Das duale System

Joy Denalane und – drei Popalben, zwei Söhne, eine Ehe. Wie geht das?

VON FIONA EHLERS FOTOS: OLAF HEINE

20 9/2004 KulturSPIEGEL , SÄNGERIN

eit jenem Sommer vor fünf Jahren trägt Joy Denalane, 31, einen vergilbten Fotostrei- Sfen mit sich herum. Behutsam zieht sie ihn aus ihrem Portemonnaie, legt ihn vor sich auf den Tisch in einem Berliner Café. Es ist August 2004, das Kindermädchen übernimmt für zwei Stunden. Zeit, durch die Vergangenheit zu tauchen, zu er- innern, wie sie damals begann, die schöne Ge- schichte von Joy und Max. Vier schwarz-weiße Fotos aus dem Passbild- automaten, ein Paar mit dunklen Locken kuschelt sich vor die Linse, er dicht hinter ihr, beide lächeln wie verstrahlt vor Glück. „Es war noch nichts passiert“, sagt Joy, „nur ein erster Kuss.“ Dennoch glaubte sie schon damals, ihn zu kennen: „Er ist der Richtige.“ Joy Denalane wusste es seit jenem Tag, als Max Herre seinen dunkelblauen Saab 900, den sie spä- ter zu Schrott fahren sollte, im absoluten Halte- verbot parkte. Joy wartete in der Bar eines Hotels in Stuttgarts Fußgängerzone und beobachtete ihn vom Fenster aus. Es war ein stürmisches Ken- nenlernen, geplant als ein Treffen ohne Folgen: Sie hatte einen Freund; wie es schien, war Max nur an ihrer Stimme interessiert. Ein Arbeitstref- fen: Max hatte einen Song geschrieben, ein Duett in deutscher Sprache. „Mit Dir“ sollte es heißen und von beginnender Liebe handeln. Joy, damals 25 Jahre alt und seit sechs Jahren Sän- gerin, war auf der Suche nach einer eigenen Stim- me. Sie wollte „raus aus der Euro-Trash- und To- tal-Pop-Schiene“, in die sie ihr erster Platten- vertrag gezwungen hatte. Sie wollte endlich auf offene Ohren stoßen, jenseits von , wo sie Einzelkämpferin war, die Konkurrenz hart und das Angebot überreichlich. Die Richtung war klar, Joy wollte Soulmusik machen. Stattdessen tin-

KulturSPIEGEL 9/2004 21 gelte sie durch die deutsche Musikprovinz. Sie kannte Max, den Rapper der Stuttgarter Hip- Hop-Crew , aus seinen Videos im Fernsehen, seine Songs „Anna“ und „Tabula rasa“. Max Herre war damals schon ein Star. Im Hotel begrüßte er sie mit Küssen, einen auf jede Wange. Er verwirrte sie, er wirkte beschei- dener, als sie erwartet hatte, und er sah noch bes- ser aus. Joy, die mit zwei älteren Brüdern in Kreuz- berg aufgewachsen ist, die Schwarze mit der Berliner Schnauze, die sich früher oft prügeln musste, weil man ihr „Entenarsch“ hinter- hergerufen hatte und „Negerin“, überspielte ihre plötzlich einsetzende Verlegenheit mit Unnah- barkeit. In ihrem Kopf aber, sagt Joy, schwirrten schon damals diese Sätze: „Er weiß, wer ich bin, ich weiß, wer er ist; ich kann ihm helfen, er kann mir helfen; ich will und ich werde mit ihm Kinder haben – er ist mein Mann, und ich bin seine Frau.“ Noch heute spricht Joy diese Sätze wie Sängerin Joy: den Refrain einer ihrer Songs – mit Rhythmus, Pathos und mit glänzenden Augen. „Er weiß, wer ich Wenige Tage später sang Joy „Mit Dir“ im Stu- dio ein. Es war, als hätte Max das Lied für sie bin, ich weiß, wer er geschrieben. „Max ist ein guter Texter“, sagt Joy, „er beschreibt Gefühle, dass du denkst, sie müs- sen echt sein.“ Sie waren echt, sie küssten sich ist. Ich will mit ihm zum ersten Mal. Es war wie ein stummes Über- einkommen, es musste reichen. Kinder haben. Er ist Am nächsten Morgen fuhr Joy zurück nach Berlin. Sie trennte sich von ihrem Freund – sie hatte sich mein Mann, und verliebt, wie nie zuvor. Im Stundentakt schickte sie Max Kurzmitteilungen, ihre Handy-Rechnung in je- nem Monat betrug über tausend Mark. Dann stand ich bin seine Frau.“ Max vor ihrer Tür in Berlin. Von nun an sahen sie sich jeden Tag, Joy zog nach und zwei Jahre im