Stadion-Porträt

Volksparkstadion, 1928: Der HSV spielt vor 50.000 Zuschauern gegen Hertha BSC um die deutsche Meisterschaft. Foto: HSV-Museum Deutschlands gefährlichstes Stadion Aus dem Altonaer Stadion und dem Volksparkstadion entstand die AOL Arena.

wei Bilder aus dem Volksparksta- ist. Die Hamburger schauen deshalb ein mehr daran, denn schon bald hinterlässt dion haben auch Nicht-Fußballfans wenig neidisch auf den kleinen Nachbarn der Krieg deutliche Spuren. Dennoch ist Zvor Augen: Da wären zum einen mit dem großen Stadion. Sie selbst haben das Stadion 1949 noch einmal Austra- Sepp Maier und Jürgen Sparwasser, wie dem Sportpark, der neben dem Stadion gungsort des Endspiels um die deutsche sie mit unterschiedlichen Emp ndungen auch eine Reitbahn, ein Schwimmbad, Meisterschaft, bevor hier 1951 der Aus- jenem Schuss des DDR-Stürmers hinter- zehn Fußballfelder und eine riesige Lie- bau zum Volksparkstadion beginnt. her schauen, der die historische 0:1-Nie- gewiese beheimatet, nichts entgegenzu- Mit dieser Lösung ist der HSV ganz derlage der BRD bei der WM ’74 besie- setzen. Ein Entwurf jener Tage, auf dem und gar nicht zufrieden. Er kämpft lan- gelt. Zum andern erinnern sie sich an die Heiligengeistfeld eine Arena für 80.000 zu ge um ein englisches Stadion mitten in immer wieder gezeigten Fernsehbilder errichten, wird nie verwirklicht, obwohl der Stadt an seinem Traditionsspielort von einem verzweifelten Knäuel HSV- der visionäre Plan sogar ein verschließba- Rothenbaum. 65.000 sollen hineinpas- Anhänger, das droht, von der nachrü- res Dach vorsieht. So aber bleibt das Al- sen, aber der alternde Bürgermeister Max ckenden Menge am Fuße der Westkurve tonaer Stadion für 40.000 Zuschauer die Brauer goutiert die Idee nicht: „Sportplät- zerquetscht zu werden. Sportstätte Nr. 1 im Norden. ze gehören auf billigen Boden, nicht aber Diese Ereignisse haben das Volkspark- an die Rothenbaumchaussee, den künfti- stadion, den Vorgänger der AOL Arena, Als Altona noch „Auswärts“ war gen Kurfürstendamm von “, ar- geprägt. Sonst ist nicht viel hängen ge- gumentiert der SPD-Politiker kategorisch. blieben von einem Betonklotz, der sich 1928 erobert Hamburg es – freilich auf Der Senat lehnt das knapp 10 Mio. DM nur unwesentlich von all den charakterlo- sportliche Weise. Als der HSV dort das schwere Vorhaben ab. sen Stadien jener Ära unterschied. Dabei Endspiel um die deutsche Meisterschaft 1953 ist das Volksparkstadion fertig. ist das Volksparkstadion nur bedingt ein gegen Hertha mit 5:2 gewinnt, säumen Mit weit über 70.000 Plätzen, davon 20.000 Kind der Nachkriegszeit. Seine Geschich- angeblich 50.000 Zuschauer die naive Ab- Sitzplätze, ist es das zweitgrößte Rund der te beginnt schon 1925, als an gleicher sperrung. 1938 erobert Hamburg es auch BRD. Nur das von Stelle das Altonaer Stadion entsteht, das politisch. Mit der Eingemeindung Altonas fasst mehr. Wie bei so vielen Stadien jener nicht einmal zu Hamburg gehört, weil geht das Stadion in den Besitz der Ham- Zeit errichten auch die Menschen in Ham- Altona zu jener Zeit noch selbstständig burger über. Doch viel Spaß hat niemand burg mit seinem Bau ein neues Zeitalter.

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Volksparkstadion, 1953 Foto: HSV-Museum

Das Symbol für das Alte, der Kriegsschutt, Schon zur WM ’74 werden wieder wesen, denn schon kurze Zeit später gilt wird kurzerhand als Fundamentierung für erste Baumaßnahmen fällig. Eine An- das Stadion als „gefährlichste Sportstät- die Tribünen begraben und verschwindet zeigetafel sowie die Umwandlung von te Deutschlands“. Und das nicht, weil somit nicht nur aus dem Blickfeld, son- Stehplätzen auf der Südtribüne und ein die bundesdeutsche Nationalmannschaft dern auch aus dem Bewusstsein. Star des Tribünendach verschlingen noch einmal hier ganz gerne auf die Mütze kriegt, so Stadions indes ist die neue zweistöckige 20 Mio. D-Mark, fast zehnmal so viel wie wie beim 0:1 gegen Jürgen Sparwasser. Tribüne. Sie erntet in der Öffentlichkeit das gesamte Stadion 1953 bei seiner Fer- viel Lob. Dem HSV ist das egal. Er kickt tigstellung gekostet hatte. Gut, dass das Tragische Ereignisse weiterhin lieber am Rothenbaum. Nur zu Volksparkstadion dieses Schicksal in den Spitzenspielen bevorzugt er den lukrative- Siebzigern ereilte. Denn bei der heutigen Was war geschehen? 1977 wird ein Fünf- ren Volkspark. Das geht bis 1963 so. Dann Bauwut hätten Renovierungen bereits zehnjähriger in der Menge zu Tode getram- nötigt der DFB dem HSV für den Bundes- den Grund für einen kompletten Neubau pelt, als ein Handgemenge die Westkurve ligabetrieb die regelmäßige Nutzung der darstellen können. Aber vielleicht wäre in Aufruhr versetzt. Nur zwei Jahre später Riesen-Arena ab. auch das genau die richtige Lösung ge- kommt es zu jener Begebenheit, die allem Anschein nicht tragisch genug ist, um die spätere Katastrophe im Heyselstadion zu verhindern. Die Umstände beider Desaster weisen Parallelen auf, und es stellt sich die Frage, warum die Verantwortlichen von Heysel nicht aus dem Hamburger Drama gelernt hatten: Der HSV ist gerade Deut- scher Meister geworden. Rund 5.000 Fans aus der Westkurve beginnen nach dem Spiel gegen Bayern München auf den Platz zu drängen. Der Zaun am unteren Rand der Kurve gibt nach und bricht zusammen. Einige Fans verfangen sich darin, stürzen zu Boden. Andere stoßen von oben nach. Eine Massenkarambolage in der nicht Au- tos, sondern Menschen gequetscht werden. Bilanz des schrecklichen Szenarios: 62 zum Teil schwer Verletzte. Das Ereignis hat zahlreiche Sicherheits- au agen zur Folge, sodass das Volkspark- stadion auch wieder dabei ist, als 1988 die Europameisterschaft in Deutschland aus- Nur noch im Museum zu sehen: Das Stadion am Rothenbaum wurde abgerissen. Foto: Stadionwelt getragen wird. Erneut erweist sich �

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Würdigung des Volksparkstadions im HSV-Museum Foto: Stadionwelt

Hamburg für die deutsche Elf als schwie- neuen Stadions die Runde machten. Bis man drehte das Spielfeld um 90 Grad, riges P aster. Jürgen Sparwasser heißt es soweit war vergingen allerdings noch um das mächtige Volksparkstadion in diesmal . Mit seinem fünf Jahre. Dann drehte man die gute alte die schlanke AOL Arena zu verwandeln.� entscheidenden 2:1 schießt er Holland ins Schüssel einfach auf links, oder besser, ��Andreas Schulte Finale und Deutschland aus allen Wolken. Die dumme Niederlage gegen die Nieder- länder bedeutet den letzten Höhepunkt im Ausgewählte sportliche Höhepunkte Volksparkstadion, dass zu diesem Zeit- im Altonaer Stadion und im Volksparkstadion punkt noch 61.000 Zuschauer fasst. So richtig warm wurden sie in Ham- 1927 1953 burg mit ihrer kargen Schüssel nie. Kein Erstes Länderspiel im Altonaer Stadion: Das erste Länderspiel im Volksparkstadi- Wunder, denn auch andernorts mochte Deutschland besiegt Norwegen vor 28.500 on, Deutschland gegen Norwegen, endet kaum jemand die vergleichbaren Are- Zuschauern mit 6:2. vor 80.000 Zuschauern mit 5:1. nen in , Düsseldorf oder . Breite Laufbahn und fehlende 1928 1954 Dächer waren auch im Volksparkstadi- Im Endspiel um die deutsche Meister- Deutsche Leichtathletikmeisterschaften on Stimmungskiller Nr. 1, obwohl immer schaft schlägt der HSV Hertha BSC mit wieder davon berichtet wird, dass auch 5:2 vor offi ziell 40.000 Zuschauern. 1954 der Volkspark zum Hexenkessel mutie- Endspiel um die deutsche Meisterschaft: ren konnte. Berichte über das sensatio- 1949 Hannover 96 – 1. FC Kaiserslautern 5:1 nelle 5:1 des HSV gegen Real Madrid im Das Endspiel um die norddeutsche Mei- Europapokal 1980 belegen dies und die sterschaft gewinnt der HSV gegen den FC 1961  iegenden Sitzkissen vor den Objektiven St. Pauli mit 5:3. Einweihung der Flutlichtanlage mit dem der starren Sportschaukamera zeugen Spiel Altona 93 gegen Gremio Porto Alegre zumindest von guter Laune, wenn nicht 1953 von rauschenden Festen. Auch der Blick Einweihung des Volksparkstadions mit ei- 1974 vom höchsten Punkt der Westkurve hin- nem Freundschaftsspiel des HSV gegen WM-Gruppenspiel DDR – BRD 1:0 weg über die zigtausend Köpfe auf der eine Stadtauswahl Birmingham einrangigen Tribüne wird immer wie- 1988 der als imposant geschildert. Dennoch 1953 EM-Halbfi nale: Bundesrepublik Deutsch- trauerte dem Betonklotz 1993 niemand Deutsches Turnfest land – Niederlande 1:2 nach, als erste Gerüchte zum Bau eines

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