Nr. 17 | Brückengeneration 5 | April · Mai 2020 | Euro 5,50

Österreichische Post AG | PZ16Z040851P Amt der Kärntner Landesregierung Abteilung 14 – Kunst und Kultur Burggasse 8, 9021 Klagenfurt

CARINTHIja 2020 Ein Land in Zeitreisen und Perspektiven. www.bruecke.ktn.gv.at Ort

Sprachbilder von Werner Hofmeister Hofmeister Werner Fotos:

„SIE sind hier“. Das ist üblicherweise das Orientierungszeichen auf einer Orientie- rungskarte. Der ORT ist hier. DU bist da. Doch ORT und DU sind geschrieben mit Buchstaben, die Signets und damit Symbole sind. Werner Hofmeisters Eisenstelen Elisabeth Wedenig: „Überdachte Gedanken“ schreiben diese Vergewisserung als Skulpturen im Werner Berg Museum auf: als aus der Serie „Ich warte hinterm See“. Foto: Lisa Lux Rettungsreifen, als ein auf den Kopf gestelltes Anker-Zeichen, als den kopflosen Leonardo-Menschen, als Werkstatt-Zeichen, als Twitter-Taube, als Apfel und als eingetragenes Markenzeichen. Werner Hofmeister baut archaische Sprachbilder, die in der Vermengung mit der Logokultur ganz neue Interferenzen und Symbiosen hervorrufen: Sie werden Sprachbilder, fühlbar in der Materialität. Im Inneren strahlt seine „Kiwi“, mit dem innersten Kern seines „Q“. vorort „Q“ ist die Quelle. Als der Kärntner Künstler Werner Hofmeister 1993 mit der Arbeit zum Quellekomplex beginnt, wird er über Jahre zum Einbuchstabenschrei- ber. Das „Q“ wird zum Zentrum seiner Kunst – daraus entspringen zahlreiche „wohin aber gehen wir“ Arbeiten im Graubereich zwischen Bild und Schrift. Eine eigene „Zeichen“-Sprache oder auch Bilder-Schrift entsteht. Er hat vor Jahren in Klein St. Paul ein „Museum für Quellenkultur“ gegründet. Buchstaben, Laute, das Wechselspiel zwischen Bild Diesmal haben wir eine BRÜCKE aus Molekülen und Text oder auch die Sprache selbst sind in seinen Arbeiten von Beginn an allge- unserer Geschichte(n) gebaut, von der aus man genwärtig. Oft ist es nur das Wenige, das Schweigen und das Verschweigen, was in Vergangenheits-, Jetztzeit- und Zukunftspano- er mit seiner Heimat Kärnten verbindet. Den Laut. Den Klang. Die nicht in eine ramen schauen kann. Kärnten/Koroška begeht abstrakte Sprache überführbare Bedeutung. So wird Werner Hofmeister zum gro- ein Jubeljahr, das das Amalgam der vergange- ßen Meister der Reduktion, die vielleicht in keinem Ort so reduziert möglich ist wie nen einhundert und mehr Jahre ist. Eine Erinne- in Kärnten. Er setzt auch Wortspiele ein, Redewendungen, Phrasen, Textfragmen- rungsfeier mit den vielgestaltigen Narrativen te, die wie Werbeslogans anmuten. Er setzt mitunter auch Zitate ein, um auf ver- und Deutungsmachtkämpfen eines Weltordnun- schüttete Zusammenhänge hinzuweisen. gen umwälzenden Jahrhunderts im Gepäck. „Das Göttliche (Religion), das Geschlecht (Sexualität), das Geld (Kapitalismus) und Heim-Weh kann viele Ausprägungen haben. Seit die Gewalt (Krieg) sind die Grundlagen [...] und es sind dies, keineswegs zufällig, ewig und hundert Jahren schwelt überall auf der auch die bestimmenden Faktoren unserer Zeit. Als Bindeglied zwischen ihnen und Welt der Kampf zwischen Gut und Böse, zwi- als Katalysator, der die symbolische Bedeutung häufig erst sichtbar macht, wirkt schen jenen, die Recht haben und denen, die dabei das Quellen- und Ursprungszeichen, Hofmeisters künstlerisches Alpha und 1 Recht haben. Wer sich auf diese Fronten ein- Omega, seine Zauberformel Q.“ Die Zeichen selbst – es sind dies vom Künstler lässt, begeht den Grimm’schen Wettlauf des veränderte oder verrätselte Symbole – schöpfen aus den kalligraphischen Hasen mit dem Igel. Dem Hasen ist seine Nie- Traditionen verschiedener Kulturen und Zeiten: Er erschafft so eine Bildsprache, derlage unbegreiflich. Er verlangt Revanche und die an eine mystische Vergangenheit mahnt und diese mit der Gegenwart führt so viele Rennen mit dem immergleichen verbindet, stets im Zeichen des „Q“, der Frage nach der „Quelle“. Ergebnis durch, bis er entkräftet zusammen- In den letzten Jahren hat sich dieses „Q“ erweitert. Doch der Symbolwert der Buch- brichtDa=JA-JA=DA und stirbt. staben ist geblieben – nicht im alten Sinn Wernerder Entstehung Hofmeister des Alphabets, 2020 aber doch Wir wissen, dass die Auseinandersetzung mit als eine einzigartige Aktualisierung dieser Idee der Sumerer und Hebräer. Was deren der eigenen Geschichte unerlässlich ist. Aber Abstraktionsleistung vom Übergang des Bildzeichens der Ägypter, ja der Chinesen was nützt uns die Erinnerungskultur, wenn wir, hin auf eine nunmehr wenige Zeichen umfassende Zeichensprache war, führt Hof- wie es Erich Kästner formulierte, „uns nicht meister mit der Logokultur der Gegenwart auf eine weitere Stufe des Denkens über zugleich auch an unser eigenes Verhalten erin- die Bausteine von Sprache: Schrift ist bei ihm nicht nur mehr abstrakt, Schrift macht nern, dieses reflektieren und prüfen?!“ Weil, Räume auf und Räume zu. Sie eröffnet Emotionen, Freiheit und engt auch ein. so Kästner weiter, „immer, wenn von der Ver- ORT. DORT. FORT ist die erste Arbeit Hofmeisters in dieser Reihe des Nachden- gangenheit gesprochen wird, auch von der kens über das Hier, das Du, das Jetzt und die Anwesenheit. Nur eine kleine Hinzu- Zukunft die Rede ist.“ Ja, es gilt, die fügung und alles ist anders. Der Motorradfahrer rast davon. Geschichtsschreibung gegen den Strich zu ● Johannes Rauchenberger bürsten. Und genauso sind wir auch dazu ange- * 1969 in Weiz, Studium der Kunstgeschichte und Theologie, seit 1999 Leiter des Kulturzentrums der Minoriten, ein Mehrspartenhaus für zeitgenössische Kunst, Gegenwartskultur und Religion in Graz. halten, unsere Jetztzeit auf Mythen, Sollbruch- stellen und doppelte Böden hin abzuklopfen Werner Hofmeister: Neue Skulpturen und hinzuspüren, wo es hohl klingt. Garten des Werner Berg Museums, Bleiburg Lesen Sie wohl! Eröffnung: 30. April, 19 Uhr

1 Klaus Amann, Werner Hofmeisters BildSchrift, in: Zeilen, Hofmeister 2010-2011, 2011, S. 86. ● Gabbi Hochsteiner Chefredaktion DIE BRÜCKE

Cover: Marko Lipuš: Berg #2. Die Arbeit ist Teil des CARINTHIja 2020-Projektes „imagined – rethinking reality“ [siehe BRÜCKEnseite 39]. Foto: Marko Lipuš | www.markolipus.com BRÜCKEN.BOGEN

4 Interview: Christiane Ogris und Igor Pucker zu CARINTHIja 2020. Karin Waldner-Petutschnig „Nicht jeder Tag trägt Lederhosen!“ 6 Essay. Oblivio. Erinnern und Vergessen als kulturelle Leistungen. Konrad Paul Liessmann 8 Wo man Grenzen überbrückt. Die Kunst- und Kulturprojekte von CARINTHIja 2020. Karin Waldner-Petutschnig 11 Ein Wortwechsel mit Martin Traxl. DIE BRÜCKE 13 Im Gespräch mit Peter Fritz. Kurator der Ausschreibungsprojekte. Karin Waldner-Petutschnig 14 Winterstiefel. Ein literarisches Denkmal. Daniel Wisser Ein Augenblick Brücke. Heimat/Domovina. Stefan Reichmann 15 welter.skelter. Das Ende der alten weißen Männer. Oliver Welter 16 Denk-Male. Sinnbilder unserer Beziehungsgeflechte. Bertram Karl Steiner 17 denk.mal. Erinnerungszeichen. Geraldine Klever 18 Die Historie der Selbstbestimmung. Wilhelm Wadl 19 kultur.tipp. Symposium des Geschichtsvereins. Sabine Ertl 20 Mehr als Peršmanhof versus Ulrichsberg. Die Mobile Ausstellung CARINTHIja 2020. Wolfgang Rössler 23 kultur.tipp. Dober Tag. Die Grußmaschine. Daniel Gönitzer 24 Wasser und Floß. Majda Krivograd. Markus Waitschacher 25 Filmische Geschichtsaufarbeitung. Milena Olip. Sabina Zwitter-Grilc 26 Ästhetik jenseits aller Ideologie. Das Künstlerduo zweintopf. Reinhard Kacianka 27 kari.cartoon. Marko Lipuš | Astrid Langer 28 Als die Priester gehen mussten. Wolfgang Rössler 30 Das Festprogramm des Landes Kärnten im Jubiläumsjahr 2020. Martina Hornböck 31 Worte großer Philosophen. Antonio Fian 32 Die Bildsprache der Volksabstimmung. Andrea Hoffmann 34 Heimat: ein Minenfeld. Das lange Scheitern an einem kurzen Wort. Reinhard Kacianka 35 Brücken bauen – Gradimo mostove. Daniel Gönitzer 36 Reflexionen über Anton Koligs zerstörte Fresken. Guido Katol im Interview. Katharina Herzmansky 38 „Hranca _._ Grenz“: Sichtbarmachung von Unsichtbarem. Andreas Peterjan 39 imagined carinthia – rethinking reality. Tanja Peball 40 Tischgespräche und Wahlexperimente im Museum am Bach. Lukas Vejnik 41 schräg.lage. Die Babica im Keller. Christian Hölbling 42 Festival „horizontal 20“. Michael Cerha 43 30 Jahre IG KiKK und das CARINTHIja-Projekt: Neuer Platz für Kultur. Brigitte Strasser 44 edition B kunst.aus.druck. Kevin A. Rausch. Nora Leitgeb extra.blatt. somehow a world crisis. 46 Angelika Kaufmann. Heimo Strempfl 47 Lilian Faschinger. Rückeroberung im erstgeborenen Land. Katharina Herzmansky 48 Ein Kaleidoskop der jungen Festspiele Taggenbrunn. Helmut Christian Mayer 49 André Heller in Kärnten? Eine Spurensuche. Anna Baar 50 Stationen des Kärntner Ausstellungsjahres. Sabine Ertl 52 Wider das Ressentiment. Lukas Vejnik und THEATER wolkenflug. Albert Kirchengast 53 Generationenwechsel in der Galerie3. Tina Perisutti 54 Ein Gespräch mit Bernd Liepold-Mosser, über das neue Klagenfurt Festival. Wolfgang Huber-Lang 55 literatur.tipp. Peter Handke: Das zweite Schwert. Katharina Pektor 56 nachlese.ponovno branje. Humbert Fink. vorlese.prvo branje. Barbara Juch. 58 buch.tipps. Lesen Sie gefälligst! 60 musik.tipps. Das Beste ... steht nicht in den Noten. 61 seite.ohne.namen. Grenzenübergreifende CARINTHIja-Vokalprojekte. Michael Herzog 62 kultur.tipps. Elisabeth Oberlerchner | Kati Ladstätter | Ilse Gerhardt | Mirjam Schmidt | Johanna Wohlfahrt 64 aviso

Zur aktuellen Lage

Geschätzte Leserinnen und Leser, zeitgleich mit der Fertigstellung dieser Ausgabe kam es seitens der Bundesregierung zum Erlass von Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Unter anderem sind demnach – vorläufig bis 13. April – Veranstaltungen untersagt sowie verschiedene Häuser und Kulturinsti- tutionen einstweilig geschlossen. Bitte bedenken Sie beim Lesen dieser Ausgabe, dass speziell die terminrelevanten Informationen darin teils keine Gültigkeit mehr haben. DIEse BRÜCKE ist dem Schwerpunktthema „CARINTHIja 2020“, dem Großprojekt des Landes Kärnten anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Volksabstimmung, gewidmet. Seit mehreren Jahren laufen die Vorbereitungen und Projektent- wicklungen dafür, für den 29. April ist die große Eröffnungsfeier geplant. Wir möchten Ihnen in diesem Heft die Bandbreite und Inhalte von CARINTHIja 2020 näherbringen, können allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen, wie sich die Situation bezüglich der Durchführbarkeit der Projekte und Initiativen weiterhin gestalten wird. Wir bitten um Ihr Verständnis und ersuchen Sie, sich hinsichtlich der weiteren Entwicklungen zu informieren und sich bei Bedarf über die Durchführbarkeit der einzelnen Veranstaltungen direkt bei den Kulturveranstalter*innen zu erkundigen.

Dankeschön und beste Grüße, Igor Pucker Herausgeber DIE BRÜCKE, Abteilung 14 – Kunst und Kultur

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 3 „Da hat sich was gegründet, was über 2020 hinaus dauert!“ Kärnten feiert. Kärnten reist. Mit vielen neuen Ideen wird heuer der Volksabstimmung 1920 gedacht.

Bei Protokollchefin Christiane diesen Feiern wird der Persön- unlängst etwa den Neujahrsempfang des Ogris und Kulturabteilungslei- lichkeiten gedacht, die im Landes mit 1.400 Besuchern. Aber die ter Igor Pucker laufen die vielen Abwehrkampf tätig waren, Män- Dimension von CARINTHIja 2020 ist beson- Fäden der 100-Jahr-Jubiläumsfei- ner wie Wedenig, Schumy, Hül- ders, so ein Fest der Täler hat es noch nie erlichkeiten des Landes zusammen. gerth, Lemisch u. a. Das Ende ist dann gegeben. Der Verkehr soll großteils fern- Im Gespräch geben sie einen Überblick für 17:30 Uhr in Maria Saal beim Her- gehalten werden, die Straßenzüge inner- über das Festprogramm und die Mobile zogstuhl geplant. Und am 10. Oktober halb des Rings sind so wie bei der Euro Ausstellung im Rahmen von CARINTHIja wird es auf 12 Plätzen in der Klagenfurter 2008 gesperrt. Sämtliche Busse werden 2020. Innenstadt von 9 bis 16 Uhr ein kulturel- im Einsatz sein, die Takte beim Zugverkehr les Programm geben. Bei einem „Fest der erhöht, wir richten Auffangparkplätze ein Frau Ogris, Sie organisieren seit sieben Täler“ werden sich 17 Kärntner Täler mit und Shuttledienste. Es wollen ja nicht nur Jahren die offiziellen Feiern zum 10. ihren Besonderheiten präsentieren, außer- die Besucher in die Stadt, sondern auch Oktober. Was hat sich in dieser Zeit dem Klagenfurt, Villach und ihre Partner- die tausenden Teilnehmer, die aus allen geändert, wie wird es heuer sein? städte aus dem Alpen-Adria-Raum sowie Teilen Kärntens kommen. Am weitesten Ogris: Im Laufe der Jahre haben wir Verbände, slowenische Organisationen haben es dabei die Menschen aus dem versucht, das Jubiläum zeitgemäßer zu und Ähnliches mehr. Mölltal! gestalten. Die beiden Volksgruppen sind in kleinen Schritten aufeinander zugegan- Was erwartet die Besucherinnen und Gab’s für Sie im vergangenen Jahr im gen, das Slowenische ist zu einer Selbst- Besucher beim Fest der Täler? Zuge der Vorbereitungen ein besonders verständlichkeit geworden. Und das Pub- Ogris: Die Täler stellen sich mit den schönes Erlebnis, etwas, das Sie über- likum hat sich geändert. Wir haben viel jeweiligen Besonderheiten vor, die ihre rascht hat? mehr Schüler, junge Sportler etc. dabei. kulturelle Vielfalt und Identität ausma- Ogris: Für mich ist das Tollste, dass alle chen. Der Auftritt der Täler wird von eigens Beteiligten mit so großem Engagement Was sind die Eckpunkte des Veranstal- bestimmten Koordinatorinnen und Koor- dabei sind. Es hat bereits unzählige Sit- tungsreigens? dinatoren vorbereitet und organisiert. In zungen gegeben, viele Genehmigungen Ogris: Am 7. Oktober gibt es im Wap- den Straßenzügen rund um die Plätze wird sind nötig, Verkehrsplanung, Polizei, Feu- pensaal des Klagenfurter Landhauses die es kulinarische Kostproben der Regionen erwehr, Rettung, alle helfen mit, machen offizielle Festsitzung mit dem Herrn Bun- geben. uns auch auf Dinge aufmerksam, an die despräsidenten und internationalen Gäs- wir nicht denken. ten. Auch Präsident Pahor aus Slowenien Wie sieht denn die Verkehrslösung aus? ist eingeladen. Am 9.10. werden den Das muss ja ein großer logistischer Pucker: Das betrifft auch die Mobile ganzen Tag über Kranzniederlegungen Aufwand sein. Ausstellung. Es war gar nicht so leicht mit Landes- und Gemeindepolitikern auf Ogris: Für das Protokoll sind derartige festzulegen, wann wir damit wo sind. Jetzt Friedhöfen und bei Gedenkstätten statt- Events immer sehr herausfordernd. Wir ist alles fixiert: Wir starten am 29. April finden. Das offizielle Kärnten reist. Bei machen im Jahr rund 100 Veranstaltungen, in Völkermarkt und enden am 30. Oktober

4 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Igor Pucker und Christiane Ogris. Foto: Fritzpress

in Villach. Für mich war das schönste acht Kärntner Gemeinden: Völkermarkt, Tag oder am Vorabend. Am 10.10. sind Erlebnis das Treffen aller Beteiligten der Wolfsberg, St. Veit/Glan, Spittal/Drau, wir damit allerdings nicht in Klagenfurt, Ausschreibungsprojekte im November im Feldkirchen, Klagenfurt, Hermagor, Vil- sondern in Hermagor, da wir in der Lan- Lakeside Park. So etwas haben wir in lach. Dabei sollen in einer einzigartigen deshauptstadt die große Festveranstaltung Kärnten noch nicht erlebt! Da waren etwa Landmark-Architektur 100 Jahre Kärntner auf dem Neuen Platz haben. Vertreter der Heimatverbände neben Kul- Geschichte dargestellt werden. Auf einer turschaffenden der IG KiKK und vielen 40 Meter langen Plattform werden auf An wen richtet sich die Schau? anderen mehr, man hat sich in Workshop- mobilen Ausstellungselementen Themen Pucker: Vom Volksschüler bis zum Er- gruppen zusammengesetzt und wir haben wie die Volksabstimmung 1920, die Ent- wachsenen soll sich jeder angesprochen starke Impulse bekommen. Man hat wicklung Kärntens in 100 Jahren, Erinne- fühlen! Für die Betreuung der Besucher gespürt, da hat sich was gegründet, was rungsorte, die beiden Landessprachen, und die Vermittlung der Inhalte in Form über das Jahr 2020 hinausdauert. Ein ausgewählte Biografien sowie ein gren- von Führungen, Workshops u. Ä. steht das besonders schöner Moment war auch, als zenloses Kärnten als traditionsreiche professionelle Team der WissensWertWelt ich eines Abends die ersten „Citylights“ Zukunftsregion Europas aufbereitet. zur Verfügung. Man kann sich die Ausstel- mit den Sujets gesehen hab und damit war lung aber natürlich auch alleine ansehen. es unzweifelhaft: Jetzt geht es los, jetzt ist Wie wird das genau aussehen? es offiziell. Pucker: Geplant wurde die Ausstellungs- Was geschieht nach dem Ende der Lan- architektur von „Winkler + Ruck Archi- desausstellung mit der Mobilen Aus- Was ist die Grundidee hinter der Mobi- tekten“ und Ferdinand Certov, die ja auch stellung? len Ausstellung? das Landesmuseum umbauen. Am Anfang Pucker: Sie geht danach ans Landes- Pucker: Das umfangreiche Programm und Ende der Plattform sind zwei Pavillons, museum. Schön wäre, könnten wir die mit den Kulturprojekten findet ja vor die man abends schützend über den Vit- Konstruktion bis zur Neueröffnung irgend- allem in der Abstimmungszone statt. Wir rinen zusammenschieben kann. Durch die wo im Umfeld des Rudolfinums aufstellen wünschen uns aber, dass ganz Kärnten beweglichen Stellwände und Vitrinen erge- oder an einer Außenstelle positionieren. vom Jubiläum berührt wird. Der Leitge- ben sich unterschiedliche, barrierefreie ● Karin Waldner-Petutschnig danke ist also: Nicht das Land besucht Schauräume, teilweise sind ganze Wände (55) ist freie Kulturjournalistin in Klagenfurt. Neben ihrer fast 30-jährigen Tätigkeit bei der „Kleinen Zeitung“, die Ausstellung, die Ausstellung kommt ein Bildschirm. Geschichte wird auch leitete sie 12 Jahre den Carinthia-Verlag und drei Jahre aufs Land! audiovisuell und interaktiv erlebbar sein. das Museum Liaunig.

Wie soll dabei Geschichte erlebbar Wie ist der Ablauf in den Bezirksstädten gemacht werden? geplant? Pucker: Das Landesmuseum Kärnten Ogris: Es ist jeweils eine eigene Eröff- entwickelt mit einem interdisziplinären nung mit dem jeweiligen Bürgermeister Team externer Expertinnen und Experten und wenn möglich dem Landeshauptmann und realisiert die Mobile Ausstellung in vorgesehen – entweder am angegebenen

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 5 Oblivio Erinnern und Vergessen als kulturelle Leistungen.

Wie erinnern? Warum gedenken? Welche 100 Jahren trat der Vertrag von Saint- tion, sofern sie sich mit Künstlern, Wis- Bedeutung hat die Vergangenheit für die Germain in Kraft, der die Auflösung der senschaftlern und Ereignissen der Vergan- Gegenwart? Braucht Zukunft wirklich österreichischen Reichshälfte der ehema- genheit auseinandersetzt, untergeordnet Herkunft? Und wenn ja, wer definiert, ligen Habsburgermonarchie formell regel- wird. Allerdings hat die Sache auch eine welche Herkunft Zukunft hat? Solche und te, und in Kärnten wurde eine Volksab- andere Seite. Denn ohne diese Kultur der ähnliche Fragen stellen sich bevorzugt in stimmung über das Schicksal der südlichen Gedenktage gäbe es für wichtige Unterneh- jenen Jahren, die ein gehäuftes Maß an Landesteile abgehalten. mungen schlicht kein oder zumindest Jubiläen abzuarbeiten haben. 2020 ist solch merkbar weniger Geld. Ohne die runden ein Jahr. Die Musikwelt steht im Banne Verhältnis zur eigenen Geschichte. Kri- Geburts- und Todestage, ohne ritualisierte Ludwig van Beethovens, die Gutenberg- tische Beobachter der Kultur verspüren Jubiläen und kollektive Erinnerungsakte Galaxis kreist um Friedrich Hölderlin, die angesichts solch einer Inflation an Gedenk- würden zahlreiche Symposien nicht Philosophie erinnert sich an den Meister- tagen in der Regel ein ziemliches Unbeha- abgehalten, etliche Bücher nicht geschrie­ denker G. W. F. Hegel, sie alle wurden vor gen. Nicht nur, dass man dadurch in die ben, viele Ausstellungen und Forschungs- 250 Jahren geboren. Wir könnten aber Pflicht genommen wird, und sich, ob man projekte unterbleiben und manch eine auch des 200. Geburtstages von Friedrich will oder nicht, im Jahre 2020 eben mit mediale Sensation einfach verpuffen. Engels oder des 150. Geburtstages von Beethoven, dem Ende des Ersten Weltkriegs Gedenk- und Jahrestage sind auch notwen- Wladimir Iljitsch Lenin gedenken, ebenso oder Lenin beschäftigen muss, der Kultur- dige kollektive Veranstaltungen, in denen des 1.000. Todestages von Leif Eriksson, betrieb orientiert sich selbst zunehmend abseits der tagespolitischen Aktualitäten des Entdeckers des nordamerikanischen an solchen Gedenktagen. Wer immer viel- eine Gesellschaft ihr Verhältnis zur eigenen Kontinents. Und wir müssen uns auf eine leicht seit Jahren über Hölderlin, die Kärnt- Geschichte reflektiert. Reihe historischer Ereignisse besinnen, ner Volksabstimmung oder die Wikinger Jubiläen und Jahresregenten geben so vor 75 Jahren wurde das Vernichtungsla- arbeiten wollte, weiß, das Buch muss im die Möglichkeit, dass sich eine Zeit ihrer ger Auschwitz-Birkenau befreit, fielen die Jubiläumsjahr erscheinen. Gedenktage Stellung zur Vergangenheit vergewissert. Atombomben auf Hiroshima und Nagasa- erscheinen so als rein äußerliche Anlässe, Die Gewichtung, Intensität und inhaltliche ki und endete der Zweite Weltkrieg, vor zufällige Daten, denen die geistige Produk- Ausrichtung solcher Veranstaltungen gibt

6 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Guido Katol nimmt in seiner aktuellen Intervention im Rahmen des Landesprojekts „CARINTHIja 2020“ auf die 1938/39 im Klagenfurter Landhaus abgeschlagenen Fresken Anton Koligs Bezug, greift sie in zeitgemäßer Farben- und Formensprache auf und setzt somit einen Kristallisationspunkt der Kunstgeschichte in Kärnten in neues Licht (Katharina Herzmansky). Die großformatigen Arbeiten werden ab 28. April (19 Uhr) im Kolig-Saal im Landhaus zu sehen sein [siehe S. 36-37]. Foto: Guido Katol: Frühling / F. Neumüller

darüber Auskunft, welchen Wert man wohlfeile Zwecke zu instrumen- solch eine Vergangenheit auch Vergangenem in Hinblick auf die eigene talisieren. Dass vor allem die als eine Erinnerung ragen, die Gegenwart und nahe Zukunft zumisst. großen Zivilisationsbrüche und verblassen darf, weil man sich Natürlich kann es dabei nie darum gehen, Menschheitsverbrechen des 20. Jahr- ihrer auf eine unproblematisch objektiv die Bedeutsamkeit von Künstlern, hunderts nicht vergessen werden dürfen, gewordene Weise versichert. Eine schöne Politikern oder historischen Ereignissen ist allgemeiner Konsens. Zu tief war der Wendung könnte etwa eine Erinnerungs- festzuhalten, sondern darum, Differenzen damit verbundene Blick in die Abgründe kultur nehmen, die Ereignisse der Ver- in Kontinuitäten zu betonen – Beethoven des Menschlichen, als dass wir auf diese gangenheit wie den Kärntner Abwehr- galt auch dem 19. Jahrhundert als Genie, mahnende Erinnerung verzichten könn- kampf und die Volksabstimmung des aber wir feiern ihn anders –, Vergessenes ten. Solange man es mit Menschen zu tun Jahres 1920 zu einem willkommenen oder Verdrängtes wieder ins Bewusstsein hat, muss man wissen, wozu Menschen Anlass nimmt, um einfach gemeinsam zu holen und anderes, das uns unange- fähig sind. Für anderes aber lässt sich und grenzüberschreitend zu feiern. Es nehm oder peinlich geworden ist, sanft in sehr wohl die Frage stellen, ob die seit der muss nicht jeder Schimmer, den die Ver- den tiefen Brunnen der Vergangenheit Antike bekannte Formel des Vergessens, gangenheit auf die Gegenwart wirft, mit gleiten zu lassen. Spätere Zeiten werden die oblivio, mit der auch als ungerecht der Schwere von obsolet gewordenen manches davon vielleicht wieder hervor- empfundene Friedensschlüsse versehen Identitäts- und Grenzfragen unnötig ver- holen. wurden, nicht eine gewisse Berechtigung dunkelt werden. Aus heutiger Perspekti- hat und Ausdruck von Humanität sein ve könnte dieses Jubiläum auch als Aus- Formel des Vergessens. Die Erinnerung kann. Um dem Frieden überhaupt eine druck der zuerst schwierigen, dann immer an geniale Wissenschaftler und Künstler, Chance zu geben, war es im alten Athen freieren und selbstverständlicheren Lust noch mehr aber die Auseinandersetzung nach einem Bürgerkrieg sogar verboten, an einem gemeinsamen Leben in Vielfalt mit Ereignissen der Geschichte, stehen sich „an das Schlimme“ zu erinnern. gewertet werden. Der Reigen der Veran- immer vor der Herausforderung, damit Erinnern kann auch bedeuten, alte Rech- staltungen, der sich im Jahre 2020 über verbundene moralische Wertungen und nungen doch noch begleichen zu wollen Kärnten ziehen wird, scheint dieser impli- politische Implikationen zu beachten. und verglimmende Konflikte wieder anzu- ziten Maxime mitunter durchaus zu fol- Vermeiden lassen sich diese nicht, und heizen. gen. Und das ist gut so. sie sollen auch gar nicht vermieden wer- ● Konrad Paul Liessmann den. Aber man muss wissen, was man tut, Lust an einem Leben in Vielfalt. Natür- * 1953 in Villach, Professor für Philosophie an der Universität Wien und wissenschaftlicher Leiter des wenn man Vergangenes nicht ruhen lässt. lich kann vergessen nicht bedeuten, nichts Philosophicum Lech; zahlreiche Auszeichnungen, Gerade bei Konflikten, die jahrzehntelang mehr von der Vergangenheit wissen zu darunter Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizis- tik und österreichischer Wissenschafter 2006; zuletzt als ambivalent erinnert wurden, die einer wollen. Eher im Gegenteil. Je mehr der sind erschienen: Bildung als Provokation (2017); Gemeinschaft traumatisch erscheinen Vergangenheit als Vergangenheit Rech- Der werfe den ersten Stein. Mythologisch-philosophi- sche Verdammungen (2019); gemeinsam mit Michael mögen, die an Spaltung, Hass und Krieg nung getragen wird, desto weniger kann Köhlmeier: Das alles sind bösartige Übertreibungen gemahnen, war und ist die Versuchung sie zu einem unseligen Moment der und Unterstellungen. Text. Stil. Polemik (2020). groß, diese für politische Ideologien und Gegenwart werden. In unsere Zeit könnte

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 7 Wo Kultur Grenzen überbrückt Die Kunst-, Kultur- und Bildungsprojekte im Rahmen von CARINTHIja 2020 sind dreihundert Einladungen zur kreativen Begegnung mit Vergangenheit und Zukunft. Empfehlungen für Neugierige ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Fotos: Adobe Stock, MMKK/Neumüller – Gestaltung bigbang GmbH bigbang Gestaltung – MMKK/Neumüller Stock, Adobe Fotos:

„Wie man mit Denkmälern umgeht, mit lich gewürdigt wird. Diese wissenschaft- Wegen mit hundert Jah- bestehenden und mit zukünftigen“, steht lich-künstlerische Intervention will als ren Kärntner Geschichte im Mittelpunkt eines der rund 90 Kunst- kritisches Statement zur Erinnerungskul- auseinandersetzen. und Kultur-Projekte im Rahmen des jah- tur ab Mitte September das Denkmal Landauf, landab waren kre- resbestimmenden Jubiläumsschwerpunk- ergänzen. Bis dahin sollte (so Corona will) ative Köpfe aufgerufen, einen tes. Der Villacher Historiker und Aus­- schon ein großer Teil von CARINTHIja künstlerischen, wissenschaftlichen, bil- stellungs-Kurator Werner Koroschitz, 2020 über die Bühne gegangen sein. dungsspezifischen Beitrag zu Kärntens zuletzt verantwortlich für die Tourismus- Weg in die Zukunft zu leisten. Herausge- Schau „Zimmer frei“ und die überregional Neben dem offiziellen Festprogramm, kommen ist dabei eine Fülle an Ideen, die beachtete Präsentation „Vermessungsamt“ das im Oktober mit dem „Fest der Täler“, in rund dreihundert Veranstaltungen in St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu, einer Festsitzung von Landtag und Lan- mündeten, die zeigen wollen, wie „inno- wollte sich zwar „anfangs gar nicht betei- desregierung, sowie zahlreichen Kranz- vativ, interaktiv, integrativ“ (so die offizi- ligen“ an den Initiativen rund um die niederlegungen seinen Höhepunkt finden elle Homepage) Themen aufbereitet wer- hundertste Wiederkehr der Volksabstim- wird, macht dann die Mobile Ausstellung den können. Vom internationalen mung. Die Skepsis wich aber doch ange- unter Federführung des Landesmuseums Figurentheaterfestival (Cikl Cakl) über sichts der Chance auf neue Sichtweisen in Hermagor Station, bevor sie ihre mona- Tanztheater (einAnder: „24 Stunden Gren- und spannende Dialoge. Mit einer „Fuß- telange Tour durch die Bezirksstädte in zerfahrung“ – siehe S. 63) und Buchprä- note“ (so der Titel des Projektes) will er Villach beschließt. „Nicht das Land sentationen bis zur Lesung (aus Werken mit dem Verein Erinnern „ganz unaufge- besucht die Ausstellung, die Ausstellung des verstorbenen Fabjan Hafner, siehe S. regt“ einen zusätzlichen Blick auf den kommt ins Land“, lautet die Devise, die 59), von Wissenschaftssymposien über einstigen Villacher Bürgermeister und eine ganz wesentliche Intention dieses Filmprojekte von Schülerinnen und Schü- Nationalsozialisten Oskar Kraus werfen, „Jubiläumsjahres“ illustriert: Nicht nur lern bis zu Straßenfesten, Vortragsreihen der auf einem Abwehrkämpferdenkmal Südkärnten und die einstige Abstim- und Workshops reicht die Vielfalt an beim Silbersee aus dem Jahr 2002 nament- mungszone sollen sich auf vielfältigen Veranstaltungsformaten.

8 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 KPD Šmihel: Internationales Figurentheaterfestival Cikl Cakl. Foto: KPD Šmihel | Slowenischer Kulturverein Zarja: Ausstellung „Petzen/Peca: Obir“. Foto: Forum Zarja

Die 89 Projekte aus den Bereichen Kunst Nachbarstadt Ravne eingebunden und mit Kunstvereins, Tanja Prušnik, einfallen und Brauchtum, Schule sowie Wissenschaft einem Sonderzug angefahren. Aber auch hat lassen. Der Weg führt dabei entlang illustrieren anschaulich, wie kreativ und zu Fuß werden die Menschen unterwegs einer sieben Kilometer langen Freiraumin- kritisch, witzig und wertschätzend, poe- sein. Etwa für eine Menschenkette entlang stallation zum Gedenken an drei Wider- tisch und phantasievoll die Kärntner*innen der Karawanken zwischen Mallestiger standskämpfer vom Wölfl- bis zum im Jahr 2020 mit ihrer Geschichte umge- Mittagskogel (dem westlichsten Punkt der Peršman-Museum bei / hen. Vielfalt schmeckt ihnen besser als einstigen Demarkationslinie in der Abstim- Železna Kapla. Verschiedene Stationen, Eintopf, wozu das Bewusstsein für das mungszone A) und dem Dreiländereck. permanente Kunstmarkierungen und ein vereinte Europa und die Positionierung im Das Projekt der landwirtschaftlichen Fach- Kunstbuch werden die performative Alpen-Adria-Raum wohl auch beigetragen schule Stiegerhof umfasst auch Pro- Wanderung ergänzen (September). Nicht haben dürften. Appetit auf Kunst und grammpunkte wie Wanderung, einen weit davon entfernt lädt auch Zdravko Kultur machen fünf Schwerpunkte, die sich Staffellauf mit Friedenslicht, eine Video- Haderlap zu einer Grenzwanderung ein. auf unterschiedlichste Art und Weise mit produktion und eine Ausstellung. „Die In der ehemaligen Gemeinde Leifling/ den Themen Erinnerungskultur, Dialog, Grenze ändert sich in unseren Köpfen“ Libelice (heute Neuhaus/Suha) führt eine Migration, Demokratie und Infrastruktur haben sich die Veranstalter als Leitsatz kulturhistorische Wanderung diesseits befassen. Nicht nur klassische Veranstal- gewählt und so einen der Schlüsselbegrif- und jenseits der österreichisch-sloweni- tungsformen wie Ausstellungen, Kon­- fe des Event-Reigens formuliert: Dem schen Grenze. „Die Leute finden wieder ­­zerte und Theateraufführungen stehen Thema „Grenze“ und zahlreichen Ablei- zusammen“, freut sich Haderlap nach den dabei auf dem Programm. tungen daraus ist eine Vielzahl an Veran- umfangreichen Recherchen zur Vorberei- staltungen gewidmet. Grenzerfahrungen tung. „Jungen Menschen fällt auf: Da ist Unterwegs sein. Bei „Festen des Mitein- und Grenzüberschreitungen sind bei ein Haus Nr. 40. Wo sind die anderen anders“ in Bleiburg/Pliberk wird gemein- Grenzwanderungen zu erleben, so wie sie Nummern? Und dann kommen sie drauf, sam alpen-adriatisch musiziert und sich etwa die bildende Künstlerin und dass die auf der anderen Seite der Grenze gekocht, einmal wird auch die slowenische aktuelle Präsidentin des österreichischen in Slowenien sind“ (Juni).

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 9 UNIKUM: PULLFAKTOR. Festzug der Tiere durch Kärnten. Foto: UNIKUM | Hermagoras Verein: Die Zukunft der Kärntner Slowenen 100 Jahre nach der Volksabstimmung. Foto: Justi Hribernik | schau.Räume: Abwunderung. Foto: schau.Räume | ARBOS: INVALID 2020. Foto: ARBOS, Herbert Gantschacher

„Grenzdebil“ nennt die Künstlerin Carnica-Honigbiene aus Kirschentheuer Bevölkerung zu Reflexionen über Vergan- Barbara Ambrusch-Rapp mit Augenzwin- und der Fink aus Finkenstein, der Wald- genheit, Gegenwart und Zukunft ein. kern ihre begehbare Audio- und Raumin- rapp aus Rosegg und der Aal aus Schwa- Wanderbewegungen noch viel weiter stallation in der Kirche St. Peter in St. begg, das Pferd aus Treffen und das fasst die „Abwunderung“ des Vereins Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu, die Brillenschaf aus Eisenkappel sind nur schau.Räume, der sich seit 2011 mit bereits den April über zu sehen sein wird: einige der Umzugsteilnehmer, die auf von „marginalisierten sozialen Räumen“ „Wo Grenzen sich nicht auf Trennlinien Künstler*innen gestalteten Pkw-Wagen- beschäftigt, wie Katrin Ackerl Konstantin in Regionen oder Ländern beschränken, anhängern unterwegs sein werden. Der erzählt. Dabei werden Themen, über die sondern mitten durch Ortsgemeinschaften fahrende Zoo wird in Eisenkappel/Železna man kaum spricht, in Leerständen oder an und sogar Familienkonstellationen ihre Kapla, St. Michael ob Bleiburg/Šmihel pri verlassenen Orten, in Szene gesetzt. Der Spur ziehen, manifestiert sich auch das Pliberku, Klagenfurt/Celovec und St. Verein arbeitet dafür mit regionalen Destruktive an solchen geografischen und Johann im Rosental/Šentjanz v Rožu Sta- Wissenschafter*innen, NGOs, Künstler­ gesellschaftlichen Prozessen“, erläutert tion machen. *innen, Theatergruppen, Musiker­*innen die Kulturarbeiterin dazu. Mit einer abschießenden grenzüber- etc. zusammen. Ende Juni/Anfang Juli hat schreitenden Wanderung wird die mehr- das CARINTHIja 2020-Publikum bei Mit einem „Festzug der Tiere“ wird sich tägige Konferenz „Die Zukunft der Kärnt- geführten Touren durch die „verpartner- das Universitätskulturzentrum UNIKUM ner Slowenen 100 Jahre nach der ten“ Städte Spittal an der Drau und Ferlach auf den Weg machen. Grenzüberschrei- Volksabstimmung“ enden. Veranstalter die Möglichkeit, sich in jeweils vier bis tende Wanderungen in wenig bekannte dieser international besetzten Tagung sechs Räumen (z. B. Komm-Raum, Geh- Regionen sind seit Jahrzehnten eines der unter Mitwirkung von Schüler*innen und Raum, Frei-Raum, Warte-Raum) mit den Markenzeichen dieser Pioniere der Freien Student*innen ist der Hermagoras Verein Themen Abwanderung, Einwanderung, Szene in Kärnten. Für das Jubiläumsjahr (7.–9. Mai). Durch verschiedene Gemein- Zuwanderung auseinanderzusetzen. stellen die Kreativköpfe ein spektakuläres den in Südkärnten unterwegs ist auch eine künstlerisches Projekt namens „Pullfak- Wanderausstellung des Katholischen Bil- „Dialog, Dialog, Dialog!“ wünschte sich tor“ auf die Beine, besser gesagt: auf die dungshauses Sodalitas in Tainach. Unter von Planungsbeginn an Peter Fritz, der Räder. Im September und Oktober wird dem Titel „Gestern – heute – morgen“ Kurator der Ausstellungsprojekte. Und der tierische Festumzug als Wanderaus- tourt ein mobiler Wander-Container ab 24. Dialog ist neben den Worten Grenze und stellung durch das Land ziehen. Die April von Ort zu Ort und lädt die lokale Brücke der dritte Schlüsselbegriff, der

10 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 CARINTHIja 2020

Ein Wortwechsel mit Martin Traxl

Sie waren Mitglied der Jury zur Auswahl der Kultur-Projekte. Ich habe das Verfahren als ungemein lebendi- gen, wenn auch sehr anstrengenden Prozess erlebt. Ich war schon öfter Jurymitglied, aber eine solche Menge an Ideen und Projekten hatte ich noch nie zu bewerten. Das zeigt mir, welches Interesse es im Land gibt, dieses Gedenken mit- zugestalten. Ich fand von Anfang an die Idee großartig, den Menschen nicht irgendein Groß­ event oder eine würdige Ausstellung vorzusetzen, sondern die Bevölkerung selbst aufzufordern, ihre Vorschläge einzubringen und ihre Kreativität spielen zu lassen. So entsteht ein vielstimmiger Chor der Meinungen, ein kulturelles Panoptikum, das hoffentlich ein neues Bewusstsein im Umgang mit diesem wichtigen Kapitel der Kärnt- ner Geschichte entstehen lässt.

Wie nehmen Sie als Kärntner in Wien und als Kulturjournalist die Aktivitäten im Jubiläums- jahr CARINTHIja 2020 wahr? In Wien ist dieses Thema noch nicht wirklich angekommen, aber das wird sich über das Jahr noch ändern. Mich freut vor allem, dass es viele Projekte im öffentlichen Raum gibt. Damit rückt das Thema unmittelbar an die Bevölkerung her- an, es wird zum Tagesgespräch, zum Gegen- stand der Auseinandersetzung und wird hof- Theater im Raum: Immer noch Sturm. Foto: Christian Brandstätter | Verein „Lepener Schule“: der falsche socken zum richtigen schuh. Foto: Zdravko Haderlap fentlich viel Unbekanntes und bisher Ungesag- tes zutage fördern. Wir sollten ja viel mehr über diese Zeit wissen, bevor wir uns eine Meinung bilden. Das beseitigt Grenzen und Barrieren – sich durch viele der Veranstaltungen Landschaften spielen eine wesentliche vor allem in den Köpfen. zieht. So wollen etwa die „Bleiburger Rolle in den künstlerischen Projekten von Dialogtage“ (Anfang Mai) versuchen, eine CARINTHIja 2020. Das Jauntal, als „Jaun- Was wünschen Sie sich für die nachfolgen- lösungsorientierte Diskussion über die feld“ überregional bekannt geworden den Jahre, wie kann, wie sollte das Jubilä- umstrittene Gedenkveranstaltung am durch Literaturnobelpreisträger Peter umsjahr in die Zukunft wirken? Loibacher Feld zu ermöglichen. Das mehr- Handke, steht im Mittelpunkt seines Ich wünsche und erhoffe mir, dass die Chance tägige Format soll mediative Elemente Dramas „Immer noch Sturm“. Regisseur genutzt wird, Mehrsprachigkeit und Mischkultur aufweisen und steht für Begegnung, Dia- Rüdiger Hentzschel wird es auf der aus heutiger Sicht neu zu bewerten. Man muss log, Partizipation von Wissenschaftler­ Heunburg in Handkes Heimatgemeinde sich ja einmal vorstellen, dass die slowenischen *innen, Politik, Vereinen, Kirche, Zeit­ Griffen in Szene setzen (9. Juli bis 16. Wurzeln in vielen Familien über Jahrzehnte ver- zeug*innen etc. August). Dem großen Sohn des Landes leugnet wurden, dass eine Sprache nicht mehr Der Drau als Lebensader Kärntens sind widmen sich auch Regisseur Maximilian gesprochen wurde, weil sie geradezu geächtet war. Was ist da geschehen? Warum wurde das Kulturveranstaltungen des Kärntner Bil- Achatz und das Theater WalTzwerk: Im Bekenntnis so vieler slowenischer Familien zu dungswerkes gewidmet, die sich um die Kulturhaus Cingelc in Tratten bei Ferlach Kärnten im Nachhinein ins Negative umgedeu- Chancen und Herausforderungen des wird Peter Handkes Text „Spuren der tet? Ich erwarte mir viele kritische Fragen zu Lebens „An den Ufern der Drau“ drehen Verirrten“ aufgeführt – „eine Art Pilger- diesem Thema und vielleicht auch ein paar ver- (Mai). „Viel(ge)schichtig“ werden die weg, der Station für Station durch die Welt nünftige Antworten. Aber allein die Auseinan- Ergebnisse eines spannenden partizipa- führt“ (13.9. bis 4.10.). dersetzung damit ist – besonders für die junge tiven Geschichtsforschungsprojektes sein Zu „einer Spurensuche mit Mitteln Generation – eminent wichtig. Damit das (KulturKontakt u. a.). Dafür haben des Theaters unter Einbeziehung von Geschehene nicht verschwiegen und verzerrt Jugendliche aus vier ausgewählten Schüler­*innen, medizinischen Fach­- wird wie viele Jahrzehnte davor. Und damit end- Gemeinden (Klagenfurt, Velden, Nötsch, leuten und Künstler*innen“ will Herbert lich der Reichtum und die Besonderheit der St. Jakob/Rosental) gemeinsam mit Gantschachers Gesellschaft für Musik Kärntner Kultur zum Tragen kommt. Wissen­schaftler*innen, Künstler*innen und Theater „Arbos“ einladen. Bei „Inva- ● Martin Traxl und Ortsansässigen ihren Alltag in Bezie- lid 2020“ geht es an verschiedenen Süd- * 1964 in Kärnten, Journalist und Fernsehmoderator, hung zu historischen Veränderungen von kärntner Orten nicht nur um das Thema seit 2007 TV-Kulturchef des ORF. Landschaften und Raumnutzungen gesetzt Kriegsinvalidität von Menschen, sondern (Mai, Juni). auch um jene von Ländern.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 11 Werner Berg Museum Bleiburg/Pliberk: Manfred Deix trifft Werner Berg. Fotos: Werner Berg Museum Bleiburg/Pliberk | Zdravko Haderlap

Wer Handke liest, dürfte auch Bach- Werner Berg Museum in Bleiburg ist Kapla zur Verfügung. Sie gestalten Bie- mannpreisträgerin Maja Haderlap ken- eine spannende Zusammenschau von nenstockbrettchen (Stirnbretter) aus Fich- nen. Sie steht mit ihrem lyrischen Werk Werken des Namensgebers mit jenen des tenholz, die üblicherweise mit naiver im Mittelpunkt einer Theaterproduktion verstorbenen Karikaturisten Manfred Bauernmalerei geschmückt sind, in ihrem ihres Bruders Zdravko auf dem Vinkl-Hof Deix zu sehen. In der Gegenüberstellung persönlichen Stil. Angelika Kampfer steu- im Leppen-Graben bei Eisenkappel, im der charakteristischen Menschendarstel- ert ein Fotoprojekt bei, der Historiker Elternhaus der beiden. Mit „der falsche lungen der beiden Maler finden Eigentüm- Werner Koroschitz kuratiert das wissen- socken zum richtigen schuh oder die lichkeiten und Besonderheiten der Ein- schaftlich begleitete Ausstellungsprojekt, zeichen stehen auf sturm“ kehrt der heimischen einer bestimmten Region ihren das sich mit zwei markanten Bergen einstige Chef des Tanztheaters Ikarus zu künstlerischen Niederschlag. Anhand des Unterkärntens beschäftigt: dem Hochobir, seinen choreographischen Ursprüngen schmalen Grates zwischen Typologie und auf dessen Gipfelkreuz eine Gedenkpla- zurück. Mit professionellen Tänzer*innen Karikatur werden zentrale Fragen der kette für den Abwehrkämpfer und Natio- (u. a. Martina Rösler) und Schauspieler­ Gruppenidentität bildhaft erörtert. Groß- nalsozialisten Hans Steinacher angebracht *innen (u. a. Magda Kropiunig) und zur flächige Fassadengestaltungen erweitern ist und der Petzen, einstiger Partisanen- Musik von Nikolaj Efendi baut er im wie in den Vorjahren die Ausstellung in stützpunkt. „Zwei Berge mit unterschied- Freien ein Stationentheater auf, in dem den öffentlichen Raum. Skulpturen von licher nationaler Bewertung“, wie Koro- sich das Publikum „mit dem Klappsessel Werner Hofmeister zum Thema „Ort“ im schitz erklärt, zwei Berge aber auch mit als Eintrittskarte“ frei bewegen kann. Garten des Museums thematisieren Zei- Gemeinsamkeiten: „Beide sind durch Wandelt es im ersten Teil durch einen chen und Ursprung [siehe S. 2]. Höhlensysteme und Bergbau geprägt.“ „Jahrmarkt der Gefühle“, so führt der Identität und Erinnerungskultur sind In Bad Eisenkappel/Železna Kapla, Fer- zweite Teil in eine landschaftliche Instal- das Thema einer Ausstellung, die lach und weiteren Orten Südkärntens lation – „kleine Theaterszenen, eher Absolvent*innen des CHS Villach zurück werden Filmfreund*innen auf ihre Kosten performativ und körperlich gespielt“, an den Ort ihrer Ausbildung führt. Anläss- kommen: Nicht zufällig erinnert der Titel schildert Zdravko Haderlap. Starke, gro- lich des 20-jährigen Bestandsjubiläums „2020 – A Grace Odyssey“ an Altmeister teske, schöne Bilder will er auf Deutsch ihrer Schule entstanden unter der Leitung Stanley Kubrick. Mit einem Experimen- und Slowenisch liefern, auch wenn „Lyrik der Künstlerin Larissa Tomassetti Arbei- talfilm, Konzerten der Talltones und theatralisch fast unmöglich zu verarbeiten ten der unterschiedlichsten Gattungen – Schauspiel-Szenen der Theatergruppen ist“ (Juli). von Malerei, über Grafik und Plastik bis Zora, Trota Mora und Vada bereitet der hin zu Fotografie und Film. Die Ergebnis- „Verein zur Erkundung der Universellen Bilder vieler Ausstellungen werden am se dieses „Comebacks“ sind ab 7. Mai in Schönheit“ (VERUS) das Jubiläumsthema Ende des Jubiläumsjahres ein buntes der Galerie Freihausgasse und im Dinzl- als Mischung aus Fake-News, Animation Porträt heimischen Kunstschaffens erge- schloss zu sehen. und Kunstfilm auf. – Der Umgang mit ben haben. Zur zehnten Wiederkehr der Ein besonderes Medium steht rund zehn Denkmälern jeder Art kann also durchaus Kärntner Volksabstimmung hatte einst Kärntner Künstler*innen (darunter auch unterhaltsam sein. Anton Kolig seine später von den Nazis Markus Orsini-Rosenberg, die Kunstsport- ● Karin Waldner-Petutschnig zerstörten Landhausfresken geschaffen. gruppe Hochobir, Gernot Fischer-Kondra- (55) ist freie Kulturjournalistin in Klagenfurt. Neben ihrer fast 30-jährigen Tätigkeit bei der „Kleinen Zeitung“ Der Villacher Guido Katol malte Para- tovitch u. a. m.) für die Ausstellung „Obir leitete sie 12 Jahre den Carinthia-Verlag und drei Jahre phrasen darauf, die ab 28. April im Kolig- – Petzen/Peca“ des Slowenischen Kul- das Museum Liaunig. Saal zu sehen sind [siehe S. 36-36]. Im turvereins Zarja in Eisenkappel/Železna

12 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Peter Fritz. Foto: Martina Siebenhandl

„Beim Reden kommen die Leut’ z’samm!“ Peter Fritz kuratiert das aus den eingereichten Projekten entstandene Kulturprogramm von CARINTHIja 2020. Eine Zwischenbilanz.

Ganz Kärnten sei eine ein- Wesentliche, ich bin nur der Kurator. Es che Zugänge zur Volksabstimmung wer- zige Landesausstellung, geht mir um Eigenverantwortung. den auch ein Symposium der Universität meinte der einstige Landes- und eines des Geschichtsvereins zeigen. hauptmann Leopold Wagner Wie sehen Sie Ihre Rolle als Kurator? Das Thema Grenze ist natürlich sehr einmal. Heuer wird dieses Bon- Richtige Partizipation heißt Ermächti- präsent. So wird es zum Beispiel grenz- mot Realität: Mit 89 Projekten aus den gung, Umsetzen-Können, Begleitung, aber überschreitende Feste in Bleiburg oder Bereichen „Kultur: Kunst und Brauchtum“, nicht Bevormundung! Ich lade ja nicht ein, eine Ausstellung zum Thema „Schmug- „Wissenschaft“ sowie „Bildung und Schu- kreative und partizipative Projekte zu geln“ in Eisenkappel geben. Auch alte, le“ feiern Kärntner Vereine, Initiativen entwickeln, um hinterher einzugreifen slowenische Flurnamen sind Teil unserer und Institutionen von März bis Oktober und meine Ideen umzusetzen. Insgesamt Identität. Ihnen ist ebenfalls eine Ausstel- das 100-Jahr-Jubiläum der Kärntner Volks- habe ich den Eindruck, dass die lung gewidmet. abstimmung. Als Kurator der Kunst-, Projektträger*innen sehr gut vorbereitet Kultur- und Bildungsprojekte von CARIN- sind. Wichtig war, dass es von Beginn an Was waren für Sie im Rückblick die THIja 2020 ist der Kärntner Kulturmana- Leitlinien dafür gegeben hat, in welchem größten Herausforderungen? ger Peter Fritz zuständig, der in Nieder- inhaltlichen Rahmen sich die Projekte In Kärnten gibt es keine große Tradition österreich das Museumszentrum „Mamuz“ bewegen sollen. für zivilgesellschaftliche Projekte. Mir war und das Nitsch-Museum leitet. ein neuer Zugang zu Feiern und Jubiläen Was kommt in den Projekten denn bei- wichtig. Ich glaube, es ist eine gute Was war Ihnen bei der Suche nach spielsweise zur Sprache? Mischung, die wir haben. Eine, die den geeigneten Projekten besonders wichtig? Die meisten Einreichungen hat es zu Dialog ermöglicht und diesen auch fördert Es waren inhaltliche Kriterien: Die den Themen Dialog, Nachbarschaft und und fordert, weil Themen aus verschiede- Projekte sollten aus der Region entwickelt Identität gegeben. Da arbeiten auf einmal nen Blickwinkeln präsentiert werden. werden, neue Sichtweisen eröffnen, Eigen- Personen und Gruppen miteinander, die verantwortung und Dialog fördern, einen vorher nichts miteinander zu tun hatten. Wie nachhaltig kann dieses Jubiläums- Bogen von der Vergangenheit in die Etwa Chöre, die noch nie ein slowenisches jahr sein? Zukunft spannen. Die Projektträger*innen Lied gesunden haben und es jetzt tun. Die Ich würde es als Erfolg sehen, wenn sollten möglichst selbstständig arbeiten Projekte leben von starken Emotionen. Es einige Dialoge auch 2021 weitergeführt können. Wir wollten einen dezentralen gibt Diskussionsveranstaltungen, Ausstel- werden. Die Nachhaltigkeit von CARIN- und partizipativen Veranstaltungsreigen lungen, Performances, Filme, ... Perspek- THIja 2020 werden wir daran messen entstehen lassen. tivenwechsel finden statt. können, wie 2021 oder 2025 die Volksab- stimmung gefeiert werden wird. Kärnten Wie ist das gelungen? Machen Sie uns neugierig und holen wird nach 2020 jedenfalls anders sein. Sehr gut! Das, was ich spüre, ist eine Sie ein paar spannende Projekte vor den ● Karin Waldner-Petutschnig Eigendynamik: Die Beteiligten wollen das Vorhang! (55) ist freie Kulturjournalistin in Klagenfurt. Neben ihrer fast 30-jährigen Tätigkeit bei der „Kleinen Zeitung“, auch selbst! Die Menschen wollen nicht Die Kärntner Landsmannschaft macht leitete sie 12 Jahre den Carinthia-Verlag und drei Jahre miteinander streiten, sie wollen mitein- etwa eine großartige Vortragsreihe, unter das Museum Liaunig. ander reden. Das gemeinsame kulturelle anderem mit der Zeithistorikerin Brigitte Tun ist dabei die Klammer: Beim Reden Entner. Das wäre vor zehn, zwanzig Jahren kommen die Leut’ z’samm! Sie sind ja das noch undenkbar gewesen! Unterschiedli-

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 13 Stefan Reichmann: Heimat / Domovina, 2017. * 1983 in Ludmannsdorf/Bilčovs, lebt und arbeitet in Kärnten und Wien, hat an der FH Salzburg „MulitMediaArt“ studiert, lehrt im Sommersemester 2020 an der Universität Klagenfurt. Sein fotografisches Schaffen bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Kunst-, Editorial- und Portraitfotografie. Ausstellungen seiner Arbeiten waren bislang unter anderem in Wien, Mailand, Addis Abeba zu sehen. „Ich fotografiere öfters von der Brücke aus in Richtung meines Heimatdorfes Selkach/Želuče. Davor die Drau, dahinter die Karawanken. Es ist ein schöner, beruhigender Blick. Spaziergänger bleiben stehen, Autos werden langsamer auf der Brücke. Auch sie zieht die Landschaft an. Der Schwan zieht trotzdem seine Runde.“ www.stefanreichmann.com Foto: Stefan Reichmann

Ausstellung: Jepa & Uman See 8. Mai (Vernissage: 19 Uhr) – 10. Juni Kulturgarten Aichwaldsee, Finkenstein

Winterstiefel Ein literarisches Denkmal.

Seit längerem beobachtete der Dorfpolizist eine männliche Person verste- gekannt hatten, schlossen das P. des Dorfes Žalna immer wieder die cke und bitte um Verstärkung nicht aus, doch wollte niemand vierundfünfzigjährige Ljuba M. beim täg- von zwei Mann, um eine Haus- ihn mit Sicherheit identifizie- lichen Einkauf. Es erstaunte ihn nicht durchsuchung auszuführen. Am ren, da er seit fünfunddreißig nur, dass sie für eine alleinlebende Frau 11. Januar 1978 nahm P. mit zwei Jahren nicht mehr gesehen wor- ungewöhnlich viele Lebensmittel einkauf- aus Laibach entsandten Beamten die den war. Mehrmals erklärte man te. Besonders seltsam kam ihm vor, dass Durchsuchung vor. Sie fanden eine Schus- ihm, dass ihm nichts geschehen werde sie regelmäßig Rasierklingen kaufte. Ihre terwerkstätte mit zum Teil sehr alten und bat ihn, seinen Namen zu nennen. Nachbarin erklärte dem Polizisten P., dass Werkzeugen und einer Unmenge von Er schwieg und zeigte nach zwei Tagen Ljubas Bruder, Nikola M., Schustermeis- Schuhen vor. Ansonsten war der Haushalt nur durch eine Handbewegung an, dass ter gewesen und aus dem Krieg nicht tadellos geführt. Erst nach einiger Zeit er sich rasieren wolle. Ljuba M. durfte mehr zurückgekehrt sei. Seither arbeite betraten die Polizisten den Dachboden. ihn auf der Polizeistation besuchen. Sie Ljuba in der Schusterwerkstatt. Seit aber Hier wurden sie fündig. Sie stießen auf unterhielten sich mit Gebärden, sodass die meisten Menschen Schuhe in Kauf- einen hageren älteren Mann, der sich, als P. ihre Kommunikation nicht verstehen häusern kauften, lebe sie von Reparatur- er entdeckt wurde, ängstlich in einer Ecke konnte. arbeiten und sei dazu übergegangen, auch des Dachbodens verkroch. Er leistete Am dritten Tag begann der Mann mit Näh- und Flickarbeiten gegen sehr jedoch keinen Widerstand und wurde dem Polizisten P. zu sprechen. Es stellte bescheidene Summen zu übernehmen. abgeführt. Auf dem Dachboden fanden sich heraus, dass er stockend, aber ein- Viele Frauen des Dorfes gaben ihr diese sich eine Schlafstätte, Kleider, unzählige wandfrei slowenisch sprach. Er habe, sagte Arbeiten mehr aus Mitleid denn aus Not- Paare von Schuhen und Stiefel und ein er, geglaubt, das Richtige zu tun, um sich wendigkeit. Ljuba M. war taubstumm und kleiner Verschlag mit einer Waschschüs- und seine Leute zu verteidigen. Es sei ihm lebte sehr zurückgezogen. Sie ging täglich sel und mehreren Nachttöpfen, wo der klar, dass er nun schwer bestraft würde. einmal einkaufen, sonntags in die Kirche Mann offensichtlich Körperpflege und Der Polizist P. erklärte ihm mehrfach, dass und wurde sonst nur gesehen, wenn sie seine Notdurft verrichtet hatte. er nichts zu befürchten habe und fragte Flick- und Reparaturarbeiten entgegen- Der Mann wurde in die Arrestzelle der ihn, wofür er denn glaube, bestraft zu nahm oder überbrachte. Polizeistation gesperrt und regelmäßig werden. Er legte ihm eine Tageszeitung Nachdem er Ljuba M. beim Kauf von nach seinem Namen gefragt, gab aber vor und zeigte mehrfach auf das Datum. Rasierseife und einem neuen Rasierpinsel, keine Antwort. Der Dorfpolizist P. vermu- „Der Weltkrieg ist vor zweiunddreißig der zu einem Aktionspreis angeboten tete, dass es sich um den Bruder von Jahren zu Ende gegangen“, sagte P. Der wurde, gesehen hatte, meldete P. bei der Ljuba M., den Schustermeister Nikola M., Mann wiederholte mehrfach die Worte: Polizeizentrale, er vermute, dass Ljuba M. handelte. Dorfbewohner, die Nikola „Vor zweiunddreißig Jahren ...“.

14 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Foto: APA welter.skelter Das Ende der alten weißen Männer Da ist diese Fotografie vom Auftakt der Feier- lichkeiten rund um das Jubiläum „100 Jahre Volksabstimmung“ im Wappensaal des Klagen- furter Landhauses vom 3. März dieses Jahres. Das Bild zeigt einen großen Teil der Besucher dieser Veranstaltung: Viele alte weiße Männer und, augenscheinlich, kaum Frauen. Diese hatte man wohl schlicht vergessen einzuladen, oder aber sie waren es einfach nicht wert, eingeladen zu werden, weil nichts und noch weniger als nichts ihre Anwesenheit bei diesem lokalen Jahrhundertereignis gerechtfertigt hätte.

woke up to realize the world’s not the same as it was the day before all women gone / all cattle dead / there’s a rusty smell that fills the air

maybe we’re wrong / maybe all we’ve done is wrong / we should not go on / now that everything is wrong

well the TV shows young folks holding hands and marching on the streets their message is clear / they just let us know they gonna take our beloved land

Am vierten Tag war der Mann bereit, kam nun etwa alle zwei Wochen in das maybe we’re wrong ... seinen Namen zu nennen. Er sagte, er Haus und bestellte, mehr aus Mitleid denn heiße Nikola M. und sei Schustermeister aus Notwendigkeit, ein Paar Stiefel. Trotz we’re meeting all at the female court accused of being deaf and dumb gewesen, bis er sich im Zweiten Weltkrieg regelmäßiger Nachfrage, bekam er Niko- the judge wants to know if we do feel remorse der Weißen Garde angeschlossen und la M. nicht wieder zu Gesicht. Der Schus- and asks for some last words gegen die Divisionen Titos gekämpft habe. ter zog es vor, auf dem Dachboden zu if we had the chance to turn back time, our honour, maybe we would start it all again Er habe geglaubt, das Richtige zu tun, bleiben. Der Polizist P. trug die Stiefel des diesen Schritt aber schwer bereut. Nach Schusters im Winter gerne, auch wenn but yes we’re wrong / yes all we’ve done is wrong dem Vormarsch von Titos Truppen sei er seine Frau sich darüber lustig machte und we should not go on / now that everything is wrong desertiert und zu Fuß nach Žalna zurück- sagte, sie sähen altmodisch aus. Fünf gekehrt. Da er sich vor Racheakten fürch- Jahre später verstarb Nikola M. und ein 2020 soll das Jahr sein, in dem der alte weiße Kärntner Mann sich und die Seinen ein letztes tete, habe seine Schwester ihn auf dem Jahr darauf seine Schwester. Mal feiern, besingen und beweinen darf. Einmal Dachboden des Elternhauses versteckt. Im Jahr 1995 entdeckte der 18-jährige noch soll er von seinen entschlossenen, aus- Der Polizist P. erklärte Nikola M., er habe Sohn des Polizisten P. die Winterstiefel, schließlich männlichen Vorfahren erzählen, ein nichts zu befürchten, man schreibe das die sein Vater von Nikola M. und seiner letztes Mal von seinen Heldentaten berichten Jahr 1978 und es werde weder eine Bestra- Schwester hatte anfertigen lassen. Der und, meinetwegen, auch ein letztes Mal dafür fung noch Racheakte geben. Der Polizist Sohn fand die Stiefel cool. Der Vater beklatscht werden. Dann aber soll er aufstehen, musste feststellen, dass Nikola M. ver- schenkte sie ihm und erzählte dem Sohn soll gehen und seinen Platz frei machen für eine stand, doch am darauffolgenden Tag wie- die Geschichte des Schuhmachermeisters, Heerschar junger Frauen jedweder Hautfarbe, der begann, von seinen Fehlern im Krieg der sich zweiunddreißig Jahre lang ver- jedweder Nationalität und jedweder ethnischen und seiner bevorstehenden Bestrafung zu steckt gehalten hatte und auch danach Herkunft, die gewillt, bereit und im Stande ist, sprechen. P. berichtete die Sachlage nach nicht wieder in die Welt zurückkehren die Welt vom stinkenden Mief der Vergangen- Belgrad und erhielt die Anweisung, Niko- wollte. heit zu befreien. In Kärnten. In Österreich. In la M. gültige Papiere auszufertigen und ● Daniel Wisser Europa. Überall. ihn zu entlassen. * 1971 in Klagenfurt, lebt seit 1989 in Wien, schreibt ● Oliver Welter Prosa, Gedichte, Songtexte. 1994 gründet er zusammen Musiker, Schauspieler und Autor. Geboren in Klagenfurt, lebt Etwa drei Wochen später brachte P. den mit Thomas Pfeffer, Jürgen Plank und Florian Wisser das in Klagenfurt und Innsbruck, stirbt vermutlich in Klagenfurt Erste Wiener Heimorgelorchester. 2011 wurde der Autor gültigen Pass für Nikola M. in dessen Haus. oder Innsbruck oder gar nicht. für den Ingeborg-Bachmann-Preis nominiert. 2018 Nikolas Schwester öffnete und bedeutete erscheint sein fünfter Roman Königin der Berge, der ihm auf seine Frage, wo ihr Bruder sei, u. a. mit dem Österreichischen Buchpreis ausgezeichnet wurde. www.danielwisser.net dass er sich oben auf dem Dachboden befinde. P. händigte ihr den Pass aus. Er

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 15 UNIKUM: Ausschneidebogen des Partisanen­denkmals in Robesch/Robeže. Kultur Denk-Male sei letztlich daran zu messen, „wie sie mit dem Gedächtnis der politischen und moralischen Sinnbilder historischer sowie Katastrophen ... umgeht.“ gegenwärtiger Beziehungsgeflechte. Foto: Gerhard Pilgram | UNIKUM

Bedeutungsschwere Male. Von Mal zu Popanz erhöhte „Gegenwart“ hinaus mit es zum Beispiel die rabiaten Ideologen der Mal auf seinem Lebenswege sieht sich der den Erfahrungen jener Generationen ver- Französischen Revolution durchgesetzt, Mensch, in diesem Jahre 2020 im beson- binden, die vor uns gelebt, geliebt, auch dass die polyphone Kultur des „alten deren auch der Kärntner Mensch, mit gestritten haben. Denn es sind die Erin- Frankreich“ per Gesetz und unter Gewalt- bedeutungsschweren Malen konfrontiert: nerungen, die glücklichen wie die tragi- anwendung verboten wurde. Der öffentliche Grabmalen, Mahnmalen, Siegesmalen, schen, es sind die heute scheel angesehe- (oft auch der private) Gebrauch vordem Totenmalen, Gedenkmalen, Erinnerungs- nen, vielfältigen Traditionen und Sprachen, gleichberechtigter Sprachen, wie des Bre- malen, Denkmalen. Die Male sind untrenn- die uns im Ernstfalle innerlich immun tonischen in der Bretagne oder des Deut- bar mit dem im Weltall singulären Phä- machen gegen den totalitären Machtan- schen im Elsass, wurde mit zuweilen nomen der menschlichen Kultur spruch des „Zeitgeistes“, gegen die Ver- drakonischen Strafen geahndet. Es durfte verbunden: Ohne Male erlischt die Erin- führungen eines totalen Staates. nur mehr eine einzige „revolutionäre“ nerung, ohne Erinnerung keine Geschich- Sämtliche totalen Staaten und die totali- Sprache der „einen“ gleichgeschalteten te, ohne Geschichte keine Kultur. Weshalb tären Ideologien, auf welchen sie aufgebaut „Nation“ geben. In gleicher Weise agierten totalitäre Ideologien jedweder Provenienz sind, sehen nämlich ihren Daseinszweck in Italien der Faschismus (siehe Südtirol!), auf „Kulturrevolutionen“ setzen; solche in der Auslöschung der persönlichen, oder in einem monströsen Ausmaß der kulminieren immer und überall im Ver- familiären und kollektiven Erinnerungen Nationalsozialismus (siehe ganz Europa!), such, möglichst alle Erinnerungen zu der Bevölkerungen in ihrem Machtbereich der gleich die gesamte, deutsche Kultur- löschen, die den einzelnen Menschen, aber und fördern konsequenterweise einen geschichte mit ihrem Reichtum an Spra- auch eine Gesellschaft über die zum monokulturellen Nationalismus. So haben chen und Traditionen in Geiselhaft nahm.

16 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Das Kriegerdenkmal von 1923 wurde 2018 zum Friedensdenkmal. Foto: Stadt Villach/Guido Mosser Denkmale hüben und drüben. tiv dem Hass gegen andere Es gibt unzählige Denkmäler verschrieben haben. denk.mal im Kärnten des Jubiläumsjahres 2020. Römer setzten überall ihre Herz-Land Europas. Das Land Erinnerungszeichen Grabstelen ins Land, Slawen funktio- Kärnten befindet sich, wie wir theore- nierten ein römisches Säulenkapitell um tisch wohl wissen, aber nur selten beden- Um künftigen gesellschaftlichen Veränderungen und dem daraus resultierenden steten Werte- in das Symbol des ganzen Landes, den ken, im Herzen Europas. Gibt es für diese wandel Rechnung tragen zu können, wurde der „Fürstenstein“, auf dem der jeweilige gerade für Kärnten eminente kulturhisto- Denkmalbegriff im österreichischen Denkmal- Landesherr in slowenischer Sprache sei- rische Tatsache nicht wenigsten ein Denk- schutzgesetz von 1923 vorausschauend breit nen Eid zu leisten hatte; in einer Zeit, als Mal an einer frequentierten Stelle? gefasst. Kärntens Denkmalinventar wuchs seit- Sprachen und Überlieferungen noch nicht Doch, ein solches zum Denken und her nicht nur quantitativ auf 2.856 Objekte an, als Waffen missbraucht wurden, um eine durchaus zu einem authentischen patrio- der Bestand wurde auch hinsichtlich seiner Sprach- oder Volksgruppe gegen eine tischen Fühlen anregendes Mal passieren Denkmalgattungen und Objektkategorien rei- andere aufzuhetzen. Franken, Karolinger, wir täglich, wenn wir die Klagenfurter cher und bunter: Bodendenkmale mit Funden Bayern errichteten mit ihren Bauten Wiener Gasse am Heuplatz verlassen. Es aus dem Paläolithikum bis hin zu Weltkriegs­ Denk-Male in Kärnten; und alle heirateten, handelt sich um die Replik des steinernen relikten gehören ebenso zum geschützten Kul- was ihre Sprachen betrifft, lustig durch- Wappenschildes, das im 16. Jahrhundert turerbe wie Baudenkmale vom Bildstock bis zum einander und zeugten Kinder, von wel- über dem später abgerissenen Wiener Tor Stadtensemble, bewegliche Denkmale vom pri- chen die Kärntnerinnen und Kärntner des angebracht worden war. Da wird es vor vaten Kunstwerk bis zu umfangreichen öffentli- Jahres 2020 abstammen. unseren Augen wahrnehmbar: Kärnten chen Sammlungsbeständen sowie einige wenige Sprachen sind Gnaden, keine Waffen. als geographisches und historisches Herz- Garten- und Parkanlagen. Auch Raritäten, wie Von Stephan, dem heiligen König von Land Europas. Im Zentrum des Schildes das erste Kärntner Fertigteilhaus von 1873 oder Ungarn, ist uns ein weises Wort überlie- sehen wir das Kärntner Wappen, gemein- Panzerturm- und Kanonenattrappen aus der Zeit fert: „Armselig ist ein Reich, in dem nur sam mit jenem von Kärntens siamesi- des Kalten Krieges, können sich – gerade ihrer eine einzige Sprache gesprochen wird.“ schem Zwilling durch die Jahrhunderte, Seltenheit wegen – als erhaltenswürdig erweisen. Eine besondere Herausforderung in der Denk- Viele Denkmäler, die meisten in Mittel- dem Herzogtum Krain. Darüber, daneben malbewertung stellen gegenwärtig Erinnerungs- europa, erinnern an Tote. Denkmale für und darunter angeordnet die Wappen von zeichen und Gedenkorte dar. An Kriegerdenk­ die Toten der jeweils eigenen Seite. Tote Böhmen, Burgund, Tirol, Altungarn, Kas- mälern wurden solche in den Denkmalbestand vergangener Kriege. Allein im Verlauf der tilien, León, Aragon, Granada, Sizilien, aufgenommen, die neben der historischen Isonzo-Schlachten fielen rund eine Million Elsass et cetera, et cetera. Dimension auch eine künstlerische Handschrift Soldaten, Österreicher aller Volksgruppen, Orangen aus Sizilien, Granatäpfel aus erkennen lassen. Ein Beispiel hierfür ist das vom Ungarn, Italiener. In den Kämpfen um die Granada, elsässisches Sauerkraut, ur- Wiener Architekten und Otto-Wagner-Schüler Grenzen Kärntens kamen dann insgesamt keltisches Ritschert aus Kärnten ... beden- Karl Maria Kerndle 1923 in Villach geplante an die 500 Menschen zu Tode. Das 20. ken wir, angesichts dieses Denkmales, in Kriegerdenkmal. Bei der Qualifizierung von Bau- Jahrhundert, voreilig gepriesen als Epoche welchem immensen historischen Bezie- ten der kollektiv noch nicht bewältigten NS-Zeit des „Umbruches“, der endlich erlangten hungsgeflecht Kärnten lebte (und, Gott wäre eine derartige kunsthistorisch fundierte Selbstbestimmung der Menschen und der sei Dank, eigentlich immer noch lebt), Zugangsweise völlig unmöglich. Im Falle des jungen Nationen, des Aufbruches, des obgleich der Virus „nationaler“ Ressenti- ­Villacher Erinnerungszeichens an der Südseite Nationalbewusstseins, war, bislang (aber ments durch einige Jahrzehnte in der des Turms der Stadtpfarrkirche, das durch einen wir werden noch sehen ...) das mörde- Bevölkerung das Bewusstsein für die gelungenen künstlerischen Eingriff von Architekt rischste überhaupt. echten Traditionen dieses gesegneten Roland Winkler (Text: Friederike Kempner) vom Es ist legitim und menschlich, den Toten Landes beinahe gelöscht hätte. Krieger- zum Friedensdenkmal verwandelt wurde, (allen Toten ...) Ehrerbietung zu erweisen, Dennoch, Kärntens Denkmale, die from- konnten Memorial- und Kunstwert wieder mitei- ihnen als Zeichen der Pietät Denkmale men wie die traurigen, nicht zuletzt die nander in Einklang gebracht werden. Bei der 1838-40 errichteten ehemaligen SS-Kaserne in aufzurichten. Aber eben allen Toten, denn kulinarischen, zwischen Frigga und gegren- Klagenfurt haben Richard Kriesche 2008 künst- den Toten sind im Augenblick ihres Hin- delten Nudeln, leben in uns weiter; frei lerisch, Paul Mahringer 2019 wissenschaftlich scheidens von allerhöchster Autorität die und ungeteilt, so wie Kärnten anno 2020. vor Augen geführt, wie „historisch kontaminierte ● irdischen Ausweise entzogen worden, Bertram Karl Steiner Orte“ (Norbert Huse) als Gedenk-Male zu begrei- welche sie dieser oder jener Volks- oder * 1948 in Niederösterreich, lebt und arbeitet in Kärnten, studierte Geschichte und Romanistik in Wien, verweilte fen und daher als Denkmale zu erhalten sind. Sprachgruppe zuweisen würden. Nicht als Lehrbeauftragter für österreichische Zivilisation an ● Geraldine Klever legitim ist es, Denkmale für Menschen der Universität Brest in der Bretagne, war Kulturchef der Kärntner Tageszeitung, ist Verfasser mehrerer Bücher * 1967 in Klagenfurt, Philologin, seit 2003 im oder Regime zu errichten, die sich objek- über Kärnten. Bundesdenkmalamt, Abteilung für Kärnten, tätig.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 17 Die Historie der Selbstbestimmung Ein Plebiszit gegen den Nationalismus und für ein gemeinsames Kärnten.

„Der 10. Oktober 1920 ist ein Festtag des Am 30. November 1918 überschreiten Grenze und spricht sich großen Gedankens vom Selbstbestim- südslawische Verbände die Drau und für den Verbleib ganz mungsrecht der Völker, der sonst in den erobern Völkermarkt. Nun ist auch Kla- Kärntens bei Österreich aus. Friedensverträgen leider nicht zum Durch- genfurt unmittelbar bedroht. Am 5. Dezem- Präsident Wilson kann sich mit bruch gelangt ist“, meinte Bundeskanzler ber 1918 fasst die Kärntner Landesver- dieser Forderung auf der Pariser Friedens- Schober 1930. Dieses 90 Jahre alte State- sammlung mit Landesverweser Arthur konferenz nicht durchsetzen. Die Kom- ment kennzeichnet treffend das Wesen Lemisch den mutigen und weitreichenden promisslösung ist eine Volksabstimmung von Kärntens Festtag: Der 10. Oktober ist Beschluss zum bewaffneten Widerstand. im Klagenfurter Becken. Kärntens Tag der Selbstbestimmung, an Ludwig Hülgerth organisiert als Landes- Ende Mai 1919 steuert der Konflikt um dem deutsch- und slowenischsprachige befehlshaber den Abwehrkampf. Kärntner Kärnten auf seinen Höhepunkt zu. Am Kärntnerinnen und Kärntner sich für die Freiwilligenverbände und Volkswehrein- 27. Mai fasst der Oberste Rat in Paris gemeinsame Heimat und gegen nationale heiten befreien gemeinsam innerhalb den endgültigen Beschluss für eine Trennung ausgesprochen haben. weniger Tage große Teile Kärntens. Volksabstimmung in Kärnten. Nahezu Durch die Kämpfe zur Jahreswende gleichzeitig greifen jugoslawische Trup- Der Abwehrkampf. Im November 1918 1918/1919 wird die internationale Auf- pen mit großer Übermacht an. Schon am bricht das Vielvölkerreich der Habsbur- merksamkeit auf Kärnten gelenkt. Ame- 29. Mai muss Landesbefehlshaber Hül- germonarchie zusammen. Nationale For- rikanische Experten unter der Leitung von gerth den Befehl zum Rückzug geben. Am derungsprogramme werden aufgestellt. Sherman Miles versuchen, sich ein objek- 30. Mai übersiedelt die Landesregierung Künftige Grenzkonflikte kündigen sich an. tives Bild von der Stimmung der Bevölke- nach Spittal an der Drau. Am 6. Juni In allen national gemischten Kronländern rung zu machen. Ihr Abschlussbericht, besetzen jugoslawische Truppen die Lan- beginnt der Kampf um die Landeseinheit. der die Haltung der amerikanischen Frie- deshauptstadt und große Teile des Kla- Der slowenische Nationalrat in Laibach densdelegation in Paris entscheidend genfurter Beckens. Der militärische fordert den Anschluss großer Teile Kärn- beeinflussen wird, fällt eindeutig zuguns- Abwehrkampf endet mit einer verheeren- tens an den südslawischen Staat und ten Österreichs aus. Die Miles-Kommissi- den österreichischen Niederlage, doch er ordnet deren militärische Besetzung an. on empfiehlt die Karawanken als künftige hat schon entscheidend dazu beigetragen,

18 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Angelika Kaufmann: kakó prósim/wie bitte. Aus dem zweisprachigen Text eines Buches über den Abwehrkampf schuf die Künstlerin ein begehbares Schriftbild. Foto: Ausstellungsansicht „Nebelland hab ich gesehen“*. Zum Verhältnis von Kunst und Literatur *Ingeborg Bachmann/MMKK, 2013/2014 © Ferdinand Neumüller Foto: Kärntner Landesarchiv Kärntner Foto: kultur.tipp dass für Kärnten eine Volksabstimmung um die Landeseinheit. Die österreichische Grenzlösungen beschlossen wurde. Propaganda [siehe auch BRÜCKEnseiten Als sich die Kärntner Volksabstimmung zum Auf österreichischer Seite sterben in 32-33] verwendet hauptsächlich wirt- zehnten Mal jährte, erhielt das Kärntner Heimat- den bewaffneten Auseinandersetzungen schaftliche und soziale Argumente: lied seine dem Plebiszit gewidmete vierte Stro- 272 Menschen, darunter 46 Zivilist*innen. Österreich ist eine Republik mit phe. Heuer, 90 Jahre nach der Geburt dieser Auf südslawischer Seite sterben 140 Sol- vorbildlicher Sozialgesetzgebung. umstrittenen Zeilen und 100 Jahre nach der daten, von denen nur fünf aus dem heu- Österreich hat keine Wehrpflicht und Volksabstimmung, rückt Kärnten abermals zu- tigen Kärnten stammen. wird in Zukunft keine Kriege führen. sammen, um diesen fernen Tagen zu gedenken. Am 10. September unterzeichnet Karl Das Klagenfurter Becken ist eine wirt- Als Teil des Projekts CARINTHIja 2020 veran- Renner in Paris den Staatsvertrag von St. schaftliche Einheit. Ohne die Märkte von staltet der Geschichtsverein Kärnten ein Sym- Germain. Kärnten muss schmerzliche Klagenfurt und Villach können die Bauern posium zum Thema „Volksabstimmungen und Gebietsverluste hinnehmen. Das Kanaltal nicht überleben. andere Grenzlösungen“. Präsidentin Claudia mit der Stadt Tarvis kommt zu Italien, das Die österreichische Propaganda ist kon- Fräss-Ehrfeld: „Obwohl absolut ge­sehen nur Mießtal mit Unterdrauburg und die sequent zweisprachig. Kurz vor der wenige Volksabstimmungen von den alliierten Gemeinde Seeland fallen an Jugoslawien. Abstimmung erklärt die Kärntner Friedensverhandlern 1919 in Paris zur Lösung Landesversammlung in einer feierlichen von Grenzfragen fixiert wurden, erlebte dennoch Die Volksabstimmung. Nun beginnt das Proklamation, dass sie den slowenischen das Plebiszit als Mittel der Entscheidungsfin- lange Warten auf die Volksabstimmung. Landsleuten ihre sprachliche und nationa­ dung bei Souveränitätsfragen nach dem Ersten Erst am 16. Juli 1920 tritt der Friedens- le Eigenart jetzt und alle Zeiten wahren will. Weltkrieg den Höhepunkt seiner Entwicklung.“ Bei dieser Tagung werden Vortragende aus ganz vertrag in Kraft. Innerhalb von drei Viele ältere Wähler*innen sind noch Europa zu Gast sein. Es wird die Volksabstim- Monaten muss nun die Volksabstimmung Analphabeten. Auf sie nimmt der Abstim- mung in Schleswig 1920 ebenso historisch stattfinden. mungsvorgang Rücksicht: Man muss zer- behandelt wie jene am 11. Juli des­selben Jahres Die Abstimmungszone I steht während- reißen, was man ablehnt. in Ostpreußen. Der Blick zu den Nachbarn findet dessen unter jugoslawischer Verwaltung. Die internationale Aufsicht führt zu im Beitrag „Die Abtrennung der Untersteiermark Sie ist vom übrigen Kärnten nahezu völlig einer korrekten Abstimmung. Die Stimm- von Österreich 1918/1919“ Erwähnung. Der Bur- abgeschnitten. An der Demarkationslinie zettel in den versiegelten Wahlurnen genland-Thematik wird ebenso Zeit gewidmet stehen serbische Soldaten. Ihr überhebli- werden zentral ausgezählt. Drei Tage wie dem Kärntner Schicksalstag. Fräss-Ehrfeld: ches Auftreten als Besatzer lässt die bangen Wartens folgen. Am Abend des „Ohne Zweifel ist die Volksabstimmung nach Sympathien für den südslawischen Staat 13. Oktober kommt es auf dem Neuen dem Ersten Weltkrieg ein einschneidendes bei der Bevölkerung schwinden. Platz in Klagenfurt zur Kundmachung des Ereignis der Kärntner Zeitgeschichte. Die Bedeu- Der Kärntner Heimatdienst soll die Ergebnisses, das in seiner Eindeutigkeit tung des 10. Oktober 1920 für die Republik Propaganda für Österreich organisieren. überrascht. Mehr als 59 % der Wähler*innen Österreich liegt nicht nur darin, dass durch den Riesige Mengen an Flugblättern werden stimmen für den Verbleib des Abstim- Ausgang des Plebiszits dem kleinen Reststaat, gedruckt und in der Nacht auf Schleich- mungsgebietes bei Österreich. der den Namen der Monarchie weiterführte, wegen in die jugoslawisch besetzte wichtiges Staatsgebiet erhalten blieb. Schon im Abstimmungszone gebracht. Genaue Wahlanalysen haben ergeben, dass Jahr davor, 1919, manifestierte sich im Zuge- Am 16. Juli 1920 trifft endlich die inter- mehr als 10.000 slowenischsprachige ständnis der Volksabstimmung durch die Alliier- nationale Plebiszitkommission in Kärnten Kärntner*innen­ für Österreich gestimmt ten im Staatsvertrag von Saint-Germain mit Österreich der wichtigste außenpolitische Erfolg ein. Sie sieht ihre wichtigste Aufgabe haben. Die Volksabstimmung vom 10. der jungen Republik.“ darin, eine faire Abstimmung zu gewähr- Oktober 1920 war somit keine nationale ● leisten. Die Bedingungen für die Öster­ Entscheidung, sondern eine Abstimmung Sabine Ertl Die Autorin arbeitet als freischaffende Journalistin reicher*innen verbessern sich nun rasch. gegen den Nationalismus und für ein und Texterin in Kärnten und über dessen Grenzen hinaus. Die Demarkationslinie muss geöffnet wer- gemeinsames Kärnten. den. Tausende Flüchtlinge können endlich ● Wilhelm Wadl Symposium: Plebiszite als Akt der nationalen Selbstbestimmung in ihre Heimat zurückkehren. * 1954, lebt in Gnesau, Germanist und Historiker, von 2001-2019 Direktor des Kärntner Landesarchivs, ist beim 14.–15. Mai, Anmeldungen bis 6. Mai Die heiße Phase des Wahlkampfes Jubiläum der Kärntner Volksabstimmung (CARINTHIja Kärntner Landesarchiv, Klagenfurt beginnt. Alle Parteien kämpfen gemeinsam 2020) maßgeblich beratend tätig. www.geschichtsverein.ktn.gv.at

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 19 Mehr als Peršmanhof versus Ulrichsberg Eine ausgeklügelte, mobile Ausstellung bringt die Geschichte rund um die Volksabstimmung in alle Kärntner Bezirke.

Vor einigen Wochen schätzendem und interessiertem Publi- Entner. „Die eigentliche Frage ist, welche bekam Brigitte Entner kum. „Das zeigt mir, dass wir alle eine Auslassungen es in den unterschiedlichen eine Einladung auf unsiche- Wahrnehmung unserer gemeinsamen Erzählungen gibt. Die Gesellschaft krankt res Terrain. Die Historikerin Geschichte haben“, sagt Entner. daran, dass ein großer Teil der Geschich- forscht zur Rolle der Frauen rund te des Landes noch nicht Eingang in das um den Abwehrkampf und die Volksab- Herzstück Mobile Ausstellung. Entner kollektive Bewusstsein gefunden hat und stimmung vor hundert Jahren. Besonders ist eine von zahlreichen Expert*innen, die manches auch noch nicht wirklich von im Fokus hat Entner slowenischsprachige an einem Herzstück der ganzjährigen allen Seiten aufgearbeitet wurde.“ Frauen, die sich damals für einen Feierlichkeiten zum 100-Jahr-Jubiläum Anschluss Unterkärntens an den jugosla- der Kärntner Volksabstimmung mitwir- Was außer Streit steht: Nach Ende des wischen SHS-Staat engagierten. Frauen ken. Ab 29. April macht, beginnend in Ersten Weltkriegs, der zu einem Zerfall wie die Botanikerin Angela Piskernik, Völkermarkt, die dazugehörende Mobile der Habsburgermonarchie führte, stellte Kärntens erste promovierte Naturwissen- Ausstellung in sämtlichen Bezirken Kärn- der neu entstandene SHS-Staat der schafterin, die nach der Volksabstimmung tens Station. Eine 40 Meter lange, teilwei- Slowen*innen, Kroat*innen und Serb­ nach übersiedelte, später von se überdachte Holzgrundkonstruktion auf *innen als Siegermacht Gebietsansprüche den Nationalsozialisten im KZ Ravens- Schienen präsentiert die wechselvolle auf gemischtsprachige Teile Südkärntens. brück interniert wurde und nach dem Geschichte rund um das Plebiszit vom 10. Dagegen regte sich in Kärnten Widerstand, Zweiten Weltkrieg als Direktorin des Oktober 1920. mehrfach kam es zu Kampfhandlungen. Naturhistorischen Museums von Ljublja- Insgesamt 30 Fachleute aus unterschied- Über Vermittlung des damaligen US- na zu einer führenden Naturschützerin lichen Disziplinen arbeiteten an dem Präsidenten Woodrow Wilson wurde für avancierte. In Slowenien wurde Piskernik Konzept mit, um möglichst viele Facetten den 10. Oktober 1920 eine Volksabstim- schon zu Lebzeiten verehrt. Diesseits der der jüngeren Kärntner Geschichte ange- mung in einer von zwei Zonen des umstrit- Karawanken waren viele nicht gut auf sie messen zu repräsentieren. Besonderes tenen Gebietes angesetzt. Bei einer Wahl- zu sprechen. Augenmerk liegt auf den Zwischentönen. beteiligung von 95 Prozent stimmt eine Nun aber wurde Entner ausgerechnet Stereotype sollen vermieden und bislang deutliche Mehrheit für den Verbleib bei von der Kärntner Landsmannschaft ein- Unbeachtetes zu Tage gefördert werden. Österreich. Möglich wurde das Ergebnis geladen, Anfang März über ihre Recher- Das Projekt ist ein Wagnis, denn es soll von 22.000 zu 15.000 Stimmen, weil chen zu berichten – einem Verein, der die die teils widersprüchlichen Aspekte eines viele Kärntner Sloweninnen und Slowenen Traditionen der Deutschkärntner Bevöl- historischen Ereignisses greifbar machen, gegen den Anschluss an den SHS-Staat kerung hochhält. Entner sagte zu und war das Kärnten bis heute prägt – auch und votierten. Bei dem Plebiszit handelte es verblüfft. Noch vor ein paar Jahren hätte gerade durch die Leerstellen, durch das, sich um eine der ersten demokratischen ihr Referat in diesem Rahmen gewiss für worüber bisher gern geschwiegen wurde. Abstimmungen im Sinne des von Wilson rote Köpfe und hitzige Wortmeldungen „Die großen historischen Eckpunkte kann proklamierten Selbstbestimmungsrechtes gesorgt. Doch nun sprach sie vor wert- man inzwischen außer Streit stellen“, sagt der Völker.

20 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Fotos: Adobe Stock, MMKK/Neumüller – Gestaltung bigbang GmbH bigbang Gestaltung – MMKK/Neumüller Stock, Adobe Fotos:

Außer Streit steht auch, dass die Volks- und Kultur in der Landesregierung ist „Laufsteg“ nennt Winkler sein Werk. abstimmung am Anfang einer wechsel- gemeinsam mit der Protokollchefin des Mobil ist nicht nur die Unterkonstruktion. vollen Geschichte beider Volksgruppen Landes, Christiane Ogris, federführend Die Ausstellungsgegenstände und Vitri- stand, mit kollektiven wie individuellen verantwortlich für hunderte themenbezo- nen – „Erinnerungsspeicher“ – lassen Traumata, die bis heute nachwirken. gene Veranstaltungen in ganz Kärnten. sich auf Schienen bewegen. „Wir haben Gräben, die noch immer nicht ganz zuge- „Das Grundprinzip ist Partizipation“, sagt die Möglichkeit geschaffen, Zeiträume schüttet sind, tiefsitzendes gegenseitiges er. „Wir verordnen nicht, wie das Jubiläum auseinanderzuschieben.“ Der gestalteri- Misstrauen, das sich noch nicht ganz auszusehen hat, sondern rufen die Bevöl- sche Aufbau des mobilen Museums soll- zerstreuen ließ. Es sind völlig konträre kerung auf, sich zu beteiligen und Projek- te die Grundgedanken der Ausstellung Erzählungen, die den Zugang beider te einzubringen.“ widerspiegeln, die Veränderbarkeit von Sprachgruppen zur Volksabstimmung – Entsprechend flexibel ist auch die Mobi- Geschichte: „Ich möchte auch mit der und allem, was darauf folgte – prägt. „Die le Ausstellung, die an die unterschiedli- Verschwörungstheorie aufräumen, dass Idee der Ausstellung ist es, die unter- chen Standorte angepasst wird. So soll die es immer die da oben sind, die Geschich- schiedlichen Zugänge der einzelnen Betei- jeweilige Geschichte der einzelnen Bezir- te machen. Dabei hat jeder und jede ligten wiederzugeben“, sagt Entner. „Zei- ke rund um die Volksabstimmung in die Einzelne die Möglichkeit, selbst in das gen, welche Erinnerungskulturen es gibt, Ausstellung einfließen. Und das nicht nur Zeitgeschehen einzugreifen. Man kann welche Erinnerungszeichen von einer in den unmittelbar betroffenen Städten. es zumindest versuchen.“ Gruppe als zentral angesehen werden, Spittal an der Drau etwa war außerhalb Auch das sei eine Lehre der Volksab- während sich Teile der anderen Gruppe der Abstimmungszone, spielte aber als stimmung, die letztlich nicht von Mächti- davon provoziert fühlen.“ Sitz der Kärntner Exilregierung eine ent- gen entschieden wurde, sondern von der Mit anderen Worten: Es geht in der scheidende Rolle. „Ausgehend von den Bevölkerung. Das sichtbarste Zeichen der Mobilen Ausstellung darum, mit Wider- Kernereignissen an zentralen Orten wollen Mitbestimmung sind zwei kleine Pavillons, sprüchen umzugehen, sie in einen neuen, wir exemplarische Einblicke geben“, sagt die Ausstellungsbesucher*innen an beson- bejahenden Kontext zu setzen. „CARIN- Pucker. Höhepunkt wird ein Fest der Täler ders heißen oder regnerischen Tagen THIja“, lautet das Motto der Jubiläumsfei- am 10. Oktober in Klagenfurt: An zwölf Schutz bieten sollen – und die auf dem erlichkeiten, das klarmacht, worum es Orten werden die 17 Täler des Landes Laufsteg frei bewegbar sind. „Jeder Pavil- geht: einen verbindenden und möglichst nachgezeichnet, als Panorama Kärntens. lon hat ein Steuerrad, mit dem er sich nicht mehr schmerzbehafteten Zugang „Wer über diese Plätze wandert, kann das verschieben lässt. Man kann im übertra- zur gemeinsamen Geschichte zu finden. Land in seiner ganzen Vielfalt erleben.“ genen Sinne am Rad der Geschichte dre- hen“, sagt Winkler. Grundprinzip Partizipation. Das ließe Geschichte auf dem Laufsteg. Zuvor aber sich allerdings nicht von oben herab wird die vom Klagenfurter Architekten Blick nach vorne. Dabei soll der Blick dekretieren, zeigt sich Igor Pucker über- Roland Winkler entwickelte Mobile Aus- nicht nur nach hinten gerichtet sein. „Wir zeugt. Der Leiter der Abteilung für Kunst stellung durch ganz Kärnten ziehen. Einen wollen mit der Ausstellung auch die mög-

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 21 liche Zukunft der Gesellschaft abbilden“, technologien, die Gestaltungen und Auf- chancen bringt die Mobile Ausstellung zu sagt Markus Hornböck, Geschäftsführer bereitungen im Rahmen der Mobilen CARINTHIja 2020 auch deutliche Zukunfts- der Kärntner Betriebsansiedlungs- und Ausstellung übernimmt der auf künstleri- aspekte. Aus hundert Jahren Kärntner Beteiligungsgesellschaft Babeg, die in die sche und museale Großprojekte speziali- Geschichte werden Perspektiven auf die Ausstellung eng eingebunden ist. Wie vor sierte Projektmanager Wolfgang Giegler. Kärntner Bildungslandschaft und auf hundert Jahren sei Kärnten auch heute „Wir stellen ausgehend von der Volksab- zukünftige gesellschaftliche Herausforde- Teil einer globalen Entwicklung. War die stimmung 1920 ein ganzes Jahrhundert rungen eröffnet. Dabei spielen die starke Zeit vor hundert Jahren durch das Ende in den Fokus der Ausstellung. Damit Einbindung künstlerischer Standpunkte des Ersten Weltkrieges und den weiterlo- können wir auch zeigen, dass Geschichte (Stefan Hafner, Emil Kristof, Majda dernden Nationalismus gekennzeichnet, nicht in Stein gemeißelt ist, sondern von Krivograd, Milena Olip, Jani Oswald, Six/ sind es heute unter anderem technologi- jeder Zeit neu interpretiert und kommen- Petrisch, zweintopf) und die vielfach sche Entwicklungen wie künstliche Intel- tiert wird.“ Erinnerungsorte in Kärnten, multimediale Vermittlung gut zusammen. ligenz oder virtuelle Realität: „Wie werden vor allem eine Auswahl von Denkmälern, Giegler: „Man geht durch Worte, die zu sich die Digitalisierung und die Verände- bilden daher ein zentrales Ausstellungs- einem sprechen, schreien oder flüstern, rung unserer Arbeitswelt auf unseren modul, ebenso wie Sprachspiele, die einen man arrangiert, entdeckt und kann, wenn Umgang miteinander auswirken? Was künstlerischen Zugang zur Zweisprachig- man will, sein eigenes deutsch-sloweni- bedeutet das für eine Region wie Kärnten? keit als wichtiges kulturelles Merkmal sches Gedicht komponieren.“ Wie wird Kärnten in hundert Jahren aus- Kärntens ermöglichen. „So wie sich der sehen?“ Auch diese Themen sollen im Blick auf Historisches ständig entwickelt, Unterschiedliche Erzählungen. Für das Kontext der Landesgeschichte in der so werden auch mit Sprache(n) spezifische konzeptionelle Panorama, den Blick auf mobilen Ausstellung erörtert werden. „Uns Wirklichkeiten geschaffen.“ das große Ganze ist der Historiker Helmut interessiert die Aufarbeitung der Vergan- Eine Art therapeutische Ausstellung für Konrad von der Universität Graz zustän- genheit mit Themenstellungen, die in die ganz Kärnten? So weit will Giegler nicht dig. Er verstehe seine Rolle als eine Art Zukunft gerichtet sind“, sagt Hornböck. gehen. „Auf jeden Fall bringt die Mobile Korrektiv, erläutert der gebürtige Wolfs- Ausstellung eine Offenheit mit sich, die berger. „Wir diskutieren viel, wie sich die Veränderbarkeit der Erinnerungskultur. auch in den Ausstellungsgemeinden sehr unterschiedliche Erinnerungskultur mög- Die Arbeit der Expert*innen an den The- willkommen geheißen wird.“ Mit einem lichst ausgewogen widerspiegeln lässt.“ men der Ausstellung, die Vermittlungs- Schwerpunkt auf Bildungs- und Lebens- Denn: „Erinnerungskultur ist mehr als

22 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Visualisierung der Grußmaschine, die fertige Installation wird ab 24. April zu sehen sein. Foto: Sigrid Friedmann kultur.tipp Dober Tag Die Grußmaschine

„Nicht grüßen genügt nicht. Man grüßt auch Leute nicht, die man nicht kennt.“

Wir alle grüßen ununterbrochen, es ist ein stark verwurzeltes Ritual unserer Gesellschaft. Trotz- dem denken die Wenigsten darüber nach, ­welche sozialen Beziehungen sich im Grüßen manifestieren. Gesellschaftliche Macht, patriar- chale Verhaltensformen und sogar struktureller Rassismus zeigen sich oft bereits beim Grüßen. Die Installation „Dober Tag. Die Grußmaschine“ will auf kurzweilige Art und Weise dazu anregen, über diese Machtstrukturen nachzudenken, Nicht das Land besucht die Ausstellung, die Ausstellung besucht das Land: Das Modell der von den mit einer bunten Mischung aus Film, Tondoku- Architekten Winkler + Ruck entworfenen Mobilen Ausstellung, die ab 29. April durch alle Kärntner menten, Interviews, Musik und Literatur. Auch Bezirke touren wird. Foto: LPD | Helge Bauer historisch setzt sie sich mit dem Thema Grüßen auseinander. So wird das Grüßen im National- sozialismus genauso behandelt wie die Bestre- bungen der katholischen Kirche, dem Grüßen eine religiöse Komponente zu verleihen.­ Ein zentrales Thema von „Dober Tag. Die Gruß- maschine“ ist das zweisprachige Kärnten/ Peršmanhof versus Ulrichsberg.“ Am emotionalen Gründe gewesen: „Es wäre Koroška sowie die Beziehung zwischen den Peršmanhof bei Eisenkappel verübten in für die Bäuerinnen und Bauern schwerer Volksgruppen. Diese wird innerhalb der Installa- den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs gewesen, ihre Erdäpfel über den Loibl oder tion allen voran durch einen Text des Dichters NS-Soldaten ein Massaker an sloweni- den Seebergpass zu bringen als nach Prežihov Voranc thematisiert. Dessen schen Zivilist*innen. Der Ulrichsberg war Klagenfurt oder Villach. Und für viele Geschichte Dobro jutro (Guten Morgen) handelt die jahrzehntelange Pilgerstätte soldati- spielte nach der Erfahrung des Ersten von einem kleinen Jungen, der vom Sprachen- scher, mitunter deutschnationaler Kriegs- Weltkriegs die Tatsache eine Rolle, dass konflikt seines Südkärntner Dorfes betroffen heimkehrerverbände. es im SHS-Staat Wehrdienst gab, während ist. Obwohl fast alle Dorfbewohner*innen Slo- Die große Herausforderung sei es gewe- Österreich damals ein Berufsheer hatte.“ wenisch sprechen, ist die Lehrerschaft wie die sen, die unterschiedlichen Erzählungen Zumindest kurzfristig hätten Pragma- gesamte Obrigkeit streng deutschnational ein- nebeneinander zu stellen, meint Konrad. tismus und Vernunft Oberhand über ideo- gestellt und versucht, das Slowenische mit aller „Gemeinsames Erinnern heißt zu akzep- logischen Eifer behalten. Und das, davon Macht zurückzudrängen. Die Eltern des Buben tieren, dass auch die andere Seite ihre ist Konrad überzeugt, sei eine wichtige wehren sich dagegen, sodass der Kleine oft legitimen Positionen hat“, sagt Konrad. Moral des 10. Oktober, die auch hundert zwischen die Fronten gerät. Es wäre, sagt er, auf „jeden Fall einfacher Jahre später nichts von ihrer Gültigkeit „Dober Tag. Die Grußmaschine“ ist ein Beitrag gewesen, eine Ausstellung von nur einem verloren hat. des Vereins FreundInnen des Friedenszentrums zu „CARINTHIja 2020“. Die Projektidee stammt Standpunkt aus zu gestalten. Aber was ● Wolfgang Rössler von Ulrich Kaufmann, das Konzept dazu hat er wäre dann das Gemeinsame gewesen?“ 39, aus Steindorf am Ossiacher See, lebt in Wien, ist Korrespondent der NZZ am Sonntag. zusammen mit Werner Wintersteiner entwickelt. Wie aber könnte eine positive Erzählung Die Installation wird ab 24. April (Eröffnung: der Volksabstimmung aus Sicht der slo- 11 Uhr) bis Ende Oktober 2020 am Hauptplatz wenischen Minderheit aussehen? „Der 10. in Völkermarkt zu sehen sein – jeweils mitt- Oktober hat gezeigt, dass die slowenische wochs und freitags von 8-16 Uhr (Eintritt frei). Sprachgruppe nicht vom Nationalisie- www.carinthija2020.at rungswahn der damaligen Zeit erfasst ● Daniel Gönitzer wurde“, sagt Konrad. Entscheidend für * 1994 in Wolfsberg, Philosoph und langjähriger das ausschlaggebende Votum vieler Slo- Kulturarbeiter im Wolfsberger Kulturverein Container 25. weninnen und Slowenen im Sinne des Verbleibs bei Österreich seien eben keine

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 23 Wasser und Floß Majda Krivograd.

Majda Krivograd arbeitet aktuell auch an der Mobilen Ausstellung des Jubiläumsprojektes CARINTHIja 2020 mit. Foto: Marion Luttenberger

Nicht auf viele Menschen trifft die Bezeich- Sprachspiele. Ihr 2009 gegrün- Killa Marilla. Übrigens war nung „kulturschaffend“ so vielschichtig detes „Scenario-Design-Büro“ heißt Majda Krivograd als Jugendliche passend zu, wie auf Majda Krivograd. Nein, mura – Slowenisch, Kroatisch und Saxophonmeisterin eines heute Künstlerin sei sie keine, betont sie. Auch Ungarisch für die Mur, die durch ihren nicht mehr existierenden Staates südlich keine Architektin, obwohl sie ihr Archi- aktuellen Lebensmittelpunkt Graz fließt, von Österreich. Heute gibt sie ihr Wissen tekturstudium in Graz schon vor langem gleichzeitig durch Kroatien, Slowenien aus der musikalischen Praxis an die beendete. Vom Häuserbauen hat sie sich und Ungarn. Diese Gleichzeitigkeit der nächsten Generationen weiter. 2020 arbei- auch schon längst verabschiedet; sie plant Bewegung steht wohl symptomatisch tet sie für den Kulturverein GRRRLS, der und baut für Theater, Kunst und Kultur, für einen im ständigen Denken ruhen- für das Grazer „Kulturjahr 2020“ DJ- vorzüglich im öffentlichen Raum. Das den Kopf. Majdas interdisziplinäre Praxis Workshops für interessierte Frauen zwi- Häuserbauen wäre ja auch quasi unter verlangt beinahe das zeitgleiche Arbeiten schen 16 und 91 Jahren anbietet. Seit einem schlechten Stern geboren. Frei an verschiedensten Projekten und Bau- 2008 macht sie Glamour Punk mit ihrer übersetzt aus dem Slowenischen lässt sich stellen. So ist sie auch im Gedenkjahr Band Killa Marilla, in den teils von ihr ihr Nachname im Deutschen als „schief 2020 in Kärnten in vollem Einsatz. Für geschriebenen und gesungenen Lyrics bauen“ verstehen. Wer schief baut, denkt „CARINTHIja 2020“ arbeitet sie an der heißt es da zum Beispiel: vielleicht auch nicht ganz gerade. Und das großen Mobilen Ausstellung mit. scheint bei Majda Krivograd wohl gewiss. Konkret unterstützt sie Brigitte Entner 1, 2, 3, tanz mit mir, Eine Querdenkerin auf alle Fälle, zuweilen in der Konzeption und Durchführung alle meine 7 Sachen schenk ich dir. auch mal quer, also auf Neudeutsch. Das eines der Ausstellungsmodule, den Sprach­ Bring mich hinaus in die weite Welt, mit dem Deutschen ist auch so eine Sache. spielen, die den sprach(gedank)lichen wo Honig und Milch von den Bäumen Ihr Deutsch mischt sie mit Slowenisch, Horizont des Landes sichtbar machen fällt. ihrer zweiten, oder ersten, oder zweiten, werden. Dort gibt es unter anderem mehr- Aaaaaaaaaa oder ersten Muttersprache. Im deutschen sprachige Literatur von Jani Oswald und Meduza, Meduza, was machst du mit mir, Sprechen hat sie sich den schönen Kärnt- Milena Olips filmische Neuinterpreta- dass ich mich in deiner Stimme verlier. ner-slowenischen Anschlag bewahrt. Auf- tion von F.A.Q., Stefan Hafners Film aus Komm’ in die Arme, in meinen Schoß, gewachsen ist sie in St. Michael ob Blei- dem Jahr 2005. Gespielt wird beispiels- das Wasser ist tief, ich bin dein Floß. burg/Šmihel pri Pliberku, vor zirka fünf- weise mit einer Neuauflage des 1997 undvierzig Jahren. Dazwischen gab es erschienen Übungsbuches vom UNIKUM. Majda Krivograd ist Tänzerin, Bäume Fäl- unter anderem ein bisschen Studium in Für die Mobile Ausstellung spielt Emil lerin, sie ist Wasser und sie ist auch Floß. Paris und viel Arbeit in Ljubljana und der Krištof einen Rap mit den Übungsbuch- ● Markus Waitschacher Welt. Letzteres sehr oft in Zusammenhang wörtern ein. Spielen wird Majda Krivograd * 1991 in Klagenfurt, lebt in Graz, wo er am Universal­ museum Joanneum als Kunstvermittler für moderne und mit dem Performance-Kollektiv Kud Ljud möglicherweise auch selbst mit Musik, zeitgenössische Kunst tätig ist. Nebenbei arbeitet er als (in Kärnten dank UNIKUM nicht ganz live, bei der Eröffnung am 29. April in freischaffender Kurator. unbekannt). Völkermarkt.

24 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Filmische Geschichtsaufarbeitung Milena Olip rückt die Perspektive der Minderheit ins bewegte Bild.

Milena Olip. | Sequenz aus „Sine legibus – po poteh 1976“. Fotos: Milena Olip

„Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur als Opfer der Nazis anerkannt wurde, will Olip zeichnet in ihrem Film die Geschich- Pflicht, Gehorsam aber Verbrechen!“ Olip mit ihrer Arbeit gerecht werden. Die te der Diskriminierung, der Missachtung Chronik ihrer Großfamilie liest sich wie einer Sprachminderheit und deren Wider- die Geschichte der slowenischen Volks- stand dagegen. Und das in einer Zeit, in Das hundertste Jubiläum der Kärntner gruppe in Kärnten. der Nobelpreisträger Peter Handke sowie Volksabstimmung wirft die Frage auf, aus Burgtheaterdirektor Martin Kušej voll Stolz welcher Perspektive Geschichte erzählt Auf den Spuren der Gesetzlosen. In ihrem auf ihre Kärntner-slowenische Herkunft wird. Milena Olip macht durch ihre filmi- neusten Film „Sine legibus – po poteh verweisen, der neue Bischof Kärntner sche Geschichtsaufarbeitung jenen einen 1976“ spannt die Absolventin der Kunst- Slowene ist und es schon bald zum guten Strich durch die Rechnung, die ob des akademie AGRFT in Ljubljana den Bogen Ton gehöre, eine*n Kärntner Slowenin/ allseits beschworenen, neuen Klimas im vom NS-Widerstand bis zu einer der span- Slowenen zu prämieren. Land den Kärntner Slowen*innen zureden: nendsten Geschichten der Republik in den Hört endlich auf, ständig etwas zu fordern! 1970ern. Die Söhne der Zeller Widerstands­ CARINTHIja 2020. Obwohl die Anmel- Das Einklagen von Minderheitenrechten, kämpfer*innen,­ unter anderem Marjan dungen zum zweisprachigen Unterricht das Reklamieren eines modernen Minder- Olip, raubten in einer spektakulären Akti- in Südkärnten stetig weiterwachsen, kann heitenschutzes mache nur schlechte Stim- on die Wahlurne in Zell/Sele. 1976 Milena Olip nicht anders. Sie zeigt auf, mung im Land. Aber die Milena Olip kann beschloss die Bundesregierung österreich- dass die Minderheitensprache aus den nicht anders. weit eine Minderheitenfeststellung durch- Familien und dem öffentlichen Leben fast Sie ist die Enkelin eines Zeller NS- zuführen. Diese sollte als Grundlage für verschwunden ist. Widerstandskämpfers. Während sloweni- die Aufstellung von zweisprachigen Orts- Im Rahmen der Mobilen Ausstellung sche Familien aus Zell/Sele deportiert tafeln dienen. Als den Burschen in Wien CARINTHIja 2020 [siehe BRÜCKEseiten wurden und viele den Tod in den Lagern der Prozess gemacht wurde, amnestierte 20-23] tut Milena Olip dies mit dem Werk der Nationalsozialist*innen fanden, ver- Bundespräsident Kirchschläger die Ange- eines Kollegen. Sie zerlegt das filmische steckten sich die Olip-Brüder über drei klagten. Ihre Tat sei im Zusammenhang Highlight „F.A.Q.“ des Kärntner Slowenen Jahre in einem Waldbunker hoch über mit dem Schicksal ihrer Väter und Mütter Stefan Hafner in zehn lustvolle Sequen- dem Bergdorf. Am 29. April 1943 wurden verständlich. Kirchschläger reiste nach zen. Hafners ironische Zeichnung des im Landesgericht Wien zwölf Kärntner Zell/Sele und erklärte: „Sie sind nicht Umganges mit der slowenischen Volks- Slowenen und eine Slowenin aus Zell/Sele ehrlos, und waren nie ehrlos. Sie sind gruppe in den letzten 100 Jahren, lässt und Eisenkappel/Železna Kapla geköpft, würdig des ehrenden Gedenkens unserer dem/der Zuschauer*in das Lachen im Hals weil sie Widerstand gegen die Nazis Republik.“ Erzählt wird der Wahlkrimi in stecken bleiben. leisteten. Mit diesen Erzählungen ist die Zell/Sele aus der Perspektive der Akteure. ● Sabina Zwitter-Grilc Kärntner Slowenin aufgewachsen. Diesen Denn erst die Sicht der Minderheit mache * 1967 in Villach, ORF- Journalistin beim interkulturellen Magazin Heimat-Fremde-Heimat und Filmemacherin Tapferen, deren Widerstand ausschlagge- eine ehrliche Geschichtsaufarbeitung mög- (z. B. „Schatten der Scham“). bend war, dass Österreich nach dem Krieg lich, ist Olip überzeugt.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 25 Gerhard Pichler und Eva Pichler. Das Künstler*innen- Duo zweintopf. Foto: JJ Kucek | Die „Göttin der Demokratie“ war 2019 im Klagenfurter Europapark zu sehen. Foto: zweintopf, Bildrecht Wien

Ästhetik jenseits aller Ideologie Das Künstlerduo zweintopf.

In einem Punkt hat Walter Benjamin über Wahrnehmung im abgründlichen Sinn des derts erinnert werden: An all die Jahre Recht behalten: Die Ästheti- Wortes erhält in der Ironie der Arbeiten die gefallenen Soldaten sierung der Politik lässt Design wichtiger von zweintopf ihre tiefere Bedeutung. soll ebenso gedacht werden erscheinen als Sein. Gesellschaft ist zum Das in der Steiermark lebende Künstler­ ­ wie an die Partisan*innen, Spektakel, Politik zur Inszenierung und *innen-Duo überwindet als „Rechtssubjekt“ an die Vertriebenen wie an die das Leben zum Erlebnisprojekt geworden. das dualisierende Denkprinzip der Opfer der NS-Tötungsmaschinerie. Die Sein Lösungsvorschlag aber, der Ästheti- Moderne: Eva Pichler und der aus Kärn- Frage nach Opfern und Täter*innen, nach sierung der Politik mit der Politisierung ten stammende Gerhard Pichler – weder Schuld und Sühne, nach Erinnerung und der Kunst zu begegnen, hat sich im sozi­ verwandt noch verheiratet – arbeiten als Verdrängtem: All das sind prägende Ele- alistischen Realismus erschöpft. zwei selbstbestimmte, selbständige Men- mente eines Kollektivs und zugleich ideo- Die Avantgarde ist im Verlauf des 20. schen gemeinsam im konzeptuellen Rah- logisch kontaminierte Diskurse, die bis Jahrhunderts zur Neo-Avantgarde (Donald men einer Corporate Identity. Kunst, weder heute ein Miteinander erschweren. Kuspit) mutiert: Die Künstler*innen haben Frauenkunst noch Männerkunst, ist das Gemeinsame Erinnerung ist auch Trauma- sich von Welterlösern zu Experten für das Verbindende; Kunst als durch Eva Pichler bewältigung. Schöne „professionalisiert“. Die Phantasie, und Gerhard Pichler tertium datur. zwein- Daher wird der Gedenkort als „Warn- jene revolutionäre Produktivkraft, die topf gelten als „Shooting Stars“ der stei- vorrichtung“ konzipiert, der „individuell gesellschaftlich-kulturelle Veränderung rischen Kunstszene. Aufmerksamkeit und wie kollektiv Wachsamkeit einfordert“. als Utopie denkbar erscheinen ließ, wur- Anerkennung findet ihre Arbeit auch zweintopf befreit mit seinem Entwurf de dem Kommerz untertan gemacht. international; jüngst etwa in Ljubljana/ Erinnerung und Gedenken vom giftigen ABER: Die Kunst ist listig; Künstler*innen Laibach und demnächst in New York. Ballast des Ideologischen. Im Tod sind alle wachsen im Widerstand. Multitude unter- In ihren Arbeiten erschließen sie jenen gleich. Und jeder Tod bedeutet für andere spült mit Raffinesse die konsumglatte Third Space, der die Abgründe der Diffe- Menschen Verlust. Der Tod geht alle an, Oberfläche des Empire – Kunst entwickelt renz übersteigt-überformt und den Men- er kennt kein Entweder-oder. Er ist unüber- Ästhetik zum Widerstand. Ästhetik ent- schen ein Sowohl-als-auch annehmen lässt. windliche, unausweichliche Grenze jedes larvt das Projekt des schönen Lebens als Der Mensch wird als weniger und gleich- Daseins. Jenseits der verkürzten Rede der Ideologie, als verkürzte Rede, als mediale zeitig mehr als die Menschen erfahrbar. Ideologien, befreit aus dem Plot der parti- Erzählung. Die „Göttin der Demokratie“ – eine auf- ellen Erzählungen der Politik werden die blasbare Puppe, die 2019 im Klagenfurter Toten in der Großen Erzählung vom Men­ zweintopf. Im Gegensatz zur politisierten Europapark zu sehen war – bleibt nur schen in Würde erinnert. Am 4. Juli wird Kunst ergreifen Künstler*innen wie zwein- aufrecht, solange ihr von einem (jedem das neupositionierte „Denk!Mal“ bei der topf nicht die Moralkeule. Sie setzen auf und jeder von uns) Menschen der „Lange Aufbahrungshalle/Friedhof eingeweiht. Ironie, auf Ästhetik jenseits aller Ideologie. Atem“ (so der Titel der Installation) ein- Klar durchdachte, kühl konzipierte Kunst- geblasen wird. PS: Über das Projekt, das zweintopf für projekte reißen die mediale Oberfläche die Mobile Ausstellung von „CARINTHIja banal-konsumistischer Alltagsrituale auf. Gedenkstätte in Bleiburg/Pliberk. Noch 2020“ aushecken, hüllen sie sich noch in Sie eröffnen im kairós ontologischer Dif- deutlicher wird dieser heterotope Schweigen. Ihre künstlerische Interven- ferenz einen Augen-Blick mögliche Wahr- Anspruch, den zweintopf an ihre Kunst tion wird ab 29. April in allen Kärntner heit. Im skándalon der künstlerischen stellen, bei der aktuellen Gestaltung der Bezirksstädten zu sehen sein. Intervention offenbart sich die Unfähigkeit Gedenkstätte in Bleiburg/Pliberk im Rah- ● Reinhard Kacianka von uns Heutigen, diese Welt einfach durch men des Großvorhabens „CARINTHIja * 1957, Kulturarbeiter, Übersetzer und Kulturwissen- schaftler an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt; die Formel der Moderne als Entweder-oder 2020“. Dort soll an einem Ort aller Toten seit 2009 PhiloCafétier im raj in Klagenfurt. wahrnehmen zu können. Ästhetik als der großen Katastrophen des 20. Jahrhun-

26 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 KARI.CARTOON

Marko Lipuš: Fotocartoon, 2020. Der Künstler wurde 1974 in Eisenkappel/Železna Kapla geboren, lebt und arbeitet in Wien. Sein Schwerpunkt liegt auf experimenteller transformativer Fotografie, mit unterschiedlichen Interventionen entstehen neue Formen der Sichtbarkeit. 2018 veröffentlichte er den Bildband „Kratzungen blau“. www.markolipus.com Foto: Marko Lipuš

Astrid Langer, * in Klagenfurt, ihre Werke umspannen die Bereiche Malerei, Comic und Karikatur. Die Dachziegl ist eine von Astrid Langer eigens für DIE BRÜCKE entwickelte Figur. Sie lebt auf den Dächern von Klagenfurt, unterhält sich gerne mit Dachziegeln, ist musisch bewandert, mal Wissenschaftler, mal Preisträger und immer wahnsinnig wichtig.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 27 Als die Priester gehen mussten Der Ausgang der Volksabstimmung 1920 brachte einen gewaltigen intellektuellen Aderlass für die katholische Kirche mit sich.

Vor bald 120 Jahren schrieb ter würden sich diese anziehen, Gregor Einspieler, der von aufgebrachten sich ein kleiner Kärntner Land- ohne zu wissen, was sie erwar- Deutschkärntnern in einen Wagen gezerrt, pfarrer in eine Reihe mit René te. „Es ist gerade so unüberlegt, an die Grenze gebracht und auf die ande- Descartes, Heinrich Heine und als wenn sich jemand in der Fülle rer Seite gestoßen wurde. Auch Xaver Immanuel Kant. Zumindest im nega- seiner Kraft verpflichten würde, das Meschko, populärer Pfarrer in Maria Gail tiven Sinne, aus Sicht seiner Chefs in ganze Leben eine Aufgabe zu leisten, die und Autor von Kinderbüchern („Das Para- Rom. „Nostra maxima culpa!“, „Unsere er eben nur zur Zeit des Gelübdes leisten dies auf Erden“, „Der kleine Zigeuner“) große Schuld!“, man beachte das Ausru- kann.“ Im Übrigen würden sich viele musste das Land verlassen – gegen den fezeichen, hieß ein Traktat des Leiflinger ohnehin nur an das Gebot Ehelosigkeit Willen seiner Kirchengemeinde, wie Mal- Seelsorgers Anton Vogrinec, das es als halten, auf die sexuelle Enthaltsamkeit le zu berichten weiß. eines von ganz wenigen Büchern eines aber pfeifen. Das war Anno 1904 zu viel katholischen Geistlichen auf den berüch- Ehrlichkeit eines Landpfarrers. „Vertreibung aus dem Paradies.“ Wäh- tigten Index librorum prohibitorum, das Vogrinec musste widerrufen und ver- rend sich die Kirchenführung in Gurk und Verzeichnis der verbotenen Bücher schaff- sprechen, sich künftig mit Wortmeldungen Klagenfurt im Zuge der Volksabstimmung te. Die Inquisitoren in Rom verfügten, zurückzuhalten. Tatsächlich gehörte er für den Verbleib Unterkärntens bei Öster- dass brave Katholikinnen und Katholiken einige Jahre später, als das Gros der slo- reich stark machte, mobilisierte der slo- die Griffel von dem Buch zu lassen hätten, wenischsprachigen Pfarrer in der Abstim- wenische Landklerus im Abstimmungs- schon Lesen wäre Sünde. mungszone auf Konfrontationskurs mit gebiet durch die Bank für Jugoslawien. der Kirchenführung in Gurk ging, zu den Laut Malle ging es ihnen zum einen um Einen „slowenischen Revoluzzer“ nennt leiseren Stimmen. Aber auch Vogrinec den Erhalt der slowenischen Sprache im der Klagenfurter Kirchenhistoriker Augus- machte kein Geheimnis daraus, dass er Unterricht – eine Errungenschaft, die sich tin Malle Vogrinec. Heute würde er als einen Anschluss an Jugoslawien befür- durch deutschnationale Tendenzen moderater Linkskatholik durchgehen, worte. Nach dem Plebiszit bekam er die bedroht sahen. „Sie befürchteten, dass mit viele seiner Anregungen sind längst katho- Rechnung serviert. Wie Dutzende andere dem Verlust der Muttersprache der Verlust lischer Mainstream. Vogrinec plädierte slowenische Pfarrer, Lehrerinnen und des Glaubens einhergehen könnte“, so für ein entspannteres Verhältnis der Lehrer musste er das Land verlassen. Kirchenhistoriker Malle. Ebenso stark Kirche zu den Protestant*innen sowie zur Der Ausgang der Volksabstimmung 1920 standen viele aber unter dem Einfluss Sozialdemokratie (für die er selbst ver- führte zu einem beachtlichen intellektu- zahlreicher Überfälle der Deutschkärntner mutlich gewisse Sympathien hegte), für ellen Aderlass im Klerus des gemischt- Volkswehr auf Pfarrhöfe im slowenisch- weniger Latein in der Predigt und einen sprachigen Gebiets. An die vierzig Priester, sprachigen Gebiet. entstaubten Religionsunterricht in der die sich zuvor allzu deutlich für Jugosla- Eines der Opfer aufgebrachter Milizen Schule. Was die Mächtigen in Rom aber wien ausgesprochen hatten, verloren ihren war beispielsweise der Eberndorfer Pfar- besonders auf die Palme versetzte, war Posten. Sie wanderten entweder freiwillig rer Matthias Randl. Im Juni 1919 wurde sein Lästern über den Zölibat, den er als nach Slowenien aus oder wurden gewalt- seine Kirche von Deutschnationalen „Zwangsjacke“ bezeichnete. Junge Pries- sam deportiert wie der Probst von Tainach, geplündert: Nebst allerhand anderer wert-

28 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Johannes Puch: aus der Serie „Trash and Treasures“. Fotos: Johannes Puch

voller Gegenstände seien „sieben silberne vergoldete Reliquienkreuze samt Reliqui- en“ sowie „drei Kelche, zwei davon ganz in Silber und erst neu vergoldet“ geraubt worden. Mit den Kelchen hätten die Unhol- de daraufhin im Wirtshaus angestoßen und Todesdrohungen gegen slowenische Priester ausgestoßen, denen man „den Kopf abschneiden und Riemen vom Leibe ziehen“ sollte. In ihrer Klage über die Untaten der österreichischen Truppen saßen viele slowenische Pfarrer ironischerweise einem fatalen historischen Irrtum auf. So kam laut Malle in den Kirchenchroniken dieser Zeit immer wieder die Warnung vor dem Kommunismus auf – wohlgemerkt für den Fall des Verbleibs Unterkärntens bei Österreich. Tatsächlich kam es bekanntlich umgekehrt. Und viele Pfarrer, die nach der Volks- abstimmung nach Slowenien emigrierten, wurden zeit ihres Lebens nicht mehr so recht froh. Vor allem die weniger promi- nenten Geistlichen seien als Flüchtlinge jenseits der Karawanken recht kühl emp- fangen worden und in die hintersten Teile des Landes versetzt worden. Malle: „Einige haben erzählt, dass sie aus dem Paradies vertrieben worden sind.“ ● Wolfgang Rössler 39, aus Steindorf am Ossiacher See, lebt in Wien, ist Korrespondent der NZZ am Sonntag.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 29 Fotos: Adobe Stock, MMKK/Neumüller – Gestaltung bigbang GmbH bigbang Gestaltung – MMKK/Neumüller Stock, Adobe Fotos:

Das offizielle Festprogramm Kärnten im Jubiläumsjahr 2020. Ein Land sagt ja.

Kärnten im Jahr 2020: Ein staltung erinnert daran, dass der geschicht- Villach die kulturelle und auch kulina- ganzes Land feiert und liche Hintergrund der Volksabstimmung rische Vielfalt des Landes Kärnten. Noch gedenkt des 100. Jahres- 1920 nicht isoliert von der internationalen niemals zuvor konnte man ganz Kärnten tages der Kärntner Volks- Dimension der Geschehnisse nach dem an einem Tag besuchen – und vor allem abstimmung. Das offizielle Ersten Weltkrieg gesehen werden kann, mit all seinen Facetten genießen. Zur Kärnten stellt im Jahr 2020 bei als Europa geografisch wie politisch neu optimalen Orientierung dient allen Be­- den unterschiedlichsten Anlässen geordnet wurde. sucherinnen und Besuchern ein eigens das Erinnern an die Geschehnisse der ver- Die Monate April bis September stehen gestaltetes Programmheft, welches den gangenen 100 Jahre in den Fokus, mit dem ganz im Zeichen der Mobilen Ausstellung Weg durch Kärnten, pardon, Klagenfurt Ziel, gemeinsam mit allen Kärntnerinnen [siehe BRÜCKEnseiten 20–23], die allen weist. und Kärntnern diesen Anlass zu begehen. Interessierten spannende Einblicke in die Doch damit ist nicht unbedingt das Geschehnisse der vergangenen 100 Jahre Festakt Neuer Platz. Im Anschluss an Feiern im Sinne eines großen Fests bietet und gleichermaßen einen Ausblick das Fest der Täler findet unter Beteili- gemeint. Vielmehr geht es um die sozio- auf die künftige Entwicklung Kärntens gung der höchsten Repräsentantinnen logische Wirkung von wiederkehrenden wagt. und Repräsentanten Österreichs und des feierlichen Handlungen, die per definiti- Den Höhepunkt des Gedenkjahres bilden Landes Kärnten die Festveranstaltung im onem gemeinschaftsstiftend und gemein- die Veranstaltungen rund um den 10. Okto- Gedenken an die Kärntner Volksabstim- schaftserhaltend sind. Bestimmte Rituale ber selbst. Beginnend am 7. Oktober 2020 mung 1920 statt. Dieser große Festakt oder die Programmatik des Jubiläums­ mit einer gemeinsamen Festsitzung der beginnt um 17 Uhr und wird vom ORF jahres mit den vielzähligen zur Teilhabe Kärntner Landesregierung und des Kärnt- live übertragen. auffordernden Projekten und Veranstal- ner Landtages finden bis zum 9. Oktober Den Abschluss der offiziellen Gedenk- tungen festigen im Idealfall den sozialen 2020 zahlreiche Gedenkveranstaltungen feierlichkeiten bildet passenderweise eine Zusammenhalt. Letzteres ist genau das in ganz Kärnten statt. Veranstaltung, die für die Beteiligten ge- Ziel des Jubiläumsjahres 2020, Kärntens wissermaßen einen Anfang darstellt: Einheit zu feiern, der Ereignisse die dazu Das Fest der Täler. Am 10. Oktober selbst Die Angelobung von Jungsoldatinnen geführt haben zu gedenken und eine ist buchstäblich ganz Kärnten zu Gast in und Jungsoldaten, die am 23. Oktober in positive Zukunft für unser Bundesland zu der Landeshauptstadt Klagenfurt. Denn Arnoldstein stattfindet. So unterschiedlich initiieren und zu gestalten. dort findet das Fest der Täler statt, bei die offiziellen Feierlichkeiten des Landes welchem alle Kärntner Talschaften einge- auch ausgeprägt sind, so vereinend ist Veranstaltungsreigen. Den Beginn des laden sind, sich und die Besonderheiten deren thematische Ausrichtung, nämlich Veranstaltungsreigens bildete die Auftakt- ihrer Region vorzustellen. Insgesamt das Gemeinsame vor das Trennende zu veranstaltung des Landes Kärnten am 3. zwölf Plätze in Klagenfurts Innenstadt stellen. März im Klagenfurter Landhaus. Deren be­herbergen quasi ein gesamtes Bundes- ● Martina Hornböck Fokus lag auf der historischen Dimension land. Auf diesen Plätzen prä­sen­tieren 17 Kulturabteilung des Landes Kärnten. des Gedenkjahres. Diese Auftaktveran- Kärntner Täler, die Städte Klagenfurt­ und

30 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Worte großer Philosophen

(Das Strandbad in Klagenfurt an einem Maiabend 2020, menschenleer bis auf, am Ende des Steges, zwei ehemalige Beachvolley­ ball-Nachwuchsspieler. Sie tragen Schirmkappen, schwarze Stiefel, schwarze Hosen und schwarze T-Shirts mit der Aufschrift „Security“. Während der erste in einem Taschenbuch liest, wirft der zweite Kieselsteine ins Wasser.)

Edith Payer: aus „das universum DER ZWEITE: Echt, du Obndschul ob Heabst? leidet nicht“, 2015. Foto: Edith Payer

DER ERSTE (nickt): In drei Johr Matura.

DER ZWEITE: Und wia weast tuan, wonn muasst oaweitn obnds?

DER ERSTE: Gibt fia Vuamittog aa, Obndschul.

(Pause)

DER ZWEITE (zeigt auf das Buch): Und warum leanst jetz schon?

DER ERSTE: Is nit leanen. Lesn. Woate großa Philosophn. Da Sokrates zum Beispül sogt: „Ich weiß, doss ich nichts weiß.“ Taugt ma.

DER ZWEITE: Vaschwind! Stimmt jo goa nit! Weil wonn waß, doss nix waß, waß er ja wos, oda? Konn nit sogn, waß nix. Miassat sogn: Ich weiß, doss ich fost nichts weiß. Oda so gut wie nichts.

DER ERSTE (nach kurzem Überlegen): Stimmt. Oda kennt sogn: Ich weiß, doss ich nichts weiß außer doss ich nichts weiß.

DER ZWEITE: Jo. Miasst owa imma weita gehn. Ich weiß, doss ich nichts weiß außer doss ich nichts weiß außer doss ich nichts weiß außer doss ich nichts weiß und so weita. Bis in olle Ewigkeit.

DER ERSTE: Genau. Deswegn wead hobn obgekirzt: Ich weiß, doss ich nichts weiß.

DER ZWEITE: Konn sein.

DER ERSTE (blättert. Nach einer Pause): Do, Heraklit. Taugt ma aa. „Olles fließt.“

DER ZWEITE: Trottl. Soll amol außegehn Lendkanal, wead a schon segn, wia olles fließt! (Lacht bitter.)

(Lange Pause. Kieselsteine. Blättern.)

DER ZWEITE: Von Liessmonn aa wos drin?

DER ERSTE: Von Liessmann?

DER ZWEITE: Aa Philosoph, oda? Guate Sprich.

DER ERSTE (blättert zum Namensregister. Nach einer Pause): Nix.

DER ZWEITE: Schod. Hett unbedingt eine gegheat, Liessmonn

DER ERSTE: Wos’n zum Beispül?

DER ZWEITE: „Wonn’s laft, laft’s.“ ● Antonio Fian Schriftsteller, Essayist und Dramatiker, Vater der Gattung „Dramolett“, geboren 1956, aufgewachsen in Spittal an (Vorhang) der Drau, lebt seit 1976 in Wien.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 31 Die Bildsprache der Volksabstimmung Visuelle Kommunikation um 1920.

„Gedächtnis bzw. Erinnerungen sind keine passiven idyllische Trachtengewand – da Bergeswand: | Das ist mein Erscheinungen, die Menschen widerfahren, sondern war die gesamte Lobisser-For- herrlich Heimatland!“ Die Haupt- eine Aktivität; sie sind etwas, das wir tun.“ mensprache, die in den Fresken motive der Werbeplakate für die im Landhaus vom sogenannten Volksabstimmung auf Kärntner Sei- Abwehrkampf bis zu den Anschlussfresken te sind hier benannt: Tapfere, kämpfende festgeschrieben ist, als Werbung für eine Männer, treue Frauen, brave Mütter, Eine ästhetische und kulturelle Irrita- Veranstaltung im Jahr 2015. Es waren, wie herrliche Heimat und der Kampf um die tion. Meine erste Begegnung mit dem ich später lernte, tatsächlich fast dieselben Karawankengrenze – und damit gegen Thema „Abwehrkampf“ und „Volksabstim- Bilder und Stilmerkmale, die die Propa- die Zugehörigkeit zum SHS-Königreich. mung“ begann mit einem Missverständnis ganda zum Plebiszit 1920 begleitet hatten Das städtisch-industrielle Kärnten kam und einer – anhaltenden – Irritation. Für und die seither eine erstaunliche Longue in der Propaganda übrigens nicht vor. ein Seminar über Lobisser und Erinne- durée entwickelten. Kaum findet man den slowenischen Teil rungskultur am Institut für Kulturanalyse Kärntens abgebildet. Männlich-wehrhaft an der Alpen-Adria-Universität war ich im „Wo Mannesmut und Frauentreu ...“ Die werden vor allem die Deutsch-Kärntner Herbst 2015 in Klagenfurt und bummelte Ästhetik scheint bis heute anschlussfähig gezeigt, bei der Werbung um die slowe- in einer Septembernacht durch die Stadt. zu sein: kräftiger, zuweilen kolorierter nischen Kärntnerinnen und Kärntner ist Das Schaufenster eines Ladengeschäftes Holzschnitt, wenig komplex und differen- es etwa der Bub, der die Mutter nach dem nahm meinen Blick mit (vermeintlich) ziert in der Darstellung, ein bisschen an Kirchgang bittet, für Kärnten zu stimmen historischen Ausstellungsstücken, die so Kinderbuchillustration aus dem ersten und damit für seine Zukunft. Selbst in gar nichts mit dem eigentlichen Waren- Drittel des vergangenen Jahrhunderts dem Begegnungs-Holzschnitt am Her- angebot zu tun hatten, gefangen. „Erstaun- erinnernd. Auch weitere Schaufensterprä- zogstuhl sind die Sloweninnen und Slo- lich und erfreulich“ dachte ich, „da macht sentationen der Volksabstimmung im wenen untergeordnet dargestellt. Ignoranz ein Bekleidungshaus Werbung für eine Klagenfurter Stadtgebiet in den letzten und Art der Darstellung nehmen die bald Ausstellung über die NS-Zeit in der Regi- Jahren belegen den Befund der Retro- nach 1920 folgende Marginalisierung und on“. Der zweite Blick klärte dann, dass es Ästhetik, des Verhaftetseins in einer als die Rechtsbrüche der Minderheit gegen- eine Auslage des Abwehrkämpferbundes ländlich und heil, trutzig und männlich über schon vorweg. war und es darin um ein gegenwärtiges konnotierten Vergangenheit ländlich- Dargestellt sind in der Regel Personen Ereignis ging, das ich nicht einordnen bäuerlicher Prägung. Diese nun über 100 oder Personengruppen bei der Feldarbeit, konnte, um den 10. Oktober nämlich, die Jahre tradierte Bildwelt erfährt durch die der Abstimmung oder im Kampf und Volksabstimmung und den Abwehrkampf ritualhafte Wiederholung eine affektive zuweilen Mythologisches. Die Linienfüh- – und um die jährliche Feier. Als Nicht- Ladung; Raum und Zeit tun sich in dem rung der Abbildungen, seien es Plakate, Kärntnerin konnte ich das inhaltlich nicht vermeintlich nostalgischen Bild zusam- Flugschriften oder Postkarten, war sanfter, einordnen und hatte, das Lobisser-Thema men, um überzeitliche Erinnerungen aus- in Grautönen gefüllt oder farbig, wenn es im Kopf, auf die visuellen Reize reflexhaft zulösen, Gefühle von Zugehörigkeit und um das Evozieren von Heimatgefühlen reagiert. wohligem Beisammensein. Wort geworden ging. Kantig und hart war sie, wenn der ist diese ästhetische Ausgangslage in der gierig nach der Region greifende „slawi- Heimat-heile-Welt-Bilder als Propaganda. vierten Strophe des Kärntner Heimatliedes sche“ Feind dargestellt werden sollte. Die werbende Ästhetik war noch die der (die erst 1930 an das 1822 geschriebene Auch ohne den Bildinhalt zu verstehen, völkischen Zwischenkriegszeit: Da war die Gedicht angehängt wurde, hervorgegangen vermittelt sich eine Stimmung, wird eine Frakturschrift, die bis 1941 die Standard- aus einem Schreibwettbewerb zum zehn- Stoßrichtung klar. schrift der nationalsozialistischen Propa- jährigen Jubiläum des Plebiszits). „Wo Die Wahlwerbung für die Volksabstim- ganda gewesen war, da waren die stereo- Mannesmut und Frauentreu’ | die Heimat mung 1920 war klare Propaganda. Ihre typen Heimat-heile-Welt-Bilder der frühen sich erstritt aufs neu’, | wo man mit Blut Ästhetik geht nahtlos in die Ästhetik der völkischen Bewegungen, da war der knor- die Grenze schrieb | und frei in Not und NS-Zeit über. Im Nationalsozialismus rige Bergbauer, die ländliche Heimat, das Tod verblieb; | hell jubelnd klingt’s zur übernahmen nahezu sämtliche Plakate

32 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Volksabstimmung oder „Anschluss“: Bildaufbau und Ästhetik der Heimatpropaganda sind nahezu identisch. Im Zentrum steht die jeweilige Bezugsgröße – je nach Zeit und politischem Ziel die Abstimmungsurne (o. r. Plakat von 1920 dekoriert in einem Klagenfurter Schaufenster 2018), der Herzogstuhl (u. r. 1920, auf einer Briefmarke 1970 reproduziert) oder bei den Landhausfresken zum Anschluss an Nazideutschland 1938 von Switbert Lobisser (oben links). An die Stimmen der Kärntner slowenischen Wählerinnen appelliert die zweisprachige Postkarte von 1920. Fotos: Kärntner Landesarchiv & Andrea Hoffmann

die Funktion von politischen Plakaten, die digma der Werbung an, so fehlt zwar ein „Gedächtnis bzw. Erinnerungen sind kei- der Bevölkerung die Ziele und Wertvor- durchgängiges Logo oder Signet, auffällig ne passiven Erscheinungen, die Menschen stellungen der Machthaber ständig vor oft sind aber die Kärntner Flagge, das widerfahren, sondern eine Aktivität; sie Augen führten. Sie sollten Ideologie sinn- Kärntner Wappen oder der Herzogstuhl sind etwas, das wir tun. Die Herstellung lich anschaulich und damit letztlich wirk- sowie eine Wahlurne zu sehen, so dass einer Verbindung zwischen Bild und sam machen. Die alltägliche Plakatierung diese als emblematisch angesehen werden vergangener Wirklichkeit ist eine echte zeigte die ideologische Durchdringung des können. Typografie und Farbwahl – das Handlung“, beschreibt die Kulturanalyti- Alltags, ein propagandistisches Vorgehen, Gelb-Rot der Landesfahne – werden kon- kerin Mieke Bal diese Prozesse. Dass die das sich seit dem Ersten Weltkrieg durch- sequent angewandt und durchgehalten, überkommenen Bilder noch heute funk- setzte und in den Plakaten der Volksab- ebenso ist eine Uniformierung der Insze- tionieren und sich im fixierten ästheti- stimmung eine erste Blüte erreicht. Der nierung auszumachen: Mann am Pflug, schen Formenkanon gehalten haben, ist Umgang mit Plakat im öffentlichen Raum Mann im Aufbruch als größte Figur, einerseits erstaunlich. Andererseits und seiner Wirkung war ebenso gelernt Frauen und Kinder stets gestaffelt kleiner, scheint in die Erinnerung an die Volksab- wie die ästhetische Formensprache. hilfe- und schutzsuchend. Es wurde ein stimmung ästhetisch auch die Sehnsucht erkennbares Erscheinungsbild kreiert, nach einer Kärntner Idylle eingeschrieben Die CI der Volksabstimmung. Drucker- das sich als Wiedererkennungseffekt unge- zu sein, die es schon 1920 nicht mehr gab. zeugnisse werben für Haltungen, möchten brochen gehalten hat. Die visuelle Kom- ● Andrea Hoffmann Handlungen auslösen, Ideen verbreiten munikation funktioniert bis heute als eine lebt derzeit in Celle/Deutschland, hauptberuflich in der Kulturvermittlung und Öffentlichkeitsarbeit tätig, und vermarkten. 1920 sollten sie die Art Corporate Identity, eine visuelle Iden- Lehr­beauftragte am Institut für Kulturanalyse an der Menschen zu einer bestimmten Abstim- tifizierungshilfe, in der sich das Selbst- Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Schwerpunkte: Erinnerungskultur, Alltagskultur, jüdisches Leben. mung bringen. Schaut man die Aspekte verständnis der Erinnerung an den 10. des Erscheinungsbildes unter dem Para- Oktober 1920 widergespiegelt sieht.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 33 Johannes Puch: aus der Serie „Trash & Treasures“. Foto: Johannes Puch

Heimat: ein Minenfeld Das lange Scheitern an einem kurzen Wort.

Es ist ein kurzes Wort. Aber die Ge- kratisch legitimierte. Das System betrogen, seinen Ort in den Funk­ schichte der gescheiten und gescheiterten intervenierte in die Lebenswelt tionsräumen des Empire zu fin- Definitionsversuche ist lang: Heimat. Kaum und unterwarf naturrechtliche den. Heimat wird zu einer Kate- ein Begriff ist von seiner Intension her so Selbstverständlichkeiten der gorie des Verlusts, zum Topos vage, kaum einer in seiner Extension so Deutungshoheit seiner Macht. unerfüllbarer Sehnsucht; positiv unfassbar. Ja, und Heimat ist in der Um- Nicht zufällig fällt diese Verrecht- nicht mehr formulier- oder imagi- strittenheit seiner Bedeutung ein Spezifi- lichungstendenz mit der Ausprägung nierbar. Pasolinis Freibeuterschriften kum der deutschen Sprache. Jedes Lexikon des bürgerlichen Rechtsstaates und der beklagen angesichts des Furors der Moder- und jedes Wörterbuch wird auf diese beginnenden Moderne zeitlich zusammen. ne den Verlust der bäuerlichen Welt der uniqueness des Begriffs hinweisen. Im Plötzlich eröffnet sich eine (macht-)poli- Friaul. Ernst Bloch assoziiert im amerika- Duden wird Heimat dem Wortschatz des tische Dimension des Heimat-Begriffs. Das nischen Exil Heimat mit Kindheit und Goethe-Zertifikats B1 zugezählt und somit System, der Staat bemächtigt sich einer Zukunft, als Vision eines Prinzip Hoffnung, zu einem Kompetenzkriterium für den lebensweltlichen Kategorie, die sich poli- das sich dynamisch entwickelt und als Fremdsprachenerwerb. Denn keine ande- tisch instrumentalisieren lässt. Zeitgleich unerfüllbares Begehren dem Menschen re Sprache kennt die Tücken, die dieser beginnt die Idee des Nationalstaates zu Sinn verleiht. Begriff im Deutschen bereithält. keimen. Heimat ist nicht mehr länger In der Literatur wird Heimat ex negativo Zunächst einmal, auf einer ersten Ebe- konkreter Ort, sondern wird räumlich- neu definiert. Franz Innerhofer, Werner ne definitorischer Annäherung scheint territorial definiert; – als Machtbereich, Kofler, Josef Winkler oder Gernot Wolfgru- alles klar: Heimat wurzelt in der familiären dem der/die Einzelne sich einzuordnen ber – um nur einige zu nennen – haben Dimension des Wortes Heim. Da gibt es hat. Heimat wird zu einer flexiblen, mobi- sich mit Heimat auseinandergesetzt, auf noch Übereinstimmung mit einem ähn­ lisierbaren Kategorie. die traumatischen und traumatisierenden lichen Begriff in anderen Sprachen: dem Aspekte hingewiesen und große Literatur englischen homeland, dem slowenischen Die Unschuld geraubt. Für diese Heimat geschaffen. Aber auch für Peter Handke domovina, dem ungarischen szülöföld oder sterben im Verlauf des 20. Jahrhunderts war Heimat als emotionale Defiziterfahrung auch dem italienischen patria. Während Millionen Menschen – tausende Kilometer Ansporn für seine Selbsterlösung in der im Slowenischen und Englischen Heimat von der Heimat entfernt, in der Fremde. Poesie. Einzigartig aber und unvergleich- noch konkret mit dem Heim assoziiert ist, Und Millionen, deren Heimat sich der lich: Gert Jonke. Er hat mit dem Hauptplatz, ist im Ungarischen oder Italienischen Prophezeiung zufolge erst in der Wurzel­ auf dessen Bühne sich der Geometrische die Familie das Definiens: Elternland im losigkeit ihres Wanderns offenbaren sollte, Heimatroman abspielt, eine Metapher Ungarischen, Vaterland im Italienischen. werden zum „Schutz“ einer fragwürdigen geschaffen, die als Definition von Heimat Und dieser Vater ist ein direkter Nachfahre­ „Heimat“ ermordet. Und damit wurde der gelten kann: auf den ersten Blick problem- des griechischen oikos despot, Echo aus Heimat die Unschuld geraubt. Heimat los zu queren, beim Abwägen aller Kon- einer tribalen Epoche der Menschheits­ wurde zu einem Unwort, unlösbar asso- sequenzen aber niemals gefahrlos zu geschichte. ziiert dem Holocaust und den Kriegsver- betreten – ein Minenfeld eben. Die begriffliche Schwierigkeit mit Hei­ brechen der deutschen Wehrmacht. ● Reinhard Kacianka mat beginnt mit ihrer sozialpolitischen Gleichzeitig wurde Heimat zum Lieb- * 1957, Kulturarbeiter, Übersetzer und Kulturwissen- schaftler an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt; Verrechtlichung im deutschen Sprach- lingssujet der Kulturindustrie. Wieder seit 2009 PhiloCafétier im raj in Klagenfurt. raum: Erst das Heimatrecht gewährte dem wird der Begriff prostituiert. Wieder wer- Menschen ein Bleiberecht, das seine Exis- den Klischees produziert. Und wieder wird tenz bis zu einem gewissen Grad büro­ der Mensch um seine legitime Sehnsucht

34 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Alex Samyi bespielt die alte Lippitzbachbrücke mit der Installation „Verbotene Früchte – Prepovedani sadeži“. Foto: Alex Samyi

Brucken bauen – Gradimo mostove Ausstellungen, künstlerische Interventionen und Literatur an den Brücken sowie Staumauern der Drau.

Die Brücke ist Sinnbild für Solidarität Tomassetti und Gustav Januš auf der wären sie zu hoch für uns oder wir so klein. und für die Überwindung von trennenden Rosegger Brücke (ihre Vorgängerin war im Und das hat dann wieder was mit der alten Gräben und Grenzen. Als solche ist sie Abwehrkampf heiß umkämpft) wird das Draubrücke in Lippitzbach zu tun, die ja auch titelgebend für das vom Villacher Projekt am 17. April eröffnet. Nach und abgetragen werden soll, weil die da oben Künstler Gerhard Leeb initiierte Projekt nach finden dann mit Konzerten, Perfor- es so wollen. Wer darf und wer darf nicht „Brücken bauen – Gradimo mostove“, das mances oder Lesungen die Auftakte der – mitreden, gestalten, bauen, naschen – Teil des Jubiläumsjahres CARINTHIja 2020 weiteren Initiativen statt – alle im öffent- das ist die Frage, die sich die kleinen ist. Dabei handelt es sich um ein großan- lichen Raum. „Wir schwimmen sozusagen Leute schon vor dem Ende der Monarchie gelegtes Kulturvorhaben, das zwölf über die Drau entlang und bauen Brücken, die gestellt haben. Jetzt ist das Volk der Sou- die Drau führende Brücken von Rosegg Kärnten verbinden. Ich freu mich sehr, verän und es sind die süßesten Früchte bis Dravograd sowie drei Südkärntner mit dabei zu sein und meinen Zugang immer noch da oben – in unseren Köpfen.“ Kraftwerke künstlerisch bespielt. Dafür zum gesprochenen Wort um 106 Meter Der Initiator Gerhard Leeb spannt ent- wurde ein Team aus fünfunddreißig zeit- Brückenlänge zu erweitern“, so Monika lang der neuen Lippitzbachbrücke „Rosen genössischen Kärntner Künstler*innen Grill über ihre „Wortbrücke“ zwischen über Gräben“ und Tanja Prušnik, die – darunter etwa Inge Vavra, Guido Katol, Feistritz im Rosental und Ludmannsdorf. aktuelle Präsidentin des Künstlerhauses Gertrud Weiss-Richter, Melitta Moschik Die Autorin hat deutsch- und slowenisch- in Wien, gestaltet die Lavamünder Brücke: oder Tomas Hoke – und Schüler*innen sprachige Erzählungen der umliegenden „Brücken zu bauen, aus der Vergangenheit der HTBLA Ferlach und der Praxis-HAK Bewohner*innen aufgenommen und wird in die Zukunft, das kann auch Aufgabe Völkermarkt zusammengestellt. Von ihnen diese in Form einer Ton-Installation aus der Kunst sein. Die Interventionen auf den werden Brücken zwischen den Genera­ einem Lautsprecher erschallen lassen. real existierenden Brücken sollen keine tionen, den Muttersprachen, Mann und In memoriam Thomas Pluch werden Fragen mehr offenlassen.“ Dies sind eini- Frau, Malerei und Theater, Film und Grafik, dessen Worte „Gewinnen werden nicht die, ge der zahlreichen Aktivitäten entlang der Licht und Ton, Literatur und Gesang, Ver- die angefangen haben. Gewinnen werden Drau. Parallel dazu besucht eine Wander- gangenheit und Gegenwart errichtet und die, die aufhören“ am Geländer der Brücke ausstellung mit Arbeiten der teilnehmen- mit Leben erfüllt. bei Rottenstein (Ebenthal) angebracht. Das den Künstlerinnen und Künstler alle Zitat des Drehbuchautors stammt aus dem Veranstaltungsorte und spannt so einen 120 Kilometer Fluss. Gerhard Leeb fasst Filmepos „Das Dorf an der Grenze“, das sich weiteren Bogen über das menschenver- den Kern des Projekts wie folgt zusammen: der konfliktreichen Geschichte der slowe- bindende Projekt. Termine und Details „Brücken führen Menschen und Kulturen nischen Volksgruppe in Kärnten widmet. lassen sich online finden. zusammen. Durch das Zusammentreffen Die alte Lippitzbachbrücke wird mit der ● Daniel Gönitzer auf den Draubrücken soll es gelingen, Installation „Verbotene Früchte“ von Alex * 1994 in Wolfsberg, Philosoph und langjähriger ­Kulturarbeiter im Wolfsberger Kulturverein Container 25. die fast hundert Jahre lang gepflegten Samyi bespielt: „Bei dem Projekt greife Gräben zwischen den Volksgruppen ich auf alte Symbole zurück. Schon das zuzuschütten.“ Mit einer Veranstaltung Brückenbauen ist ein solches. Meine Brücken bauen – Gradimo mostove 17. April – 19. Juni 2020 in der Rosegger Galerie Šikoronja und Früchte sind dem Titel nach „verboten“, www.carinthija2020.at der Vernissage mit Arbeiten von Larissa aber eigentlich nur unerreichbar, so als

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 35 „Dass sich alles irgendwie ändern wird, das war mir eigentlich schon klar.“ Guido Katol im Interview.

Guido Katol nimmt in seiner aktuellen Intervention im Rahmen des Landesprojekts „CARINTHIja 2020“ auf die 1938/39 im Klagenfurter Landhaus abgeschlagenen Fresken Anton Koligs Bezug, greift sie in zeitgemäßer Farben- und Formensprache auf und setzt somit einen Kristallisationspunkt der Kunstgeschichte in Kärnten in neues Licht. Foto: Ferdinand Neumüller

Du bist seit Anfang des Jahres hier im auch sonst bei meinen Bildern ist, dass Eines der schönsten Komplimente, die ehemaligen Lassnig-Atelier und mitten zum Teil wieder ganz andere Figuren ich jemals gekriegt hab’, war vom Corne- in der Arbeit – wie geht es dir, wie ist kommen und das Bild anders zusammen- lius Kolig: Das hat sowas Magisches wie die aktuelle Situation? gestellt werden muss. Hier versuche ich, Rousseau, hat er gemeint. Bei Rousseau Ich wünschte mir, dass es bessergehen das zu unterdrücken, aber es gelingt mir als Bezugspunkt täte ich mir allerdings würde, leichter. Es schaut immer wieder immer weniger. Also wenn es meine leichter. Von den Farben her gefällt er vielversprechend aus, und am nächsten Bilder sind, Bilder, die ich für mich so mir sehr gut, aber als Zeichner ist er nicht Tag ist dann wieder weniger da als zuvor. mache, dann ist es ja egal, dann ist es so, dass man sich fürchten muss. Bei befreiend radikal zu ändern und dann Anton Kolig ist das schon eher der Fall. Kennst du das von deinen Arbeiten her, gelingt das Bild auch meistens ganz gut. ist das typisch? Siehst du dich eigentlich in gewisser Im Grunde genommen ja. Es ist auch Was ist der spezielle Reiz dieses Pro- Weise dem Nötscher Kreis zugehörig? hier so, wie es sonst ist. Also bis zum jekts, warum hast du die Aufgabe Ich denke, ich bin irgendwie „dazuge- Termin wird es ja dann doch meistens angenommen? wachsen“. Am Anfang hab’ ich die Nöt- etwas. Zuerst einmal hab’ ich gedacht, dass es scher Maler gar nicht gekannt und bin doch eine große Ehre ist, etwas Besonde- schon mit ihnen verglichen worden, da Für den Betrachter, die Betrachterin ist res, weil mich auch Cornelius Kolig hat man Einflüsse gesehen. Und sicher schon sehr, sehr viel vorhanden. Womit gefragt hat. Von Anfang an hab’ ich dann gibt es Einflüsse. Es gibt immer wieder kämpfst du? natürlich, wie bei allen anderen Bildern unterschiedliche Maler, an die ich denke, Ich hab’ meistens eine bestimmte Vor- auch, Zweifel gehabt, ob sie so werden, wenn ich arbeite und Anton Kolig kommt stellung, von der ich dann wieder wegge- wie ich es mir vorstelle, ob sie gut genug da auch immer wieder vor. he, wenn ich merke, dass es nicht so werden. funktioniert. Dann muss ich radikal Wenn du das Landhaus betrittst, so wie ändern, etwas Neues aufmachen, dann Du setzt einen hohen Maßstab an dich heute, das Gebäude im Allgemeinen, muss es in eine andere Richtung weiter- selbst. aber natürlich auch den Kolig-Saal im gehen. Bei diesen Bildern ist halt die Und dann geht es hier natürlich auch Besonderen, was hast du für ein Gefühl Frage, wie weit man sich wirklich entfer- um den Anton Kolig, und ich schätze ihn dabei, was geht dir durch den Kopf? nen kann vom Ausgangsbild oder den sehr. Im Grunde mach’ ich das immer, Wenn ich so vorbeigehe, denke ich Ausgangsbildern. dass ich mich mit anderen vergleiche, schon, dass man mit der Aufgabe wachsen hier drängt sich der Vergleich halt noch kann, dass ich mich da steigern kann. Ich Das ist eine wichtige Frage in dem mehr auf. Anton Kolig kommt mir auch geh’ also manchmal mit einem guten Zusammenhang, du arbeitest ja nach so elegant vor. Die Qualität muss bei mir Gefühl vorbei, auch mit Stolz, an anderen einer Vorlage. ja nicht nur die Malerei sein, denke ich, Tagen ist das Gefühl dann vielleicht nicht Ursprünglich war ich auch recht nahe sondern dass ich mich auch in die Figuren so gut, wenn einem gerade im Atelier dran und dann merke ich aber, wie es reinversetzen kann, etwas draus mache. nichts gelungen ist.

36 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Mir ist aufgefallen, auch bei den Fro- schreibt, dass Anton Kolig sich ich mir dann auch noch ange- miller-Fresken, dass du die auf eine rein auch nicht eingrenzen lassen eignet habe, und in Klagenfurt künstlerische, malerische, technische hat, also dass er keinen Entwurf fühl’ ich mich eigentlich auch Weise betrachtest. Spielt der historische vorher abgeliefert hat, sondern recht wohl. Zusammenhang eine Rolle? dass er einfach losgearbeitet hat. Weniger. Und was bei den Bildern von Anton Hast du eigentlich einen Bezug zu dem Kolig halt auch ist – ich weiß nicht, viel- Thema, das heuer in Kärnten sozusagen Und dass das Landhaus auch ein poli- leicht hat das auch mit der Fotografie zu an erster Stelle steht, zu 100 Jahre tischer Ort ist und als solcher auch tun, mit dem Blitz, der da anscheinend Volksabstimmung, zur Mehrsprachig- belastet, im Speziellen der Kolig-Saal, verwendet worden ist, und mit so vielen keit oder zum Sprachenkonflikt? wie geht es dir damit? undeutlichen Stellen –, dass alles doch Ich bin jedenfalls froh, dass das mit den Die Geschichte der Fresken berührt mich recht geheimnisvoll ausschaut, für mich, Ortstafeln einmal geregelt ist. Und dass natürlich sehr. Aber wenn ich ehrlich bin, und das fehlt mir bei meinen Bildern noch. ich bei der Galerie Šikoronja ausgestellt geht es primär darum, was ich mir mit hab’, zu einer Zeit, als es mit Förderungen dem Kolig ausmache, mit seinen Malerei- Da möchtest du noch hin, zu mehr auch Probleme gegeben hat, das hat mir en, mit seinem Werk. Geheimnis? schon gefallen, dass ich da Teil einer Ja. Galerie war, deren Programm offen ist, Was interessiert, was inspiriert dich zweisprachig. dabei? Glaubst du eigentlich, dass Kunst, auch Was mich natürlich interessiert, ist, dass die geheimnisvolle, per se politisch ist? Ist es aus deiner Sicht auch so, dass er Körper gemalt hat. Und es gibt Figu- Die Frage ist, was alles politisch ist. aus Kärnten besonders viele künstleri- renkompositionen auf den Fresken bzw. Wenn ich mich zum Dasein äußere, zum sche Menschen kommen. Fotos, die mir schon sehr gut gefallen. Nur Menschsein, wenn ich bestimmte Perso- Ja. hab’ ich gemerkt, wenn ich Ausschnitte nen darstelle, kann das politisch sein. Es rausnehme, funktioniert es nicht mehr kommt auch darauf an, welchen Stellen- Und hast du eine Erklärung dafür? wirklich so, wie am ursprünglichen Bild. wert man bestimmten Figuren gibt. Früher Vielleicht reibt sich hier irgendetwas. Dass sich alles irgendwie ändern wird, hab’ ich eine Zeitlang Bilder in Brauntönen Das Vermischte, denk ich mir, das wird das war mir eigentlich schon klar. Und gemalt, da hab’ ich dann gehört, dass ich vielleicht schon auch beitragen, und viel- beim Nachstellen hab’ ich auch bemerkt, Bauern male. Oder dass ich mich über die leicht sind es auch die konservativen wie verdreht die Körper zum Teil sind. Dargestellten lustig mache, dass alle Leute, die andere reizen, aus sich heraus- Meinen Modellen ist es manchmal nicht Karikaturen sind. Das hab’ ich selber nie zugehen und sich zu äußern. möglich, sich so zu verdrehen, und das so gesehen. Ich mag Humor, Witz in den will ich auch im Grunde nicht so nachma- Bildern, aber ich mach’ mich über Weißt du schon, wo du am 10. Oktober len. So wird mein Gefäß ein bissl anders. niemanden lustig. Eine Zeitlang hab’ ich sein wirst? auch eher arme Leute gemalt, aus so Wahrscheinlich wie immer in Wien. Ich Inwiefern hat die Gestaltung des Raums Hamburger Kneipen, die dann zum Teil bin nie wegen dem 10. Oktober nach durch Cornelius Kolig eine Rolle auch von anderen Armen verhöhnt worden Kärnten gefahren. Mich hat es auch immer gespielt? sind, die sich besser vorkommen, aber gestört, wenn in so Umfragen Leute gefragt Zuerst hab’ ich mir gedacht, warum auch nicht unbedingt besser sind. Also, wurden, was ist da passiert, am Staatsfei- sollte ich da eigentlich was reingeben in da hab’ ich mich dann für manche Figuren ertag zum Beispiel, warum begehen wir den Raum, der eh so schön und perfekt eingesetzt. In der Art war auch das Bild, den und so. Dann gibt es bei den meisten ist, und Cornelius, dem ich meine Arbeiten das ich der Maria Lassnig 1989 gezeigt eigentlich eh schon eine Blockade. Dann früh gezeigt hab’ und der als Lehrer eben- hab’. Das war das erste Bild, bei dem ich kann es passieren, dass einem die ein- so wichtig für mich ist wie die Maria mir gedacht hab’, das ist eigentlich das, fachsten Sachen nicht einfallen. Beim 10. Lassnig, ist noch immer ein Kriterium. Es was ich machen will. Davor hab’ ich mit Oktober bin ich jedenfalls froh, dass ich ist vielleicht so: Auch wenn ich einen Stillleben halt auch geübt und die Farben da weiß, was da war [schmunzelt]. Porträt-Auftrag hab, gibt es oft vieles, das und die Komposition trainiert, also das ● Katharina Herzmansky ich berücksichtigen muss. Mir muss es Farbgefühl, und da waren dann Menschen Mitarbeiterin der Kulturabteilung des Landes, literarischer BRÜCKEnpfeiler. gefallen, dem Porträtierten muss es gefal- – und Tiere – drauf. len, es muss, wenn es ein Kind ist, das Kind halbwegs zufrieden sein, und die Ist Maria Lassnig irgendwie präsent für Ausstellung Eltern natürlich auch, und der Cornelius dich, beim Arbeiten in den Räumen des Guido Katol: Reflexionen über Anton Koligs zerstörte Fresken ist vielleicht schon auch so ein Elternteil Ateliers? Landhaus Klagenfurt, Kolig-Saal [schmunzelt]. Nicht wirklich, nein. Also am Anfang Vernissage: 28. April (19 Uhr) war es schon so, dass ich mir gedacht hab, zu sehen bis 31. Oktober Dem Projekt ist eine gewisse Genera- toll, dass ich dort arbeite, wo auch die tionenabfolge ja immanent. Maria Lassnig gearbeitet hat, das ist dann Ja, und mir gefällt auch, wie Erwin aber eigentlich ziemlich verschwunden. Hirtenfelder in dem Buch „Tatort Koligsaal“ Da ist jetzt der Raum, der mir gefällt, den

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 37 „Hranca _._ Grenz“: Sichtbarmachung von Unsichtbarem: Ab April erfolgt die Grenzziehung als Reflexionsprozess durch St. Jakob im Rosental/Šentjakob v Rožu. Foto: rož

Grenz.Land.Fluss. Zumeist sind sie unsichtbar ... und doch können sie wirken wie Betonmauern. Rož nähert sich im Rahmen von CARINTHIja 2020 dem Phänomen „Grenze“.

Schwelle ins Unbekannte. Hinter jeder zufügt, liegt auf der Hand – zumal das Dezidiert für Kinder Grenze beginnt es: das Andere. Ein Raum, raffinierte Konzept diesen Umstand auf und von Kindern hingegen der weniger von Bekanntem und Wissen pointierte Weise veranschaulicht: Schritt ist die Aufführung der Kin- als von Zuschreibungen, Erwartungen, für Schritt wird eine sichtbare Grenze der- und Jugendtheatergrup- Klischees, Ängsten und Hoffnungen durch den Ort gezogen, die mit jeder pe teatr zora, die mit Smradek/ besetzt und beherrscht wird. Die Grenze absolvierten Station des Programms um Štinky von Svetlana Makarovič den als Schwelle ins Unbekannte. ein weiteres Stück anwächst und so ab märchenhaften Kampf zwischen Gut und Der slowenische Kulturverein Rož, April 2020 als knallig rote Linie über Böse, zwischen Schönheit und Reinheit unlängst mit dem Österreichischen Kunst- zentrale und historisch bedeutsame Gebäu- versus Schmutz und Gestank nacherlebbar preis für Kulturinitiativen ausgezeichnet, de hinwegfließen wird. So wird der Ort macht – Start ab März. hat mit „Hranca _._ Grenz“ ein Jahrespro- nicht nur Spielraum oder Bühne, sondern Das teatr trotamora bringt im Septem- gramm erarbeitet, das die Funktionswei- selbst zum Träger einer Botschaft: Der Ort ber mit Aus, Schluss, Basta die Erzählun­ se von Grenzen mit einer Reihe von aus- macht mit – und verdeutlicht nicht nur gen von den Tschuschen von Florjan Lipuš geklügelten Veranstaltungen umfassend den Fortschritt im künstlerischen Jahres- auf die Freiluftbühne, in denen der Träger reflektiert – und sich traut, die großen kalender, sondern markiert so gleichzeitig des Staatspreises für Literatur sich auf Fragen zu stellen: Wo strukturieren Gren- die neu gewonnenen Ein-, An- und Aus- seine Erlebnisse als Kärntner Slowene zen als manchmal notwendige Leitlinien sichten zum Thema „Grenze“. bezieht – und damit auch soziale Grenz- unseren Alltag? Und wo sind sie hingegen Den Abschluss findet „Hranca _._ Grenz“ ziehungen anspricht. unsichtbare, mitunter mentale Gefängnis- folgerichtig dann, wenn die Grenze ganz Unter dem Titel Grenzgesänge/Obmejne mauern, politisches Scheinargument oder sichtbargemacht und damit kritisch ins pesmi gibt der Frauenchor Rož im Okto- gar diktatorisches Werkzeug? Aber vor Bewusstsein gehoben wurde. Denn das ist ber ein inszeniertes Konzert: Die Texte allem: Was hilft gegen die Eingrenzung? die Voraussetzung, um sie schlussendlich der eigens geschaffenen Lieder wurden Eine Antwort darauf gibt das höchst überwinden zu können – und um von der von Autorinnen und Autoren während aktive Team rund um den unermüdlichen Spaltung zur Vereinigung zu finden. ihres Aufenthalts in St. Jakob im Rosental Marjan Štikar bereits mit der Zusammen- verfasst und von Musikerinnen und Musi- stellung des Programms. Bestes Rezept Veranstaltungen: Am 8. April wird sich kern, die ebenfalls im Ort gastiert haben, gegen Eingrenzung ist Vielfalt, sowohl Multimedia-Künstlerin und Kulturaktivis- vertont – extra kreiertes Bühnenbild und was Sprache als auch was künstlerische tin Barbara Ambrusch-Rapp unter dem szenische Elemente inklusive. Zugänge betrifft – folglich reicht die Titel „grenzdebil“ in der Kirche in St. Im Rahmen der schon traditionellen Spannweite des Projekts von Multimedia- Peter/Šentpeter mit Grenzen und Gren- Literaturreihe anti-freeze, Literatur gegen Kunst über (Kinder- und Jugend-)Theater, zerfahrungen auseinandersetzen. den Frost, erhält eine Künstlerin oder ein Ausstellungen, Performances, szenisch Das Kino Janach – zuletzt für die viel Künstler im Herbst die Möglichkeit, sich inszenierte Konzerte und Lesungen. The- beachtete Ausstellung „Vermessungsamt“ mit eigenen Werken zum Schwerpunkt- matisch wandeln sie alle „an und auf der adaptiert – fungiert von Mai – Oktober thema „Heimat“ zu präsentieren. Details Grenze“. einmal mehr als Kunst-Hotspot: Die slo- unter: www.roz.si wenischen Multimedia-Künstler Dušan ● Andreas Peterjan Grenze durch den Ort. Dass St. Jakob im Fišer und Metod Frlič gastieren mit ihrer * 1988 in Klagenfurt, aufgewachsen in Feldkirchen in Kärnten, Studium der Germanistik an der Alpen-Adria- Rosental/Šentjakob v Rožu durch seine Kunstschau To ni politična razstava in ni Universität Klagenfurt und der Karl-Franzens-Universität bewegte Geschichte den künstlerischen samo za otroke/Das ist keine politische Graz, ist journalistisch und wissenschaftlich tätig. Arbeiten weitere Bedeutungsebenen hin- Ausstellung und nicht nur für Kinder.

38 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Katharina Gruzei „seziert“ eine brauchtümliche Goldhaube. Fotos: Katharina Gruzei ... und wir begegneten uns in einem dritten Raum ... Vielförmiges Kunstschaffen im Rosental.

An welchem Ort (be)findet sich DIE Bedeu- die Schulter blickt. Beiden „Systemen“, zweiklang. dvozvok. Ergänzt wird die tung und wo findet Definition statt? Gibt dem Heimatschutz wie auch der schüt- Ausstellung von „zweiklang/dvozvok“, es eine Möglichkeit Unbestimmtes einfach zenden Kopfbedeckung ist dabei inhärent, einem ambitionierten Musikprojekt unter stehen zu lassen, für das sogenannte dass sie sich über eine abgeschlossene der Leitung von Stefan Thaler, welches „Andere“ einen sensiblen Umgang und Form behaupten und zu einem (konstru- hochkarätige Musiker*innen beider Volks- einen Ort der Reflexion herzustellen? Die ierten) Außen hin abgrenzen. Beides stellt gruppen aus Kärnten sowie renommierte Theorie des dritten Raumes von Homi K. die Künstlerin hier zur Disposition. Gäste aus der Österreichischen Jazzszene Bhaba bietet einen Weg, sich von einer zusammenbringt (Tonč Feinig, Thomas Definitionsmacht rund um kulturelle Sym- Berge, Ströme, Äcker, Dome – vielgerühm- Käfel, Clemens Salesny, Michael Erian, bole zu lösen. Kulturen sind in diesem te Symboliken, deren Beliebtheit und Daniel Nösig, Mario Vavti sowie Bertl Sinne nicht essentialistisch bestimmt und Bedeutung in den Foto- und Videoarbeiten Mayer und Willi Landl). An einem Sep- in sich abgeschlossene und statische von Marko Lipuš überprüft und hinterfragt temberabend werden traditionelle slowe- Gebilde, sondern dynamisch, performativ, werden [siehe die Titel- und Rückseite nische und Kärntner Lieder, die sich in veränder- und vor allem verhandelbar. dieser Ausgabe]. Was wäre eine zukunfts- das kulturelle Gedächtnis eingeschrieben Die von der Kuratorin, Kulturmanagerin reiche, also utopische Deutung dieser? Mit haben und somit zu einem Konzept von und Geschäftsführerin des k&k Maria welchem politischen Hintergrund entsteht Identität beitragen und beigetragen haben, Malle ausgewählten Künstler*innen bewe- jeweils welche Identifikationsschablone zerlegt und in neue künstlerische Bezüge gen sich mit ihren Arbeiten in einem und sind diese Symbole nicht eigentlich und somit in neue Kontexte überführt. dieser dritten Räume, wenn sie versuchen, unabhängig von nationalstaatlichen Gren- Das traditionsreiche Volkslied wird mit vermeintlich Klares zu hinterfragen oder zen? Das Land und die Berge kümmern den Mitteln der Improvisation wandelbar vermeintlich Unverbindbares auf seine sich wohl kaum um das fließende Überge- gemacht und mit zeitgenössischen, expe- Parallelen hin zu überprüfen. hen in ein „anderes“ Land. Das Land und rimentellen Klängen versetzt – neue Töne die Berge SIND einfach, Definitionen folgen für neue (Gedanken-)Räume werden hier Katharina Gruzei greift in einem ihrer jedoch der Logik einer Ab- und Ausgren- entwickelt. Beiträge ein aktuelles wie auch heikles zung, einer Definition des „Eigenen“ über ● Tanja Peball Thema auf: die Luftraumüberwachung der das „Fremde“ und „Andere“. Diesen kul- geboren in Villach, lebt in Graz, manchmal auch am Weißensee. Dramaturgin und Autorin, österreichischen Grenzen. In ihrer Video- turhistorisch überdefinierten Begriffen und Fotografin, u. v. m. arbeit mit dem Titel „Yaw“ wird der/die deren „Landschaft(en)“ stellt Lipuš etwas Betrachter*in in Vogelperspektive mit dem gegenüber, dass sich geografisch nicht Ausstellung Panoptikum der österreichischen Grenz- eingrenzen und festhalten lässt und dem Marko Lipuš & Katharina Gruzei: überwachung „vertraut“ gemacht – be- unaufhaltsame Bewegung als ein intrinsi- imagined carinthia – rethinking reality fremdlich wirken die Drehbewegungen scher Wert gilt: die Musik. So begegnen Vernissage: 23. April, 19 Uhr der Radarschirme, die Geräuschkulisse sich unschuldige Landschaften, durch wel- Ausstellungsdauer: bis 30. Juni hinterlässt ein klaustrophobisches Gefühl che vor 100 Jahren ein Strich gezogen Musikprojekt: zweiklang/dvozvok und legt Assoziationen frei. Dramaturgisch wurde und Soundscapes aus dem 21. 26. September, 20 Uhr setzt sich diese Drehbewegung fort, wenn Jahrhundert, die den Blick, die Richtung die Kamera mit „Argusaugen“ das Dekon- und die Wahrnehmung der Betrachter*innen k & k – Kulturni in komunikacijski center/ Kultur- und Kommunikationszentrum struieren einer brauchtümlichen Gold­ verzerren und mitunter verwerfen. Auch Šentjanž v Rožu/St. Johann im Rosental haube verfolgt und der Künstlerin beim hier wird der dritte Raum als Ort der Refle- www.kkcenter.at | www.carinthija2020.at Sezieren der einzelnen Bestandteile über xion und des Diskurses eröffnet.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 39 Museen aller Dörfer, vereinigt euch!1 Tischgespräche und Wahlexperimente im Museum am Bach.

Zenita Komad: „Circle Experiment“ vulgo „One Goal“. Foto: Alex Samyi

Elliptische Tribünenreihen umringen das Dänemark, Slowenien und Österreich in tun? oder Woran glauben? als auch dem zusammengeschrumpfte Spielfeld, auf die Räumlichkeiten der ehemaligen Müh- Zeitgeist Verpflichtetes wie Was begehren? dem zehn – zu einem Kreis zusammen- le in Lippitzbach ein. Der Bogen spannt oder Mit wem leben?. Widerspruchspoten- gestellte – Stühle auf ein Tor ausgerichtet sich von der Malerei über Vorstellungen tial verspricht ein Vormittag im Zeichen sind. Das „Circle Experiment“ vulgo „One im Kleinkino bis hin zur Kunst in der von Wem folgen?. Lockerer könnte es Goal“ von Zenita Komad gibt es in dieser Schießbude; von sich selbst gießenden dagegen bei Wohin gehen? zugehen. Durch Form bisher nur als Faserplattenmodell Zimmerpflanzen bis zum Baum, der kei- die einzelnen Vormittage begleiten Stefan im Museum am Bach zu besichtigen. Die ne Wahl hat. Historische Plebiszitposter, Ebner vom TURBOtheater, Anita Gritsch menschenleere Miniatur regt zum Nach- Postkarten und Flugblätter – zur Verfü- und Regina Picker, Michael Stöckl, Ahmet denken über demokratische Kabinettstü- gung gestellt vom Komitee Lippitzbach Avkiran, Elsa Logar und Edith Payer, die cke auf der grünen Wiese an und steht – sorgen für die geschichtliche Grundie- auch das Museumsmagazin Weather Report gleichzeitig stellvertretend für die beiden rung. Dabei geht es nicht darum, den redaktionell mitbetreut. Was Demokratie Grundpfeiler ihrer Unterkunftgeber*innen: Urnengang als Nonplusultra abzufeiern, und Wetterlagen unter Umständen mitei- Sammeln und Versammeln. sondern um ein Hinterfragen individuel- nander gemeinsam haben könnten, wird ler und kollektiver Wahlfreiheit(en); und in der ersten Ausgabe thematisiert. Wenn Zur Freiheit der Wahl. Hundert Jahre das mit allen Mitteln. Alex Samyi im Zuge der Landesausstel- Volksabstimmung nimmt das Museum Während der Ausstellungszeit werden lung, vom Dorf ausgehend, nach dem am Bach zum Anlass für einen kuratori- an sechs ausgewählten Samstagen ab elf Verbleib von Freiheit, Gleichheit und schen Rundumschlag und lädt unter dem Uhr prägnante Fragen am Runden Tisch Solidarität fragt, dann hat das allein schon programmatischen Titel „Zur Freiheit der im Museumscafé serviert. Im Fragenka- deshalb seine Berechtigung, weil gerade Wahl“ dreißig Zeitgenoss*innen aus talog findet sich sowohl Zeitloses wie Was auf dem Land ein politisches Bewusstsein

40 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 jenseits einer Wünsch-dir-was- Rettung der Dörfer gehört kultur.tipp Mentalität bei Bürgerbeteiligungs­ werden. Kunst kann dazu Zur Freiheit der Wahl 100 Jahre Kärntner Volksabstimmung prozessen dringend am Platz wäre. wichtige Impulse liefern und Eröffnung: 9. Mai, 17 Uhr Kulturzentren und Bildungseinrich- Fehlentwicklungen wie übermäßi- Laufzeit: bis 26. Oktober tungen haben laut Samyi das Potential, gem Landschaftsverbrauch, dem Zwang Museum am Bach, Ruden dazu weltweit einen wesentlichen Beitrag zu ständiger Mobilität oder vermeintlich www.museumambach.com zu leisten. Vorausgesetzt, das Publikum einfachen Lösungen für mehr Sicherheit Runde Tische wird vom Konsumenten zum kritischen auf Kosten der Freiheit einen Spiegel 23. Mai | 13. Juni | Koproduzenten. In Ruden fand diese Idee vorhalten. In diesem Sinne: Auf ins Muse- 11. Juli | 22. August | | im richtungslosen Einrichtungsgegen- um am Bach. Am besten gemeinsam. 19. September 17. Oktober stand zur wechselseitigen Konsultation ● Lukas Vejnik jeweils 11 Uhr ihre vorläufige Materialisierung. Offen für * 1988, aufgewachsen in Bad Eisenkappel/Železna Kapla, geht mit den Mitteln der Architektur aus der alle Altersschichten und mit der Möglich- Architektur hinaus und stößt dabei auf verborgene keit zum Perspektivwechsel; einzig die Lebensräume und Alltagspraktiken. Termine sind unverrückbar. schräg.lage Schon Jean-Jacques Rousseau sah in 1 Ist der Wahlspruch, den Alex Samyi den am Runden Tisch festen und wiederkehrenden Versamm- entwickelten Umgangsformen für den Runden Tisch im lungen, die durch nichts aufgehoben oder Museumscafé des mab vorangestellt hat. verschoben werden können und auch 2 vgl. Rousseau, Jean-Jacques: Vom Gesellschaftsvertrag. keiner eigenen Einberufung bedürfen, ein 13. Kapitel, Reclam 1977 wichtiges Mittel zum Erhalt der Volkssou- veränität. Die Verwirklichung dieser Uto- - pie meinte Rousseau in Überlieferungen über wöchentliche bedingungslose Ver- sammlungen im – vom Land aus regierten – antiken Rom gefunden zu haben.2 Und heute? Für den Ruf nach einem allgemeinen Zurück-aufs-Land ist es wohl noch etwas zu früh; auch wenn gefühlt nahezu alles bereits aus der Distanz dele- giert und bestellt werden kann. Genau an diesem Punkt verkehrt sich die scheinba- re Freiheit unter den derzeitigen Bedin- - gungen allzu leicht auf fatale Weise in ihr Gegenteil. Da sich die neuen Kommuni- kationstechnologien mit ihrer atomisie- - renden Wirkung zunehmend zu einem Hemmnis denn zu einem Segen für demo- kratische Gesellschaften entwickeln, braucht es vielleicht wieder mehr denn je konkrete überschaubare Vielfalt fördernde Versammlungsorte mit aufklärerischer Wirkung; ohne dabei breitbändige Anschlüsse ans Globale Dorf zu kappen. Ob das Leben auf dem Land in Zukunft eine Chance hat, hängt wesentlich davon ab, ob die zag- haft anklin- genden Sig- nale zur Der Feuerwehrmann Motschilnig oder Motschiunig oder Metschnina oder so ist aus der Feuerwehr ausgetreten, weil das Feuerwehrhaus in Tinowitsch

Christian Hölbling ●

1972 in Bruck an der Mur, lebt in Schiefling am * Wörthersee, Kabarettist, Kunstfigur Helfried, Rote-Nasen-Clowndoctor, Liedermacher.

Die Babicaoder Tschachoritsch erinnert.im Keller.er irgendwann Er Wortweiß oder abermitunterbestimmte Tuderitsch schon nicht,leider nochaus anSprache verständlichereine oder seinerwas. lebensgefährlich universale Anderssprachigeso Der zu Herkunftzweisprachig UnbewusstesprechenVerpflegungszelt Teil Sprache Slowenischausgetreten der war.– hätteim können.kannbemühtenZeremonie. ist. AberGegenteil: beschriftet Als sich 1.000aminsein, heute Einderder Domplatz: jasich aberEine JahrenErstaunlich seinerKärntnergeduldigerStets Messemuss werden redlich daszweisprachige schenwird Unbewusstheithier. niemandweißverloreneine Slowene sollen.betont, dasumHerrHačekvieleDie ergut Slowenisch einauchsind mehrhabe.erklärteken70-jährige imDas wieJosefimBachmann-Preisträgerin.paar nicht.doch Dom zweiten konnteleiderNamen. vorteilhaftausWorteDenn Marketzverständliche ihrderbeherrschten Vielleichtseiner Frau nicht vielwerin M.geben, zweiteLungenflügel?Ein aller mit zum Brimborium.Mehrsprachigkeitmachte Kindheitnach bewusstHerkunftKärntnerBald seinem vielehaben’sFlügel KürzeBischof Worte, Englandschonohne fiele mitBeschwörungen erinnerte.sein. unsereraustreten.GewissendenEin Nobelpreisträger, seineImnoch hochrotemgeweihtMüheDiewerdenDerals BevorKärntnerauswandere,Sachverhalt:Jubiläumsjahr Zahl ZeichenBlickeinigesEltern ist.Kärntnerslowenische Braucht vielenic wurde,M.derEs Bedrohlich in KopfhtschonausBurgtheater-Direktor ist ein:der dieVeranstaltungen derstöhnen:vereinbaren. beideres„Dieeigenewar Lunge!“müsseEinheit,Bildung? derihrem Wertschätzung. ge2020noch unsFeuerwehrLieder tan,die inSlowenenist „WasFamilie? jaÄrgerseiner nichtmehr slowenischewirdvielmehrEindamals,viel Aufklärung? schließlich undDas zweisprachigerdenn Weihrauch, eswirdmehrHinweise Luft, StockholmerausgetretenTrauer?hatsinddas vieleals mit dienoch Anschließend, erschöpfend ihnwas „Očebedrohlich,das doch Sprac einemDummheit, auchAufarbeitung? salbungsvolle anWut? alles aufslowenischedenn vielnaš“. irgendwasschonhe ist, denEnglisch sloweni RedeBischof.Tränen?...?“ Tracht,selbstdieses muss Auchsein.star eine Mirseit dieiman DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 41 Armin Guerino: „Es gibt keinen Blick nach vorne, der nicht auch ein Blick zurück und in sich selbst ist.“ Die Drau, wie niemand sie kennt, obwohl sie so ist: Seitlich gewinkelt und vervielfacht mit Hilfe von zehn verspiegelten Stellwänden. Foto: Armin Guerino

Abgesehen davon, dass es die Welt nicht gibt Am 8. Mai beginnt in St. Jakob das „ontologische“ Festival „horizontal 20“.

Die Lust am Wissen ist in Kärnten hei- Es kann in einem Garten von Das Festival läuft hin und misch. Vom Klagenfurter Unternehmer, kaum 50 mal 100 Metern ein her, der Drau entlang durchs der sich auf einen Briefwechsel mit Imma- Weg angelegt sein, für dessen Rosental. Karl Brandstätter will nuel Kant einließ, bis zum großen Praxeo- barfüßige Bewältigung man 45 mit dem Schauspieler Friedrich logen Peter Heintel, der die Alpen-Adria- Minuten braucht. Ein nachdenk- Truppe Abschiedsriten von Beer- Universität zu einer Hauptadresse der licher Ort, den Johann Köllich in acht digung und Verbrennung anhand Interventionsforschung machte. Nur Spiralen in Kirschentheuer angelegt hat. von Holzidolen versinnlichen (20. Juni). logisch, dass im Jahr 100 der modernen Rechts der rotblühende Buchweizen der Höhepunkte verheißen auch zwei Abende, Landes-Identität ein „ontologisches“ Kul- slowenischsprachigen, links der weiß- an denen die beiden Landessprachen ganz turfestival dazukommt. D. h. eine Veran- blühende der deutschsprachigen Regio- ineinander münden: Ein Poetry-Slam staltungsreihe, bei der ein Bild, das an der nen. Auf den Grasflächen dazwischen, u. a. mit Carmen Kassekert (3. Juli) und Wand hängt, vielleicht ein Liegestuhl ist. damit man am 28. August wie durch die Präsentation von Fabjan Hafners bei Es geht laut Untertitel um das Entdecken Musik geht, Wolfgang Puschnig und das Suhrkamp erscheinenden „Ersten und neuer Perspektiven. Denn, wie es Parade- Koehne Quartett. Das ist einer der sieben letzten Gedichten“ als von seiner Witwe Denker Markus Gabriel ausdrücken wür- Programmpunkte, die der Verein „Schu- und seinem Bruder konzipiertes Lese- de: „Erst, wenn man absieht davon, dass le der Wahrnehmung“ zum Veranstal- Event in Suetschach (2. August). Und, um es die Welt an sich gar nicht gibt, können tungsschwerpunkt CARINTHIja 2020 wenigstens noch ein Ereignis zu nennen: unsere sonstigen Wahrnehmungen allen- erfolgreich eingereicht hat. Ab 17. Juli (19 Uhr) spiegelt Armin Gue- falls als richtig behauptet werden.“ rino bei der Pumpstation Ferlacher Stau- Der Blick der Kunst. Die Kunst bildet – see in 20 Spiegeln die spiegelglatte Drau. Aber der Reihe nach. 2017 gründete der von der Wahrnehmung aus gedacht – eine Julian Feritsch und Julia Hohenwarter heimische Architekt Reinhard Hohenwar- Schicht der Landschaft, wie die Landschaft bereiten zu allen Terminen kulinarische ter mit einigen weiteren philosophisch eine Schicht der Kunst bildet. Was war Kreationen, die optisch, geschmacklich Interessierten den Verein „Schule der die Schicht null? Mit Veranschaulichungen und geruchsmäßig den Veranstaltungsor- Wahrnehmung“. Schon über den Begriff zu solchen Fragen beginnt das Festival ten entsprechen: Es wäre ja ein Irrtum, zu „Wahrnehmung“ lässt sich grübeln, hinzu am 8. Mai im weltentrückten Kirchlein glauben, dass Sinnesmenschen nicht phi- kam in diesem Fall die Absicht, einen für St. Gertrud bei Sankt Jakob im Rosental. losophisch sind. www.carinthija2020.at Architekten reizvollen Neuansatz des Malerische Sinnes-Irritationen im Wald. ● Michael Cerha Raumdenkens einzubeziehen: Galt der Bei den erhaltenen gotischen Lineamenten * 1953 in Vorarlberg, lebt seit 2010 in Damtschach, Autor, Dramaturg und Kulturjournalist. Kärntner Kultur- Raum lange als eine Art leerer Container kann man, Jahrhundertschichten weiter, korrespondent der Tageszeitung „Der Standard“. der Wirklichkeit, so wuchsen ab 1960 an eine Anekdote um den kürzlich 91-jäh- speziell in Frankreich Zweifel an der rig verstorbenen Wernberger Architekten festival.auftakt Definierbarkeit einer solchen Hülle. Sind Felix Orsini-Rosenberg denken: Von einem Matthias Peyker, Phillip Hohenwarter: die Räume, die unsere Sinne notieren, Behördenvertreter nach Detailplänen „layer null“ | 8. Mai, 19:30 Uhr, nicht durchwegs durch ihre Inhalte cha- gefragt, soll er gesagt haben: „Da müssen Kirche St. Gertrud zu Srajach, Sankt Jakob i. R. rakterisiert bzw. sozial spezifisch geprägt? Sie den Putz abschlagen!“ www.carinthija2020.at

42 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Der Oberförster und sein Knecht, 2001. Foto: IG KiKK | Kultur muss wachsen: ein transparentes „Treibhaus“ im Wappensaal, 2016. Foto: Gerhard Maurer 30 Jahre IG KiKK Eine kleine Zeitreise durch ausgewählte Aktivitäten der unermüdlichen Interessensvertretung für Kärntens freie Kulturinitiativen.

Kultur bewegt Kärnten/kultura razgi- hafen werden die Ergebnisse von neun Chefsache Kultur/Glavna zadeva kul- bava koroško. (Broschüre 1992) Nach der Jahren BZÖ-Kulturpolitik anhand einer tura 378. (Petition 2018) Nachdem in den Gründung der IG KiKK im Jahr 1990, wird Analyse des Kulturbudgets des Landes Jahren freiheitlicher Kulturpolitik die eine erste Bestandsaufnahme in den von 1999-2005 präsentiert. Die Unausge- Kulturabteilung des Landes zur Unterab- damals rund 30 Kulturinitiativen gemacht. wogenheit der Förderungen zeigt sich teilung mutierte, Jörg Haider sogar mit Die Erhebung der Ist-Situation bringt die unter anderem im Zuwachs um 1.300 dem Gedanken spielte, die Kulturabteilung dringendsten Probleme zutage. Arbeits- Prozent an Förderungen beim Brauchtum völlig aufzulösen, startet die IG KiKK nach gruppen werden eingesetzt, ein Forde- und der Minderung um 9,22 Prozent bei der Landtagswahl 2018 eine Petition mit rungskatalog an die Kulturpolitik erarbei- den Kulturinitiativen. der Forderung nach einer Aufwertung der tet. In einer Broschüre stellen sich 32 Wiederaufbau/Restavracija. (Sympo- Kulturabteilung (378 Unterstützer*innen). Kulturinitiativen der Öffentlichkeit vor. sium 2011) Nach über zehn Jahren der Multiplizieren statt wegdividieren. Ohnmacht gegenüber der freiheitlichen Neuer Platz für Kultur/Novi trg za kul- (Aktion 1999) Mit der Wahl Jörg Haiders Kulturpolitik – viele Kulturinitiativen turo. (Symposium 2020) Das am 25. April zum Landeshauptmann und Kulturrefe- mussten trotz hohem Maß an Ehrenamt- (9:30 – 19 Uhr) stattfindende Symposion renten, erfahren die Kulturinitiativen lichkeit ihre Tätigkeit einstellen – versucht auf dem Neuen Platz in Klagenfurt will einen massiven Rückschritt. Auch der die Kulturszene als ARGE freie Kulturar- einmal mehr die Bedeutung der Kulturin- freiheitliche Kulturstadtrat in Klagenfurt beit mit Bundesunterstützung in einem itiativen Kärntens in den Mittelpunkt will das Kulturbudget zu Lasten von Symposion in Villach kulturpolitische rücken und in einem großen Diskussions- „unproduktiven Kulturgenres“ einsparen. Perspektiven für Kärnten/Koroška zu format Probleme angehen, die einer erfolg- Mit dem Aufstellen von Holzkreuzen für erarbeiten. reichen Entwicklung im Wege stehen. jede Kulturinitiative vor dem Rathaus Kultur muss wachsen/Naj raste kul- Folgeveranstaltungen in den Regionen macht die IG KiKK auf die vielfältigen tura. (Symposion 2016) Das Jahr 2016 sind bis Jahresende geplant. Die freien Kultureinrichtungen Klagenfurts außer- wird auf Empfehlung des Kulturgremiums Kulturinitiativen sind gefragte kulturelle halb der sogenannten „Kulturmeile“ auf- vom Land Kärnten zum Jahr der freien Nahversorger, mit über 350.000 Besucher­ merksam. Kulturinitiativen ausgerufen. Die IG KiKK *innen pro Jahr, die mehr Wertschätzung Kärnten: kulturfreie Zone. (Plakatak- richtet ein Symposion zur kritischen und angemessene Produktionsbedingun- tion 2001) Mit der Plakataktion „Der Auseinandersetzung mit den Bedingungen gen verdienen. Dafür wird die IG KiKK Oberförster und sein Knecht“, den Auf- freier Kulturarbeit und ihren zukünftigen weiterkämpfen. www.igkikk.at klebern „Kahlschlag ist sein Job“ und Herausforderungen aus. Rund 80 freie ● Brigitte Strasser „Kärnten: kulturfreie Zone“ sowie einem Kulturinitiativen tragen mittlerweile zur Gründungsmitglied der IG KiKK und langjährige Kultur­ arbeiterin, u. a. Mitwirkung an der Christine-Lavant-­ Forderungskatalog reagiert die IG KiKK Vielfalt der Kärntner Kulturlandschaft bei Werkausgabe (Wallstein Verlag). auf massive Kürzungen bzw. Streichungen und vermitteln im Landhaushof sowie in von Förderungen durch das Land Kärnten einem transparenten »Treibhaus« im Wap- und die Stadt Klagenfurt. pensaal einen Eindruck von der Kreativi- Unter der Brücke. (Pressekonferenz tät und Widerständigkeit der freien Szene 2007) Unter der Elisabethbrücke im Lend- in Kärnten.

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 43 edition B kunst.aus.druck Kevin A. Rausch somehow a world crisis Foto: Martin RauchenwaldFoto:

irgendwie eine weltkrise. So der über­ anlässlich der Ausstellungseröffnung nungen oder mögliche apokalyptische setzte Titel der großformatigen Leinwand „today, tomorrow, yesterday“ im Jahr 2017 Szenarien schwingen oftmals – nahezu des in Wolfsberg geborenen und seit in der Galerie Köppe Contemporary in ängstlich – in seinen Bildern mit. André seinem Studium an der Wiener Kunst- Berlin das enge Nebeneinander von Har- Lindhorst begründet das im Rahmen der schule in der Bundeshauptstadt lebenden monie und Anspannung in den Arbeiten 2015 ebenfalls in Berlin gezeigten Aus- Künstlers Kevin A. Rausch. Vieles bleibt von Kevin A. Rausch treffend: „Raumstim- stellung „Twilight“ in Hinblick auf das unklar und vage in Kevin A. Rauschs sehr mungen und Raumempfindungen – wie Werk des Künstlers damit: „Der Mensch poetischen Arbeiten. Auch die – oft von er sie malt – lassen sich oft gar nicht in ist auf sich alleine angewiesen. Er tritt in Songtexten inspirierten – Titel geben meist Worte fassen. Das Phantastische, das eine gefahrvolle Welt ein, in der er sich nur wenig Hinweis auf mögliche Bildzu- Visionäre, das Absurde, das Paradiesische zurechtfinden muss. Sie verheißt ihm sammenhänge. und Apokalyptische, Traum und Alptraum Glück, doch kann sie ihn auch scheitern Eine von hinten gemalte, leicht schräg stehen dicht beieinander. Hinzu kommt, lassen oder in die Katastrophe führen.“ gestellte Figur befindet sich in der vorder- dass der Raum, wie ihn Kevin Rausch Und des Weiteren: „Kevin A. Rausch gründigen Mitte einer weder zeitlich noch malt, immer in direkter Spannung steht erzählt nicht. Er deutet an. Und er wirft räumlich verortbaren, stark abstrahierten zu den Menschen, die in seinen Bildern knappe atmosphärische Schlaglichter auf Landschaft. Die dunkel gekleidete Person vorkommen. Überhaupt – alles kreist bei Situationen. Seine zwischen Skepsis und – ob Mann oder Frau bleibt fraglich – blickt Kevin Rausch um das Nachdenken über Optimismus angesiedelten Bilder sind offenbar in die Ferne, man folgt deren den Menschen.“ Ausdruck eines Welt- und Bewusstseinszu- Blick in eine zunächst wirr und chaotisch Kevin A. Rausch malt und zeichnet in standes. Kevin A. Rauschs Figuren sind erscheinende Gegend. Doch je länger man erster Linie von Einzelfiguren, Paaren oder sich selbst ein Rätsel. Sie sind auf der schaut, gleichsam mit der porträtierten, Figurengruppen bevölkerte Landschaften, Reise und der Suche nach sich selbst.“ fremden Person innehält, desto mehr die meist unwirklich und fremd erschei- Es wirkt fast so, als würde Kevin A. erschließt sich das Dargestellte: Gewis- nen, Pappmaché-Figuren ergänzen sein Rausch seine eigenen Emotionen und seine sermaßen steht die schlanke Figur mit Werk. Auch diese wirken aufgrund ihrer Wut bzw. seine Begeisterung über die Lage nackten Füßen, die Hosen mit beiden eigentümlichen, andersartigen Verklei- der Welt in den Bildern ausdrücken, in Händen an den Hosenbeinen nach oben dungen befremdlich. Sie tragen bunte einem Interview mit Eva Kaczor deutet er gezogen, in einem Gewässer. Nicht tief ist Kleidung und Gebrauchsgegenstände das auch – auf seine Arbeitsweise ange- es da, gerade mal bis zu den Knöcheln fremder Zeiten und Kulturen mit sich und sprochen – an: „Ein Zumalen, Aufmalen, reicht das Wasser. Sträucher säumen das blicken sich suchend um, scheinbar ver- Wegmalen, Drübermalen, Abtragen, Auf- Ufer und begrenzen das Bild rechts und suchen sie sich in ihrer Umgebung zu tragen, Formen – ein andauerndes Suchen.“ links, der blaue, wolkige Himmel ist spär- orientieren. Ob die Figuren in seinen www.kevinarausch.com lich angedeutet. Die Landschaft ist völlig Bildern oder auch seine figuralen Skulp- ● Nora Leitgeb abstrahiert und auf markante Farben turen, sie alle scheinen sich auf eine Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin für zeitgenössi- sche Kunst, Graz und Klagenfurt; derzeit: Ausstellungs- reduziert und doch erzeugt Kevin A. Sinnsuche zu begeben. Mal wirkt die management & Pressearbeit im Museum Moderner Rausch eine beeindruckende Tiefe. Er malt Situation unheimlich, beängstigend und Kunst Kärnten. in vielen Schichten, meist verwendet er bedrohlich, dann wieder friedlich und Öl und Acryl. Neben dem Pinsel verwen- entspannt. Doch immer sind die darge- Einzelausstellung AHEAD deter er auch Spachtel und Rakel, dadurch stellten Personen auf sich gestellt, sie Galerie II, St. Andrä entstehen vertikale und horizontale Struk- wirken einsam und verloren, auf ihr noch bis 18. April

turen von besonderer Dynamik. Auf der eigenes Dasein zurückgeworfen. Doch Einzelausstellung: the party never comes schwarzen Kleidung der Person scheint daraus entsteht eine ganz besondere Kraft, Galerie Gerersdorfer, Wien sich das vom Wasser zurückgeworfene denn es ist das Innehalten und Nachden- Vernissage: 6. Mai, 19 Uhr Licht zu reflektieren und in den welligen, ken, es ist das Alleinsein, das Ruhe bringt hellen Linien lassen sich die Wasserbe- und eine Veränderung ermöglichen kann. wegung und Lichtspiegelung nachspüren. Bildinhalt und -titel scheinen sich zu Zum Zustand der Welt. Über die Aus­ widersprechen, denn die Situation wirkt einandersetzung der dargestellten Figuren doch sehr harmonisch. mit sich selbst hinausgehend thematisiert Kevin A. Rausch auch Fragen zum Zustand Nachdenken über den Menschen. Der unserer Welt im Allgemeinen: Naturkata- Kurator André Lindhorst beschreibt strophen, der Zerfall hegemonialer Ord-

44 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Kevin A. Rausch: somehow a world crisis | 2017 | Mischtechnik/Leinwand | 300 x 250 cm. Foto: Andrew Rinkhy Angelika Kaufmann. Foto: Carolina Frank

2004 mit dem Österreichischen Würdi- gungspreis für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet worden.

Kindertage und Lebensreisen. Sie erin- nere sich gerne an die eigene Kindheit, sagte die im Jahr 1935 in St. Ruprecht bei Villach geborene und auf einem Bauernhof aufgewachsene Künstlerin Anfang Febru- ar 2019 in einem Gespräch mit der Jour- nalistin Marianne Fischer (Kleine Zeitung). Sie zehre von einem ganzen „Rucksack an Wärme, an Bildern und an Geschichten“ aus dieser Zeit, so Kaufmann in einem Gespräch für Ö1. Viele der Geschichten stammten von ihrer Mutter. Überhaupt. Die Eltern. Diese seien von einem „ganz wunderbaren“ Zeichenlehrer in der Frau- enberufsschule überredet worden, die Tochter nach Wien zu schicken. Dort studierte sie von 1953 bis 1958 an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien Gebrauchs- und Illustrationsgraphik. In der ersten Hälfte der sechziger Jahre konnte Kaufmann dann auch an der Aka- ... reise nach ... demie der Schönen Künste in Krakau Die Künstlerin Angelika Kaufmann nimmt uns mit. studieren. Nach dem Ende der Studien folgten zahlreiche Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, Preise – zuletzt im Jahr 2018 der Kulturpreis der Das war der Titel einer Ausstellung der sodann gefaltet und ihnen dadurch eine Stadt Villach –, Projekte („ZeitRaumZeit“, aus Kärnten stammenden Künstlerin ganz eigenständige, grafische Qualität „Im Reich der Phantasie“, „Konzept- Angelika Kaufmann in der Galerie der verliehen. Die Arbeiten Angelika Kauf- Schrift“, „Made of Paper“, u. a. ) und Edition Splitter in Wien im Jahr 2008 und manns oszillieren gewissermaßen zwi- Künstlertagebücher. Ihre künstlerische dabei habe es sich, laut einem Bericht der schen Wort und Bild. Die Zusammenarbeit Reise führte Kaufmann bis nach China Tageszeitung Der Standard, um „eine der mit Friederike Mayröcker geht übrigens und Japan. Sie ist Mitglied der Wiener schönsten Ausstellungen“, die damals in zurück auf das Jahr 1971. Mayröcker Secession, des Kunstvereins Kärnten, aber der Bundeshauptstadt zu sehen gewesen schrieb damals den Text für das Kinder- auch der Grazer Autor*innenversammlung. seien, gehandelt. buch „Sinclair Sofokles der Baby Saurier“ Die Literatur, Gedichte, hätten ihr – das Gleiches würde ich für das Jahr 2006 (Jugend und Volk), Angelika Kaufmann vertraute die Künstlerin Lisa Bolyos, die und für Kaufmanns damalige Ausstellung illustrierte das Buch. Im Jahr 2004 kam als Redakteurin der Wiener Straßenzei- „20 Gedichte“ im Robert-Musil-Literatur- es, anlässlich des 80. Geburtstags von tung AUGUSTIN arbeitet, an (vgl. Nr. museum und die Landeshauptstadt Kla- Mayröcker, zu einer Neuauflage im Resi- 5/2017) – schon seit der Jugend in ver- genfurt ins Treffen führen wollen. Für diese denz Verlag. Was Kinderbücher angeht, schiedensten Lebenssituationen weiter- Einschätzung spricht auch die Tatsache, so hat Kaufmann mit Autor*innen wie geholfen: „Bei Liebeskummer, bei Versa- dass ein Foto aus dieser Ausstellung das Barbara Frischmuth, Elfriede Gerstl, Wolf gen und solchen Anlässen. Da bin ich auf Titelbild der Juni-Ausgabe, genauer gesagt Harranth, Mira Lobe, Christine Nöstlinger, Christine Lavant gestoßen. Dann kam der Nummer 68 der BRÜCKE, zierte. Das Käthe Recheis, Julian Schutting oder auch Bachmann und später Mayröcker“ – ver- „Ausgangsmaterial“ für die zarten Zeich- Felix Mitterer, um nur einige zu nennen, lässliche Wegbegleiterinnen bis zu ihrem nungen der bildenden Künstlerin waren zusammengearbeitet. Seit Anfang der sieb- 85. Geburtstag, den Angelika Kaufmann die benannten zwanzig Gedichte, also ziger Jahre nimmt Kaufmann Kinder mit vor kurzem gefeiert hat. Und die Reise poetische Äußerungen der österreichischen auf eine „... reise nach ...“ Sie hat an der geht weiter ... Schriftstellerin Friederike Mayröcker. Entstehung von über fünfzig Kinderbü- ● Heimo Strempfl Kaufmann hat die Gedichte damals nach- chern mitgewirkt. Für dieses anhaltende Germanist, Leiter des Robert-Musil-Literaturmuseums der Landeshauptstadt Klagenfurt. geschrieben, mit schwarzem Pigmentmar- Engagement für junge Kunstbetrachter­ ker auf Japan-Papier, die einzelnen Blätter *innen und Leser*innen ist sie im Jahr

46 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Lilian Faschinger. Foto: Marko Lipuš, Kratzung

Rückeroberung im erstgeborenen Land Lilian Faschinger zum siebzigsten Geburtstag.

Kärnten Geschichtenunterbrechen) den König über und den USA – in Wien. Mit dem Rück- tausendundeine Nacht hindurch bei Lau- fahrticket in der Tasche oder der Option Das Land Wo die Fensterscheiben blitzen ne und sich selbst am Leben zu halten. einer Weiterfahrt nach Triest kann sie Wo kein welkes Blatt Der zuvor erschienenen Gedicht- und auch die Schön- und Eigenheiten in ihrem Dem Rechen entgeht Kurzprosasammlung „Selbstauslöser“ „erstgeborenen Land“ genießen. Litera- Das Land der Lächelnden (1983) ist das Motiv der Selbsterrettung risch ist sie ohnehin ihren eigenen Weg Trachtenschneiderinnen ebenfalls bereits eingeschrieben. Das gegangen und hat sich über Konventionen Haben alle Hände voll zu tun Gedicht „Kärnten“ – die Autorin hat es stets hinweggesetzt. Ihre lustbetonte, Die Bräuche sind streng der BRÜCKE freundlicherweise zur Ver- oberflächlich mitunter heitere Herange- Braunäugige Frauen Mit adretten Gesichtszügen fügung gestellt – gibt einen Eindruck von hensweise an die Literatur, die auch die Scherzen in weicher Sprache den Kräfteverhältnissen, die im Herkunfts- Nähe sogenannter leichterer Genres wie Über tadellos land wirksam sind, und lässt erahnen, die Kriminalliteratur nicht scheut, die Gestutzte Hecken hinweg welcher Anstrengung es bedarf, sich damit verbundenen Erwartungshaltungen Lustige Zweizeiler Werden an Kirchtaggeher gerichtet daraus zu lösen. Die Sensibilität für den aber „permanent unterläuft“ (Stefan Zusammenhang von gesellschaftlichen Gmünder), hat ihr innerhalb des Litera- Der Kreis der Singenden aber täuscht und individuellen Bruchlinien zeichnet turbetriebs immer wieder die Position Die Sonne verschüttet Falschgold sich in diesem „Heimatlied“ ebenso ab wie einer Außenseiterin eingebracht. Der Dorftrottel wird vertuscht die Affinität zu musikalischen oder auch Psychologischer Scharfsinn ohne zu Der ins Schilf gegangen ist magisch-performativen Aspekten der Spra- psychologisieren ist eine weitere Stärke Wird nur flüsternd genannt che, wie sie im Umgang mit Reimen oder der Autorin. Die verdrängungsbedingte Das Liebespaar Das auf dem Holzstoß Beschwörungsformeln zum Ausdruck Perpetuierung von Leid und Unterdrü- In hellen Flammen aufging kommt. ckung in Familien- und Geschlechterbe- Brennt seinen Makel ziehungen hat sie in verschiedenen Kon- Siebenmal sieben Generationen ein Bildfindungen. Durch ihre Vorliebe für stellationen durchgespielt und auch mit Denen das Abgründige und Makabre, für drasti- antiker Mythologie und vor allem öster­ Die die Lüge sche Zuspitzungen ebenso wie für subtilen reichischer Geschichte in Zusammenhang Nicht aufrecht erhalten wollen Humor, hat Lilian Faschinger die Gegen- gebracht. Mit „Wiener Passion“ (1999) hat Bohren sich die Kiele Der Segelboote wartsliteratur um unvergessliche Bildfin- sie einen Wien- und Großstadtroman Und die spitzen Kirchtürme dungen und Szenarien bereichert, wenn geschrieben, der in der Literaturgeschichts­ Mitten ins Herz etwa in dem Erfolgsroman „Magdalena schreibung noch nicht auf jenem Rang Sie büßen den Frevel Sünderin“ (1995) eine rothaarige Motor- gelandet ist, der ihm gebührt. An ihrem erstgeborenen Land Wie eine Mauer radfahrerin in der Lederkluft einen Pries- Im April feiert die reisefreudige Autorin, Hüten die anderen den Schein ter fesselt und zwingt, ihr die Beichte die u. a. mit dem Staatspreis für literari- Leidend üben sie Rache abzunehmen, oder wenn sich Matthias, sche Übersetzung und dem Kulturpreis Inbild des vermeintlich hilfsbedürftigen des Landes Kärnten ausgezeichnet wurde, © Lilian Faschinger, aktualisierte Version 2020; Erstveröffentlichung in: Lilian Faschinger: Selbstauslöser. Mannes in „Stadt der Verlierer“ (2007), ihren siebzigsten Geburtstag. Das soll Lyrik und Kurzposa. Leykam 1983. samt Gitarre und Habseligkeiten vor die Anlass sein, ihre Bücher gerade im Jubi- Tür gesetzt wiederfindet, oder in dem läumsjahr (erneut) zu lesen und die zuletzt erschienenen Roman „Die Unzer- eigenen Sinne daran zu schärfen und zu Selbsterrettung. Dass Schreiben ihre Art trennlichen“ (2012) der Blitz bei einem erfreuen. der Lebensbewältigung ist, hat Lilian Begräbnis im südsteirischen Sausal nie- ● Katharina Herzmansky Faschinger seit Beginn ihrer literarischen derfährt und die Hauptfigur gleich einmal Mitarbeiterin der Kulturabteilung des Landes, literarischer BRÜCKEnpfeiler. Karriere klargemacht. Titelfigur ihres ins offene Grab ihres Vaters katapultiert. Debütromans „Die neue Scheherazade“ Lilian Fasachinger, aufgewachsen in (1986) ist jene sagenhafte Prinzessin, der Tschöran am Ossiacher See, lebt – nach es gelingt, durch spannungsreiches einem Studium der Anglistik und Ameri- Geschichtenerzählen (und vor allem kanistik in Graz, Aufenthalten in Paris

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 47 André Hellers weltgrößtes Kaleidoskop lässt durch hunderte Spiegel sowie eine eigene Licht- und Musikregie zauberhafte Welten entstehen. Es soll in der zweiten Jahreshälfte der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Ein Kaleidoskop Foto: Weingut Burg Taggenbrunn der jungen Festspiele Taggenbrunn startet in die erste Saison.

Es war um 1200, da war Taggenbrunn, meinsam mit Ildikó Raimondi mit Operet- ­hunderte Spiegel zauberhafte Effekte und nahe St. Veit an der Glan gelegen, eine tenschlagern (30.5.) oder der bereits inter- Muster“, erzählt Manuela Trachmann, beeindruckende, feste Burg. Im Lauf ihrer national erfolgreiche Pavol Breslik (23.7.) Leiterin des künstlerischen Betriebsbüros achthundertjährigen Geschichte verfiel ebenso auftreten wie die Baritone Johannes und der Organisation der Festspiele: „Man sie jedoch zusehends, bis schließlich nur Martin Kränzle (12.6.), Andrè Schuen verliert sich ohne Bezugspunkt in Raum mehr traurige Reste von pflanzenumwu- (15.11.) oder auch die Opernstars Violeta und Zeit und es lässt die eigene Kindheit cherten Steinmauern daran erinnerten. Urmana (3.10.) und Michael Volle (8.10.). wach werden.“ Es soll in der zweiten Es war 2011, als die Ruine in den Besitz Die renommierte Pianistin Elisabeth Leons- Jahreshälfte der Öffentlichkeit zugänglich der Unternehmerfamilie Riedl überging, kaja (28.7.) ist ebenso zu erleben wie die gemacht werden. die mit einer aufwändigen Restaurierung alle Genres überschreitenden Philharmonix Weiters ist ein Kubus im Nordturm begann und der Burg neues Leben ein- (31.8.), das Trio Mnozil Brass (12.9.) und kurz vor der Fertigstellung. Dort soll auf hauchte. Herzstück ist ein etwa 680 Per- viele mehr. Lesungen mit Musikbegleitung einer zweistöckigen Ausstellungsfläche sonen fassender, glasüberdachter und der sind mit den bekannten Schauspielern von etwa zweihundert Quadratmetern ein Akustik gerecht werdender Saal im eins- Nicholas Ofczarek (20.6.) und Birgit Kunstraum entstehen. Für das Kuratie- tigen Burghof, der Alt und Neu stimmungs- Minichmayr (5.9.) angesetzt. ren von geplanten Ausstellungen konnte voll verbindet und in dem die Taggenbrun- Agnes Husslein, die bekannte Kunst- ner Festspiele letzten November glanzvoll Bildende Kunst. Aber auch der bildenden Impresaria sowie Enkelin des Malers eröffnet wurden. Als künstlerischer Bera- Kunst wird nun noch mehr Platz einge- Herbert Boeckl, gewonnen werden. Derzeit ter fungiert der langjährige Intendant der räumt: Nach der im Freien vor der Burg gibt es jedoch dafür noch keine konkreten Wiener Staatsoper Ioan Holender. platzierten und weithin sichtbaren zwölf Ausstellungspläne. Meter hohen „Zeitgöttin“, sie gilt bereits „Eine gelungene Symbiose von Kultur, Alte Musik und Lesungen. Nach einem als Wahrzeichen des Burgbergs, wurde Genuss und Historie“, schwebt dem Burg- Art Prélude mit künstlerischen Höhepunk- deren Schöpfer, der berühmte Allround- herrn und Veranstalter Alfred Riedl als ten vergangenen Herbst, starten die Fest- künstler André Heller, mit der Schaffung langfristiges Ziel auf der malerischen Burg spiele am 9. Mai in ihre erste volle Saison eines riesigen Panoptikums beauftragt. Taggenbrunn mit dem bereits bestehenden und werden bis 28. November fünfzehn Mittlerweile fertiggestellt, ist es aber noch Weingut, Hotel und der Restauration vor. hochkarätige Veranstaltungen präsentie- nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. ● Helmut Christian Mayer ren. Im Zuge dessen werden Spitzensänger „In diesem, dem derzeit größten Kaleido- Jurist und Kulturjournalist. und -sängerinnen wie die Tenöre, Shoo- skop weltweit, steht man quasi wie in tingstar Mauro Peter, der diesjährige Tami- einem IMAX-Kino mittendrin. Durch eine Taggenbrunner Festspiele 9. Mai – 28. November no bei den Salzburger Festspielen, gleich eigene Lichtregie und verschiedene www.taggenbrunner-festspiele.at zur Eröffnung (9.5.), Herbert Lippert ge- ­Programme mit Musik entstehen durch

48 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Eine Brücke in André Hellers Paradiesgarten Anima in Marrakesch. Foto: Nicole Biarnés Kiefer

André Heller in Kärnten? Eine Spurensuche.

Ob ich für die Brücke über André Heller tigen Heimatdorf meiner (nicht eben an ren, Seesternverkäufer, Lackenspringer schreiben würde, wurde ich kürzlich den Haaren) herbeigezogenen Kärntner und Sprungtücher – und manches Lied gefragt, nämlich über seine Spuren in Vorfahren auf diese Weise in den See wird selbst Sprungtuch, das einen im Fall Kärnten, was mich stutzig machte, weil gegangen sein soll, zu den anderen Lebens- der Fälle vor dem Bauchfleck bewahrt, André Heller, der uns ja ermahnt hat, müden, die jetzt vielleicht nach dem etwa wenn sich wieder ein Narr zum Idyllen zu misstrauen, nicht an Orte zu Prinzip der Homöostase als erquickende Salto mortale hat anstiften lassen – hieß glauben, womöglich gar nie auf Kärntner Spurenelemente im Wörtherseewasser es nicht Sei Poet? –, aller Ungewissheit Boden gewandelt ist, die Spurensuche also nachwirken, wohingegen André Hellers zum Trotz, in oder unter der Brücke zu allenfalls mit einem Satz abgetan wäre, Anwesenheit in Kärnten oder sonst wo landen. Und André Heller ist und bleibt jedenfalls wenn ich mich dabei auf das überhaupt keiner leibhaftigen Präsenz da. Hört, dann werdet ihr sehen! Augenscheinliche beschränkte, Fußstap- bedarf, da was uns hier von ihm unter- ● Anna Baar fen im Schnee zum Beispiel oder flachge- kommt (und was immer uns dabei über- * 1973 in Zagreb, lebt in Klagenfurt und Wien. Zuletzt erschien ihr Roman „Als ob sie träumend gingen“ (2017 tretenes Gras, und weil es doch spannen- kommt) – mit Ausnahme der Göttin von Wallstein). Im Vorjahr schrieb Anna Baar für André Heller der wäre, über die Brücke für André Taggenbrunn – nichts Dinghaftes ist, den literarischen Beitrag für das Booklet seiner neuen Schallplatte „Spätes Leuchten“ – und folgt damit auf Heller zu schreiben, obwohl es das schon sondern ein bildhafter Klangraum, dessen H. C. Artmann, Gert Jonke und Friederike Mayröcker. gegeben hat, vor fast einem halben Jahr- physikalische Entsprechung eine sich mit Im Juni erhält sie den Humbert-Fink-Literaturpreis 2020. hundert, als Gert Jonke für André Heller jedem Wiederhören tiefer in die Rillen über die Brücke sinnierte, nämlich in meiner Langspielplatten kratzende Nadel album.tipp jenem Schallplattencovertext, in dem sich ist, ein geschliffener Diamant, der sich in André Heller: der lebensmüde Ich-Erzähler in den frühen meiner Vorstellung spurrillenartig in den Spätes Leuchten November 2019 Morgenstunden zur Wiener Reichsbrücke Kärntner Boden eingraviert, sich tief aufmacht, um, wie die Wiener sagen, in einpflügt, den Boden so zu bereiten, dass mit Anna Baars Text die Donau zu gehen, dort angekommen auf den Feldern zwischen Apriach und „Die Sonnenuhren aber feststellen muss, dass sich an seiner Ettendorf Mandelbäume wachsen und vom Djemaa el Fna“ statt die Reichsbrücke in den Fluss Fächerpalmen und Bambus aus dem Jangt- gestürzt hat, während im letzten Satz des sekiang, und mitten unter uns aufersteht, DIE BRÜCKE VERLOST letzten Lieds auf André Hellers neuester, was es gewöhnlich nur sonst wo gibt, denn 3 signierte Exemplare aber hoffentlich nicht letzter Platte „Spä- der Soundtrack wird bald zum Film, zum tes Leuchten“ – „My river owns me as his Heimatfilm der anderen Art, zur Brücke, buch.tipp only fish that drowned“ – ein geglückter wenn Sie so wollen, in eine weitere Welt, André Heller: Zum Weinen Flussselbstmord anklingt, nämlich der oder, noch besser, zur Räuberleiter, um schön, zum Lachen bitter Zsolnay, Feber 2020 einsame Ertrinkungstod der Schriftstelle- über die Karawanken zu spähen, dort den 240 Seiten | 23,70 Euro rin Virginia Woolf, die zeitlebens unter Süden zu sehen, oder zum handlichen ISBN 978-3-552-05978-8 dem Gefühl gelitten haben soll, lautlos Sprungbrett, sich hinauszukatapultieren unter Brückenbögen und Pfeilern hin- aus einer flusslosen Stadt, deren schöns- durchzutreiben, unbemerkt von aller Welt, te und älteste Brücke über einen Kanal bis es ihr, der geübten und, wie ich einmal führt, von Gert Jonke übrigens auch in hörte, hervorragenden Schwimmerin, end- einem seiner Gedichte bedacht, raus aus lich gelang, endgültig abzutauchen, zu der Eintönigkeit der von Verboten, Stumm- den Fischen zu gehen, schwere Steine in heit und Mundart umzingelten Sprache, den Manteltaschen, wie mancher im eins- hinein ins Universum der Damenimitato-

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 49 Virtuosinnen und Meister der Künste Aussagekräftige Ausstellungen, bewegende Inszenierungen, systematische Auseinandersetzungen: Eine Reise zu ausgewählten Stationen des Kärntner Ausstellungsjahres.

Martha Jungwirth: Meine Schwester und ich, 1986. Foto: Museum Liaunig | Pablo Picasso: Portrait einer jungen Frau nach Cranach dem Jüngeren, 1958. Foto: Succession Picasso / Bildrecht, Wien 2020 | Fürstabt Martin II. Gerbert von Hornau mit Pagen, um 1770. Foto: Gerfried Sitar

Martha Jungwirth im Museum Liaunig. französischen Legende beziehen darf. bedeutenden deutschen Abtei St. Blasien Der Kulturjournalist Erwin Hirtenfelder Nach den großen Erfolgen der letzten im Schwarzwald, gilt er als Lichtgestalt bezeichnete das Museum Liaunig einmal Jahre (Dürer, Goya, Joan Miró, Henri des 18. Jahrhunderts. Er war nicht nur als „die wahrscheinlich längste Museums­ Matisse und William Turner) ist es der Theologe, sondern Historiker, Musiker, praline der Welt“. Zu Recht. Die von Kulturinitiative Gmünd heuer gelungen, Diplomat und führte mit viel Geschick Dieter Bogner kuratierte Hauptausstellung Picasso mit Lithografien, Aquatinta-Radie- ein souveränes Fürstentum“, weiß Direk- o. T. (26. April – 31. Oktober) zeigt heu- rungen und farbigen Linolschnitten aus tor Gerfried Sitar. Heute wird in Kärnten er Geometrien, Systeme und Konzepte aus insgesamt vier Schaffensjahrzehnten zu der gewaltige Nachlass verwaltet. Vieles Österreich von 1950 bis 2020. In den präsentieren. Picasso selbst soll über sich bislang noch Ungezeigte skizziert das unterirdisch gelegenen Präsentationsräu- und seinen Stil einst gesagt haben: „Im Leben eines Mannes, der hineingestellt men werden seltene Portraitminiaturen, Grunde genommen bin ich vielleicht ein war zwischen den barocken Prunk und kostbare europäische Silber-Exponate und Maler ohne Stil [...]. Stil, das ist oft etwas, dessen Lebensfreude und das Wanken die afrikanische Schau „Das Gold der was den Maler in ein und derselben Europas am Ende dieser Epoche. www. Akan“ mit rund 600 Schmuck- und Kult- Sichtweise gefangen hält, in einer Tech- stift-stpaul.at objekten der Ashanti, Baule und Fante nik, einer Formel; über viele Jahre, manch- gezeigt. Den seit 2016 in der Sonderaus- mal ein ganzes Leben lang. Du siehst mich Drei Galerien, drei Sprachen der Kultur. stellungsreihe „Alte Freunde“ vorgestell- hier, und dennoch habe ich mich bereits Er war über ein halbes Jahrhundert (1960- ten Künstler*innen ist Herbert Liaunig verändert, ich bin bereits woanders. Ich 2011) hinweg nicht nur eine der schil- seit Beginn seiner Sammlungstätigkeit bin niemals in Ruhe, deswegen habe ich lerndsten, sondern auch meist fehleinge- zugetan. Die Serie wird mit wechselnden keinen Stil.“ Die Eröffnung findet am 8. schätzten Persönlichkeiten des öffentlichen Personalen von Martha Jungwirth (26. Mai um 19 Uhr statt, die Ausstellung läuft Lebens: Gunter Sachs. Die große Som- April – 26. Juli) und Alfred Klinkan (2. anschließend bis zum 27. September merausstellung der Stadtgalerie Klagen- August – 31. Oktober) fortgesetzt, die den (tägl. 10-13 und 14-18 Uhr). Das gesamte furt zeigt von 15. Mai – 13. September Rahmen für die Konzerte der diesjährigen diesjährige Ausstellungsprogramm der den Künstler in all seinen Facetten, mit Kammermusik-Reihe „sonusiade“ bilden. Künstlerstadt Gmünd wird zudem von dem Schwerpunkt auf seiner Fotografie- Bei schönem Wetter lädt der weitläufige fünfundzwanzig bemerkenswerten, jun- sammlung. Die Ausstellung gliedert sich Skulpturenpark zu einem Spaziergang gen Künstler*innen wie Larissa Leverenz in die Bereiche Porträt-, Architektur-, ein. www.museumliaunig.at oder Moussa Kone komplementiert. www. Akt- und Landschaftsfotografie sowie Expe- kuenstlerstadt-gmuend.at rimental- und Konzeptfotografie. www. Picasso meets Gmünd. Für ausgedehnte stadtgalerie.net Spaziergänge bietet sich die Künstler- Lichtgestalt und Schattenwelt. Das Stift Die Farbwelten des Johann Julian stadt Gmünd ganzjährig an. Länger St. Paul und Schatzhaus Kärnten widmet Taupe erfüllen die Galerie Freihausgas- verweilen sollte man wiederum in der sich vom 1. Mai – 26. Oktober dem se in Villach noch bis 25. April, bevor Stadtturmgalerie, deren Ausstellungsräu- 300-Jahr-Jubiläum des Fürsten Martin II. am 7. Mai das 20-Jahr-Jubiläum der me für die Sommermonate die Kunst einer Gerbert (1720-1793). „Als Fürstabt der Kunstklassen des CHS Villach Einzug

50 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Andy Warhol: Gunter Sachs, 1972. Foto: Artists Rights Society (ARS) New York | Thomas Baumann: Lichter dreht den Raum / A Light Carpet Roller, 2005. Foto: Kunstsammlung des Landes Kärnten/MMKK

hält. Kunsthistorikerin Clara Kaufmann Winkler, Maja Haderlap, Valentin Oman, auch Eingang in die Sammlung des MMKK empfindet Taupe als einen Kunst-Schöp- Manfred Bockelmann, Maria Lassnig und gefunden haben“, differenziert Direktorin fenden: „Er schöpft aus dem unendlichen Wolfgang Puschnig außer der südöster- Christine Wetzlinger-Grundnig. Aus die- Reservoir seines unbewussten Inneren reichischen Herkunft zudem gemeinsam? sem Fundus kann das Museum schöpfen und überträgt dieses mittels Pinsel und Alle sind sie im Besitz des Ehrendoktorats und hat für die Ausstellung Werke von Farbe ins Außen.“ www.villach.at der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. namhaften Künstler*innen versammelt. Die jungen Kunstschaffenden Anatoliy Und da diese heuer ihr 50-Jahr-Bestands- Ausstellungsdauer: 14. Mai – 30. August. Babiychuk, Lisa Großkopf, Alexander Hin- jubiläum feiert, wird jenen künstlerischen www.mmkk.at terlassnig und Val Wecerka sind einem Doctores honoris causa vom 29. April – Open Call des Hauses Grünspan gefolgt 15. November eine Ausstellung gewidmet. Außenstellen des Landesmuseums. und haben ihren künstlerischen Schaffen- „Arteficia“ versammelt sie erstmals an Nebst all diesen spezifischen Schwerpunk- sprozess den gegenwärtigen Herausforde- einem Ort mit Artefakten, Tönen, Erzäh- ten laden ab 1. Mai – 26. Oktober die rungen unserer Zeit aus einer kultur- wie lungen und Kommentaren. www.aau.at/ Außenstellen des Landesmuseums Kärn- gesellschaftskritischen Perspektive gewid- kunst ten zum Besuch ein: Das Freilichtmuse- met. Die von Peter Sloterdijk inspiriert um Maria Saal mit seinem Fundus an „Hinter uns die Sintflut – Und dann? Abstrakt. Geometrie und Konzept. Im bäuerlichen Haus- und Hofformen aus den Was ist das – Zuhause?“ titelnde Aus- Rahmen der Reihe „fokus sammlung“ verschiedensten Landesteilen Kärntens stellung geht der Frage nach, ob im Rausch öffnet sich das Museum Moderner Kunst und das Botanikzentrum bestehend aus des sich selbst um die eigene Achse Dre- Kärnten am 13. Mai (19 Uhr) dem umfas- Botanischem Garten, Kärntner Landesher- hens (rasender Stillstand im Gegenwärti- senden und heterogenen Bereich des Abs- bar und einer Fachbibliothek. Auf den gen) der Verbund zwischen den Generati- trakten. „Die ungegenständliche Kunst, Spuren der Bewohner von Teurnia, der onen als Bezugnahme zu Vergangenem die bedeutende Innovation des 20. Jahr- römischen Provinzhauptstadt des 5. und (den Vorfahren) und zur Projektion in die hunderts, lässt sich in zwei Möglichkeits- 6. Jahrhunderts, wandelt man im gleich- Zukunft (in Richtung der Nachfahren) formen unterscheiden, die geometrisch- namigen Museum in Spittal an der Drau einem unverbundenen Monaden-Dasein konstruktive und die lyrisch-gestische und am archäologischen Park Magdalens- geopfert wurde? Zu sehen von 31. Mai – Variante. Obzwar es in der österreichischen berg wartet eine der größten römerzeitli- 25. Juli (Fr-So von 16-19 Uhr) in Mühlbo- Kunst im Bereich der Geometrischen chen Ausgrabungsstätten des Ostalpen- den/Feffernitz. www.gruenspan.org Abstraktion im vergangenen Jahrhundert raumes sowie das Amphitheater Virunum. Im Rahmen der Reihe „Kunst am roten keine stringente, durchschlagkräftige Für einen südlichen Ausstellungsreigen, Teppich“ werden abseits der Galerien im Bewegung gab und die österreichischen der seinesgleichen sucht. SPÖ-Landtagsclub in Klagenfurt noch bis Künstler*innen nicht an der Entwicklungs- www.landesmuseum.ktn.gv.at Juni Werke von Eric Kressnig gezeigt. spitze des Genres zu finden waren, tauchen ● Sabine Ertl punktuell immer wieder hervorragende Die Autorin arbeitet als freie Journalistin und Texterin in Kärnten und über dessen Grenzen hinaus. Arteficia. Was haben Michael Guttenbrun- Einzelleistungen im Kunst- und Ausstel- ner, Peter Turrini, Peter Handke, Josef lungsbetrieb auf, von denen so manche

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 51 Wider das Ressentiment Über Brutalismus und über Engagement für die Sache.

Adolf Buchers Klagenfurter Haus der Begegnung. Foto: Gerhard Maurer | THEATER wolkenflug: FLUID IDENTITIES Kärnten/Koroška. Foto: Philip Kandler

Ein Gespenst geht um im globalen Raum te des „Genug“ an purer Technik und eine Verflüssigung der verhärteten ideo- – das Gespenst des Brutalismus. Die Funktion, was aus ihnen spricht. logischen und politischen Muster“, erläu- meisten schrecken sich davor. (Weil sie tern die Theatermacher*innen. es beim Wort nehmen?) Andere, die es Fluide Identitäten. Und so liegt für Lukas Auch Vejniks Bestandsaufnahme exem- besser wissen sollten, sind verlegen, geben Vejnik ein „Hauch von Le Corbusier“ über plarischer Kärntner Bauten der Jahre 1945 sich indes wissend, gar vertraut mit der Adolf Buchers Klagenfurter „Haus der bis 1979 widmet sich nicht dem Beton roh-robusten Anmutung jener Bauten. Begegnung“ – gewiss ist es der Hauch des allein. So unterschiedlich ihre Typologien, Schließlich verschwinden sie sowieso. späten Corbu. Wo ab 1969 jährlich die so verschieden die Formen im „Land der Einige wenige wiederum begehen Don- „Woche der Begegnung“ stattfand – Tanz, Moderne“, sind die Projekte doch im inter- quichotterien angesichts der Rasanz, mit Theater, Musik –, dann das erste Bach- nationalen Diskurs ihrer Zeit verwurzelt. der wir uns der Spätmoderne entledigen. mann-Preis-Wettlesen, verströmen Patina Zwölf exemplarische Bauten porträtiert Sie schreien: „SOS!“ – und vergolden Beton und Schwere eine paradoxe Frische. Den das gleichnamige Buch, begleitet von in Ausstellungen zu Hochkulturellem. Hof des klassizistischen Kleinmayerschen stimmungsvollen Fotografien Gerhard Bleich, wie eine klapprige Hülle erschien Palais schließend, wirken die Ausstel- Maurers, gestützt auf das prägnante, Reyner Banham 1955 der „International lungsräume aus den 1970er-Jahren mit erstmals digitalisierte Archivmaterial Style“. Mit seinem Essay „The New Bru- ihrer plastischen Attika und dem Stadt- Hans-Jörg Abujas – die Fotografien des talism“ erhob er den Brutalismus von einer garten darüber wie eine archäologische 2002 verstorbenen Zeitgenossen der doku- Marotte zum Label wahren neuen Bauens. Ausgrabung aus einer mutigeren Zeit, da mentierten Projekte hat das Landesmuse- Doch weder hatten seine Gewährsleute gesamtgesellschaftlicher Aufbruch und um Kärnten zur Verfügung gestellt. – das britische Architektenehepaar Alison soziale Gerechtigkeit wichtiger waren als Sie zeigen eine Architektur, vertraut und Peter Smithson, neben dem er nur Effizienz, Nachhaltigkeit etc. – allesamt und fern zugleich. Und so stellen Ausstel- Louis Kahn gelten ließ – in béton brut gängige Parolen aus den Parteizentralen lung und Publikation wohl eher einen gebaut, noch ging es ihm um ein bevor- sauber verglaster Konzernhochhäuser. Höhepunkt als den Endpunkt in Lukas zugtes Material. Der einflussreiche briti- Gefallen sollte der Brutalismus nie. Vejniks Auseinandersetzung mit der sche Architekturtheoretiker lancierte Widerständig sollte er sein. Dem jungen, Architektur dieser Jahrzehnte dar. Schon hingegen einen Appell zu mehr architek- kritischen Architekturforscher Vejnik ist Banham meinte: Aufbruch zur Gegenwart tonischer „Lesbarkeit“. Freilich wäre sie daher eine Punktlandung gelungen, wenn gelingt nur durch Auseinandersetzung in einem metaphorischen, ja ethischen er gerade hier die Erkenntnisse seines mit der Vergangenheit. Aber ist die Sinn zu verstehen: Die nackte Konstruk- Kärntner Architekturstipendiums und Moderne vergangen? Bauwerke jedenfalls tionsform, Baumaterialien „as found“ und des gemeinsam mit Simone Egger durch- haben den Vorzug, stets gegenwärtig zu das „topologische“ Raumverständnis des geführten Lehrforschungsprojekts am sein – wo wir dies zulassen. Wo wir uns von ihm gepriesenen Schulbaus der Smith- Institut für Kulturanalyse in einer Aus- dafür einsetzen. sons in Hunstanton sollten die erschlaffte stellung präsentiert. „Durchlüften“ nennt ● Albert Kirchengast Forderung der Moderne nach Humanität er das, wenn er mit wenigen Handgriffen * 1980, Architekturtheoretiker, arbeitet am Kunsthistori- schen Institut in Florenz, ist Gastdozent an der Fach- durch Gestaltung wiedererwecken. den ursprünglichen Großraum wieder- hochschule Kärnten und Gastprofessor an der TU Wien. Was dann als bauliche Masse in schal- herstellt, den das THEATER wolkenflug reinem Beton, grob, wahlweise fein zise- mit der mehrsprachigen, von Dominik THEATER wolkenflug: liert, mit Tropenholz versehen und weit Srienc zusammengestellten Theatercol- FLUID IDENTITIES Kärnten/Koroška in die Landschaft ausgreifend in den lage „FLUID IDENTITIES Kärnten/ Alpen-Adria-Galerie im Stadthaus Klagenfurt 1960er- und 1970er-Jahren in Europa und Koroška“ beleben wird. „Die Textcollage 29. April (Premiere: 20 Uhr) – 14. Mai der ganzen Welt aus dem Boden wuchs, eröffnet – in sehr unterschiedlichen For- www.wolkenflug.at mag diesem Anspruch nicht immer nach- men – neue Perspektiven auf Kärnten Ausstellung: Land der Moderne. gekommen sein. Nichtsdestotrotz haftet und versucht, sich aus den Zwängen und Architektur in Kärnten 1945-1979. ihrer Expressivität heute eine unbestimm- Bahnungen der Vergangenheit zu befrei- Alpen-Adria-Galerie im Stadthaus Klagenfurt te Sehnsucht an – nicht nur angesichts en. Fluider Sprachgebrauch heißt dann 21. April (Vernissage: 19 Uhr) – 12. Juni www.architektur-kaernten.at von Verlust und Vergestaltung. Es ist ein nicht mehr nur ein Gleiten und Driften Versprechen der Emanzipation, eine Ges- zwischen den Sprachen, sondern auch

52 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Lena Freimüller. Foto: Joanna Pianka

Generationenwechsel in der Galerie3 Eine Übergabe von Frau zu Frau.

Renate Freimüller – der Name war in den Neues, an dem auch Verrücktheit und Projekt „Solange“ für das Klagenfurt Fes- letzten 24 Jahren Synonym für die zent- Andersheit Platz haben“, schreibt die tival [siehe BRÜCKEnseiten 54-55]. Dafür ralste Galerie Klagenfurts am Alten Platz, Kulturarbeiterin und Galeristin in ihrem hat Lena Freimüller die Künstlerin Katha- für die Galerie3. 1996 eröffnete sie diese Artikel „Champagnertherapie für alle“ über rina Cibulka eingeladen, die mit bestick- mit einer Ausstellung von Kurt „Kappa“ Inklusion in der Kunst- und Kulturarbeit. ten, pinken Schutznetzen auf Baustellen Kocherscheidt, dem viele weitere berühm- Ihre Neugier lässt sie „dazwischen“ sein, offensichtlich die männliche Domäne des te Namen folgten. sowohl in hochintellektuellen wissen- Bauwesens umhüllt. Renate Freimüller hat aber auch den schaftlichen Diskursen als auch im Einfa- renommierten Bank Austria Kunstpreis chen, wo „ein Bild einfach nur ein Bild sein Vielerorts. Ganz ihrem Naturell entspre- in Kärnten für junge Künstler*innen ins darf“. Kunst niederschwellig in die Öffent- chend, hält es Lena Freimüller nicht an Leben gerufen oder die Idee zum „Apero“, lichkeit zu bringen wie auch die Zusam- einem Ort: Neben reger Messetätigkeit, dem alljährlichen Frühlingserwachen in menarbeit mit möglichst vielen, diversen wo sie Kärntner Künstler*innen nach den Klagenfurter Galerien, geboren. Die Einrichtungen sind ihr ebenso ein Anlie- außen trägt, ist ihr die Verbindung zu Schwellenangst zur Kunst zu nehmen war gen, wie es das auch ihrer Mutter war. So Wien ebenso wichtig, um auch Neuigkei- ihr ebenso wichtig, wie etwas gemeinsam wird etwa im sozioökonomischen Lokal ten nach Kärnten zu bringen. Und schließ- mit anderen Galerien zu tun. der Caritas „magdas“ von Lena Freimüllers lich unterhält sie seit letztem Jahr eine 2014 in Wien gegründetem Label Flux23 sehenswerte Außenstelle auf der Haupt- Nun die Tochter. Seit heuer ist Tochter Kunst mit sozialkritischen Bezügen kre- straße im Ortseingang Velden. Lena die Chefin des Betriebes. Auch wenn denzt. Mit dem seit 2016 stattfindenden ● Tina Perisutti die Übernahme der Galerie in die Wiege kollaborativen Projekt INS FREIE | NA Kulturarbeiterin und Kulturjournalistin. gelegt scheinen mag, ging Lena Freimül- PROSTO | ALL’ APERTO vereinigt sie bei- ler einen vollkommen eigenständigen de Komponenten: Kunst wird mit wech- kultur.tipps Weg, studierte klinische Psychologie und selnden Projektpartner*innen in vielfäl- Kulturwissenschaften in Wien und New tigster Form in die Öffentlichkeit gebracht. Gruppenausstellung: Ei, ei York sowie Friedens- und Konfliktfor- Galerie3, Velden 10. April (Vernissage: 19 Uhr) – 20. Juni schung in Spanien, promovierte am Ins- -ma ist für die feministisch denkende und Eierpecken am Ostersonntag, 15-18 Uhr titut für Interventionsforschung und Nach- agierende Neo-Galeristin die kreative Form haltigkeit an der Alpen-Adria-Universität der gendergerechten Sprache. Es hat sei- Margot Pilz & Violetta Ehnsperg: Attraction! Galerie3, Klagenfurt Klagenfurt, entwickelte ein Antistigma- nen Ursprung im Kärntnerischen, wobei 8. Mai (Vernissage: 19 Uhr) – 6. Juni Konzept in Theorie und Praxis an der es auch hier einen Schnittpunkt zum Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Gemeinsamen gibt, ohne auf ein spezifi- SOLANGE / AS LONG AS arbeitete in Flüchtlingsprojekten. Vielfäl- sches Geschlecht hinzuweisen: tuama. Kulturintervention im öffentlichen Raum am Stadtpfarrturm Klagenfurt, im Rahmen des tig, international, urban, interkulturell ist Die patriarchale Präsenz im Kunst- und Klagenfurt Festival, ab 22. Mai, 18 Uhr sie – und neugierig. Kulturbereich, wo Männer kreativ sind und Frauen organisieren (dürfen), durch- INS FREIE Picknick Dazwischen voll da. „In der Kunst, so die bricht sie einerseits mit dem selbstver- mit der Künstlerin Katharina Cibulka 23. Mai, 12 Uhr Utopie, sind so manche gesellschaftlichen ständlichen Ausstellen von Künstlerinnen, Neuer Platz, Klagenfurt Tradierungen hinfällig, es ist ein Ort für aber auch mit dem heurigen INS FREIE-

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 53 Festival-Fieber vor Ausbruch Bernd Liepold-Mosser ist Initiator und Intendant des neuen „Klagenfurt Festival“, das der neue kulturelle Leuchtturm der Stadt sein soll.

Am 22. Mai beginnt in Klagenfurt eine gen Partner waren von Anfang an sehr an Urbanität, also Neugierde an Neuem, neue Zeitrechnung. Sie wird im Burghof von der Idee angetan – auch wenn es dann Weltoffenheit, Experimentierfreudigkeit, vom 1. Wiener Heimorgelorchester ein­ mehr als eineinhalb Jahre gedauert hat, Lust an der Vielfalt, durchaus vertragen. ­­geläutet, von Politiker*innen eröffnet und bis es tatsächlich umgesetzt werden konn- In diesem Sinn soll das Festival ein viel- mit einer Festrede (Katja Gasser, Litera- te. Ich glaube, dass es kulturpolitisch ein fältiges und breites Angebot liefern. Das turressort-Leiterin des ORF und Trägerin wichtiges Zeichen in Kärnten ist.“ Spektrum ist bewusst breit gewählt, von des Staatspreises für Literaturkritik) Theater über Tanz und Performance bis begrüßt. Was diese neue Zeit bringen kann, Als Regisseur ist Liepold-Mosser über zur Musik und Kunst. Das Festival soll sieht man jedoch erst nach Sonnenunter- Österreichs Landesgrenzen hinaus den Menschen insgesamt eine Freude gang, wenn in der STW-Busremise ein gefragt und wurde 2011 für seine Kla- machen, sich mit neuen Dingen ausein- Eröffnungsspektakel anhebt, das zumin- genfurter Inszenierung von „Amerika“ anderzusetzen.“ dest die halbe Nacht dauern soll. Ab dann nach Franz Kafka zur Musik von Naked soll die Kärntner Landeshauptstadt nicht Lunch mit dem erstmals vergebenen Das „Klagenfurt Festival“ ist also vor mehr bloß mit den Tagen der deutschspra- Nestroy-Preis für die beste Bundesländer- allem ein zeitgenössisches Festival. chigen Literatur auf der überregionalen Aufführung ausgezeichnet. Er kann also Obwohl Liepold-Mosser zwar mit seiner Kulturlandkarte verankert sein. Viele Din- auf einige Erfahrung zurückgreifen. eigenen Wiener Inszenierung der „Arbei- ge werden passieren, die sonst einen Bogen „Natürlich unterscheidet sich die Aufgabe tersaga“ im Programm vertreten ist, ist um die Lindwurm-Stadt machen. Dabei eines Intendanten von der des Regisseurs. das Theater vergleichsweise unterreprä- sollen Jung und Alt, Hoch- und Popkultur- Aber gleichzeitig kann man auch als Inten- sentiert. Einerseits gebe es ohnedies ein fans gleichermaßen auf ihre Rechnung dant ein Festival mit seiner künstlerischen herzeigbares Theaterangebot in der kommen und Lust auf Entdeckungen Handschrift prägen. Letztendlich verstehe Stadt, „andererseits sind Theaterprojekte bekommen. Das neue „Klagenfurt Festival“ ich mich als politischer Theatermacher mit gleich viel aufwendiger und verschlingen soll so vieles leisten, dass man sich fragt, starker Affinität zur Pop-Kultur – und ich mehr Geld. Mittelfristig möchte ich aber warum es nicht schon längst erfunden glaube, das spiegelt sich auch im Festival mit Kooperationen auch mehr Theaterpro- wurde. wider. In meinen mehr als zwanzig Jahren jekte zeigen können.“ auf dem Theater habe ich nicht nur regel- Ohne Bernd Liepold-Mosser würde es mäßig an größeren Häusern inszeniert, ich Die ersten Schwerpunkte liegen jedoch das „Klagenfurt Festival“ nicht geben. kenne auch die freie Szene sehr gut und woanders: „Bei der Popkultur gibt es ein „Mir schwebt so etwas schon lange vor. habe große Erfahrung in der produktiven riesiges Desiderat. Ähnliches gilt für den Als ich 2018 darüber mit Bürgermeisterin Umsetzung. All das konnte ich, mit meinem Bereich Tanz und Performance, der vom Maria-Luise Mathiaschitz ein Gespräch über die Jahre gewachsenen Netzwerk, für Stadttheater ja nicht abgedeckt wird.“ hatte, ist die Sache ins Rollen gekommen“, die Festival-Programmierung einsetzen“, sagt der 52-jährige Autor und Regisseur. sagt Liepold-Mosser, dem es mit diesem Die Genres lustvoll zu durchmischen ist Der gebürtige Kärntner war Begründer Netzwerk gelungen ist, auch einige Promi- das Ziel der „Theaterdisco“, die der Kla- und Leiter des Peter-Handke-Archivs in nenz an Land zu ziehen. „Wo immer ich genfurter Künstler, Regisseur und Büh- seinem Geburtsort Griffen und lebt heute war und wen immer ich gefragt habe, nenbildner Gerhard Fresacher am Eröff- mit seiner Familie in Klagenfurt und Wien. immer war die Resonanz auf unser Festival nungsabend in der kulturell selten „Das Festival war mein Angebot an die extrem positiv. Insofern war es überhaupt genutzten Busremise veranstaltet. Liepold- Stadt. Da ich seit vielen Jahren mehr als nicht schwer, die ‚großen Namen‘ wie Mosser verspricht „ein echtes Spektakel die Hälfte des Jahres außerhalb von Kärn- Klaus Maria Brandauer, Sophie Rois, an einer tollen Location mit Industrial- ten inszeniere und arbeite, wollte ich Philipp Hochmair, Voodoo Jürgens, Charme“ und einen „immersiven Mara- diese Erfahrungen und auch das damit Clara Luzia etc. nach Klagenfurt zu bekom- thon“ mit vielen Beteiligten, der nahtlos einhergehende Know-how in Klagenfurt men. Im Gegenteil: Alle waren von der in eine Party übergehen soll. So einge- einbringen. Es würde mich freuen, wenn Sache sofort begeistert.“ stimmt, sollte das Publikum bereit sein es mir gelingen würde, ein bisschen von für Konzerte von „The Balkan Experience dem, was mir wichtig ist und wofür ich Begeisterung auch beim Publikum zu of Song and Ritual“, der Musicbanda brenne, hier vermitteln zu können.“ Auf wecken, ist das erklärte Ziel des Festivals: Franui oder von Österreichs Shootingstar die zuständigen Politiker*innen ist sein „Klagenfurt ist eine lebenswerte und Mira Lu Kovacs, für Gastspiele der Polit- Feuer bereits übergesprungen. „Alle nöti- schöne Stadt, aber wir können Impulse Avantgarde-Bühne Mladinsko Gledališče

54 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Foto: Donata Wenders / Suhrkamp Verlag Suhrkamp / Wenders Donata Foto: literatur.tipp Peter Handke: Das zweite Schwert Bernd Liepold-Mosser, politischer Theatermacher mit starker Affinität zur Pop-Kultur. Foto: Foto Horst Nach dem großen Welt- und Gesellschaftsepos Die Obstdiebin hat Peter Handke eine kleine Geschichte geschrieben. Sie handelt von der Ljubljana oder des Landestheater Salz- Volkskultur verschoben, kritische Stim- archaisch anmutenden Rache des Erzählers an burg und für Auftritte der slowenischen men und Ansätze nicht gerade gefördert. einer Journalistin, welche seine „heilige Mutter“ Tänzer*innentruppe En-Knap oder der Auf dem Weg zu einer zukunftsorientier- in einem Zeitungsartikel als Nationalsozialistin Klagenfurter Tanzcompany Hungry ten, modernen Stadt sind Kunst und denunziert und ihr somit Unrecht zugefügt hat. Sharks. Auch bei den Akteur*innen setzt Kultur ein entscheidender Faktor. Insofern Handkes Feindschaft richtet sich dabei weniger das Programm auf Durchmischung: „Mir sehe ich das Festival auch als Leuchtturm, gegen die Person als gegen eine Art der „wie war von Anfang an wichtig, neben den von dem Impulse ausgehen. Es soll neue naturrechtlich ausgeübten“, moralisierenden namhaften überregionalen und internati- Erfahrungen und Impulse bringen und und poetisch „unwahren“ Sprache, die er nicht onalen Acts die lokale Kunst- und Kultur- das Bewusstsein für die Notwendigkeit erst seit der Nobelpreisrede bekämpft. szene in das Festival miteinzubeziehen.“ von Kunst und Kultur schärfen. Ich möch- Das zweite Schwert wäre aber keine handke- sche Erzählung, wenn nicht zahlreiche Anspie- te das Klagenfurt Festival als eines mit lungen auf die Literatur von Homer über Sime- Viel Programm wird als Open Air oder zeitgenössischem Anspruch etablieren. non bis zu John Lennon weitere Fährten legen an ungewöhnlichen Schauplätzen ange- Wir werden im ersten Jahr sehen, bei und ganz andere Geschichten, Begebenheiten boten, ein Nachmittag ist gar einem welchen Positionen das Publikum mitgeht, und Bedeutungen erzählen würden; wenn nicht Parcours zur performativen Vermessung und diese Erfahrungen für die Program- das, was diese poetisch wahre Sprache aus- der Stadt gewidmet. „Damit beleben wir mierung des zweiten Jahres nutzen.“ macht, mitverhandelt würde. die Innenstadt und tragen dazu bei, dass Zwar bricht der Erzähler schön gekleidet zur diese als Lebens- und Aktionsraum wahr- Der Erfolg der neuen Festivals werde Mordtat auf, verläuft sich aber dann auf seinem genommen wird. In diesem Sinn ist ein sich nicht an Zuschauer*innen-Zahlen Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zwi- Ziel des Festivals auch, die Attraktivität messen lassen, sondern an der Annah- schen den Pariser Vororten und Hügelwäldern des urbanen Raums Klagenfurt zu beför- me durch die Bevölkerung und die Art, der Île-de-France und feiert zuletzt mit Wild- dern, mit seiner spezifischen Baukultur wie sehr sich in dieser Zeit die Stimmung fremden in einer „Endstationgaststätte“ ein und den Innenhöfen“, erklärt Liepold- in der Stadt verändere: „Ich würde mich improvisiertes Fest. Mosser, der mit einem Budget von rund sehr freuen, wenn in Klagenfurt so etwas Man hat den Eindruck, er habe vor lauter 400.000 Euro kalkuliert. Je 100.000 Euro wie ein Festival-Fieber ausbrechen würde. Umwegen sein Vorhaben vergessen. Aber seine kommen dabei von Stadt, Land und Tou- Und in der Tat geht die Resonanz ganz in Rache ist eben keine blutige Tat, sondern das rismusverband, dazu kommen eine Sub- diese Richtung: Von vielen Seiten schon Erzählen dieser Wege. Es ist etwas völlig ande- vention des Bundes, Kooperationen wie habe ich gehört, dass man sich in den zehn res als die Sprache der Journalistin, offen, Fra- mit dem Technologiepark Lakeside, dem Festivaltagen nichts anderes vornehmen gen stellend, auffordernd zum Mitdenken, -hören und -sehen. Die Journalistin wird darin Slowenischen Kulturverband SPZ und der sollte, dass man am liebsten alle Pro- unwichtig. Das „zweite Schwert“ – eine aus Galerie 3 sowie mehrere Sponsoren. grammpunkte sehen möchte. Und wenn dem Lukasevangelium entlehnte Metapher für „Wichtig ist mir, dass so viel Geld wie ich mir die Vorverkaufs-Zahlen anschaue, die Gewalt des poetischen Wortes – verschafft möglich direkt in die Kunst und Kultur dann kann ich nur sagen: Bitte kümmern Mutter wie Sohn in der Sprache Genugtuung fließt“, so der Intendant, der zunächst Sie sich bald um Ihre Tickets!“ und Gerechtigkeit. Erzählen kann eine durchaus einen Zwei-Jahres-Vertrag für das vorerst ● Wolfgang Huber-Lang mörderische Sache sein. für drei Jahre gesicherte „Klagenfurt * 1963, Dramaturg, Theater- und Literaturkritiker, Kultur- journalist, seit 2000 Leiter der Redaktion für Kultur/ ● Katharina Pektor Festival“ hat. Wissenschaft/Bildung der APA – Austria Presse Agentur. * 1973, Literaturwissenschaftlerin, Literaturkritikerin und Ausstellungskuratorin. Mitaufbau der Forschungsplattform Handkeonline an der ÖNB. Kuratorin der Dauerausstellung zu Eines ist klar: Das Festival sollte zwar Peter Handke in Stift Griffen. Zahlreiche Veröffentlichungen. Klagenfurt Festival einmalig werden, darf aber keine ein- 22. – 31. Mai Peter Handke: Das zweite Schwert malige Sache bleiben. „Es gibt in Klagen- Zehn Tage zeitgenössische heimische und Eine Maigeschichte. internationale Kunst aus den Sparten Theater, furt und Kärnten einen gewissen Aufhol- Suhrkamp, Feber 2020 Performance, Musik, Tanz, Literatur und bedarf, was das kulturelle Angebot und 160 Seiten | 20,60 Euro Pop-Kultur. Spielstätten: Stadtwerke Remise, ISBN 978-3-518-42940-2 die Produktionsbedingungen für zeitge- ORF-Theater, Neuer Platz, Burghof, Fernheizwerk, nössische Kunst und Kultur anbelangt. In Lakeside Park und Innenstadt. der Tat hat sich da die kunstfeindliche www.klagenfurtfestival.com DIE BRÜCKE VERLOST Politik der Haider-Ära schädlich ausge- 3 Exemplare Infos zur Verlosung siehe S. 58 wirkt, es wurden Strukturen zerschlagen, Mittel aus populistischen Gründen in die

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 55 Humbert Fink ... jetzt in den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts, wo eine neue apokalyptische Endzeit sich abzeichnet, der wir nichts als unseren Mut und unsere Intelligenz entgegenzusetzen haben. Foto: Gert EggenbergerFoto:

... eine Vergangenheit, die noch nicht ... In diesem Land unterlag allzuoft eine ● Humbert Fink bewältigt ist, obgleich zum Beispiel slowe- verstummende Mehrheit den machiavel- * 1933 in Vietri sul Mare in Süditalien, lebte viele Jahre in Villach, Wien und Klagenfurt, ab 1978 bis zu seinem Tod nischsprechende und deutschsprechende listischen Unternehmungen einer jeweils im Jahr 1992 in Maria Saal, wo am Urnenfriedhof seine Kärntner eine gemeinsame Geschichte von außen wirkenden Minorität, die aber Ruhestätte zu finden ist. (Inschrift: „La Speranza heißt die Hoffnung ... und ich entsinne mich nur zögernd des besitzen, über gemeinsame Traditionen alle Macht besaß und sich mit List, Gewalt, Lebens, das wie die Hoffnung nicht aufhören kann zu verfügen und in den vergangenen Jahr- Niedertracht und manchmal auch mit bestehen.“ Humbert Fink: Die Absage, Roman, 1960) Humbert Fink war Schriftsteller und Publizist (u. a. FAZ, hunderten stets dieselben Erfahrungen, frommem Zuspruch aller Schlüsselposi­ DIE ZEIT, DIE WELT, SZ Süddeutsche Zeitung), unter anderem Mitglied der Gruppe 47, Träger des Österreichi- Niederlagen und Erfolge erlebt haben. Es tionen bemächtigte. Man übersieht in schen Staatspreises für Literatur (1963), Initiator und ist gar keine Übertreibung, wenn man sagt, Österreich häufig, daß es im ganzen Namensgeber des Ingeborg-Bachmann-Preises (1977). Von 1967-1992 gestaltete er wöchentliche Sendereihen daß die Patrioten an beiden Ufern der Drau ­deutschen Sprach- und Kulturraum kaum im ORF und war ein bekannter Zeitungskommentator. sich immer einem Gefühl von Heroismus eine andere Region gibt, in der es so zahl- verpflichtet fühlten, wenn es um Grund- reiche Bauern- und Arbeiteraufstände sätzliches ging. gegeben hat wie hier; und daß niemals in Der Humbert-Fink-Preis 2020 geht an Anna Baar. Die biennal vergebene den Reihen der Empörer, die sich gegen Auszeichnung der Stadt Klagenfurt wird am ... slowenischsprechende und deutsch­ bürgerliche Lethargie und gegen aristo- 7. Juni (11 Uhr) im Robert-Musil-Literatur­ sprechende Kärntner, die heute einander kratischen Übermut genauso wie gegen museum an die in Klagenfurt lebende Literatin NACHLESE.PONOVNO BRANJE vergeben. [siehe auch BRÜCKEnseite 49] gelegentlich mit unversöhnlicher Bitterkeit staatliche Willkür auflehnten, nach der gegenüberstehen, woran nicht zuletzt auch sprachlichen Eigenart der Rebellen gefragt die Mächte und Personen mitschuldig wurde. sind, die ein Interesse daran haben, aus Gegensätzen und Mißverständnissen eine ... In einem Land wie Kärnten, das ­Dauerkrise zu konstruieren. be­sonders stark von den Aufregungen und Undurchsichtigkeiten der Geschichte ... immer und überall – nicht nur in Öster- geprägt wurde, erscheint es manchmal in reich – treten Fanatiker und Zyniker in der Tat unerläßlich, an diese eigentlich Erscheinung, wenn es darum geht, mit selbstverständliche Vermischung der fremdem Unglück ihr eigenes Geschäft ­Völker und Charaktere zu erinnern. Außer- zu betreiben. Und immer noch gibt es ... dem ist es eine traurige Erfahrung, daß jene hysterischen Schreihälse, die nicht die Mehrheit immer einen Sündenbock imstande sind, irgendetwas aus der Ver- sucht für die eigenen Niederlagen. gangenheit zu lernen, um Gegenwart und Zukunft besser begreifen zu können. Es Auszüge aus dem vergriffenen Buch existiert immer noch eine Minderheit von Humbert Fink: Denk ich an Österreich ... Zwerge, Zwitter, Zweitgenossen. Opportunisten, die nicht einsehen will, daß Verlag Molden – S. Seewald, München 1983, sie von der Geschichte eingeholt wird. Und S. 298 ff. „Nachdenkliche Beschreibung eines es gebärden sich nach wie vor einige Unver- Grenzlandes“. Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Ulrike Fink, Witwe und besserliche wie Schmierenkomödianten, literarische Nachlassverwalterin von deren Patriotismus bloß ein vorgetäuschter Humbert Fink. ist oder politisches Kalkül bedeutet.

56 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Barbara Das im Juli 2020 erscheinende Lyrik­ debüt besteht aus drei Kapiteln. Die folgenden drei Gedichte sind jeweilige Ausschnitte. Erstveröffentlichung.

Barbara Juch. Foto: Anna Spanlang

am tisch eine sportlerin how to get away denkt nach with dreams wenn ich mit den schwestern meiner mutter in der küche 1 zum wörthersee zum gardasee unserer oma, ihrer mutter, heute wo funktionskleidung von so zum traunsee zum genfersee als eine tochter von zwei töchtern, vielen menschen zwischen meiner schwester und gegen dunkles seelenwetter imma im goldenen cabriolet der einen tochter der tante (die getragen zu werden scheint große und die kleine karin) und denken immer alle, auch ich sei erst zu den bezahlten den anderen cousinen, enkelinnen traurig vorstellungen und neffinnen sitze dabei will ich doch nur rekorde müssen wir zurück sein dann ist (mit den händen am brechen herbst — VORLESE.PRVO BRANJE hollundersaftglas fest) 2 bis dahin sind wir angeschnallt. ist es immer sehr eng dann — ohne mein rennrad wäre ich nicht ist es immer sehr heiß dann — mal schnell auf der rückbank die zerlegten und mit geld wäre ich auch nicht rennräder dann sitzen zehn frauen an diesem besser angezogen die handtücher und gekonnt tisch. gepackten taschen nicht mehr, nicht wenige. 3 wenn die schweren gedanken vor uns nichts als dieser schlag wir reden über tonscherben, kommen von hitze gerichtsverfahren, muss ich erst eine runde radfahren in dem ich schon nicht mehr haarspitzen, bewegungsabläufe, gehen denken kann verwundbarkeit damit sie sich nur mehr um und seife. meinen körpa drehen und das kühle wasser das von deinem speedokörper niemand am tisch kann hier nicht 4 glitzert. singen, ich könnt’ mir einen sweater um und keine hat kein sportdress an. die schulter werfen ● Barbara Juch so wie tennisspieler es bereits am * 1988 in Klagenfurt, in Ferlach aufgewachsen, lebt als Autorin, Künstlerin und Theatermacherin morgen tun in Wien. Ihr Lyrikdebüt BARBARA erscheint 2020 und mit meinem cape durch die im Verlagshaus Berlin. wiener nächte fahren

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 57 58

DIEBRÜCKENr. 17|Brückengeneration 5 BUCH.TIPPS „Lesen Siegefälligst!“ und im E-Mail Ihren vollständigen Namen und Postadresse angeben. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Viel Glück! ausgeschlossen. ist Rechtsweg Der angeben. Postadresse und Namen vollständigen Ihren E-Mail im und Buchtitel und Autor den Betreff Als VERLOSUNG –SOFUNKTIONIERT’S: 3 Exemplare ISBN 978-3-99029-384-3 176 |7,95 Seiten Euro 2020 Edition Kunst|Wissenschaft|Gesellschaft, | Populismus Verlag, Wieser Zeitzeugen (Hg.): Drobesch Werner Groß, Peter Horst Prisching undArminThurnher. Andreas Peham,AntonPelinka,Manfred von BrigitteBailer-Galanda,LotharHöbelt, stehen. DaraufbeziehensichauchdieTexte Rechtspopulismus gedeiht,besserzuver- men undRahmenbedingungen,unterdenen verändern. AndererseitsumdieMechanis- politische Landschaftsoeinschneidendzu gelang, andieMachtzukommenund ergründen, wieesdemPopulistenHaider III“ reflektierendieseZeit.Einerseitsumzu und „ZernattoIII“sowie„HaiderII glieder derLandesregierungen„HaiderI“ zum Teilungewolltes„Versuchslabor“.Mit- scher Faktor,Kärntenwardafüreinfrühes, Der Rechtspopulismusistheuteeinpoliti- Zeitzeugen Populismus 3 Exemplare Villach 15. April,20 Uhr, Dinzlschloss 2. April, 19:30 Uhr, Klagenfurt Musil-Haus Lesungen 978-3-7084-0630-5 ISBN |21,90139 Seiten Euro Verlag Edition Heyn, Meerauge, 2020 Harald Schwinger: Das Melonenfeld satz stationiertwar. auf dereralsjungerSoldatimFriedensein­ ihr eineReise,ausgerechnetaufjeneInsel, ins Reinezubringen,unternimmtKetilmit das Böseschlummert.UmdieDingewieder zeugt, dassinder16-jährigenTochterMetti Margot scheintdepressivunddavonüber- bereitet ihmdieeigeneFamilie:Ehefrau wo sichdieArmutfestgebissenhat.Sorgen Delogierungen ineinemHochhauskomplex, Gerichtsvollzieher Ketilistzuständigfür Das Melonenfeld forderte DIEBRÜCKEVERLOST DIEBRÜCKEVERLOST Peter Handke bei der in Verleihung Klagenfurt seiner Ehrendoktorwürde

Es gewinnen die jeweils ersten E-Mail-Schreiber*innen: [email protected] Es die gewinnen jeweils E-Mail-Schreiber*innen: ersten

3 Exemplare 4 Hörsaal Klagenfurt, 22. April,17:30 Uhr, Universität Kärnten? auf Blick neuer –ein Kärnten/Koroška Ute Holfelder und Klaus Schönberger: Dispositiv Kärnten“ „Mythos Ringvorlesung 978-3-7084-0633-6 ISBN |19,90160 Seiten Euro 2020 März Heyn, Verlag Kulturwissenschaftzwischen und Theater. DasOder: andere Land. Eine Ko-Produktion Kärnten/Koroška Dispositiv stimmung. der ErinnerungandieKärntnerVolksab- Die TexteuntersuchendenUmgangmit Forschungsprojekts ... istTeildesmehrjährigenkunstbasierten Dispositiv Kärnten/Koroška 2 Exemplare 978-3-7086-1014-6 ISBN |29,90 2020 |256 Seiten Euro Hermagoras, Eine kulturgeschichtliche Zeitwanderung. Auf den Spuren Klagenfurts Drobesch: Werner Anna Woellik, Anna einem Stadtspaziergangfortzusetzen. macht, diegeschichtlicheSpurensuchemit Klagenfurt-Bezug, diegroßeLustdarauf Orte undinteressanterPersönlichkeitenmit nologie folgtdiePräsentationausgewählter geprägt war/ist.ImAnschlussandieChro- und verschiedenenkulturellenIdentitäten licher regionalerHerkunft,Mehrsprachigkeit stadt seitjehervonMenschenunterschied- bis heute,dassdieKärntnerLandeshaupt- über dieZeitspannevonca.4.000v.Chr. und zeigtineinemkompaktenÜberblick tur- undgesellschaftshistorischenStreifzug Werner Drobeschbegibtsichaufeinenkul- Kreuzungspunkt europäischerKulturen: Spurensuche DIEBRÜCKEVERLOST DIEBRÜCKEVERLOST Kulturabteilung des Landes Kärnten Landes des Kulturabteilung

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Pädagogin

3 Exemplare 978-3-9902-9379-9 21 |ISBN Euro Verlag,Wieser 2020 | 120 Seiten | Schneekugel Die Ramnek: Hugo ● überzeugender abgearbeitet. Topoi habensichandereschon vinziellen Umfeldes–andiesen Ich anderDumpfheitdespro­ oder dasLeidendespoetischen von KircheundMasturbation ins nächste:dasSpannungsfeld nek fälltdavoneinemDéjà-vu der manchmalallzuflach.Ram sucht, geratendemAutordieBil oder Winklerzuwechselnver matromans nachInnerhofer sche Traditiondes„neuen“Hei Wenn erallerdingsindieliterari Hugo RamneksHeimatroman. überzeugendsten Momentein Und dassindauchdieliterarisch je persönlicherlebteGeschichte. Geschichten überindividuellund Ichs vonBedeutungwaren. Heranwachsen desautorischen rungen jenerMenschen,dieim zumeist ErinnerungenanErinne nek poetischverdichtet,sind Die Erinnerungssplitter,dieRam nische Situationzuerkennen. deren spezifischehistorisch-eth als Bleiburg,seinUmlandund eingeschlossen sind;–unschwer Slowenenhügel, derEisenpass“ das „dasGrenzstädtchen,der gel isteinErinnerungs-Set,in werden kann.SeineSchneeku gefasst undexklusivverstanden einen Heimatbegriff,dereng Schneekugel stehtaberauchfür Kindheit undJugendflirren.Die ziativ Splittereinererinnerten magische Metapher,inderasso Ramnek istdieSchneekugel dieser Definitionverpflichtet.Für er RomaninErzählungenscheint Erinnerung. HugoRamneksneu Verlustes, alsDimensionder zu verorten.AlsKategoriedes sei amehesteninderKindheit Heimat, sohieltErnstBlochfest, Ein Heimatroman ReinhardKacianka PhiloCafétier im raj in Klagenfurt. in raj im PhiloCafétier seit 2009 Klagenfurt; Adria-Universität anKulturwissenschaftler der Alpen- * 1957, Kulturarbeiter, Übersetzer und und Übersetzer 1957, Kulturarbeiter, DIEBRÜCKEVERLOST ------3 Exemplare 978-3-518-2251319 |ISBN Euro 2020 |118 | Suhrkamp, Seiten von Peter Handke übertragen und Hrsg. 1982-2016 deutsch und |slowenisch Erste und Gedichte letzte Hafner: Fabjan ● ein Glückskindwar“. zeit, dader,derplötzlichstockt, vorausgegangen eineLebens- worts“ und:„solcherAngstwar Peter Handke„StatteinesVor- hafnerisch ernst[...]“,schreibt ernst –kindlichfabjan- Alpha bisOmegajugendlich herzlich-herzöffnend ernst,von jetzt anmich,dich,ist ckend zugleichsichwendend, da, ehertonlosspricht,sto- darin äußert,dasIch,welches sind ernst;derMensch,sich ein Lyrikspiel.DieseGedichte „Es gehtdakeinmalumirgend- ich, daßersagt,obja.Daßja.“ je. Daje.“–„Immernochwarte „Še vednočakam,dapove,ali ßenden Gedicht,vomVater. de, indemdenBandbeschlie- sich fragt,obesjegehörtwur- ein Gegenüberzufinden.Und Alleinsein anhebtundversucht, gegen dieKälteunddas sches IchgegendasErstarren, Lebens nach,indemeinlyri- Peter HandkedenBogeneines vorliegenden Auswahlzeichnet Betriebsamkeit sichlegt?Inder das BrausenundTosender Tod Gehörverschaffen,wennall können siesicherstnachdem Wollten wirsienichthörenoder drungen, aberdieGedichte? Seine Expertisensinddurchge- des DichtersFabjanHafner. möglich war,dieWahrnehmung geschehen istodersonicht zu Lebzeitennichtwirklich geschieht oderistmöglich,was Jetzt, binichversuchtzusagen, Vermächtnis Bibliothek Suhrkamp Gedichte undletzte Erste Fabjan Hafner KatharinaHerzmansky literarischer BRÜCKEnpfeiler.literarischer der Kulturabteilung, Mitarbeiterin DIEBRÜCKEVERLOST

● Alles imLot,sozusagen. und Lesergutaufgehobensind. in dervorallemdieLeserinnen wahrt. EineraffinierteSchwebe, Autor souverändieBalance und abstürzen–währendder ins Strauchelngeraten,stolpern akt, indemdieFigurenständig höchst anspruchsvollerTrapez- Mix gelingtAuereinliterarisch diesem mystischanmutenden ritte inphantastischeGefilde.In Roman gonisten prägendenneuen Familiengeschichte desProta- und Stilen.Rückblickeindie Erzählsträngen, Perspektiven mit verschiedenenZeitebenen, einen einzigen–undjongliert Autor PaulAuermachtdaraus Der inWienlebendeKärntner ... GenugStofffürfünfRomane? re einKindalsOpferdarbringt chen AufschwungallezehnJah- im Austauschfürwirtschaftli- Legende einesBergdorfes,das Darüber schwebtdiealte Flüchtlingstransporten kreist. rätselhafte Fotoaufnahmenvon Spur zuseinscheint,derum auch einemSkandalaufder muss, sonderndessenClique inneren Dämonherumschlagen nur (buchstäblich)mitseinem Student inWien,dersichnicht ansieht. Einkrisengebeutelter seine GefolgschaftalsVerfolger seines Namensabwendetund Schauder vonderStilisierung finden. EinJesus,dersichmit gerlichen FamilieseinGlückzu sehnt, umendlichineinerbür- dessen denFriedenherbei- Kampf leidist,undsichstatt- Ein Luzifer,derHaderund Ritt durchdieEbenen 3 Exemplare 978-3-902711-88-5 |ISBN Euro 23,60 | 2020 |240 Seiten Verlag, Septime Fallen Auer: Paul Klagenfurt 28. April,19 Uhr, Musil-Haus & Kröll Paulmit Auer Norbert Lesung & Gespräch AndreasPeterjan * tisch und wissenschaftlich tätig. 1988, lebt in Feldkirchen, ist journalis ist Feldkirchen, in 1988, lebt DIEBRÜCKEVERLOST Fallen ebenso,wieAus- - ● ständlich undgroßartigist. che, dieebenfallsselbstver- lässt unddiesmiteinerSpra- Gedanken inseineHeftefließen der soselbstverständlichseine bald achtzigjährigeSchreiber, be.“ Bewundernswertdieser unsere SkepsistoterBuchsta- Zweifel anunsselbstwäre E. M.Cioran:„Ohneunsere heit, zusammengehaltenvon zusammengenommen eineEin- verschiedenen Texteergeben Persönlichkeit –undalldieseso Musik, Notizenüberdieeigene Gedanken überLiteraturund nungen, Selbstreflexionen, ger Kontinent.LoseAufzeich- Anwesenheit.“ Einmerkwürdi- mich. NiemandfürBloße neben mir.Niemandgegen eigenen Kontinent.Niemand lakonisch: „Lebeaufmeinem Jahrzehnt späternotiertWidner Schriftstellers. Einknappes in einemTextzumSiebzigerdes lebensvoller?“, frugH.P.Piwitt primierter, erfrischender, schon drin?Nurdichter,kom- ners TagebüchernallesLeben sche Notate.„IstnichtinWid- formvollendete schriftstelleri- rerseits undgleichzeitigsindsie Pianisten vorstellenkann.Ande- wie dieFingerübungeneines Schreibübungen, diemansich oft wieblindlingsausgeführter seits dasErgebniswidnerischer, licht. DieseTextesindeiner- chen Aufzeichnungenveröffent- zend Bücherausjournalähnli- Neunzigerjahren einhalbesDut- Alexander Widnerhatseitden des Geistes Die Unendlichkeit 3 signierteExemplare 978-3-99029-385-0 ISBN |16,90130 Euro Seiten Verlag,Wieser 2020 2016-2019. Hefte Die AnwesenheitBloße Alexander Widner:

DIEBRÜCKENr. 17|Brückengeneration 5 WilhelmHuber Literaturtage. Veiter St. der Gestalter Amann Klaus mit Rezensent, Destillateur und gemeinsam DIEBRÜCKEVERLOST

59 BUCH.TIPPS 60

DIEBRÜCKENr. 17|Brückengeneration 5 MUSIK.TIPPS „Das BesteinderMusikstehtnichtdenNoten.“ des Landes. gehört zudenbestenBands denn unbedingt empfehlenswert, und Ungarn.IhreKonzertesind land, Deutschland,Luxemburg Stationen sindnebstWienEng- ger Container25,dienächsten waren siegeradeimWolfsber- entist ergänztwird.ImMärz schen RapvonJahsontheSci- den Genres,diemitdembriti- tige, groovigeFusionderbei- Hop undJazz,esisteinegewal- ziert. EsistmehralsnurHip- bar, perfektgespieltundprodu- einen derSound,kräftig,tanz- wenigen Sekundenüberflutet migen Nummer.Bereitsnach beginnt furiosmitdergleichna- passenderweise dasAlbum, Richtung.“ bestimmen immerwiederdie ein offenerProzess,undwiralle Sachen, diewirbehalten.Esist wieder, dabeientstehengute zerten improvisierenwirimmer unsere erstenSongs.BeiKon- men Sessionsentwickeltenwir bei denanfänglichengemeinsa- den Arbeitsprozessso:„Gleich son theScientistbeschreibt ihr Debütveröffentlichten.Jah- nach zweiJahrenStudioarbeit rausbrachten undschließlich Jahre späterihreersteEP 2015 dieBandgründeten,zwei ner Herkunft,dieinWienleben, zeug). FünfMusikerverschiede- Michael Prowaznik(Schlag- Philipp Kienberger(Bass)und (Keyboards), derKärntner (Gitarre), FelipeScolfaroCrema (Stimme), HelmutMühlbacher ich mir.JahsontheScientist lich nichtschiefgehen,dachte Duality. Soetwaskanneigent- takt mitderBandSketcheson Assoziation beimerstenKon- ... daswarmeinesofortige Sketches ofSpain www.sketchesonduality.com CD/LP, 9Star Records/Hoanzl Spectrum Duality: On Sketches 105,5. AGORA radio S Gustav Mahler Gustav lobodan Žakula, lobodan Sketches onDuality Spectrum, soheißt Sendungsmacher bei , 1860

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1911, Dirigent und österreichischer Komponist

Cover: © Sina Heiss ©Sina Cover: 2019 |www.vaginasimdirndl.com Vaginas im Dirndl Graz Brücke, 15. Mai,Die konzert.tipp und Kulturjournalistin. T Brechung traditionellerTabus. Heiss beherrschendietaktvolle Anna BaumgartnerundSina von DanielaLehner),Ursula Anderluh (seitMärzabgelöst und ProjektenbekannteAnna aus verschiedenenFormationen Die ausKärntenstammende, len: „Miaßndammagoanix!“ um schlussendlichfestzustel- über dieKlitorisaufgeräumt, dem unzureichendenWissen Menopause gerapptodermit gehuldigt, überdieVorzügeder Vergnügen, wirddemDildo gen Umgangbeimsexuellen cken sichTippsüberdenrichti- zig-geistreichen Textenverpa- glücklich machenkann.Inwit- das weiblicheGeschlecht frivolen Bezügenzuallem,was Gegeizt wirdnichtmitlustvoll- Bratsche einschwingt. writer-Stil mitempfindsamer nachdenklichem Singer-Song- Blues gefühlsechtinsanft- es überintensiv-packenden discoreifen, geilenRapanbis Volksmusikmanier zünftigzum eine „intimeGerechtigkeit“in mungslos-keckes Plädoyerfür Stimmen schwilltihrhem- genießen. Mitklaren,hellen gen, istauchaufeinerCDzu Erwachsene“ aufderBühnezei- schen Aufklärungsabendfür „unverschämt frechenmusikali- Österreicherinnen inihrem keiten. Wasdiedreijungen werk musikalischerAnzüglich- Vulva zumEinstiegineinFeuer- fesche DirndlnimDirndlihre gleitung besingendreiresche- ches VolksliedmitGitarrenbe- lieblich dreistimmigalsfröhli- „Wånn iindaFruahaufsteh“– Tabu undTradition ina Perisutti, Kulturarbeiterin Kulturarbeiterin

von die bemerkenswerteCover-Art Laute). Attribute,dieauchauf Platte (sospielterselbstdie ungewöhnlich instrumentierten tisch reichhaltigenunddurchaus hat, beweisteraufseinerstilis Dass dieMusikihnausgesucht nen, odereinfachlebenkann“. Chaos desUniversumsundstau ein bisschenrauslehntindas ­Erleben herausversteht,sich Tradition, diemanausdem dass man,verwurzeltineiner einen Schrittweitergeht,so sam anderHandnimmtund jemand dieMusikganzbehut nach jenenMomenten,„wenn Amon Tobin,sosuchtaucher bei Einflüsse bestimmendieMusik Liedmuster undelektronische und 70er-Jahren,klassische schiedenen Stilenausden60er- garde, aberStrukturenausver Keine zugeknöpfteSound-Avant Musik fürAbenteurer TART Villach 19.6. TART Villach Aichwaldsee, Finkenstein | |15.5.Kulturgarten Srienc Dominik mit Lesung vonKlagenfurt |14.5.Jugendstiltheater Wien |8.5.Quentin Wien 7.5. KSŠŠK Konzerte www.tkalec.cc digital auf & 200 (limitiert Platte Stk.) Tkalec: MusicforAdventure und M denkbar. scher, synthesizerlastigerForm world“ durchaus inzeitgenössi mer „TalesfromtheUnder das HauptriffderfinalenNum nicht denkbarwäre.Dafürwäre genössischen Elektromusikgar Halftime-Experimente derzeit- Instrumentalteil, derohnedie Anschluss andenRefraineinen In „Obsolescence“gibtesim phe akzentuiertdurchStille. Zählzeit jedesTaktesderStro Rye“ istdieerste,wichtigste tät entsteht.Bei„TheFieldsof druck vonungeheurerKomplexi moduliert werden,dassderEin jeder Wiederkehrsovariiertund aus zweiTeilen,dieaberbei Perspective“ etwabestehtnur fend sind.DerSong„Detective ichael Herzog, -schaffender.

. Wie etwa Georg Tkalec.Wieetwa Simon Goritschnig Kulturreisender

zutref -

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- - - seiner EP„Halleluyah“(aufsei Klanglandschaften führt,dieauf wieder zuebensofaszinierenden fangen derStille,welchedann Möglichkeiten, wieetwadasEin bietet zugleichfaszinierende Großstadtdschungel. Aberes größere Gefahralsineinem dem LandeamAnfangeineviel Wien. Das„sichverlieren“istauf seiner ZeitinderMetropole den gebürtigenKärntnernach Abgeschiedenheit verschluges Elternhauses zustellen.Indie ren undindieAuslageseines Perlen umdieseselbstzupolie Klängen, melancholischePop- sphärischen synthielastigen er fürseineneuestePlattemit genland zurück.Dortschuf die HeimatderFamilie,insBur tendent ManfredSauer,kehrtein Paul Ruben,SohnvonSuperin Musikalische Liturgie www.sarah-bart-records.at www.sarah-bart-records.at 2019 Records Bart Sarah Paul Ruben:Halleluyah Dean Martinez wird, hörenzukönnen. vermischt Film­musik-Themen Elektronik odermelancholischen derbaren stilistischenMittelnwie vom PianistenRubenmitwun mitzugehen unddieStille, den derKünstlerbeschrittenhat, selbst verlieren,umdenWeg, abschließenden Song„Eternal“ Reduktion vonSongswiedem können. Manmusssichinder wertvoll dieseMomentesein wie zerbrechlichunddaherauch ben unddabeiniezuvergessen, Momente imLebenzubeschrei zuheben undpositive,glückliche die gutenSachenimPophervor lichen, aufwaseshierankommt: Song „TheseDays“verdeut­ etwas Psychedelicversehene mit nernde „Heaven“undder freude angroßenDreampop erin seiner LeichtigkeitundLebens tropop von„Hellisreal“,dasmit Möglichkeit zumehr.DerElek­ kurzen Platte,dennsiegibtdie auf derinSachenSpielzeitrecht Reduktion isteingroßesThema aufgenommen) Einzughalten. nem eigenenSarah-Bart-Label

------Uwe Bressnik: Bergsee Foto: Uwe Bressnik

Das Land in uns Richtungsweisend. Grenzenübergreifende Vokalprojekte zwischen Kärnten und Slowenien.

Gemeinsam durch die Zeit – Skupaj zweisprachigen Lebensraum Kirchenchor Bach, Kirchenchor skozi čas. Am 25. April stehen im K3, ohne Grenzen. Dieser wurde Neuhaus/Suha, Oktet Suha, KPD dem Kulturhaus in St. Kanzian/Škocjan, durch das Plebiszit 1920 national Drava/PIS Žvabek, Gemischter knapp „100 Musikerinnen und Musiker getrennt. 1922 musste auch die ehe- Chor „Grenzwacht“ Lavamünd, MePZ aus der Region und allen Altersschichten malige Gemeinde Leifling/Libeliče eine KPD Libeliče, Cerkveni zbor Libeliče in auf der Bühne, die dazu einladen, sich mit Teilung erfahren. Heute gibt es gerade in Črneče, ŽPZ Lipa Dravograd und Dravo- dem geschichtlichen und kulturellen Erbe dieser Region eine große Anzahl von grajski Sekstet. der Region vertraut zu machen und gemein- verschiedenen Kulturvereinen, Vokalgrup- sam in eine offenere Zukunft zu schreiten“, pen und Chören. Einstmals vielleicht sogar Klangwolke. Dreißig Chorgemeinschaften so Christoph Tanzer, der Obmann vom aus nationalpolitischen und ethnischen (500 Sänger*innen) beider Volksgruppen,

Musikverein Möchling. Es kommt zu Gründen entstanden, um das Trennende Jugendchöre sowie das Regionalorchester SEITE.OHNE.NAMEN einem musikalischen Zusammenspiel hervorzuheben, wird schon seit Längerem Unterkärnten sind am 20. Juni Teil der der beiden größten Kulturvereine beider wieder das Gemeinsame gesucht und auch Initiative „Klangwolke über Völkermarkt Sprachgruppen aus der Gemeinde. „Ein gefunden. Dieses gemeinsame Singen aller – Singen verbindet“. Bei dem Projekt des weiterer Gedanke dabei war, dass die österreichischen und slowenischen Vokal- Sängergaus Unterland werden Kärntner Hürden zwischen dem Slowenischen und gruppen der Region dokumentiert diese Lieder vom Lavanttal bis ins Mölltal und Deutschen im Bereich der Kultur längst Haltung. „Dort, wo ehemals keine Grenze slowenische Volkslieder genauso wie poe- überholt sind, eigentlich nicht mehr exis- Menschen und Kultur trennte, findet man tisch verwobene Texte in slowenischer tieren (und doch noch wirken). Das ge- sich nach 100 Jahren wieder zusammen, und deutscher Sprache vorgetragen. Das meinsame, durchgehend zweisprachige um mit einem gemeinsamen Singen über große musikalisch-literarische Werk Projekt soll ein Anstoß, ein Beitrag für die Staatsgrenze hinweg zu zeigen, dass „Kärnten/Koroška – das Land in uns“ wird eine gemeinsame, selbstverständlich zwei- Menschenschlag und Mentalität diese das Glanzlicht des groß angelegten Kon- sprachige Gegenwart und Zukunft sein“, Region auch heute noch vereinen“, bekräf- zerts auf dem Völkermarkter Hauptplatz begründet Samo Wakounig vom Slowe- tigt Projektleiter Siegi Hoffmann die Wich- sein. Inhaltlich stehen das Leben, die nischen Kulturverein Danica. tigkeit, das Gemeinsame vor das Trennen- Landschaft und das Miteinander zwischen de zu stellen. Die Konzertwanderung den Volksgruppen im Mittelpunkt. Das Grenzenlos – brezmejno und klangvoll beginnt mit dem gemeinsamen, geistlichen kulturelle Potential und die Mitwirkung wandert man mit dem MGV/Gemischter Singen in der Kirche St. Martin in Libeliče von Akteur*innen­ aus dem ganzen Unter- Chor Heimatklang Bach am 24. Mai vom (14 Uhr). Zu Fuß und singend geht es dann land verbindet. slowenischen Libeliče bis nach Leifling in über die Staatsgrenze zum gemeinsamen ● Michael Herzog Kärnten. Die benachbarten Gemeinden weltlichen Musizieren vor dem Schloss Kulturreisender & -schaffender. Neuhaus und Lavamünd in Österreich Eberwein in Leifling (16 Uhr) mit beschau- sowie Dravograd in Slowenien bildeten lichem Ausklang auf dem Dorfplatz in Infos zu den einzelnen Projekten unter: ehemals einen gemeinsamen, großteils Bach (ab 18 Uhr). Beteiligte Gruppen: www.carinthija2020.at

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 61 KULTUR.TIPPS

Klaudia Ahrer macht mit ihrem TanzTheater einAnder IRWIN: CELOVEC, 2010, Farbfotografie (bearbeitet), und dem CARINTHIja 2020-Projekt „24 Stunden 165 x 216 cm. Foto: IRWIN JAHRESABO Grenzerfahrung“ an fünf Orten in Kärnten Station. um 27,80 Euro Foto: Mahdi Gholami da.schau.her kultur.tipp Klagenfurt | Celovec Kennen Sie Ihre Grenze(n)? Was wäre, wenn? Auf diese Frage gibt es keine Es kann mitunter verunsichernd sein, mit dem ersichtliche Antwort, denn die Vergangenheit Unbekannten, Neuen konfrontiert zu werden. lässt sich bekanntlich nicht ändern. Oder doch? IN DIE Und vielleicht hat man als Leser*in bereits In dem jüngsten Neuankauf des MMKK gewisse Vorbehalte, wenn von „24h Stunden beschäftigt sich das slowenische Künstler­ Grenzerfahrung“ die Rede ist. Was kann man kollektiv IRWIN mit genau dieser Frage, KULTUR sich darunter vorstellen? Und überhaupt, was ist ­genauer mit dem Gedanken: Was wäre, ein TanzTheater? einAnder wurde 2016 von der wenn die Volksabstimmung­ 1920 anders Tanzpädagogin Klaudia Ahrer gegründet und verlaufen wäre? EIN.TAUCHEN bietet eine Plattform für jegliche Art von Die zweiteilige Arbeit trägt den Titel „CELOVEC“ Aktions-, Austausch- und Bewegungsperfor- und stammt aus dem Jahr 2010, wo sie mance. Es soll unterschiedlichste Menschen ursprünglich für die Ausstellung „Heimat | zusammenbringen, auch solche, denen es sonst Domovina“ konzipiert wurde. Zwei großforma­ an Anknüpfungsmöglichkeiten an ihr soziales tige Farbaufnahmen zeigen den neuen Platz in Umfeld fehlt. Von Mai bis August wird das Tanz- Klagenfurt – einmal als originale und einmal als Theater einAnder an jeweils fünf verschiede- bearbeitete Fotografie. Bei Letzterer wurden nen Orten in Kärnten Station machen und eine durch digitale Eingriffe alle sichtbaren Schrift­ Performance zur Aufführung bringen. Dabei wer- züge vom Deutschen ins Slowenische übersetzt den nicht nur lokale Organisationen und Vereine und ausgetauscht. Das Künstlerkollektiv ver- wie das Offene Kreativ- und Technologielabor setzt die Betrachtenden mit dieser­ Arbeit in OTELO in Ferlach oder TetrArts, die Kulturinitiati- eine trügerische Parallelwelt. Wie in einem ve der Gemeinde Maria Rain in die Vorbereitung Traum ist alles bekannt und doch scheint und Aufführung miteingebunden – jede*r ist ein- etwas anders. Durch den direkten Vergleich geladen, sich aktiv zu beteiligen. Von Mittwoch mit der angrenzenden Realität werden die bis Samstag werden Workshops in der Gemein- ­Besuchenden zu einer Art Suchspiel bewegt, de abgehalten, in der dann am Sonntag auch die um den Unterschied zu entschlüsseln, der in Performance stattfindet. Insgesamt werden so seiner Ausführung dezent, in seiner Aussage 24 Stunden an Zeit investiert. Und die Grenzer- jedoch gravierend ist. IRWIN stoßen mit diesem fahrung? Der Workshop und der Austausch mit Werk auf den Nerv der Zeit und thematisieren anderen Menschen soll Bewusstsein für persön- nicht nur die Zweisprachigkeit in Kärnten, liche psychische und physische Limits schaffen. ­sondern rücken vor allem die politischen, Durch Berührung, Bewegung, Musik und Spra- ­sozialen und kulturellen Fragen slowenischer che werden eigene Grenzen und die des Gegen- Minderheiten in den Fokus. Das Werk übers erfahren und sichtbar gemacht. Trennlini- „CELOVEC“ reflektiert beispielhaft den en müssen nicht immer hart und undurchlässig ­Charakter und die Arbeitsweise der Künstler- sein: Sie können verschwimmen und sich auflö- gruppe, welche sich in ihren subversiven sen, wenn dem Anderen Vertrauen entgegenge- ­Arbeiten stets mit der Materie des Staates bracht wird. So kann jede*r einen Beitrag dazu und seiner Grenzen beschäftigt. Anfang der leisten, dass es auch in Zukunft eine Interaktion 1990er-Jahre setzen sie ihr wohl größtes und ein Miteinander möglichst ohne Aus- und ­politisches Statement, indem sie einen ­ DIE BRÜCKE Jahresabo Abgrenzung gibt. eigenen Staat erschaffen, welcher nicht durch ● Elisabeth Oberlerchner territoriale Grenzen bestimmt ist. Der Staat (6 Ausgaben) frei Haus * 1994 in Villach, wohnt in Radenthein. Studium der Ange- der Neuen Slowenischen Kunst (NSK State) – wandten Kulturwissenschaften und der Germanistik an der ein Staat nicht im Raum, sondern in der Zeit. inkl. Kulturcard Kärnten Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, seit Herbst 2019 PhD- Kandidatin am German Department at Rutgers, the State ● Mirjam Schmidt für ermäßigte Eintritte University of New Jersey, USA. Kunsthistorikerin, MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten.

um 27,80 Euro TanzTheater einAnder: 24 Stunden Grenzerfahrung Abobestellungen unter: 20.-24. Mai, Ferlach 10.-14. Juni, Maria Rain E [email protected] 22.-26. Juni, Bleiburg 050 536 – 34032 22.-26. Juli, Ludmannsdorf T 5.-9. August, Köttmannsdorf www.carinthija2020.at www.bruecke.ktn.gv.at 62 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 kultur.tipp Seit 2015 ein wichtiger Impuls für die Kärntner Vom Weh des Liederfürsten Jugendkulturszene: Das Kinder- und Jugendtheater­ festival Kärnten. Foto: Tinefoto Daniela Lebitschnig. Foto: Gerhard Maurer Die Oper bedeutet kein Neuland für den Drama- tiker Peter Turrini, dessen Lebensbühne das Theater ist. Nun fiebert der Verfasser von mehr als 60 Stücken der nächsten Uraufführung ent- jugend.kultur.tipp kultur.tipp gegen. Am 23. April hebt sich im Münchner Gärtnerplatztheater der Vorhang zur Urauffüh- Kärntner Schüler- & Omega kai Alpha rung der Oper „Schuberts Reise nach Atzen- Jugendtheaterfestival „Die Hinwendung im Tanz zur Frequenz des eige- brugg“ von Johanna Doderer, deren Libretto aus nen Herzschlages lässt uns das Wunder Leben „Das Festival ist ein unglaublicher Impuls für das der Feder Peter Turrinis stammt. Die Idee erahnen“, sagt Bernadette Prix, deren Tanzkom- Schultheater und die gesamte Kärntner Jugend- kommt vom Intendanten Josef E. Köpplinger, pagnie „Omega kai Alpha“ ab 4. April ihr 35-jäh- kulturszene“, soviel steht fest für die Organisato- der den Kärntner Theaterfans als Vor-Intendant riges Bestehen feiert. Die Auftaktveranstaltung ren, den Theaterpädagogen Günther Hollauf und noch bestens in Erinnerung ist. „Ich hatte immer „Spirit of Dance – Power of Rhythm“ beginnt seine Frau Marion Hollauf, „hier werden die kul- dieses Schubertprojekt vor Augen“, erinnert mit gesprochenen Silben, die vom „Call- & Res- turellen Leistungen von Schülerinnen und Schü- sich Köpplinger, „und hoffte, dass die beiden ponse-Groove“ zu meditativen Klängen überlei- lern in Kärnten auch im Bereich des darstellen- bestens harmonieren würden. Demnach ent- ten. Monotone, hypnotisierende Bewegungen den Spiels gewürdigt.“ Seit seinem Start im Jahr stand keine Opern-Biographie, sondern eine führen zu innerer Stille und öffnen den Weg zum 2015 ist das Kärntner Schüler- und Jugendthea- Erahnung vom Gefühlsleben Schuberts.“ Turrini: spirituellen Drehtanz. So flüchtig Tanz auch sein terfestival stetig gewachsen. Heuer, in seiner „Auf Köpplingers Vorschlag gab es keine Zöger- mag, so beständig ist er jedoch in all seinen sechsten Auflage, geht das Festival vom 13. – lichkeit meinerseits. Ich habe Doderers Musik Facetten. Dies demonstriert „Omega kai Alpha“ 15. Mai im Schloss Porcia in Spittal an der Drau als gelungene Symbiose zwischen Moderne und am Welttag des Tanzes (29. April) an neun aus- über die Bühne. Wie auch schon in den Vorjah- Harmonie empfunden.“ Tatsächlich gelang es gewählten Plätzen in der Klagenfurter Innen- ren werden wieder fünf Theatergruppen ihre Stü- dem Librettisten Peter Turrini, die zartesten stadt. „Blitzlichter des Tanzes“ lassen Raum und cke zur Aufführung bringen. Die Vorstellungen Gefühle, das heftigste Weh, die Sehnsucht und Choreographie für kurze Zeit verschmelzen und sind öffentlich zugänglich, Karten sind im Karten- Verzweiflung des Liederfürsten eindringlich, machen das Wesentliche der Stadtseele sicht- büro im Schloss Porcia erhältlich. Sowohl ein aber ohne Schnörkel zu verbalisieren. Sogar der bar, um im nächsten Moment wieder zu ent- Publikumspreis als auch der Preis der Stadt Spit- böse Geist des Künstlervaters drischt auf subtile schwinden. Als besonderer Glanzpunkt ist „Ome- tal werden im Rahmen des Festivals vergeben. Kinderseelen ein, bevor die Reisenden – alle- ga kai Alpha“ Anfang Juli beim World Congress Im Rahmenprogramm können die Teilnehmer­ samt Freunde von Franz Schubert – in Atzen- on Dance Research in Athen vertreten. *innen Theaterworkshops besuchen, heuer sind brugg landen. Turrini geht dabei mit Hingabe Bernadette Prix hat schon viele Länder bereist, dies besondere Highlights: „Performance“ mit vor, kriecht in die Seele des Komponisten und aber mit Nordafrika – speziell Ägypten – steht Wolfgang Rohm vom Theater Asozial aus Ottens- spricht dessen Sprache: „Aus dem Herzen ver- sie in einer besonderen Verbindung. Sie fühlt heim aus Oberösterreich, „Theatersport“ mit lier ich nichts, da rennt nichts davon. Nicht die sich dort zu Hause, das Land strahlt für sie eine Raul Vulpe sowie ein Tanzworkshop mit Stefanie Trauer und nicht die Sehnsucht. Tag und Nacht gewisse „mütterliche Kraft“ aus. Die Choreogra- Sternig. Erstmals werden beim heurigen Festival sitzens wie Bleikugeln in mir und bewegen sich fin bezieht viel Inspiration aus dieser Gegend, die Ergebnisse dieser Workshops auch abschlie- nicht.“ Die Komponistin Johanna Doderer, eine die Lebensweise der Menschen ist ihr sehr ver- ßend auf der Bühne präsentiert. Und eine weite- Großnichte des Dichters Heimito von Doderer, traut und deren Umgang mit Instrumenten und re Besonderheit erwartet die Teilnehmer*innen lobt die Zusammenarbeit mit Turrini, der ihrer Tanz kommen aus tiefstem Herzen. Sie bewun- genauso wie die Besucher*innen:­ Anlässlich des Oper Kraft und starke Dynamik geliefert habe, dert die Kunst, mit wenig viel auszusagen. Mit 100-Jahr-Jubiläums der Kärntner Volksabstim- denn „Oper hat die Kraft, alles in Frage zu stel- ihrer Schule für künstlerischen Tanz in Klagen- mung wurden alle Kärntner Schulen eingeladen, len, uns mit den eigenen Träumen und Urängs- furt (www.tanzdimensionen.com) will Bernadette sich mit Geschichte(n) auseinanderzusetzen, ten zu konfrontieren und nicht geahnte Welten Prix vor allem Begeisterung und Freude für die Meinungen zu gesellschaftlichen Themen und in uns zu wecken“. www.gaertnerplatztheater.de Tanzkunst und das kreative Potential von Men- zur Zukunft des Landes zu äußern. Drei Schul- ● Ilse Gerhardt schen wecken und deren Leben bereichern. projekte aus dem Fachbereich „Darstellende * 1944 in St. Veit an der Glan, lebt in Klagenfurt, ● Kati Ladstätter ist u. a. Autorin und Kulturjournalistin. Kunst“ werden in Kooperation mit CARINTHIja * 1986 und aufgewachsen in Hermagor, Kunst- und Fotografie- 2020 im Rahmen des Festivals präsentiert, kon- studium am Whitecliffe College in Auckland/Neuseeland, Peter Turrini: Schuberts Reise nach Atzenbrugg kret jene der VS Lind ob Velden, der NMS Blei- danach Grafikdesign-Ausbildung in Graz, lebt derzeit Ein Libretto | Verlag suhrkamp spectaculum in Klagenfurt. www.katitzart.com burg und des Turbotheater Villach/HTL Villach. 67 Seiten | 16,50 Euro ISBN 978-3-518-42902-0 ● Johanna Wohlfahrt Spirit of Dance lebt in Klagenfurt, freie Journalistin und Mutter eines 4. April, 19 Uhr DIE BRÜCKE VERLOST zehnjährigen Sohnes. Jugendstil-Festsaal, Stauderplatz 1, Klagenfurt 3 Exemplare Kärntner Schüler- und Jugendtheaterfestival Welttag des Tanzes Infos zur Verlosung siehe S. 58 13. – 15. Mai, Schloss Porcia, Spittal an der Drau 29. April, 16 Uhr: Blitzlichter des Tanzes, Öffentliche Theatervorstellungen an neun Plätzen in Klagenfurt, Treffpunkt: Neuer Platz Karten: 04762-42020 Infos: Marion & Günther und Hollauf: 0650-5423777 | [email protected]

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 63 aviso Jahresstipendium für Musik Kärnten-Koroška-Preis Fheodoroff-Kompositionspreis Das Land Kärnten vergibt für den Zeitraum 2012 wurde der Verein „Unser Land“ In Würdigung des im Jahr 2011 verstorbe- vom 1. Jänner – 31. Dezember 2021 ein gegründet: „Begonnen haben wir mit einem nen Kärntner Komponisten Nikolaus Fheo- mit 10.500 Euro dotiertes Stipendium für Flashmob am Klagenfurter Hauptbahnhof. doroff schreibt das Land Kärnten einen mit Musik (875 Euro monatlich). Durch die Ver- Es folgte das Musikprojekt mit Neuen 10.000 Euro dotierten Kompositions-Preis gabe des Stipendiums soll Künstler*innen ­Liedern, sportlich wurde es mit Kärnten in der Kategorie „Instrumental“ aus. Erwar- die Möglichkeit eingeräumt werden, sich ein erFAHREN“, blickt Miha Kampuš auf einen tet wird eine Komposition in neuer Ton­ Jahr lang verstärkt dem kreativen Schaffens­ Teil der vielen Aktivitäten zurück. Nun sprache, mit dem Ziel, das Repertoire mit prozess zu widmen und im Rahmen der Sti- dotiert der Verein gemeinsam mit dem zeitgenössischen Beiträgen zu erweitern. pendienlaufzeit ein künstlerisches Projekt zu Land Kärnten drei Preise für die wirksams- Einreichfrist ist der 20. April 2020. realisieren. Förderungswürdig sind Vorhaben ten Leistungen der Annäherung und Klima­ Details unter: www.kulturchannel.at aus allen Bereichen der Musik (Komposi- verbesserung in Kärnten-Koroška (Erster (Ausschreibungen) l tions-, Interpretations- oder andere­ Vorha- Preis: 10.200 Euro | Zweiter Preis: 7.000 ben). Einreichtermin ist der 30. Juli 2020. Euro | Dritter Preis: 3.000 Euro). Eingereicht Die Nacht der Details unter: www.kulturchannel.at (Aus- werden können von 2012 – 2020 umgesetz- schreibungen) l te Projekte aus den Bereichen Geschichte schlechten Texte 2020 & Bildung, Wirtschaft & Tourismus, Der Verein Wort-Werk veranstaltet am Dramatiker-Stipendium Politik & Gesellschaft, Sport & Natur 10. Juni zum fünfzehnten Mal diesen sowie Kunst & Kultur. Einreichfrist ist ­Villacher Literaturwettbewerb, der – im Das Land Kärnten vergibt für den Zeitraum der 30. April 2020. Details unter: Gegensatz zu anderen Literaturpreisen, vom 1. Jänner – 30. Juni 2021 ein mit www.zusammenwachsen.at/wettbewerb l wo Autor*innen gefordert sind, bestmög­ 5.250 Euro dotiertes Dramatiker-Stipendi- liche Texte zu schreiben – eine Positions- um (875 Euro monatlich). Durch die Verga- Architekturstipendium 2021 verschiebung bedeutet: Den „schlechtes- be des Stipendiums soll Dramatiker*innen ten“ Text zu verfassen, stellt eine unge- die Möglichkeit eingeräumt werden, sich Junge Architekt*innen sollen ermutigt wer- wöhnliche Herausforderung dar. Ziel ist verstärkt dem kreativen Schaffensprozess den, in Kärnten zu arbeiten und/oder die es, Schriftsteller*innen zu ermöglichen, zu widmen und im Rahmen der Stipendien- Verbindung nach Kärnten zu intensivieren frei von konventionellen Mustern neue laufzeit ein Projekt zu finalisieren. Förde- oder wiederaufzunehmen. ­literarische Ausdrucksformen zu schaffen. rungswürdig sind ausschließlich in Arbeit Nachwuchsarchitekt*innen wird die Mög- Einreichfrist ist der 4. Mai. Details unter: befindliche Projekte. Einreichtermin ist lichkeit eingeräumt, sich ein Jahr lang www.wort-werk.at l der 15. September 2020. Details unter: ­verstärkt der architektonischen Arbeit zu www.kulturchannel.at (Ausschreibungen) l widmen. Zu diesem Zwecke vergibt das Land Kärnten für den Zeitraum vom Kurzgeschichtenwettbewerb 1. Jänner – 31. Dezember 2021 ein mit insg. 10.500 Euro dotiertes Stipendium Das Mölltal – das lange Tal der Kurz­ (875 Euro monatlich). Einreichfrist ist geschichten – lädt zum fünften Mal zum der 30. Juni 2020. Details unter: Mölltaler­ Geschichten Festival und dem www.kulturchannel.at (Ausschreibungen) l dazugehörigen Kurzgeschichtenwettbewerb, der diesmal die „Achterbahn“ zum Thema hat und jedes Genre erlaubt. Einsende­ schluss ist der 4. Mai. Details unter: www.moelltaler-geschichten-festival.at l

Impressum DIE BRÜCKE Herausgeber, Medieninhaber und Copyright: Land Kärnten, Abteilung 14 – Kunst und Kultur, Igor Pucker, Burggasse 8, 9021 Klagenfurt am Wörthersee; [email protected], www.bruecke.ktn.gv.at | Chefredaktion: Gabbi Hochsteiner | Redaktion: Mario Waste, Otwin Bernhard Mekul, Patricia Kurucz, Michael Herzog | Abos & Kulturtermine: Daniela Vellick, T 050536-34032 | Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder. Lang lebe die Meinungsfreiheit! – Die Redaktion behält sich vor, Beiträge bei Bedarf zu kürzen oder zu ändern. Zur Verfügung gestelltes Text- oder Bildmaterial wird (wenn nicht anders vermerkt) nicht retourniert. | Seitens der Autor*innen und Fotograf*innen wurde dem Hrsg. Land Kärnten vertraglich garantiert, dass einer Veröffentlichung und Verwertung der gelieferten Beiträge (Texte, Fotografien etc.) keinerlei Rechte Dritter entgegenstehen. | BRÜCKE-Architektur: Harald Pliessnig; Art Direction & Grafik: Arne Schiemann, Nicole Bacher-Brunner; Werk1, T 0463-320 420 | Druck: Kreiner Druck, Villach | Verlagspostamt: 9021 Klagenfurt am Wörthersee | Abonnement: 6 Doppel-Ausgaben 27,80 Euro inkl. KulturCard Kärnten, Porto und Versand.

Redaktionsschluss für DIE BRÜCKE Nr. 18 | Juni – Juli 2020 30. April 2020 für den redaktionellen Teil 4. Mai 2020 für die Eintragung Ihrer Kulturtermine auf www.kulturchannel.at

64 DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 Fotostipendiatin 2020 Humbert-Fink-Preis 2020 Im Mai wird die aus Bayern stammende „Anna Baar schreibt in ihren sprachmächtigen Romanen über Kriege, Verlust, Migration und Künstlerin Karen Irmer für ein halbes Jahr damit verbundene Identitätsfragen als spannende Erzählungen, die Lesende inhaltlich und ihre Wohn- und Arbeitsstätte im Europahaus sprachlich in den Bann ziehen", begründen die Juror*innen Cvetka Lipuš sowie Josef Winkler Klagenfurt beziehen. Sie ist die diesjährige ihre Entscheidung zur diesjährigen Vergabe des Humbert-Fink-Literaturpreis der Stadt Klagen- Stipendiatin für künstlerische Fotografie furt an Anna Baar [siehe auch BRÜCKEnseite 49]. Die 1973 in Zagreb geborene, in Klagenfurt und Medienkunst des Landes Kärnten und lebende Schriftstellerin schreibt Prosa, Lyrik und Essays und arbeitet nach ihren international der Stadt Klagenfurt. Mit ihrem Projekt vielbeachteten Romanen „Die Farbe des Granatapfels“ und „Als ob sie träumend gingen“ der- „ORTLOS – Eine Welt jenseits des realen zeit an ihrem dritten Roman. In der Literaturkritik zählt sie vor allem aufgrund ihrer bildhaften Raums“ hat sie sich dafür qualifiziert. Bisher Sprache und ihrem unverwechselbaren Erzählton zu den kühnsten Stimmen der neuen öster- arbeitete sie mit in der Natur aufgespürten, reichischen Literatur. „Der Humbert-Fink-Preis ermutigt mich, weiterzutun“, sagt die Autorin, filmischen und fotografischen Fundstücken, „jede Ermutigung bedeutet viel. Legt man seine Existenz ins Schreiben, läuft man ja immer die sie derart zueinander stellte, dass die auch Gefahr: Es bringt einen von Zeit zu Zeit an den Rand eines Wahnsinns, so einsam zu sein Grenzen zwischen real existierender und mit dem, was einmal in die Öffentlichkeit kommen soll, im Wissen, dass vor der Tür schon vorgestellter Welt verwischen. Diese Metho- welche warten, die mit der Ausbeute Handel treiben, sie begutachten, bepreisen – vielleicht de möchte sie während ihrer Zeit in Kärnten auch beanstanden ... Das Rückhaltlose gerät hart an die Grenze zur Lächerlichkeit im Ringen dahingehend erweitern, dass über eine wei- um die Sprache. Und immer bleibt die Gewissheit der Anmaßung und Blöße.“ Die Preisverlei- tere, bewusste Ablösung vom realen Objekt hung findet am 7. Juni (11 Uhr), umrahmt von Laudatio (Katja Gasser), Lesung und musikali- und weiterreichende Abstraktion gänzliche schem Beitrag, im Robert-Musil-Literaturmuseum in Klagenfurt statt. l Foto: Johannes Puch Gegenstandslosigkeit erreicht wird. Ihre Arbeiten werden von 16. September – 25. Oktober (Vernissage: 15. September, 19 Uhr) im Living Studio der Stadtgalerie Klagenfurt zu sehen sein. www.karen-irmer.de l Foto: Liesa Aumeier

Stadttänzerin 2020 Stadtschreiberin 2020 Karin Pauer überzeugte mit ihrem brandak- Ronya Othmann, die Preisträgerin des tuellen Konzept zum Solo „Planet Body“ und Bachmann-Publikumspreises 2019, ist die ist somit die diesjährige Stadttänzer-Stipen- diesjährige Stadtschreiberin von und zu diatin Klagenfurts. Angesichts der ökologi- Klagenfurt am Wörthersee. Anfang Mai zieht schen Krise fragt die junge Choreografin die in München geborene und derzeit in nach künstlerischen Strategien jenseits von Leipzig lebende und studierende Autorin Fridays For Future. „Future Through Art“, für sechs Monate ins Künstleratelier der lautet ihre Devise. Sie wird den April in der Landeshauptstadt im Europahaus. Sie Landeshauptstadt verbringen und in der schreibt Lyrik, Prosa und Essays und arbei- Alpen-Adria-Galerie folgende öffentlichen tet als Journalistin. l Foto: Johannes Puch Termine absolvieren: 1. April (18 Uhr) Karin Pauer stellt sich vor, Künstlerinnen- Gespräch | 3. April (16-17:30 Uhr) Plane- tary Practice, Workshop | 30. April (18 Uhr) Karin Pauer verabschiedet sich, Showing + Publikumsgespräch. www.karinpauer.com l Foto: David Visnjic

DIE BRÜCKE Nr. 17 | Brückengeneration 5 65 100 Jahre Kärntner Volksabstimmung Ein Land in Zeitreisen und Perspektiven 100 let koroškega plebiscita Dežela na potovanju skozi čas in prostor www.carinthija2020.at

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