arzt ganz weit vorne, auch die Krankenschwester, und regelmäßig auf Platz 3 sind die Po- Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bauer, ich lizeibeamten und auch die Feuerwehrleute. Das ist einer bin schon ein bisschen überrascht über Ihren Redebeitrag. der am meisten geschätzten und geachteten Berufe in Erstens haben wir ein anderes Abstimmungsverhalten ge- Deutschland – ob mit oder ohne Kennzeichnung, spielt kei- habt, weil wir andere Gründe hatten. Wir haben es in der ne Rolle. Die Menschen vertrauen der Polizei, und das ist Sache abgelehnt. auch gut so. Liebe Kolleginnen und Kollegen, sie haben dafür auch ihre guten Gründe. (Beifall bei der SPD) (Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) und Übrigens waren wir damit die Einzigen. Das finde ich bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- schon interessant, denn auf der anderen Seite reden Sie NEN) hier davon, dass man die Polizei schützen und sich vor sie stellen muss. Eine Begründung aber haben Sie hier nicht Das mag bei Ihnen und bei den Ihnen nahestehenden Grup- vorgetragen: Es gibt Bedenken innerhalb der Polizei hin- pierungen anders sein. Aber das beweist nach unserer Auf- sichtlich der Grundrechte, und zwar begründet mit der fassung nur, wie weit weg Sie von den Menschen sind und Kennzeichnungspflicht. wie weit weg vom gesunden Menschenverstand. Sie stellen sich hierher und sagen gleichzeitig, Sie würden Das vergessen Sie bei Ihrer Argumentation: Auch die Poli- das, was die LINKEN heute beantragen, in einer Rechts- zisten haben ein Recht auf informationelle Selbstbestim- verordnung machen. Herr Bauer, so ganz passt das nicht mung. Das vergessen Sie immer. zusammen. (Beifall des Abg. Michael Boddenberg (CDU) und (Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Nein, nicht bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- ganz!) NEN – Nancy Faeser (SPD): Aha!) Was denn jetzt – aufseiten der Polizei, um deren Grund- Schon jetzt werden sie bei geschlossenen Einsätzen nahezu rechteschutz noch mehr zu gewährleisten und deren Inter- flächendeckend von einer Seite fotografisch und auf Video essen wahrzunehmen, oder wollen Sie das Gleiche wie die festgehalten. Schon jetzt gibt es im normalen Dienst Kenn- Linkspartei? Dann müssen Sie hier auch dazu stehen und zeichnungen und Namensschilder. Schon jetzt gibt es im das anders begründen. Sinne einer transparenten Verwaltung die entsprechenden Auflagen, vom damaligen Innenminister Boris Rhein be- (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Jürgen reits ausgegeben, dass sich Polizisten zu kennzeichnen ha- Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ben. Beides auf einmal geht nicht. Ich will Ihnen sagen, dass ich Es wird sie nicht überraschen, dass wir unsere Vereinba- das Verhalten der Fraktionen von CDU und GRÜNEN – rung laut Koalitionsvertrag – auch wenn wir die Notwen- und leider hat die FDP im letzten Innenausschuss auch mit- digkeit etwas anders gewichten – gewissenhaft umsetzen gemacht – mehr als gewöhnungsbedürftig finde. werden. Wir werden sie bewusst gewissenhaft umsetzen, (Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): Ja!) denn nach unserer Auffassung geht es nur eng mit den Be- troffenen, und das muss mit der Personalvertretung kom- Eigentlich ist es in diesem Haus üblich – ich würde sogar muniziert und abgesprochen werden. sagen, das ist eine Standardsituation –, dass man bei Ge- setzentwürfen auch eine Anhörung durchführt. Nach seiner Auskunft ist der Minister mitten in diesem Prozess. Wir warten das Ende dieses Prozesses ab und sind (Günter Rudolph (SPD): Übliche Praxis!) der festen Überzeugung, dass er zu einem guten Ende Das ist hier die übliche Praxis. So gehört sich das, so finde kommt. ich, in einem demokratischen Haus, wie wir es hier haben. Übrigens haben Sie im letzten Jahr, als wir das debattiert Kollege Schaus war schon bereit, weil die GRÜNEN den haben, noch selbst gesagt: Dazu brauchen wir keinen An- gleichlautenden Gesetzentwurf letztes Jahr, der übrigens trag, wir brauchen dazu kein Gesetz – es reicht eine Ver- aus Brandenburg stammt, schon eingebracht haben und der ordnung. Nichts anderes wollen wir heute tun. Wir wollen schriftlich angehört wurde, darauf zu verzichten und nur abwarten, damit der Minister eine entsprechende Verord- die mündliche Anhörung, die noch nicht stattgefunden hat, nung auf den Weg bringt. zu beantragen. Das ist das ureigenste Recht jeder Fraktion hier im Hessischen Landtag. Zu diesem Verfahren sollten (Zuruf des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE)) 1036 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 wir auch dringend zurückkehren. Es ist nicht in Ordnung, Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): wie Sie sich hierzu im Innenausschuss verhalten haben. Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Die Kollegin Faeser hat hier eine Auffassung vorgetragen, die sie schon seit vielen Jahren vorträgt. Das ist auch eine Ich frage Sie noch einmal: Ist das der neue Stil von CDU Auffassung, die man vertreten kann. und GRÜNEN, das zu ignorieren, was Fraktionen hier nach dem üblichen Verfahren möchten? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (Günter Rudolph (SPD): Ja!) Ich sage: Wir haben eine deutlich andere Auffassung. Wir streiten da in der Sache. Das ist auch gut so. Ich will das Ich will Ihnen noch einmal den Hinweis mitgeben: Die nur einmal kurz erwähnen, damit man das auch weiß. Sie GRÜNEN haben gerade das an der alten Regierung von haben diese Auffassung hier vertreten, dass man eine An- CDU und FDP immer wieder kritisiert. Ich will Ihnen noch hörung und dass man ein Gesetzgebungsverfahren braucht. einmal sagen, dass Mehrheit eben nicht gleich Wahrheit Frau Kollegin Faeser, andere Landesregierungen, an denen ist. Deswegen noch einmal der dringende Appell, wenn das die SPD auch beteiligt ist, sehen das aber auch anders. jetzt zurück an den Innenausschuss geht – und deswegen finde ich es gut, dass die Linksfraktion das beantragt hat –, (Zurufe der Abg. Nancy Faeser und Thorsten Schä- dass wir dann zu einer mündlichen Anhörung kommen, um fer-Gümbel (SPD)) zum eigentlichen Kern zu kommen. Also wird das selbst bei Sozialdemokraten auch anders ge- Worum geht es denn bei der mündlichen Anhörung? – Bei sehen. Wir haben die Kennzeichnungspflicht gerade in der mündlichen Anhörung geht es darum, die Betroffenen Rheinland-Pfalz eingeführt. Das wird derzeit auch in Nord- zu hören, und zwar in einer öffentlichen Sitzung. Bei einer rhein-Westfalen diskutiert. Die Schleswig-Holsteiner ma- Rechtsverordnung haben Sie keine öffentlichen Stellung- chen sich auf den Weg. In Hamburg gibt es Diskussionen nahmen der Polizeigewerkschaften und der Betroffenen. In darüber. Von daher finde ich, dass man unterschiedliche einer Ausschusssitzung mit einer öffentlichen mündlichen Wege wählen kann. Aber behaupten Sie doch nicht, dass Anhörung könnten Sie die Betroffenen zu Wort kommen der eine Weg, den Sie wählen, der verfassungsmäßig rich- lassen, und das fordern wir an dieser Stelle ein. tige ist, während alle anderen alles falsch machen. Von da- her sollten wir da vielleicht auch ein bisschen abrüsten. So (Beifall bei der SPD – Thorsten Schäfer-Gümbel viel zur Frau Kollegin Faeser. (SPD): Ja!) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Ich sage Ihnen auch noch zwei Sätze dazu, warum wir das der CDU) inhaltlich nicht so wollen wie plötzlich auch die CDU hier. Wir haben gesagt, dass es in Hessen bereits eine taktische Ein weiterer Punkt, auf den ich in der Debatte eingehen Kennzeichnung der Polizei in geschlossenen Einsätzen möchte, sind die Ausführungen des Kollegen Schaus. Denn gibt. Ich weiß nicht, warum Sie, während Sie sich sonst ich finde schon, dass man sich damit ein bisschen länger immer so vor die Polizei stellen, diese Tatsache hier nie er- aufhalten muss. Herr Kollege Schaus, ich sage das hier wähnen. Es gibt bereits eine Kennzeichnung. Das Problem noch einmal deutlich: Sie haben Probleme mit der Wahr- liegt woanders. Wenn wir über Transparenz in Großeinsät- heit. Daran sollten Sie arbeiten, Herr Kollege Schaus. zen reden, reden wir vor allen Dingen über Polizei aus an- (Hermann Schaus (DIE LINKE): Was?) deren Bundesländern. Erstens. Keiner hat diesen Themenkomplex auf die lange (Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD): So ist es!) Bank geschoben, wie Sie gerade behauptet haben. Wir ha- Deswegen haben wir auch beantragt, dass, wenn es eine ben das, was wir in der Koalitionsvereinbarung vereinbart Regelung mit den Betroffenen geben sollte, es eine bun- haben, mit dem Innenminister durchgesprochen. Der In- deseinheitliche Regelung geben muss. Wir haben den In- nenminister ist in Abstimmungsgesprächen zum Verord- nenminister auch in der letzten Runde hier im Plenum auf- nungsentwurf und im Gespräch mit den Mitarbeiterinnen gefordert, das bei der Innenministerkonferenz einzubrin- und Mitarbeitern und dem Hauptpersonalrat. Die Gesprä- gen. Herr Innenminister, ich würde dann darum bitten, dass che sind in vollem Gange. Sie stellen sich hierhin und sa- Sie dazu vielleicht noch einmal etwas sagen, wie weit Sie gen, das sei auf die lange Bank geschoben worden, und da mit Ihren Bemühungen gekommen sind. hier würde ohne die Betroffenen gehandelt. Herr Kollege Schaus, Sie haben offensichtlich ein Problem mit der Zum Schluss appelliere ich wirklich noch einmal eindring- Wahrheit. lich an Sie: Es geht hier darum, die betroffenen Polizeibe- amtinnen und Polizeibeamten, die Grundrechtsverletzun- (Hermann Schaus (DIE LINKE): Was ich weiß, ist gen dadurch geltend machen, in einer mündlichen öffentli- noch lange nicht das, was Sie wissen! Sie sind doch chen Anhörung zu hören. Das sind wir ihnen schuldig. in der Regierung!) Deswegen bitten wir darum, das zu tun. Dann erzählen Sie hier, es gäbe unterschiedliche Auffas- (Beifall bei der SPD und der LINKEN) sungen, was die Regelung zwischen GRÜNEN und CDU anginge. Auch das stimmt nicht. Wir haben eine Koaliti- onsvereinbarung, auf die wir uns geeinigt haben. Das ist Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: die Grundlage dessen, wie wir handeln. Es ist eben so, Danke, Frau Faeser. – Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Kollege Schaus, dass Sie hier nicht einfach Dinge in hat sich Herr Frömmrich gemeldet. den Raum stellen können, die so nicht stimmen. Auch die Behauptung, dass das nicht angehört worden ist und dass man sich damit nicht beschäftigt hat, ist so ein Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1037

Fall. Nur für die, die anwesend sind: Das ist es, wovon Dann stellen Sie sich hierhin und erzählen uns allen, dass Herr Schaus meint, man habe sich nicht damit beschäftigt. wir unbedingt ein Gesetz brauchen, damit wir alle Betrof- fenen einbinden. Beim letzten Mal haben Sie genau das (Der Redner hält Unterlagen hoch.) Gegenteil von dem erzählt. Sie müssen doch einmal erklä- Das sind die Anhörungsunterlagen zu dem Gesetzentwurf, ren, warum Sie das gerade hier tun. den Sie 1 : 1 abgeschrieben haben. In der Tat haben Sie (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der aber den Bereich, wo es um Rechtsstaatlichkeit und um die CDU und bei Abgeordneten der FDP) ganzen Rechtsstaatsprinzipien in unserem Gesetzentwurf geht, ausdrücklich weggelassen. Für die, die das vielleicht Es gab eine lange öffentliche Debatte. Ich glaube, seit über noch nicht wissen, will ich es noch einmal zitieren. Da 20 Jahren wird in diesem Land darüber diskutiert, ob man steht nämlich in unserem Gesetzentwurf, und das haben Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte kennzeichnet. Das Sie weggelassen: macht man nicht aus Misstrauen den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten gegenüber, sondern das macht man, Polizeivollzugsbeamte üben im Einsatz vornehmste damit ein Polizeibeamter transparent den Bürgerinnen und rechtsstaatliche Privilegien aus. Insbesondere im Be- Bürgern gegenübersteht. Das ist im Übrigen im Einzelein- reich der Gefahrenabwehr, aber auch bei der Straf- satz für den Polizeibeamten eine ständige Übung. Polizei- verfolgung greifen sie häufig in Rechte Dritter ein beamte tragen im Einzeldienst ein Namensschild. und müssen bisweilen sogar Grundrechte beeinträch- tigen. Die Ausübung des staatlichen Gewaltmono- Die Frage, die wir hier regeln wollen, ist, wie das im ge- pols durch die Polizei ist ein zwingender und zentra- schlossenen Einsatz aussieht. Da haben wir uns darauf ver- ler Aspekt des demokratischen Rechtsstaats. ständigt, dass es eine Kennzeichnung gibt. Da muss man auch einmal sagen, dass Polizeibeamtinnen und Polizeibe- Das sind die Prinzipien, auf denen unser Rechtsstaat fußt, amte in überwiegender Anzahl ihren Job hervorragend, und diese streichen Sie aus der Begründung heraus. Sie sehr engagiert und gut machen. Es gibt aber in solchen müssen einmal begründen, warum Sie das tun, Herr Kolle- großen Systemen immer Einzelne, die sich eben nicht kor- ge Schaus. So viel nur einmal zum Warmwerden. rekt verhalten. Um die herauszufinden, dafür ist die Kenn- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zeichnung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte da. der CDU) Ich glaube, dass wir diesen Diskussionsprozess mit den Zweiter Punkt. Ich finde, wir haben diesen Komplex aus- Beamten jetzt führen müssen. Es gibt berechtigte Interes- giebig diskutiert. Wir haben das Für und Wider für Verord- sen, die z. B. sagen: Wir möchten, dass das so geregelt ist, nung und Gesetzentwurf diskutiert. Wir sind nicht der Auf- dass keine Rückschlüsse auf uns als Person gezogen wer- fassung, dass wir das über einen Gesetzentwurf machen den können, damit man sich an uns nicht rächen kann. – müssen. Ich verstehe, dass Sie diese politischen Spielchen Das nehmen wir sehr ernst. Das sind Einwände, die kann gerne spielen möchten, weil wir jetzt etwas machen, bei man nicht vom Tisch wischen. Der Innenminister ist gera- dem Sie gern dabei wären. Aber wir machen das eben ohne de dabei, diese Einwände mit den Beamtinnen und Beam- Sie, weil wir Sie dafür nicht brauchen, Herr Kollege ten zu diskutieren. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Schaus. Das ist einfach so. Weg. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Meine Damen und Herren, uns geht es darum, dass wir das bei Abgeordneten der CDU) möglichst gründlich regeln, dass wir das möglichst einver- nehmlich regeln und dass wir es in Abstimmung auch mit Wir haben das in der Koalitionsvereinbarung vereinbart, den Beamtinnen und Beamten regeln. Das ist der Weg, auf und wir setzen das jetzt um. Das ärgert Sie, Herr Kollege dem wir uns bewegen. Schaus. Aber damit muss ich Sie eben auch alleinlassen. Herr Kollege Schaus, ich habe überhaupt keine Angst da- Deswegen, Herr Kollege Schaus, brauchen wir auch keinen vor, dass wir mit Ihnen in eine dritte Lesung gehen müs- Gesetzentwurf, weil wir es eben über eine Verordnung ma- sen. chen. Ich habe das schon gesagt. Der Innenminister ist da auf dem besten Weg. Im Übrigen müssen Sie doch einmal (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Folgendes erklären. Der Kollege Bauer hat das gerade hier bei Abgeordneten der CDU) auch schon getan. Jetzt erzählen Sie uns allen, wie wichtig dieses Anhörungsverfahren ist. Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: (Hermann Schaus (DIE LINKE): In der Tat!) Danke schön, Herr Frömmrich. – Mir liegen jetzt zwei Sie erzählen, wie wichtig das Gesetzgebungsverfahren und Meldungen für Kurzinterventionen vor. Als Erste spricht wie wichtig die Beteiligung der Verbände und aller ande- Frau Faeser für die SPD-Fraktion. ren ist. Und jetzt lese ich Ihnen einmal vor, was Sie in der 18. Wahlperiode zu dem gleichen Gesetzentwurf, den Sie abgeschrieben haben, gesagt haben. Zitat vom Kollegen Nancy Faeser (SPD): Schaus: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Frömm- Aufgrund der gemachten Erfahrungen halten wir ei- rich, ich finde es interessant, dass Sie einer Fraktion vor- ne unverzügliche Verordnung zur Kennzeichnungs- werfen, Spielchen zu treiben, wenn Sie selber Spielchen pflicht durch den Innenminister für unabdingbar und treiben. auf Grundlage der Berliner Erfahrung für die derzeit bessere Lösung. (Beifall des Abg. Hermann Schaus (DIE LINKE)) (Lachen bei der CDU) Davon sollten Sie ein Stück Abstand nehmen, weil das der Debatte nicht gerecht wird. 1038 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil Sie auf so- sozusagen Ihr Gesetzentwurf ist –, zügig damit umgehen zialdemokratisch regierte Bundesländer hingewiesen ha- können, damit wir etwas Handfestes haben. ben. Eines davon will ich erwähnen. Herr Frömmrich, ich Ich sage es an dieser Stelle noch einmal: Uns geht es dar- bin froh darüber, dass sich Innenminister Jäger, SPD, bis- um, das in einer öffentlichen Sitzung zu behandeln, damit lang dem Druck der GRÜNEN nicht gebeugt und noch kei- bei der Beratung auch Parlamentarier anwesend sind und ne Kennzeichnungspflicht eingeführt hat. Das sage ich Ih- nicht nur der Hauptpersonalrat. Ich schätze zwar den nen ganz offen. Es gehört zu den Debatten, dass man das Hauptpersonalrat der Polizei und die Kolleginnen und Kol- anerkennen muss. legen sehr, die dort Mitglied sind, aber es gibt insgesamt Ich will Ihnen noch einmal sagen: In die Debatte hineinzu- elf Gruppierungen, die schriftlich Stellung genommen ha- gehen und mir zu sagen, ich hätte Ihnen vorgeworfen, dass ben. unsere Position rechtmäßig sei, Ihre damit quasi nicht, Unser Vorschlag im Ausschuss war, das wird er auch wie- stimmt nicht. Ich habe hier lediglich die Bedenken der Po- der sein, diese elf zu einer mündlichen Anhörung einzula- lizeigewerkschaften vorgetragen, die sich auf Grundrechts- den, um mit ihnen über ihre Sorgen zu diskutieren. Ich verletzungen berufen. Die muss man nicht teilen. Ich habe möchte auch mit diesen Gruppen über ihre Sorgen und nur gesagt, dass die Polizei, die wir sonst hier so loben, be- Ängste diskutieren. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis. rechtigte Interessen hat. (Beifall bei der LINKEN) Da appelliere ich insbesondere an die GRÜNEN: Es war doch sonst immer ihr Vorschlag, in allen Themenbereichen Transparenz und Beteiligung herbeizuführen. Deshalb sage Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: ich Ihnen noch einmal: Überdenken Sie Ihre Meinung da- zu, lassen Sie die Betroffenen in einem transparenten öf- Danke, Herr Schaus. – Herr Frömmrich, Sie haben die fentlichen Verfahren in einem Ausschuss des Hessischen Möglichkeit zur Erwiderung. Landtags zu Wort kommen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN) Jürgen Frömmrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident, ich hoffe, dass wir uns das Fußballspiel Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: noch anschauen können, aber ich glaube, dass man hier trotzdem auf einiges eingehen muss. Danke, Frau Faeser. – Eine weitere Kurzintervention, Herr Schaus, Fraktion DIE LINKE. Herr Kollege Schaus, Sie haben schon wieder ein Problem mit der Wahrheit. Sowohl hier, im Plenum des Hessischen Landtags, im Protokoll nachzulesen, als auch im Innenaus- Hermann Schaus (DIE LINKE): schuss des Hessischen Landtags, ebenfalls im Protokoll nachzulesen, hat der Innenminister erklärt, dass er in Ge- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! sprächen mit dem Hauptpersonalrat ist. Herr Frömmrich, mein Problem ist – das tritt auch im In- nenausschuss immer wieder zutage –, dass Sie offensicht- (Zurufe von der LINKEN) lich nicht mehr auseinanderhalten können, welche Infor- mationen Sie von wem auf welcher Basis bekommen. Sie Sie aber stellen sich hierhin und sagen, das hätten Sie nicht haben Informationen, dass Gespräche mit dem Hauptperso- gewusst. Sie haben ein Problem mit der Wahrheit, Herr nalrat in dieser Frage geführt werden, aber wir als Parla- Kollege Schaus. Das ist Ihr eigentliches Problem. mentarier haben sie nicht. (Zurufe von der LINKEN) (Zuruf des Abg. Alexander Bauer (CDU)) Der zweite Punkt, den ich noch einmal erwähnen möchte. – Da haben Sie als Regierungsfraktion einen Informations- Herr Kollege Schaus, sinnerfassendes Lesen der Anhö- vorsprung. Das ist ja legitim. Das ist nicht der Punkt. Der rungsunterlagen hilft. Dann hat man alle Informationen zu- Punkt ist aber, dass Sie dann natürlich nicht hergehen kön- sammen. nen und uns unterstellen dürfen, wir wüssten all das, was Herr Kollege Schaus, ich will mich gar nicht länger damit Sie als Regierungsfraktion wissen. Das wissen wir in die- aufhalten, denn wir werden darüber in der dritten Lesung sem Fall eben nicht, Herr Bauer. noch einmal ausgiebig diskutieren. Ich glaube aber, dass (Alexander Bauer (CDU): Der Minister hat es per- Sie mit der Auffassung, die Sie hier vertreten, nicht weiter- sönlich gesagt!) kommen werden. Noch vor ein paar Monaten haben Sie uns erklärt, dass eine Verordnung das Allheilmittel sei und – Herr Bauer, wir wissen nicht, welche Gespräche da ge- dass man es mit einer Verordnung und schnellstmöglich führt werden. – Wir nehmen zur Kenntnis, was hier öffent- regeln müsse. lich geäußert wird. Das, was öffentlich geäußert wurde, war, dass die GRÜNEN gesagt haben: „Wir wollen das so Jetzt machen wir eine Verordnung, und jetzt erzählen Sie schnell wie möglich in einer Verordnung regeln“, und dass uns, dass man unbedingt einen Gesetzentwurf braucht, da- aufseiten des Ministers – er hat ja nachher Gelegenheit, da- mit man möglichst alle Leute einbindet. Herr Kollege zu zu reden –, zumindest von uns, hier Zögerlichkeiten Schaus, Sie müssen sich einmal mit Ihrer eigenen Zick- festgestellt werden mussten, was den Zeitpunkt angeht. zacktour auseinandersetzen. Dann bekommen Sie viel- leicht ein bisschen Klarheit in die Argumentation. Deshalb haben wir gesagt: Lasst uns doch das alte Gesetz nehmen, lasst uns doch schauen, ob wir auf dieser Grund- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und lage, die von den GRÜNEN stammt – mir ist klar, dass Sie bei Abgeordneten der CDU – Zurufe von der LIN- jetzt Schwierigkeiten haben, da zu argumentieren, weil das KEN) Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1039

Jetzt zu den durchaus wichtigen Einwendungen der Kolle- setzen herangezogen werden und somit durchaus eine Rol- gin Faeser. Frau Kollegin Faeser, ich bestreite überhaupt le spielen. nicht, dass man aus unterschiedlichen Blickwinkeln unter- Politisch spielt es allemal eine Rolle. Ich will jetzt nicht al- schiedliche Auffassungen vertreten kann. Dass Sie, ausge- les wiederholen. Im Gegenteil, ich will einmal versuchen, hend von Ihrer Argumentation, die Sie im Übrigen hier re- ein bisschen Zeit aufzuholen, lativ konsistent und konsequent vertreten haben, gesagt ha- ben, Sie wollen diese Form der Kennzeichnungspflicht (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der nicht, kann ich nachvollziehen. Ich habe nur darauf hinge- CDU) wiesen, dass es auch innerhalb der Sozialdemokratie Ver- antwortliche gibt – Ministerpräsidenten, Innenminister und weil wir über Dinge diskutieren, die wir in diesem Parla- Koalitionäre –, die das anders regeln. ment schon mehrfach hin und her gewendet haben und weil wir überflüssigerweise auch noch eine dritte Lesung Frau Kollegin Faeser, ich will in Ihre Richtung einen wei- bekommen. Okay, dann machen wir es eben noch einmal. teren Punkt ansprechen, zu dem ich vorhin nicht gekom- men bin, nämlich dass Sie sagen, Sie wollen eine bundes- Deswegen in aller Kürze: Ich habe in der ersten Lesung einheitliche Regelung haben. Ich glaube, daran hakt es. schon gesagt, aus unserer Sicht brauchen wir kein Gesetz. Wir brauchen eine bundeseinheitliche Regelung, denn ge- Wir haben die Situation, in der Polizeibeamte bei Einsät- rade bei den Großlagen macht es keinen Sinn, wenn die zen in Hessen schon so gekennzeichnet sind, dass es kei- hessischen Beamten gekennzeichnet sind und die bayeri- nen Fall gab, in dem eine Identifikation – wenn sie denn schen Polizeibeamten und andere aber nicht. Das ist ein notwendig war – nicht möglich war. Ich verstehe, dass der Problem. Das kann man angehen. Innenminister sich ein wenig Zeit für die Gespräche mit den zuständigen Personalräten und mit den Gewerkschaf- Frau Kollegin Faeser, ich sage aber auch: Polizei ist Län- ten lässt. dersache. Am Ende entscheiden das die Bundesländer. Auch der Bundesinnenminister hat erklärt, dass er es für Das Wichtige für uns ist – das steht im Vordergrund –: Wir die Bundespolizei keine Kennzeichnungspflicht will. Des- brauchen eine Regelung, die zwar sicherstellt, dass Beam- halb glaube ich, wir sollten als Hessen diesen Schritt ge- te, die im Einzelfall gegen ihre Pflichten verstoßen, identi- hen. Es ist ja auch nicht allen in den Koalitionsfraktionen fiziert werden können – wenn man gegenüber dem jetzigen leichtgefallen, eine solche Entscheidung zu treffen. Ich er- Stand noch einige Verbesserungen machen kann, sind wir innere daran, dass es für die CDU durchaus ein Weg war, gerne dabei –, aber es muss gewährleistet sein, und das ist diese Entscheidung mitzutragen. Das haben Sie im Wege das Entscheidende, dass es keine Identifikationsmöglich- des Kompromisses gemacht. Das ist bei Koalitionsverein- keit für unbefugte Dritte gibt. barungen eben so. Wir sind froh, dass wir es jetzt gemein- Deswegen erwarten wir, dass eine sehr sorgfältig überlegte sam so entschieden haben und so machen. Kodierung erfolgt und insbesondere, dass man diese Ko- Ich glaube, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, der dierung auch ändern kann. Darüber können wir uns unter- Innenminister in den Gesprächen mit dem Hauptpersonal- halten; sobald das Ergebnis aus dem Innenministerium vor- rat das ordentlich hinbekommt, wir dann eine dritte Lesung liegt, können wir uns das anschauen. von Herr Schaus machen und wir dann eine entsprechende (Beifall bei der FDP) Verordnung bekommen. Diesen Gesetzentwurf brauchte in der letzten Wahlperiode (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – keiner, es braucht ihn heute keiner. – Ich danke für den to- Hermann Schaus (DIE LINKE): Die dritte Lesung senden Applaus und wünsche ein schönes Fußballspiel. des Gesetzentwurfs, nicht von mir!) (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei Abge- ordneten der CDU) Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: Danke, Herr Frömmrich. – Die nächste Wortmeldung Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: kommt von Herrn Greilich für die FDP-Fraktion. Danke schön, Herr Greilich. – Der Herr Innenminister Beuth hat für die Landesregierung das Wort. Wolfgang Greilich (FDP): Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Peter Beuth, Minister des Innern und für Sport: Der vorliegende Gesetzentwurf ist schlecht. Er war schon in der letzten Wahlperiode schlecht, als noch die Quelle Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! „GRÜNE“ draufstand. Er ist jetzt sogar noch ein bisschen Ich schließe mich den guten Argumenten für eine Kenn- schlechter geworden. Insofern kann ich das bestätigen, was zeichnungspflicht noch einmal ausdrücklich an. Wir haben Herr Frömmrich schon gesagt hat. Der Entwurf ist noch über den Gesetzentwurf hier bereits beim letzten Mal de- schlechter geworden, weil jetzt auch noch die Begründung battiert, und wir werden in der dritten Lesung noch einmal schlechter geworden ist. Da kann ich Herrn Frömmrich debattieren können. ausnahmsweise einmal zustimmen. Ich will dem Landtag noch einmal mitteilen, dass ich auf (Hermann Schaus (DIE LINKE): Die Begründung der Grundlage des § 98 HSOG, der den Erlass von Verwal- ist nicht Bestandteil eines Gesetzes!) tungsvorschriften erlaubt, im Rahmen der Verwaltungsvor- schrift für die Dienstbekleidung eine entsprechende Kenn- – Herr Schaus, ich weiß das, aber wenn Sie sich einmal mit zeichnungspflicht einzuführen. Für die Einführung einer Juristerei beschäftigen würden, dann wüssten Sie, dass Be- solchen Verwaltungsvorschrift gibt es Regeln. Wir arbeiten gründungen immer wieder einmal zur Auslegung von Ge- im Moment nach diesen Regeln mit den Personalräten zu- sammen. Das will ich dem Landtag zur Kenntnis geben. 1040 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Ansonsten ist die Frage, welche Gesetzgebungsaspekte Sie Dr. Thomas Spies (SPD): hier miteinander besprechen wollen, meiner Kommentie- Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! rung nicht zugänglich. Als Letztes weise ich darauf hin, Aktueller könnten wir kaum sein: Am Montag wurden die dass ich als Sportminister eine Fürsorgepflicht für die Zahlen zu erfolgreichen Prozessen nach Kunstfehlern in Sportbegeisterten habe, und deswegen schließe ich meinen Krankenhäusern veröffentlicht. Was ist das zentrale Argu- Beitrag. – Vielen Dank. ment? – Überlastung, unzureichende Zeit, ständiger Leis- (Heiterkeit – Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. tungsdruck, Mangel an Personal. Hermann Schaus (DIE LINKE)) Heute fordert ver.di die Landesgesundheitsminister bun- desweit auf – völlig zu Recht –, durch gesetzliche Perso- Vizepräsident Dr. Ulrich Wilken: nalstandards endlich etwas gegen den ständigen Personal- abbau im Pflegebereich zu tun. Recht hat ver.di. Heute, am Danke, Herr Minister Beuth. gleichen Tage, können wir dieser Forderung folgen. Für den Gesetzentwurf ist eine dritte Lesung beantragt. (Beifall bei der SPD und des Abg. Hermann Schaus Das heißt, wir überweisen den Gesetzentwurf der Fraktion (DIE LINKE)) DIE LINKE für ein Zehntes Gesetz zur Änderung des Hes- sischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ord- Die Anhörung hat nämlich ergeben: Alle unabhängigen nung (HSOG), Drucks. 19/477, zur Vorbereitung der drit- Experten – jedenfalls alle, die kein eigenes Interesse ver- ten Lesung an den Innenausschuss. – Das machen wir so. folgen, die dadurch nicht selbst reguliert würden, sondern das gemeine Wohl im Blick haben – haben genau diese Ich rufe Tagesordnungspunkt 9: Forderung nach Personalstandards unterstützt. Es war die Wissenschaft in ihrer ganzen Breite, und es waren die Gut- Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktion der achter der Landesregierung – die speziell zu dieser Frage SPD für ein Gesetz zur Verbesserung der Kranken- Untersuchungen durchgeführt haben –, die das unterstützt hausversorgung und zur Anerkennung von Leistungen haben. Es waren aber auch die Pflegeverbände, der Lan- in der Pflege – Drucks. 19/486 zu Drucks. 19/214 – despflegerat, die Ärzteverbände, und viele mehr. zusammen mit Tagesordnungspunkt 10 auf: Bedenken gab es allenfalls vonseiten der Krankenhäuser. Ich kann verstehen, dass die keine Regeln haben möchten, Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der die ihren Spielraum eingrenzen. Aber an erster Stelle steht CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz nicht das Interesse der Krankenhausgeschäftsleitungen, zur Änderung des Hessischen Krankenhausgesetzes sondern das Wohl der Patienten. Dafür sind Pflegestan- 2011 – Drucks. 19/487 zu Drucks. 19/140 – dards unverzichtbar. Für beide Gesetzentwürfe ist Abg. Bettina Wiesmann Be- (Beifall bei der SPD) richterstatterin. Ich bitte um die Berichterstattung. Darüber hinaus brauchen wir angesichts des drohenden Pflegekräftemangels eine andere Wertschätzung der Pfle- Bettina Wiesmann, Berichterstatterin: ge. Dazu gehört natürlich neben guten Arbeitsbedingungen und der Förderung der Qualität auch die gleichberechtigte Die Beschlussempfehlung zu Drucks. 19/214 lautet wie Teilhabe von Vertretern der Pflege in der Krankenhauslei- folgt: Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss tung. empfiehlt dem Plenum mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP gegen die Ich habe kein Verständnis dafür, dass gerade die GRÜNEN Stimmen von SPD und DIE LINKE, den Gesetzentwurf in im Hessischen Landtag diese – von ihnen jahrelang vorge- zweiter Lesung abzulehnen. tragene – Forderung an dieser Stelle nicht unterstützen, sondern einen Gesetzentwurf ablehnen, der genau das tut, (Präsident Norbert Kartmann übernimmt den Vor- nämlich die Pflege adäquat anzuerkennen. sitz.) Wenn die Kommunalen Spitzenverbände am Ende das Ar- Beschlussempfehlung zu Drucks. 19/140: Der Sozial- und gument der Konnexität bringen, dann muss ich sagen: Sie Integrationspolitische Ausschuss empfiehlt dem Plenum und wir sitzen in Berlin in meiner Koalition und haben ver- mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einbart, mehr Mittel für die Krankenhäuser zur Verfügung und der FDP gegen die Stimmen von SPD und DIE LIN- zu stellen. Genau damit ist auch die Frage der Finanzie- KE, den Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des Ände- rung von Personalstandards gelöst, denn natürlich ist das rungsantrags Drucks. 19/458 und damit in der Ihnen allen eine Aufgabe der Krankenkassen – und keines anderen. An vorliegenden Fassung in zweiter Lesung anzunehmen. der Stelle muss das im SGB V geregelt werden. (Beifall bei der CDU) (Beifall bei der SPD) Lassen Sie mich an der Stelle noch einen Punkt anbringen. Präsident Norbert Kartmann: Neben der Verbesserung der Qualität, neben der Stärkung Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. – Zur Aussprache hat der Attraktivität der Tätigkeit im Krankenhaus sowie der Herr Kollege Dr. Spies das Wort. Die Redezeit beträgt Sicherheit und Qualität für die Patienten durch ausreichen- zehn Minuten pro Fraktion. des Personal kommt meines Erachtens eine weitere zentra- le Frage in den Blick: Wer trägt die Verantwortung für ei- (Zurufe von der CDU und der FDP: Siebeneinhalb! ne gute Versorgung? – Norbert Schmitt (SPD): Siebeneinhalb Minuten müssen es jetzt auch nicht sein!) Die damalige Landesregierung von CDU und FDP hat sich bereits vor drei Jahren aus der Verantwortung gestohlen, Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1041 als sie die Planung abgeschafft hat. Die jetzige Landesre- (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ gierung will jetzt – das ist durchaus folgerichtig – das Geld DIE GRÜNEN und der CDU) nicht mehr geplant verteilen, sondern die Investitionsmittel pauschalisieren. Ich sage Ihnen, das ist der falsche Weg. Präsident Norbert Kartmann: (Beifall bei der SPD) Vielen Dank. – Für die Fraktion der CDU hat Herr Kollege Wer sagt, Krankenhausinvestitionsmittel wären nach Will- Dr. Bartelt das Wort. kür verteilt worden, (Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD)) Dr. Ralf-Norbert Bartelt (CDU): den frage ich: Wer saß denn in der Regierung und hat es entschieden? Wir brauchen eine ordentliche Krankenhaus- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! planung, und dieser Planung müssen die Mittel folgen. Das Hessische Krankenhausgesetz stärkt die Kliniken in Dann tun wir den hessischen Krankenhäusern etwas Gutes. Hessen nachhaltig. Die Krankenhäuser entscheiden selbst – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. über ihre Investitionen. Die Investitionen werden sofort ge- tätigt. Es gibt mehr Geld zur Förderung der Krankenhäuser (Anhaltender Beifall bei der SPD) durch das Sonderinvestitionsprogramm und die alljährliche Dynamisierung der Förderhöhe. Die Fördermittel können innerhalb von Verbundstrukturen eingesetzt werden, so- Präsident Norbert Kartmann: dass damit Krankenhausverbünde gefördert werden. Es Es gibt auch noch Kollegen, die daran denken, dass wir um gibt hierzu einen Anreiz. 18 Uhr fertig sein wollen. – Ich rufe Herrn Kollegen Bock- Die insgesamt 250 Millionen €, die das Land den Kliniken let für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf. zur Verfügung stellt, werden einen Investitionsschub aus- (Günter Schork (CDU): Marcus, gib die Rede zu lösen, und das dient den Patienten sowie den Mitarbeiterin- Protokoll!) nen und Mitarbeitern in den hessischen Krankenhäusern. In der Anhörung im Juli 2013 haben alle Beteiligten diese Umstellung der Fördersystematik befürwortet: die Kran- Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): kenhausgesellschaften, die Krankenkassen und die Kom- Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat haben wir die- munalen Spitzenverbände. sen Gesetzentwurf in der ersten Lesung schon sehr aus- Meine Damen und Herren, die Sicherung und Weiterent- führlich besprochen. Lassen Sie mich angesichts der über- wicklung der Krankenhäuser in Hessen ist der Schwer- bordenden Tagesordnung nur ganz kurz Stellung nehmen. punkt der Gesundheitspolitik unserer Landesregierung. Wir waren und sind nach wie vor der Ansicht, dass dieses (Beifall bei der CDU) Land eine flächendeckende hochwertige Gesundheitsver- sorgung benötigt. Wir sind der Meinung, dass wir in dem Wir sichern nicht nur die Investitionen, sondern unsere Koalitionsvertrag ein Bündel guter und kluger Maßnahmen Landesregierung und ganz besonders unser Gesundheits- für die Gesundheitspolitik vereinbart haben und dass zu minister Stefan Grüttner setzen sich in der Bund-Länder- diesem Bündel gehört, dass wir jetzt einen klugen Entwurf Kommission dafür ein, dass die Unterfinanzierung der hes- für ein Krankenhausgesetz vorgelegt haben. sischen Krankenhäuser und der Krankenhäuser in Deutsch- land insgesamt beseitigt wird und dass die immer weiter Ich bin froh, dass dieses Krankenhausgesetz die Pauscha- auseinandergehende Schere zwischen der Steigerung des lierung neu regelt und wir damit Planungssicherheit für die Landesbasisfallwertes und der Steigerung bei den Perso- Krankenhäuser haben. nalkosten geschlossen wird. Wir danken dem Minister ins- Mit unserem Änderungsantrag kommt hinzu, dass wir in besondere für seine Mahnung, dass auch im ländlichen einem Satz eine Regelung aufnehmen, wonach auch ein Raum weiterhin Kliniken zur Notfallversorgung und zur Versorgungsatlas die Grundlage der zukünftigen Kranken- Basisversorgung benötigt werden. hausplanung sein wird. Auch das ist zukunftsweisend. Das Zum Abschluss eine kurze Anmerkung zu dem Gesetzent- ist ein Element, das wir GRÜNE uns noch gewünscht ha- wurf der Sozialdemokraten, in dem sie erneut Personal- ben. Das ist mit aufgenommen worden. Genauso klug fin- mindeststandards fordern. Ich möchte an Sie appellieren, den wir es, dass in der Krankenhauskommission zukünftig diesen Gedankengang nicht weiterzuverfolgen; denn Sie auch der Landespflegebeirat einen Sitz bekommen wird. gefährden damit insbesondere die Existenz von kleinen Das ist eine zweite Verbesserung. Krankenhäusern und von Krankenhäusern im ländlichen Mit diesen beiden Verbesserungen zu dem vorgelegten Raum. Entwurf sehen wir in der Verabschiedung dieses Gesetzes Es sind nämlich nicht die Unkenntnis oder die wirtschaftli- eine kluge und richtungsweisende Entscheidung für eine che Orientierung von Klinikleitungen, die dazu führen, auskömmliche, gute Infrastruktur für die medizinische dass in manchen Kliniken zu wenig Personal vorhanden Versorgung in Hessen. Sie ist richtig und wichtig. Der Ge- ist. Vielmehr sind es schlicht und einfach die Daten des setzentwurf ist gut. Arbeitsmarktes. Nur ein Zitat aus dem „Krankenhaus-Ba- Wir werden diesem Gesetzentwurf selbstverständlich zu- rometer 2013“: Insgesamt 34 % der Kliniken haben erklärt, stimmen und freuen uns über eine möglichst breite Zustim- dass sie Probleme haben, offene Stellen zu besetzen. Das mung in diesem Hause. Dieses Krankenhausgesetz ist ein ist der Grund, warum wir hier Probleme haben. weiterer Schritt in die richtige Richtung, in Richtung einer Meine Damen und Herren, wir unterstützen die Landesre- zukunftsweisenden Gesundheitsversorgung in Hessen. – gierung dabei, dieses Gesetz mit Leben zu erfüllen, also In- Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. vestitionen auszulösen, und wir danken der Landesregie- 1042 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 rung für ihr Engagement auf der Bundesebene, die Klini- zur Anwendung sachkostenintensiver technischer Leistun- ken finanziell bedarfsgerecht auszustatten. gen gezwungen. Die Kliniken verhalten sich marktgerecht, wenn sie diesen ökonomischen Fehlanreizen statt medizi- Letzter Satz: Der Dank gilt auch allen 72.000 Mitarbeite- nischen Indikationen folgen. rinnen und Mitarbeitern in den Krankenhäusern, die Dienst an kranken Menschen leisten. – Vielen Dank. Die Kritik der LINKEN – und mit uns inzwischen vieler Institutionen und Verbände aus dem Gesundheitswesen so- (Beifall bei der CDU) wie vieler Patientenorganisationen – ist der erschreckenden Tatsache geschuldet, dass durch diese Form der Kranken- Präsident Norbert Kartmann: hausfinanzierung Gesundheit zur Ware wird. Die Kranken- häuser überbieten sich gegenseitig in der Menge der Hüft-, Nächste Wortmeldung, Frau Kollegin Schott für die Frakti- Knie- und Herzoperationen, damit sie ihre Infrastruktur fi- on DIE LINKE. nanzieren und ihr Angebot vorhalten können. Unnötige Eingriffe belasten die betroffenen Menschen, oh- Marjana Schott (DIE LINKE): ne die sie vielleicht später oder gar nicht operiert werden müssten. Und: Das Ganze geschieht auf Kosten der Versi- Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Bar- cherten. Diese Perversion eines Gesundheitssystems geht telt, dieser Dank muss den in den Krankenhäusern Arbei- zulasten der Beschäftigten und zulasten der Kommunen, tenden wie Hohn in den Ohren klingen. Angesichts deren die oft genug den kommunalen Krankenhäusern unter die ständiger Be- und Überlastung und bei dem, was Sie hier Arme greifen müssen, obwohl sie selbst finanziell schon politisch machen, kann das nicht ernst gemeint sein. ausgeblutet sind. Die Krankenhäuser sind täglich in den Schlagzeilen. Das In Hessen sind die Fallzahlen gestiegen, sicher nicht nur Aktionsbündnis Patientensicherheit geht von 17.000 To- aufgrund der zunehmenden Machbarkeit, sondern auch desfällen durch vermeidbare Fehlleistungen von Ärzten aufgrund der demografischen Entwicklung: in den Jahren und Pflegekräften an den Krankenhäusern für das Jahr von 1990 bis 2012 um fast 28 %. Die Liegezeiten haben 2011 aus. Die Gründe dafür werden in dem hohen Leis- sich im selben Zeitraum um nahezu 25 % verringert – bei tungsdruck gesehen: übermüdete Ärztinnen und Ärzte, einer um 17 % sinkenden Bettenzahl. Für die Pflegekräfte gestresstes Krankenpflegepersonal und mangelnde Hygie- bedeutet das, ständig neue Patientinnen und Patienten auf- ne. zunehmen, alle erforderlichen Untersuchungen abzuprüfen 18 Krankenhäuser in Hessen mussten ihre Geburtshilfeab- und zu veranlassen, die OP-Vorbereitung und danach teilungen schließen, z. B. das Krankenhaus in Wolfhagen, schnell die Entlassung zu organisieren. Das ist eine ständi- da es nur 200 statt 500 Geburten im Jahr gibt und sich eine ge Überlastung, die ein Ende finden muss. solche Station nicht rentiert. Die Frühgeborenenstation in (Beifall bei der LINKEN) Rüsselsheim wird geschlossen, weil es nicht genügend Frühgeborene gibt, sodass es zu teuer ist, diese Einrichtung So kommt es, dass die Krankenhäuser selbst zu Spekulati- vorzuhalten. onsobjekten werden. In eine ehemals kommunale Klinik steigt Rhön ein, wird von Fresenius geschluckt, und Aber auch fehlerhafte Abrechnungen und zu viele Hüft- schließlich landet die Klinik innerhalb von wenigen Jahren und Knieoperationen sind ständig in den Medien. Das sind bei Helios. Zwischendrin schüttet aber beispielsweise keine vertrauenerweckenden Nachrichten für Menschen, Rhön fast 2 Milliarden € über eine Sonderdividende an sei- die ein Krankenhaus aufsuchen müssen. „Staatlich organi- ne Aktionäre aus. sierte Zechprellerei“ hat der Ehrenpräsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Rudolf Kösters, 2012 den Bun- Dieses Geld wird also dem Gesundheitswesen entzo- desländern vorgeworfen. Der GKV-Spitzenverband der gen. Das Geld der gesetzlichen Krankenversicherun- Krankenkassen wirft den Ländern vor, sich aus der Verant- gen fließt in die Taschen der Aktionäre. Das Ge- wortung zu schleichen. Wie kommen diese zu solch star- sundheitswesen wird weiter zum Geschäftsfeld, und ken Worten? die Gelder der Krankenkassen werden zum Spiel- geld im Kasino der Kapitalanleger. Die Krankenhausinvestitionen haben sich zwischen 1991 und 2011 nahezu halbiert. Bereits für 2011 hat das ifo Das sind nicht unsere Worte, sondern das sagt Prof. Wulf Dresden einen Betrag von 723 Millionen € an Investitions- Dietrich, Vorstand des VDÄÄ. Schließlich wird die Entlas- mitteln errechnet, die bundesweit schlicht und ergreifend sung von bis zu 500 Mitarbeitern angekündigt. Es geht hier fehlen, um die Krankenhausinfrastruktur zu erhalten. aber nicht um Autos, meine Damen und Herren, sondern es geht um die Gesundheit von Menschen, die dabei unter die Mehr als 50 % aller Krankenhäuser schreiben rote Zahlen. Räder kommt. Einerseits sind die langjährig fortgesetzten Kürzungen bei der Investitionsfinanzierung durch die Bundesländer (Beifall bei der LINKEN) schuld an der Misere, andererseits hat auch die Abrech- Geld wird in diesem Sektor gespart, indem man Personal nung der laufenden Betriebskosten über diagnosebezogene abbaut. Überlastete Pflegekräfte, eine angespannte Arbeit- Fallpauschalen – die DRGs – die Krankenhäuser systema- satmosphäre, erschwerte Teamarbeit und eine ansteigende tisch in die roten Zahlen getrieben. Um sich bei den Kosten Quote krankheitsbedingter Ausfälle wegen unhaltbarer Ar- gegenseitig zu unterbieten, haben die Krankenhäuser trotz beitsbedingungen sind einige der Gründe, weshalb wir im- der Ausweitung der Leistungen jahrelang Personal abge- mer wieder Pflegepersonal suchen müssen. Die Bedingun- baut. Das traf und trifft besonders die Pflege. Das kann so gen sind so, dass die Menschen nicht mehr in ihrem Beruf nicht weitergehen. arbeiten wollen oder können. Mit dem aktuellen Personal- Um ihre Einnahmen zu stabilisieren, sind die Krankenhäu- mangel in vielen Bereichen ist eine qualitativ gute medizi- ser zu ständigen Leistungs- und Fallzahlausweitungen und nische und pflegerische Versorgung der Patientinnen und Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1043

Patienten nicht zu gewährleisten. Auch das ist keine Aus- Marjana Schott (DIE LINKE): sage der LINKEN, sondern des 117. Ärztetages. DIE LINKE sieht einerseits den Bund in der Verantwor- Nach einer Erhebung von ver.di fehlen in der Pflege bun- tung, für eine ausreichende Finanzierung der Krankenhäu- desweit 162.000 Vollzeitstellen. Deshalb ist der Gesetzent- ser zu sorgen, und das gilt nicht nur für die Universitätskli- wurf der SPD zu begrüßen. Ob Ärztinnen und Ärzte, Pfle- niken. Das Land muss aber die notwendigen Investitionen gepersonal, Gewerkschaften, die im Gesundheitssystem tä- aus originären Landesmitteln auch tatsächlich zur Verfü- tig sind, alle sehen verbindliche Personalmindeststandards gung stellen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren. in der stationären Pflege als unbedingt erforderlich an, um (Beifall bei der LINKEN) auf Dauer genügend qualifiziertes Pflegepersonal zu ha- ben, denn es genügt eben nicht, irgendwann einmal ein paar Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben, da viele Präsident Norbert Kartmann: nach kurzer Zeit sowieso wieder gehen, weil die Arbeitsbe- dingungen hier so unerträglich sind, dass sie lieber in ihre Herzlichen Dank. – Das Wort hat Kollege Rentsch für die Heimatländer zurückkehren. FDP-Fraktion. Wir sind skeptisch, wenn es einer Rechtsverordnung über- lassen bleibt, wie diese Personalbemessung aussieht, die Florian Rentsch (FDP): der Landesregierung freie Hand gibt, die niedrigsten Gren- zen festzulegen. Daher ist der Vorschlag von ver.di eher Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! geeignet, vorerst auf die alten Personalpflegebedarfsrege- Ich denke, zunächst einmal gelten die besten Genesungs- lungen zurückzugehen und diese dann in einem Beirat zu wünsche dem hessischen Gesundheitsminister, der nämlich einer bedarfsgerechten Personalbemessung weiterzuent- krank zu Hause liegt und dieses Thema sonst sicherlich wickeln. persönlich vertreten hätte. Auch andere Vorschläge des SPD-Entwurfs sehen wir als (Beifall des Abg. Wolfgang Greilich (FDP) – Staats- vorwärtsweisend an. Allerdings gibt es keinen Vorschlag sekretär Dr. Wolfgang Dippel: Der Minister ist auf für eine Lösung des Hauptproblems der falschen Finanzie- der Ministerkonferenz!) rung des Gesundheitssystems, das vielmehr Anreize bietet, – Ach, er ist auf der Ministerkonferenz und krank gleich- Menschen krank zu machen, als gesund zu erhalten. Die zeitig. Insofern Respekt und trotzdem gute Besserung, ich mangelnde finanzielle Ausstattung der Krankenhäuser war habe gehört, es gehe ihm nicht so gut. auch der Haupttenor der Anhörung zu den Gesetzentwür- fen. Dies haben alle Anzuhörenden vorgebracht. Meine Damen und Herren, es wird Sie nicht überraschen, dass wir das, was die Landesregierung vorgelegt hat, auch Selbstverständlich finden die Krankenhausträger, ob priva- in der dritten Lesung weiterhin mittragen. Der Gesetzent- te, kommunale oder Wohlfahrtseinrichtungen, eine schnel- wurf ist damals von uns gemeinsam erarbeitet worden. Ich le Auszahlung der Investitionszuschüsse prima. Das ist finde es richtig und gut, dass die GRÜNEN diesen über- doch klar. Es hätte auch keiner das Gegenteil geglaubt, nommen haben, weil es in der Sache der richtige Weg ist, denn wenn es schon wenig Geld gibt, dann wenigstens um eine Pauschalierung der Finanzierung hinzubekommen. schnell. Wir haben uns seit langer Zeit überlegt, wie man die För- Die marginalen Änderungen, die der Antrag von CDU und derung der Krankenhäuser in Hessen einfacher gestalten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erfahren hat, sind auch von kann. Es ist ein zentraler Punkt, dass man es auf diesem uns in Teilen zu begrüßen. Deswegen haben wir uns in der Wege, durch eine Pauschalierung, einfacher gestalten Abstimmung enthalten – auch wenn es auf keinen Fall kann. Insofern werden wir das mittragen. Das ist der erste möglich ist, ihrer Gesetzesänderung insgesamt zuzustim- Punkt. men. Sie lösen kein Problem. Sie sehen sich nur nicht mehr Zweiter Punkt. Herr Kollege Dr. Spies, ich würde mit Ih- als zuständig an. Das Land zieht sich aus der Krankenhaus- nen gern einmal über die Frage streiten, wie wir es denn planung weiter zurück. schaffen, Qualitätsstandards zu erhöhen. Sie wissen, wir Wir halten uns daher eher an die Kritik der GRÜNEN aus haben Ihren Gesetzentwurf vor Jahren schon einmal im dem letzten Jahr, als derselbe Gesetzentwurf als Förderung Landtag diskutiert. Er ist nicht von uns unterstützt worden, im Gießkannenprinzip abgelehnt wurde. Damals sagte die trotzdem ist es ein spannendes Thema, über diese Frage zu gesundheitspolitische Sprecherin der GRÜNEN: diskutieren, und das können wir gern machen. Eine jetzige Umstellung auf eine pauschale Bauför- (Dr. Thomas Spies (SPD): Auch über den Regie- derung heißt wirklich das Pferd von hinten aufzäu- rungsentwurf?) men. In der aktuellen Situation verhilft das keinem Denn zum Schluss haben die Menschen, die hier heute sit- einzigen Krankenhaus zu mehr Eigenständigkeit, zen und möglicherweise einmal in ein Krankenhaus müs- sondern führt wahrscheinlich eher zu noch mehr sen, nichts davon, wenn man theoretische Personalstan- Schulden. dards festlegt, sondern sie haben etwas davon, wenn Be- handlungen mit bestimmten Qualitätsstandards versehen werden. Wenn wir erreichen würden, dass es einen An- Präsident Norbert Kartmann: spruch auf Qualität gibt, dann wäre das ein richtiger Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende. 7:30 Minuten Schritt. – das hätte Ihnen Ihr Geschäftsführer mitteilen können. – Sie wissen, dass ich der Auffassung bin, dass wir in vielen Okay? Häusern des Landes, die eine sehr kleine Größe haben, Fallzahlen, die notwendig sind, überhaupt nicht abbilden können, und dass deshalb an vielen Stellen Qualitätsstan- 1044 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 dards zu hinterfragen sind. Hierüber müssen wir uns jeden- gesagt! – Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS falls unterhalten. Ich bin aber bei Ihnen, dass man dies dis- 90/DIE GRÜNEN): Jetzt würde ich mir aber Sorgen kutieren kann. Es ist nicht so, dass wir hierüber nicht strei- machen!) ten sollten. Es ist für die Patienten in diesem Land sicher- – Frau Wissler, es ist wie beim Fußball, Antizipation ist lich ein notwendiger Streit, den wir zu führen haben. ein ganz wichtiger Punkt. Das Antizipieren von Spielab- Letzter Punkt. Meine Damen und Herren, dieser Gesetzent- läufen wird die deutsche Nationalmannschaft gleich an den wurf ist richtig. Er entledigt uns aber nicht der Aufgabe, im Tag legen. Krankenhausbereich weitere Reformen vorzunehmen. Wir (Beifall bei der FDP – Norbert Schmitt (SPD): Die haben in diesem Land vor allen Dingen das Problem, dass FDP schwächelt manchmal schon bei Standardsitua- wir in unserem Ballungsraum, in der Region Rhein-Main, tionen!) in der wir uns heute befinden, die weit bis nach Bayern, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg reicht, in den so- – Herr Kollege, das kann sein. Aber wenn wir beim Thema genannten Maximalversorgern, also den großen Kranken- Antizipation musterhaft sind, freut mich das. Vielen Dank. häusern, eine massive Überversorgung haben. Um den Gedanken zu Ende zu führen: Menschen sind be- Es ist gerade angesprochen worden, dass CDU und SPD – reit, für geplante Eingriffe möglicherweise eine höhere Herr Kollege Dr. Spies – eine Teilprivatisierung der Horst Wegstrecke in Kauf zu nehmen, wenn die Qualität stimmt. Schmidt Kliniken vorgenommen haben. Das ist ein Schritt Dann muss man sich die Frage stellen, ob man in einer gewesen, den ich noch am Montag mit dem Gesundheits- Stadt wie Wiesbaden drei große Krankenhäuser braucht. dezernenten der SPD diskutiert habe. Dieser Verkauf wird Diese Frage müssen wir uns stellen. Damit wird nämlich auch von den Sozialdemokraten mitgetragen, also scheint auch die Wirtschaftlichkeit jeder anderen Klinik infrage das Verhältnis zur privaten Seite etwas entspannter zu sein, gestellt. Insofern hoffe ich, dass wir dieses Gespräch mit was ich begrüße. Aber natürlich wäre bei dieser Diskussion der Landesregierung zielführend führen werden. in den letzten Jahren nicht nur die Frage zu diskutieren ge- wesen: „Gibt es einen privaten Partner?“, sondern ob es Die FDP-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf der Landes- möglicherweise auch Partner im stationären Bereich gibt, regierung zu. – Herr Dr. Spies, Sie bekommen wieder kei- mit denen man zusammenarbeiten kann. ne Unterstützung von uns, vielleicht klappt es wann an- ders. – Vielen Dank. Schauen Sie allein über die Landesgrenzen. Eine Frage, die wir z. B. in Wiesbaden immer diskutiert haben, war, ob es (Beifall bei der FDP) nicht sinnvoll ist, mit den Universitätskliniken in Mainz zusammen etwas zu machen. Die Krankenhausförderung Präsident Norbert Kartmann: endet – der Staatssekretär weiß das – an der Landesgrenze. Diese Landesgrenzensituation ermöglicht es uns eigentlich Vielen Dank. – Für die Regierung hat Herr Staatssekretär nicht, außerhalb dieser Gesetzgebung sinnvolle Strukturen Dr. Dippel das Wort. Auch bei Regierungsmitgliedern sei zu finden, zu sagen: Wir wollen möglicherweise mit einem erlaubt, zu sagen, dass sie das erste Mal reden. Das tut er Krankenhaus in einem anderen Bundesland kooperieren. – heute. Bitte schön, Sie haben das Wort. Mit dieser Frage sollten wir uns dringend auseinanderset- zen. Das sind Zustände, die sehr antiquiert sind und sicher- lich nicht die Strukturen abbilden, die wir eigentlich Dr. Wolfgang Dippel, Staatssekretär im Ministerium bräuchten. für Soziales und Integration: (Beifall bei der FDP) Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Krankenhausversorgung und Leistung der Pflege insge- – Vielen Dank. – Allerletzter Punkt. Das, was ich gerade samt wird uns noch viele Jahre beschäftigen und beschäfti- angedeutet habe, die Überversorgung im stationären Be- gen müssen. Ich finde es gut, dass wir unterschiedliche Po- reich bei den Maximalversorgern wird ein Thema sein, sitionen haben und dass diese deutlich gemacht werden. dem sich die FDP widmen wird. Ich bin der festen Über- zeugung, meine Damen und Herren, dass wir in diesem Ich will noch einmal stichwortartig das zu beschließende Bereich leider Strukturen vorhalten, die dafür sorgen, dass Gesetz skizzieren. Es geht darum, Planungssicherheit für der Euro an anderer Stelle eben nicht ausgegeben werden die Investitionsmaßnahmen zu finden. Ab 2016 soll die kann. Das ist ein großes Thema, es ist ein dickes Brett, Entscheidung über die Art und den Zeitpunkt der Investiti- weil auch völlig klar ist, dass niemand sein Krankenhaus on eigenverantwortlich vor Ort vorgenommen werden. Das vor Ort oder vielleicht einen Teil davon gern zur Dispositi- ist ein wesentliches Merkmal dieses Gesetzes. on stellt. Es gibt einen weiteren Punkt, an dem wir Konzernstruktu- Ich will aber auch sagen: Als ich mich im letzten Jahr einer ren unterstützen. Das ist in den Redebeiträgen auch deut- Knieoperation habe unterziehen müssen, habe ich diese in lich geworden. Es ist wichtig, dass man die Finanzmittel Heidelberg vornehmen lassen. Ich habe mich damals ge- bündeln und vor Ort entscheiden kann, wo sie effektiv ein- freut, dass ich in dieser Klinik halb Wiesbaden getroffen zusetzen sind. Damit haben wir auch einen kleinen Anreiz habe. Anscheinend sind die Leute schon bereit, 100 bis für den Verbund Bildung gegeben. 150 km weit zu fahren, wenn sie vor Ort eine spezielle (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Operation durchführen lassen wollen. – Frau Wissler, das GRÜNEN) waren nicht nur Privatversicherte, um Ihre Frage vorweg- zunehmen, die ich in Ihren Augen lese, sondern sie waren Es geht auch darum, die Betriebskostenförderung als auch auch gesetzlich versichert. die Investitionskostenförderung nach objektiven Kriterien der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses auszurichten. (Beifall bei der FDP – Heiterkeit bei der SPD – Ja- Das kann man vor Ort am besten bewerten. Ich kann es nine Wissler (DIE LINKE): Ich habe doch gar nichts Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1045 auch anders sagen: Unser Ziel ist der Gleichlauf der Förde- Ich kann nur empfehlen, dieses Krankenhausgesetz so zu rung im System der dualen Finanzierung. beschließen. Ich gehe jetzt nicht auf das ein, was Herr Dr. Spies zu den Personalstandards vorgetragen hat. Herr Es ist auch angesprochen worden: Wir müssen auf Bundes- Minister Grüttner hat das während der ersten Lesung schon ebene weiter die dicken Bretter bohren, um die Förderung einmal vorgetragen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerk- dieser Mittel sicherzustellen. Ich weiß, dass es da noch ei- samkeit. niges zu tun gibt. Der Minister gehört dort den entspre- chenden Arbeitsgruppen an und wird die hessische Positi- (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE on vertreten. GRÜNEN) Die Planungssicherheit wird auch dadurch erhöht, dass der Anspruch auf die Auszahlung der Jahrespauschale zur Fi- Präsident Norbert Kartmann: nanzierung der förderfähigen Investitionsvorhaben abge- treten werden kann. Das ist ein richtiger Schritt, der auch Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wort- bei der Diskussion in der Anhörung zum Tragen gekom- meldungen vor. Dann komme ich zur Abstimmung des Ge- men ist. setzentwurfs der Fraktion der SPD für ein Gesetz zur Ver- besserung der Krankenhausversorgung und zur Anerken- Bei vielen Terminen vor Ort ist mir auch zugetragen wor- nung von Leistungen in der Pflege. Wer diesem Gesetzent- den, dass die Mittel nicht geringer ausfallen als bei der wurf in zweiter Lesung zuzustimmen vermag, den bitte ich Einzelförderung. Das wird auch nicht so sein, damit man um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält eine Grundlage für die Planung hat. Die Förderung muss sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass bei Zustim- auch der Kostenentwicklung angepasst werden. mung von SPD und DIE LINKE und bei Ablehnung der Was noch gar nicht erwähnt worden ist, oder ich habe es übrigen Fraktionen des Hauses dieser Gesetzentwurf in überhört, ist das Sonderprogramm über ca. 120 Millio- zweiter Lesung nicht angenommen worden ist. nen €, das wir zusätzlich zum normalen Bauprogramm auf Ich lasse den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und den Weg bringen. Das wird einen Schub bei den Kranken- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Änderung häusern vor Ort bringen. des Hessischen Krankenhausgesetzes 2011 abstimmen. Ein weiterer Punkt ist die Mitbestimmung. Sie wird weiter Wer diesem Gesetzentwurf zustimmen kann, den bitte ich in den Mittelpunkt gerückt. Auch zukünftig wird der Lan- um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält despflegerat im Landeskrankenhausausschuss vertreten sich der Stimme? – Dann stelle ich fest, dass nach zweiter sein. Nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch Kran- Lesung durch Zustimmung der Fraktionen CDU, BÜND- kenschwestern und Krankenpfleger sollen Verantwortung NIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei Ablehnung von SPD übernehmen; denn sie sind an der Basis und wissen, um und DIE LINKE dieser Gesetzentwurf angenommen wor- was es geht. Sie können uns wertvolle Hilfe bei dem ge- den ist und damit zum Gesetz erhoben wird. samten Verfahren geben. Das ist ein ganz wichtiger und (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE wesentlicher Punkt des neuen Gesetzes. GRÜNEN) (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Noch eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein GRÜNEN) Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der SPD be- Ein Kritikpunkt, den wir bei den Diskussionen immer wie- treffend miserable Finanzsituation des Landes, Drucks. der gehört haben, ist, dass die Steuerungsmöglichkeiten bei 19/567. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. der Krankenhausplanung nicht mehr von Landesseite gege- Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tages- ben sind. Das ist falsch. Es besteht überhaupt keine totale ordnungspunkt 78 und kann, wenn nicht widersprochen Freiheit, vor Ort das zu tun, was man will. Es ist eine wird, mit Tagesordnungspunkt 11 aufgerufen werden. – Grenze eingezogen worden. Das ist der Fall. Ab 10 Millionen € müssen wir eine grundsätzliche Geneh- Ebenso eingegangen und auf Ihren Plätzen verteilt ist ein migung vornehmen. Wir haben vor, die Bewilligungen der Dringlicher Antrag der Fraktionen der CDU und BÜND- Pauschalen mit Auflagen und Bedingungen zu verknüpfen. NIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Aufnahme syrischer Ich nenne das Thema Hygiene und ich nenne das Thema Flüchtlinge, Drucks. 19/568. Die Dringlichkeit wird be- Qualitätssicherung. Das ist der richtige Weg, um einen Zü- jaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche An- gel zu haben, mit dem wir weiterlenken können. trag Tagesordnungspunkt 79, und wir können ihn, wenn nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 73 auf- Das Thema Versorgungsatlas ist angesprochen worden. Er rufen. – Dem wird auch zugestimmt, dann verfahren wir ist sehr gut angekommen. Ich merke das aufgrund von Re- so. aktionen vor Ort. Er gibt einen Überblick und Bewertun- gen. Vielleicht kann man auch Kennzahlensysteme ent- Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf: wickeln, um Vergleichbarkeiten herzustellen. Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregie- Mein Fazit heißt: Es ist in intelligenter Weise gelungen, rung für ein Gesetz zur Änderung des Haushaltsge- unternehmerische Freiheit vor Ort mit notwendiger staatli- setzes 2013/2014 – Drucks. 19/524 zu Drucks. 19/387 – cher Steuerung zu verknüpfen. Die Krankenhauslandschaft und die Krankenhausträger werden mit diesem Gesetzent- Der Berichterstatter ist Herr Kollege Decker, ihm gebe ich wurf gestärkt. Wichtig ist die verlässliche Planungssicher- gleich das Wort. heit, dass die Investitionsmittel zur Verfügung gestellt und Ebenso rufe ich Tagesordnungspunkt 50 auf: noch mehr Eigenverantwortung und Mitbestimmung er- möglicht werden. Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend finanzpoliti- 1046 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 sche Leitlinien der Landesregierung weisen Weg zu ge- stehende Großereignis um 18 Uhr zeitgerecht erreichen nerationengerechter Haushalts- und Finanzpolitik werden. – Drucks. 19/511 – Deswegen nur einige wenige Punkte zur zweiten Lesung sowie Tagesordnungspunkt 78: des Nachtragshaushalts. Mit diesem Haushalt senken wir die Nettoneuverschuldung um 124 Millionen € auf 960 Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion der Millionen €. Das ist immer noch viel, zeigt aber den Ab- SPD betreffend miserable Finanzsituation des Landes bauwillen. Zusätzlich stellen wir 60 Millionen € für den – Drucks. 19/567 – Asyl- und Flüchtlingsbereich zur Verfügung. Wir haben 10 Millionen € für das Thema Inklusion eingestellt, wo dan- Wie Sie wissen, findet die Abstimmung über die Einzelplä- kenswerterweise mit den freien Wohlfahrtsverbänden eine ne erst nach den Beratungen statt. Wie Sie der Anlage zu entsprechende Einigung getroffen worden ist, sodass sich Tagesordnungspunkt 11 entnehmen können, beträgt die die Notwendigkeit für das Einstellen dieses Geldes auch Redezeit über den gesamten Haushaltsplan zehn Minuten, herausgestellt hat. ohne Begrenzung für die einzelnen Rednerinnen und Red- ner, d. h. jede Fraktion kann sich die ihr zustehende Rede- Schließlich und endlich erhöhen wir die Grunderwerbsteu- zeit je nach Geschmack aufteilen. Ich werde jetzt die Ein- er – das ist in diesem Haushalt entsprechend veranschlagt – zelpläne nicht einzeln aufrufen. – Zunächst erteile ich um einen Prozentpunkt ab 1. August 2014. Das ist uns Herrn Kollegen Decker das Wort zur Berichterstattung. nicht leicht gefallen, aber wir halten es für notwendig, dies bereits in diesem Jahr zu tun, statt damit bis zum Jahr 2015 zu warten. Wolfgang Decker, Berichterstatter: Dieser Nachtragshaushalt und das sich aus den Beratungen Herr Präsident, meine Damen und Herren! Beschlussemp- ergebende Ergebnis ist insofern wichtig bzw. wichtiger als fehlung und des Bericht des Haushaltsausschusses zu dem im Vergleich zu den Vorjahren, als mit diesem Nachtrag Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz zur Än- der Betrag für die strukturelle Nettoneuverschuldung fest- derung des Haushaltsgesetzes 2013/2014, Drucks. 19/387. gelegt wird und dieser Betrag die Basis für den Abbaupfad im Konsolidierungsprozess ist, der in fünf Schritten bis Die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses lautet: zum Jahr 2019 die Nettoneuverschuldung auf null bringen Der Haushaltsausschuss empfiehlt dem Plenum mit den soll und nach unserem Willen auch bringen wird. Stimmen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ge- gen die Stimmen der SPD, der LINKEN und der FDP, den (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Gesetzentwurf in zweiter Lesung unverändert anzuneh- GRÜNEN) men. Der Haushaltsausschuss empfiehlt dem Plenum, zu Dazu ist Konsolidierung notwendig. Wir haben im Laufe den Einzelplänen die nachfolgenden Beschlüsse zu fassen. dieser Woche schon mehrfach über Finanzen gesprochen, – Ich erspare mir, diese jetzt vorzutragen, das entnehmen und es ist insbesondere vom Vorsitzenden der SPD-Frakti- Sie bitte zu den Einzelplänen der Drucksache. – Vielen on über die Konsolidierung gesagt worden, zur Haushalts- Dank. politik und dem Einhalten der Schuldenbremse gehöre eine (Beifall bei der SPD) Einnahme- und Ausgabenverantwortung. (Günter Rudolph (SPD): Jawohl, das haben wir in Präsident Norbert Kartmann: Hessen beschlossen!) Herzlichen Dank für die Berichterstattung, Herr Decker. – Deswegen müssen Sie sich auch fragen lassen, wie diese Meine Damen und Herren, zwei Hinweise: Ich glaube, es Worte mit dem zusammenpassen, was Sie hier in Form ei- ist gerecht, dass wir, wenn wir länger als bis 18 Uhr tagen, nes Antrags und sonstiger öffentlicher Erklärungen kund- die öffentlichen Fernseher im Hause abschalten, damit hier tun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Frakti- debattiert und nicht draußen gejubelt wird. on. (Günter Rudolph (SPD): Das teile ich, jawohl!) (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Sie mögen das teilen, die anderen aber vielleicht nicht. Ich will Beispiele zur Einnahmeverantwortung nennen. Ja, Es ist keine Rednerfolge abgesprochen. Wir beginnen mit es ist schwer, die Grunderwerbsteuererhöhung vorzuziehen Herrn Schork von der CDU, dann kommt Herr Schmitt von und zum 1. August 2014 umzusetzen. Aber das ist prakti- der SPD, und dann habe ich Herrn van Ooyen von der zierte Einnahmeverantwortung, und Sie stehlen sich vom LINKEN vorliegen. Danach kommt alles Weitere nach Acker und sagen: Wir machen dies nicht mit. Reihenfolge. Einverstanden? (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abg. GRÜNEN) Schork für die CDU-Fraktion. Mit dem zweiten Punkt komme ich zu dem von Ihnen vor- gelegten Antrag. Sie monieren in Ihrem Antrag, dass in Günter Schork (CDU): dem Nachtragshaushalt nicht mehr Mittel für den Straßen- bau eingestellt würden. Sie sprechen von einem Betrag in Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! zweistelliger Millionenhöhe. Schließlich und endlich lässt Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, die parlamen- sich aus Ihrem Antrag herauslesen, dass Sie wollen – ob- tarischen Geschäftsführer haben das Programm extra so wohl Sie wissen, dass wir uns in ernsthaften Verhandlun- gelegt, damit die Haushälter beweisen können, dass sie gen für die Neustrukturierung befinden –, dass wir dem nicht nur mit Geld im Haushalt ordentlich haushalten kön- Kommunalen Finanzausgleich etwa 400 Millionen € zu- nen, sondern auch mit der Zeit, sodass wir alle das bevor- führen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1047

Das alles können Sie ja fordern. Aber Ausgaben- und Ein- Präsident Norbert Kartmann: nahmeverantwortung ergeben und machen es zwingend er- Das Wort hat Herr Abg. Schmitt, Fraktion der SPD. forderlich, dass Sie dann auch Vorschläge zu diesem The- ma machen, wie die Gegenfinanzierung aussieht und wie Sie den von uns beschlossenen und von den Bürgerinnen Norbert Schmitt (SPD): und Bürgern vorgegebenen Abbaupfad zu einem struktu- rell ausgeglichenen Haushalt einzuhalten gedenken. Leider Herr Präsident, meine Damen und Herren! Auch nach der Gottes: Fehlanzeige. kursorischen Lesung und der Anhörung der Kommunalen Spitzenverbände halten wir unsere Kritik an dem Nach- (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE tragshaushaltsentwurf aus der ersten Lesung aufrecht – ja, GRÜNEN) zum Teil müssen wir sie sogar verschärfen. Deswegen sind Sie gefordert, Ihre Worte in diesem Plenum (Beifall bei der SPD) mit Ihren Taten, sprich: Ihren Anträgen, in Einklang zu bringen. Ich glaube, es ist unstreitig, dass das strukturelle Defizit des Landeshaushalts eines der höchsten in ganz Deutsch- Ich sagte es bereits in der ersten Lesung und will es nicht land ist. Ursache dieser Entwicklung ist einerseits, dass wiederholen: Dasselbe gilt auch für die Kollegen der FDP, Hessen in seiner Wirtschaftsentwicklung in den letzten die eine Senkung der Grunderwerbsteuer vorschlagen. Ich Jahren massiv zurückgefallen ist. bin gespannt, welche Gegenfinanzierungsvorschläge Sie uns im Rahmen der weiteren Beratung vorlegen. Man muss sich das einmal vorstellen. Hessen ist beim Wirtschaftswachstum seit 2005 ganz am Ende der Skala al- (Florian Rentsch (FDP): Das machen wir!) ler Bundesländer in Deutschland, am unteren Ende. Ande- Weil dieser Abbaupfad zwingend notwendig ist, ist es rerseits sind die Ausgabenzuwächse in Hessen zwischen ebenfalls erforderlich, dass dieser Landtag die finanzpoliti- 2001 und 2011 die höchsten in ganz Deutschland. Das schen Leitlinien beschließt, die das Kabinett beschlossen passt nicht zusammen. Beide Entwicklungen führen am hat und die in der Sitzung des Haushaltsausschusses am Ende dazu, dass Hessen mit die miserabelste Situation in 14. Mai 2014 vorgestellt worden sind, um deutlich zu ma- allen Bundesländern hat. chen, dass diese Vorhaben auch so umgesetzt werden sol- (Beifall bei der SPD) len, und damit die Finanzplanung bis zum Jahr 2019 ein großes Maß an Verbindlichkeit erhält. Die Zahlen können Sie in unserem Antrag nachlesen. Sie sind solide und belegbar. Dazu gehört die Umsetzung der gemeinsamen politischen Ziele im Rahmen der Schuldenbremse. Es gilt der Grund- (Zuruf des Abg. Manfred Pentz (CDU)) satz der vollständigen und dauerhaften Gegenfinanzierung, Ich glaube, das macht die ganze Misere in Hessen deutlich. primär im gleichen Politikbereich. Alle Bereiche des Lan- Meine Damen und Herren, in dem Haushalt ist das struktu- deshaushalts müssen einen Konsolidierungsbeitrag liefern. relle Defizit sogar noch geschönt dargestellt worden, weil Es gibt Bereiche ohne Finanzierungsbehalt, die ausgenom- man in erheblichem Maße Rücklagen entnommen hat. men sind – ich nenne insbesondere die Sportförderung, den Aber es ist wiederum schön: Die Strafe folgt auf dem Fuß. Brand- und Katastrophenschutz sowie das Sozialbudget, Denn das strukturelle Defizit des Jahres 2014 ist die das wir im Jahr 2015 bekanntlich auf 70 Millionen € erhö- Grundlage für die Abbautreppe in den nächsten Jahren. Da hen wollen. Außerdem nenne ich die Lehrerstellen, die von kann man nüchtern feststellen: Statt bei 860 Millionen € zu diesen Maßnahmen ausgenommen sind. starten, liegt der Start nun bei 544 Millionen €. Das hat Wir haben uns vorgenommen, in dieser Legislaturperiode entsprechende Wirkungen. 1.800 Stellen im gesamten Bereich der Landesverwaltung Deswegen ist es kein Wunder – jetzt zitiere ich die „Frank- zu streichen. Wir haben das Thema einer Begrenzung des furter Neue Presse“ vom 21.06. –, dass zahlenkundige Mit- Besoldungszuwachses in den vergangenen Tagen mehrfach glieder der CDU-Landtagsfraktion demnächst „einen diskutiert. Schließlich und endlich werden wir, beginnend großen Knall“ erwarten. mit dem Haushaltsjahr 2015, die freiwilligen Leistungen, die Verwaltungs- und Investitionsausgaben um 50 Millio- Das ist in zweierlei Hinsicht ganz interessant. Es gibt also nen € kürzen. Das wird moderat anwachsen. noch zahlenkundige Mitglieder in der CDU-Fraktion. All diese Dinge zeigen sehr deutlich, dass es dieser Koali- (Heiterkeit bei der SPD – Günter Rudolph (SPD): tion ernst ist und dass wir an dem Ziel festhalten, bis zum Das ist die erste Überraschung! – Gegenruf des Abg. Jahr 2019 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu er- Manfred Pentz (CDU): Im Gegensatz zu euch, da reichen, und dies auch schaffen wollen. Ich betone, dass al- gibt es keine mehr!) le – nicht nur die Fraktionen hier, sondern auch die Interes- Schade ist nur: Sie reden nicht und machen auch nie Zwi- sengruppen außerhalb, die mit uns über diese Fragen dis- schenrufe. kutieren – aufgefordert sind, konstruktiv an der Ausgestal- tung des Konsolidierungspfades und der Umsetzung der fi- (Beifall bei der SPD) nanzpolitischen Leitlinien mitzuwirken. Dann werden wir Ich hätte gerne, dass diese zahlenkundigen Mitglieder hier dies zum Erfolg führen können. – Ich danke für Ihre Auf- endlich reden und qualifizierte Zwischenrufe machen. merksamkeit. (Beifall der Abg. Nancy Faeser (SPD) – Zurufe von (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE der CDU) GRÜNEN) Dann kämen wir in der politischen Debatte über die finan- zielle Situation des Landes Hessen vielleicht ein Stück 1048 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 weiter und könnten uns vernünftig darüber unterhalten, erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Das passt was in Hessen notwendigerweise erfolgen müsste. nicht zusammen. Deswegen muss ich Ihnen sagen, dass der Nachtragshaus- (Beifall bei der SPD) haltsentwurf – ich habe es in der ersten Lesung schon ge- Meine Damen und Herren, ich will angesichts des anderen sagt – finanzpolitisch einfach unambitioniert ist und dass großen Ereignisses heute nur noch einen weiteren Punkt es gleichzeitig an politischem Gestaltungswillen fehlt. ansprechen. Er betrifft unsere Kritik an den Stellenbeset- Meine Damen und Herren, zentrale Wahlkampfverspre- zungen in den Spitzen der von – ich betone – der CDU ge- chen von CDU und GRÜNEN sind in diesem Haushalt führten Ministerien. Wir haben Verständnis dafür, dass es nicht eingelöst und werden auf die Zukunft verschoben. Es in den Ministerien der GRÜNEN auch an den Spitzen – ist auch entscheidend: Wichtige und notwendige Aufgaben nicht nur bei den Ministern und bei den Staatssekretären, werden mit dem Nachtragshaushalt nicht finanziert. Das sondern auch in den Ministerbüros – zu Personaländerun- gilt vor allem für die völlig unzureichenden Mittel für den gen gekommen ist. Dafür haben wir Verständnis. Landesstraßenbau. Durch eine Haushaltssperre, die der Fi- Wir haben aber kein Verständnis dafür, dass allein eine nanzminister verfügt hat, fehlt ein zweistelliger Millionen- halbe Million Euro Mehrkosten im Wissenschaftsministeri- betrag, 42 Millionen €. Im Nachtragshaushalt wird diese um wegen des Wechsels der Hausleitung entstehen, weil Fehlentwicklung nicht korrigiert, und das finden wir dra- dort bisher nicht besetzte Stellen nun hoch dotiert neu be- matisch. Das ist nicht gut. setzt werden. Das ist völlig unverständlich. (Beifall bei der SPD) (Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD)) Das kann dem grünen Willen entsprechen. Das kann so Wo ist die Begründung dafür, dass man neue Stellen, die sein. Aber das sollten Sie als CDU korrigieren. Sie haben jährlich eine halbe Million Euro kosten werden, schaffen noch ausreichend Zeit bis zur dritten Lesung, um diese muss, weil es einen Personalwechsel von Frau Kühne-Hör- Fehlentwicklung zu korrigieren. mann zu Herrn Rhein gegeben hat? Das ist doch keinem Ich komme zu einem weiteren Punkt aus der kursorischen Menschen verständlich. Lesung und vor allem aus der Anhörung der Kommunalen (Beifall bei der SPD und des Abg. Willi van Ooyen Spitzenverbände. Die Kommunalen Spitzenverbände ha- (DIE LINKE)) ben übereinstimmend kritisiert, dass die Landesregierung ihnen jährlich – jetzt sind es fast schon 400 Millionen € – Das geschieht in einem Nachtrag, wo gleichzeitig neue 390 Millionen € entzieht. Ein besonderes Ärgernis auf der Vermerke für Stellenkürzungen in Zukunft eingebracht kommunalen Seite ist die Tatsache, dass die Kommunen in werden. Das ist wieder die typische Situation: Die Häupt- Hessen für die Asylbewerberunterbringung nicht die erfor- linge werden gestärkt, den Häuptlingen wird Puderzucker derlichen Mittel erhalten, sondern seit Jahren allein da- irgendwohin geblasen, und die Indianer müssen bluten. Ich durch erhebliche Defizite aufhäufen. Bei den Landkreisen will an dieser Stelle sagen: Das ist keine akzeptable Haus- und kreisfreien Städten entstehen allein dadurch, dass das haltspolitik und Personalpolitik. Land für die Asylbewerberunterbringung nicht die erfor- derlichen Mittel zur Verfügung stellt, erhebliche Defizite. (Lebhafter Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Jedes Jahr die gleiche Rede!) Die Berechnung liegt dem Sozialministerium vor. Sie be- sagt, dass zwischen 2009 und 2013 allein dadurch Defizite Dazu passt, dass auch wieder in der Staatskanzlei neue in Höhe von 200 Millionen € entstanden sind. Hier muss Stellen geschaffen worden sind. Die Staatskanzlei ist in man die Debatte sehen, die wir am Dienstag und am Mitt- den letzten Jahren personell aufgeblasen worden. Jetzt woch geführt haben, wo dargestellt wurde, dass die Kom- werden wieder neue Stellen geschaffen. Das ist ebenfalls munen das Geld mit vollen Händen ausgäben, sie hätten nicht akzeptabel, und das hat mit Schwarz-Grün meiner keine Verantwortung für die Ausgaben. Meinung nach nichts zu tun. (Manfred Pentz (CDU): Das hat keiner gesagt!) (Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Das ist unwahr!) Das Land gibt ihnen nicht die erforderlichen Mittel für Aufgaben, die das Land eigentlich auszuführen hat. – Der Kollege Kaufmann ruft: „unwahr“. (Beifall bei der SPD) (Manfred Pentz (CDU): Recht hat er!) Meine Damen und Herren, gleichzeitig beschimpfen der Herr Kaufmann, gucken Sie sich bitte den Nachtragshaus- Innenminister und der Finanzminister sie, dass sie zu hohe halt an, z. B. die Stelle in der Pressestelle in Brüssel oder Defizite haben. Das ist eine irreale Situation. Das ist ein die Landesvertretung in Berlin, wo auch eine Stelle auf B 3 Zustand, der so nicht weitergehen darf. angehoben werden soll. Was ist daran unwahr? Das kann ich Ihnen aus dem Kopf zitieren. Meine Damen und Herren, es wird von der kommunalen Seite vorgetragen, dass allein auch für den Nachtragshaus- (Lebhafter Beifall bei der SPD – Manfred Pentz halt weitere 60 Millionen € fehlen, die in diesem Jahr not- (CDU): Reine Neiddebatte! Sie sollten den Haushalt wendig sind, damit die Kosten für die Unterbringung von lesen!) Asylbewerbern auf der kommunalen Seite aufgefangen Insgesamt ist dieser Nachtragshaushalt sicherlich nicht zu- werden. stimmungsfähig. Ich darf gleichzeitig für meine Fraktion Ich finde es einen Skandal, solche Debatten wie bei der ankündigen, dass wir zur dritten Lesung entsprechende Regierungserklärung am Dienstag zu führen und zwei Ta- Änderungsanträge einbringen werden. – Herzlichen Dank. ge später in der zweiten Lesung den Kommunen nicht die (Beifall bei der SPD – Manfred Pentz (CDU): Uiuiui!) Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1049

Präsident Norbert Kartmann: men in diesem Jahr decken, so ist das aus meiner Sicht in Ordnung. Ich erteile Herrn Abg. van Ooyen für die Fraktion DIE LINKE das Wort. Wenn Sie aber gleichzeitig in die Rücklagen greifen, nur damit die neue Landesregierung einen ersten vermeintli- chen Konsolidierungserfolg vorweisen kann, dann sind das Willi van Ooyen (DIE LINKE): Zahlenspielereien. Sicher ist dies aber keine erfolgreiche Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Finanzpolitik. Gelegentlich kommt in der Öffentlichkeit der Eindruck Gänzlich unseriös wird Ihr Nachtragshaushalt an der Stel- auf, dass in den Parlamenten in Deutschland die Fußball- le, wenn es um die sogenannte Weimar-Rücklage geht. weltmeisterschaft dazu benutzt würde Hier streicht die neue Landesregierung 108 Millionen € (Clemens Reif (CDU): Denken Sie doch an das Fuß- aus dem Haushalt, verbunden mit der Ankündigung, dass ballspiel! – Gegenruf der Abg. Janine Wissler (DIE diese dann aber doch Ende des Jahres aus dem Hut gezau- LINKE): Sie haben doch einen Fernseher im Auto, bert werden. haben Sie uns erzählt!) Herr Dr. Schäfer, mit Verlaub, auch wenn Sie im Aus- – ich habe es dem Präsidenten schon gesagt, ich könnte schuss bereits mitgeteilt haben, das sei für Sie eine philo- morgen früh mit viel Genuss in der Zeitung lesen, dass die sophische Frage, dann sagen wir: Wenn über 100 Millio- USA gewonnen hätten, von wegen Antiamerikanismus; nen € aus dem Haushalt erwirtschaftet werden sollen, um das wollte ich Ihnen nur einmal mitgeben –, in eine freiwillige Versorgungsrücklage gezahlt zu werden, dann ist das keine Frage von Philosophie, sondern eine von (Heiterkeit bei der LINKEN und der SPD) Haushaltsrecht. um klammheimlich Gesetze zu verabschieden, die man Allein dieser Punkt macht den Nachtragshaushalt aus unse- gerne unter dem faktischen Ausschluss der öffentlichen rer Sicht rechtswidrig. Konkret verstoßen Sie damit gegen Aufmerksamkeit beschließen möchte. Für den aktuellen § 8 des Haushaltsgrundsätzegesetzes und gegen § 11 der Nachtragshaushalt will ich dies jedenfalls nicht. Ich kann Landeshaushaltsordnung. Dort heißt es unmissverständlich die Fußballfans im Hause beruhigen: Keine Sorge, ich ha- – jedenfalls in Abs. 2 gleichlautend –: be nicht vor, einen Anlass für einen Ältestenrat zu finden. Der Haushaltsplan enthält alle im Haushaltsjahr (Allgemeine Unruhe) 1. zu erwartenden Einnahmen, 2. voraussichtlich zu leistenden Ausgaben und 3. voraussichtlich benötigten Verpflichtungsermäch- Präsident Norbert Kartmann: tigungen. Meine Herren Kollegen. – Augenblick, Herr van Ooyen. Dieser Nachtragshaushalt enthält 108 Millionen €, die Sie – das haben Sie deutlich angekündigt – in die Weimar- Willi van Ooyen (DIE LINKE): Rücklage einzahlen wollen, aber nirgendwo veranschlagt haben. Wenn wir den Landtag mit seinem Haushaltsrecht Vielmehr ist dieser Nachtragshaushalt so ambitionslos, ernst nehmen, sollten Sie auch deutlich machen, dass die- dass man sich die Debatte über den Inhalt des Nachtrags ses Geld an anderer Stelle im Haushalt entweder einge- fast sparen könnte, denn die schwarz-grüne Landesregie- nommen oder eingespart werden soll. Alles andere ist un- rung hat nur die Fortsetzung dessen vorgelegt, was seriös und letztlich rechtswidrig. Aber mit rechtswidrigen Schwarz-Gelb bereits auf den Weg gebracht hat. Von den Gesetzen kennen Sie sich ja aus angekündigten Schwerpunkten jedenfalls setzt die Landes- regierung keine, zumindest keine neuen Aspekte durch. (Manfred Pentz (CDU): Na, na, na! – Clemens Reif Das altbekannte Politikmuster wird weiter fortgesetzt. (CDU): Was soll denn das? Jetzt aber mal gut! – Zu- ruf des Abg. Ismail Tipi (CDU)) Das oberste Ziel dieser Landesregierung ist es, die Zahlen des Haushalts möglichst schön aussehen zu lassen. So – da kennen Sie sich wirklich aus, Herr Tipi –, was uns in schafft es der Finanzminister denn auch, die Nettoneuver- Hessen die Situation beschert, dass der Finanzausgleich schuldung im Nachtragshaushalt unter die Marke von zwischen Land und Kommunen gegenwärtig verfassungs- 1 Milliarde € zu drücken. widrig ist. Erreicht wird das im Wesentlichen durch zwei Methoden. (Janine Wissler (DIE LINKE): Sie können ja Ältes- Auf der einen Seite bleiben die Kommunen unterfinanziert, tenrat beantragen!) und auf der anderen Seite unterbleiben Investitionen in die Ich verstehe durchaus, dass man für eine notwendige um- Zukunft. Was hier also unter dem Banner der Generatio- fassende Reform des KFA sicher noch Zeit braucht. Aller- nengerechtigkeit präsentiert wird, ist nichts anderes als dings verstehe ich nicht, warum man sich weiter Zeit lässt, Kürzen an der Gegenwart und der Zukunft der Menschen die Kommunen angemessen mit Mitteln auszustatten, die in unserem Land. sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. (Beifall bei der LINKEN) Nehmen wir etwa den Bereich der Flüchtlingsunterbrin- Damit aber diese schwarz-grüne Landesregierung die Mar- gung. Wenn die Landesregierung erklärt, dass die neu ein- ke von 1 Milliarde € Nettoneuverschuldung tatsächlich geplanten 60 Millionen €, die Sie im Nachtrag für die Un- vorweisen kann, geht sie an die Rücklagen. Um es klar zu terbringung von Flüchtlingen veranschlagt hat, ein wichti- sagen: In gewissem Umfang ist das richtig und nachvoll- ger Beitrag seien, um den Kommunen bei dieser Aufgabe ziehbar. Wenn im Haushalt unerwartete Mehreinnahmen entgegenzukommen, dann hört man das ganz anders, wenn des Jahres 2013 gleichermaßen unerwartete Mindereinnah- man sich einmal mit den Kommunen beschäftigt. 1050 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Die haben uns nämlich in der Anhörung im Haushaltsaus- kleinen gelben kraftlosen Koalitionspartner durch einen schuss deutlich gemacht, dass sie nicht nur zusätzlich 60 kleinen grünen kraftlosen zu ersetzen. – Vielen Dank. Millionen €, sondern 120 Millionen € brauchen, und zwar (Beifall bei der LINKEN – Frank-Peter Kaufmann einfach deshalb, weil sich das Land seit Jahren weigert, die (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ganz schön frech!) tatsächlich anfallenden Kosten zu erstatten. Die 60 Millio- nen €, die jetzt eingeplant sind, sorgen also nicht für die Entlastung der Kommunen, sondern bedeuten wahrschein- Präsident Norbert Kartmann: lich noch nicht einmal eine wirksame Begrenzung der zu- sätzlichen finanziellen Belastungen. Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Hahn für die Fraktion der FDP. Das alles hört sich jetzt noch sehr technisch und abstrakt an. Wenn wir dann aber in die Kommunen gehen und in den nächsten Monaten vor Ort erleben, wie vor Krieg Jörg-Uwe Hahn (FDP): flüchtende Menschen zwangsweise in Zeltlagern und Not- unterkünften untergebracht werden, werden wir auch in Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kol- Hessen erkennen, welche dramatischen Folgen eine Unter- legen! „Vom Frosch zum Hahn“, könnte man jetzt auch ein finanzierung haben kann, zumindest dann, wenn es in eini- Wortspiel praktizieren, Herr Kollege van Ooyen. Aber ich gen Kommunen, trotz dieser Bemühungen vor Ort, nicht möchte, weil es bei einer Haushaltsberatung – so ist es mir gelingt, die Not von Flüchtlingen wirksam zu mindern. als neuem haushaltspolitischen Sprecher gesagt worden – immer seriös zugeht, An diesem Beispiel wird deutlich: Außer symbolischen Po- litikelementen enthält dieser Nachtrag so gut wie nichts (Zuruf des Abg. Frank-Peter Kaufmann (BÜNDNIS Substanzielles. Daran ändert auch der Antrag der Regie- 90/DIE GRÜNEN)) rungsfraktionen nichts, der jetzt hier vorgelegt worden ist dieses auch seriös machen. Lieber Kolleginnen und Kolle- und den wir hier mitberaten. Ich bin der Meinung und dar- gen, die Sie nicht dem Haushaltsausschuss angehören, Ih- über gestolpert, dass Sie das Sozialbudget in diesem An- nen kann ich sagen, dass wir noch mitten in den Beratun- trag zwar erwähnen, denn von diesem Sozialbudget ist im- gen sind. Eigentlich ist es keine klassische zweite Lesung, mer die Rede, aber passiert ist in diesem Bereich gar die wir heute durchführen. nichts. Nach 27 Jahren Erfahrungen in diesem Hause weiß ich, (Beifall bei der LINKEN) wovon ich rede. Es ist praktisch heute eine Vereinbarung – Das hat Schwarz-Grün bisher immer nur angekündigt. Im die ich in keinster Weise bekrittele, aber die ich feststelle – Nachtragshaushalt ist – wie gesagt – davon nichts zu se- zwischen allen Fraktionen, damit man vor der Sommerpau- hen. Die klare Ansage dieses Haushaltes ist: Soziales kann se noch fertig wird, dass wir heute so tun, als wenn wir ei- warten. – Ihnen geht es eben nicht vorrangig darum, das ne zweite Lesung durchführen. Sozialbudget voranzubringen. Ihnen geht es zuallererst Wir sind mitten in den Beratungen. Wir haben die Anhö- darum, schöne Zahlen zu präsentieren, ob die nun tatsäch- rung der Kommunalen Spitzenverbände und die sogenann- lich Substanz haben oder nicht. ten kursorischen Lesungen durchgeführt. Das geschah, wie Diese Landesregierung zielt mit diesem Nachtrag vor al- das bei Entwürfen für Nachtragshaushalte meistens üblich lem darauf, Ressorts neu zuzuschneiden und Stellenhebun- ist, nicht mit einzelnen kursorischen Lesungen, sondern in gen vorzunehmen, die damit verbunden sind, vielleicht ein einer Gesamtveranstaltung, die, so glaube ich, wir am ver- Recht der neuen Landesregierung, aber sicher – der Kolle- gangenen Mittwoch durchgeführt haben. ge Schmitt hat es schon gesagt – viel zu üppig ausgefallen. Alle Fraktionen haben gesagt – das gilt auch für die FDP- Einige kurze Anmerkungen zum Nachtragshaushalt will Fraktion –, dass die entsprechenden Änderungsanträge, ich noch machen. Maßnahmen wie der Verlustausgleich wenn denn welche gestellt werden, erst in der nächsten für Kassel-Calden finden im Nachtrag ihren Platz. Der fällt Woche in den Geschäftsgang gegeben werden. Liebe Kol- allerdings höher als geplant aus. Man hätte sich im Nach- leginnen und Kollegen, die dem Fachausschuss nicht ange- tragshaushalt sicherlich mehr Initiative gewünscht. Selbst hören, das ist kein böser Wille, das hat etwas mit den Zeit- bei Programmen, die eigentlich hier im Hause unstrittig strukturen, z. B. auch mit den Sitzungsriten der Fraktionen, sind, wie etwa JeKi, herrscht offensichtlich Unklarheit, wie also von uns allen, zu tun. die in Zukunft finanziert werden sollen. Da wir mitten in der Beratung sind, kann man eigentlich (Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): nicht viel Neues zu dem Haushaltsentwurf sagen, als man Nein!) zur ersten Lesung gesagt hat. Wir sind jetzt alle ein bisschen klüger. Das gilt zumindest für die Abgeordneten Wir hätten uns auch gut vorstellen können, dass man, wenn der Opposition, weil in den kursorischen Lesungen die eine man schon die Grunderwerbsteuer erhöht, auch den sozia- oder andere Antwort noch gegeben wurde. Aber die Be- len Wohnungsbau zusätzlich fördert. Aber auch dieser Be- wertung, die eigentlich vorzunehmen ist, kann erst in der reich hat keinen Vorrang. So ist dieser Nachtragshaushalt dritten Lesung vorgenommen werden. ein Nachtragshaushalt, der vor allem die Durchsetzung schwarz-gelber Schuldenbremsenpolitik auf Kosten der Einen Satz aus dem Dringlichen Entschließungsantrag der Kommunen praktiziert. Sozialdemokratischen Fraktion können wir Liberale voll und ganz übernehmen. Das ist Nr. 4 – ich zitiere –: (Beifall bei der LINKEN) Der Nachtragshaushaltsentwurf ist finanzpolitisch Ein paar mehr grüne Flecken hätte man da schon erwartet. unambitioniert und ohne politischen Gestaltungswil- Offensichtlich ist es auch hier der Union gelungen, den len. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1051

Diese Aussage, die die sozialdemokratische Fraktion fest- Das heißt, Sie sind nicht hingegangen, zu schauen, wo wei- geschrieben hat, ist einfach richtig. terhin gespart werden kann. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der SPD) Ich komme zu meiner dritten und fast schon letzten Bemer- kung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Er ist unambitioniert. Er hat keinen politischen Gestal- Ihnen zurufen: Wir haben auch eine Vorstellung, warum tungswillen. Offensichtlich haben wir Liberale in diesem Sie das gemacht haben. – Sie zocken darauf, dass der Fall wieder einmal eine andere Wahrnehmung als die Mit- Haushaltsabschluss für das Jahr 2014 genauso erfolgreich glieder der anderen Fraktionen. Aber das ist nichts Schlim- ist, wie es der Haushaltsabschluss des Jahres 2013 war. mes. Ich finde, er ist noch nicht einmal beim Thema Schul- denabbau in irgendeiner Weise ambitioniert. Herr Kollege Schmitt sagt das immer so schön. Bei der Abschlussbilanz der schwarz-gelben Landesregierung, die Ich habe während der ersten Lesung darauf hingewiesen. fünf Jahre lang in der Verantwortung war, also beim Jah- Ich habe dabei ein Chart benutzt, das der Finanzminister resabschluss 2013, ist eine Haushaltsverbesserung von ins- sowohl in der Pressekonferenz als auch zuvor schon in der gesamt 973 Millionen € herausgekommen. Der Haushalt Sitzung des Haushaltsausschusses gezeigt hat, das besagt, hat sich um 973 Millionen € gegenüber dem Beschluss die- dass die Nettoneuverschuldung genau der Zahl entspricht, ses Hauses verbessert, der mit den Stimmen der CDU und die man aufgrund des Umsetzungsgesetzes für den Schul- der FDP vor eineinhalb Jahren, oder wann immer das ge- denabbau errechnet. Das sind 960 Millionen €. nau gewesen sein mag, getroffen wurde. Manche wussten es schon vorher, auch ich. Aber ich habe (Beifall bei der FDP) es während der ersten Lesung bewusst etwas locker formu- liert. Wir haben gelernt, dass dieses Gesetz eigentlich erst Das macht deutlich, wie erfolgreich wir gewirtschaftet ha- für den Haushalt 2015 Anwendung findet. ben. Das zeigt, wie erfolgreich meine Kollegen der Union, aber auch die Kollegen der FDP, Frau Beer und Herr Ich habe ein bisschen Vorwissen. Der Finanzminister hat Rentsch und, mit Verlaub, ich gehandelt haben, sodass wir uns diese Zahlen vorgelegt. Damit wird doch deutlich, dass gemeinsam eine Haushaltsverbesserung erzielt haben. Ich der Maßstab seines Handelns dieses Gesetz ist, auch wenn muss immer aufpassen, dass ich das richtige Wort nehme. es erst ab dem nächsten Jahr gilt. Denn das ist sowohl auf der Plusseite wie auch auf der Mi- Meine Logik ist und bleibt weiterhin, dass der Schuldenab- nusseite. Ich glaube, das Wort „Haushaltsverbesserung“ ist bau überhaupt nicht ambitioniert ist. Das ist keine Leis- untechnisch. Aber jeder versteht, was damit gemeint ist. tung. Vielmehr ist das das Pflichtprogramm. Die Landesre- Wir waren um 973 Millionen € besser. gierung musste das erbringen. Denn ansonsten würde sie Meine sehr verehrten Damen und Herren, darauf zocken gegen ihre eigene Philosophie und künftig geltende Ge- Sie jetzt. Ich habe aber das Gefühl, dass dieses Zocken setze verstoßen. nicht funktionieren wird. Denn die Voraussetzungen sind Während der Sitzung des Haushaltsausschusses habe ich jetzt andere, und man muss sich neu und zusätzlich an- versucht – mit mir gemeinsam tat das auch Herr Kollege strengen. Beträge, die in den Ressorts im Jahr 2013 haus- Schmitt –, einen anderen Weg zu gehen, um über die nach haltsverbessernd erwirtschaftet werden konnten, und zwar der Verfassung zulässige Verschuldungsgrenze informiert unabhängig davon, welche Kollegin oder Kollege es war, zu werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich haben auch etwas mit dem vorhergehenden Tun zu tun. darf Ihnen berichten: Auch wenn man die – ich sage das Jetzt machen Sie das nicht. einmal in Gänsefüßchen – alte, also für das Jahr 2014 noch Vierte Bemerkung. Sie vernachlässigen die Informations- geltende, Verfassungsregel des Landes Hessen anwendet, pflicht gegenüber Ihren Kollegen der Opposition. Ich finde kommt man auf alle Fälle auf einen Betrag von unter es schon heftig, dass beim Thema JeKi – das ist nichts 1 Milliarde € Neuverschuldung, die nur möglich ist. Das ist Schlimmes, sondern das heißt, jedem Kind ein eigenes In- ein Rechenbeispiel. Das haben wir am letzten Mittwoch strument – – bei mehreren Gelegenheiten geübt. (Mathias Wagner (Taunus) (BÜNDNIS 90/DIE Bei der Vorstellung des Nachtragshaushalts habe ich aus GRÜNEN): Oder so ähnlich! – Sigrid Erfurth den Mündern der Kollegen der Union und der GRÜNEN (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jedem Kind ein In- Jubel gehört. Sie sagten: Das ist eine Leistung von uns. – strument!) Nein, das ist Pflichtprogramm. Sie waren dazu verpflichtet, die Neuverschuldung unter 1 Milliarde € anzusetzen. – „Oder so ähnlich“. – Die Folge jedenfalls ist, dass jedes Kind ein Instrument haben soll. (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD) Bei diesem Programm ist klar, dass es nicht im Haushalt Das halte ich für unambitioniert. steht. Wir haben während der Sitzung des Haushaltsaus- Ich darf noch einmal auf eines hinweisen. Der Ministerprä- schusses nachgefragt und keine Antwort bekommen. Wir sident in seiner Funktion als Vorsitzender der CDU Hessen haben vorgestern während der Fragestunde nachgefragt hat auf dem letzten Landesparteitag der CDU erklärt, dass und keine Antwort bekommen. Wir haben immerhin dann es eine ganz besonders wichtige Aufgabe der Union in doch eine Antwort bekommen, ich glaube, sie kam von Hessen sei, die Nettoneuverschuldung herunterzudrücken, Herrn Lösel. Er hat gesagt: Wir wollen eine Verbindung weil man für die künftigen Generationen einen Entlas- mit dem Wissenschaftsministerium herstellen. In diesem tungseffekt haben möchte. Dann machen Sie das doch. Mit Zusammenhang wurde auch ein Programm genannt. diesem Nachtragshaushalt werden Sie ausschließlich die Vorhin wurde das wieder gesagt. Aus den Reihen der Pflicht erfüllen. Sie erfüllen ausschließlich nur die Pflicht. GRÜNEN höre ich aber: Natürlich wissen wir, wie wir das (Beifall bei der FDP) finanzieren. – Dann sagt es uns doch bitte. 1052 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Norbert Schmitt Sigrid Erfurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): und Marius Weiß (SPD)) Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In Was ist denn das für eine Überheblichkeit? Frau Erfurth, zweiter Lesung beraten wir heute den Nachtrag, den Fi- Sie haben sich hierhin gesetzt und dazwischengerufen: Wir nanzminister Schäfer für die schwarz-grüne Landesregie- wissen doch, wie wir es finanzieren. – Das ist nicht kolle- rung vorgelegt hat. Ganz ordnungsgemäß haben wir eine gial. Aber offensichtlich ist das für Sie kein Thema. Das Anhörung durchgeführt. Wir hatten eine kursorische Le- hat auch etwas mit – – sung. Zugegebenermaßen war die etwas ungewöhnlich, denn wir haben sie im Landtag durchgeführt und nicht in (Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Günter den Ministerien. Schork (CDU)) Wir haben heute die zweite Lesung des Nachtragshaus- – Nein, er hat es nicht gesagt. Herr Schork, ich habe das halts, und es ist auch nicht so ungewöhnlich, dass Ände- gerade eben noch einmal nachgelesen, weil ich den Vor- rungsanträge erst zur dritten Lesung kommen. Das passiert läufigen Stenografischen Bericht in der Hand hatte. Er hat sogar, wenn man reguläre Haushaltsgesetze berät. es nicht gesagt. Dieser Nachtrag heute in zweiter Lesung ist für uns der Sagen Sie es uns doch bitte. Was soll denn das Hinhalten? erste Schritt zur Umsetzung des finanzpolitischen Kon- Da wird offensichtlich etwas vorbereitet. Da kann man zepts, das wir uns in unserem schwarz-grünen Koalitions- doch mit offenen Karten spielen und sagen: Wir machen vertrag vorgenommen haben. Naturgemäß beschränkt sich das so und so. dieser Nachtrag zunächst einmal auf die nötigen Anpassun- Ich habe das Gefühl, dass Sie bei diesem Programm sogar gen für das laufende Jahr, die sich durch die Regierungs- die Unterstützung der FDP-Fraktion bekommen würden, bildung ergeben haben. Er bildet unsere neuen Schwer- wenn Sie es vernünftig finanzieren würden. Denn es war punkte ab: in der Energiewende, in der Wirtschafts- und immerhin Ernst Burgbacher, der schon über zehn Jahre Verkehrspolitik, in der Infrastrukturpolitik sowie in der lang Bundesvorsitzender einer ehrenamtlichen Musikverei- Umwelt- und Landwirtschaftspolitik. Nicht zu vergessen: nigung ist, der dieses Programm auf Bundesebene auf den Wir setzen einen neuen Schwerpunkt mit der neuen Stelle Weg gebracht hat und der ein guter Parteifreund und für Antidiskriminierung im Sozialministerium. Freund von mir ist. Im Übrigen ist er sehr knapp. Das ist so. Aber er zeigt Letzte Bemerkung. Wir, die Mitglieder der FDP-Fraktion, deutlich, dass er sich in ein finanzpolitisches Konzept ein- werden unsere Schwerpunkte natürlich mit Änderungsan- fügt. Gemeinsam mit der CDU haben wir von Anfang an trägen belegen. Beim Thema Grunderwerbsteuer ist es so, als unser zentrales finanzpolitisches Ziel im Blick: Wir dass wir nicht nur der Erhöhung nicht zustimmen werden, wollen Einnahmen und Ausgaben endlich ins Gleichge- sondern dass wir die Erhöhung des vorvergangenen Jahres wicht bringen. Wir wollen die Neuverschuldung ab 2019 wieder rückgängig machen wollen. Wir werden eine Ge- auf null reduzieren. genfinanzierung vorschlagen. (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- Wir werden uns für den Landesstraßenbau einsetzen, damit wie bei Abgeordneten der CDU) das, was Volker Bouffier und Florian Rentsch, was Jörg- Um das nochmals zu unterstreichen, legen wir Ihnen unse- Uwe Hahn und was Peter Beuth im Wahlkampf verspro- ren Antrag zu den finanzpolitischen Leitlinien vor. chen haben, tatsächlich effektiv umgesetzt werden kann. Da geht es zunächst um die Einhaltung der Schuldenbrem- se. Das machen wir mit unserem Antrag nochmals sehr Präsident Norbert Kartmann: deutlich, und das ist auch unser fester Wille. Die schwarz- Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss Ihrer Rede. grüne Koalition will und kann keine kurzatmige Finanzpo- litik von einem Haushaltsplan zum anderen betreiben, son- dern wir wollen nach einem festen Plan auf den strukturell Jörg-Uwe Hahn (FDP): ausgeglichenen Haushalt hinsteuern. Herr Präsident, vielen Dank. – Wir wissen, dass man we- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gen entsprechender Notwendigkeiten sogar höhere Beträge Ich möchte Sie nochmals an den überparteilichen Konsens braucht. Wir werden das Thema der Unterstützung der erinnern, den wir im Zusammenhang mit der Volksabstim- Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge und der mung zur Einführung der Schuldenbremse erreichen konn- Asylbewerber noch einmal aufnehmen. ten. Das war ja nicht selbstverständlich. In sehr konstrukti- Ich bedanke mich, dass die Beratungen bis auf das Thema ven Verhandlungen haben sich CDU, SPD, FDP und JeKi sehr offen und in meinen Augen auch sehr informativ GRÜNE auf einen Verfassungstext verständigt, und wir durchgeführt wurden. Ich hoffe, dass wir das zur dritten haben uns darauf verständigt, den Abbau der Neuverschul- Lesung abschließend schaffen. – Vielen herzlichen Dank. dung Schritt für Schritt vorzunehmen. (Beifall bei der FDP) In diesem Nachtrag haben wir jetzt den vom Finanzminis- ter konkretisierten Abbaupfad bis zum Jahr 2019 festge- stellt. Wir wissen auch schon heute – das ist schon in ande- Präsident Norbert Kartmann: ren Reden angeklungen –, dass die Einhaltung dieser Defi- Das Wort erteile ich Frau Kollegin Erfurth für die Fraktion zitgrenzen hohe Anforderungen an die Finanzpolitik stel- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. len wird. Das wird kein Spaziergang. Aber wir sind bereit, uns diesen Herausforderungen zu stellen. Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1053

Da möchte ich einmal auf den Antrag der SPD kommen. fehlen. Und dazu angemerkt: den Kommunen nochmals 10 Sie sind offenbar nicht bereit, sich irgendeiner Herausfor- Millionen €, die sie nämlich durch die Spitzabrechnung derung zu stellen. noch bekommen. – So viel zur kommunalfreundlichen Po- litik: 60 Millionen €, die Sie hier in Abrede stellen. Wenn ich mir diesen Antrag einmal anschaue und versu- che, Preisschilder hinter dem anzubringen, was Sie hier Dann sagen Sie, Sie wollen den Kommunen 350 Millio- vorschlagen, dann wird mir schwindelig. nen € für den KFA zurückzahlen. (Zurufe von der CDU: Ja!) Ja, die Kommunen haben schwere Haushalte und hohe De- fizite. Das haben wir gestern bei der Schuldenbremse be- Dann wird mir wirklich schwindelig. Beispielsweise sprochen. schreiben Sie, Sie wollen beim Landesstraßenbau neu in- vestieren. Sie schreiben da noch von einem zweistelligen (Zuruf von der SPD) Millionenbetrag. Herr Schmitt hat es dann hier konkreti- – Ja, 450 Millionen €; vorhin sprachen Sie sogar von 400 siert: 42 Millionen €. Millionen €. Das ist dieselbe Größenordnung. Dann sagen Sie, es sollen weitere 60 Millionen € für Asyl- Dann stellen Sie in Abs. 10 fest, dass der Rettungsschirm bewerber eingesetzt werden. Sie verschweigen, dass wir in nicht ausreicht. Hier steht nun kein Preisschild dran. Wie unserem Nachtrag bereits 60 Millionen € an die Kommu- viel darfs denn sein? 1 Milliarde €? 2 Milliarden €? – Ich nen ausschütten. weiß es nicht. Ich kann es nicht nachvollziehen. (Norbert Schmitt (SPD): Das reicht doch nicht!) Wenn ich das, was Sie hier schreiben, einmal mit groben – Das kann man so sehen. – Wir stellen den Kommunen Preisschildern versehe, dann komme ich auf eine gute hal- das zur Verfügung, was die steigende Zahl der Flüchtlinge be Milliarde Euro. Herr Schmitt, woher soll es denn kom- verlangt. Das sind 60 Millionen €. men? Ich frage Sie, ich frage die Kolleginnen und Kolle- gen von der SPD: Woher soll es kommen? Herr Schmitt, es stimmt: Es gab größere Wünsche. Die Kommunen haben gesagt, sie wollen 120 Millionen € ha- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und ben. Auf Nachfrage konnten sie uns aber nicht vorrechnen, des Abg. Michael Boddenberg (CDU)) wie sie das herleiten. Den einzigen Vorschlag zur Einnahmenerhöhung, den das (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Land tatsächlich umsetzen kann, nämlich die Erhöhung der Norbert Schmitt (SPD): Doch!) Grunderwerbsteuer, wollen Sie nicht haben. Bei dem Punkt, an dem wir die Hessische Verfassung ernst nehmen Es war nicht herauszubekommen, wie sie denn auf diesen und sagen, wir betrachten Einnahmen und Ausgaben, und Betrag von 120 Millionen € kommen. Herr Schmitt, ich wo wir in einem wirklich schweren Diskurs mit unserem bitte Sie. Das ist doch nicht seriös. Es ist doch nicht seriös, Koalitionspartner darum gerungen haben, wie wir das ge- zu sagen: „Dann schenken wir euch das einmal.“ Auch Sie meinsam schaffen – da sagen Sie: Nein, das wollen wir wissen doch: Wir sind in einem gemeinsamen Diskurs mit nicht. den Kommunen. Herr Dr. Dippel ist im guten Gespräch mit den Kommunalen Spitzenverbänden, um herauszufin- Ich finde es schon merkwürdig. Eine gute halbe Milliarde den, welcher Finanzbedarf wirklich besteht. Euro wollen Sie hier mehr ausgeben: ohne einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung. Sie haben etwas angekündigt. Ich Zunächst besorgen wir das, was zu besorgen ist. Es gibt 60 bin einmal gespannt, wie viel das wird, wenn Sie uns Ihre Millionen € für die gestiegene Zahl der Flüchtlinge. Wir Anträge vorlegen. setzen den Schwerpunkt im Sozialbereich, und das ist gut und richtig so. (Günter Schork (CDU): Einführung der Vermögen- steuer!) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – „Einführung der Vermögensteuer“ wird mir da zugeru- Damit komme ich wieder auf das Papier der SPD zurück. fen. Ich glaube, das war in Berlin auf Bundesebene so Hier schreiben Sie, Sie missbilligen den Wortbruch des Fi- nicht durchsetzbar. Dunkel habe ich das in Erinnerung. nanzministers, dass wir schon jetzt die Grunderwerbsteuer erhöhen. – Das finde ich lustig, echt lustig. (Norbert Schmitt (SPD): Wegen der CDU!) (Norbert Schmitt (SPD): Wir finden Wortbruch – Mittlerweile glaube ich auch: wegen der SPD; wenn ich nicht lustig!) die neuerlichen Äußerungen Ihres Parteivorsitzenden rich- tig verstanden habe. – Ich finde Ihr Anliegen, auf die Erhöhung der Grunder- werbsteuer zu verzichten, wirklich putzig. (Beifall der Abg. Daniel May (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Günter Schork (CDU)) (Heiterkeit des Abg. Hans-Jürgen Irmer (CDU)) Kommen wir einmal zurück zum Nachtrag. Ich möchte Vorne schreiben Sie, wir hätten nicht genügend Einnah- mich nochmals kurz mit den Veränderungen auf der Ein- men, und hinten schreiben Sie, wir sollen aber auf Einnah- nahmenseite beschäftigen. men verzichten. Ja, was wollen Sie denn nun? Ich habe Ihnen vorgetragen: Wir wollen eine wichtige Po- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und sition auf der Einnahmenseite erhöhen, nämlich die Grund- bei Abgeordneten der CDU – Zuruf des Abg. Jürgen erwerbsteuer. Das wird auch den Kommunen etwas brin- Lenders (FDP)) gen. In der vollen Jahreswirkung werden das 155 Millio- Sie nennen hier weitere 60 Millionen €, auf die wir ver- nen € Mehreinnahmen sein – wovon dann bei den Kommu- zichten sollen. Wir sollen die Grunderwerbsteuer nicht er- nen ungefähr 25 Millionen € ankommen. Ich finde, das ist höhen. Das heißt, es würden im Haushalt 60 Millionen € 1054 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 ein Wort. Da kann man künftig Sorge tragen, wie sich die einem nochmals enger gefassten Abbauplan für die Netto- Einnahmen besser gestalten. neuverschuldung, dass wir dem Rechnung tragen. Ich glaube, davon hat auch der Kollege van Ooyen vorhin Dass uns das trotz durchaus nicht einfacher gesamtwirt- gesprochen: Im Haushaltsabschluss 2013 hatten wir eine schaftlicher und finanzpolitischer Rahmenbedingungen ge- erfreuliche Entwicklung bei den Steuermehreinnahmen. Im lingt, kann uns, so glaube ich, gemeinschaftlich durchaus Jahr 2014 dreht sich das jetzt aber um, und wir haben jetzt zufriedenstellen. eine Delle bei den Steuereinnahmen. Das decken wir aus Zweite Bemerkung. Herr Kollege Schmitt, auch ständiges der vorsorglich angelegten Rücklage. Herr van Ooyen, da- Wiederholen macht aus einer falschen Behauptung keine für war die angelegt: dass wir die Steuermindereinnahmen Wahrheit. daraus decken können. (Manfred Pentz (CDU): Ganz genau!) Wir setzen Akzente im Sozialbereich. Ich habe Ihnen vor- getragen, dass wir zusätzlich 60 Millionen € für die Unter- Es gibt ob des Regierungswechsels keine einzige neue bringung von Flüchtlingen bereitstellen, weil die Zahlen Stelle. angestiegen sind. Und wir stellen weitere 10 Millionen € für die Betreuung von behinderten und nicht behinderten (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE Kindern zur Verfügung. GRÜNEN) Wenn ich das unter dem Strich zusammenfasse, dann kann Es werden im Stellenplan des Landeshaushalts vorhandene ich mit Freude feststellen: Wir haben es geschafft, in die- Stellen umgewandelt und dazu benutzt – – sem Nachtragshaushalt die Verschuldung unter 1 Milliar- (Zuruf des Abg. Norbert Schmitt (SPD) de € zu drücken. Das ist anders als bei Schwarz-Gelb. Sie hatten noch über 1 Milliarde € Schulden in Ihrem Haus- – Herr Kollege Schmitt, ein kw-Vermerk kann nur da an- halt, Herr Hahn. Ich kann nicht verstehen, warum Sie ge- gebracht werden, wo schon eine Stelle ist. Denn wenn kei- sagt haben, das wäre jetzt nur Pflicht und keine Kür. Sie ne Stelle da ist, kann ich keinen kw-Vermerk mehr strei- hatten es doch so vorgeschlagen, dass Sie dieses Defizit chen. Also entlarven Sie Ihren eigenen Vortrag als Un- reißen. wahrheit. Ich kann feststellen: Wir stellen Ihnen hier einen Nachtrag (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE vor, in dem die Verschuldung erstmals seit 2008 unter GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Vertiefte Sach- 1 Milliarde € liegt. Wir setzen Schwerpunkte im sozialen kenntnis erleichtert die Arbeit!) Bereich. Da sind wir auf einem guten Weg. Wenn wir so Dritte Bemerkung. Stichwort „Weimar-Rücklage“. Wir ha- weitermachen, werden wir auch sicherlich unser Ziel im fi- ben bereits bei der Haushaltsveranschlagung für das Jahr nanzpolitischen Bereich erreichen. – Ich danke Ihnen. 2013 ein Verfahren gehabt, in dem die Dotierung der Wei- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und mar-Rücklage im Haushalt vermerkt war. Sobald sich bei der CDU) Steuermehreinnahmen die Spielräume ergeben, wird dafür gesorgt, dass wir sie dotieren. Ende des Jahres 2013 haben wir Wort gehalten und die Dotierung vorgenommen. Die Präsident Norbert Kartmann: gleiche Vorschrift findet sich nunmehr im Entwurf des Nachtragshaushaltsplans für das Jahr 2014. Herr Finanzminister, Sie haben das Wort. Da es in Recife fürchterlich regnet, ist es gar nicht sicher, ob wir heute Ich hoffe, dass es uns am Ende des Jahres gelingen wird, noch viel Zeit haben. Es droht der Abbruch oder Verschie- die Dotierung an dieser Stelle vorzunehmen, um eben nicht bung. Das nur nebenbei. – Bitte schön, Herr Finanzminis- zusätzliche Schulden machen zu müssen und auf der ande- ter. ren Seite ein Guthaben anzulegen, sondern beides zu kom- binieren – Mehreinnahmen auf der einen Seite führen nicht zu mehr Ausgaben, sondern Mehreinnahmen führen dazu, Dr. Thomas Schäfer, Minister der Finanzen: dass Vorsorge für die Risiken für die Zukunft getroffen wird. Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung, die wir Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! treffen. Ich glaube, wir haben gemeinschaftlich allen Anlass, den Rednern der Opposition dafür zu danken, dass sie sich bei Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und will jetzt ihren Reden auf den Vortrag bekannter Argumente be- den weiteren Verlauf des Abends nicht stören. – Herzli- schränkt haben. Das erspart mir jetzt Redezeit, um einzelne chen Dank. Elemente wiederlegen zu müssen, sodass ich mich auf eini- (Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE ge wenige Bemerkungen konzentrieren kann. GRÜNEN – Manfred Pentz (CDU): Bravo!) Ich bin auch Kollegin Erfurth sehr dankbar, dass sie die Solidität des vorliegenden Entschließungsantrags der Sozi- aldemokraten hinlänglich präzise analysiert hat, sodass ich Präsident Norbert Kartmann: mir ein Eingehen darauf auch ersparen kann. Lassen Sie Vielen Dank. – Meine Damen und Herren, es liegen mir mich nur zwei bis drei Bemerkungen machen. jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Herr Kollege Hahn wies darauf hin, dass wir nur das Dann kommen wir zu dem Abstimmungsverfahren in der Pflichtprogramm machen würden. Ja, wir machen mehr als zweiten Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung das Pflichtprogramm. Aber auf der anderen Seite war es für ein Gesetz zur Änderung des Haushaltsgesetzes unsere gemeinschaftliche Entscheidung bei der Festlegung 2013/2014, Drucks. 19/524 zu Drucks. 19/387. Danach der Ausführungsregeln für die Schuldenbremse, dass wir kommen wir zu den entsprechenden Anträgen. das Pflichtprogramm so ambitioniert gestrickt haben, mit Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014 1055

(Günter Rudolph (SPD): Einzelpläne!) Einzelplan 08 – Hessisches Ministerium für Soziales und Integration. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer ent- – Nein, jetzt machen wir die Einzelpläne und dann die An- hält sich? – Dann stelle ich fest, dass mit dem gleichen Er- träge, und zwar in der Reihenfolge, wie das vorliegt. Wir gebnis Einzelplan 08 beschlossen worden ist. haben erst die zweite Lesung zu verabschieden. Es geht um eine andere Frage. Kollege Rudolph sagt, wir sollen zuerst Einzelplan 09 – Hessisches Ministerium für Umwelt, Kli- die Anträge verabschieden. Die haben nicht unmittelbar maschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wer mit dem Gesetzentwurf zu tun. stimmt zu? – Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Dann ist festzustellen, dass mit eben diesem Ergebnis Meine Damen und Herren, ich rufe zunächst auf zur Ab- Einzelplan 09 beschlossen ist. stimmung über den Einzelplan 01 – Hessischer Landtag. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Einzelplan 10 – kein Aufruf, da keine Änderung. Ebenso Stimme? – Dann stelle ich fest, dass der Einzelplan 01 bei bei Einzelplan 11. Das waren Staatsgerichtshof bzw. Hes- Zustimmung der Fraktionen von CDU, GRÜNEN und sischer Rechnungshof. FDP bei Ablehnung durch die anderen Fraktionen Wir stimmen ab über Einzelplan 15 – Hessisches Ministe- (Günter Rudolph (SPD): Nein, Enthaltung!) rium für Wissenschaft und Kunst. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Enthält sich jemand? – Dann ist dieser Ein- – Entschuldigung: Enthaltung – beschlossen ist. zelplan mit dem gleichen Ergebnis wie vorher beschlossen. Einzelplan 02 – Hessischer Ministerpräsident. Wer stimmt Meine Damen und Herren, wir haben nun den Antrag vor- zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann stelle liegen, dass wir den Haushalt zur Vorbereitung der dritten ich fest: Einzelplan 02 ist bei Zustimmung durch die Frak- Lesung an den Haushaltsausschuss überweisen. Wer die- tionen von CDU, GRÜNEN und FDP und bei Ablehnung sem Antrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – durch die anderen Fraktionen des Hauses – – Wer ist dagegen? – Stimmenthaltungen? – Dann ist das (Allgemeiner Widerspruch – Zuruf: Die FDP war einstimmig so beschlossen. dagegen!) Nun kommen wir zu Tagesordnungspunkt 50: Entschlie- Dann müsst ihr euch bitte hinsetzen. Meine Damen und ßungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS Herren, ich frage jetzt nicht mehr lang. Hebt klar die Hand. 90/DIE GRÜNEN betreffend finanzpolitische Leitlinien der Landesregierung weisen Weg zu generationengerechter (Florian Rentsch (FDP): Haben wir gemacht!) Haushalts- und Finanzpolitik, Drucks. 19/511. – Nein, nicht so, dass wir das gesehen haben. – Können (Hermann Schaus (DIE LINKE): Ausschuss!) wir jetzt fortfahren? – Bitte nehmen Sie Platz. Meine Da- men und Herren, Sie haben Abgeordnetenplätze. Herr Kollege Bellino. (Zuruf des Abg. Günter Rudolph (SPD)) Ich rufe noch einmal Einzelplan 02 auf. Wer kann dem zu- Holger Bellino (CDU): stimmen? Den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist da- Wenn ich es richtig verstanden habe, sind die Kollegen gegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Dann stelle ich von der SPD-Fraktion bereit, ihren Dringlichen Entschlie- fest: Zugestimmt haben die Fraktionen von CDU und ßungsantrag in den Ausschuss zu geben. Dann machen wir GRÜNEN, abgelehnt haben die Fraktionen von SPD, FDP das auch so. Das erspart uns die Abstimmung und einen und DIE LINKE. Dann stelle ich fest, dass dem Einzelplan weiteren Antrag für die dritte Lesung. 02 zugestimmt worden ist und er damit beschlossen ist. Einzelplan 03 – Hessisches Ministerium des Innern und für Sport. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält Präsident Norbert Kartmann: sich? – Dann stelle ich fest, dass der Einzelplan 03 mit Dann stelle ich fest, dass die Dringlichen Entschließungs- dem gleichen Stimmergebnis angenommen worden ist. anträge unter Tagesordnungspunkt 50 und Tagesordnungs- Einzelplan 04. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer punkt 78 an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. enthält sich der Stimme? – Dann ist mit gleichem Ergebnis Besteht da Konsens? – Dann haben wir das so beschlossen. Einzelplan 04 angenommen. Meine Damen und Herren, wir müssen noch die Tagesord- Einzelplan 05 – Hessisches Ministerium der Justiz. Wer ist nung bereinigen. Gibt es den Vorschlag, alle übrigen Punk- dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist te in die nächste Plenarrunde zu schieben? – Herr Kollege mit dem ebenso gleichen Stimmergebnis dieser Einzelplan Rudolph. angenommen worden. Einzelplan 06 – Hessisches Ministerium der Finanzen – in Günter Rudolph (SPD): Verbindung mit Einzelplan 17 – Allgemeine Finanzver- Wir bitten, Tagesordnungspunkt 46 zur abschließenden waltung und dem Einzelplan 18 – Staatliche Hochbaumaß- Beratung dem Innenausschuss zuzuweisen. Alle anderen nahmen. Wer stimmt zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer Punkte können ins nächste Plenum geschoben werden. enthält sich der Stimme? – Dann ist mit ebenso gleichem Ergebnis dieser Einzelplan 06 beschlossen. Einzelplan 07 – Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Präsident Norbert Kartmann: Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Wer stimmt zu? Widerspricht jemand dem Vorschlag des Kollegen Ru- – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Da- dolph? – Das ist nicht der Fall. Das heißt: Tagesordnungs- mit ist mit dem gleichen Ergebnis Einzelplan 07 beschlos- punkt 46 wird zur abschließenden Beratung an den Innen- sen. ausschuss überwiesen. 1056 Hessischer Landtag · 19. Wahlperiode · 16. Sitzung · 26. Juni 2014

Dann können wir beschließen, dass die restlichen Tages- Meine Damen und Herren, damit ist die Tagesordnung für ordnungspunkte im nächsten Plenum aufgerufen werden. heute erschöpft. Ich wünsche einen spannenden Abend. Feiern Sie schön. (Schluss: 17:41 Uhr)