Mai •Impulse •THEMA: FREILICHTMUSEEN •Freilichtmuseen. Eine Einführung •Museen unter freiem Himmel •Weinviertler 2012 Museumsdorf Niedersulz und Dorfmuseum Mönchhof •Sweden – The Land of Open Air Museums •Zur Situation der Frei- lichtmuseen in Bayern •Die oberbayerischen Freilichtmuseen Glentleiten und Amerang zwischen Tradition und Innovation •Die exemplarische Revitalisierung eines Bauernhauses im Schweizerischen Freilichtmuseum Ballenberg •Freilicht- und 12/2 Bergbaumuseen in Südtirol •SCHAUPLATZ präsentieren: Zeit für WUNDER ist angebrochen (Kunsthalle Krems) •DICA software

THEMA Freilichtmuseen

Beispiele aus Österreich, Bayern, Schweiz, Südtirol, Schweden Herausgegeben vom Museumsbund Österreich ISSN 1015-6720 € 8,80

Editorial

Geschätzte Leserinnen und Leser!

Ob nun Freilichtmuseum oder Ob mehr freies Licht oder mehr freie ,Open Air’ Museum: Luft: Dieser Museumstyp befindet sich Dieser am Ende des 19ten Jahrhun- in konsequenter Bewegung und auch derts gegründete Museumstyp zählt entsprechend reflektierender Diskus- nicht allein aufgrund der gewählten sion. Das vorliegende ‚neue museum‘ Bezeichnung zu den ,offensten’ Mu- bietet hier anschauliche Perspektiven seumsinstitutionen – und damit wohl in bewusst exemplarischer, regionaler auch zu den populärsten. Fast wie Setzung genauso wie in nationaler selbstverständlich werden in diesen und internationaler Ausrichtung. Museen Besucherinnen und Besucher zu Benützern. Sie stehen in einem Einen besonderen Hinweis – eben- anderen Nahverhältnis zu den prä- falls mit der Perspektive mehr Luft sentierten Inhalten als in der klassi- und Licht in die Museumsszene schen Museumspräsentation von Ob- Österreichs zu bringen – möchten jekten hinter Glas. Vielfach wird diese wir vom Museumsbund Österreich besondere Nähe noch weiter durch gemeinsam mit ICOM Österreich besondere Aktivitäten intensiviert, durch die Aktion ‚insMuseum.com – vor allem in den nördlichen Ländern Museum selbstbewusst‘ erreichen: Europas ist der darstellende Mensch Ein dichtes Informationsangebot, bei schon fast selbstverständlich in einem dem in über 100 Tagen über 100 Ob- Freilichtmuseum geworden. Das er- jekte aus den besten österreichischen höht natürlich auf der einen Seite die Museen, den Trägern des Österreichi- Anschaulichkeit, führt aber auf der schen Museumsgütesiegels in die anderen Seite zu vielen historischen Öffentlichkeit getragen werden, um Fehlern, insbesondere immer wieder einmal mehr die besondere Stellung zum Eindruck der Verniedlichung dieser Institution nicht nur im öster- und Verharmlosung einer harten reichischen Kulturleben aufzuzeigen, Alltagsarbeit im Bereich der Land- sondern in ihrer Bedeutung für die wirtschaft und des Handwerks. andauernde Reflexion unserer unter- schiedlichsten Identitätenzuordnun- gen: Nehmen Sie Anteil daran!

Mag. Dr. Peter Assmann Präsident des Museumsbundes Österreich Herausgeber und Redaktion bedanken sich bei folgenden Institutionen für Ihre Unterstützung:

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur inatura, Erlebnis Naturschau Dornbirn Kunsthistorisches Museum, Wien Landesmuseum Landesmuseum Kärnten Landesmuseum Niederösterreich Museen der Stadt Linz MuseumsCenter – Kunsthalle Leoben Naturhistorisches Museum, Wien Oberösterreichische Landesmuseen Österreichisches Museum für Volkskunde, Wien Museum Südtiroler Landesmuseen Technisches Museum, Wien Tiroler Landesmuseen Universalmuseum Joanneum museum Wien Museum

Verleger und Herausgeber: Museumsbund Österreich (ZVR 964764225) Präsident: Mag. Dr. Peter Assmann, Museumstraße 14, 4010 Linz [email protected]

Museumsbund Österreich Geschäftsstelle Welserstraße 20, 4060 Leonding [email protected]

Redaktion: Mag. Eva Reinecker, Mag. Dr. Stefan Traxler Produktion & Layout: Mag. Elisabeth Fischnaller Druck: oha druck Gmbh, Traun Offenlegung gemäß §25 Mediengesetz: Berichterstattung über aktuelle Fragen des Museumswesens, Ausstellungen, Museologie, Wissenschaft, Architektur, Restaurierung, Didaktik, Öffentlichkeitsarbeit und Mitteilungen des Museumsbundes Österreich

Die von den Autorinnen und Autoren gezeichneten Texte müssen nicht der Meinung der Redaktion der Zeitschrift ‚neues museum‘ entsprechen Gedruckt mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien

Cover: Österreichisches Freilichtmuseum Stübing bei Graz (Foto: ÖFLM Stübing) Inhalt 12/2

04 Impulse Mai 2012 THEMA: FREILICHTMUSEEN FLM Dietenheim, Südtirol

06 Freilichtmuseen. Eine Einführung Eva Reinecker WUNDER, Kunst, 12 Museen unter freiem Himmel Egbert Pöttler Wissenschaft & Religion Kunsthalle Krems Weinviertler Museumsdorf Niedersulz 24 ab S. 75 und Dorfmuseum Mönchhof Veronika Plöckinger-Walenta 34 Sweden – The Land of Open Air Museums Schauplatz –präsentiern Henrik Zipsane

44 Zur Situation der Freilichtmuseen 75 Zeit für WUNDER ist angebrochen in Bayern Roland Weber Georg Waldemer DICA Software Die oberbayerischen Freilichtmuseen 80 56 Arno Caluori Glentleiten und Amerang zwischen Tradition und Innovation Monika Kania-Schütz Journal / Tipps 63 Die exemplarische Revitalisierung eines Bauernhauses im Schweizerischen Veranstaltungen / Termine Freilichtmuseum Ballenberg 81 Edwin Huwyler 83 Museen & Ausstellungen 72 Freilicht- und Bergbaumuseen in Südtirol Vorschau Heft 12/3 Verena Girardi und Alexa Untersulzner Thema: Rechtsgeschichte im Museum Impulse

WUNDER- Kammer Francesco I de' Medici (1541–1587) legte mit der sog. Tribuna den Grundstein für die Galleria degli Uffizi. Bernado Buontalenti plante “It is time for high flown visions den achteckigen Kuppelraum, der den Medici als Schau- und and daring creativity. Studiensammlung diente.

There is so much left to do!” Johann Zoffany, Tribuna der Uffizien (zw. 1772 und 1778), The Royal (Sten Rentzhog) Collection, Windsor Castle

siehe Beitrag von E. Reinecker, ab S.6 ... u o- ER:

KUNSTHALLE KREMS bis 1. Juli 2012

WUNDER. Kunst, Wissenschaft und Religion. Vom 4. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Der Truck von Erwin Wurm parkt vor der Kunsthalle Krems (© Erwin Wurm)

ZITAT Prädikat: „bewundernswert“: „Wenn ich über's Wasser laufe, dann sagen meine Kritiker,        “

Berti Vogts

... seelenloser „Traktorist“ Nach dem 2. Weltkrieg nahm man auch eine ablehnende Haltung gegenüber dem Wandel in der Landwirtschaftstechnik ein – man sprach in einer Art Positionspapier vom „seelenlosen Traktoristen“, der den Lenker der Pferde-, Ochsen- und Kuhgespanne zu ersetzen begonnen hatte.

siehe Beitrag von G. Waldemer, ab S.44 Freilichtmuseen. Eine Einführung

Eva Reinecker

Freilichtmuseen zählen seit ihren Anfängen vor über 120 Jahren zu den populärsten Museen. In der Österreichischen Museumsdatenbank (www.museenoesterreich.at) sind derzeit 58 Freilichtmuseen verzeichnet, deren Themenviel- falt sich von ländlicher- und bürgerlicher Kultur über Archäologie bis hin zu Bergbau, Weinanbau, Schifffahrt etc. erstreckt. Schon die unterschiedlichen Bezeichnungen für diese Museumsgattung – Freilichtmuseum, Freiland- museum, Museumsdorf, Bauernhofmuseum – zeigen, wie

6 unterschiedlich die inhaltlichen Schwerpunkte und die Intentionen für die museale Arbeit sind. Thema: Freilichtmuseen

Das Österreichische Freilichtmuseum in Stübing bei Graz präsentiert als zentrales Freilichtmuseum die Hausland- schaft aller Bundesländer Österreichs und Südtirols – hier das Siezenheimer Rauchhaus aus Salzburg

Historischer Überblick Die Gründung des er- Henrik Zipsane berichtet aus Schweden, sten Freilichtmuseums in ‚Dem Land der Freilichtmuseen‘ (ab S. 34). Die Skansen bei Stockholm Entwicklung der Freilichtmuseumslandschaft im Jahr 1891 war bei- in Bayern wird von Georg Waldemer erläutert spielgebend für alle wei- (ab S. 44). Verena Girardi und Alexa Untersulzner teren Gründungen von geben einen Überblick zu den Freilicht- und Freilichtmuseen. Ausge- Bergbaumuseen in Südtirol (ab S. 72). hend vom skandinavi- schen Raum verbreitete Das Freilichtmuseum – sich die Freilichtmu- ein besonderer Museumstyp seumsbewegung zu Be- ginn des 20. Jahrhun- Die Charakteristika der Freilichtmuseen, derts in Nord- und wie die ganzheitliche Darstellungsweise, die Mitteleuropa. Auch in besondere Raumerfahrung beim Betreten Österreich ließen die er- der Museumsgebäude oder die ‚Belebung‘ sten Freilichtmuseums- des Museums tragen zweifellos zum Erfolg gründungen nicht lange dieses Museumstyps bei, bringen aber auch auf sich warten. Egbert spezielle Herausforderungen mit sich: Pöttler, der Direktor des Österreichischen Frei- Museumsobjekte als lichtmuseums in Stübing Sachzeugen und Ein- bei Graz beleuchtet in richtungsgegenstände seinem Beitrag die Um- setzung der Freilichtmu- Freilichtmuseen präsen- seumsidee in Österreich tieren historisches Alltags- sowie aktuelle Tenden- leben wie kein anderer Mu- zen der Österreichischen seumstyp. Die Exponate im Freilichtmuseen. Des Weiteren legt er den Freilichtmuseum sind nicht Stand der Österreichischen Freilichtmuseen im wie in anderen Museen, europäischen Vergleich dar und beschreibt in durch Vitrinen von den Be- welchen Bereichen in Österreich noch Nach- suchern getrennt, die mei- holbedarf besteht (ab S.12). Veronika Plöckinger- sten Ausstellungsstücke Walenta geht speziell auf die Entwicklung dürfen nicht nur berührt, zweier ostösterreichischer Freilichtmuseen ein, sondern sogar betreten die beide aus privatem Engagement zum Sam- werden. Aber nicht bloß diese Nähe zwischen Expo- meln und Bauen entstanden sind: das burgen- Mit der Gründung des ,Bürgerhaus- ländische Dorfmuseum Mönchhof und das nat und Besucher macht museums‘ in Aarhus 1914 fand auch niederösterreichische Museumsdorf Niedersulz. den besonderen Status der das bürgerliche Leben Eingang in Beide Museen entwickelten in den letzten Jah- Objekte aus, auch die Viel- das Freilichtmuseum. Die teilweise original erhaltenen Wohnräume im ren Ansätze zur Professionalisierung, die zu seitigkeit und Multifunk- tionalität der Dinge ist für Freilichtmuseum Sumerauerhof in nachhaltigen Strukturen, wissenschaftlich fun- St. Florian bieten Einblicke in die dierter Museumsarbeit und einer erfolgreichen das Freilichtmuseum ein- bürgerlichen Wohnverhältnisse wohl- Zusammenarbeit mit der Universität Wien zigartig, da diese historische habender Bauern Ende des 19. Jahr- führten (ab S. 24). Erkenntnisquellen sind, als hunderts Open-Air Geschichts- unterricht im Freilicht- Idylle vs. Aufklärung: Das Kerry Bog Village in Irland zeigt anhand der bunten, idyllisch wirkenden Häuschen museum das ärmliche Alltagsleben in einer Torfsiedlung im 18. und 19. Jahrhundert sowie die große Hungersnot zwischen 1845 und 1852

Einrichtungsgegenstände in den Museumsge- Das Freilichtmuseum stößt allerdings auch bei bäuden dienen und zusätzlich auch noch oft als der Darstellung von immateriellen Aspekten und Requisiten – etwa für Handwerksvorführungen – individuellen Empfindungen, wie Kälte, Krank- verwendet werden. heit, Hunger, Stallgeruch etc. an seine Grenzen. Deshalb bildet das Museum schon von seiner Präsentation ganzer Lebenswelten Konzeption her ein geschöntes Bild historischen Alltagslebens. Obwohl der Anspruch auf die Dar- Charakteristisch für die Präsentation der Ob- stellung historischer Realität also nie erreicht jekte im Freilichtmuseum ist, dass die Exponate werden kann, ist es Aufgabe und Ziel des Frei- Bestandteile ganzer Objektgruppen sind. Mehre- lichtmuseums, sich dieser bestmöglich an- re Einzelobjekte werden in der Regel zu einem zunähern, denn wie Sten Rentzhog treffend Ensemble angeordnet und sollen dadurch zu- feststellt: „Open air museums cannot be ,authentic’. sammenhängende Lebensräume bilden. Das Frei- But they can offer experiences from the past, where the lichtmuseum will durch die Präsentation kom- authentic and original are included” (Rentzhog 2007, plexer Lebenswelten ein möglichst umfassendes 386). Bild vergangener Lebens- und Arbeitsweisen zei- gen. Die im Museum angeordneten Objekte bil- ,Lebendiges’ Museum den einen eigenen ,Mikrokosmos‘, der realisti- sche Einblicke in das einstige Alltagsleben geben Eine weitere Besonderheit des Freilichtmuseums soll. Gegenstände vergangener Alltagskultur ist dessen ‚Belebung’ durch Tiere, Museumsfeste, sind uns häufig nur in Fragmenten überliefert, verkleidetes Museumspersonal und Handwerksvor- die Ausstellung im Freilichtmuseum zielt aber führungen. Museen unter freiem Himmel sind auf Vollständigkeit ab. So ist beispielsweise in dem ständigen Wandel der Natur ausgesetzt und den wenigsten Fällen eine Zusammengehörigkeit daher von vornherein unmittelbarer belebt als an- von Gebäude und Inventar gegeben, da die Ori- dere Museen. Darüber hinaus wird in fast allen ginalausstattung meist nur lückenhaft erhalten Freilichtmuseen für eine zusätzliche ‚Belebung’ ist. Bei Häusern aus dem 17. oder 18. Jahrhundert gesorgt, indem beispielsweise Brot gebacken, reicht das Inventar meist nicht weiter als bis ins Käse hergestellt und Körbe geflochten werden, 8 19. Jahrhundert zurück. gesponnen, getöpfert und gepflügt wird und „Freilichtmuseen sind bemüht, das Leben, Wohnen und Wirtschaften vergangener Zeiten möglichst facettenreich darzustellen ...“

Geschichtsvermittlung zwischen historischer Realität und musealer Inszenierung: Das Vorführen alter handwerklicher und landwirt- schaftlicher Tätigkeiten ist in vielen Museen Teil des Veranstal- tungsprogramms

Maibäume aufgestellt werden. Das ‚Lebendigmachen’ des Mu- seums liegt nahe, da das Freilichtmuseum das historische Leben, Wohnen und Wirtschaften möglichst facettenreich und kom- plex darstellen will. In der ICOM-Deklaration heißt es diesbezüg- lich: „Insbesondere das verbreitete und grundsätzlich begrüßenswer- te Bestreben, das Freilichtmuseum ‚lebendig’ zu gestalten, verführt leicht zu einer vermeidbaren Verfälschung der historischen Realität.“ (Ver- band europäischer Freilichtmuseen 1982, 100). Deshalb ist es wich- tig, dem Publikum zu verdeutlichen, dass historische Realität nicht reproduzierbar ist und es sich bei den Vorführungen nur um Interpretationen der Vergangenheit handelt.

Museumsfeste Die Veranstaltungskalender vieler Freilichtmuseen führen in Museum und/oder der Hochsaison unzählige Veranstaltungen an, wie Maibaumauf- Freizeitpark? stellen, Museumskirtag, Muttertagskonzert und Ostereier suchen Der alljährliche Besuch des mit dem Osterhasen. Feste sind also ein fixer Bestandteil des Mu- Osterhasen im Salzburger seumsalltags und finden in einer Häufigkeit statt, wie dies vor 100 Freilichtmuseum erfreut sich oder 200 Jahren nicht üblich war. Die amerikanische Anthropolo- bei den jungen Museumsbesu- gin Barbara Kirschenblatt-Gimblett kritisiert in diesem Zusam- chern großer Beliebtheit menhang, dass die vielen Museumsfeste die Realität einer meist schwer arbeitenden Gesellschaft verzerren und eine ständig fei- ernde Gesellschaft wieder geben „To festivalize culture is to make everyday a holiday” (Kirschenblatt-Gimblett 1990, 420). Die Dokumentation von Bräuchen ist Teil der Darstellung historischen Alltagslebens im Freilichtmuseum. Umstritten ist al- lerdings, ob auch die Brauchpflege durch Heimatgruppen und Vereine im Museum Platz finden soll, deshalb fordert Konrad Köstlin eine Reflexion im Umgang mit Tracht und Brauch im Mu- seum: „Über die scheinbare Selbstverständlichkeit, dass das Freilicht- museum der angemessene Rahmen für die Volkstanzgruppe sei, sollte 9 mehr nachgedacht werden“ (Köstlin 1985, 65). TIPP:

Fest der Oberösterreichischen Freilichtmuseen Sonntag, 6. Mai 2012

Wissenschaft vs. m 6. Mai 2012 findet das Fest der Oberösterreichischen Besucherorientierung? AFreilichtmuseen statt, bei dem keine Wünsche der Besucher offen bleiben: Die Anzenaumühle in Bad Goisern lädt zum Brotbacken mit Goise- Freilichtmuseen erfüllen nicht nur die gän- rer Schmankerln und zur Schnapsverkostung ein, im Brunnbauerhof in An- gigen Museumsaufgaben, sie sind als beliebte dorf werden neben Volksmusik in der Bauernstube regionale Spezialitä- Ausflugsziele auch Teil der Freizeitkultur und ten angeboten. Das Färbermuseum in Gutau organisiert ab 8.30 Uhr den weisen deutlich höhere Besucherzahlen auf als 12. Gutauer Färbermarkt, außerdem stehen musikalische Schmankerl, andere kulturhistorische Museen. „Ihre Popula- Volkstanz und eine Modenschau auf dem Programm. In der Sensenschmie- rität macht sie verdächtig!“ meint der Direktor de Schmiedleithen in Leonstein werden die Besucher am Raritätenpflan- des Niedersächsischen Museumsdorfes Clop- zenmarkt staunen und in der Sensenschmiede Geyerhammer in Scharn- penburg, Uwe Meiners (2004, 473), denn bei stein wird um 18 Uhr die Sonderausstellung ‚Holzknechte anno dazumal‘ kaum einem anderen Museumstyp liegt die Grenze zwischen Museum und Erholungsort, eröffnet. Die Katzensteinermühle in Weyer nimmt ihr Mahlwerk in Betrieb, zwischen Bildungsinstitution und Vergnü- zeigt Vorführungen am Spinnrad und veranstaltet einen Malwettbewerb gungspark, so nahe, wie beim Freilichtmuse- für Kinder. Der Mittermayrhof in Pelmberg bei Hellmonsödt organisiert um. Wie kann sich nun das Freilichtmuseum einen Handwerksmarkt und präsentiert altes Spielzeug, außerdem wird die nach den Bedürfnissen der Besucher nach Er- Ausstellung ‚Häuslleut und Tawera‘ eröffnet. Zur Vervollständigung der holung, Unterhaltung und Harmonie richten Museumslandschaft beim Steinbrecherhaus in Perg wird nach entsprechen- ohne dabei seine wissenschaftlichen An- den Vorbildern über dem Erdkeller eine Hütte gebaut und das Rauchhaus in sprüche zu vernachlässigen? Monika Kania Modsee steht ganz im Zeichen der Volksmusik. Der Unterkargererhof in Au- Schütz verdeutlicht in ihrem Beitrag anhand an- berg richtet eine Mostkost aus und das Freilichtmuseum Keltendorf Mitter- schaulicher Beispiele, dass sich Freilichtmu- kirchen bietet einen Tanzworkshop am Dorfplatz und Bogenschießen an. seen keineswegs zwischen Besucherorientie- rung und Wissenschaftlichkeit entscheiden Details zum Programm: www.freilichtmuseen.at müssen und dass die Popularität des Freilicht- museums durchaus mit den zentralen Mu- seumsaufgaben und Zielen vereinbar ist (ab S. 56).

Alte Gebäude – neue Konzepte Der Zeitzustand, auf den das Haus mit sei- nem Umfeld rekonstruiert wird, ist ein zentra- ler Aspekt beim Wiederaufbau der Gebäude im Museum. Wählt man einen möglichst alten Zu- stand oder den, in dem man das Gebäude vor- gefunden und abgetragen hat, oder einen Zeit- punkt dazwischen? Zur Gründungszeit vieler Freilichtmuseen versuchte man meist noch, den ältesten Zustand eines Hauses zu rekon- struieren, so wurde etwa der Gasherd aus dem Gebäude ausgebaut und ein alter Rauchherd wieder eingesetzt. In vielen Museumshäusern endet daher die Geschichtsdarstellung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Rekonstruieren des Erbauungszustandes des Gebäudes und

Mittermayrhof in Pelmberg bei Hellmonsödt (Foto: Verbund Oberösterreichischer Museen)

10 Thema: Freilichtmuseen

damit das Rückgängig machen der am Haus im seen mit den stetig wachsenden Sammlungen Laufe der Jahre vorgenommenen Veränderungen umgehen und wo die Museen aufgrund der be- beeinträchtigt den Quellenwert des Gebäudes, schränkten räumlichen, finanziellen und per- wertvolle Stufen der Umgestaltung und wichtige sonellen Kapazitäten an ihre Grenzen stoßen. In Dokumente historischer Prozesse, die das Haus einigen der angeführten Museen wurde bereits einzigartig machen, gehen verloren. Inwieweit Pionierarbeit geleistet, etwa durch zukunftsori- lassen sich nun die Veränderungen der Wohnfor- entierte Sammlungs- und Darstellungskonzepte, men und die Individualgeschichte des Hauses am fruchtbare Kooperationen, neue Forschungsvor- besten museal umsetzen? Wie finden auch die haben und innovative Transferierungs- und jüngere Vergangenheit oder sogar aktuelle und Konservierungsmaßnahmen. Die Beispiele zei- zukünftige Themen den Weg ins Freilichtmuse- gen deutlich, dass die traditionellen Freilichtmu- um? In einigen Museen werden bereits jüngere seumsaufgaben in den letzten Jahren durch die und aktuelle Wohnsituationen dargestellt. Das Darstellung neuer Themen und Präsentationsfor- walisische Open Air Museum in Saint Fagans men erweitert wurden und wie sich durch inno- geht mit der Präsentation eines House for the Fu- vative Ideen erfolgreich ein Brückenschlag zwi- ture im möglichen Stile des Jahres 2038 sogar schen Vergangenheit und Gegenwart herstellen noch einen Schritt weiter. lässt. Allerdings warten auf die Freilichtmuseen Das Schweizerische Freilichtmuseum Ballen- in den nächsten Jahren noch zahlreiche Heraus- berg entwickelte mit der Revitalisierung eines forderungen, denn wie Sten Rentzhog resümiert: 400 Jahre alten Bauernhauses ein sehr innovatives „Never since the days of Hazelius* have there been so Konzept, das mittlerweile weit über die Schwei- many dangers, and so many opportunities. It is time zer Grenzen hinaus bekannt ist. Das Gebäude for high flown visions and daring creativity. There is wurde teilweise umgebaut und mit allem zeit- so much left to do!” (Rentzhog 2007, 115). genössischen Komfort ausgestattet. Die Ausstel- lung dieses zum Teil alten, zum Teil höchst mo- *Anmerkung: dernen Gebäudes soll Arthur Hazelius gründete 1891 das erste Freilichtmuseum in Skansen bei Stockholm. zeigen, wie sich unsere heutigen Wohnanforde- Text: Mag. Eva Reinecker, Museumsbund Österreich rungen mit einem vier Welserstraße 20 Jahrhunderte alten Haus 4060 Leonding vereinbaren lassen, wel- www.museumsbund.at ches spezifische hand- Fotos: E. Reinecker werkliche Können für den Umgang mit alter Bau- Literatur: Heidrich H. 2007: Freilichtmuseen im Spannungsfeld von Wissen- substanz nötig ist und schaft, Kommerzialisierung und Freizeitkultur. In: Tagungsbericht welcher Aufwand mit ei- 2005. 22. Tagung des Verbandes der europäischen Freilichtmuseen, nem solchen Umbau ver- Helsinki, 126-134. bunden ist. Edwin Huwyler Kirschenblatt-Gimblett B. 1990: Objects of Ethnography. In: stellt dieses beispielhafte Karp I./Lavine St. D. (Hg.), Exhibiting Cultures. The Poetics and Politics of Museum Display, Washington, London, 386-443. und hoch interessante Köstlin K. 1985: Freilichtmuseums-Folklore. In: Ottenjann H. (Hg.), Projekt in seinem Beitrag Kulturgeschichte und Sozialgeschichte im Freilichtmuseum. Histori- vor (ab S. 63). sche Realität und Konstruktion des Geschichtlichen in historischen Musen. Referate der 6. Arbeitstagung der Arbeitsgruppe „Kul- Perspektiven turhistorische Museen“ im Museumsdorf Cloppenburg, Cloppen- burg, 55-70. Im vorliegenden Heft Meiners U. 2004: „Event zieht – Inhalt bindet“. Überlegungen zur Freilichtmuseumsperspektive. In: May H./Kreilinger K. (Hg.), Alles soll neben der geschichtli- unter einem Dach. Häuser – Menschen – Dinge. Festschrift für chen Entwicklung vor Konrad Bedal zum 60. Geburtstag, Bad Windsheim, 473-480. allem der aktuelle Stand Rentzhog St. 2007: Challenges and Opportunities of a changing sowie Zukunftsperspekti- future. In: Tagungsbericht 2005. 22. Tagung des Verbandes der ven der Freilichtmuseen europäischen Freilichtmuseen, Helsinki, 107-116. behandelt werden. In den Rentzhog St. 2007: Open air museums. The history and future of a visionary idea, Carlssons, Jamlti, Östersund. folgenden Beiträgen er- Verband europäischer Freilichtmuseen (Hg.) 1984: ICOM-Dekla- fahren wir, wie die unter- ration, neu verfasst bei der Tagung der europäischen Freilicht- schiedlichen Freilichtmu- museen in Ungarn 1982, Szentendre. 11 Im klassischen Gefüge der Museen nehmen die Freilichtmuseen weltweit eine Sonderstellung ein, die nicht zuletzt auf die Tatsa- che zurückzuführen ist, dass sie eigenen Gesetzmäßigkeiten bei der Sammlung und Erhaltung ihrer primären Objekte, Gebäude und Hof-Ensembles samt deren Inventar, aber auch bei der ganzheitlichen Darstellung der bildhaften Ansammlung einer Vielzahl von Einzelexponaten unterliegen. Daraus entwickeln sich in Österreich zwei fast konträre Wahrnehmungsebenen. Museen unter freiem Himmel. Über Geschichte und Zukunft einer visionären Idee in Österreich

Egbert Pöttler

ährend für die primären historischen und wis- Rhamm, Rudolf Besucher das Er- senschaftlichen Wert dieser Virchov, Gustav Wlebnis einer Be- Sammlungen mitunter in den Bancalari, Rudolf gegnung mit einer gleichsam übermächtigen Schatten kom- Meringer, Michael begehbaren Geschichtsprä- merzieller Freizeiteinrichtun- Haberlandt und Vik- sentation ihres Landes als gen zurücktreten, wenngleich tor v. Geramb maß- überaus anregend, erholsam die Geschichte ihrer Entwick- geblich vorangetrie- aber auch lehrreich empfun- lung überzeugend anderes ben wurde. Das den wird, was die hohen Be- belegt. historische Bauern- suchszahlen in Relation zu haus und sein Inven- Lage, finanzieller Ausstattung Bäuerliche Kultur als tar werden zum Forschungsob- jekt und als Kulturdenkmal in und touristischer Präsenz bele- Forschungsfeld gen, wird die museale Bedeu- der Folge auch zum Inhalt mu- tung und Aufgabenstellung Im Jahr 1855 fand in Ulm sealen Interesses. Dabei stellen dieses Typus der kulturhistori- die Tagung der Deutschen Ge- die historischen Zeugnisse schen Museen nach wie vor schichts- und Altertumsvereine der Volksarchitektur nicht nicht gleichrangig mit klassi- statt, in deren Rahmen Georg nur ihren Wert als über Jahr- schen musealen Institutionen Landau erstmals die Erfor- hunderte bestehende histori- eingestuft. Die ,Freiheit‘ unter schung des ,Bauernhofes‘ als sche Baudenkmäler an sich dem im Idealfall blauen Him- unverzichtbare Quelle zur Er- dar, sondern erlauben durch mel, der freizeitartige Charak- forschung der Geschichte des ihre grundlegende Funktiona- ter der Besichtigung mit über Jahrhunderte wohl größ- lität als Basis eines Überlebens- großem Erholungswert, aber ten Prozentsatzes der Bevölke- kampfes mit der Natur, den zu auch die heute durch rung, der ländlichen, einfor- berücksichtigenden topogra- Sehnsüchte einer hoch techno- derte. Er initiierte damit den fisch-klimatischen Herausfor- logisierten Zeit provozierte ro- Beginn der historischen Haus- derungen oder den sozialen mantisierende Wahrnehmung forschung, die für den deutsch- und politischen Abhängigkei- des Gesamtbildes, lassen in sprachigen Raum u.a. durch ten, aber auch den geringen der Kulturlandschaft den Wilhelm Heinrich Riehl, Karl materialtechnischen und hand- 12 Das Österreichische Freilichtmuseum Stübing (bei Graz) lädt in einem naturbelassenen Tal ein zu einer Wanderung durch die historischen Hauslandschaften aller Bundesländer (Foto: Reinhart Nunner)

(Kleinregion) Kategorien un- terteilt. Zusätzlich entwickeln sich unterschiedliche Grund- prinzipien, wie beispielsweise jenes der ,ecomus’ees‘ im roma- nischen Kulturraum. Auch er- weitern sich die Inhalte, die nunmehr neben der ländlichen auch städtische und industriel- le Baudenkmale mit einbezie- hen. Archäologische Einrich- tungen bedienen sich ebenfalls dieser Bezeichnung. Von der Vision zur Innovation Die heute sehr wissenschaft- lich-funktionale Ausrichtung hat sich langsam über die nun schon über 120-jährige Ge- schichte der Freilichtmuseen entwickelt. Die Idee zur Gestal- tung einer vollkommen neuen Form eines kulturhistorischen Museums unter freiem Himmel war ursprünglich zutiefst getra- werklichen Möglichkeiten, maßen konservatorischen wie gen von romantischem Gedan- wissenschaftlich verifizierbare auch wissenschaftlichen und edu- kengut und der Erkenntnis, dass Rückschlüsse auf das immate- kativen Zwecken. Mit der für sie im Zuge der wachsenden Indu- rielle Kulturerbe der durch sie einzigartigen Form der ganzheitli- strialisierung des ausgehenden materialisierten Lebens-, Ar- chen Darstellungsweise streben 19. Jahrhunderts und der damit beits- und Wirtschaftsformen. die Freilichtmuseen ein historisch verbundenen Abwanderung aus Dies ist nicht zuletzt der möglichst authentisches Bild von den ländlichen Gebieten, das Grund dafür, dass die Associa- den örtlichen und funktionalen Weiterbestehen dieses funda- tion of European Open Air Mu- Beziehungen der Museumsobjekte mentalen Bereiches der mensch- seums (AEOM), eine Teilorgani- zueinander, zu ihrem jeweiligen lichen Kultur gefährdet wird und sation des International Council natürlichen und kulturellen Um- daher des musealen Schutzes zu of Museums (ICOM), Freilicht- feld aber auch zu ihren Bewoh- seiner Bewahrung und Doku- museen wie folgt definiert: nern an.“ (vgl.: mentation bedarf. Der Gedanke, „Freilichtmuseen sind wissen- http://aeom.org/de/?Freilicht Zeugen einer entschwinden- schaftlich geplante und geführte museen:Definition). Dabei den bäuerlichen Kultur durch ganzheitliche Darstellungen der werden Freilichtmuseen nach die Translozierung ganzer Siedlungs-, Bau-, Wohn- und ihren Einzugsgebieten in zen- Gehöfte in einem zum Mu- Wirtschaftsformen unter freiem trale (Staatsgebiet), regionale seumsgelände erklärten ge- Himmel. Sie dienen gleicher- (Bundesland) bzw. lokale schlossenen Areal für die Nach- 13 welt zu bewahren, wurde auf der Basis einer wissenschaftlichen Planung erst- mals 1891 durch den schwedischen Phi- lologen Artur Hazelius mit ,Skansen‘ in Stockholm realisiert, der damit ein leben- diges Bild des volkskulturellen Erbes des gesamten Landes erhalten wollte. Im Gefolge dieser Gründung entste- hen zunächst in Skandinavien rasch weitere nationale Gründungen. Bis 1930 folgen Freilichtmuseen in Europa und den USA. In Mitteleuropa werden Grün- dungen durch die Auswirkungen zweier Historische Szene, Schwedisches Freilichtmuseum Skansen Weltkriege verhindert, nach deren Ende sich die weltweite Verbreitung der Frei- lichtmuseen bis nach Japan und Australi- en beobachten lässt.

Österreichs beharrlicher Weg Die Tatsache, dass ein gesamtöster- reichisches zentrales Freilichtmuseum erst im Jahre 1962 gegründet wurde, könnte zur falschen Annahme verleiten, es wäre in Österreich kein Interesse an dieser revolutionären Form der Kultur- Das erste translozierte Museumsobjekt (,Bodnerhof’) auf dem Kla- genfurter Kreuzberg gilt als Beginn der Freilichtmuseen in Österreich bewahrung entstanden. Nur zwölf Jahre nach der Eröffnung von Skansen sind erste Bemühungen zur Gründung eines regionalen Frei- lichtmuseums in Eger (1903) belegt. 1908 empfahl der Grazer Indogermanist Ru- dolf Meringer erstmals die Errichtung eines Freilichtmuseums im Grazer Leechwald. Der Wettlauf um das zentrale Freilichtmuseum Österreichs war damit eröffnet. 1910 legte der Architekt Hans Wolfsgruber einen Plan für ein gesamt- österreichisches Freilichtmuseum auf dem Linzer Freinberg vor und unter- nahm einen zweiten Versuch für den Wiener Kahlenberg. Ein zentrales Frei- lichtmuseum der k.u.k. Monarchie hätte wohl eine einzigartige Vielfalt der Volks- architektur zu dokumentieren vermocht, wäre aber in Folge der politischen Verän- derungen zum Scheitern verurteilt gewe- sen. 1911 griff Meringers Schüler Viktor v. Geramb dessen Idee erneut auf und startete damit den ersten seiner insge- samt vier Versuche zur Gründung eines zentralen Freilichtmuseums in der Steier- mark. Julius Leisching hingegen griff 1914 Wolfgrubers Plan für Wien erneut auf und dieser wurde im Wiener Gemeinde- Blick über das Museum Tiroler Bauernhöfe in Kramsach

14 Thema: Freilichtmuseen

Saisonbeginn 2012 – www.stuebing.at rat ohne Beschluss diskutiert. lichtmuseum in Maria Saal die Idee seines Lehrers an die In der Bundeshauptstadt ge- seinen endgültigen Standort. Generation seiner Studenten scheitert, brachte Leisching 1955 befasste sich der Verein weiterzugeben vermochte. Anregungen für Salzburg und für Volkskunde über Initiative Hanns Koren als späterer Innsbruck ins Gespräch. Be- des namhaften Wissenschaft- Kulturlandesrat und Viktor achtenswert bleibt auch die lers Leopold Schmidt Planung für ein Freiluftmuse- ausführlich mit der um in Czernowitz. Errichtung eines 1910 legte