CDU Bickenbach aktuell Information zum „Hof Hartenau“ anlässlich des Traditionellen Abendspaziergang am 4. Mai 2012

Die Geschichte des Hofes Hartenau

- Wildhube im Forstbann Forehahi - Hofgut der Herren von Bickenbach – später der Herren von Hartenau - 1782 eigenes Dorf – seit 1823 zu Bickenbach

von Rudolf Kunz

Auszug aus: Wochenanzeiger – Lokalnachrichten aus dem Landkreis Darmstädter Echo – Donnerstag, 16. Mai 1968

Die meisten Leser werden nicht wissen, wo das Urteil bedeutender Forscher wie Kofler und Hartenau liegt, noch weniger Leser werden Schumacher, nördlich Hartenau sei die Römer jemals dort gewesen sein. Seit 150 Jahren ge straße vorbeigelaufen. Die hört das ehehemalige Hofgut, später Dörfchen, Ausgrabungen der vorgeschichtlichen Arbeits zur Gemarkung Bickenbach. Ein alter Neckar gemeinschaft in den letzten Wochen haben lauf, seit Menschengedenken Schiffslache ge gezeigt, dass die Römerstraße 250 m südlich nannt, umschließt von drei Seiten das Harte des Heidendammes die Schiffslache überquert nauer Feld. Nur nach Osten, in Richtung des und ihre Richtung auf den Sandhügel bei Har neuen Baggersees, ist der Zugang offen. Im tenau genommen hat. Auf diesem Sandhügel Westen grenzt Hartenau mit dem Heidendamm könnte ein römischer Wachtturm gestanden an die Gemarkung Allmendfeld (Neuhof), im haben. Vermutlich wurde damals auch schon Norden an die Gemarkung und im ein römisches Landgut (villa rustica) hier be Süden an die Gemarkung Hähnlein. wirtschaftet.

Die Römer haben mit einem Netz von Gutshö Die Spuren der Römer fen das ganze Land überzogen. Leider sind in unserer näheren Umgebung noch keine römi Die Geschichte der großen Höfe im Ried ist schen Gutshöfe aufgedeckt und freigelegt wor noch nicht geschrieben. Sie sind in der Regel den. Wir müssen sie auch am Weilerhügel in alle sehr alt. Der Hof Hartenau dürfte zur Rö der Flur „Steinmauer“ (Pfungstadt) und der Flur merzeit schon bestanden haben. Das bewei „Spitze Hart“ im Süden der Alsbacher Gemar sen die vielen römischen Funde, die im Laufe kung vermuten. der Zeit hier gemacht worden sind.

Schon vor hundert Jahren wurden auf dem Die Franken "Sandbuckel" (heute Akazienwäldchen) römi sche Gefäße geborgen. Lehrer Horn hatte eine Als die Franken Herren unserer Heimat wur römische Münze, die dort gefunden wurde, in den, fanden sie weite, herrenlose Wälder vor. Besitz. Zurzeit wird sie von Fachleuten unter Sie standen den Bewohnern gewisse Wald sucht, die sie genau datieren wollen. Sie rechte zu (Holzschlag, Waldweide), bannten stammt wohl aus dem 2. Jahrhundert nach aber das Gebiet, beanspruchten das Jagdrecht Christi Geburt. und behielten sich weitere Rodungen vor.

1934 ist der Arbeitsdienst beim Ziehen von Im Raum zwischen Rhein, Main und Necker Gräben auf Spuren einer ausgedehnten römi lagen drei Bannforste, in denen allein der Kö schen Siedlung gestoßen. Grabungen wurden nig die Oberhoheit und das Jagdrecht hatte: damals nicht vorgenommen, nähere Angaben , Dreieich und Forehahi. Letzterer fehlen. Bisher hat man gemeint, gestützt auf erstreckte sich vom Neckar bis zur ;

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Rhein und Bergstraße bildeten die Grenze in Jahre 1641 erhalten (Lorscher Zinsbuch): „Ich, Ost und West. Der Bannforst Forehahi trug Konrad, Herr von Bickenbach, und Jutta, mein auch den Namen „Wildbann im Bruch“. In sei eheliche Hausfrau, haben bedacht, dass da nem Bereich lagen viele feuchte Auenwälder nichts Gewissers ist dann der Tod und nichts mit Elchen, Hirschen, Wildschweinen, Bären Ungewissers dann die Zeit des Todes und ha und Bibern. 24 Wildhübner (Förster) wachten ben das Halbteil unsers Hofs zu Hartenau mit darüber, dass die Rechte des Königs im Forst seiner Zugehörung gegeben den ehrbaren Hl. geachtet wurden. Ihre Huben umfassten die Jungfrauen des Heiligenberg zu Jugenheim um gleichen Gebäude wie ein Hofgut, daneben das Heilwillen unserer Seelen, unserer Kinder hatten sie öfters Hundehäuser und Ställe, wo und Alten (Eltern), ihn ewiglich zu besitzen “. Pferde und Hunde der Jagdgesellschaft Unter kunft finden konnten. Sie waren also Vorläufer 1641 umfasst das halbe Hofgut noch 36 Mor der Jagdschlösse des ausgehenden Mittelal gen. An Pacht erhält das Kloster (als ters und des 18. Jahrhunderts. Nachfolger des Nonnenklosters auf dem Heili genberg) jährlich die geringe Abgabe von 1 Die Wildhübner, meist dem niederen Adel ent Malter Korn, 1 Malter Magsamen (Mohn) und 4 nommen, genossen viele Freiheiten und Son Erntehühner. derrecht. Dafür hatten sie den Wald zu hüten und den Wilddieben zu wehren. Barbarische Strafen wurden gegen die Übertreter der Ge Lehnen setze verhängt. Den Fallenstellern hieb man die rechte Hand ab, den Schlingenlegern den Die Herren von Bickenbach scheinen den Hof, rechten Daumen. Wer mit Feuer den Wald be der ihnen verbleiben war, bald darauf einem drohte (Aschenbrennen, Brandrodung) „den niederen Adelsgeschlecht, das vielleicht aus soll man nehmen und soll ihn in eine Wanne einer WildhübnerFamilie hervorgegangen ist, binden und soll ihn setzen gegen ein Feuer, da als Lehen übergeben zu haben: Die neuen Ei sollen 1 Fuder Holz an sein, und soll ihn setzen gentümer nennen sich „Herren von Hartenau“. 9 Schuh von dem Feuer barfuß und soll in las sen sitzen, bis ihm die Sohlen von den Füßen Als erster des Geschlechts erscheint urkund (nicht von den Schuhen) fallen“, heißt es im lich 1347 Hermann von Hardenauwe. Schon Weistum von 1423. 1542 stirbt die Familie mit Hans von Hartenau aus. In ihrem Wappen tragen sie drei Kleeblät 1423 ist die Wildhube Hartenau noch genannt. ter. Eine Stammtafel dieser Familie hat Walther Benachbarte Wildhuben des gleichen Wild Möller entworfen. Wir geben sie mit einer klei banns lagen in Griesheim, Seeheim, Franken nen Verbesserung wieder. feld (Allmendfeld), GroßHausen, Gernsheim und Auerbach. Neben der Wildhube hat ver Die Edlen von Hartenau hatten auch geringen mutlich seit der Römerzeit an ein großes Land Besitz in Seeheim, Jugenheim, Bickenbach, gut in Hartenau bestanden. Alsbach, Bensheim und Zwingenberg. Sie wa ren Vasallen, genauer gesagt Burgmannen der Als die Herren von Bickenbach in diesem Rau Herren von Bickenbach (Alsbacher Schloss), me Fuß fassten, scheinen sie auch das Harte später der Schenken von Erbach. Als 1504 das nauer Gut erhalten zu haben. Amt Bickenbach an Hessen fiel, erhielten sie von da ab ihr Lehen von den Landgrafen von 1264 schenkten Konrad II. von Bickenbach Hessen. (der Minnesänger) und seine Gemahlin Guda von Falkenstein die Hälfte ihres Hofes zu Har Schon zu Ende des 13. Jahrhunderts waren tenau dem Nonnenkloster auf dem Heiligen sie mit einem Hof in Bensheim belehnt. Der berg bei Jugenheim. Der Wortlaut der Schen Wohnsitz in dem sumpfigen Hartenau scheint kungsurkunde ist in einer Abschrift aus dem ihnen nicht zugesagt zu haben. 1434 zieht das

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Geschlecht nach Zwingenberg. In der dortigen gaben ersetzen, die sie sie zur Verbesserung Kirche hat die Familie den Altar zu den Heili des Hofes „kundlich verbaut hätten“. gen Drei Königen gestiftet, ein Jahr später jähr lich 3 Pfund Heller zur Unterhaltung eines ewi 1477 werden Streitigkeiten zwischen Hans von gen Lichtes. Walbrunn und dem Pächter Contz Kaspar ge meldet. Der Erbpächter hatte anscheinend sei Alle Mitglieder Familie sind von ab in der Zwin ne Pacht nicht pünktlich bezahlt und wurde genberger Kirche begraben, als letzter Hans deswegen gepfändet. Man einigte sich schließ IV. von Hartenau († 1532) mit seiner Gemahlin lich, als der Pächter auf den Hof für sich und Kunigunde, geb. Kalb von , († 1554). seine Erben verzichtete.

Der Hof Hartenau hat bald mehrere Besitzer. Weitere Namen von Pächtern liefern uns die Die Töchter des Geschlechts erhalten ihren Gerichtsbücher und Kirchenbücher. Wir nen Anteil und bringen ihn in die Familien Walbrunn nen kurz ihre Namen, weil Nachkommen von zu Ernsthofen, von Rupershofen, von Ruckers ihnen noch in der Umgebung wohnen: 1566 hausen, Feyßer und Stoltz von Böckelheim ein. Georg Rübel, 1585 Wentz Hammann, 1607 Heinrich Hans Zimmermann, 1617 Hans Stoltz, Um 1475 ist der Hof anscheinend ganz im Be 1628 Georg Anßheimer, 1657 Johann Ahl (aus sitz des Hans von Walbrunn zu Ernsthofen. Arheilgen), 1669 Hans Krail, 1673 Hans Dörr, 1545 werden die Herren von Walbrunn von 1678 Jakob Knieß, 1681 Hans Narder dem Landgrafen von Hessen mit dem Hof be (Appenzell/Schweiz), 1707 Jakob Hamm, 1720 lehnt. Sie verkaufen ihn 1722 endgültig an Liborius Wald, 1726 Joh. Phil. Zeißler, 1747 Hessen. Darauf kommen wir noch zurück. Dieter Schneider, 1753 Adam Zehfuß, 1756 Jakob Wedel. 1761 Thomas Rückert, 1766 Pe ter Rückert, 1773 Konrad Flauaus, 1772 Joh. Pächter des Hofes Reinhard Götz, 1779 Joh. Philipp Götz.

Keines dieser niederen Adelsgeschlechter hat den Hof Hartenau selbst bewirtschaftet. Schon An Hessen aus dem Jahre 1430 besitzen wir einen Erbbe standsbrief. Landgraf Ernst Ludwig führte in Hessen Darmstadt die ParforceJagd ein. In Bicken Der Hof wird in Erbleihe an H. Kaspar und sei bach beabsichtigte er, ein Jagdschloss zu bau ne Ehefrau Katharina verleihen, um einen jähr en. Es war ihm ein Dorn im Auge, dass Harte lichen Zins von 6 Gulden und hundert hölzerne nau samt Jagdberechtigung nicht in seiner Schüsseln „Husung und Hof zu Hartenau mit Hand war. 1722 erreichte er es, dass der Besit Gericht, Wald, Wasser, Weide, Wiesen, Äckern zer, der hessische Rat und Oberamtmann Jo und allen Zugehörungen“ sollen nach dem Tod hann Moritz Friedrich von Waldbrunn, den Hof der Pächter an ihre nächsten Erben fallen. Die zu Hartenau mit allen Rechten an ihn für 20 adligen Besitzer behalten sich jedoch vor, falls 000 Gulden verkaufte. Zum Hof gehörten da sie in Zwingenberg bauen sollten, einen oder mals 168 Morgen Ackerland, 114 Morgen Wie zwei Wagen Holz unentgeltlich zu hauen. Wei sen und 31 Morgen Eichwald. Mit dem Kauf ter behalten sie das Recht, jährlich ein oder ging auch das Recht der „Kleinen Jagd“ an den zwei Stück Vieh „gen Hartenau zu schlagen“, Landgrafen über. d. h. auf der Weide zu mästen „und nit dar über“. Eines darf der Erbpächter jedoch nicht: Landgraf Ludwig IX. schaffte nach dem Tode er darf kein Holz verkaufen oder hinwegführen. seines Vaters (1768) die Parforcejagd ab. Die Die Besitzer behalten sich auch vor, gelegent Bauern wurden wieder ihres Lebens froh. Der lich den Hof wieder selbst zu bebauen. In die unerträgliche Wildschaden wurde auf ein nor sem Falle sollen sie den Pächtern alle Bauaus males Maß reduziert. Die Regierung gab sich

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Mühe, den Wohlstand zu heben. 1782 beab Müller aus Darmstadt. Letzterer lässt diesen sichtigte sie, wie wir aus den Forschungen des Teil des Hofes parzellieren und veräußert die Bickenbacher Hauptlehrers Ahl wissen, zwi Stücke einzeln an Landwirte aus Alsbach, Bi schen Pfungstadt und Hartenau ein kleines ckenbach, Hähnlein und Pfungstadt. Der stän Dorf anzulegen. dige Wechsel des Besitzes in diesen Jahren ist dem Hof Hartenau nicht zu bekommen. Als Pfungstadt sich weigerte, die neue Kolonie in seinen Gemeindeverband aufzunehmen ent Zurzeit (1968) hat Hartenau drei Bauernhöfe. schloss man sich, den Hof Hartenau zum Kern Die Besitzer heißen: Koppert, Schüttler und dieser neuen Siedlung zu machen. Durch ei Schaaf. nen Erlass vom 7. August 1782, ausgefertigt in Pirmasens, wurde der Hof in ein Dörfchen um gewandelt und an 6 Gemeindesleute erb und Graf von Hartenau eigentümlich übergeben. Außerdem Zehnten waren jährlich 600 Gulden zu entrichten. Auf eine seltsame Weise ist der Name Harte nau vor fast hundert Jahren in den Schlagzei Die Namen der sechs Kolonisten lauten: Lud len der Presse erschienen. Der zweite Sohn wig Weidner und Johann Weidner aus Bicken des Prinzen Alexander von Hessen und der bach. Michael Krauß und Daniel Krauß aus Julie Gräfin von Hauke, wie der Vater Alexan GroßRohrheim, Philipp Götz aus Hähnlein und der genannt, Patenkind und Schützling des Jakob Bernet aus Jugenheim. Die neuen Be Zaren, bestieg 1879 nach dem Abschütteln des wohner werden nach Bickenbach eingepfarrt türkischen Joches als erster Fürst den Thron und erhalten dort auch Schule und Gericht. von Bulgarien. 1886 musste er, von den Rus sen schmählich hintergangen, die Krone nie 1823 wird Hartenau als besondere Gemarkung derlegen. an die Bürgermeisterei Bickenbach ange schlossen. Wohl erhält Hartenau 1823 sogar Als Bismarck verhinderte, dass er sich mit der eine eigene Schule (1853 eingegangen), aber Schwester Wilhelms II. (Viktoria) verehelichte, das Dorf wächst nicht. heiratete er 1889 in Graz die Kammersängerin Johanna Loisinger, entsagte seinen Titeln und Für die alten Besiedler, die bis 1826 alle wie nahm den Namen eines Grafen von Hartenau der weggezogen waren, kommen neue. 1836 an, den seine Nachkommen noch tragen. heißen die sechs Familienväter: Peter Weid Kaum ein Leser der Weltpresse wusste da ner, Adam Neeb, Valentin Krauß, Daniel Neeb, mals, wo Hartenau lag.  Ludwig Koch und Adam Lautenschläger (aus Brandau).

Die letzten drei verkauften 1836 ihre Teile am Hofgut, 150 Morgen, an die Großherzogin Wil helmine. Schon 1853 geht dieses Stück an Philipp Artaria, Mannheim, über. Noch im glei chen Jahr übernimmt der Pächter Martin Kop pert aus Rohrbach bei Heidelbach diesen An teil. Später wird dieses Gut teils verteilt, teils verkauft.

Die andere Hälfte des ehemaligen Hofgutes erwirbt 1855 Martin Krauß aus Ladenburg für 27 000 Gulden, gibt es 1856 an Ernst Bender aus Frankfurt und dieser 1862 an Johannes