Hessischer Städteatlas

Lieferung IV,1

Hungen

Textheft

Herausgeberin: Ursula Braasch-Schwersmann

Bearbeitung: Isabelle Berens und Holger Th. Gräf

Kartographie: Melanie Müller-Bering

Marburg 2016 Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde Ansicht: Solms Braunfelsisches Schloss und Statt Hoingen, um 1700 (Ausschnitt) Anonymes Ölgemälde, Privatbesitz Schloss Braunfels

Siegel der Stadt Hungen, 1368, Umschrift: ¬ S’ OPIDI HOUNGEN Durchmesser: ca. 44 mm, Stadtarchiv Hungen, ohne Signatur

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek über http://dnd.ddb.de abrufbar

Gedruckt aus Mitteln des Landes Hessen sowie mit der Unterstützung der Stadt Hungen, der GAL Digital GmbH, der GSW Gesellschaft für Stadtentwicklung und Städtebau mbh, der Oberhessischen Gasversorgung GmbH, der Oberhessischen Versorgungsbetriebe AG OVAG sowie der Stiftung der Sparkassenstiftung -Hungen.

ISBN 978-3-87707-987-4

© Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde, Marburg 2016

Gesamtherstellung: VDS VERLAGSDRUCKEREI SCHMIDT, 91413 Neustadt an der Aisch Printed in Inhalt I. Historischer Abriss

I. Historischer Abriss 3 1. Anfänge der Siedlung und Herausbildung 1. Anfänge der Siedlung und Herausbildung der Stadt bis Mitte des 14. Jahrhunderts der Stadt bis Mitte des 14. Jahrhunderts 3 2. Von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts bis zum Ende des 16. Jahrhunderts 6 Die Stadt Hungen liegt am Nordostrand der Wet- 3. Residenz der selbstständigen Grafschaft terau, etwa 20 km südöstlich von Gießen1. Im Nor- Solms-Hungen (1602–1678) 9 den und Osten des Ortes laufen einige kleinere 4. Vom Übergang an Solms-Braunfels bis zum Erhebungen des westlichen Vogelsbergs relativ flach Ende des Alten Reiches 12 in die Auenlandschaft der Horloff aus. Der Große 5. Im Großherzogtum Hessen 13 6. Im Volksstaat und im Land Hessen 17 Rocksberg (168,6 m NN) im Norden und der ost- 7. Jüdische Einwohner 19 nordöstlich gelegene Mühlberg (184,9 m NN) sind 8. Bevölkerungszahlen bis zum 21. Jahrhundert 24 die größten Hügel dieser sanften Höhenzüge. Die 9. Wirtschaft, Gewerbe und Beschäftigungs­ Stadt selbst liegt am rechten Ufer der Horloff auf ei- struktur in der Neuzeit 25 ner sich leicht von Südwest nach Nordost zum Fluss 10. Heutige Stadtteile 26 hin senkenden Fläche. Nur im Süden des Schlosses II. Siedlungstopographische Entwicklung vom (150 m NN) und der Kirche (145,2 m NN) fällt der Mittelalter bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts 26 Hang zum Gewässer (ca. 138–137 m NN) hin stei- 1. Von den Anfängen der Siedlung bis zum ler ab. Die Stadterweiterungs- bzw. Neubaugebiete Dreißigjährigen Krieg 26 der zweiten Hälfte des 19. und vor allem des 20. Jhs. 2. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur erstrecken sich, dank des flachen Reliefs praktisch Mitte des 19. Jahrhunderts 27 in alle Himmelsrichtungen allerdings unter Aus- III. Siedlungstopographische Entwicklung von der sparung der Feuchtgebiete im Norden (Das Grassee) Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Beginn des und der Horloff-Au. 21. Jahrhunderts 28 Der 782 als Hoinge erstmals urkundlich beleg- 1. Von 1856–62 bis zum Ersten Weltkrieg 28 2. In der Weimarer Republik und te Ort gehört zweifellos zu den ältesten Siedlungen 2 im Nationalsozialismus 28 der Region . Vor- und frühgeschichtliche Funde in 3. Von 1945 bis zum Anfang des 21. Jahrhunderts 28 der Umgebung weisen auf seine Lage in einer alt- besiedelten Region hin, jedoch ohne dass im Stadt- IV. Erläuterungen zum Kartenwerk, Aufbau der gebiet selbst bislang prähistorische Funde gemacht Karten und Hinweise zu ihren Quellen 30 3 1. Katasterkarte 1856–62, 1 : 2.500 30 wurden . 2. Entwicklung des Ortes vom Mittelalter Die unmittelbare Lage des Ortes knapp außer- bis 1856–62, 1 : 2.500 30 halb des Limes – nur 1,5 km südlich des heutigen 3. a) Umlandkarte 19. Jahrhundert (1840), Stadtgebietes befindet sich das Kastell Inheiden4 – 1 : 25.000 32 b) Umlandkarte und Entwicklung der Stadt ließ die ältere Forschung vermuten, dass bis Mitte von 1840 bis 2016, 1 : 25.000 32 des 3. Jhs. die Römer im unmittelbaren Vorfeld ih- 4. Stadtkarte 2016, 1 : 5.000 33 rer Grenzanlage keine Siedlung zugelassen hatten5. 5. Übersichtskarte Hessen, 1 : 750.000 Tatsächlich sind auf dem Stadtgebiet noch keine Legende zur Katasterkarte, 1 : 2.500 34 Siedlungsspuren aus der Spätantike bzw. dem Früh- mittelalter bekannt geworden6. Ob und wie Ale- V. Gebäudeverzeichnis 35 mannen, „Chatten / Hessen“ oder Franken an der VI. Literatur 43 Gründung bzw. Besiedlung des Ortes in dem im- 1. Quellen 43 merhin runden halben Jahrtausend zwischen dem 2. Darstellungen 43 Fall des Wetterau-Limes im Jahre 260 und der ur-

* Für die von unterschiedlichen Seiten gewährten Unterstützun- gen und Hilfeleistungen ist an dieser Stelle zu danken. Beson- 1 Will, Stadtgeographie, S. 1 f.; Uhlhorn, Territorialge- derer Dank gilt den Herren Rainer Wengorsch (Bürgermeister schichte. von Hungen), Erhard Eller (StadtA Hungen), Gerhard Steinl 2 MGH Diplomata Karolinger 1, Nr. 144, http://www.dm (GSLA), Markus Hurt (FSBA), sodann der Firma bernschein gh.de/de/fs1/object/display/bsb00000358_00206.html [ein- document solutions GmbH, die aus großem Entgegenkom- gesehen am 28.1.2016]; Weirich, Urkundenbuch Hersfeld men die qualitätvollen Scans der Urkatasterkarten angefertigt Nr. 17, S. 30, Zeile 16. hat. Das Landesamt für Bodenmanagement und Geoinfor- 3 Keil, Siedlungsfunde. mation, Wiesbaden, stellte die Digitale Topographische Kar- 4 Dazu zuletzt: Becker / Kleeberg, Luftbildarchäologie; vgl. te 1 : 25.000, die Vorlagen für die moderne Entwicklungskarte auch Schönberger, Anlagen, bes. die Karte S. 43. 1840–2016 und die Stadtkarte 1 : 5.000 zur Verfügung. Die 5 Becker, Vielfalt; Becker / Grönke / Weiher-Oschatz, dortige Druckerei wickelte rasch und in gewohnter Professio- UNESCO-Welterbe. nalität die Herstellung der Karten und Sonderblätter ab. 6 Schönberger, Anlagen, S. 47.

3 Hessischer Städteatlas – Hungen kundlichen Ersterwähnung beteiligt waren, wie es renhof“ meinte14. Rückschlüsse auf die Größe des beispielsweise Küther ventilierte7, bleibt wegen feh- Ortes Hungen oder seine Einwohnerzahl sind auf lender archäologischer Funde oder gar schriftlicher dieser Grundlage daher nicht möglich. Fest steht, Quellen spekulativ. dass in den folgenden Jahrhunderten in den Ur- Hingegen lassen die archäologischen Grabun- kunden eine „Hersfelder Mark“ immer wieder Er- wähnung findet, die neben Hungen die Dörfer gen der letzten Jahre auf dem ca. 1,5 km südöst- 15 lich von Hungen gelegenen Grasser Berg bzw. Hof Langsdorf, Nonnenroth und Villingen umfasste . Graß dort eine frühmittelalterliche bzw. karolinger- Zudem engagierten sich die Hersfelder Äbte in der zeitliche Besiedlung plausibel erscheinen8. So wur- Neuanlage von Siedlungen und der Urbarmachung den dort beispielsweise römische Ziegelfragmente von Land in der näheren Umgebung. So belehnte und Quader aus Blasenbasalt (Lungstein) verbaut, etwa Abt Siegfried im Jahre 1183 Kuno von Mün- die von dem römischen Kastell Inheiden stammen zenberg († 1207) mit der Hälfte des Ruppertsber- 9 ges, wo das heutige Dorf Ruppertsburg (wieder) dürften . Die Vermutung liegt nahe, in dem 2009 16 ergrabenen mutmaßlichen Sakralbau die Kirche der entstand . 1290 verkaufte Abt Heinrich dem Rit- von Küther mit dem Hof Graß in Verbindung ge- ter Crafft von Bellersheim 60 Morgen des in Meß- felden (†), Eppelrode (†), Zelle (†) und Nonnenroth brachten Wüstung Hornufa zu sehen, die Ende des 17 8. Jhs. mehrfach erwähnt wurde10. Der geostete neu umgebrochenen Landes . Grundriss, möglicherweise mit einem nicht einge- In der erwähnten Urkunde von 1183 wird Kuno zogenen Rechteckchor, lässt einen vorromanischen von Münzenberg als Vogt des Klosterbesitzes be- Kirchenbau durchaus denkbar erscheinen11. Da die zeichnet. Es liegt nahe, die Münzenberger als mäch- systematische Auswertung und synthetisierende tigstes Ministerialengeschlecht der Region bis zu Darstellung von Seiten der Archäologie noch aus- ihrem Aussterben 1255 als Vögte des gesamten steht, bleibt dies jedoch Vermutung. Hersfelder Besitzes westlich des Vogelberges zu se- Mit der Urkunde von 782 schenkte der fränki- hen. Als ihre Erben traten die Herren von Falken- sche König Karl die Stelle, die Hoinge genannt wird stein u. a. auch als Herren über Hungen auf. (loco qui dicitur Hoinge) und die zuvor der fränki- In der Urkunde von 1183 wurde mit Lubrant sche Graf Heimerich zu Lehen hatte, an das Klos- auch erstmals ein Kleriker in Hungen genannt18. ter Hersfeld. Von der Qualität und der Größe des Da er mit einem anderen Kleriker, Berthold von Ortes oder besonderen Rechten, die mit der Schen- Münzenberg, am Ende der Zeugenreihe noch nach kung verbunden waren, erfährt man daraus nichts. den weltlichen Zeugen aufgeführt wird, vermutete Bei den wenig später im Breviarium Lulli in vil­ Küther, dass sie Kaplane oder Altaristen an den je- la que d[icitu]r Houngun12 genannten 40 Hufen weiligen Burgkapellen waren19. Diese nachgeordne- mit 28 Mansen geht Küther von einer Fläche von te Stellung passt allerdings nicht zu der wohl schon rund 1.600 Morgen aus, auf der sich 28 „Gutshö- damals bestehenden romanischen Kirche20 und der fe“ befunden hätten13. Angesichts der in der For- hervorgehobenen, zentralörtlichen Bedeutung des schung nach wie vor diskutierten Definition bzw. Ortes für die Hersfelder Mark, die beispielsweise im Unterscheidung von Hufe und Manse und vor al- Jahre 1286 mit der Übertragung des Schultheißen- lem deren Größe ist dies nicht haltbar. Sicher ist, amts in Hungen durch Abt Heinrich von Hersfeld dass dort, wo Hufe und Manse nebeneinander ver- an Crafft von Bellersheim ein weiteres Indiz erhält21. wendet wurden – wie insbesondere in Hersfeld und Fulda – Hufe das an „Hintersassen vergebene Land bezeichnet, das zur Existenz einer Bauernfamilie 14 Zitat Hägermann / Hedwig, Art. Hufe, Sp. 155; vgl. auch reicht“ während mansus „eine aus dem Herrenland Schlesinger, Vorstudien, S. 503, 505, 521. 15 Küther, Hungen, S. 55; bspw. Löffler, Herren 2, S. 332, durch die Behausung von mancipia [!] entstande- Nr. 1575: Das Kloster Arnsburg beurkundet den Besitz ne Hofstelle mit folgl. sehr engem Bezug zum Her- von 18 Hufen in der Hersfelder Mark, über den Philipp von Falkenstein die Vogtei habe. Vgl. auch Görlich, Klos- ter und Ders., Schenkung. 7 Küther, Hungen, S. 48 f. 16 HStAM, Urk. 56, 2319; Wenck, Landesgeschichte 3, 8 Gottwald, 6000 Jahre; Recker / Röder, Hof Grass. Urkundenbuch, S. 83, Nr. 84; Görlich, Patronatsrecht; 9 Gottwald / Recker / Röder, Burg-Grass, S. 159 Ders., Kloster. 10 Küther, Geschichte, S. 5 f. Vgl. die urkundlichen Belege in: 17 Eigenbrodt, Urkunden, S. 288 f. „Horloff, Landkreis Gießen“, in: Historisches Ortslexikon 18 Kleinfeld / Weirich, Kirchenorganisation, S. 23. (Stand: 11.11.2014). 20 Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopographie, 11 Vorlauf, Kirche, S. 152 f. S. 81 f.; Janson, Kirchenbauten, S. 143 f., die frühe Datie- 12 Weirich, Urkundenbuch Hersfeld Nr. 38, S. 72, Zeile 6. rung in das 12. Jh. bei Küther, Kirche, S. 172 und Wal- 13 Franke, Breviarium, S. 16 f., Zeile 3. Zu den Datierungs- be, Kunstdenkmäler, S. 138 korrigierend. problemen S. 10. 21 Foltz, Urkundenbuch, Nr. 90, S. 38.

4 Hessischer Städteatlas – Hungen

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt nimmt die For- hätten28. Jedoch wurden mit Volpert Riedesel zu Bel- schung diese Urkunde von 1286 als erstmaligen lersheim (1460–1540, Abbatiat 1493–1513) und Cra- Beleg für die Kirche an22. Aber schon 1240 wur- to I. Myle (1480–1556, Abbatiat ab 1516) noch ein de ein Priester Konrad von Hungen im Zusammen- Vertreter der lokal bedeutenden Adelsfamilie bzw. ein hang eines Streits um den Kirchensatz zu Münster Bürgersohn der Stadt sogar Äbte in Hersfeld29. 23 erwähnt . Die Instruktion des Würzburger Dom- In Hungen sind bis in das frühe 14. Jh. hinein wi- kapitels für ihren Unterhändler bei Erzbischof Sieg- derstreitende Interessen der lokalen Ritterfamilien, fried von Mainz nennt 1246 bereits ausdrücklich 24 der regionalen Ministerialen- bzw. Dynastenfami- die ecclesiam Hohungen . Offensichtlich verfüg- lien, den Mainzer Erzbischöfen, dem Kölner Archi- te Siegfrieds Schützling und Kanzler des neuge- diakonat sowie den Hersfelder Äbten greifbar. Dies wählten Königs Heinrich Raspe, der Fritzlarer und darf durchaus als positives Indiz für die relative Be- Wetzlarer Propst Burkhard von Ziegenhain, über deutung des Ortes noch vor der Stadtrechtsverlei- Rechte an der Hungener Kirche. Ob diese im Zu- hung gelten. Im Laufe der ersten Hälfte des 14. Jhs. sammenhang mit dem Erbe der Grafen von Nid- traten die Falkensteiner, als Erben der 1255 ausge- da rund vier Jahrzehnte zuvor an die Ziegenhainer storbenen Münzenberger, als zunehmend dominie- gekommen, oder aktuell vom Mainzer Erzbischof rende Akteure am Ort auf und festigten sukzessive übertragen worden waren, kann nicht geklärt wer- ihre Rechte und Besitzungen an und in Hungen. den. Auf jeden Fall beanspruchte das Würzburger Bei einer Erbteilung des Falkensteiner Besitzes zwi- Domkapitel die Hungener Kirche zur Ausstattung 25 schen den Brüdern Philipp II. (Butzbacher Linie, seines eigenen Domscholasters . Ob es sich da- † 1293) und Werner I. (Licher Linie, † 1298/1300) mit durchsetzen konnte, bleibt fraglich, zumindest im Jahre 1271 hatte letzterer u. a. die Gerichtsherr- war der Mainzer Dompropst Siegfried von Wes- schaft über Muschenheim, Langsdorf, Trais-Hor- terburg 1274, also eine Generation später, Inhaber loff, Bellersheim, Obbornhofen, Wohnbach, Södel der Hungener Kirche, und Papst Gregor X. räumte und eben auch Hungen erhalten30. Sein Sohn Phil- ihm nach der Wahl zum Kölner Erzbischof im fol- ipp III. (um 1257–1322) und dessen Ehefrau Mecht- genden Jahr das Besetzungsrecht an der Hungener 26 hild, geb. Landgräfin von Hessen (um 1267–nach Kirche ein . Westerburg übertrug dieses Patronats- 1332), einigten sich im Oktober 1318 mit Graf Jo- recht auf seinen Bruder Reinhold, den Propst des hann I. von Ziegenhain († 1359) und dessen Ehefrau Cassius- und Florentinusstiftes in Bonn und Archi- Luitgard über Einkünfte zu Hungen (Hohungen) und diakon in Köln. Er war es, der 1286 seinen Streit das Schloss Rauschenberg (Ruschinberg)31. Der zweite um die Hungener Kirche mit dem Kloster Hersfeld Sohn Werners I., Kuno I. († 1333), erhielt 1327 vom beilegte, das seinerseits im gleichen Jahr, wie oben Kloster Hersfeld die Bewilligung, seine Frau Anna, erwähnt, Crafft von Bellersheim die Vogtei über geb. Gräfin von Nassau († 1339), mit einer Korngülte Hungen übertrug, allerdings unter ausdrücklicher in Hungen zu bewidmen32. Der Enkel Philipps III., Ausnahme des Patronatsrechtes. der VI. dieses Namens (etwa 1320–1370/1373), hei- Auch in den folgenden Jahrzehnten blieb das Pa- ratete 1354 seine entfernte Cousine Agnes († 1380) tronatsrecht stets von den Vogteirechten getrennt. aus der Butzbacher Linie, womit die beiden Linien Es lag wohl bis um 1300 in den Händen des Köl- wieder enger zusammenrückten33. Dementsprechend ner Archidiakons und danach beim Abt von Hers- bezeugte der Bruder von Agnes, Philipp VII. (1332– feld27. Tatsächlich blieb die Verbindung des Ortes 1410), im darauf folgenden Jahr das Wittum seiner mit der Reichsabtei bis in das 16. Jh. hinein recht eng. Schwester mit den vom Kloster Hersfeld lehnsrüh- Küther sieht zwar ab dem Ende des 14. Jhs. die Hers- rigen Gütern in Hungen, Meßfelden (†), Langsdorf, felder Rechte in der Mark Hungen nur noch als „Ge- Villingen, Zelle (†) und Eppelrode (†)34. schäftsobjekt“ und stellt fest, dass mit dem Erwerb der Hersfelder Rechte durch die Falkensteiner zwi- 28 schen 1403 und 1405 „die mehr als 600 Jahre Be- Zum Verkauf: Löffler, Herren 2, S. 425, Nr. 2056 und S. 435, Nr. 2102; Zitate Küther, Hungen, S. 78, 80. ziehungen zwischen Hungen und Hersfeld“ geendet 29 Vgl. „Riedesel von Bellersheim, Volpert“, in: Hessische Bio- grafie (Stand: 25.3.2015); „Crato I.“, in: Hessische Biografie 22 Foltz, Urkundenbuch, Nr. 90, S. 38; vgl. etwa Prokosch, (Stand: 12.3.2015) sowie Görlich, Bürger. Hungen, S. 54; Lang / Schneider / Weissenmayer, Denk- 30 Scriba, Beiträge, S. 240–242. maltopographie, S. 81; Janson, Kirchenbauten, S. 143. 31 Abgedruckt bei Gudenus, Codex 3, S. 156–158; Löffler, 23 Falck, Regesten, Nr. 990, S. 524. Herren 1, S. 316 und Bd. 2, S. 152, allerdings die Relevanz 24 Falck, Regesten, Nr. 1121, S. 588. für Hungen nicht erkennend. 25 Franz, Burkhard, S. 117 f. 32 Löffler, Herren 2, S. 172, Nr. 764. 26 Küther, Hungen, S. 59. 33 Decker, Herrschaften, S. 312. 27 Görlich, Patronatsrecht. 34 Löffler, Herren 2, S. 245, Nr. 1125.

5 Hessischer Städteatlas – Hungen

Besonders die aktive Politik der Licher Linie der angesichts der Berichte über die Zerstörung einfa- Falkensteiner führte zu zahlreichen und kostspieli- cher Dörfer eher unwahrscheinlich40. Möglicher- gen Konflikten, etwa mit den Herren von Hanau, weise schützte der Besitz der Butzbacher Linie in u. a. Miterben am Münzenberger Besitz. Insbeson- Hungen, aus der ja Philipps Frau Agnes stammte, dere in Ulrich III. von Hanau (um 1310–1369/70), aber eben auch deren Onkel Konrad (Kuno), der als der seit 1349 als Reichslandvogt der Wetterau Erzbischof von Trier auf der Seite des Reichsland- agierte, hatte Philipp VI. einen gefährlichen Geg- vogts Ulrich III. von Hanau stand. ner gefunden35. Ein wichtiges Instrument in diesen dynastisch-territorialpolitischen Auseinanderset- zungen waren der Burgenbau und die Städtegrün- 2. Von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts dungen. In diesem Kontext ist auch die Erlaubnis bis zum Ende des 16. Jahrhunderts Karls IV. (1316–1378) zu sehen, die er auf dem Reichstag in Nürnberg am 19. April zunächst Agnes Während der gut 50 Jahre bestehenden Falkensteiner von Falkenstein und am 20. April 1361 dem Ehe- Herrschaft entwickelte sich der bereits recht bedeu- paar gemeinsam gewährte, Hungen zur Stadt zu er- tende Ort in topographischer wie verfassungsmäßiger heben. Agnes befand sich damals mit ihrem Onkel Hinsicht zur Stadt. Aus unsicherer kopialer Überlie- Johann I., der in der Zeugenreihe der Urkunde ge- ferung kann geschlossen werden, dass die Arbeiten an nannt wird, wahrscheinlich in Vertretung ihres ab- der Stadtbefestigung erst nach dem Reichskrieg ein- wesenden Mannes, in Nürnberg36. Ausdrücklich setzten41. Der Vergleich mit dem Stadtmauerbau im wurde vom Kaiser genehmigt, den Ort mit Mauern, benachbarten ebenfalls Falkensteinischen Butzbach Gräben, Türmen, Pforten und anderen Festungs- lässt vermuten, dass die Tätigkeiten in Hungen wahr- werken zu umgeben und ihm alle Privilegien, Rech- scheinlich in drei oder vier Jahrzehnten abgeschlos- te, Freiheiten und Begnadigungen zu verleihen, die sen waren42. Die Befreiung des Antonitermeisters die Stadt Frankfurt genoss. Die Urkunde übertrug Tronet von Bergus 1398 vom Wagengeld durch Phi- den Falkensteinern ebenfalls die Blutgerichtsbarkeit lipp von Falkenstein bei der Durchfahrt wieder und und das Marktrecht37. for sin sloß Houngen43 legt nahe, dass der Mauerring spätestens zu diesem Zeitpunkt geschlossen worden Ob und wie Hungen bereits befestigt war, wie war. Der Stadtgraben, insbesondere der Halsgraben rasch die Genehmigung zum Mauerbau umgesetzt nach Westen hin, war von der Horloff aus mit Wasser wurde und ob und wie schwer Hungen von den wohl bis zum Obertor geflutet und diente zumindest militärischen Auseinandersetzungen im Zusam- 1469, als er erstmals erwähnt wird, auch der gräfli- menhang mit der 1362 beginnenden Falkensteiner chen Fischzucht44. Fehde in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist un- bekannt. Besonders im Reichskrieg in den Jahren Aber nicht nur die Stadt selbst wurde ummauert, 1364–1366, in dem unter der Führung des Reichs- sondern offenbar mehr oder weniger gleichzeitig die landvogtes Ulrich von Hanau Truppen der Wet- erst für 138145 überlieferte, aber sicher ältere Burg, terauer Reichsstädte gegen Philipp VI. vorgingen, nach und nach zu einem Schloss ausgebaut, nicht wurden zahlreiche Dörfer und Burgen im Taunus- zuletzt unter massiver Heranziehung der Stadtbür- vorland, der Wetterau und insbesondere Lich selbst ger. Am 19. Juli 1410 befreite der Trierer Erzbischof mit einigen Dörfern seines Umlandes teilweise zer- Werner von Falkenstein (um 1355–1418) die Stadt stört38. Die verkehrsgünstige Lage Hungens an der gegen die jährliche Entrichtung von 220 fl. von al- Kreuzung alter Straßen – besonders an den „Kurzen len Diensten außer den Burgdiensten mit der Be- Hessen“, die die beiden aufstrebenden Messestädte

Frankfurt und Leipzig über Friedberg, Grünberg, 40 Küther, Hungen, S. 78. Alsfeld, Hersfeld und Eisenach verband – lässt ei- 41 Küther, Hungen, S. 78. gentlich eine Zerstörung erwarten39. Dass die noch 42 Braasch-Schwersmann / Gräf / Ritzerfeld, Butzbach, S. 5, nicht vollständige oder fehlende Befestigung Hun- 29 f. 43 Eckhardt, Klöster, S. 218, Nr. 308. gen vor Belagerung und Zerstörung bewahrt hätte, 44 Item die Fyscherii im Stadtgraben zu Houngen ist myns Jung­ was dann Eingang in die historische Überlieferung hern (Rotes Buch, zit. nach Küther, Hungen, S. 86); Wal- gefunden hätte – wie Küther vermutete – erscheint be, Kunstdenkmäler, S. 135 f. 45 In diesem Jahr bekundet Johann von Vetzberg seine Auf- nahme als Burgmann Philipps von Falkenstein in dessen 35 Schwind, Landvogtei, S. 148 f. Schloss Hungen; vgl. Battenberg, Urkunden 1, S. 165, 36 Küther, Hungen, S. 73 f. Nr. 476. Basierend auf Walbe, Kunstdenkmäler, S. 154, 37 Löffler, Herren 2, S. 270, Nrn. 1251 und 1252; Küther, wird in der Literatur bislang 1383 als Datum der Erst- Hungen, S. 69–71. erwähnung der Burg angenommen und die Umgestal- 38 Wolf, Kriegshandlungen, S. 21 f. tung zum Wohnsitz für 1454–1456 angesetzt. Vgl. bspw. 39 Zur Verkehrslage der Stadt vgl. Kulhavý-Bares, Städte, Küther, Schloß, S. 163; Wildhack, Schloss (b), S. 4, 6 so- S. 24, 28, 64, 67 sowie Küther, Hungen, S. 74 f. wie zuletzt Reinle, Hungen, S. 1382.

6 Hessischer Städteatlas – Hungen gründung, dass sie zu andern Zeiten großen Dinst Dispositionsmasse bei dynastischen Erbteilungen. an demselbene unßerm schloß gethan hant, das unßer Die Bürgermeister fungierten bis ins frühe 19. Jh. Bruder seel. Gedächtnus Philips [VIII. (1353–1407)] hinein eher als Stadtrechner, und der Stadtschult- Her zu Falckenstein unndt zu Müntzenberg das umb. heiß sowie der Amtmann und Keller waren die ent- ged. Schloß dicke umbuere unndt zu einem Schloß scheidenden vom jeweiligen Stadtherrn abhängigen macht, daß denselben unßern Bürgern zu schwer46 Amtsträger am Ort52. war. In dem Ehebrief von 1464 verschrieb Graf Mit Erzbischof Werner von Trier verstarb 1418 Otto II. von Solms (1426–1504) seiner Gemah- der letzte Falkensteiner. Nach anfänglichen Streitig- lin Anna von Nassau-Wiesbaden (1442–1480) u. a. keiten einigten sich die erbberechtigten Dynastien ausdrücklich die Neue Burg in Hoeingen als Wit- 47 am 24. Mai 1419 in Butzbach auf eine Dreiteilung tum . Offenbar hatte man an Stelle der alten Burg des Besitzes, wobei das sogenannte Licher Drittel den damals zeitgenössischen Ansprüchen genügend mit Hungen an die Solmser fiel53. Indes sorgten in- Neubauten errichtet. Sie bilden den Kern des heu- terne Konflikte noch bis 1436 für unsichere Herr- tigen sogenannten Alten Baues und des Frauenzim- schaftsverhältnisse, bevor sich die Brüder Bernhard merbaus. Bis zu seinem Abriss nach 1716 schloss der (um 1389–1459) und Johannes (um 1392–1457) mächtige, seiner Bauweise als Butterfassturm nach von Solms am 22. März 1436 auf eine Teilung des in das 14. Jh. zu datierende Bergfried den Schloss- 48 ererbten Falkensteiner Besitzes einigten und u. a. hof nach Westen hin ab . Hungen nun an die Solms-Braunfelser Linie kam54. Auch innerhalb der Stadt selbst wurde damals Graf Bernhard hielt sich in der Folge selbst öfters gebaut, und Erzbischof Werner von Trier verlieh in in Hungen auf, um von dort aus seine Besitz- und seiner Eigenschaft als Falkensteiner Vormund dem Herrschaftsangelegenheiten in der Wetterau zu re- Eckhart von Riedesel das Neue Haus zu Hungen als geln55. Dementsprechend trieb er auch den Ausbau Burglehen49. Über dessen Lage ist nichts weiter be- des Schlosses voran, den nach seinem Tod im Jah- kannt. re 1459 sein Sohn Otto fortsetzte56. Dessen Ver- Wie oben erwähnt, wurden Schöffen schon vor schreibung Hungens als Witwensitz an seine Frau der Erhebung zur Stadt in Hungen genannt. Die Anna, geb. Nassau-Wiesbaden, begründete eine in späteren Jahrhunderten geprägte Praxis, die bis ins Ausbildung städtischer Ämter erfolgte dann na- 57 turgemäß erst nach 1361. Es dauerte allerdings bis 20. Jh. fortgesetzt werden sollte . 1384, bevor ein städtischer Schultheiß, Zentgraf Das 1469 von Kaiser Friedrich III. (1415–1493) und Bürgermeister genannt wurden und nochmals verliehene Recht, vom 28. Okt. bis 11. Nov. einen eine Generation, bis 1417 die erst drei Jahre zuvor Jahrmarkt abzuhalten, bestätigte zwar das bereits erstmals erwähnten Bürgermeister, Schöffen, Rat mit der Stadtrechtsverleihung 1361 pauschal erteil- und Bürger der Stadt Hungen gemeinsam urkun- te Marktrecht, erweckt aber zugleich den Eindruck, deten50. Andere städtische Amtsträger vom Almo- dass der Marktbetrieb bis dahin nicht sonderlich leb- senmeister über den Bau- und Werkmeister bis zum haft war. Die Haupteinnahmen der Stadt stammten Schweinehirten tauchen erst in der zweiten Hälfte dementsprechend aus dem Wege- und Weinschank- des 16. oder anfangs des 17. Jhs. auf51. Zweifellos geld, das ihnen 1410 noch von den Falkensteinern verfügte Hungen über die übliche Ratsverfassung. verliehen worden war, wofür sie im Gegenzug die Aber die Tatsache, dass die Hoch- und Niederge- Erhaltung der Stadt- und Schlossbefestigung über- richtsbarkeit bei der Stadtherrschaft verblieb, und nehmen musste58. das verhaltene Auftreten der städtischen Gremien Über die genauere Entwicklung der Stadt, ihre in der archivalischen Überlieferung lassen auf einen Bevölkerungsgröße, ihr Wirtschaftsleben und dgl. wohl nur sehr beschränkten Handlungsspielraum weiß man bis zum Ende des Mittelalters wenig. Die der Stadt schließen. Sie war und blieb in erster Li- unterstellte weitgehende Aufsiedlung des ummau- nie Gegenstand stadtherrlicher Pfandgeschäfte und erten Areals lässt vermuten, dass viele Bewohner der spätestens bis Mitte des 15. Jhs. wüst gefallenen 46 StadtA Hungen, Nachlass Küther, X. Unterlagen zur Stadt Dörfer der näheren Umgebung, also Rehborn, Feld- Hungen, 5. Urkundenabschriften 1400–1497. heim, Meßfelden, Zelle und Eppelrode, teilweise in 47 Uhlhorn, Urkunden, Regest des Ehebriefs 1464 Juni 12 (Zitate daraus); HHStAW, 130 II, 486 und 489; vgl. auch Wildhack, Schloss (b), S. 6 f. 52 Küther, Hungen, S. 129–132. 48 Böhme / Friedrich / Schock-Werner, Wörterbuch, S. 103−­ 53 Decker, Herrschaften, S. 314. 105. 54 Battenberg, Urkunden 1, S. 351, Nr. 1036. 49 Battenberg, Urkunden 1, S. 243, Nr. 715. 55 Küther, Hungen, S. 84. 50 Küther, Hungen, S. 81; Battenberg, Urkunden 1, S. 280, 56 Reinle, Hungen, S. 1382. Nr. 833. 57 Wildhack, Schloss (b), S. 13–17. 51 Küther, Hungen, S. 135–142. 58 Walbe, Kunstdenkmäler, S. 130; Keyser, Städtebuch, S. 267.

7 Hessischer Städteatlas – Hungen die Stadt umsiedelten59. Das 1908/09 abgerissene Gottesdienstes in Hungen beschwert, was auf refor- möglicherweise an Stelle eines älteren Burgmannen- matorische Entwicklungen hinweisen dürfte65. Die sitzes Anfang des 16. Jhs. erbaute Brauhaus sowie Übertragung des Präsentationsrechtes von Solms- das heute noch vorhandene Fachwerkhaus Bitzen- Braunfels an den fest katholisch gebliebenen Grafen straße 34–36 und vor allem das Eckhaus Obertor- von Solms-Lich durch den Mainzer Erzbischof Alb- straße 13 / Saalgasse vermitteln einen Eindruck vom recht von Brandenburg im Jahre 1534 änderte nichts Gebäudebestand in der Stadt am Übergang vom an dieser Entwicklung. Im Schmalkaldischen Krieg Mittelalter zur Neuzeit60. Der sich in diesen Bau- 1546/47 standen die Solmser Vettern dann entspre- werken widerspiegelnde relative Wohlstand findet chend auf den gegnerischen Seiten. Graf Philipp von eine Bestätigung im Bericht über die in Hungen ge- Solms-Braunfels folgte dem hessischen Lehensaufge- feierte Hochzeit des Grafen Bernhard III. (1468– bot, während Reinhard von Solms-Lich als Feldmar- 1547) mit Margareta, geb. Gräfin von Henneberg schall die kaiserlichen Truppen anführte66. Die nach († 1510), im Jahre 1492. Da die Beherbergungska- der Niederlage der Schmalkaldener durchgeführte pazität der eigentlichen Residenz Braunfels offenbar Visitation des Mainzer Erzbischofs bescheinigt u. a. nicht ausreichte, wich man nach Hungen aus, wo Hungen, dass der Pfarrer beweibt, lutherisch und scis­ für zwei Wochen neben dem Schlosse mehrere herr­ matisch war und in beiderlei Gestalt kommuniziere67. schaftliche Gebäude das nöthige Unterkommen61 für Graf Philipp widersetzte sich zudem beharrlich dem die zahlreichen, wohl mehrere Hundert zählenden Interim und trieb insbesondere nach der Niederlage Gäste mit ihren immerhin 1.400 Pferden gewährte. des Kaisers im Fürstenaufstand 1552 die Reformation Anders als in den benachbarten Städten Friedberg, in seinem Territorium weiter voran, die 1560 als abge- Butzbach oder Grünberg ist im Falle Hungens über schlossen gelten kann. Neben dem Bekenntniswechsel frühe reformatorische Strömungen oder Unruhen im bedeuteten die Förderung und der sich in Konturen abzeichnende Ausbau der städtischen Schule die wich- Zusammenhang mit dem Bauernkrieg 1525 nichts 68 bekannt. Wahrscheinlich blieb die Stadt von den tigsten Folgen der Reformation für Hungen . turbulenten Ereignissen in der Region indes nicht 1568 nahm Philipp seinen Sohn Konrad (1540– unberührt62. Kenntnis hatte man vom kirchlichen 1592) zum Mitregenten an und siedelte von Braun- Umbruch sicher, hielten sich doch Graf Bernhard fels nach Hungen über, wo er bis zu seinem Tod und der solmsische Amtmann Heinrich Riedesel von 1581 im Schloss wohnte69. Hungen diente also in Bellersheim 1521 auf dem Wormser Reichstag auf63. gewisser Weise als Nebenresidenz. Wohl aus Rück- Vier Jahre später nahm Graf Bernhard als Gesandter sicht auf seinen hochbetagten Vater folgte Kon- der Wetterauer Grafen auf dem Reichstag in Augs- rad erst nach dessen Tod dem Schritt seiner beiden burg teil und äußerte den Wunsch der Grafen, das Schwäger Wilhelm I. von Oranien und Johann VI. das wort gotes freye zugeloßen und demselben gut und von Nassau und trat zum reformierten Bekennt- bestendig ordenung aufgericht und gehalten möchte wer­ nis über. Schon im darauf folgenden Jahr berief er den64. Es dauerte allerdings noch bis 1540, bevor sein 1582 eine Synode nach Hungen ein, zu der alle Pfar- Sohn, und seit 1539 Mitregent, Philipp (1494–1581), rer und höheren Amtsträger seiner Grafschaft ein- die Reformation in der Grafschaft Solms-Braunfels geladen wurden. Eine reformierte Kirchenordnung schrittweise einführte. Doch bereits 1531 hatte sich wurde verabschiedet, und binnen 14 Tagen sollten Graf Philipp von Solms-Lich auf Drängen des Mari- die Altäre aus den Kirchen entfernt und durch ge- enstifts in Lich bei Graf Bernhard von Solms-Braun- eignete Tische ersetzt werden. fels über Veränderungen in Form und Inhalt des Entsprechend dieser konfessionellen Neuaus- richtung zog es künftig einige Bürgersöhne an die calvinistischen Hochschulen, vor allem an die kur- 59 Vgl. die Auflistung derWustenungen in dem um die Mit- pfälzische Universität in Heidelberg und an die te des 15. Jhs. entstandenen „Roten Buchs“, abgedruckt 70 in Küther, Hungen, S. 85–87; sowie Ders., Wüstungen, nassauische Hohe Schule in Herborn . Aber auch S. 186–197. Marburg – insbesondere vor der zweiten Reforma- 60 Engel, Bilder, S. 34; Walbe, Kunstdenkmäler, S. 164; tion in Solms-Braunfels und dann wieder nach der Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopographie, S. 75, 85. Einführung des reformierten Bekenntnisses in Hes- 61 Solms-Laubach, Geschichte, S. 51. sen-Kassel 1605 – spielte als Studienort eine erheb- 62 Zum regionalen Überblick vgl. Küther, Anfänge; Gräf, Reformation. 63 Gf. Bernhard verhandelte hier u. a. mit dem Kaiser über 65 Küther, Hungen, S. 92; Ders., Marienstift, S. 203. die Freilassung seines Sohns Philipp, der kurz zuvor bei 66 Schmidt, Grafenverein, S. 238–241. einer Fehde in hessische Hände gefallen war; vgl. Reichs- 67 Zitiert nach Diehl, Pfarrerbuch, S. 144. tagsakten II, S. 764 und 811. Zu Riedesels Aufenthalt: 68 Küther, Schule, S. 219–221. Küther, Hungen, S. 91. 69 Küther, Hungen, S. 98. 64 Zitiert nach Schmidt, Grafenverein, S. 206. 70 Küther, Hungen, S. 100–102.

8 Hessischer Städteatlas – Hungen liche Rolle71. Erfurt mit seiner alten Universität für Der Abriss der Altäre und der damit einherge- das Erzbistum Mainz, wo zwischen 1471 und 1520 hende Bildersturm 1582 hatten den Kirchenraum er- immerhin neun junge Männer aus Hungen studiert heblich in Mitleidenschaft gezogen. Aber erst 1591 hatten, verlor hingegen seine Bedeutung als Studi- ordnete Graf Konrad an, die Trümmer zu beseitigen, enort72. damit die Kirche nicht für einen Sewstall 79 gehalten Im Jahr der Einführung des reformierten Be- würde. Sein Tod ein Jahr später ließ die Arbeiten of- kenntnisses regelte Graf Konrad auch das Wein- fenbar stocken. Sein Nachfolger, Johann Albrecht I. (1563–1623), plante nun den Abriss des gesam- monopol und die städtischen Baulasten neu. Hatte 80 die Stadt zuvor im Gegenzug für den Genuss des ten alten Kirchenschiffes und einen Neubau . Die- Weingeldes die Instandhaltung der Stadtmauer ser mehr als doppelt so große Bau mit Empore trug wie der Befestigung der Burg zu tragen, wurde sie der im Laufe des 16. Jhs. wohl gewachsenen Bevölke- von letzterer Pflicht befreit und sollte das Weingeld rungszahl Rechnung, vor allem entsprach er aber im zum Nutzen der Stadt einsetzen. Die Lage des da- Grundriss, mit seinen betont profanen Fassaden, dem mals erbauten Weinhauses, das der Lagerung und einfachen Altartisch und insbesondere der zentralen Predigtkanzel den Anforderungen des reformierten vor allem dem Ausschank diente, ist allerdings un- 81 73 Gottesdienstes . Die Kirche gilt als die „erste evan- bekannt . Einen Eindruck des Stadtbildes gegen 82 Ende des 16. Jhs. vermittelt das sogenannte Amts- gelische Steinkirche Oberhessens“ . haus (Sulzbach’sches Haus) in der Obergaße (heu- tige Obertorstraße), das 1977 abgebaut und später 3. Residenz der selbstständigen Grafschaft im Freilichtmuseum Hessenpark bei Neuanspach Solms-Hungen (1602–1678) im Taunus wieder aufgestellt wurde74. Das 1563 als 75 Privathaus auf Kosten des Bürgers Johan Aemilius Nach dem Tod Graf Konrads übernahm zunächst errichtete Gebäude in der Obergaße wurde bald da- 76 Johann Albrecht als ältester der damals noch le- rauf als Rathaus genutzt . Wegen der großen Ähn- benden acht Brüder die Regierung. Nachdem drei lichkeit der überlieferten Bauinschrift mit jener an Brüder zwischen 1595 und 1602 verstorben waren, dem im gleichen Jahr und vom gleichen Baumeister teilten die drei ältesten Brüder die Grafschaft un- konzipierten Haus Reichsgasse 23 in Langsdorf wird tereinander auf. Bei dieser Teilung erhielten Johann auf ein stattliches Gebäude mit massivem Erdge- Albrecht den Stammsitz Braunfels, Wilhelm (1570– schoss aus Bruchsteinen und einem Fachwerkober- 77 1635) Greifenstein, jeweils mit den dazugehörigen geschoss mit Erker und Laubengang geschlossen . Dörfern, und Otto (1572–1610) Hungen mit den Die Straße vom Ober- bis zum Untertor wird erst- 78 Dörfern Villingen, Nonnenroth, Langsdorf, Bet- mals 1551 als gepflastert erwähnt . tenhausen, Bellershausen, Birklar, Muschenheim, Dorf-Güll, Holzheim, Eberstadt, Oberhörgern, Gambach, Griedel und Wölfersheim sowie Tei- 71 Diehl, Pfarrerbuch, S. 144 f. le von Grüningen und Münzenberg83. Die beiden 72 Eigene Auszählung nach Weissenborn / Hortzschansky, Acten. noch lebenden jüngeren Brüder wurden mit jähr- 73 Küther, Hungen, S. 103. lichen Pensionen abgefunden. Infolge dieser Ver- 74 Walbe, Kunstdenkmäler, S. 165–167; Engel, Bilder, einbarung war Hungen nun die Residenz- und S. 44 f. Die Allianzwappen über der Pforte (datiert 1589) Hauptstadt eines eigenen kleinen Territorialstaates. und dem Tor (datiert 1623) konnten bislang nur teilweise gedeutet bzw. entsprechenden Familien zugewiesen wer- Die konfessionelle Ausrichtung der Grafen von den. Der in beiden Wappen jeweils rechts stehende Ad- Solms-Braunfels auf den Calvinismus hatte ne- ler mit einem Nagel wird der Hungener Familie Schmidt ben den erwähnten kirchenbaulichen Veränderun- zugewiesen. Tatsächlich sind ein Konrad Schmidt 1566– 1582 und ein Johann Eberhard Schmidt 1623–1635 als gen auch längerfristig erhebliche Auswirkungen auf Solmsische Amtmänner in Hungen belegt; vgl. Küther, Hungen. Mit der Hinwendung zum Reformierten- Hungen, S. 131, 135; Sobik, Amtshaus, S. 44. Das im Tor- tum waren die Solms-Braunfelser, wie einige ande- bogen heraldisch links stehende Wappen mit dem Herzen re Wetterauer Grafenfamilien, in die reichs- und und den drei Eicheln ist ab dem späten 17. Jh. als Ortswap- pen von Eichen belegt; Sobik, Amtshaus, S. 40 f. bündnispolitische Klientel der Kurpfalz getreten, 75 Küther, Hungen, S. 131. wo Johann Albrecht 1602 zum Großhofrat in Hei- 76 Dabei dürfte es sich um das 1714 als „Rathhaus“ in der Obergaße, heute Obertorstraße 18, genannte Gebäude handeln; vgl. StadtA Hungen XXVI.6.14.1, Skizze mit Er- 79 Zitiert nach Küther, Hungen, S. 104. läuterungstext des sog. Müntzplatzes hinter dem Rathaus 80 Zu ihm jüngst Böhnert, Graf Johann Albrecht. zu Hungen, 1714 (vgl. Sonderblatt 5, Abb. 8). 81 Küther, Hungen, S. 104–106; Ders., Kirche, S. 171; 77 Küther, Hungen, S. 130–132; Walbe, Kunstdenkmäler, Walbe, Kunstdenkmäler, S. 138–140. S. 200–204; Lang / Schneider / Weissenmayer, Denk- 82 Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopographie, maltopographie, S. 510. S. 83. 78 Küther, Hungen, S. 134. 83 Küther, Hungen, S. 104 f.

9 Hessischer Städteatlas – Hungen delberg bestellt wurde. Mit dem Konfessionswech- kleine Residenzstädte, wie etwa auf das benachbar- sel eröffneten sich auch europäische Tätigkeitsfelder, te Butzbach, vermuten91. etwa als Militär oder Diplomat in den Diensten der Ein Stadtherr vor Ort konnte auf jeden Fall sehr Hugenotten in Frankreich oder der aufständischen viel direkter in die städtischen Belange eingreifen. So niederländischen Generalstaaten. Mit den nassau- entzog Graf Otto der Stadt im Oktober 1608 wie- oranischen Generalstatthaltern bzw. dem Haus der das Weingeld und übernahm dafür seinerseits Nassau- war man zudem durch Konnu- 84 den Unterhalt der öffentlichen Gebäude und vor al- bium eng verbunden . lem der Verteidigungsanlagen92. Die Frondienste der Graf Otto trat z. B. bereits 1589 in französische Bürger blieben indes erhalten. Die Vermutung liegt Dienste, wechselte 1592 in niederländische, kehrte nahe, dass er, der als Baumeister in kurpfälzischen 1595 in französische zurück, wurde 1597 Kriegsrat Diensten u. a. an der Erbauung der Festung Fried- und Obrist bei Landgraf Moritz von Hessen-Kas- richsburg und Mannheims federführend tätig war, sel und gleichzeitig in der Kurpfalz85. In den nächs- auch umfängliche Baumaßnahmen für seine Resi- ten Jahren unternahm er Gesandtschaftsreisen denzstadt plante. Im gleichen Jahr wurde der Ort nach Paris, London und Den Haag; 1604 wurde am 17. Mai von einem schweren Stadtbrand heim- er als Oberhofmarschall Mitglied der engeren kur- gesucht, der post meridiem ¼ Stund nach 8 [ausbrach pfälzischen Regierung. Diese vielfältigen Aufgaben und] biß bald ein Uhr nach Mitternacht [währte]. Die zwangen den Grafen zwar zu langfristigen Abwe- gut vierstündige Feuersbrunst verbrandte zu Grund senheiten, allerdings verschafften sie ihm das nöti- 14 scheunen, griff an 8 Heuser, die noch mit Abreißung ge Geld, um nach seiner Anfang 1604 in Birstein der Dach erhalten sein worden93. mit der Witwe des Grafen Wolfgang von Isenburg, Da Graf Otto kinderlos verstarb, übernahm sein Ursula, geb. von Gleichen († 1625), geschlossenen jüngerer Bruder Reinhard (1573–1630) die Regie- Ehe den Ausbau des Hungener Schlosses zu begin- 86 rung in Hungen. Er stand als Oberst ebenfalls in nen . Tatsächlich betrugen die Bezüge aus diesen kurpfälzischen Diensten und brachte die Baupro- auswärtigen Bestallungen im Jahr ein Vielfaches 87 jekte seines Bruders im Schlossbereich und der Kir- der gesamten Landsteuer . Entsprechend ehr- che bis 1616 zu Ende. Ihm gelang 1618 außerdem geizig war sein Bauprogramm, das vor allem das 88 eine Einigung mit dem Marienstift und seinem ka- Schloss bis heute prägt . Mit dem Tor- und Kanz- tholisch gewordenen, in kaiserlichen Diensten ste- leibau im Norden wurde der Schlossbereich erheb- henden Vetter Philipp (1569–1631) in Lich, in deren lich erweitert und gleichzeitig gegenüber der Stadt Zuge er das Patronatsrecht über die Kirche und die abgegrenzt. Umgebaut wurden der Frauenzimmer- Schule erlangte sowie den alten, teilweise verfalle- sowie der Alte Bau, an den nördlich angrenzend nen, im Südosten an den Schlossbereich anschlie- der Neue Saalbau entstand. Die projektierte Anla- ßenden Pfarrhof erwarb94. 1629 wurde dieses Areal ge eines Springbrunnens im Schlosshof wurde al- um das Hofgut erweitert95. lerdings 1606 wegen technischer Schwierigkeiten aufgegeben89. Der Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges im Jahre 1618 zog bald auch Hungen und seine Bevöl- Ebenfalls unter Graf Otto wurde bis 1608 das kerung in Mitleidenschaft. Während der ersten drei Hauptschiff der Stadtkirche vollendet. Nach sei- Jahre versorgte man Kriegsflüchtlinge und muss- nem Tod (1610) in kurpfälzischen Militärdiensten te kaiserliche bzw. spanische Kontributionsforde- im Elsass ließ seine Witwe 1616 in deren Chor ein rungen erfüllen. Ab 1622 kam es immer wieder zu Epitaph errichten und begründete damit die Fami- Durchmärschen und Einquartierungen, die besten- liengrablege der Linie Solms-Hungen. Dank seiner falls nur die Stadtkasse belasteten und die Vorräte auswärtigen Einkünfte hinterließ Graf Otto trotz der Bewohner schmälerten, aber auch immer öfter dieser kostspieligen Bautätigkeiten ein schuldenfrei- 90 zu Plünderungen und gewalttätigen Übergriffen auf es Erbe und sogar rund 7.300 fl. in bar . Dass die die Bevölkerung führten96. 1625 versuchte man, die Stadt von ihrer neuen Rolle als Residenz insgesamt profitierte, lässt der vergleichende Blick auf andere 91 Gräf, Arolsen, S. 31–33, 38, 40, 46. 92 Uhlhorn, Otto, S. 288–290. 93 StadtA Hungen, Nachlass Küther, X. Unterlagen zur Stadt 84 Gräf, Grafschaften, S. 70–76; Schmidt, Grafenverein, Hungen, 6. Urkundenabschriften 16.–18. Jh. S. 525–­527. 94 Küther, Hungen, S. 108. 85 Solms-Laubach, Geschichte, S. 76 f. 95 Wildhack, Schloss (b), S. 10. 86 Uhlhorn, Otto, S. 288. 96 Zu den Kriegsereignissen, Einquartierungen, Brandschat- 87 Gräf, Grafschaften, S. 79. zungen, Kontributions- und Proviantforderungen im Zu- 88 Walbe, Kunstdenkmäler, S. 153–162. sammenhang mit den Truppendurchzügen in und um 89 Wildhack, Schloss (b), S. 10. Hungen vgl. Küther, Hungen, S. 109–128; Solms-Lau- 90 Solms-Laubach, Geschichte, S. 76. bach / Mattaei, Wetterfelder Chronik, S. 156 f.

10 Hessischer Städteatlas – Hungen städtischen Befestigungsanlagen mit Staketen und Hundert Einwohner gehandelt haben. Die geringe Holzverhauen zu verstärken97. Zahl an erhaltenen Bauwerken aus der Zeit vor 1618 Trotz dieser unruhigen Zeiten ließ Graf Rein- lässt zudem einige Zerstörungen vermuten. Der hard 1629 die Untermühle oder Johannismühle er- Handel und das Handwerk lagen darnieder, die Fi- richten. Gleichzeitig veranlasste er die Anlage des nanzkraft der öffentlichen, wie der meisten privaten Walls, der, anstelle einer möglicherweise vorher vor- Kassen war weitgehend erschöpft. Hier schien Graf handenen Zwingermauer, wie sie vergleichweise in Moritz beim Wiederaufbau ansetzen zu wollen und Butzbach bestand, das Vorfeld der Stadtmauer ab- ließ 1651 den sogenannten Münzbau errichten, von sichern sollte98. dem allerdings weder die Bauweise noch die Maße bekannt sind und dessen Standort nur erschlossen Im März 1635 bezog der kaiserliche General Phi- werden kann103. lipp Graf von Mansfeld-Vorderort (1589–1657) im Schloss sein Hauptquartier und ließ die städtische Auch das Marktgeschehen scheint nach dem Befestigung mit 3.000 Palisaden durch „Zwangskon- Krieg wieder aufgelebt zu sein. So berichtete am tingente aus der Stadt und den umliegenden Orten“99 16. Juni 1656 der hessische Amtmann zu Langd, verstärken. Hatte die Pest in Hungen bis dahin nur der Besitzer des Hofs Graß, Johann Adolf Rau von vergleichsweise wenig Opfer gefordert, traf sie die Holzhausen († 1660), ließe das Feld, auf dem am Bevölkerung nun in voller Härte. Die Kirchenbü- 8. Aug. der Cyriakus-Jahrmarkt in der Rodheimer cher setzen zwar erst 1639 ein, jedoch kann man von Gemarkung abgehalten würde, ohne Rücksicht auf den Aufzeichnungen des damaligen Pfarrers Phi- die Reife des Getreides abmähen, und man habe erst jetzt durch Verhandlungen erreicht, den Markt lipp Schnabel, der mit seinen Kindern im Sommer 104 1635 ebenfalls Opfer der Seuche wurde, auf mehre- auf einen Wüsten Platz zu verlegen . re Hundert Tote, vielleicht zwei Drittel der Bevölke- Den Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges rung, schließen100. Von den zwölf Ratsherren lebten geschuldet und entsprechend seiner militärischen am 26. Juni des Jahres sogar nur noch zwei101. Disposition, versuchte Graf Moritz die Befestigung Graf Reinhard lebte bis 1630, ihm folgte sein seiner Residenzstadt zu verbessern. Zu diesem Zweck minderjähriger Sohn Moritz (1622–1678), mit des- bestellte er bei dem damals u. a. für die Grafen von sen Tod die Linie Solms-Hungen bereits wieder Hanau, Isenburg, Nassau und Stolberg in Hanau, aussterben sollte. Er besuchte ab 1633 zunächst das Birstein, Büdingen, Idstein, Weilburg und Orten- Gymnasium in Birstein, folgte dann der Familien- berg tätigen Baumeister August Rumpf (1591–1666) ein Gutachten über den Zustand und die Ausbau- tradition und trat 1642 in niederländische Kriegs- 105 dienste. 1644 heiratete er Florentine (1624–1698), möglichkeiten der Hungener Stadtbefestigung . eine Tochter des niederländischen Feldmarschalls Selbst wenn eine Planzeichnung fehlt, die Beschrei- Johann van Brederode und der Gräfin Anna, ei- bungen Rumpfs nicht immer leicht nachvollziehbar ner Tochter Johanns VII. von Nassau-Siegen. 1669 sind und es unsicher ist, welche seiner Vorschläge in schied er als Obrist aus dem niederländischen Mi- den folgenden Jahren tatsächlich umgesetzt wurden, erhält man nun erstmals eine konkretere Vorstellung litär und stieg anschließend in hessen-kasselischen 106 Diensten noch bis zum Generalwachtmeister der der städtischen Verteidigungsanlagen . Beide Tore, Truppen des Oberrheinischen Reichskreises auf, die Ober- und Untertor, bestanden aus Tortürmen in er 1674 im Krieg gegen Frankreich anführte102. der Stadtmauer. Im Abstand von 40 bis 50 m befan- den sich an den jeweiligen Durchschnitten des Walls Über die Bevölkerungszahl am Ende des Drei- Vortore, die teilweise von Bastionen bzw. Rondells ßigjährigen Krieges und den Grad der Zerstörun- flankiert wurden, die es nach den Kriegsschäden gen in der Stadt ist nichts bekannt. Nimmt man den Regelbefund, so wird man mit einer mindes- tens um die Hälfte geschrumpften Einwohnerzahl 103 Küther, Hungen, S. 128; vgl. Sonderblatt 5, Abb. 8. rechnen müssen, das heißt, es dürfte sich um wenige 104 StadtA Hungen, Nachlass Küther, X. Unterlagen zur Stadt Hungen, 5. Urkundenabschriften 1400–1497 [!]. Zu den Konflikten zwischen Holzhausen und den hessen-darmstäd- tischen Beamten in diesen Jahren vgl. auch Schwab / Steinl, 97 Küther, Hungen, S. 111. Historisches, S. 123 f. 98 Solms-Laubach, Geschichte, S. 77; vgl. auch die Zeichnung 105 F SB A, Signatur A 41.5 IV 572/1; Steinl, Rumpf, hier die nach einem verschollenen Plan des 17. Jhs., abgedruckt bei Transkription des Gutachten S. 73–76; das Folgende mit Küther, Hungen, S. 129; Walbe, Kunstdenkmäler, S. 137. Zitaten danach. 99 Küther, Hungen, S. 122. 106 Ob der auf Sonderblatt 3 reproduzierte Stadtplan von 100 Küther, Philipp Schnabel, S. 457; Keyser, Städtebuch, Rumpf stammt oder im Zusammenhang mit dessen Fes- S. 266. tungsgutachten entstand, ist nicht zu entscheiden. Im- 101 Küther, Hungen, S. 126 f.; Stein, Geschichte, S. 154. merhin sind die von Rumpf beschriebenen Anlagen bzw. 102 Solms-Laubach, Geschichte, S. 78. Ausbauten darin nachvollziehbar.

11 Hessischer Städteatlas – Hungen zumindest teilweise auszubessern galt. Das Untertor, 4. Vom Übergang an Solms-Braunfels bis zum so der Vorschlag von Rumpf, könne besser verteidigt Ende des Alten Reiches werden, wan ein schmaller baw uff d[a]ß inderste dohr wie zu vor gewesen wiederumb gesetzet wirdt […] so Die Jahrzehnte um 1700 waren durch die Reichs- ist auch Mehrer versicherung deß dohrs auß dem gro­ kriege gegen Ludwig XIV. und den Spanischen Erb- ßen Rundel etliche schießlöcher uff zuraumen und die folgekrieg gekennzeichnet. Hungen blieb zwar von gewölber sauber und trucken zu halten. Die Zwin- unmittelbaren Kriegszerstörungen bewahrt, aber es germauern zwischen den Toren und Vortoren soll- mussten mehrere Tausend Gulden Kontributionen ten hingegen wied[er] etwas erhoben und verglichen aufgebracht, immer wieder fremde Truppen ein- werden. Zudem sollten die Wälle um die Stadt von quartiert und nicht zuletzt Soldaten für das gräfliche allem Buschwerk befreit werden, um ungehinderte Kontingent im Reichsheer gestellt werden. Zahlrei- Sicht im Zwinger zwischen Stadtmauer und Wall zu che bis heute erhaltene Gebäude aus dieser Zeit zeu- gewährleisten. Der Abschnitt vom Obertor nach Sü- gen gleichzeitig von einem gewissen Aufschwung, den, vorbei am Schloss und bis in d[a]s bolwerk […] den die Stadt in diesen Jahrzehnten erlebte (etwa kann [man] den underthanen vor ihr vieh zu unsichern Bitzenstraße 16 und 17, Brauhofstraße 8, Saalgas- zeiten eingeben und ihnnen zu stallung und vor fuede­ se 3 und 7 und Untertorstraße 9), obwohl sie ihre rung Schuppen zu machen nach jeden eines gelegenheit Rolle als Sitz einer Residenz eines eigenständigen vergönnen. Das große Bollwerk war wahrscheinlich Territoriums verloren hatte111. Während des Sieben- zwischen dem Vortor des Untertores und der Ober- jährigen Krieges wurden Hungen und sein Umland mühle vorgesehen, die mit palisaden- und brust- von den Kriegshandlungen direkt betroffen, in de- wehrbedeckten Laufgängen erreichbar und damit ren Verlauf Hungen auch mehrfach für längere Zeit im Angriffsfall in die Verteidigung der Stadt mitein- von französischen und preußischen Truppen besetzt bezogen werden konnte. Es wurde entsprechend der wurde112. 107 Stadtansicht von um 1700 tatsächlich ausgeführt. Zu diesen kriegerischen Unbilden kamen Aus- Schließlich war geplant, die Stadtmauer im Norden einandersetzungen der Stadtgemeinde mit den zu erhöhen und mit hölzernen Wehrgängen zu ver- Fürsten von Solms-Braunfels, als letztere 1772 ein sehen sowie das vier Eckigte gemeurts am brawhauß größeres Teilstück des Heckenwaldes im Osten der zum Turm zu erhöhen, von dem aus man den Zwin- Gemarkung zur Erweiterung des Tiergartens nut- ger und den Wall selbst besser bestreichen könnte. zen wollten. Der Streit zog sich über Jahrzehnte Einige teilweise recht repräsentative Bauten hin, und die Stadt trat das Gelände erst 1802 ge- der unmittelbaren Nachkriegszeit zeugen von ei- gen eine Zahlung von 12.000 Gulden an den Fürs- ner gewissen, zumindest punktuell vorhandenen ten ab113. In diesem Zusammenhang entstand im Wirtschaftskraft und einem einsetzenden Wieder- Jahre 1790 wohl die Geometrische Karte von dem aufbau. Dazu gehören etwa die Hofanlage Liebfrau- herrschaftlichen Thiergarten bey Hungen, von der enberg 19 aus dem Jahre 1667, das Haus Obertor 33 Hand des Solmsischen Forstmeisters Georg Lud- am Marktplatz aus dem Jahre 1663 sowie das außer- wig Hartig (1764–1837)114. Hartig gilt als einer der gewöhnlich große dreigeschossige Haus Obertor- bedeutendsten deutschen Forstwissenschaftler und straße 29 / Ecke Marktplatz aus dem Jahr 1661108. begann als 22-Jähriger seine Laufbahn in Hungen, Nach dem Tod Graf Moritz’ im Jahre 1674 dien- wo er 1786 seine erste Stellung als Solms-Braunfel- te Hungen zunächst als Sitz für seine Witwe Floren- sischer Forstmeister antrat. Im Laufe seiner zwölf tine, die allerdings später nach Frankfurt verzog, wo Jahre währenden Tätigkeit schrieb er einige Lehr- bücher und gründete in Hungen die erste Forst- sie 1698 verstarb. Das Territorium fiel an die beiden 115 Cousins Wilhelm Moritz von Solms-Greifenstein schule Deutschlands . (1651–1720) und Heinrich Trajectinus von Solms- Ein weiterer langwieriger Streit in den letzten Braunfels (1638–1693)109. Nach dem Tod des Letz- Jahrzehnten des 18. Jhs. zwischen der Stadt und teren in englisch-oranischen Kriegsdiensten kam den Fürsten betraf die Erneuerung bzw. Ausbesse- Hungen an Wilhelm Moritz, der sich nun Solms- rung der Straßenpflasterung. Unter Berufung auf Braunfels nannte, und wurde bis zum Ende des Al- ten Reichs von Braunfels aus verwaltet110. 111 Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopographie, S. 74 f., 77 f., 88 f., 94. 112 Vgl. die Aufstellung bei Prokosch, Hungen, S. 562–565. 107 Privatbesitz Braunfels (vgl. Sonderblatt 4, Abb. 6). 113 Küther, Hungen, S. 146. 108 Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopographie, 114 FSBA, A Planschrank 24,2 / A III 28 (vgl. Sonderblatt 2, S. 81, 86. Abb. 4). Zu Hartig zuletzt: Weimann, Biographien, S. 263– 109 Zu ihm zuletzt Herbert, Graf Heinrich Trajektin. 270. 110 Küther, Hungen, S. 142. 115 Schmitz, Hartig, S. 461.

12 Hessischer Städteatlas – Hungen den Entzug des Weingeldes und die im Gegen- 5. Im Großherzogtum Hessen zug übernommenen Baukosten durch Graf Otto von Solms-Hungen im Jahre 1608 weigerten sich Die Integration der ehemals solmsischen Gebiete in die Schöffen, die Kosten für die Straßenpflasterung das Großherzogtum verlief nur zögerlich, nicht zu- mitzutragen. Dies veranlasste die fürstliche Rent- letzt durch die – abgesehen von wenigen Unterbre- kammer, das Vieh der Schöffen zu pfänden. Der chungen – bis 1815 andauernden Kriege. Im Laufe daraufhin angestrengte Prozess am Reichskammer- der Jahre wurden aber Maße und Gewichte verein- gericht währte bis zu dessen Ende im Jahre 1806, heitlicht oder zumindest verbindlich in Dezimal- ohne dass es zu einem Urteil gekommen wäre. Im- maße umgerechnet, die Steuerlasten angeglichen merhin wurden 1791 der Marktplatz und der Weg und die Sonderrechte der ehemaligen solmsischen zur Kirche gepflastert116. Demnach blieben außer Amtsträger aufgehoben121. der vom Ober- zum Untertor führenden und wohl Bereits zu Beginn der Zugehörigkeit zum Groß- schon im Spätmittelalter befestigten Durchgangs- herzogtum stürzte 1806 das Obertor wegen Bau- straße die Seitenstraßen bis in das 19. Jh. hinein 117 fälligkeit ein. Da die mittelalterlichen Stadttore unbefestigt . ohnehin keinen militärischen Schutz mehr boten Das 18. Jh. endete, wie es begonnen hatte, mit und der Dauerkonflikt zwischen Stadtherrn und Krieg. Ab 1792 erfolgten zahlreiche Truppendurch- Stadt um die Bau- und Unterhaltspflicht der Befes- züge im Zusammenhang mit den Koalitionskriegen tigungsanlagen fortbestand, kam ein Wiederaufbau gegen das revolutionäre Frankreich. Die ohne- nicht in Frage. Im Gegenteil: Als im Jahr darauf hin durch eine Hungersnot im Jahre 1787 betrof- auch die Unterpforte erhebliche Bauschäden auf- fene Bevölkerung musste wiederum Getreide, Heu wies, riss man sie kurzerhand ab. und Stroh abliefern und zudem Vorspanndiens- Nachdem der Wiener Kongress 1815 eine Phase te leisten. Von Oktober 1794 bis September 1795 der relativen staatlich-politischen Stabilität eingelei- wurde zudem im Schloss ein Lazarett für die kai- tet hatte, folgte die administrative Neuordnung. In serlichen Truppen eingerichtet. Die ungefähr 350 deren Verlauf wurde Hungen 1820/22 zunächst Sitz dort verstorbenen Soldaten, darunter viele Katho- eines Landratsamtes, der Gebiete zusammenfasste, liken, wurden auf einem eigenen Friedhof beige- die ehemals zu den Territorien von Solms-Braunfels, setzt, der östlich der Straße nach Nonnenroth lag, Solms-Lich und Solms-Laubach gehörten und die an den heute nur noch der Flurname Bei den Kai­ 118 Ämter Hungen, Grüningen, Laubach, Lich, Nie- serlichen erinnert . Auch die nächsten Jahre brach- der-Weisel, Utphe und Wölfersheim umfasste122. ten erhebliche Belastungen für die Stadt und ihre 1841 wurde die Stadt Sitz des erheblich verkleiner- Bewohner durch die Truppendurchzüge wie durch ten Kreises Hungen. Den Stadtvätern war die Re- die Viehseuchen, denen 1796 drei Viertel der rund levanz der Administration für die zentralörtliche 270 Rinder und mehrere Hundert Schafe zum Op- 119 Bedeutung ihres Ortes durchaus bewusst und sie er- fer fielen . richteten 1841–43 daher auf Kosten der Stadt in der Neben diesen durchaus existentiellen Bedräng- Kaiserstraße ein neues Landratsamt. Im Zuge der nissen des Alltags war Hungen von den tief- Neueinteilung der Kreise wurde Hungen allerdings greifenden staatlich-politischen Umbrüchen der 1852 zunächst Nidda und 1874 dem Landkreis Gie- Napoleonischen Zeit betroffen. 1803 profitierten ßen zugeschlagen. die Solmser ganz erheblich von der Säkularisation Neben der allgemeinen Verwaltung nahm auch des Kirchenbesitzes. Die Braunfelser erhielten das die Justiz des Großherzogtums ihren Sitz in Hungen Kloster Altenberg an der Lahn, und das bedeutende und knüpfte damit an das alte solms-braunfelsische Kloster Arnsburg fiel an die Gesamtfamilie. Doch Gericht an. Das Landgericht, seit 1879 Amtsgericht, schon drei Jahre später mit dem Ende des Alten Rei- behielt noch bis 1934 seinen Sitz in Hungen123. Eine ches 1806 kamen Hungen und die umliegenden erhebliche Rolle für die Verwaltungsfunktion Hun- Amtsdörfer an das neugegründete Großherzogtum Hessen, bei dem es bis zum Ende des Ersten Welt- krieges verbleiben sollte120.

121 Das Folgende, wenn nicht anders angegeben, nach Küther, Hungen, S. 149–152. Zur Vereinheitlichung der Gesetz- gebung im Zusammenhang mit der Revolution 1848 vgl. 116 Küther, Hungen, S. 146. Staubach, Unruhen, S. 177; zur Metrologie Krause, Um- 117 Schwellnus, Tor, S. 19. rechnung, S. 21–23. 118 Vgl. Buch, Abb. 170, nach S. 384. 122 Prokosch, Hungen, S. 188. 119 Küther, Hungen, S. 147–148 und Prokosch, Hungen, 123 „Hungen, Landkreis Gießen“, in: Historisches Ortslexikon S. 566–570. (Stand: 3.5.2016).

13 Hessischer Städteatlas – Hungen gens spielte auch die Einrichtung eines Steuerkom- entstand erst 1904 in der Gießener Straße, die sich missariats, also eines Finanzamtes, im Jahre 1822124. im Gegensatz zu den beiden anderen Betrieben bis Wie andernorts wurde die Geschichte Hungens 1974 halten konnte. Die lokalen Steinbrüche liefer- während des 19. Jhs. neben der staatlich-politischen ten ab den 1840er Jahren das Material für den Stra- ßen- und Chausseebau, allerdings wurden sie nur bei Neuordnung auch durch die Prozesse der Bevölke- 132 rungsentwicklung und der Industrialisierung be- Bedarf und nicht dauerhaft betrieben . Schon 1788 stimmt. In den rund 90 Jahren zwischen 1822 und war die Verbindung von Friedberg nach Hungen aus- gebaut worden; 1837/38 folgte der Ausbau der Stre- 1910 stieg die Bevölkerungszahl zwar um beachtli- 133 che gut 70 % von 982 auf 1.678125, doch damit liegt cke von Hungen nach Gießen . In unmittelbarem die Stadt deutlich hinter den gut 180 %, um die die Zusammenhang mit dem Eisenerzabbau im Hecken- Bevölkerung im Gebiet des Deutschen Reichs zwi- wald im Osten der Gemarkung steht die Verbreite- rung der Straße von Hungen nach Schotten im Jahre schen 1816 und 1910 von rund 23 auf 64,5 Millio- 134 nen zunahm126. Zudem verlief die Entwicklung in 1876 für die zahlreichen Fuhrwerke auf 6 m . diesem Zeitraum keineswegs gleichmäßig, sondern Im Heckenwald wurde bereits seit dem ausge- erlebte sogar einen Rückgang von 1.290 im Jahr henden 16. Jh. Eisenerz abgebaut135. Konsequenzen 1846 auf 1.171 Einwohner im Jahr 1864, der erst für die Hungener Wirtschaft oder Erwerbsstruktur 1885 (1.297 Einwohner) wieder ausgeglichen war. hatte dies jedoch ebenso wenig wie die Übernah- Beides ist mit der nur zögerlichen Ansiedlung mo- me der Gruben durch das im Jahre 1731 gegrün- derner Industriebetriebe und der Auswanderungs- dete Buderus’sche Eisenwerk Friedrichshütte bei bewegung zu erklären. Bis weit in die zweite Hälfte Ruppertsburg136. So fanden sich 1844 unter den des 19. Jhs. hinein blieb die Landwirtschaft – gele- 217 Ortsbürgern mit drei Schlossern und sechs gentlich kombiniert mit traditionellen Handwerks- Schmieden nach wie vor nur Vertreter der eher tra- berufen wie Bäcker und Metzger am oberen Rand ditionellen Metallberufe137. Es ist freilich nicht aus- eines relativen Wohlstands sowie Schuhmacher und zuschließen, dass die damals verzeichneten fünf Schneider oft am unteren Rand oder jenseits der Ar- Tagelöhner und 25 Ackermänner zumindest pha- mutsgrenze – die Erwerbsgrundlage der Ortsbür- senweise im Eisenerzabbau einen Verdienst fanden. ger127. Insbesondere nach den Missernten Mitte der Einen gewissen Aufschwung erlebte der Eisenerz- 1840er Jahre und den Unruhen im Zusammenhang abbau dann ab den 1860er Jahren. Entscheidend mit der 1848er Revolution zog es zahlreiche Familien war dabei der Eisenbahnbau, der den kostspieli- aus Hungen vor allem in die Vereinigten Staaten128. gen Transport erheblich verbilligte138. Das Erz wur- Allein zwischen 1846 und 1856 waren es 36 Familien de teils mit Fuhrwerken, teils mit Feldbahnen, bzw. Einzelpersonen, die bei dem Kreisamt in Hun- teils mit Seilbahnen (ab 1912) zu den Erzwäschen gen ihre Entlassung aus dem Großherzoglich Hessischen bzw. Verladestationen an die Bahnlinien Hungen– Unterthanenverband 129 zwecks Auswanderung nach Nidda, Hungen–Mücke und Hungen–Friedberg Nordamerika beantragten. Darunter waren ledige gebracht139. Als Arbeitgeber scheinen die Eisenerz- junge Frauen, völlig mittellose Männer, deren Über- gruben für die Hungener selbst indes nur von nach- fahrt die Stadt zahlte, aber auch vielköpfige Familien, rangiger Bedeutung gewesen zu sein. So wurden insgesamt mehr als 80 Personen.130 1881 nur fünf und 1919 25 Beschäftigte im Bergbau 140 Die Industrialisierung begann in Hungen nicht gezählt . Der größere Teil der Belegschaften kam mit dem Bau von Fabriken, sondern zunächst mit diesem Befund nach aus den umliegenden Dörfern. Zuliefererbetrieben von Rohstoffen und Materialien Neben der althergebrachten Verkehrsfunktion für den Straßen-, Eisenbahn- und Häuserbau. Den Hungens aufgrund seiner Lage an überregionalen Anfang machte eine Dampfziegelei in der Bellers- Straßen war es jedoch nicht zuletzt der Eisenerzab- heimer Straße 3-5 (heutige Robert-Koch-Straße), die bau, der den Ort zu einem Eisenbahnknotenpunkt im Jahre 1843 an die traditionell betriebene Ziege- werden ließ. Nach sechsjähriger Bauzeit wurde 1869 lei auf der gegenüberliegenden Straßenseite anknüpf- te131. Eine Ziegelei mit einem modernen Ringofen 132 Prokosch, Hungen, S. 438 f. 133 Prokosch, Hungen, S. 208 f. 124 Prokosch, Hungen, S. 193 f. 134 Prokosch, Hungen, S. 209, 442. 125 Vgl. die Bevölkerungszahlen in Kap. I. 7. 135 Tegtmeier, Bergbau, S. 277. 126 Marschalck, Bevölkerungsgeschichte, S. 27. 136 Prokosch, Hungen, S. 442. 127 Vgl. die Aufstellung bei Prokosch, Hungen, S. 131 f. 137 Ausgezählt nach der Aufstellung bei Prokosch, Hungen, 128 Staubach, Unruhen, S. 164 f. S. 131–133. 129 Zitat nach Prokosch, Hungen, S. 137. 138 Eisenbach, Wirtschaftsförderung, S. 96–100. 130 Eigene Auszählung nach der Aufstellung bei Prokosch, 139 Slotta, Technische Denkmäler, S. 1060–1070; Eisen- Hungen, S. 135. bach, Wirtschaftsförderung, S. 99. 131 Prokosch, Hungen, S. 439–441. 140 Prokosch, Hungen, S. 451.

14 Hessischer Städteatlas – Hungen die Lahn-Kinzig-Bahn zwischen Gießen und Hun- der meisten öffentlichen Gebäude und in deren Fol- gen sowie ein Jahr später zwischen Hungen und ge wurden Brunnen in der Stadt zugeschüttet und Gelnhausen eröffnet. Sie bildete gewissermaßen eine die Pumpen abgebaut. Die Nähe zu dem Braun- Querverbindung zwischen der 1852 fertiggestellten kohlebergbau in Wölfersheim und dem dort ange- Main-Weser-Bahn und der 1868 in Dienst genom- siedelten ersten Kohlekraftwerk im Großherzogtum menen Hanau-Bebraer-Bahn141. Ende der 1870er Hessen bewog die Stadt Hungen, sich früh dem Jahre begannen die Diskussionen über weitere Bahn- Stromnetz des Überlandwerks anzuschließen und strecken, die in Hungen an das bestehende Netz auf den Bau eines eigenen Elektrizitätswerkes zu Anschluss finden sollten142. Tatsächlich realisiert verzichten. Ende 1912 wurden die Straßenbeleuch- wurden die 1897 eröffnete Strecke Friedberg-Hun- tung elektrifiziert und die ersten Privathäuser an das gen und die 1890 hergestellte Verbindung Hungen- Stromnetz angeschlossen. Laubach, die 1903 bis Mücke weiter geführt wurde In dem Jahrhundert vor dem Ersten Weltkrieg und dort Anschluss an die Linie Gießen-Fulda hat- 143 erlebte Hungen jenseits der quantitativen und ma- te . 1919 waren in Hungen immerhin 64 Personen teriellen Veränderungen auch einen tiefgreifen- bei der Eisenbahn beschäftigt, die damit zum wich- 144 den qualitativen Wandel im Leben der städtischen tigsten Arbeitgeber in der Stadt geworden war . Bevölkerung. Zum einen wurde der monokon- Die Lage an der Frankfurt-Leipziger Straße fessionelle Charakter der vormodernen Stadt aufge- durch die Kurzen Hessen bescherte Hungen bereits brochen. Seit dem 15. Jh. bestand in Hungen zwar früh den Anschluss an die Kurse der Postkutschen, eine jüdische Gemeinde, die aber als mehr oder we- die um 1800 zweimal wöchentlich verkehrten145. niger geduldete Minderheit deutlich außerhalb der Neben dem Personen- oblag diesen auch der Brief- christlichen Stadtgemeinde existierte149. Erst mit transport. Nach der Inbetriebnahme der Eisenbahn- der sukzessiven rechtlichen und gesellschaftlichen verbindungen wurden die Pferdepostkurse sukzessive Emanzipation der Juden im Laufe des 19. Jhs. wur- eingestellt. Nach der Gründung des Deutschen Kai- den sie Teil der städtischen Bürgergemeinde. serreichs 1871 ließ sich die Reichspost in Hungen Im Laufe des 19. Jhs. kam es zudem zu einem zö- nieder, zunächst im Haus Untertorstraße 1, ab 1887 gerlichen Zuzug von Katholiken150. 1828 wurden in dem neuerrichteten Postamt in der Gießener Stra- 146 fünf Katholiken in der Stadt gezählt, 1871 waren es ße . Spätestens ab 1878 war Hungen an den Tele- zehn und am Vorabend des Ersten Weltkrieges im- graphendienst angeschlossen, 1890 wurde der erste merhin fast siebzig151. Über ihre Herkunft ist nichts öffentliche Fernsprecher eingerichtet und 1901 mit bekannt. Der sprunghafte Anstieg in den Jahrzehn- dem Ausbau des Ortsnetzes begonnen, an das am ten um 1900 lässt die Vermutung zu, dass es sich um Ende dieses Jahres zehn private Telefone angeschlos- 147 Arbeiter und Handwerker handelte, die beim Bahn- sen waren . bau Beschäftigung fanden und teilweise aus Bayern, Neben der Einbindung in weiträumigere Ver- dem Fichtelgebirge, Belgien und Italien stammten, kehrsverbindungen stellen die Versorgung mit Was- und die sich nach Abschluss der Arbeiten vor Ort nie- ser und Elektrizität sowie der Bau der Kanalisation derließen152. Zunächst wurden die Hungener Katho- wichtige Infrastrukturmaßnahmen dar, die den liken von der Pfarrei in Rockenberg betreut, wo sie Übergang zur modernen Stadt in Hungen in den auch zu hohen Festtagen die Kirche besuchten. Die Jahren vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges mar- ersten katholischen Messen las nach 1902 jeden zwei- kieren148. Bis in die ersten Jahre des 20. Jhs. erfolg- ten Sonntag der Gießener Pfarrer in der Werkstatt te die Wasserversorgung durch mehrere Brunnen, des katholischen Steinhauermeisters Robert Werner die sich über das gesamte Stadtgebiet verteilten. Die in der Bellersheimer Straße 4 (heutige Robert-Koch- meisten befanden sich in Privatbesitz und wurden Straße)153. 1908 wurde im damaligen Stadterweite- von der Nachbarschaft mitgenutzt. 1898 beschloss rungsgebiet westlich des Ortskerns an der heutigen die Stadtgemeinde den Bau einer Rohrleitung, die Hartigstraße eine eigene Kapelle mit Missionshaus der Stadt Wasser aus gebohrten Brunnen zufüh- und Pfarrerwohnung errichtet. Nicht nur die Hunge- ren sollte. 1905 begann zunächst die Versorgung ner Katholiken besuchten die Messen, sondern auch

141 Schomann, Denkmaltopographie, S. 142, 309, 397. 142 Vielsmeier, Entstehung, S. 33. 149 Dazu ausführlich Kap. I. 7. 143 Schomann, Denkmaltopographie, S. 698 f., 787 f. 150 Das Folgende, wenn nicht anders angegeben, nach Christ, 144 Prokosch, Hungen, S. 451. Kirchengemeinde; zur älteren Geschichte der Hungener 145 Das Folgende nach Prokosch, Hungen, S. 212–223. Katholiken weitgehend identisch: Prokosch, Hungen, 146 Engel, Bilder, S. 104 f. S. 73 f. 147 Prokosch, Hungen, S. 224. 151 Christ, Kirchengemeinde, S. 181, 184. 148 Das Folgende nach Prokosch, Hungen, S. 248–251, 254, 152 Rack, Erntezeit, S. 170 f. 275–277. 153 Prokosch, Hungen, S. 73 f.; Christ, Kirchengemeinde, S. 181.

15 Hessischer Städteatlas – Hungen

Katholiken aus Polen, die in den Braunkohlengruben nächst ist festzustellen, dass sich bis 1827 nur drei von Trais-Horloff arbeiteten, und aus Bayern stam- Wohnstätten außerhalb der Stadtmauer befanden: mende Saisonarbeiterinnen, die auf den Hofgütern in die Ober- und die Untermühle sowie das rund 2 km Bellersheim und Utphe beschäftigt waren154. nordöstlich der Stadt gelegene Tiergärtnerhaus. Wie andere Städte erfasste im Laufe des 19. Jhs. 1827 wurde 100 m südlich des Schlosses am Wall eine regelrechte Welle von Vereinsgründungen auch das Schützenhaus errichtet. Im Laufe der 1830er Hungen. Im Vormärz, in der Zeit vor der Revolu- Jahre entstanden dann vor dem Ober- und Untertor tion von 1848, waren sie eine wichtige Form der erste Wohn- bzw. Gasthäuser: Friedberger Straße 1 stadtbürgerlichen Selbstorganisation und schrie- (1834) und 3 (1833), Solmser Hof (1838), Obertor- ben sich das politische Ziel eines geeinten deutschen straße 6 (1838) und Untertorstraße 31 (1836) so- Nationalstaats teilweise im Wortsinne auf ihre Fah- wie Grünberger (heute Nonnenröther) Straße 1 nen, wie der 1836 gegründete Gesangsverein „Ein- (1831). Zwischen 1841 und 1848 wuchs der Ort tracht“ e. V. sowie der Turn- und Sportverein 1848 um fast 20 Häuser entlang der Chaussee in Rich- e. V.155. In gewissem Sinne wurde auch das moder- tung Lich. Einen wesentlichen Impuls stellte dabei ne Kreditwesen in Hungen aus dem Geiste der bür- zweifellos der Bau des Landratsamtes 1842/43 dar. gerlichen Selbstorganisation geboren. Am 15. Okt. In den 1850er und 1860er Jahren kam die Bautä- 1839 luden der Pfarrverweser Ludwig Marchand tigkeit fast völlig zum Erliegen. Mit dem Bahnan- und der Revierförster Friedrich Wilhelm Marchand schluss 1869/70 und der Eröffnung des Bahnhofs in Obbornhofen sämmliche Bürgermeister des Bezirks setzte eine zügige Bebauung der neu geschaffenen Hungen156 zur Gründung einer Spar- und Leihkas- Bahnhofstraße und der Kaiserstraße ein. Weitere se am 15. Nov. in das erst im Jahr zuvor erbaute Architektur folgte bis zum Ersten Weltkrieg in der Gasthaus Jockel157 (Solmser Hof) vor dem Ober- Hauptsache zunächst entlang der Bellersheimer, der tor in Hungen ein. Neben den Bürgermeistern nah- Friedberger und Grünberger Straße. In der Niddaer men auch Beamte, Pfarrer und sonstige Bürger an Straße ist neben sechs privaten Wohnhäuser vor al- der Gründungsversammlung teil. Das damals als lem der Bau der Molkerei Gesellschaft (Haus Nr. 2) Aktiengesellschaft begründete Geldinstitut wurde zu nennen. Nach der Jahrhundertwende setzte die 1884 in eine Genossenschaft umgewandelt. Neben Besiedlung der Bismarckstraße, der Ludwigstraße der Kreditvergabe und Verwaltung der Spareinla- sowie deren Verbindungsstraße Vordere Ruh ein. gen engagierte sich die Bank in der Armen- und Wichtige siedlungstopographische Akzente setzten Krankenfürsorge, unterhielt von 1845 bis 1870 eine die 1913 eröffnete neue Schule Am Zwenger nörd- Handwerkerzeichenschule und lobte 1846 drei Prei- lich der Stadt sowie die 1908 geweihte katholische se für jene Gemeinden des Bezirks aus, die Arbeits­ Kirche in der Hartigstraße. Im Zusammenhang mit schulen für die weibliche Jugend zur öffentlichen den Planungen des Schulneubaus wurden 1908/09 Nutzung schufen158. Eine wichtige Einrichtung für das städtische Brauhaus abgerissen, die Stadtmauer die neuzeitliche Krankenfürsorge stellt das kleine teilweise abgebrochen und die Brauhofsgasse in die Krankenhaus dar, das in der Bitzenstraße aufgrund neu angelegte Straße Am Zwenger verlängert. einer Stiftung der ledigen Johannette Fendt im Jah- Im Laufe des Ersten Weltkriegs kam die priva- re 1895 seine Arbeit aufnahm. Zunächst versorgten te Bautätigkeit völlig zum Erliegen161. Nach dem eine, ab 1905 zwei Diakonissen hier die Kranken Kriegsausbruch wurden zunächst die Reservisten aus der Stadt und ihrer näheren Umgebung159. und Freiwilligen mobil gemacht, später auch die Die bauliche Entwicklung Hungens verlief in Wehrpflichtigen eingezogen. Von den insgesamt dem Betrachtungszeitraum dieses Kapitels analog mehreren Hundert Hungener Kriegsteilnehmern ka- zur Bevölkerungsentwicklung160. So nahm die Be- men 48 ums Leben, vier wurden vermisst. Als Ersatz völkerungszahl zwischen 1822 und 1910 um gut für die im Arbeitsalltag fehlenden Männer wurden 70 % zu, während die Zahl der Wohnhäuser um gut in den Eisenerzgruben und in der Landwirtschaft bis 57 % von 158 im Jahr 1818 auf 249 im Jahr 1910 zu 90 französische Kriegsgefangene eingesetzt. Schon stieg. Dabei lassen sich durchaus spezifische Schübe acht Monate nach der Eröffnung des neuen Schul- bzw. Schwerpunkte der Bautätigkeit benennen. Zu- hauses Am Zwenger wurde das Gebäude im Aug. 1914 als Lazarett des Roten Kreuzes für verwunde- te Soldaten genutzt, das bis September 1917 betrie-

154 Christ, Kirchengemeinde, S. 182. ben wurde. Die Schulklassen wurden während dieser 155 Prokosch, Hungen, S. 519 f., 524 f. Zeit im Gebäude der Schlossgasse 6, im alten Rat- 156 Buttel, Verhältnisse, S. 348. haus in der Obertorstraße und im Saal des Gast- 157 Prokosch, Hungen, S. 454. 158 Buttel, Verhältnisse, S. 351. 159 Prokosch, Hungen, S. 361–364. 160 Das Folgende nach Geissler, Entwicklung, S. 320–326. 161 Das Folgende nach Prokosch, Hungen, S. 572–580.

16 Hessischer Städteatlas – Hungen hauses „Zur Traube“ (Kaiserstraße 18) unterrichtet. che Räumung der hohen Kosten wegen gescheut wurde. Wie andernorts war die Bevölkerung im Laufe des Zur heißen Jahreszeit bildete der Graben eine Brutstät­ Krieges zunehmend von Material- und Lebensmit- te für Schnaken und sonstiges Ungeziefer165. Zwischen telknappheit betroffen. Rationierungen, Sammlun- 1926 und 1931 wurde im Rahmen von Notstandsar- gen und mehr oder minder zwangsweise Abgabe von beitsprogrammen fast das ganze Stadtgebiet an un- Pferden, Buntmetallen, Holz und selbst von Musik- terirdisch verlegte Kanalrohre angeschlossen, die das instrumenten waren die Folge. Oberflächenwasser und die Haushaltsabwässer auf- nahmen166. Diese Kanalisation entleerte sich jedoch weiterhin in die Horloff. 6. Im Volksstaat und im Land Hessen Ergebnisse der Wahl zur Nationalversammlung am 19. Jan. Nach dem Waffenstillstand am 11. Nov. 1918 fluteten 1919 und der Reichstagswahlen 1924–1933 (Auswahl)167 rückkehrende Truppeneinheiten auch durch Hun- (in Klammern: % in Hungen / % im Kreis / % im Deutschen gen und waren dort oft tagelang einquartiert. Da der Reich) Schwarzhandel blühte und die Versorgung der Be- völkerung wie des Militärs dadurch noch schwieri- 1919 Dez. 1924 Mai 1928 Juli 1932 März 1933 DNVP 167 82 21 18 – ger wurde, wählte man in Hungen am 20. Nov. einen (19,6/21,1/10,3) (9,2/13,8/20,5) (2,9/5,5/14,2) (1,6/3,3/5,9) „Bauern-, Bürger- und Arbeiterrat“. Er spielte freilich Zentrum 9 12 14 28 27 keine politische Rolle, wie die Arbeiter- und Solda- (1,1/2,3/19,7) (1,3/2,0/13,7) (1,9/2,2/12,1) (2,4/2,3/12,5) (2,4/1,9/11,3) SPD 273 252 199 345 260 tenräte in den Zentren der Novemberrevolution, son- (32,2/40,8/37,9) (28,1/36,3/26.0) (27,7/37,4/29,8) (29,7/31,3/21,6) (23,6/24,7/18,3) dern unterstützte den Bürgermeister und die im April KPD – 5 10 11 9 1919 aufgestellte Bürgerwehr bei der Aufrechterhal- (0,6/3,2/9,0) (1,4/3,5/10,6) (0,1/5,5/14,6) (0,8/6,0/12,3) 162 NSDAP – 1 49 717 770 tung der öffentlichen Ordnung . (0,1/1,5/3,0) (6,8/1,7/2,6) (61,8/53,1/37,4) (69,8/58,1/43,9) Der staatlich-politische Umbruch mit dem Ende DVP 59 228 175 19 37 (6,9/9,0/4,4) (25,4/13,4/10,1) (24,3/12,7/8,7) (1,6/2,0/1,2) (3,4/2,3/1,1) des Großherzogtums und der Übergang zur Republik DDP 341 174 94 – – erfolgten vergleichsweise reibungslos. Die wirtschaft- (40,2/22,3/18,6) (19,4/8,3/6,3) (13,1/5,8/4,9) lich schwierigen Nachkriegsjahre und die Inflation CNBL – – 122 – – (17,0/23,0/2,5) ließen in Hungen keinen Aufschwung zu. Die Be- völkerungszahl stieg zwischen 1919 (1.776 Einwoh- Die anhaltend prekäre wirtschaftliche Situati- ner) und 1933 (1.800 Einwohner) nur geringfügig. on und die Agrarkrise in der zweiten Hälfte der Trotzdem nahm die Stadtgemeinde den Bau einiger 1920er Jahre sorgten dafür, dass die Nationalso- moderner Wohnhäuser in der Niddaer und Bellers- zialisten rasch an Einfluss gewannen. Sie konnten heimer Straße in Angriff, nicht zuletzt, um die in dabei nicht zuletzt an den in der oberhessischen hygienischer Hinsicht teilweise bedenklichen Wohn- Landbevölkerung seit der „Böckel-Bewegung“ ab verhältnisse im alten Stadtkern zu entschärfen163. In den späten 1880er Jahren politisierten Antisemi- die gleiche Richtung zielte der Bau einer Kanalisa- tismus anknüpfen168. Dementsprechend fielen die tion. Wie der Erläuterungsbericht des Kulturamtes Wahlergebnisse bis zur sogenannten Machtergrei- Gießen aus dem Jahre 1921 zeigt, hatte sich bis da- fung der Nationalsozialisten aus. Bereits bei der hin an der Entsorgung seit Mitte des 17. Jhs. wenig Wahl zum Reichstag im Mai 1928 errang die NS- geändert: Die Abwässer der Kaiserstrasse, Bellershei­ DAP 6,8 % und lag damit weit über dem Durch- mer Hohle und der Inheidener Strasse mündeten früher schnitt im Kreis oder Reich insgesamt. Noch vor164 dem Schulhausneubau in die tiefliegende soge­ konnte die insbesondere in Oberhessen hinter ih- nannte Pfanne aus. Die Abwässer standen und bildeten rem aus Wölfersheim stammenden Listenführer hier einen kleinen See mit im Sommer dunklem, übel­ Wilhelm Dorsch erfolgreiche Christlich-Nationa- riechendem Wasser. Die Abwässer der Obergasse mit le Bauern- und Landvolkpartei (CNBL) mit im- Nebenstrassen werden an dem Marktplatz in Einfall­ merhin 17,0 % die drittmeisten Stimmen auf sich schächten aufgefangen. Von hier aus führt ein Zement­ rohrkanal durch die Bitzenstrasse, der früher hinter der Stadtmauer in einen offenen Graben (Stadtgra­ ben) ausmündete. Dieser Stadtgraben hatte ein gerin­ 165 StadtA Hungen XVI.5f.42.6: Kanalisation: Erläuterungs- ges Gefälle und wurde infolgedessen zur Ablagerstätte bericht des Kulturamtes, Gießen 1921, Typoskript, [S. 1]. 166 Prokosch, Hungen, S. 254 f. und Lageplan über die Ka- für den Unrat der Stadt, da eine öftere und gründli­ nalisation, 1 : 1.000, StadtA Hungen, Pläne Nr. 32. 167 Zahlen für Hungen und den Kreis nach Klein, Reichs- tagswähler 3, S. 825 f., 840, 842, 862, 864, 874 f.; für das 162 Seelbach, Rätebewegung, S. 63 f. Deutsche Reich: http://de.wikipedia.org/wiki/Reichstags 163 Geissler, Entwicklung, S. 327 f. wahlen_in_Deutschland [eingesehen am 2.3.2016]. 164 Handschriftlicher Einschub: zeitlich zu nehmen. 168 Vgl. Mack, Böckel, S. 136 f.; Schön, Entstehung, S. 8–15.

17 Hessischer Städteatlas – Hungen vereinen169. Interne Streitereien führten freilich zu 1.022 Vertriebene und Flüchtlinge sowie 335 Eva- deren raschen Niedergang und zur Abwanderung kuierte. Zur Überwindung der erheblichen Proble- der Wähler, in der Hauptsache wohl zu den Natio- me bei der Unterbringung und Versorgung wurden nalsozialisten, die bei der Wahl zum Reichstag im Maßnahmen getroffen und es kam zu einer bisher Juli 1932 in Hungen schon mehr als 60 % erran- ungekannten Expansion des städtischen Siedlungs- gen – weit mehr als im Kreis und im Reich. Dem- raumes. Diese betraf nicht allein den Wohnungsbau, entsprechend rasch und glatt ging die sogenannte sondern zugleich die Ansiedlung von Gewerbebe- „Gleichschaltung“ und Durchdringung der Behör- trieben. Hauptträger des Wohnungsbaus war die den, Institutionen wie des gesamten öffentlichen Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft „Hor- Lebens vonstatten. 1939 gehörten beispielsweise lofftal“, die in Hungen zwischen 1950 und 1960 80 % der 35 Beschäftigten im Finanzamt Hungen immerhin 117 Häuser mit 246 Wohneinheiten er- der NSDAP, ihren Gliederungen bzw. einem ent- richten ließ175. 170 sprechenden Verband an . Bezüglich der Gewerbeansiedlung profitierte Aufgrund der anzunehmenden Aktenvernich- Hungen ganz erheblich vom Zuzug der Vertriebe- tung am Ende des Zweiten Weltkrieges bleibt die nen sowie durch die günstige Verkehrslage und re- NS-Zeit für Hungen wenig beachtet171. Hungen lative Nähe zum Rhein-Main-Gebiet. Stellten im selbst wurde von alliierten Bombenangriffen weit- Laufe der 1950er Jahre zwar die Eisenerzgruben ih- gehend verschont, nahm aber ab 1943 zahlreiche ren Betrieb weitgehend ein, so gründeten mehrere Evakuierte aus den von den Bombardements betrof- Unternehmer aus den ehemaligen deutschen Ostge- fenen Großstädten auf. Nicht nur Personen wurden bieten Betriebe in unterschiedlichen Branchen mit in Hungen einquartiert: Das als „Amt Rosenberg“ teilweise bald weit über hundert Arbeitnehmern176. bekannte, in Frankfurt angesiedelte „Institut zur Wichtigste überregional agierende Firmen sind bis Erforschung der Judenfrage“ mit seinen geraubten in die Gegenwart die 1951 in Hungen gegründe- jüdischen Bibliotheken und Kultgegenständen ha- te REWE-Niederlassung und die Großmolkerei, die ben die Nationalsozialisten im Hungener Schloss aus der seit 1895/1901 bestehenden Genossenschaft untergebracht172. hervorgegangen ist. Der Einmarsch der Amerikaner am 28. März Aufgrund des steigenden individuellen Was- 1945 forderte nur wenige Todesopfer, darunter den serverbrauchs bei wachsenden Einwohnerzahlen geschäftsführenden NS-Bürgermeister Georg Mül- wurde die Brauchwasserentsorgung zu einem der ler173. Insgesamt waren mehr als 200 Hungener im gravierendsten Probleme der Nachkriegszeit. Bis Laufe des Krieges ums Leben gekommen. Mit den zur Inbetriebnahme des Jahrhundertbauwerks, des rund 80 jüdischen Einwohnern, die vor dem NS- Klärwerks des Abwasserverbandes Hungen im Jah- Terror geflohen oder in Lagern umgebracht worden re 1981 entwässerte die Kanalisation in die Horloff, waren, hatte die Stadt fast 300 Einwohner verloren. die einer Kloake glich, in der es kein Lebewesen mehr 177 Zwischen 1939 und 1961 verdoppelte sich die gab . Bevölkerungszahl und zwar um 96 % von 1.723 Eine wichtige Rolle bei der Etablierung Hungens auf 3.375 Einwohner. Für dieses vorher unge- als Mittelzentrum spielte die Schule178. Schon Ende kannte Bevölkerungswachstum war der Zuzug 1945 wurde die Höhere Bürgerschule als Realgym- von Vertriebenen und Bewohnern aus der sowjeti- nasium wiedereröffnet. Ab 1957 bestand eine voll- schen Besatzungszone bzw. der DDR verantwort- ständige gymnasiale Oberstufe, die im März 1960 lich174. Alleine bis Ende 1947 zählte man in Hungen von den ersten Abiturienten mit Hochschulreife ver- lassen wurde. Anfang der 1960er Jahr wurden ers- te Überlegungen zu einer Reform des ländlichen 169 Müller, Bauern- und Landvolkpartei, S. 503–513. Schulwesens angestellt, die u. a. die Einrichtung von 170 Meinl / Zwilling, Raub, S. 370. Mittelpunktschulen vorsah179. Der erste Spatenstich 171 Prokosch, Hungen, S. 583. – Laut dem Stadtarchivar Hun- für eine solche Schule erfolgte in Hungen nördlich gens, Herr Erhard Eller, an die Verfasser vom 19.7.2016 „ist die Überlieferung aus der NS-Zeit sehr dürftig“. der Stadt auf dem Galgenberg im August 1964, und 172 Manasse, Archive, S. 29; „Hungen, Depot für Bestände des Instituts zur Erforschung der Judenfrage, Schloß“, in: Topographie des Nationalsozialismus in Hessen (Stand 14.2.2011); http://www.lostart.de/Webs/DE/ 176 Prokosch, Hungen, S. 477 f. Provenienz/Auslagerungsorte/Index.html?cms_lv2=952 177 Prokosch, Hungen, S. 255. 96&cms_param=AUSLORT_ID%3D14906%26ORT_ 178 Das Folgende nach Prokosch, Hungen, S. 335–340. ID%3D3505#lvl2 [eingesehen am 17.7.2016]. 179 Umbach, Kai: „Gesamtschule“, in: http://www.lagis-hessen. 173 Prokosch, Hungen, S. 103 f. de/de/subjects/drec/sn/edb/mode/catchwords/lemma/ 174 Hessische Gemeindestatistik 1960/61, S. 56 f. Gesamtschule/current/0#fnd_3 [eingesehen am 19.7.2016].

18 Hessischer Städteatlas – Hungen im darauf folgenden Jahr wurde mit 350 Schü- 7. Jüdische Einwohner lern der Schulbetrieb aufgenommen. 1968 umfass- te der Schulverband 13 Gemeinden. 1970 erfolgte Die erste Erwähnung für eine Ansiedlung von Ju- die Umwandlung in eine integrierte Gesamtschule. den in Hungen datiert auf den 2. Dez. 1426, jedoch Die ständig steigenden Schülerzahlen machten im- ohne einzelne Personen namentlich zu nennen. mer wieder Neu- und Erweiterungsbauten nötig. Die im Gerichtsbuch der Stadt Hungen angegebe- Hat sich die private Bautätigkeit nicht zuletzt ne Darlehensaufnahme undir den Juden bezieht sich aufgrund der seit 1993 leicht rückläufigen Ein- höchstwahrscheinlich – genau wie daz gelt zu Joden vom 3. Juli 1430 – auf die jüdischen Einwohner der wohnerzahlen etwas verlangsamt, so werden im- 183 mer noch neue Bau- und vor allem Gewerbegebiete Stadt . ausgewiesen. Von nachhaltiger Bedeutung ist da- Die erste namentliche Nennung erfolgte 1444, bei die Nähe zu der seit 1978 durchgängigen Auto- als ein Jude Jakob von zwei Klagen, u. a. wegen ei- bahnverbindung der A 45 (Sauerlandlinie) zwischen ner verendeten Kuh, freigesprochen wurde184. In Dortmund und Aschaffenburg. Zahlreiche Hand- den Jahren 1444 und 1445 bekundete das Stadtge- werksbetriebe, Gewerbe und Einzelhandelsgeschäf- richt den Kauf von drei Häusern durch den Juden te verließen ab den 1970er Jahren den Altstadtkern Jakob185. Es kann nicht abschließend geklärt wer- und siedelten sich in den westlich und südöstlich den, ob die Käufe Folgen einer Verpfändung waren, der Stadt gelegenen Gewerbegebieten an. In der die vom Schuldner nicht eingelöst werden konn- Altstadt kam es im Laufe der 1960er und vor al- ten und das Eigentum an den jüdischen Gläubi- lem 1970er Jahre zu schwerwiegenden Eingriffen in ger übertragen wurde186. Es ist anzunehmen, dass die historische Bausubstanz. Zahlreiche Gebäude es sich bei dem 1449 erwähnten Jakob von Wölfers- wurden abgerissen, um durch nach heutigen denk- heim187 in der ohnehin noch sehr kleinen Gemein- malpflegerischen Maßstäben zumindest teilweise de um dieselbe Person handelte, die schon seit 1444 unbefriedigende Neubauten ersetzt zu werden180. So genannt wurde188. Weitere Nennungen sind erneut wurden beispielsweise die Gebäude des herrschaftli- durch Rechtsstreitigkeiten protokolliert, in die 1457 chen Hofgutes zwischen Schloss und Kirche durch Moses von Wölfersheim189 und 1458 Moses von das 1976/77 errichtete evangelische Gemeindehaus Langsdorf190 involviert waren. Die Namenszusätze und einen Spielplatz ersetzt. Das Amtshaus in der lassen den Schluss zu, dass sich die Juden aus den Obertorstraße wurde 1977 abgetragen, aber im- umliegenden Dörfern in Hungen angesiedelt hat- merhin zwei Jahre später im Hessenpark im Taunus ten191. wieder aufgebaut und dient dort als Sitz der Ver- 181 Im Herrschaftsgebiet der Falkensteiner, das waltung des Freilichtmuseums. Die Obermühle Hungen mit einschloss, sind Juden bereits seit dem wurde Anfang der 1970er Jahre abgerissen; an ih- 13. Jh. belegt192. Nach dem Tod des letzten Falken- rer Stelle 1985 das neue Postamt errichtet. Zudem steiners wurde das Territorium 1419 dreigeteilt und wurde fast die gesamte nördlich Zeile der Ober­gaße Hungen den Grafen von Solms übertragen193. 1436 (heute Obertorstraße) zwischen den Hausnummern erfolgte eine weitere Aufsplitterung, durch die die 10 und 36 „modernisiert“, das heißt wo nicht Neu- Stadt an die Linie Solms-Braunfels fiel194. bauten errichtet wurden, wurden die Fassaden durch große Schaufenster und ähnlichem erheblich verän- dert.

Für das zunehmend baufällige und Anfang der 183 Battenberg, Art. Hungen, S. 578; Eller, Dokumente, An- 1970er Jahre nur noch teilweise als Unterkunft für hang [S. 96]; Ders., Juden, S. I; Wolter, Geschichte, S. 260. ca. 150 türkische Gastarbeiter genutzte Schloss fand 184 Battenberg, Quellen, S. 240, Nr. 907, S. 241, Nr. 908. 185 Battenberg, Quellen, S. 241, Nr. 911, Nr. 912, S. 243, sich eine private Initiative. Sie übernahm den ge- Nr. 917. Diese Käufe mussten durch das Stadtgericht öf- samten Komplex als Eigentümergemeinschaft und fentlich bekannt gemacht werden, um Dritten zu ermögli- begann ab 1975 mit einer grundlegenden denkmal- chen, binnen einer festgelegten Frist Ansprüche geltend zu schutzgerechten Sanierung, die Anfang der 1980er machen. Nach Ablauf des Termins wurde der Kauf rechts- Jahre weitgehend abgeschlossen werden konnte. kräftig und jedwede Ansprüche verfielen. 186 Battenberg, Art. Hungen, S. 578. Heute befinden sich darin rund 20 Eigentumswoh- 187 Battenberg, Quellen, S. 249, Nr. 943. 182 nungen . 188 Wolter, Geschichte, S. 260. 189 Battenberg, Quellen, S. 275, Nr. 1035, Nr. 1037. 190 Battenberg, Quellen, S. 276, Nr. 1039. 191 Eller, Juden, S. I; Battenberg, Juden, S. 35. 180 Vgl. zum Folgenden die einschlägigen Einträge im Gebäu- 192 Lutteropp, Gemeinde, S. 6; Wolter, Geschichte, S. 259. deverzeichnis. 193 Wolf, Grafschaft, S. 384. Vgl. hierzu Kapitel 2. 181 Sobik, Amtshaus, S. 40, 43, 51; Ernst, Amtshaus, S. 13. 194 Battenberg, Art. Hungen, S. 578; Bodenheimer, Juden, 182 Wildhack, Schloss (a); Ders., Schloss (b). S. 39.

19 Hessischer Städteatlas – Hungen

Ihr erster Regent, Graf Bernhard II. († 1459), ver- gen, unter der Rubrik Einnahme Judenbegräbnisgeld, briefte das Wohnrecht der Juden in Hungen. Aus sei- auftaucht. Weil sich die Juden ab 1830 weiger- ner Regierungszeit 1436–1459 ist das „Rote Buch“ ten, das Begräbnisgeld zu zahlen205, veranlasste die erhalten195, das die Besitzungen der Grafschaft auflis- fürstliche Rentkammer, die Entstehung der Abga- tet und einen indirekten Hinweis auf Juden im Herr- be festzustellen. Das fürstliche Archiv berichtete am schaftsgebiet liefert196. Der Abschnitt über Hungen 16. Dez. 1833 über eine Weisung, wonach es sich berichtet u. a. vom Judenzins, dem üblichen Schutz- bei der Abgabe um den Grundzins für ein 1523 als geld, das die Juden an die jeweilige Obrigkeit zahlen Totenacker überlassenes Grundstück handele206. 197 mussten . Wann genau und warum der bis heute erhaltene Die Solmser Linie übernahm das Judenregal von jüdische Friedhof in der Friedberger Straße angelegt ihren Vorgängern wie selbstverständlich198. Bei einer worden ist, bleibt unbekannt. Neben den Hungener Anfrage der Laubacher 1643 erklärten die Braunfel- Juden diente er auch den jüdischen Gemeinden aus ser, es gäbe keine Akte, aber sie seien der Ansicht, die Langsdorf mit Birklar, Inheiden, Utphe und Villin- Judenaufnahme sei eines der Solms’schen Regalien199. gen als Ruhestätte und wurde 1888, weil er zu klein Die Hungener Juden hatten bereits Anfang des geworden war, auf 3.177 qm erweitert. Der erste er- haltene Grabstein stammt aus dem Jahr 1808, der 16. Jhs. einen Friedhof (vermutlich im Gebiet nörd- 207 lich des Bahnhofs zwischen Am Bahndamm und Al- jüngste von 1946 . bert-Schweitzer-Straße)200. Graf Philipp von Solms Die Hungener Juden hatten das Recht auf Grund- (1494–1581) entzog ihnen die Erlaubnis, ihre To- und Immobilienerwerb. Dass dieses Recht keine ten dort zu begraben, woraufhin ihn die Wetter­ Selbstverständlichkeit war, zeigt eine Beschwerde auer Judenschaft aufsuchte und umstimmte, denn der Juden aus Assenheim. Zwischen 1543 und 1553 im anschließenden Brief vom 29. Dez. 1563 an den beklagten sie sich, dass sie, auf Anordnung der gräf- Amtmann in Hungen zog Graf Philipp von Solms lich-hanauischen Herrschaft, ihre Häuser verkaufen sein Verbot zurück201. müssten. Sie verwiesen als Gegenargument auf die Juden zu Friedberg und Hungen (in der Quelle Alt­ Diesem Schriftstück lässt sich entnehmen, dass 208 der Vater Philipps, Bernhard III. (1468–1547), un- hungen genannt), die eigene Häuser besaßen . Das gefähr vierzig Jahre zuvor – also um 1523 – den Ju- in Hungen bestehende Grunderwerbsrecht belegen auch die zwischen dem 16. und 17. Jh. im Gerichts- den Hungens das Recht auf einen Friedhof gegeben 209 hatte202. Dieser lag uf die schuede hinter den Fincken buch der Stadt notierten Hauskäufe . Ercker, nordwestlich des alten Stadtkerns203. Die Ju- Die im Darlehens- und Pfandleihgeschäft täti- den aus Langsdorf und Birklar wurden ebenfalls ge Judenschaft Hungens lieh, so die Aussage des dort beerdigt204. Juden Jakob zu Momberg in einem Verhör in Mar- burg 1552, dem Grafen Reinhard zu Solms-Lich Für die Bestattung musste Begräbnisgeld entrich- 210 tet werden, das erstmals 1657 in den Stadtrechnun- 400 Gulden zu Rüstungszwecken . Mit einer Ver- ordnung zum Judenwucher legte Graf Philipp zu Solms-Braunfels (1494–1581) am 29. Jan. 1557 mit 195 FSBA, fol. 206; fol. 213; fol. 219. Der Name ist abgeleitet der Bemerkung, es habe eine Zeit lang kein beson- vom roten Einband des nach Orten gegliederten Güterver- deres Aufsehen um den Wucher der Juden gegeben, zeichnisses. 211 196 Wolf, Grafschaft, S. 385; Wolter, Geschichte, S. 260. die Rahmenbedingungen der Pfandleihe fest . 197 Wolter, Geschichte, S. 260; Prokosch, Hungen, S. 82; Demnach wurde die Geldleihe bei Juden nur er- Küther, Hungen, S. 86. laubt, wenn ein Amtmann sie genehmigte und ein 198 Bodenheimer, Juden, S. 39; Wolter, Geschichte, S. 260. Schreiber die Beträge, für je 3 Pfennige Gebühr, no- 199 Bodenheimer, Juden, S. 39; Wolf, Grafschaft, S. 385; Wolter, Geschichte, S. 260. tierte. Der wöchentliche Zinssatz der bei Juden ge- 200 Der Stadtarchivar, Herr Erhard Eller, hatte 2015 versucht den ehemaligen Friedhof zu lokalisieren und hierzu den Archäologen Christoph Röder M. A. herangezogen. Dieser stellte die Vermutung auf, dass er im Gebiet nördlich des 205 Prokosch, Hungen, S. 91. Bahnhofs zwischen Am Bahndamm und Albert-Schweit- 206 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 341. zer-Straße läge. Eine archäologische Untersuchung zur Be- 207 Eller, Dokumente, Anhang, S. 112; Müller / Bertram / stätigung dieser These wurde nicht durchgeführt. Damrath, Judenfamilien, S. 185–187. Vgl. auch „Sponta- 201 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 341, Nr. 74. ner Volkszorn“, in: Gießener Anzeiger 259, S. 32. 202 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 341. Die 208 Löwenstein, Quellen 3, S. 289, Nr. N 115; Battenberg, ältere Literatur bezieht sich mit der Datierung 1510 ver- Juden, S. 36. mutlich auf das falsch errechnete Datum bei Arnsberg, 209 Lutteropp, Gemeinde, S. 7–10. Gemeinden, S. 407; vgl. Prokosch, Hungen, S. 91; Wol- 210 Kratz, Juden, S. 107; Löwenstein, Quellen 1, S. 422, ter, Geschichte, S. 260. Nr. 1409. 203 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 341, Nr. 74. 211 Eller, Dokumente, Anhang [S. 99 f.]; Kratz, Erwerbstä- 204 Kratz, Juden, S. 107. tigkeit, S. 88–92; Lutteropp, Gemeinde, S. 13 f.

20 Hessischer Städteatlas – Hungen liehenen Waren wurde auf 1 Pfenning pro Gulden dass die Gemeinde schon seit langem in Hungen (etwa 21 % p. a.) beschränkt212. bestehe und sich täglich vergrößere221. Die jüdi- sche Gemeinde Hungens umfasste Inheiden, Utphe Aus einem Schuldbrief des Adeligen Wolf Boos 222 von Waldeck aus dem Hunsrück geht hervor, dass er und Langsdorf . 1765 beantragten die Langsdor- fer Juden eine eigene Schule, mit der Begründung, bei dem Juden Isaak zu Hungen 1650 eine Summe 223 von 50 Reichstalern geliehen habe. Er hatte festge- dass der Weg nach Hungen zu weit sei . Es war setzt dieses Kapital binnen einer Jahresfrist mitsamt möglich, dass in Hungen zu dieser Zeit eine Syna- eines Zinses von 4 Reichstalern (entspricht 8 %) zu- goge bestand. Jedoch wurde in den Listen der von rück zu zahlen. Als Pfand setzte er einige Immo- den Juden gezahlten Bede hinter dem Namen Ja- bilien der Oberburg von Bellersheim ein. Weil die cob Lemmle, „Jud Jacob Bamberger“ erst zwischen Schuld jedoch über einen langen Zeitraum nicht 1789 und 1814 der Zusatz Judenschaft wegen Schul ausgelöst wurde, ließ Isaak den Schuldbrief sowohl und Begräbnis geführt. Die Synagoge mit Frau- enbad befand sich in einem Fachwerkhaus in der 1674 als auch 1680 von der Stadt Hungen beglaubi- 224 gen, um im Falle einer Eintreibung einen gültigen kleinen Schlossgasse (heute Saalgasse 3) . Ausstat- Beleg vorweisen zu können213. tung, Aufteilung des Hauses und Größe des Betsaa- les sind nicht überliefert225. Neben der Pfandleihe war der Hausierhandel die einzig verbliebene Erwerbstätigkeit für jüdische Ein- Nachdem das „Haus mit Scheune“ (Bitzenstra- wohner214. Damit stand der jüdische Hausierhandel ße 38) 1829 von einem nichtjüdischen Hungener in direkter Konkurrenz zu der zünftig organisier- erworben worden war, begann der Umbau zur neu- ten Bevölkerung. Die Krämerzunft klagte, worauf- en Synagoge. Finanziert wurde er durch Kredite in Höhe von 6.250 fl. Die Synagoge wurde 1832 fertig- hin den Hungener Juden 1623 verboten wurde, in 226 der Stadt hausieren zu gehen215. gestellt und eingeweiht . Aufgrund des Bevölkerungsverlustes im Dreißig- Aus den Bedelisten von 1792 und einem Be- jährigen Krieg wurde der Zuzug in die Städte er- richt der Braunfelser Justiz-Kanzlei von 1800 geht leichtert216. Als sich im Laufe des 16. und 17. Jhs. hervor, dass in Hungen ein Hofjud Buch lebte. Es in Hungen zahlreiche verarmte jüdische Famili- handelte sich hierbei um Jacob Buch, der in enger Verbindung zum Hof des Fürsten und Grafen in en niederließen, verfügte Graf Wilhelm II. von 227 Solms-Braunfels 1633 deren Ausweisung217. Da die Braunfels stand. Der überwiegende Teil der im 18. und 19. Jh. in Hungen lebenden Juden gehör- solmsischen Grafen nicht auf die Einnahme der Ju- 228 denschutzgelder verzichten wollten, wurde diese te zur Gruppe der Landjuden . Ihr Haupterwerbs- Anordnung jedoch umgesetzt218. zweig war der Ellenwarenhandel und das zweite Gewerbe der Viehhandel229. 1666 lebten in Hungen bereits 53 Juden in acht Familien. 1673 erklärten sie gegenüber dem Stadt- Im Zuge der territorialen Veränderung der na- herren, dass sie die Erbauwung neuer Synagogen […] poleonischen Zeit wurde das Solmser Amt Hungen 1806 zum Landratsamt im Großherzogtum Hes- nit suchen, sondern die Verstattung deßjenigen, was 230 den Juden ahn benachbarten Orten auch von neuen sen . 1818 lebten, in sehr unterschiedlichen wirt- nach Jüdischen Ceremonien eingeräumt219. Sie bean- schaftlichen Verhältnissen, 62 Personen in zehn tragten demzufolge einen Betsaal, was allerdings abgelehnt wurde220. In einem anderen, beiliegenden 221 und undatierten Brief erbat die jüdische Gemein- Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 343, Nr. 77. 222 Prokosch, Hungen, S. 84. de dringend eine Synagoge, mit der Begründung, 223 Prokosch, Hungen, S. 84. 224 Lutteropp, Gemeinde, S. 10; Prokosch, Hungen, S. 88. 225 „Hungen, Rabbinat Oberhessen (Landkreis Gießen)“, in: Synagogen in Hessen (Stand: 29.7.2016). hang [S. 99 f]. 226 Prokosch, Hungen, S. 88; „Hungen, Rabbinat Oberhes- 213 Battenberg, Juden, S. 37 f.; HStAD, F 1 in 161/5. sen (Landkreis Gießen)“, in: Synagogen in Hessen Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 7. (Stand: 29.7.2016); Wolter, Geschichte, S. 262. 215 Wolter, Geschichte, S. 261; Battenberg, Juden, S. 30. 227 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 5, 50, 353 216 Wolter, Geschichte, S. 261. Nr. 88. Der älteste Grabstein auf dem neuen Friedhof in 217 http://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/ Hungen (1808) wurde Jacob Buch gewidmet. h-j/974-hungen-hessen [eingesehen am 11.7.16]; Prokosch, 228 https://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/sozialeOrd Hungen, S. 82; Wolter, Geschichte, S. 261; Bodenheimer, nung/juden/unterpunkte/prozess.htm#land [eingesehen am Juden, S. 39. 23.5.16]. 218 Battenberg, Juden, S. 36; Wolter, Geschichte, S. 261. 229 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 4; Bat- 219 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 343. tenberg, Juden, S. 30, 32. 220 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 343. 230 Kratz, Juden, S. 110.

21 Hessischer Städteatlas – Hungen jüdischen Familien in der Stadt231. Ein weiterer Zu- Möglichkeit die Staatsbürgerschaft zu erwerben, zug von Juden nach Hungen lässt sich anhand der wenn auch unter Einschränkungen242. Der Groß- Protokollbücher feststellen. Dort wurden die Gesu- teil der Juden konnte das dafür verlangte Mindest- che der Juden um die „Aufnahme in den Schutz“ der vermögen jedoch nicht vorweisen und verblieb im Stadt gelistet. Voraussetzung für die Aufnahme als Status „Schutzjude“243. Seit 1823 war der Hungener „Schutzjude“ war, dass der Antragsteller sein Ein- Bürgermeister, gemäß Großherzoglicher Gemeinde- zugsgeld bezahlt hatte232, ein schuldenfreies Ver- ordnung, verpflichtet, für die jüdischen Einwohner mögen von 1.000 fl. nachwies233 und einen Beruf sowohl Geburts-, als auch Trauungs- und Sterbere- ausübte, mit dem er seine Familie unterhalten konn- gister zu führen – die sogenannte Judenmatrikel244. 234 te . 1841 beschloss der Gemeinderat, keinem frem- Die Juden, die einen Antrag auf Schutz stellten, den Juden mehr Schutz in Hungen zu gewähren245. benötigten vom Stadtschultheiß, später dann vom Im Zuge der politischen und rechtlichen Gleichstel- Gemeinderat und Bürgermeister, ein Führungs- lung der Juden mit anderen Bürgern 1848 besserte zeugnis. Je nach Situation empfahlen sie dem Kreis- sich ihre Lage. Sie hatten nun die Möglichkeit, das rat die Befürwortung bzw. Ablehnung235. Auf diese Ortsbürgerrecht mit all den dazugehörigen Rech- Weise war es auch möglich, ausnahmsweise – ohne ten zu beantragen, was zuvor nur einzelnen Juden alle Voraussetzungen zu erfüllen – in den Schutz zugestanden worden war246. Mit der Assimilation aufgenommen zu werden236. ergriffen die Hungener Juden die Möglichkeit bis Sobald der Verdacht entstand, die Juden könnten dahin für sie verschlossene Berufe in Handwerks- betrieben oder freie Berufe wie etwa Rechtsanwalt, den in Hungen lebenden Christen schaden, lehnte 247 der Gemeinderat die Anträge ab237. So begründete er Notar oder Arzt, zu ergreifen . Der Viehhandel die Ablehnung, die Stadt [sei] mit Juden überbesetzt blieb jedoch weiterhin vorherrschend. 1903 arbeite- oder weil die Zahl der hiesigen Juden schon zu einer ten von 104 Hungener Juden 19 als Kaufleute, zehn Höhe angewachsen ist, das sie den Erwerb der Stadt als Viehhändler, einer als Bäcker und einer als Satt- ler248. Ab 1848 war es Pflicht der jüdischen Kinder größtentheils an sich gezogen haben, und nicht abzu­ 249 sehen ist, wie, wenn auch nur die Söhne der Schutz­ die Volksschule zu besuchen . juden künftig recipirt werden wollen, diese im Stande 1876 erwarben die Brüder Löb und Karl Sulz- sein können, sich an dem kleinen Ort rechtlich zu er­ bach das ehemalige Amtshaus. Da es rund 60 Jahre nähren238. Es war auch möglich, mehrfach Anträ- von der Familie Sulzbach bewohnt wurde, wurde es ge um die Aufnahme in die Schutzgemeinschaft der von den Hungenern auch „Haus des Löb Sulzbach“ Stadt zu stellen239. Grund hierfür konnten veränder- oder „Sulzbach’sches Haus“ genannt250. te Lebensumstände, wie beispielsweise Vermögens- 240 Im Ersten Weltkrieg wurden zwei jüdische Hun- erwerb durch Heirat, sein . gener getötet. Julius Klippstein starb 1917251 und Die jüdische Gemeinde Hungens verkleinerte Max Gonsenhäuser fiel am 29. Sept. 1918 in Frank- bzw. vergrößerte sich stetig durch Heirat in die bzw. reich252. Bei der Reichstagswahl am 14. Sept. 1930 von den umliegenden Gemeinden oder Städten. Mit gewann die „Nationalsozialistische Deutsche Arbei- der Heirat ging auch ein Antrag auf den Schutz der terpartei“ (NSDAP) die relative Mehrheit in Hun- Stadt einher241. Die 1820 eingeführte Verfassung gen253. 1932 erhielt die antisemitische Partei bereits des Großherzogtums Hessen verbesserte die Situa- über 60 % der Stimmen254. Im selben Jahr wurde in tion der Juden in Hungen, denn sie gab ihnen die Hungen noch das 100-jährige Bestehen der Synago-

231 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 9; Pro- 242 Wolter, Geschichte, S. 263. kosch, Hungen, S. 85. 243 Wolter, Geschichte, S. 263. 232 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 335, Nr. 52 244 Kratz, Juden, S. 111; Prokosch, Hungen, S. 81. und Nr. 54. 245 Prokosch, Hungen, S. 84. 233 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 331, Nr. 40; 246 http://www.jüdische-gemeinden.de/index.php/gemeinden/ 332, Nr. 43. h-j/974-hungen-hessen [eingesehen am 09.5.16]; Müller / 234 Prokosch, Hungen, S. 83; Müller / Bertram / Damrath, Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 333, Nr. 47; Pro- Judenfamilien, S. 331, Nr. 38. kosch, Hungen, S. 81, 83. 235 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 27. 247 Prokosch, Hungen, S. 83. 236 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 350, Nr. 38. 248 Wolter, Geschichte, S. 263. 237 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 334. 249 Prokosch, Hungen, S. 90. 238 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 331, Nr. 41. 250 Sobik, Amtshaus, S. 45 f. 239 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 331, 333. 251 Wolter, Geschichte, S. 264. 240 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 351, Nr. 85. 252 Eller, Schicksal, S. 62. 241 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 351, Nr. 86, 253 Wolter, Geschichte, S. 264. S. 335, Nr. 52, S. 338, Nr. 66 und Nr. 67. 254 Vgl. Tab. S. 17; Erb, Mahnmal, S. 85.

22 Hessischer Städteatlas – Hungen ge gefeiert. An den Feierlichkeiten nahmen auch der bäude, zu dem die Schule, die Lehrerwohnung und Bürgermeister und der Schuldirektor teil255. das Frauenbad im Keller gehörten, für 7.600 Mark. 266 Im Zuge der sogenannten Machtergreifung des Nach 1945 wurde es Privatbesitz . nationalsozialistischen Regimes am 30. Jan. 1933 Im Zuge der Inkraftsetzung des Reichsbürger- kam es zu ersten Ausschreitungen gegen die Hunge- gesetzes vom 25. Nov. 1941 verloren alle deutschen ner Juden256. Im März desselben Jahres überfiel ein Juden, die sich im Ausland aufhielten, auf einen SA-Trupp Gustav Gonsenhäuser in seinem Haus in Schlag ihre deutsche Staatsangehörigkeit und ihr der Kaiserstraße 37. Am 30. Juni 1934 kam es in gesamtes Vermögen. Das „Sulzbach’sche Haus“, das der Nähe des Solmser Hofs zu einem Übergriff auf Adolf Sulzbach bei seiner Flucht 1936 unverkauft mehrere jüdische Bürger257. zurück ließ, ging somit in den Besitz des Deutschen Angesichts des stetig anwachsenden Antisemi- Reiches über. Die Bank erhob, aufgrund eines noch tismus zog der Jude Julius Steinhauser bereits 1932 nicht getilgten Darlehens ebenfalls finanzielle An- sprüche und forderte die Zwangsversteigerung des nach Worms und von dort weiter in die Vereinig- 267 ten Staaten. Zwei Jahre später floh auch der Wit- Gebäudes . Der Prozess wurde 1944, auf Drän- wer Adolf Sulzbach mit seinen Töchtern Ida und gen des Vorstehers des Finanzamtes Gießen, auf 258 unbestimmte Zeit eingestellt. Bis 1945 kamen die Gertrud in die USA . Am 20. Nov. 1936 vermerk- 268 te der Hungener Bürgermeister Hofmann in einem Beteiligten zu keiner Einigung . Mithilfe eines Brief an das Kreisamt: Langsam aber sicher beginnen Rechtsanwalts und Treuhänders aus Gießen konnte die hier wohnenden Juden abzuziehen. Bis jetzt verlie­ Familie Sulzbach nach Kriegsende wieder Ansprü- ßen sieben jüdische Familien Hungen. Hoffentlich ist che an den ihnen zustehenden Besitz stellen. Auf ih- der Zeitpunkt bald gekommen, an dem der letzte Jude ren Wunsch blieb das Mietverhältnis der zu diesem unserem Heimatstädtchen den Rücken kehrt259. Zeitpunkt in dem Haus lebenden Familien beste- hen. Das Verfahren der Zwangsversteigerung wur- Durch die gesetzlichen Regelungen der Natio- de im Oktober 1949 offiziell eingestellt269. nalsozialisten verschlechterten sich die Bedingun- gen der jüdischen Einwohner stetig. Juden wurden Bis 1941 verließen nachweislich insgesamt 64 jü- von den Märkten sowie vom Handel ausgeschlossen dische Personen Hungen. Das Ehepaar Steinhauer und aus dem öffentlichen Dienst entfernt260. wurde gezwungen, sein Haus in der Saalgasse zu ver- lassen und nach Inheiden in ein „Judenhaus“ umzu- In der Reichspogromnacht 1938 wurden die In- ziehen270. Der überwiegende Teil zog nach Frankfurt neneinrichtung der Synagoge zerstört und die Kult- am Main, weitere nach Darmstadt, Groß-Umstadt, gegenstände zum Rathaus gebracht (und vermutlich Hamburg, Kirchhain, Mainz, Offenbach, Wieden- später vernichtet)261. SA-Leute überfielen zudem jü- brück (Westf.), Worms oder ins Ausland nach Frank- dische Häuser und Wohnungen. Vier jüdische Män- reich, Italien, Palästina, Südafrika oder in die USA271. ner wurden festgenommen, in das Gefängnis gesperrt und misshandelt262. Sie wurden anschließend in das Doch auch der Umzug rettete nicht alle, denn Konzentrationslager Buchenwald deportiert, wo Salo- acht von ihnen wurden ins Konzentrationslager mon Wiesenfelder, letzter Vorsitzender der jüdischen nach Theresienstadt, einer nach Ausschwitz, zwei Gemeinde, noch im selben Monat umgebracht wur- weitere in den Osten deportiert und dort ermor- de263. 1939 lebten nur noch 13 Juden in Hungen264. det. Der Verbleib von neun Juden, die Hungen ver- ließen, ist unbekannt. Es wird vermutet, sie seien Im April 1939 informierte der Bürgermeister deportiert und umgebracht worden; zwei von ih- Hofmann den Landrat, dass die Synagoge sich in ei- nen wurden für tot erklärt. Sechs der noch in Hun- nem guten Zustand befände, jedoch keinem Zweck gen lebenden Juden wurden im September 1942 mehr diene265. Die Ortsgemeinde erwarb das Ge- direkt von Hungen nach Theresienstadt gebracht. Am 4. März 1943 wurde Erna Charlotte Saalberg 255 Altaras, Synagogen, S. 201 f.; Prokosch, Hungen, S. 89. 256 Eller, Schicksal, S. 59; Katz, Geschichte, S. 47. 257 Wolter, Geschichte, S. 266 f. 266 Altaras, Synagogen, S. 201 f; Krause-Schmitt / Freyberg / 258 Sobik, Amtshaus, S. 48. Wehe, Hessen II, S. 40. 259 Zitiert nach Prokosch, Hungen, S. 93. 267 Sobik, Amtshaus, S. 48. 260 Prokosch, Hungen, S. 93; Kratz, Juden, S. 122; Wolter, 268 Sobik, Amtshaus, S. 49. Geschichte, S. 265. 269 Sobik, Amtshaus, S. 49; Prokosch, Hungen, S. 88; Wol- 261 Altaras, Synagogen, S. 201 f. ter, Geschichte, S. 269. 262 Krause-Schmitt / Freyberg / Wehe, Hessen II, S. 40. 270 Eller, Familie, S. 38; Krause-Schmitt / Freyberg / Wehe, 263 Arnsberg, Gemeinden, S. 407; Eller, Schicksal, S. 72; Krau- Hessen II, S. 40. se-Schmitt / Freyberg / Wehe, Hessen II, S. 40; Prokosch, 271 Auswertung der Tabelle bei Eller, Schicksal, S. 61–72. In Hungen, S. 85, 93. diesem Zusammenhang werden die jüdischen Einwohner 264 Krause-Schmitt / Freyberg / Wehe, Hessen II, S. 40. Hungens, die in andere Städte bzw. Länder verzogen, wei- 265 Prokosch, Hungen, S. 89. terhin als Hungener Juden betrachtet.

23 Hessischer Städteatlas – Hungen als letzte jüdische Hungenerin von Frankfurt nach 1885 1.297 Einwohner 282 Theresienstadt verschleppt und ermordet272. 1890 1.327 Einwohner 1895 1.385 Einwohner Bei Kriegsende 1945 hatte Hungen keine jüdi- 1900 1.364 Einwohner283 sche Gemeinde mehr. Nur zwei jüdische Hungener 1905 1.552 Einwohner 1910 1.678 Einwohner überlebten im Konzentrationslager und kehrten in 1914 1.675 Einwohner284 ihre Heimat zurück: das Ehepaar Oppenheim. Jere- 1919 1.776 Einwohner285 mias Oppenheim wurde im Mai 1946, als Letzter, 1925 1.736 Einwohner auf dem jüdischen Friedhof beigesetzt. Seine Frau 1933 1.800 Einwohner286 273 1939 1.723 Einwohner Hedwig starb 1991 in Frankfurt . 1946 2.923 Einwohner Der jüdische Friedhof ist das letzte Zeugnis 1950 3.149 Einwohner 1956 3.250 Einwohner des ehemaligen jüdischen Lebens in Hungen. Am 1960 3.451 Einwohner287 26. Aug. 1990 wurde von der „Spurensuche AG“ 1961 3.375 Einwohner auf dem jüdischen Friedhof ein Mahnmal einge- 1967 3.640 Einwohner weiht. Es erinnert namentlich an die jüdischen Bür- 1970 3.984 Einwohner288 1981 4.315 Einwohner289 gerinnen und Bürger von Hungen, Bellersheim, 1987 4.050 Einwohner290 Inheiden, Obbornhofen und Utphe, die in der Zeit 1990 4.256 Einwohner291 während der NS-Herrschaft ermordet, vertrieben 1993 4.725 Einwohner und gedemütigt wurden274. Im selben Jahr wurde 1996 4.663 Einwohner 1999 4.614 Einwohner von der Stadt Hungen eine Gedenktafel an dem 2003 4.629 Einwohner noch heute bestehenden, ehemaligen Synagogen- 2006 4.590 Einwohner gebäude befestigt. Auf Initiative der „Spurensuche 2009 4.526 Einwohner AG“ wurden am 23. März 2016 insgesamt elf Stol- 2011 4.479 Einwohner persteine in der Obertorstraße, die ersten vier vor der Nummer 25, dem ehemaligen Haus der Famili- Jüdische Einwohner in Hungen 275 en Wiesenfelder und Oppenheim, verlegt . 1426 Juden erwähnt292 1430 1 Jude erwähnt293 1436–1459 Juden erwähnt294 8. Bevölkerungszahlen bis zum 21. Jahrhundert 1444 1 Jude erwähnt295 1445 1 Jude erwähnt296 297 1550 108 Bedepflichtige276 1449 1 Jude erwähnt 298 1822 982 Einwohner277 1458 1 Jude erwähnt 299 1827 1.027 Einwohner278 1463 1 Jude erwähnt 300 1834 970 Einwohner279 1523 Juden erwähnt 301 1840 1.091 Einwohner280 1552 Juden erwähnt 302 1846 1.290 Einwohner 1558 1 Jude erwähnt 1852 1.199 Einwohner 1858 1.243 Einwohner 1864 1.171 Einwohner 282 Prokosch, Hungen, S. 123. 1871 1.223 Einwohner 283 Prokosch, Hungen, S. 123. 1875 1.283 Einwohner 284 Prokosch, Hungen, S. 123. 1880 1.350 Einwohner281 285 Prokosch, Hungen, S. 123. 286 Prokosch, Hungen, S. 123. 287 Prokosch, Hungen, S. 123. 272 Eller, Schicksal, S. 68. 288 Amtliches Verzeichnis, S. 124. 273 Krause-Schmitt / Freyberg / Wehe, Hessen II, S. 41; Pro- 289 Prokosch, Hungen, S. 123. kosch, Hungen, S. 92. 290 Ausgewählte Strukturdaten über die Bevölkerung, S. 38. 274 Eller, Dokumente, S. 110; Jüdisches Hungen, S. 28. 291 Folgende Zahlen freundliche Auskunft von Herrn Dirk 275 „Stolpersteine machen Erinnerungen lebendig“ Gießener An- Siebert, Stadt Hungen, März 2016. zeiger (24.3.16), http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/ 292 Battenberg, Art. Hungen, S. 578.; Wolter, Geschichte, kreis-/hungen/stolpersteine-machen-erinnerung- S. 260. lebendig_16754011.htm und „Erinnerung an ehemaliger 293 Wolter, Geschichte, S. 260. Hungener Juden“ (25.3.16), http://www.giessener-anzeiger. 294 Wolter, Geschichte, S. 260. de/lokales/kreis-giessen/hungen/erinnerung-an-ehemali 295 Battenberg, Quellen, S. 240 f., Nr. 907, 908, 911, 912. ge-hungener-juden_16756606.htm [eingesehen am 07.7.16]. 296 Keyser, Städtebuch, S. 267; Battenberg, Quellen, S. 243, 276 Prokosch, Hungen, S. 198 f. Nr. 917. 277 Keyser, Städtebuch, S. 266. 297 Keyser, Städtebuch, S. 267; Battenberg, Quellen, S. 249, 278 Geissler, Entwicklung, 320. Nr. 943. 279 Folgende Zahlen, wenn nicht anders angegeben, nach His- 298 Battenberg, Quellen, S. 276, Nr. 1039. torisches Gemeindeverzeichnis, S. 30 f. 299 Battenberg, Quellen, S. 278 f., Nr. 1052f. 280 In Abweichung von dieser Zahl gibt Prokosch, Hungen, 300 Wolter, Geschichte, S. 260. S. 123 ohne Quellenbeleg 1.072 Einwohner an. 301 Löwenstein, Quellen 1, S. 421, Nr. 1409. 281 Prokosch, Hungen, S. 123. 302 Battenberg, Quellen, S. 240, Nr. 907.

24 Hessischer Städteatlas – Hungen

1562 Juden erwähnt303 Obbornhofen 522 642 653 909 811 797 888 878 1569 2 Juden erwähnt304 Rabertshausen 208 188 208 361 140 122 151 133 1573 1 Jude erwähnt305 Rodheim 326 363 334 517 415 368 397 397 1623 Juden erwähnt306 Steinheim 532 513 487 777 593 566 609 536 1650 1 Jude erwähnt307 Trais-Horloff 288 533 430 724 590 551 573 572 1666 53 Personen (in 8 Familien)308 Utphe 551 580 542 777 683 667 641 635 1705 Juden erwähnt309 Villingen 893 1.053 1.083 1.557 1.567 1.485 1.451 1.352 1776 3 Familien310 Gesamt 6.182 7.538 7.512 11.989 12.029 11.745 12.948 12.687 1800 8 Familien311 1812 6 Familien312 1818 62 Personen (in 10 Familien)313 9. Wirtschaft, Gewerbe und Beschäftigungs- 1828 53 Personen314 struktur in der Neuzeit 1830 54 Personen315 316 1879 42 steuerpflichtige Personen Einwohner, Beschäftigte und deren Tätigkeitsbereiche 1961330 1900 93 Personen317 1903 104 Personen (59 männliche und Die 1.498 Erwerbstätigen verteilten sich auf folgende Wirt- 45 weibliche)318 schaftsbereiche: 1906 93 Personen319 1925 73 Personen320 301 (20,1 %) Dienstleistungen 1933 18 Familien321 762 (50,9 %) produzierendes Gewerbe 1939 13 Personen322 292 (19,5 %) Handel, Verkehr und Nachrichtenüber- 1941 1 Familie mittlung 1943–1944 keine323 143 (9,5 %) Land- und Forstwirtschaft 1945 2 Personen324 Gliederung nach Stellung im Beruf 1961 Entwicklung der Einwohnerzahlen nach Ortsteilen Von 1.498 Erwerbstätigen waren: Einwohner 1834325 1910 1939 1950 1977326 1987327 2002328 2016329 688 (49,9 %) Arbeiter Hungen 970 1.678 1.723 3.149 4.050 4.050 4.600 4.520 340 (22,7 %) Selbstständige und mithelfende Familien- Bellersheim 599 621 624 995 898 965 1.122 1.053 angehörige Inheiden 361 425 536 834 1.094 948 1.054 1.158 397 (26,5 %) Beamte und Angestellte Langd 573 596 578 877 641 665 766 758 73 (4,9 %) Lehrlinge Nonnenroth 359 346 314 512 547 561 696 695

Einwohner, Beschäftigte und deren Tätigkeitsbereiche 1987331

303 Battenberg, Juden, S. 37. Von 4.050 Einwohnern (Bevölkerung am Ort mit Hauptwoh- 304 Löwenstein, Quellen 1, S. 421, Nr. 1409. nung) waren: 305 Löwenstein, Quellen 2, S. 106, Nr. 1954. 1.676 (41,4 %) Erwerbstätige 306 Wolter, Geschichte, S. 261. 588 (14,5 %) Schüler und Studierende 307 Battenberg, Quellen, S. 499, Nr. 1881. 100 (2,5 %) Erwerbslose 308 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 340; Prokosch, Hungen, S. 84; Wolter, Geschichte, S. 261. 309 Wolter, Geschichte, S. 261. Tätigkeitsbereiche (auch außerhalb von Hungen) 310 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 5. 311 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 8, S. 353, Die 1.827 Erwerbstätigen verteilten sich auf folgende Wirt- Nr. 8. schaftsbereiche: 312 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 7, 9. 754 (41,3 %) produzierendes Gewerbe 313 Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 9; Pro- 376 (20,6 %) Handel, Verkehr und Nachrichtenüber- kosch, Hungen, S. 85. mittlung 314 Keyser, Städtebuch, S. 267. 49 (2,7 %) Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 315 Prokosch, Hungen, S. 84. 648 (35,5 %) übrige Wirtschaftsbereiche 316 Prokosch, Hungen, S. 84. 317 Keyser, Städtebuch, S. 267. 318 Wolter, Geschichte, S. 263; Prokosch, Hungen, S. 84. Gliederung nach Stellung im Beruf 1987 319 Prokosch, Hungen, S. 84. 320 Keyser, Städtebuch, S. 267. Von 1.827 Erwerbstätigen waren: 321 Prokosch, Hungen, S. 84. 902 (49,4 %) Beamte, Richter, Soldaten, Angestellte, 322 Krause-Schmitt / Freyberg / Wehe: Hessen II, S. 40; Pro- kaufmännisch und technisch Auszubil- kosch, Hungen, S. 84. dende 323 Krause-Schmitt / Freyberg / Wehe: Hessen II, S. 40; Pro- 730 (40,0 %) Arbeiter, gewerblich Auszubildende kosch, Hungen, S. 84. 195 (10,7 %) Selbstständige, mithelfende Familienan- 324 Prokosch, Hungen, S. 84. gehörige 325 Folgende Zahlen nach Historisches Gemeindeverzeichnis, S. 30–33. 326 Prokosch, Hungen, S. 110. 327 Ausgewählte Strukturdaten über die Bevölkerung, S. 38. 328 Frdl. Auskunft von Herrn Dirk Siebert, Stadt Hungen. 329 http://www.hungen.de/fakten/einwohnerzahlen.html [einge- 330 Hessische Gemeindestatistik 1960/61, S. 59–61. sehen am 20.9.2016] 331 Ausgewählte Strukturdaten über die Bevölkerung, S. 38–43.

25 Hessischer Städteatlas – Hungen

Erwerbszweige, Zahlen der Arbeitsstätten und Beschäftigten II. Siedlungstopographische Entwicklung 332 (Ortseinwohner plus Einpendler) in Hungen 1987 vom Mittelalter bis zur Mitte des Erwerbszweig Arbeitsstätten Beschäftigte 19. Jahrhunderts Handel 50 (26,7 %) 262 (14,3 %) Verarbeitendes Gewerbe 32 (17,1 %) 749 (41,0 %) 1. Von den Anfängen der Siedlung bis zum (ohne Baugewerbe) Baugewerbe 20 (10,7 %) 188 (10,3 %) Dreißigjährigen Krieg Gebietskörperschaften/ 8 (4,3 %) 186 (10,2 %) Sozialversicherung Für eine detaillierte Beschreibung der frühen sied- Verkehr und 7 (3,7 %) 64 (3,5 %) lungstopographischen Entwicklung Hungens feh- Nachrichtenübermittlung Kreditinstitute/ 6 (3,2 %) 55 (3,0 %) len schriftliche Quellen ebenso wie gesicherte Versicherungsgewerbe bau- bzw. gebäudegeschichtliche Daten und Be- Dienstleistungen 58 (31,0 %) 282 (15,4 %) funde. Die mittelalterlichen oder gar frühmittelal- Organisation ohne 3 (1,6 %) 28 (1,5 %) terlichen Ursprünge bleiben daher ungeklärt. Über Erwerbszwecke Energie- und Wasser- nicht vorhanden nicht vorhanden Größe und Aussehen des Ortes können bis zum versorgung, Bergbau 14. Jh. nur Vermutungen angestellt werden. Sei- Gesamtzahl 187 1.826 ne Entstehung verdankt der Ort wohl der Lage an der Kreuzung überregional bedeutender Altstraßen, Einwohner, Beschäftigte und deren Tätigkeitsbereiche 2014333 vor allem der von Norden nach Süden verlaufen- den Kurzen Hessen. Möglicherweise entstand hier Die 2.957 Erwerbstätigen verteilten sich auf folgende Wirt- schaftsbereiche: die dörfliche VorgängersiedlungHoinge , von der die Quellen des späten 8. Jhs. erstmals berichten334. 12,6(%) Dienstleistungen 41,2(%) Handel, Gastgewerbe, Verkehr Ob der Turm der Pfarrkirche Teil einer mittel- 36,6(%) produzierendes Gewerbe alterlichen, vielleicht in die Zeit um 1100 zurück- 1,8(%) Sonstiges, keine Zuordnung möglich reichenden Burganlage war, bleibt ebenso unbelegte Vermutung 335 wie die Überlegung, die eigentliche, 10. Heutige Stadtteile ohnehin erst 1381 erstmals erwähnte Burg in Hun- gen hätte sich an der Stelle des heutigen rund fünf Gemeindeteil Zeitpunkt der Meter höher als die Kirche gelegenen Gelände des Eingemeindung Schlosses befunden336. Ein vergleichender Blick auf Bellersheim 31. Jan. 1977 die Stadtgrundrisse von Bad Orb, Battenberg, Fran- Inheiden 31. Jan. 1977 kenberg oder Grünberg zeigt für Hungen in der Langd 31. Dez. 1970 Nonnenroth 31. Dez. 1971 vor- bzw. frühstädtischen Zeit ebenfalls eine un- Obbornhofen 31. Jan. 1977 mittelbare Nachbarschaft von Burg und Kirche, Rabertshausen 31. Dez. 1970 die beide abseits der Hauptstraßen der Siedlung lie- Rodheim 31. Dez. 1971 gen337. Dabei ist in den anderen Städten nicht klar, Steinheim 31. Dez. 1970 Trais-Horloff 31. Dez. 1970 ob und wie die Kirche, insbesondere ihr Turm, in Utphe 31. Dez. 1970 die Burganlage einbezogen war. Die in den genann- Villingen 31. Jan. 1977 ten Städten jeweils nachvollziehbaren Grundrisse der ursprünglichen Burganlagen von eher beschei- denem Umfang lassen dies als eher unwahrschein- lich erscheinen. Die im Urkataster nachvollziehbare Kirchhofsmauer und der Geländeabsatz nach Osten und Norden lassen aber auf einen wehrhaften Cha- rakter der Kirchenanlage schließen. Von der Burg in Hungen ist lediglich der nur in der Stadtansicht von um 1700 und dem Perspectivi­ schen Entwurff Deß Hochgräfflichen Schlosses Hoingen

334 MGH Diplomata Karolinger 1, Nr. 144 (http://www. dmgh.de/de/fs1/object/display/bsb00000358_00206. html [eingesehen am 28.1.2016]; Weirich, Urkundenbuch Hersfeld Nr. 17, S. 30, Zeile 16. 335 Küther, Schloß, S. 162. 332 Ausgewählte Strukturdaten über Arbeitsstätten, S. 8 f. 336 Vgl. oben Kap. I. 2, S. 6, bei Anm. 45. 333 http://www.hessen-gemeindelexikon.de [eingesehen am 337 Vgl. die Karten zur Siedlungsentwicklung zu den jeweili- 20.9.2016]. gen Städten im Hessischen Städteatlas.

26 Hessischer Städteatlas – Hungen von 1716 noch vorhandene Bergfried dokumen- der Stadt zwei im Gelände noch heute deutlich her- tiert338. Über ihre Größe kann nur spekuliert wer- vortretende bastionsartige Vorbauten erkennen. den. Vermutlich handelte es sich um eine kleine, für Die große Schloßgasse im Urkatasterplan, die heu- die Region übliche Anlage, die aus dem Turm, einem tige Schlossgasse, dürfte im Zusammenhang mit Wohnhaus (Palas), wenigen Nebengebäuden und ei- dem wohl in den Jahrzehnten um 1500 noch mit ner umfassenden Ringmauer bestand. Zu dem nach spätgotischen Bögen errichteten und 1604 von der Westen hin ansteigenden Vorgelände war sie durch Kanzlei überbauten Torbau als repräsentative Zu- eine Schildmauer und Gräben geschützt. Nach Osten fahrt zum Schloss angelegt worden sein. In der und Norden dürften sich die wenigen Gebäude der Schlossansicht von 1716 liegt zwischen Schlossgasse dörflichen Siedlung gruppiert haben. Die einzig in ei- und Stadtmauer ein formaler Barockgarten, der vor ner Beschwerdeschrift aus dem Jahre 1543 überlie- 1818 teilweise mit einer Scheune (heute Schlossgas- ferte Bezeichnung Althungen mag sich auf diesen eng se 7) überbaut worden ist344. bebauten und unregelmäßig parzellierten Bereich um die Kirche, besonders in der Bitze, bezogen haben339. Außerhalb des Mauerrings befanden sich nur we- nige Gebäude. Eine vorstädtische Siedlung bestand Nach 1361 wurde die Siedlung von einer Befes- 340 nicht. Lediglich ca. 200 m nordöstlich vor der Stadt- tigung umgeben . Die Stadtmauer, wie sie auch mauer lag die 1450 erstmals erwähnte Obermühle. noch fast zur Gänze im Urkatasterplan von 1856– Die rund 550 m südlich von der Stadtmauer gele- 62 nachvollziehbar ist, wurde im Verlauf der zweiten 341 gene Untermühle wurde erst 1629, also während Hälfte des 14. Jhs. errichtet . In diese Stadtbefesti- des Dreißigjährigen Krieges erbaut345. Weit vor der gung wurde die Burganlage integriert. Der von die- Stadt, etwa 700 m nordwestlich des Obertors, be- ser Mauer umgebene Raum dürfte bis zum Ende fand sich der seit der ersten Hälfte des 16. Jhs. beste- des Mittelalters nach und nach bebaut worden sein. hende jüdische Friedhof. Die genaue Lage des über Geschützt wurde die Stadtmauer durch die bei- die Flurnamen Am Siechbrunnen im Bereich der heu- den Türme des Ober- und Untertors. Deren je- tigen Gesamtschule und vor allem Am Siechenhaus weiligen Vortore wurden zu einem unbekannten am Galgenberg rechts der Straße nach Nonnenroth Zeitpunkt, aber noch vor dem Dreißigjährigen zu suchenden Siechenhauses oder Leprosoriums ist Krieg, errichtet342. Im gleichen Zuge dürften die nicht bekannt346. Ob sich in dem möglicherweise teilweise im Plan von der Mitte des 17. Jhs. nach- schon vor dem Dreißigjährigen Krieg bestehenden vollziehbaren Zwingermauern entstanden sein, die herrschaftlichen Tiergarten nordöstlich der Stadt im Nordwesten u. a. einen großen Herrschaftsgar­ auch Gebäude befanden, ist unbekannt. ten343 umfassten. Ein Turm deckte die Südseite der Befestigung, ein weiterer in das Brauhaus integrier- ter Turm die Nordseite. Der im Grundriss erhalte- 2. Von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zur ne Rundturm an der Nordwestecke des Schlosses Mitte des 19. Jahrhunderts schützte die Westseite. Die beiden im Plan von der Mitte des 17. Jhs. nachvollziehbaren bastionsartigen Wie andere Orte der Wetterau erlitt auch Hungen Ausbuchtungen, von denen eine auch in der Ur- während des Dreißigjährigen Krieges einen beträcht- katasterkarte erkennbar ist, verstärkten die Nord- lichen Bevölkerungsverlust und erhebliche Zerstö- weststrecke der Stadtmauer zwischen Obertor und rungen, deren genauer Umfang jedoch nicht bekannt Brauhaus. Davor umspannte eine in ihrer Außen- ist347. Änderungen in der Siedlungstopographie sind kante etwa 50 bis 60 m vor der Stadtmauer aus- auf jeden Fall bis zum Anfang des 19. Jhs. so gut laufende Wallanlage die Stadt. Dieser vorgelagerte wie keine feststellbar. Lediglich im Tiergarten wur- Befestigungsgürtel umfasste im Uhrzeigersinn von de zu einem unbekannten Zeitpunkt, aber sicher vor 348 Norden beginnend die Fluren mit den Namen: Das 1790, ein Anwesen für den Tiergärtner errichtet . Hopfenstück, Der Damm, Der Wall und Der Pfann­ stiel. Anhand der Höhenlinien lassen sich im Süden 344 Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopographie, S. 95 und Schreiben des Stadtarchivars Herrn Erhard Eller vom 22. Juli 2016. 338 Privatbesitz Braunfels (vgl. Sonderblatt 4, Abb. 7). 345 Solms-Laubach, Geschichte, S. 77; vgl. auch die Zeich- 339 Löwenstein, Quellen 3, S. 289, Nr. N 115; Battenberg, nung nach einem verschollenen Plan des 17. Jahrhunderts, Juden, S. 36. abgedruckt bei Küther, Hungen, S. 129; Walbe, Kunst- 340 Küther, Hungen, S. 73 f. denkmäler, S. 137; vgl. Sonderblatt 3, Abb. 5. 341 Vgl. oben S. 6, nach Anm. 35. 346 Küther, Flurnamen, S. 380, Nr. 140. 342 Zumindest wurden sie in dem Gutachten von August 347 Zu den Kriegsereignissen in und um Hungen vgl. Küther, Rumpf aus den 1650er Jahren als renovierungsbedürftig Hungen, S. 109–128; Solms-Laubach / Mattaei, Wetter- bzw. wieder zu errichtend genannt; vgl. oben bei Anm. 105. felder Chronik, S. 156 f. 343 StadtA Hungen, Nachlass Heinrich Jockel (vgl. Sonder- 348 GSLA, Karten IV, 40 (vgl. Sonderblatt 2, Abb. 3) und vgl. blatt 3, Abb. 4). Sonderblatt 2, Abb. 4.

27 Hessischer Städteatlas – Hungen

Bei dem ersten Wohnhaus, das außerhalb der mittel- der Stadt wurde mit der 1895 in Betrieb genommenen alterlichen Stadtbefestigung errichtet wurde, handel- Molkerei der Genossenschaft ebenfalls die Bebauung te es sich um das knapp 70 m südlich der Stadtmauer fortgesetzt, ab 1883 dann auch östlich der Horloff. im Jahre 1827 anstelle eines Gartenhauses errichtete Schützenhaus349. Ihm folgte im Jahre 1831 das neue Haus für den Tiergärtner in der Grünberger (heu- 2. In der Weimarer Republik und te Nonnenröther) Straße 1. Der Schwerpunkt des im Nationalsozialismus Baugeschehens lag indes westlich vor dem ehemali- gen Obertor. Hier existierte ab 1838 mit dem Solm- Aufgrund der wirtschaftlich schwierigen Jahre ser Hof ein vornehmer Gastronomiebetrieb; schräg nach dem Ersten Weltkrieg und der fehlenden ge- gegenüber in der Friedberger Straße 1 und 3 stan- werblichen Impulse verlief die Entwicklung in der den bereits 1834 und 1833 zwei Wohngebäude. Ins- Zwischenkriegszeit vergleichsweise verhalten. Die besondere entlang der Kaiserstraße entwickelte sich private Bebauung konzentrierte sich im Westen im Laufe der 1840er Jahre mit dem Kreisamt, mehre- entlang der Bismarck-, Hartig- und Bellersheimer ren Gasthäusern, einer Apotheke, der Bank und einer Straße sowie in der neuangelegten Schillerstra- Reihe Privathäusern eine vergleichsweise repräsenta- ße. Bemerkenswert ist der östlich neben der Ka- tive Straße. Vor 1840 wurde der neue Friedhof west- tholischen Kirche in der Hartigstraße 6 im Jahre lich der Friedberger Straße angelegt350. 1929/30 errichtete Bau der Spar- und Leihkasse. Er steht sozusagen als Point de vue in der Nord-Süd- achse von Bahnhof- und Ludwigstraße. III. Siedlungstopographische Entwicklung Neben den privaten und institutionellen Bauher- von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum ren engagierte sich auch die Stadt und ließ 1922–24 Beginn des 21. Jahrhunderts erstmals im sozialen Wohnungsbau sechs Häuser in der Bellersheimer Straße 15–23/25 sowie 1926 drei 1. Von 1856–62 bis zum Ersten Weltkrieg weitere in der Niddaer Straße 33–37 erstellen. Während der 1850er und 1860er Jahre wurden in Hungen kaum Neubauten errichtet, dementspre- 3. Von 1945 bis zum Anfang chend sind keine siedlungstopographischen Verän- des 21. Jahrhunderts derungen in qualitativer oder quantitativer Hinsicht zu beobachten. Das erhebliche Bevölkerungswachstum nach Einen Schub erlebte die siedlungstopographische dem Zweiten Weltkrieg aufgrund des Zuzugs von Entwicklung durch den Bahnanschluss und den Flüchtlingen und Vertriebenen bescherte Hungen 1870 eröffneten Bahnhof. In deren Folge wurde im einen vorher unbekannten Bedarf und eine daraus Laufe der 1870er Jahre die neuangelegte Bahnhof- folgende Ausweitung des städtischen Siedlungsrau- straße (heute Raiffeisenstraße) bebaut. mes351. Das lebhafte Baugeschehen und das rasche Wachstum erlaubten es der Stadt zunächst nicht, Bis zum Ersten Weltkrieg setzte sich die Ausdeh- langfristige planerische Entwicklungsperspektiven nung der Stadt in Richtung Westen in der Gießener zu entwerfen.352 Neben zu schließenden Baulücken Straße, abgesehen von wenigen Ausnahmen, bis zur setzte die Bebauung zunächst an den bestehenden Einmündung der Moltkestraße fort. Die südlich der Siedlungsraum an. Die Ausdehnung erfolgte in Kaiserstraße sukzessive neuangelegten Seiten- bzw. Richtung Westen und Osten. Die Niederung der Nebenstraßen, also die Ludwig- und Bismarckstraße Horloff im Süden und das Feuchtgebiet Das Gras- sowie die Vordere Ruh, wurden mit 16 Häusern be- see im Norden blieben unbebaut. Anfangs handelte setzt. Zudem wurde die Bellersheimer Straße bis zur es sich noch weniger um Gewerbebetriebe, sondern Einmündung der Hartigstraße bebaut. In der Har- vor allem um Ein- und Zweifamilienhäuser. Im tigstraße errichtete man 1908 die katholische Kapel- Südwesten wurden die neuangelegte Feldheimer le und ein Missionshaus, die – abgesehen von dem Straße und Bergstraße zwischen 1955 und 1960 fast 1910 gegenüber erbauten Haus Ludwigstraße 7 – al- komplett bebaut; im Westen folgten in der parallel lerdings bis weit in die 1920er Jahre hinein recht iso- zur Gießener Straße verlaufenden Jahnstraße bis zur liert auf weiter Flur standen. An der östlichen Zeile Stettiner Straße ab 1950 zumindest einzelne Häu- der Friedberger Straße Nrn. 12–18 setzten vier villen- ser. Die planvollsten und bis dahin ausgedehntesten artige Einfamilienhäuser einen ersten Akzent in Rich- tung Süden. Entlang der Niddaer Straße im Osten 351 Das Folgende hauptsächlich nach Geissler, Entwicklung, S. 336–346, einschließlich „Stadtplan“ nach S. 336; Pro- 349 Geissler, Entwicklung, S. 317, 320 und Abb. 163 nach S. 320. kosch, Hungen, S. 286–288. 350 Vgl. die einschlägigen Einträge im Gebäudeverzeichnis. 352 Prokosch, Hungen, S. 286.

28 Hessischer Städteatlas – Hungen

te sich zwischen der Horloff sowie der Niddaer und Neubaugebiete entwickelten sich – vom alten städ- Beethovenstraße ebenfalls ein neues Wohngebiet. tischen Siedlungsraum und seinem Straßen- und Nördlich der Stadt lag die 1913 eröffnete Schu- Wegenetz auch weitgehend gelöst – östlich der Hor- le Am Zwenger noch weitgehend isoliert im Gelän- loff im Zwickel zwischen Klinghammerweg (heute de. Dies sollte sich ab den 1960er Jahren ändern. Mit Schottener Straße) und Niddaer Straße. Zwischen dem 1965 in der Albert-Schweitzer-Straße 2 eröffne- 1948 und 1953 wurde die rechte Zeile des Kling- ten Freibad356, dem im darauf folgenden Jahr nach hammerwegs mit acht Häusern besetzt; in der Goe- dreijähriger Bauzeit eingeweihten Kreisaltenheim thestraße kamen, mit Ausnahme der Nrn. 3 und 6, in der Albert-Schweitzer-Straße 6 und vor allem in den beiden Jahren 1950 und 1951 16 Häuser hin- der 1965 eröffneten Mittelpunktschule am Galgen- zu. In der Wiesenstraße entstanden zwischen 1954 berg wurden im Nordwesten der Stadt Impulse für und 1957 zwölf Doppelhausanwesen, die auch für das Entstehen eines Schul-, Freizeit- und Dienstleis- landwirtschaftlichen Nebenerwerb ausgelegt waren. tungsviertels gesetzt. Freilich zog hier die Wohnbe- Rund zwei Dutzend weitere Häuser gab es zwischen bauung zunächst in der Albert-Schweitzer-Straße 1951 und 1953 entlang der Horloffstraße. Die stadt- und dann in den 1970er Jahren auch in der Lie- auswärts gesehen rechte Zeile der Niddaer Straße big- und Behringstraße mit357. Mit der Hildegard- und die westlich parallel zu ihr verlaufenden Stein- von-Bingen-Straße und der nach dem Abriss des und Gartenstraße (heute Haydnstraße) wurden im Kreisaltenheims gegenwärtig entstehenden Martin- Laufe der 1950er Jahre mit mehr als vierzig Häu- Luther-Straße weitet sich dieses Wohngebiet weiter sern aufgesiedelt. In der südlichen Verlängerung aus. Mit der 1977 eröffneten Stadthalle358, dem zwar der Haydnstraße setzten 1968 und 1973 zwei soge- bereits seit 1938 gegenüber der Schule Am Zwenger nannte Y-Häuser mit 18 bzw. 24 Wohnungen mo- liegenden Sportplatz, der ab den 1950ern sukzessive derne urbane Impulse, insofern überhaupt erstmals verbessert und ausgebaut wurde, der Anlage des Ten- mehrstöckige Mehrfamilienhäuser in Hungen ent- 353 nisclubs Am Grassee 7 sowie der 1977 eingeweihten standen . Alleine im Jahr 1960 kamen nördlich Reitanlage359 rechts der Nonnenröther Straße erlebte vom Klinghammerweg in der Sudetenstraße rund die Konzentration der Sport- und Schulanlagen im zwei Dutzend Einfamilienhäuser hinzu. Norden der Stadt eine weitere Verfestigung360. Der Mit dem 1954 eingerichteten Zentrallager der 1973 in Betrieb genommene Feuerwehrstützpunkt REWE-Gruppe und der 1956 in Betrieb genom- Am Grassee 1 unterstrich ebenfalls den Charakter menen neuen Großmolkerei rechts und links der dieses neuen nördlichen Bebauungsgebietes. In den Niddaer Straße wurden Kristallisationspunkte für letzten Jahren haben sich zwischen Am Zwenger die Entwicklung eines modernen Gewerbegebietes und Untertorstraße einige Supermärkte und Droge- geschaffen, das sich auch noch gegenwärtig weiter rien angesiedelt, die damit Einkaufsmöglichkeiten in ausdehnt354. Ähnliches lässt sich für die Gewerbe- unmittelbarer Altstadtnähe eröffnen und den Trend ansiedlung in Richtung Westen feststellen, wenn- des Abzugs „auf die grüne Wiese“ unterbrochen ha- gleich hier die 1904 modernisierte Dampfziegelei ben. In die gleiche Richtung weist das im Jahr 2011 (vor 1863) in der Gießener Straße 48 und die Ze- eröffnete Oberhessische Diakonie- und Seniorenzen- mentfabrik (1899) bzw. das Sägewerk (1898) in der trum in der Bitzenstraße 28 am östlichen Rand der Gießener Straße 19 und 21 gewisse Anknüpfungs- Altstadt, das die Nachfolge des ca. 750 m nordwest- punkte boten. Mit der Firma Dölling KG in der lich der Altstadt in der Albert-Schweitzer-Straße 6 Gießener Straße 42 und der Firma Johannes Schä- gelegenen und 2012 abgerissenen Kreisaltenheims fer KG in der Stettiner Straße 3 siedelten sich dort antrat361. zwei mittelständische Zulieferbetriebe für die Auto- War die Feldflur abgesehen von der Bebauung im mobilindustrie und die Luftfahrt an, deren Stamm- 355 Tiergarten, den beiden Mühlen und der Dampfzie- betriebe im Vogtland bzw. in Stettin lagen . gelei westlich der Stadt bis in das 20. Jh. weitgehend In den 1960er Jahren setzte sich der Bauboom wei- unbebaut, setzte im Zuge der zweiten Flurbereini- ter fort. Mit der im Viertelkreis verlaufenden Stettiner gung ab 1959 die Errichtung von Aussiedlerhöfen Straße und ihrer Verlängerung Am Grenzwall wurde von der Gießener bis zur Friedberger Straße eine Ver- bindungsstraße geschaffen, die gleichzeitig die reinen 356 Prokosch, Hungen, S. 374. nun südlich und westlich davon entstehenden Wohn- 357 Vgl. auch die Luftaufnahme bei Prokosch, Hungen, vor S. 1. 358 gebiete abgrenzte. Südöstlich der Altstadt entwickel- Prokosch, Hungen, S. 141. 359 Prokosch, Hungen, S. 532. 360 Prokosch, Hungen, S. 525 f. 353 Prokosch, Hungen, S. 290. 361 http://www.oberhess-diakonie.de/green_ph_hungen.htm 354 Prokosch, Hungen, S. 479 f. [eingesehen am 27.7.2016] und freundliche Auskunft des 355 Prokosch, Hungen, S. 477, 480. Stadtarchivars Herrn Erhard Eller vom 27.7.2016.

29 Hessischer Städteatlas – Hungen ein, zunächst im Tiergarten östlich, wenig später In den Kartenvorlagen des 19. Jhs. wurde farblich auch in der Flur westlich der Stadt. Bis 1965 hatten zwischen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden unter- 17 der damals noch bestehenden 32 landwirtschaft- schieden. Die öffentliche oder private Nutzung dieser lichen Betriebe die Stadt verlassen362. Gebäude wurde jedoch nicht gesondert hervorgeho- Von nachhaltiger Bedeutung für die siedlungsto- ben und musste über die Flurbücher ermittelt werden. pographische Entwicklung dürfte sich der 2005/06 Um in der gedruckten Katasterkarte des Städteatlas erfolgte Bau der südlichen Umgehungsstraße B 457 alle Flächen nach ihrer Nutzung zu unterscheiden, wurde das zweibändige „Grundbuch der Gemeinde erweisen. Sie beginnt rund 1.800 m westlich der 365 Altstadt, zieht in weitem Bogen durch die südliche Hungen“, das 1870 begonnen wurde, verwendet . Feldflur über den Kreisverkehr in der Friedberger Da in den Urkatasterkarten bei den landwirt- Straße (B 489) rund 900 m südlich von Hungen und schaftlichen Flächennutzungen nur Acker und trifft ungefähr 800 m südöstlich des alten Kerns auf Wiese farblich unterschieden werden, musste die die Niddaer Straße. Die Innenstadt wird damit ins- detaillierte Nutzung wie etwa Ödland, Garten oder besondere vom Schwerverkehr aus den Gewerbege- Steinbruch ebenfalls über die Flurbücher rekonstru- bieten sowie dem überregionalen Verkehr entlastet. iert und entsprechend eingefärbt werden. Zur Quellenedition gehört auch die Übernah- IV. Erläuterungen zum Kartenwerk, Aufbau der me und Wiedergabe der Flur-, Straßen- und Gebäu- Karten und Hinweise auf ihre Quellen denamen, die sich in der Originalüberlieferung der Katasterkarten oder den Flurbüchern finden. Un- 1. Katasterkarte 1856–62, 1 : 2.500 terschieden werden sie in der Umzeichnung nach Schriftart, -größe und -farbe für Flur bzw. Ge- Die Katasterkarte von Hungen beruht auf den „Par- wann, Platz, Gebäude und Hof, Verkehrsweg oder zellen Karten der Gemarkung Hungen“ in 28 Fluren Gewässer (siehe Legende der Katasterkarte). Die in mit 110 Blättern in drei Bänden363. Infolge des Ge- der Karte weiß belassenen Parzellen bzw. -teile sind setzes vom 11. Jan. 1831 zur Parzellenvermessung der Hof- oder öffentliche Verkehrsflächen. Gemarkungen im Großherzogtum Hessen wurde Als zusätzliche Interpretationshilfe erhält die um- Hungen zwischen den Jahren 1856 und 1862 durch gezeichnete Katasterkarte aktuelle Höhenlinien bzw. den Geometer Johann Caspary aufgenommen. Diese -punkte, um die topographischen Gegebenheiten und ältesten vollständigen, exakt vermessenen Kataster- Niveauverhältnisse, wie etwa ausgedehnte ebene Flä- karten dienten der Finanzbehörde zur Besteuerung chen, besser erkennbar zu machen. Die Höhenlinien von Grundbesitz. Die Blätter befinden sich, in Atlan- wurden aus dem „Digitalen Geländemodell“ (DGM) ten gebunden und in einem sehr guten Erhaltungszu- des Hessischen Landesamts für Bodenmanagement stand, im Bestand des Stadtarchivs Hungen. und Geoinformation Wiesbaden 2015 abgeleitet. Die Zur Bearbeitung im Städteatlas wurden die Insel- Höhenpunkte entstammen der Nivellementpunkt- karten zu einer Rahmenkarte im Maßstab 1 : 2.500 Kartei der Gemarkung Hungen vom Hessischen Lan- zusammengefügt, um den genordeten Grundriss desamt für Bodenmanagement und Geoinformation von Hungen Mitte des 19. Jhs. darzustellen. Der Wiesbaden 2015. Da die Höhenangaben aktuelle Da- Ausschnitt bildet sowohl die Kern- und Vorstadt als ten abbilden, lässt sich beispielsweise südwestlich von auch die Ober- und die Untermühle ab. Er basiert Hungen die Schneise des heutigen Bahnverlaufs er- auf den Fluren I A-M (Blatt 2–13), sowie auf den kennen. Der Verlauf des ehemaligen Schloss- bzw. Fluren II A-B (Blatt 14–15), Flur III B (Blatt 21) Burggrabens in diesem Bereich lässt sich nur noch und E (Blatt 24), Flur IV A (Blatt 25) und E (Blatt über die Parzelle Der Wall erschließen. 29) und Flur V A (Blatt 30) und D-F (Blatt 33–35). Von den verwendeten Blättern hatten Nr. 2, 4, 5 2. Entwicklung des Ortes vom Mittelalter bis und 6 ursprünglich den Maßstab 1 : 500, die restli- 1856–62, 1 : 2.500 chen den Maßstab 1 : 1.000364. Die vorliegende Kar- te stellt ein bisher nicht existentes farbiges Bild der Die Karte zur Veranschaulichung der siedlungsto- Stadt und eines Teils ihrer Gemarkung dar, das die pographischen Entwicklung Hungens von seinen Nutzung einer jeden Fläche inner- und außerhalb Anfängen im 8. Jh. bis zur Mitte des 19. Jhs. basiert der Stadt erkennbar macht. auf der Katasterkarte von 1856–62 im Maßstab

362 Prokosch, Hungen, S. 394. 365 „Grundbuch der Gemeinde Hungen. I. Band. Begonnen 363 StadtA Hungen XXI.9b.74, 75 und 76. 1870“ (Flur I, II); StadtA Hungen XXI.53 und „Grund- 364 Die nicht verwendeten Blätter 74, 75, 90, 91, 92, 95, 100, buch der Gemeinde Hungen. II. Band. Begonnen 1870“ 101, 103–107 wurden im Maßstab 1 : 2.000 gezeichnet. (Flur III–V), StadtA Hungen XXI.54.

30 Hessischer Städteatlas – Hungen

1 : 2.500. Sie soll in größeren Zügen die räumli- noch unbebaut gewesen sein. Ob diese Anlage be- chen Veränderungen sowie die Überschreitung des reits eine schützende Befestigung erhalten hatte, ist mittelalterlichen Siedlungsraums aufzeigen, der im unbekannt. Wesentlichen aus dem von der Stadtmauer um- schlossenen Altstadt, der Ober- und Untermüh- 14. Jahrhundert le sowie der Vorstadt im Westen bestand. Sechs (Farbe: Gelb) Hauptphasen lassen sich in diesem Betrachtungs- zeitraum unterscheiden, die unter Zusammen- In gelber Farbe wird die weitere Entwicklung der fassung stadthistorisch prägender Ereignisse bzw. Siedlung bis in die zweite Hälfte des 14. Jhs. mar- Entwicklungen die entscheidenden räumlichen kiert. 1361 erhielt der Ort die Stadtrechte und die Entwicklungsschritte wiedergeben und auf dem damit verbundenen Privilegien wie etwa das Befes- Kartenblatt in unterschiedlichen Farbstufen darge- stellt werden. Die Eintragungen erfolgten überwie- tigungsrecht. Kurz nach dem regelhaften Bevölke- gend auf Grundlage der schriftlichen Überlieferung rungsschwund im Zuge der Pestepidemie um die und daraus hervorgegangener Literatur. Erst für die Jahrhundertmitte war der Bevölkerungsdruck wahr- Neuzeit lagen mit Stadtansichten und Karten366 scheinlich nicht allzu groß. Der Zuzug aus umlie- auch graphische Materialien vor, die zur Bearbei- genden, teilweise im Laufe des Spätmittelalters dann tung herangezogen werden konnten. wüst gefallenen Dörfern führte daher wohl zu einer eher zögerlichen Aufsiedlung des Stadtraums inner- halb der ab den 1360er Jahren errichteten Mauer. Im 367 Vor 900 südlichen Teil wurde der Raum bis an die Stadtmau- (Farbe: Rotbraun) er dicht bebaut. Im nördlichen Teil ist von einer zu- nächst nur lockeren Bebauung auszugehen. Mit Punkten in rotbrauner Farbe ist die Ausdeh- nung des Ortes in der ersten Stufe dargestellt. Für die siedlungstopographische Entwicklung in der Bis um 1600 Frühzeit des Ortes liegen, abgesehen von der Erwäh- (Farbe: Gelbgrün) nung in den Herrscherurkunden, keine aussagekräf- tigen Quellen vor. In der Hauptsache müssen sich Die bis zum Ende des 16. Jhs. recht verhalten verlau- die Aussagen zur Lage und zum Aussehen der Sied- fende Ausdehnung der Siedlungsfläche ist in gelb- lung daher auf Rückschlüsse aus dem Stadtgrund- grüner Farbe gekennzeichnet. Der nördliche Teil riss selbst beschränken. Es kann davon ausgegangen der Altstadt wurde nun bis zur Stadtmauer dich- werden, dass die in der Hersfelder Überlieferung ter bebaut. Die 1450 erstmals erwähnte, ca. 150 m genannten Hufen und Mansen eine gewisse Kon- nordöstlich der Stadt gelegene Obermühle blieb ein zentration auf dem siedlungs- und verteidigungs- isolierter Bau außerhalb der Stadtmauer. günstigen Sporn oberhalb der Horloff und der 368 östlich davon befindlichen Furt ausbildeten . 17. Jahrhundert (Farbe: Oliv) 1. Hälfte 13. Jahrhundert (Farbe: Orange) In oliver Farbe ist die 1629 erbaute Untermühle ge- kennzeichnet. Diese Anlage, ca. 550 m südlich der Mit oranger Farbe ist die siedlungstopographische Stadtmauer an der Horloff gelegen, blieb bis zum Entwicklung bis zur Mitte des 13. Jhs. dargestellt. 19. Jh., neben der Obermühle und den außerhalb Im Bereich um die zu einem unbekannten Zeit- des Kartenschnitts liegenden kleinen Gebäuden im punkt errichteten Burg und vor allem um die wohl Tiergarten, das einzige Bauwerk außerhalb der mit- um 1200 erbaute Kirche konzentrierte sich die Be- telalterlichen Stadtmauer. bauung der Siedlung, die in dieser Phase noch kei- ne städtische Qualität erlangt hatte. Der Bereich Bis Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur späteren Stadtmauer, insbesondere nördlich (Farbe: Blaugrün) der späteren Obergaße und des Marktplatzes dürfte Diese letzte Stufe der siedlungstopographischen 366 Vgl. die Reproduktionen im Bildanhang dieses Textheftes, Entwicklung vor dem Eisenbahnbau wird in blau- auf den beiliegenden Sonderblättern bzw. auf dem Ein- grüner Farbe wiedergegeben. Die Veränderungen band des Textheftes und der Mappe. spielen dabei für die Altstadt keine Rolle. Lediglich 367 Siehe zu Folgendem Kap. II.1. 368 Franke, Breviarium, S. 16 f., Zeile 3. Zu den Datierungs- vor bzw. bei dem 1806 abgerissenen Obertor und problemen S. 10. dem wenig später ebenfalls niedergelegten Untertor

31 Hessischer Städteatlas – Hungen wurden einige wenige Neubauten errichtet. Abge- vom Relief. Deutlich hebt sich in dieser Zeit der mit- sehen von dem neuen Tiergärtnerhaus, 1831 an der telalterliche Grundriss Hungens ab. Abgesehen von Chaussee nach Grünberg errichtet, sowie den etwa den Mühlen an der Horloff und den wenigen Gebäu- gleichzeitig erbauten Gerbhäusern an der Horloff, den vor dem Ober- und dem Untertor gab es damals konzentrierte sich die Bebauung der ersten beiden offensichtlich noch keinerlei Bebauung außerhalb Drittel des 19. Jahrhunderts auf die Vorstadt ent- der mittelalterlichen Siedlungsfläche. Noch deutlich lang der Chaussee nach Lich und der Straße nach zu erkennen sind die Züge der Stadtmauer im Osten Bellersheim im Westen der Stadt. Südlich der Stadt und Süden der Stadt. Nachvollziehbar ist auch noch wurden lediglich bereits vor 1808 an der Chaussee der Stadtgraben rund um die Stadt. nach Friedberg der jüdische Friedhof angelegt und Vier Chausseen bzw. größere Straßen führen von 1827 ein ehemaliges Gartenhaus rund 50 m süd- Hungen weg: nach Westen in Richtung Langsdorf lich der Stadtmauer zum Wohn- bzw. sogenannten und weiter nach Lich und Gießen, nach Norden in Schützenhaus ausgebaut. Richtung Grünberg, nach Südosten in Richtung Rodheim und weiter nach Nidda und nach Süden 3. a) Umlandkarte 19. Jahrhundert (1840), in Richtung Inheiden und weiter nach Friedberg. 1 : 25.000 Sonst zeigt die Karte nur schmale Wege von nach- geordneter Bedeutung. Die Grundlage der Ansicht aus dem 19. Jh. bildet die „Karte von dem Grossherzogthume Hessen“, die vom b) Umlandkarte und Entwicklung der Stadt Großherzoglich Hessischen Generalquartiermeister- von 1840 bis 2016, 1 : 25.000 stab zwischen 1823 und 1840 aufgenommen, 1832– 50 vom Generalstab bearbeitet und im Maßstab 369 Der Ausschnitt aus der Topographischen Kar- 1 : 50.000 herausgegeben worden ist . Für die Wie- te von 1998370 will in der Gegenüberstellung zum dergabe im Hessischen Städteatlas wurde das Blatt gleichen Blattausschnitt von 1840 die siedlungsto- „Giessen“ auf den Maßstab 1 : 25.000 vergrößert. Die pographische Entwicklung und die Veränderun- Karte gibt auch kleinere topographische Details, plas- gen in der Verkehrsanbindung von der Mitte des tische Geländedarstellung, klare Ortsgrundrisse, deut- 19. Jhs. bis zum 21. Jh. veranschaulichen, wobei die liches Gewässernetz sowie insbesondere das genaue in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen, in den Chausseen-, Straßen- und Wegesystem wieder. Die 1970er-Jahren eingemeindeten Stadtteile Inheiden, Darstellung im vorliegenden Städteatlas veranschau- Bellersheim, Trais-Horloff, Rodheim und Langd licht Hungens Lage in einer großflächigen Feldflur miteinbezogen wurden. Fünf Zeitstufen zeigen den oberhalb der von Nordosten kommenden Horloff, ei- Gang der Stadterweiterung von 1840 bis 2016371. nem rechten Zufluss der Wetter. Während sich von Nordwesten bis zum Südosten – also von Langsdorf, Die Angaben für die Stufe 1 (1840–62) sind für Bettenhausen, Bellersheim, Inheiden und Graß – eine die Stadtlage den „Parzellen Karten der Gemarkung offene, lediglich von kleineren Gehölzen und dem Hungen“ (1856–62) und für das Umland der „Kar- Feldheimer Wald unterbrochene Feldflur hinzieht, te von dem Großherzogthume Hessen“ 1 : 50.000, sind nach Norden und Osten ausgedehnte Waldun- Blatt Giessen, 1840, entnommen. Für die Stu- gen zu erkennen. Bemerkenswert ist der später verlan- fe 2 (bis ca. 1918) diente die Topographische Karte dete Thiergarten See nordöstlich der Stadt, heute noch 1 : 25.000 (TK 25), Blatt 5519 Hungen, Aufnah- durch den Flurnamen Engelshäuser See in der aktuellen me 1911, Nachträge bis 1923, als Grundlage. Die Umlandkarte nachvollziehbar. In der nordöstlichen Darstellung der folgenden Stufe 3 (bis ca. 1945) Ecke ist die Zellmühle, bereits in der Gemarkung Vil- basiert auf der entsprechenden Ausgabe von 1948, lingen, fälschlich als Kell. M. eingetragen. berichtigt 1935, die Stufe 4 (bis ca. 1970) auf je- ner von 1974, berichtigt 1972. Für die Stufe 5 (bis Höhenlinien und Höhenangaben fehlen. Die gro- 2016) wurde für die Stadtlage das Amtliche Liegen- ben Schraffuren geben jedoch einen vagen Eindruck schaftskatasterinformationssystem (ALKIS) 2016, Hessisches Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation Wiesbaden, herangezogen; für das 369 Karte von dem Grossherzogthume Hessen, aufgenommen vom Großherzoglich Hessischen Generalquartiermeisterstab Umland das Amtliche Topographisch-Kartographi- zwischen 1823 und 1840 und 1832–50 vom Generalstab be- arbeitet und herausgegeben. Die 31 einfarbigen Blätter die- ses großmaßstäbigen, flächendeckenden Kartenwerks sind 370 Vorläufige Ausgabe der Digitalen Topographischen Karte digital einsehbar im Modul „Historische Kartenwerke des 1 : 25.000 (DTK 25-V), Blatt 5519 Hungen, 1998, Hessi- landesgeschichtlichen Informationssystems LAGIS (http:// sches Landesamt für Bodenmanagement und Geoinfor- www.lagis-hessen.de/de/subjects/index/sn/hkw). Zum Kar- mation Wiesbaden. tenwerk Barth, Karte S. 185–192. 371 Vgl. hierzu Kap. III.

32 Hessischer Städteatlas – Hungen sche Informationssystem (ATKIS) 2011, Hessisches hergestellte Verbindung Hungen-Laubach (1959 Landesamt für Bodenmanagement und Geoinfor- Personen- und 1997 Güterverkehr stillgelegt) ma- mation Wiesbaden. chen die einstige Funktion des Ortes als Bahnkno- Da diese Schnitte mit den gewählten, die all- tenpunkt deutlich. gemeine Geschichte und die stadtgeschichtlichen Schließlich fallen die ausgedehnten Gewerbege- Entwicklungen berücksichtigenden Schwellen- biete im Westen und Osten der Stadt auf. Vor allem jahren 1918, 1945 und 1970 nicht exakt überein- wird im Vergleich zu den nahegelegenen Dörfern stimmen, wurden weitere Informationen aus der das für Hungen in bedeutend stärkerem Maße ex- ortsgeschichtlichen Literatur, dem Stadtarchiv und plosionsartige Wachstum nach dem Zweiten Welt- eigenen Begehungen am Ort zum Gang der Bebau- krieg deutlich. ung verarbeitet. Die Stufen der Siedlungsentwick- lung sind flächig in der jeweiligen Farbe angelegt. Damit kann und wird nicht der Anspruch erho- 4. Stadtkarte 2016, 1 : 5.000 ben, parzellen-, geschweige denn gebäudegenau die Bebauung wiederzugeben. Dies ist angesichts Die jüngste Darstellung von Hungen zeigt das At- der oft in älteren Baugebieten noch jahrzehntelang lasblatt 1 : 5.000, Stand Aug. 2016. Bei dieser Kar- bestehenden und erst nach und nach geschlosse- te handelt es sich um eine bearbeitete Version eines nen Baulücken nicht möglich und auch nicht sinn- Ausschnitts aus dem „Automatisierten Liegen- voll. schaftskatasterinformationssystem“ (ALKIS), das Ausgehend vom Zustand des Ortes zur Zeit des vom Hessischen Landesamt für Bodenmanage- Urkatasters 1856–62 bzw. der Umlandkarte 1840 ment und Geoinformation zur Verfügung gestellt (siehe Karteneintrag in blauviolett), werden die worden ist. Sie enthält Angaben über die Funkti- weiteren Hauptphasen räumlicher Ausdehnung in on öffentlicher Gebäude und anderer markanter unterschiedlicher Farbgebung dargestellt, um den Bauwerke, wobei Zusätze aus schriftlichen Quel- Verlauf der Bebauung und die schließlich erreichte len in Klammern gesetzt worden sind. Ansonsten Besiedlungsdichte mit graphischen Mitteln sicht- finden sich Flur- und Gewässerbezeichnungen so- bar zu machen. In der Farbe der Stufe 1 sind alle wie Straßennamen. Signaturen bezeichnen Sport-, Bereiche innerhalb der in der Mitte des 19. Jhs. Freizeit- und Erholungsfläche, Garten, Wiese, noch gut nachzuvollziehbaren Stadtbefestigung Weide, Obstplantage, Baumschule, Gehölz, Öd- und der teilweise noch heute erhaltenen Stadt- land, Acker, christlicher und jüdischer Friedhof, mauer sowie die anderen bebauten Parzellen au- Laub-, Nadel- und Mischwald sowie Eisenbahn ßerhalb des mittelalterlichen Stadtkerns angelegt. und Gewässer. Jedes einzelne Haus ist mit sei- Dies bezieht sich auch auf unbebaute Parzellen in- ner Hausnummer lokalisierbar. Wie in der Kata- nerhalb dieses Bereichs, denn es kann davon aus- sterkarte von 1856–62 wird zwischen Wohn- und gegangen werden, dass eine intensive Nutzung, sei Wirtschaftsgebäuden, wie in der Umzeichnung es als Hausgarten oder Lagerplatz, stattfand. Die auch zwischen öffentlicher und privater Nutzung Eintragungen der Jahre 1918 (violett), 1945 (rosa), unterschieden. 1970 (orange) und 2011/16 (gelb) beziehen sich auf die mit Wohnhäusern bzw. mit Nutzgebäuden be- Deutlich hebt sich der Altstadtbereich mit seiner standenen Parzellen. Die Verkehrsflächen des Jah- kleinen, unregelmäßigen Parzellierung von der jün- res 2016 (Straßen und Plätze) sind generell in Weiß geren Bebauung des 19. und vor allem des 20. Jhs. belassen. ab. Während Gewerbebetriebe und Supermärkte Der Altstadtkern von Hungen mit dem Verlauf insbesondere Standorte im Nordwesten an der Stra- der Gassen rechts und links der Hauptachse Ober- ße nach Langsdorf und im Südosten an der Straße torstraße und Untertorstraße, der Marktplatz so- nach Nidda einnehmen, haben sich in den letzten wie der Burg- und Kirchenbezirk im Südwesten Jahren im Norden unmittelbar an die Altstadt an- bzw. Süden heben sich deutlich ab. Die wichtigs- grenzend einige Einzelhandelsgeschäfte angesiedelt. ten Straßen – vor allem die Bundesstraße 457 von Daran schließen sich im Norden zahlreiche Frei- Nordwesten nach Südosten, die Landesstraße 3007 zeit- und Sportanlagen sowie das Schulzentrum an. nach Norden sowie die Bundesstraße 489 nach Die beiden großen nach dem Zweiten Weltkrieg im Süden folgen weitgehend noch den alten Trassen. Südwesten und Osten entstandenen Wohngebie- Die 1869 von Nordwesten Hungen erreichende te werden durch ein drittes Wohngebiet im Norden und 1870 in Richtung Gelnhausen weitergeführte der Stadt ergänzt. Die südliche Umgehungsstraße Lahn-Kinzig-Bahn sowie die 1897 eröffnete Stre- B 457 wurde mit Hilfe des ALKIS-Shape-Layers ax_ cke Friedberg-Hungen und die 1890 nach Norden 71001_linear ergänzt.

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5. Übersichtskarte Hessen, 1 : 750.000 günstige Bedingungen bzw. weniger geeignete Vo- Legende zur Katasterkarte, 1 : 2.500 raussetzungen für die Siedlungsentwicklung und damit für die Herausbildung von Städten herrsch- Die Karte 1 : 750.000 zeigt das Bundesland Hes- ten. sen in seinen seit 1945 gültigen Grenzen unter Ein- beziehung der räumlichen Übergänge zu den sechs Der untere Abschnitt des Atlasblattes enthält die Nachbarländern Nordrhein-Westfalen, Nieder- Legende zur Katasterkarte von 1856–62 mit Erläu- sachsen, Thüringen, Bayern, Baden-Württemberg terungen zu Farben, Signaturen und Beschriftun- und Rheinland-Pfalz. Die Übersicht veranschau- gen, die in der Darstellung von Hungen im 19. Jh. licht die geographische Lage und Verteilung der bis- verwendet worden sind. Darüber hinaus finden sich lang im Hessischen Städteatlas bearbeiteten Städte. hier die Nachweise über alle Quellen, auf denen die Die aufgenommenen Flüsse und in Schummerung historische Katasterkarte beruht und die zu ihrer angedeuteten Gebirgszüge bieten Orientierungshil- Bearbeitung herangezogen worden sind. Gesondert fen im Raum und lassen jene Gebiete hervortreten, werden die Angaben über die Herkunft der Höhen- in denen aufgrund der Geländesituation besonders linien und -punkte aufgeführt.

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V. Gebäudeverzeichnis Bahnhof L: Bahnhofstraße (heute Raiffeisenstraße 7) Das vorliegende Gebäudeverzeichnis soll dem Benutzer der Kar- M: zwei aneinander gereihte Teilbauten mit einem et- tenblätter, insbesondere der historischen Entwicklungskarten, was breiteren Kopfbau mit separatem, flach ge- und dem Leser der Begleittexte in möglichst knapper Form die neigten Dach wesentlichen Daten und Fakten zu den für die Stadtentwick- EB: 1870 lung wichtigen Bauten erschließen sowie deren Lokalisierung in U: 1896 Lokomotivschuppen mit Wasserturm; 1916 Bahnmeisterei mit Wohnung; 1958/59; 1979 den Karten erleichtern. Die einschlägigen Informationen wur- LQ: Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopo- den aus den Schriftquellen, den Karten, Zeichnungen und der graphie, S. 88; Engel, Bilder, S. 119; Will, Stadt- wichtigsten Literatur gezogen, ohne dass Vollständigkeit bean- geographie, Abb. 11 zwischen S. 16/17; Prokosch, sprucht werden soll. Es sind die greifbaren Bauwerke seit der Hungen, S. 231, 234, 283. frühesten Besiedlung aufgenommen sowie die Gebäude des 19. und besonders des 20. Jhs., letztere sofern sie zur Erklärung der Bank neuzeitlichen Siedlungsentwicklung von Bedeutung sind. 1) Spar- und Leihkasse L: gegründet 1839 im Solmser Hof; ab 1840 Ge- Die Gebäudedaten ordnen sich nach folgenden Kriterien: schäftsbetrieb im Haus des Rentmeisters Kießling (Lage unbekannt); ab 1843 in der Kaiserstraße 9 AB Andere Bezeichnung A: 1929 Umzug in Hartigstraße 6 L Lage LQ: Prokosch, Hungen, S. 457; Geissler, Entwick- F Funktion lung, S. 321. M Maße / Bauart 2) Spar- und Leihkasse, neue EB Erbauung / Anlage AB: ab 1957 Hungener Bank EW Erwähnung L: Hartigstraße 6 U Umbau / Renovierung EB: 1929 A Abriss / Auflösung U: 1953 N Neubau A: 1967 Umzug in Kaiserstraße 17 LQ Literatur / Quellen LQ: Will, Stadtgeographie, Abb. 12 zwischen S.16/17; Engel, Bilder, S. 106; Prokosch, Hungen, S. 285, Die häufigen Namens- und Nutzungsänderungen einzelner 457 f.; Geissler, Entwicklung, S. 328. Bauten erforderten eine Kriterieneinteilung in AB (andere Be- 3) Hungener Bank zeichnung) und F (Funktion) bei dem jeweiligen Hauptein- AB: ab 1970 Oberhessische Volksbank trag, auf den Querverweise hinführen. L: Kaiserstraße 17 EB: 1967 Ackerbürgerhaus U: 1977 Erweiterung L: Bitzenstraße 34 und 36 LQ: Prokosch, Hungen, S. 457 f. EB: 1465 4) Sparkasse Laubach-Hungen U: 1658 Erneuerung der Giebelwand; 1737 Teilung; L: Obertorstraße 3 1888 Erneuerung der hofseitigen Fassade F: Hauptzweigstelle N: 1618 Scheune; 1808 zwei Stallgebäude EB: 1976 LQ: Zingler, Denkmalschutzpreis, S. 40. U: 1994/95 erweitert und modernisiert LQ: Engel, Bilder, S. 157; Prokosch, Hungen, S. 459 f. Amtsgericht → Rathaus, neuestes Brauhaus 1) Gemeindebrauhaus Amtshaus L: Brauhofsgasse (heute Brauhofstraße) an der Stadt- AB: Haus des Löb Sulzbach; Sulzbach’sches Haus mauer L: Obergaße 12 (heute östlich der Obertorstraße 10) F: ehemals Burghaus F: Sitz der gräflichen Regierung, ab 1806 privates M: dreigeschossiger, quadratischer Bruchsteinbau Wohnhaus EB: Anfang 16. Jh. M: zweistöckiger Fachwerkbau mit straßenseitigem A: 1908/09¿ Erker; 8,35 × 18,55 m und 8,70 m Höhe; östlich LQ: Engel, Bilder, S. 33–35; Lang / Schneider / Wei- mit Pforte und Rundbogentor (1623) ssenmayer, Denkmaltopographie, S. 78; Walbe, EB: vor 1589 Kunstdenkmäler, S. 164 f.; Prokosch, Hungen, U: um 1912 S. 147–150. A: 1977 Abbau 2) Märzbierhaus N: 1979–1980 Wiederaufbau im Freilichtmuseum → Märzbierhaus Hessenpark LQ: Engel, Bilder, S. 42–46; Sobik, Amtshaus, S. 39– Brunnen 55; Will, Stadtgeographie, S. 20; Prokosch, Hun- 1) gen, S. 43–46. AB: Kaffeebrunnen L: alter Marktplatz [Kreuzung Obertor-, Untertor- Apotheke und Bitzenstraße] → Hofapotheke EB: vor 1877 → Gasthaus Prinz Carl (Phoenix-Apotheke) U: seit 2011 etwa an derselben Stelle alter Schloßhof- brunnen von 1572, siehe 9) Bad LQ: engel, Bilder, S. 63, 66 f.; Stadtspaziergang, S. 16; → Schwimmbad, altes Prokosch, Hungen, S. 248. → Freibad 2) → neues Schulhaus L: direkt vor Schnorrnberg (heute Liebfrauenberg 21)

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3) EB: 1853 L: Die Bitze (heute Bitzenstraße), zwischen Hausnr. LQ: Prokosch, Hungen, S. 249. 44, 46 und 50 U: 1875 Burg A: 1920er Jahre → Schloss Hungen LQ: Engel, Bilder, S. 63, 200; Prokosch, Hungen, S. 248. Dampfziegelei 4) L: Gießener Straße 48 AB: Gemeindebrunnen vor Landmann’s Haus EB: vor 1863/64 L: neben Gasthaus Goldener Hirsch (Obertorstraße 11) U: 1904 Ringofen; ab 1922 Erweiterungen LQ: engel, Bilder, S. 42, 63. A: 1974; Schornsteine 1982 gesprengt 5) LQ: Engel, Bilder, S. 76; Prokosch, Hungen, S. 440. AB: Gemeindebrunnen L: südlich der Obermühle (vor der Niddaer Straße 8) Eidmann’sches Haus U: 1899 → Gasthaus Zum Deutschen Haus LQ: Engel, Bilder, S. 63; Prokosch, Hungen, S. 248. 6) Ev. Stadtkirche L: Kaiserstraße 7, nördlich des Rathauses L: Neugasse 3 EB: vor 1848 EB: 12. Jh. U: 1848 Ummauerung EW: 1246; 1286 LQ: Engel, Bilder, S. 63; Prokosch, Hungen, S. 248 f. U: 1597 Westeingang; 1605 Dachstuhl; vor 1607 7) Kanzel; 1874 Innenausstattung; 1905/07 Sakristei L: äußerer Schloßhof (Vorburg) A: 1514 Apsis; 1596/97 Kirchenschiff M: Ziehbrunnen N: 1514–1518 Chor; 1596–1608 Kirchenschiff EB: 1572 LQ: Falck, Regesten, Nr. 990, S. 524; Foltz, Urkun- A: vor 1885 (?) denbuch, Nr. 90, S. 38; Alt / Lechtape, Stadtkir- lQ: Walbe, Kunstdenkmäler, S. 160 f.; Wildhack, che; Dehio, Hessen 1, S. 447 f.; Engel, Bilder, Schloss (a), o. S. Kap. 4 Unterkap. Vorburg; Privat- S. 22–27; Janson, Kirchenbauten, S. 143–144; besitz Schloss Braunfels (vgl. Sonderblatt 4, Abb. 7); Küther, Kirche, S. 168–174; Lang / Schneider / Prokosch, Hungen, S. 50. Weissenmayer, Denkmaltopographie, S. 81–84; 8) Walbe, Kunstdenkmäler, S. 138–152. L: innerer Schloßhof M: Brunnenschacht Färberei EB: unbekannt 1) Fendt A: 1920er Jahre eiserne Pumpe AB: ab 1895 Fendt’sches Krankenhaus N: siehe 9) L: Bitzenstraße 54 lQ: Walbe, Kunstdenkmäler, S. 160 f. F: 1893 Stiftung; 1895–1969 Krankenhaus; 1978– 9) 1981 Zweigstelle der Sozialstation Lich / Hungen L: innerer Schloßhof EW: 1818 M: wiederentdeckte Werkstücke des ehem. Brunnens U: Sanierung vor 1992 der Vorburg, siehe 7) LQ: Stadtspaziergang, S. 3, 14; Engel, Bilder, S. 162; EB: 1920er Jahre Will, Stadtgeographie, S. 18; Prokosch, Hungen, A: 1970 abgebaut, wiederaufgestellt in Braunfels; seit S. 361–364. 2011 wieder in Hungen, siehe 1) 2) Friedrich Schmidt N: siehe 10) L: Untertorstraße 25 lQ: Walbe, Kunstdenkmäler, S. 160 f.; Engel, Bilder, EW: 1867 S. 62; Stadtspaziergang, S. 16; Wildhack, Schloss A: Betrieb bis ca. 1898 (a), o. S., Kap. 4 Unterkap. Vorburg; Prokosch, LQ: Geissler, Entwicklung, S. 318. Hungen, S. 50; freundl. Mitteilung von Hr. Eller am 25.7.2016. Fendt’sches Krankenhaus 10) → Färberei, 1) Fendt L: innerer Schloßhof EB: 1984 als Replik von 9) Finanzamt lQ: Stadtspaziergang, S. 16; Wildhack, Schloss (b), 1) ältestes S. 64 f. → Rathaus, neues 11) 2) altes L: am südlichen Ende des Marktplatzes AB: Steuerkommissariat A: vor 1993 L: Ludwigstraße 1 (zwischen Postamt und heutiger LQ: Engel, Bilder, S. 28 f. Poststraße 1) 12) F: Finanz- und Vermessungsamt L: auf dem Marktplatz EB: 1905 EB: 1991 A: 1923 Umzug LQ: Engel, Bilder, S. 140–143. LQ: Engel, Bilder, S. 105; Prokosch, Hungen, S. 195. 13) 3) neues L: südlich Erbsengasse 12 L: Bellersheimer Straße 23 EB: vor 1856–62 EB: 1923 LQ: StadtA Hungen XXI.9b.74 (Flur 1 C, Blatt 4); StadtA A: 1934 Umzug Hungen XXI.53; Engel, Bilder, S. 178. LQ: Prokosch, Hungen, S. 195 f. 14) 4) neuestes L: Kaiserstraße 20 (heute 22), beim ehem. Gefängnis → Rathaus, neuestes

36 Hessischer Städteatlas – Hungen

Flachsbrecherei LQ: Engel, Bilder, S. 102; Geissler, Entwicklung, Stadt- 1) Flachsbrechhütte plan zwischen S. 336 und 337; Prokosch, Hungen, L: am Obertor, im Bereich Friedberger Straße 5 S. 456. A: Nutzung bis 1856; 1857 Verkauf LQ: Geissler, Entwicklung, S. 317 f.; Prokosch, Hun- Gasthaus Goldener Hirsch gen, S. 13, 147. → Hofapotheke, alte 2) Flachsbrechhaus L: vor dem Untertor Gasthaus Hotel-Restaurant Schmidt A: 1811 L: Kaiserstraße 24 LQ: Prokosch, Hungen, S. 147; Sonderblatt 3, Abb. 5. EB: 1846 LQ: Engel, Bilder, S. 102 f.; Geissler, Entwicklung, Forstschule Stadtplan zwischen S. 336 und 337. → Schulen, 11) Forstschule Gasthaus Solmser Hof Freibad L: nördliche Zeile vorm Obertor, am heutigen Bahn- L: Albert-Schweitzer-Straße 2 übergang EB: 1838 EB: 1964/65 U: 1843; 1846 Waschhaus; Kegelbahn und Stallungen; LQ: Prokosch, Hungen, S. 374–376. 1882 Eishaus; 1894 Brauhaus; 1903 Abfüllanlage, Ende 1920er Jahre Cafe; ab 1931 mit Tankstelle Friedhof A: 1939 1) alter christlicher LQ: Engel, Bilder, S. 92 f., 103; Geissler, Entwick- L: im Kirchhof lung, S. 320; Prokosch, Hungen, S. 454–456. U: 1838 Erweiterung; 1875 Grünanlage LQ: Prokosch, Hungen, S. 68 f.; Walbe, Kunstdenk- Gasthaus Prinz Carl mäler, S. 149. AB: Phoenix-Apotheke 2) neuer christlicher L: Kaiserstraße 19 L: Friedberger Straße F: Gasthaus; seit 1958 Apotheke EB: vor 1840 (vgl. Umlandkarte) EB: 1872 U: 1865 Erweiterung und Verlegung des Eingangsto- LQ: Engel, Bilder, S. 103; Geissler, Entwicklung, S. 322; res; 1905 und 1962 Erweiterungen Küther, Apothekenwesen, S. 275; Prokosch, Hun- LQ: Lang / Schneider / Weissenmayer, Denk­mal­topo­ gen, S. 360 f. gra­phie, S. 78 f.; Prokosch, Hungen, S. 68 f. 2) alter jüdischer Gasthaus Zum Schützenhaus L: uf der Schuede hinder den Fincken Ercker (nördlich → Schützenhaus des Bahnhofs zwischen Am Bahndamm und Albert- Schweitzer-Straße, Flurname: Die Schuttgarten) Gasthaus Zum Adler EB: um 1523 L: Obertorstraße 34 EW: 1563 LQ: Engel, Bilder, S. 32, 103. LQ: Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopo­ gra­phie, S. 71; Geissler, Entwicklung, Stadtplan Gasthaus Zum Deutschen Haus zwischen S. 336 und 337; Müller / Bertram / Dam- AB: Eidmann’sches Haus; heute: Sterntaler rath, Judenfamilien, S. 341 f.; Walbe, Kunstdenk- L: Obertorstraße 29 mäler, S. 152 f. F: Gasthaus; evtl. Posthalterei 1. H. 19. Jh. 3) neuer jüdischer EB: 2. H. 16. Jh. (?); (Portal 1661) L: zwischen Friedberger Straße und Bahntrasse (süd- U: 1990–92 lich der Stadt, Bundesstraße 489 Richtung Fried- LQ: Engel, Bilder, S. 38 f., 103, 158 f.; Lang / Schneider / berg, am Ortsausgang auf der linken Seite) Weissenmayer, Denkmaltopographie, S. 86. M: 1.377 qm EB: vor 1808 Gasthaus Zum Löwen L: Friedberger Straße 1 U: 1888 Erweiterung EB: 1834 A: 1946 letzte Beerdigung LQ: Engel, Bilder, S. 93 f.; Geissler, Entwicklung, S. 320; LQ: Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopo­ Prokosch, Hungen, S. 282, 455. gra­phie, S. 71; Prokosch, Hungen, S. 84 f., 91 f. Gasthaus Zur guten Quelle Gasthaus Darmstädter Hof L: Bahnhofstraße (heute Raiffeisenstraße 8) L: Gießener Straße 24 EB: 1872 M: mit Saal; ab 1927 Kinovorführungen LQ: Engel, Bilder, S. 103 f. EB: 1907 LQ: Engel, Bilder, S. 103; Geissler, Entwicklung, Stadt- Gasthaus Zur Reichskrone plan zwischen S. 336 und 337; Prokosch, Hungen, AB: Bender am Rathaus S. 454. L: Obertorstraße 12–16 EB: vor 1526 Gasthaus Deutsches Haus LQ: Engel, Bilder, S. 42 f., 103, 153. L: Kaiserstraße 26 F: Metzgerei; Ende 1920er Gasthof; ab 1928 mit Gasthaus Zur Traube Tankstelle L: Hauptstraße (heute Kaiserstraße 18) EB: 1884 F: nach 1948 Krankenhaus Dr. Nickel U: 1982 EB: 1848

37 Hessischer Städteatlas – Hungen

U: 1872 Brauerei; 1872 Kegelbahn; 1929 Tankstelle 2) Nordstern LQ: Engel, Bilder, S. 100 f., 103; Prokosch, Hungen, L: Gemarkung Hungen, im Langsdorfer Grenzwald, S. 281, 363, 455 f.; Geissler, Entwicklung, S. 321. ca. 2,2 km nordwestlich von Hungen M: 1858–1884 Braunkohleförderung im Tiefbau; ab Gefängnis 1884 Ockergewinnung, Farbenfabrik 1) ältestes EB: 1858 AB: Blockhaus U: 1868; zwischen 1884 und 1899 L: am Untertor A: 1919 M: Gefängniszellen im Blockhaus LQ: Engel, Bilder, S. 77; TK25 1911; Prokosch, Hun- EW: 1611 gen, S. 445. LQ: Prokosch, Hungen, S. 201 (fälschlich Obertor); 3) Vereinigter Wilhelm StadtA Hungen, Nachlass Heinrich Jockel (vgl. AB: ab 1905 Elisenburg; spätestens ab 1964 wieder Sonderblatt 3, Abb. 5, 17) Block- oder Brechhaus). Vereinigter Wilhelm 2) altes L: Gemarkungen Hungen, Inheiden, Graß, ca. 230 m L: im Brauhaus südlich der Untermühle M: Dunkelzelle M: Basalteisenerzförderung EB: 1857 Wilhelm; 1862 verschiedene Einzelfelder EB: 1843 konsolidiert LQ: Prokosch, Hungen, S. 201. U: 1934 Drahtseilbahn; 1958 Aufbereitungsanlage 3) neues A: 1964 Stillegung AB: Bezirksgefängnis LQ: Prokosch, Hungen, S. 443 f.; Georg / Haus / Pore- L: Kaiserstraße 20 (heute 22) zag, Eisenerzbergbau, S. 348–352; Engel, Bilder, EB: 1846/47 S. 77; Schwab, Arschleder, S. 123; Slotta, Techni- U: 1982 zu Privatwohnungen sche Denkmäler, S. 1060–1066; Tegtmeier, Berg- LQ: StadtA Hungen XXI.9b.74 (Flur 1 A, Blatt 2); StadtA bau, S. 276, 280; TK 25 1964. Hungen XXI.53; Prokosch, Hungen, S. 201 f., 281; Geissler, Entwicklung, S. 321. Häfnerei → Gerbhäuser Gemeindebrauhaus → Brauhaus Hirtenhaus L: zwischen Bitzenstraße 26 und ehem. Stadtmauer Gendarmerie EB: vor 1862 1) alte LQ: Prokosch, Hungen, S. 147, 164 f. L: Friedberger Straße 19 F: Wohnhaus für zwei Gendarmeriefamilien Hofapotheke EB: 1920/21 1) alte A: 1934 Verkauf an Privat L: Obertorstraße 13 LQ: Prokosch, Hungen, S. 200 f., 282. F: 1697–1847 Apotheke 2) neue EB: 1475 → Pfarrhaus: neue 2. Pfarrei U: 1995 Sanierung 3) neueste LQ: Küther, Apothekenwesen, S. 268–275; Engel, Bil- → Pfarrhaus: 1. Pfarrei der, S. 42, 103, 148 f.; Prokosch, Hungen, S. 358– 360. Gerbhäuser 2) neue L: Niddaer Straße 15 und 17 L: Kaiserstraße 16 EB: 1831/32 EB: 1845/47 U: Niddaer Straße 17 ab 1877 Häfnerei (Töpferei) U: 1950/51; 1975 A: 1928 Häfnerofen abgerissen LQ: Küther, Apothekenwesen, S. 274 f.; Geissler, Ent- LQ: StadtA Hungen XXI.9b.74 (Flur 1 M, Blatt 13); wicklung, S. 321; Prokosch, Hungen, S. 360; En- gel, Bilder, S. 96. StadtA Hungen XXI.53; Geissler, Entwicklung, S. 318 f.; Prokosch, Hungen, S. 278. Hofgut, herrschaftliches L: südöstlich des Schlosses Grube F: Wohnhaus u. a. mit Zehntscheune und Brennhaus 1) Abendstern EW: 1629 L: Gemarkung Hungen, im Heckenwald, ca. 2,2 km A: 1956 Scheune; 1963 Rest östlich von Hungen N: 1976/77 ev. Gemeindezentrum und Spielplatz M: Abbau von Basalteisenstein LQ: Engel, Bilder, S. 21 (Luftbild 1930er Jahre), 26, 90, EW: 1590 161; Prokosch, Hungen, S. 67 f., 147, 152 f., 414, U: 1890 Feldbahn; 1911 Maschinenhaus und Kessel- 416; Wildhack, Schloss (a), o. S. Kap. 4 Unterkap. haus; 1913 Drahtseilbahn vom Heckenwald zur Vorburg. Bahn­linie Hungen-Mücke nordöstlich von Hun- gen; 1915 Erweiterung; 1937 Zechenhaus, Förder- Hof Graß maschinenhaus, Seilbahn L: ca. 1,8 km südöstlich der Stadt A: 1957 Stilllegung; 1965 Abbruch der Gebäude M: Hofgut; Mühle; Kapelle; Brunnen LQ: Engel, Bilder, S. 77; TK25 1911; Prokosch, Hun- EB: Kapelle vermutl. 8. Jh. gen, S. 441–443; Schwab, Arschleder, S. 170, 191, EW: 1311; 1371 Kapelle 197; Slotta, Technische Denkmäler, S. 1066– U: 1791 Glockentürmchen auf Stallgebäude 1070; Georg / Haus / Porezag, Eisenerzbergbau, LQ: Schwab / Steinl, Historisches, S. 117–138; Pro- S. 353–357. kosch, Hungen, S. 116 f.

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Johannismühle LQ: StadtA Hungen, Nachlass Heinrich Jockel (vgl. → Untermühle Sonderblatt 3, Abb. 5, 3) Wachthäußchen vor dem Ober=Thor); Engel, Bilder, S. 49 und Prokosch, Kirche und Kapelle S. 13 f. geben unterschiedliche Lagen an. → Ev. Stadtkirche → Neuapostolische Kirche Obertor → St. Bonifatius-Kirche M: Doppeltorturm EB: nach 1361 Krankenhaus EW: 1611 → Fendt’sches Krankenhaus A: 1806 → Gasthaus Zur Traube (Dr. Nickel) LQ: Engel, Bilder, S. 40; Schwellnus, Tor, S. 11 f.; Walbe, Kunstdenkmäler, S. 137; Prokosch, Hun- Kreisaltenheim gen, S. 13–15, 19. L: Albert-Schweitzer-Straße 6 EB: 1963–64 Pfarrhaus A: 2012 1) alte 1. Pfarrei LQ: Prokosch, Hungen, S. 354; freundliche Auskunft L: auf dem Schloßhof des Stadtarchivars Erhard Eller 27.7.2016. A: vor 1617 baufällig, Abrissdatum unbekannt LQ: Prokosch, Hungen, S. 19, 61. Märzbierhaus 2) 1. Pfarrei L: Brauhofsgasse, südöstlich des Gemeindebrauhau- L: Die große Schloßgasse (heute Schloßgasse) 7 (Wirt- ses (heute Brauhofstraße 8) schaftsgebäude) und 9 (Wohngebäude) M: zweigeteilter Bau mit Wohn-, Schank- und Gesinde­ F: Pfarrhaus bis 1952 räumen EB: 1604 (Wohngeb.); vor 1818 (Wirtschaftsgeb.) EB: 1690 LQ: StadtA Hungen XXI.9b.74 (Flur 1 E, Blatt 6); StadtA U: 1995/96 Sanierung Hungen XXI.53; Walbe, Kunstdenkmäler, S. 162. LQ: Engel, Bilder, S. 33–35, 175; Prokosch, Hungen, 3) alte 2. Pfarrei S. 148, 150 f., 454. L: Obertorstraße 10 A: bis 1852 Pfarrhaus Mühle LQ: Engel, Bilder, S. 41; StadA Hungen XXI.53; Pro- → Obermühle kosch, Hungen, S. 416. → Untermühle 4) neue 2. Pfarrei L: Neugasse 5 (Wohngebäude) und 50 m südlich der Münze Kirche (Wirtschaftsgebäude) L: im Bereich Erbsengasse 4 F: bis 1877 2. Pfarrei; ab 1877 Erweiterte Volksschu- EB: 1651 le / Höhere Bürgerschule;1935–1952 Gendarmerie; A: vor 1714 danach wieder Pfarrei LQ: Küther, Hungen, S. 128; StadtA Hungen XXVI. EB: um 1852 6.14.1 (vgl. Sonderblatt 5, Abb. 8). A: 1893 Wirtschaftsgebäude verkauft LQ: Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopo­ Molkerei graphie, S. 84 f.; Engel, Bilder, S. 27; Prokosch, 1) alte Hungen, S. 61 f., 201. L: Niddaer Straße 2 EB: 1895 Pfarrkirche U: 1935/36 Büroanbau → Ev. Stadtkirche A: 1956 Verlegung LQ: Engel, Bilder, S. 86 f.; Prokosch, Hungen, S. 283; Phoenix-Apotheke Küther, Molkereigenossenschaft, S. 410–415. → Gasthaus Prinz Carl 2) neue L: Niddaer Straße 65 Postamt EB: 1955/56 1) altes LQ: Engel, Bilder, S. 87; Geissler, Entwicklung, Stadt- AB: Posthalterei plan zwischen S. 336 und 337; Küther, Molkerei- L: Untertorstraße 1 genossenschaft, S. 412 f. EW: 1869 A: 1887 Umzug Neuapostolische Kirche LQ: Prokosch, Hungen, S. 151, 222, 224. L: Niddaer Straße 47 2) kaiserliches EB: 1972 AB: Posthalterei LQ: Prokosch, Hungen, S. 79 f. L: Gießener Straße 2 EB: 1887 Obermühle U: 1959/60 L: ca. 200 m nordöstlich der Stadt, an der Mündung A: 1985 Umzug des Mühlgrabens in die Horloff LQ: Engel, Bilder, S. 104 f.; Will, Stadtgeographie, EW: 1450 Abb. 10 zwischen S. 16 und 17; Prokosch, Hun- A: Anfang 1970er Jahre gen, S. 222. LQ: Engel, Bilder, S. 72–74, 84; Küther, Hungen, 3) neues S. 85; Prokosch, Hungen, S. 273 f. L: Sudetenstraße 37 EB: 1985 Oberpfortenhaus LQ: Engel, Bilder, S. 105. L: westliches Ende der Obergaße

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Rathaus U: vor 1856–62 Kegelbahn; 1880 Tanzsaal mit Balkon 1) altes A: 1939 AB: Stadthaus LQ: Engel, Bilder, S. 79–81, 103; Geissler, Entwick- L: Obergaße (heute Obertorstraße 18) lung, Abb. 163 zwischen S. 320 und 321, S. 317, EB: 1563 320; Prokosch, Hungen, S. 278, 455. U: 1855; 1929 zu Wohnungen umgebaut LQ: Walbe, Kunstdenkmäler, S. 162; Engel, Bil- Schule der, S. 42 f., 48; StadtA Hungen XV.5e.40.6 (Ak- 1) älteste Schule ten betr. die Reparatur des Rathauses zu Hungen L: am Kirchhof 1855); Prokosch, Hungen, S. 139 f. geht von ei- EW: 1410 nem älteren Rathaus unbekannter Lage aus. A: zwischen 1541 und 1545 2) neues LQ: Küther, Schule, S. 219 f.; Prokosch, Hungen, L: Die große Schloßgasse (heute Schlossgasse 6) S. 315. F: 1821–43 Kreisamtsgebäude / Landratsamt; 1844– 2) ältere Schule 84 Steuerkommissariat; 1884–1913 (Volks-)Schu- L: Bitzenstraße 64 le; nach 1913 Rathaus; 1961–mind. 1982 Hotel EB: 1535 LQ: Will, Stadtgeographie, Abb. 13 zwischen S.16/17; A: Schule bis 1830; 1833 Verkauf an Privat Prokosch, Hungen, S. 140, 189, 323, 329; Engel, LQ: Prokosch, Hungen, S. 328; Engel, Bilder, S. 198. Bilder, S. 198. 3) altes Schulhaus 3) neuestes L: heute Bitzenstraße 46 (Wohngebäude) und süd- L: Kaiserstraße 7 westlich der Bitzenstraße. 46 (Wirtschaftsgebäude) F: 1843–1848 Kreisamt; ca. 1865–1934 Amtsgericht; EB: als Schulhaus angekauft 1829 1935–43 Finanzamt; 1943–53 Mädchenabteilung A: Schule bis 1884, dann privat der Landwirtschaftsschule; seit 1953 Rathaus LQ: Prokosch, Hungen, S. 61, 328 f.; Engel, Bilder, EB: 1843 S. 197. U: 1935 Renovierung; 1953 4) Volksschule LQ: Engel, Bilder, S. 96 f.; Walbe, Kunstdenkmäler, L: Obertorstraße 18, im alten Rathaus S. 162–164; Prokosch, Hungen, S. 140 f., 190, EW: 1835 193, 196; Geissler, Entwicklung, S. 321. LQ: König, Chronik Volksschule, S. 230–234; StadtA Hungen XV.5e.40.6 (Akten betr. die Reparatur Sägewerk des Rathauses zu Hungen 1855). 1) August Schäfer 5) → Rathaus, neues L: Lindenstraße 2 6) neues Schulhaus A: 1897 abgebrannt AB: Volksschule; Bürgerschule N: 1898 Neubau Gießener Straße 21; mehrfach er- L: Am Zwenger 8 weitert F: 1913/14 Grundschule; 1913–mind. Ende der LQ: Engel, Bilder, S. 94, 110 f. 1960er Jahre mit öffentl. Bad im Keller; 1914– 2) Philipp Müller II, später Friedrich Wilhelm Müller 17 Lazarett (Rotes Kreuz), in dieser Zeit Klassen L: Bellersheimer Straße 10 (heute Robert-Koch-Stra- ausgelagert; ab 1918 wieder Schule; im 2. WK bis ße. 10) 1945 Kinderklinik Gießen, Klassen ausgelagert; EB: 1877 2-stöckiges Wohnhaus; 1878 Zimmerwerk- ab 1966 nur noch Grund- und Sonderschule; seit stätte 1996 Kulturzentrum A: Ende der 1920er Jahre Einstellung des Betriebes EB: 1913 LQ: Engel, Bilder, S. 110; Geissler, Entwicklung, S. 322. U: 1963; 1967–71; 1975/76 3) Karl Konrad Müller, mit Söhnen Karl und Robert LQ: Engel, Bilder, S. 88 f., 172; König, Chronik, L: Gießener Straße 38 S. 230–235; Küther, Schule, S. 219–229; Lang / EB: 1912 Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopographie, U: 1928 S. 72; Prokosch, Hungen, S. 329–331. LQ: Engel, Bilder, S. 110; Geissler, Entwicklung, 7) Erweiterte Volksschule S. 328. AB: ab 1897 Höhere Bürgerschule; ab 1931 Realschule; Ober-Realschule; ab 1938 Oberschule für Jungen Schloss Hungen (Klasse 1–5); ab 1945 Realgymnasium; ab 1956 L: Schlossgasse 7–11 Gymnasium EB: 14. Jh. Bergfried L: zunächst im „leerstehenden alten Schulhaus“, dann EW: 1381 im 2. Pfarrhaus (Neugasse 5); ab 1914 im Dachge- U: 1454/56 Erweiterung; ab 1604 schlossartiger Aus- schoß des neuen Volksschulgebäudes (Am Zwenger); bau; 1974 zu Wohnungen ab 1939 Bahnhofstraße 5 (heute Raiff­eisen­straße 5) A: ab 1604 Teilabriss; nach 1716 u. a. Schildmauer EB: 1877 gegründet und alter Bergfried U: 1953; 1959 dreistöckiger Neubau; 1968 Umzug; LQ: Battenberg, Urkunden 1, 476; Dehio, Hessen 1, 1972 Mittelpunkt-Grundschule S. 448 f.; Engel, Bilder, S. 50–59; Knappe, Burgen; LQ: Prokosch, Hungen, S. 332–335; Jost, Gymnasi- Küther, Schloß, S. 162–167; Lang / Schneider / um, S. 236–242; Will, Stadtgeographie, S. 18. Weissenmayer, Denkmaltopographie, S. 90–95; 8) Mittelpunktschule / Gesamtschule Walbe, Kunstdenkmäler, S. 134, 153–162; Wild- L: Friedensstraße 1 hack, Schloss (a) und (b). EB: 1965 U: 1968; 1970; 1973/74 Schützenhaus LQ: Prokosch, Hungen, S. 337–341; Engel, Bilder, L: südlich des Schlosses S. 173 f. EB: 1827 aus einem Gartenhäuschen zum Wohnhaus 9) Grundschule ausgebaut L: Am Grassee 4

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EB: 1993 Stadtgraben LQ: Prokosch, Hungen, S. 341–343; Engel, Bilder, EB: 2. H. 14. Jh. S. 173. EW: 1469 10) Judenschule LQ: FSBA „Rotes Buch“; Küther, Hungen, S. 86. → Synagoge, neue 11) Forstschule Stadthalle AB: Forst-Institut L: Am Grassee 10 L: im Hartig’schen Wohngebäude, Obertorstraße 20 EB: 1976/77 EB: 1791 LQ: Engel, Bilder, S. 171; Prokosch, Hungen, S. 141– U: Umzug in Schloßgasse 6 143. A: 1798 Umzug nach Dillenburg LQ: Weimann, Biographien, S. 263–270; Schmitz, Har- Stadtmauer tig, S. 461. EB: nach 1361 A: 1869/70 Teilabrisse im Zuge des Eisenbahnbaus Schwimmbad westlich des Schlosses und 1908 nördlicher Teil 1) altes (zusammen mit Brauhaus) L: im hinteren Weiher bei der Obermühle LQ: Dehio, Hessen 1, S. 449; Engel, Bilder, S. 20 f.; EB: 1926/27 Lang / Schneider / Weissenmayer, Denkmaltopo­ U: 1930 Erweiterung gra­phie, S. 77. A: nach 1952 LQ: Engel, Bilder, S. 82 f.; Prokosch, Hungen, S. 373 f. Sulzbach’sches Haus 2) → Freibad → Amtshaus

Seifensiederei Synagoge L: Bitzenstraße 42 1) alte A: nach 1827 AB: Bethaus LQ: Geissler, Entwicklung, S. 319. L: Kleine Schloßgasse (heute Saalgasse 3) EB: spätestens 1798 Spritzenhaus EW: 1673 (Betsaal); nach 1673 (Synagoge) 1) ältestes LQ: Müller / Bertram / Damrath, Judenfamilien, S. 6, L: beim Brunnen auf dem alten Marktplatz 343. EB: 17. Jh. 2) neue A: vor 1856 AB: Bethaus; Schule LQ: Walbe, Kunstdenkmäler, S. 137 f.; StadtA Hun- L: Bitzenstraße 38 gen, Nachlass Heinrich Jockel (vgl. Sonderblatt 3, EB: 1832 Abb. 5, 12) das Spritzen=Häußchen). U: 1863, 1883 und 1899 Renovierungen 2) altes A: 1938 L: zwischen Neugasse 1 und 3 LQ: Altaras, Synagogen, S. 201 f.; Lang / Schneider / A: nach 1862 Weissenmayer, Denkmaltopographie, S. 76, 86; LQ: StadtA Hungen XXI.9b.74 ( Flur 1E, Platz 6); Stadt A Engel, Bilder, S. 27; Prokosch, Hungen, S. 88 f. Hungen XXI.53. Tiergarten 3) neues L: nordöstlich der Stadt L: Friedberger Straße 5 EB: vor 1608?, vor 1754 F: bis 1973 Standort Feuerwehr; danach Nutzung als EW: 2. Hälfte 17. Jh., evtl. vorhandene Gebäude beim Garagen des Bauhofs Brand 1719 zerstört EB: 1877 A: nach 1829, vor 1856–62 A: 1983 LQ: Engel, Bilder, S. 7; Prokosch, Hungen, S. 400– LQ: Engel, Bilder, S. 61, 91, 131; Geissler, Entwick- 402; GSLA, Karten IV, 40 (vgl. Sonderblatt 2, lung, S. 317, 322; Prokosch, Hungen, S. 282, 505. Abb. 3); FSBA, A Planschrank 24,2 / A III 28 (vgl. Sonderblatt 2, Abb. 4); Schwab, Arschleder, S. 44 f. St. Andreas-Kirche → St. Bonifatius-Kirche Tiergärtnerwohnhaus 1) altes St. Bonifatius-Kirche L: im Tiergarten AB: ab 1956 St. Andreas-Kirche EW: 1790 L: Hartigstraße 12 A: vermutl. 1831 F: katholische Kirche LQ: GSLA, Karten IV, 40 (vgl. Sonderblatt 2, Abb. 3); EB: 1907/8 FSBA, A Planschrank 24,2 / A III 28 (vgl. Sonder- U: 1955 blatt 2, Abb. 4); Prokosch, Hungen, S. 284. LQ: Christ, Kirchengemeinde, S. 181–185; Engel, 2) neues Bilder, S. 107 f.; Prokosch, Hungen, S. 73–77. L: Grünberger Straße 1 (heute Nonnenröther Straße 1) EB: 1831 Stadtbefestigung U: 1891 Scheune → Oberpfortenhaus LQ: Geissler, Entwicklung, S. 320; Prokosch, Hun- → Stadtgraben gen, S. 284. → Stadtmauer → Tore Tor → Obertor → Untertor

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Turnhalle Vermessungsamt L: Friedberger Straße 5 → Finanzamt, neues EB: 1895/96 U: öfters nach 1945 Wüstungen A: 1981 ausgebrannt; 1982 abgerissen LQ: Küther, Wüstungen, S. 168–197. N: 1983/84 neue Friedhofskapelle lQ: engel, Bilder, S. 91, 131; Prokosch, Hungen, Zementfabrik S. 144 f., 282; Schmalz / Stock, Turn- und Sport- L: Gießener Straße 19 verein, S. 435. EB: 1899 A: 1918 zum Sägewerk Gießener Straße 21 Untermühle LQ: Geissler, Entwicklung, S. 325. AB: Johannismühle L: rund 550 m südlich der Stadtmauer an der Horloff Ziegelei EB: 1629 1) 1. Ziegelei LQ: Solms-Laubach, Geschichte, S. 77; Engel, Bilder, L: Bellersheimer Straße (heute Robert-Koch-Straße 4) S. 75; Prokosch, Hungen, S. 274. EB: vor 1780 U: 1806 Ziegelofen Untertor A: 1888 Stilllegung L: Am Nordostrand der Altstadt N: 1891 M: Doppeltoranlage, Wache im Bereich Untertorstra- LQ: Engel, Bilder, S. 76; Geissler, Entwicklung, S. 317; ße 42, zwischen Untertor und Wache großes Ron- Prokosch, Hungen, S. 439 f. dell 2) Dampfziegelei EB: nach 1361 → Dampfziegelei EW: 1611 3) Hildebrandsche Ziegelei U: 1650er Jahre L: Bellersheimer Straße (Robert-Koch-Straße 3 und 5) A: nach 1807 EB: 1843 LQ: Engel, Bilder, S. 40; Schwellnus, Tor, S. 11 f.; A: 1922 Walbe, Kunstdenkmäler, S. 137; Prokosch, Hun- LQ: Engel, Bilder, S. 76; Geissler, Entwicklung, S. 317; gen, S. 14 f., 19; StadtA Hungen, Nachlass Hein- Prokosch, Hungen, S. 440 f. rich Jockel (vgl. Sonderblatt 3, Abb. 5, 16) Das untere Thor und 17) Das Block= oder sogenannte Brechhaus).

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