Panorama 6 2009 Bergsport Heute.Pdf
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DAV Panorama 6/2009 Wenn die weißen Flocken fallen, freuen sich Skifahrer und Skitourengeher. Doch auch für Nichtskifahrer und ihre Kinder hält der Winter Schönes bereit. Dazu braucht es nur etwas Offenheit und kindliche Spielfreude. Von Ludwig Bertle Bertle Ludwig Fotos: Winter-Freizeit-Alternativen für Familien Kinder, Kinder, es wird Winter ine DAV-Fortbildung „Erleb- Orangen-Wettrennen mit endlosen Hängen bergab zu fahren und vor lau- nis Winter“: Eltern und Kinder Durchgängen. Erst als die Schatten auf ter Stahlmasten die wahre Landschaft von acht bis zwölf Jahren stei- den Spielplatz sinken, lassen sich die kaum mehr wahrzunehmen. Wenn Egen mit Schneeschuhen zum Werta- Kinder überreden, abzusteigen. wir an Winter denken, kommen vie- cher Hörnle auf. Das übliche Quen- Viele Eltern leiden heute unter Ge- len zunächst Bilder von unberührten, geln hält sich in Grenzen, denn die wissensbissen. Sollen sie ihren Kin- wie in Watte verpackten Traumland- Kinder sind mit der Wegsuche und dern noch das Pistenski- schaften in den Kopf. der Identifikation von Tierspuren be- fahren beibringen? Ist es Winter heißt viel mehr Um genau das und schäftigt. Endlich die große Lichtung, vertretbar, sich einzu- noch viel mehr zu erleben, endlich Rast und Brotzeit; die Kinder reihen in die Autostaus als Skifahren. Wer sehen viele Bergsteiger werden jetzt sicher ausruhen wollen. Richtung Skiorte und in wird wie die Kinder, in Skitouren die Alterna- Weit gefehlt! Nach ein paar Bissen die endlosen Liftschlan- hat den Weg frei ins tive zur Piste: eine Dis- haben sie schon die Lawinenschaufeln gen? Wurde nicht schon Erlebnisparadies. ziplin des Bergsteigens, in der Hand und fangen an zu graben. genug alpine Landschaft die Kondition, Orien- Bald entsteht eine gemeinsame Idee: planiert? Alternativen sind gefragt. tierungssinn und Verantwortungs- eine Kugelbahn am Steilhang. Schnell Neben all dem Spaß, den körperei- bewusstsein verlangt. Dabei ist für wird sie immer länger, erhält über- genen Drogen und dem Fahrwind um viele das Gehen und das Naturerleb- höhte Kurven, Brücken und Tunnels. die kalte Nasenspitze sollte man eines nis wichtiger als die spätere Abfahrt, Dazwischen gibt es immer wieder beim Skifahren nicht übersehen: Win- die ohnehin nur gelegentlich den er- Testläufe mit den Kugeln: leuchtenden ter heißt noch viel mehr, als auf einem sehnten Fahrrausch ermöglicht. Orangen, die dem Brotzeittisch ent- oder zwei Brettern auf überfüllten Ob Piste oder Tour: Mit Ski können wendet werden. Am Ende steigt das und von Kunstschnee bedeckten in die winterliche Zauberlandschaft 20 DAV Panorama 6/2009 Bergsport heute ANZEIGE nur diejenigen eindringen, die den te des Winterraums wie Fingerzeige Schwung raushaben. Alle anderen wirken. Schnee ist ein idealer Werk- Bergliebhaber hatten zwischen Ok- stoff, um intuitiv Formen zu gestal- tober und Mai Schwierigkeiten – bis ten. Er ist gut formbar, gefriert über vor wenigen Jahren. Erst die Renais- Nacht in eine harte Form, leuchtet in sance des Schneeschuhs löste dieses hellem, durchscheinendem Weiß. Problem zugunsten der Nichtskifah- Land-Art hält sich auch im Winter rer: Nun können auch sie sich im tie- an Naturmaterial, fügt dem Schnee al- fen Schnee und ungespurten Gelände lenfalls Baumrinde oder Zweige hin- bewegen. Vielleicht mit etwas mehr zu. Sie baut auf die Vergänglichkeit Kraftaufwand, aber ohne langwierige und will auf Dauer nichts hinterlas- Ski-Ausbildung. sen. Immer aber beteiligt sie das Un- Zurecht, wenn auch häufig etwas terbewusste, Assoziative. Kinder er- scheinheilig, bedauern die Skifahrer, kennen dies rasch und handeln ohne dass die Fußgänger bergab arm dran Berührungsängste. Erwachsene hin- sind. Dabei vergessen sie, dass im gegen haben zunächst oft Schwierig- bis zehn Mithelfende verkürzen die Sommer alle zu Fuß von den Gipfeln keiten. Doch wer wird „wie die Kin- Bauzeit beachtlich. Am Anfang steht steigen, ohne in Wehgeheul auszu- der“, hat's nicht mehr weit ins Spie- ein Kreis mit drei bis vier Metern In- brechen. Doch gibt es durchaus Hilfs- ler-Paradies. nendurchmesser. Im nahe gelegenen mittel und Techniken, den Abstieg Der Winter im Gebirge bietet al- „Steinbruch“ werden gleichmäßig ge- kurzweiliger und abenteuerlicher zu so ideale Voraussetzungen für span- formte Schneeklötze ausgestochen nende Abenteuer und kreativen oder -gesägt. Als Ringmauer aufge- Schnee-Spaß. Kinder haben die größ- schichtet, werden sie immer flach ge- te Freude an Klassikern wie Schnee- legt und mit jeder Lage weiter nach ballschlachten oder sich den Hang hi- innen überschoben und geneigt, so nunterzurollen, um unten ein paar dass eine Kuppel entsteht, die sich in „Schnee-Engel“ zu wälzen. Man maximal zwei Meter Höhe schließt. könnte auch mal auf „Spurensuche“ Der Zugang wird in Nord- oder Süd- gehen, ein paar Tierspuren von Gäm- richtung nachträglich als Kältetunnel sen oder Schneehasen genau unter die angelegt, der Igluboden sorgfältig ge- Lupe nehmen. So kann die ganze Fa- glättet. Ein schaufelstieldünnes Lüf- milie den Schneespaß mit Naturer- tungsloch, und schon ist nach drei lebnis und -erfahrung verbinden. Stunden die Behausung fertig. Fünf Eine andere, spannende Möglich- bis sechs Halbwüchsige können darin gestalten. Wenn eine tragfähige Gleit- keit, jungen Menschen die Natur na- liegend übernachten, doppelt so viele schicht da ist, reicht der bloße Ho- hezubringen, ist eine Nacht im Iglu. im Kreis sitzen und sich Geschichten senboden aus, um in steileren Hän- Eine romantische Winternacht unter erzählen. gen rasante Rennstrecken zu eröff- dem Sternenhimmel droht ein kaltes Noch mal zurück zu unserem nen. Plastiksäcke, Knüppelbobs oder Vergnügen zu werden – in einem Ig- „Orangen-Rennen“: Nach anfäng- Rutschteller als Unterlage beschleu- lu lässt sie sich aushalten. Die Tempe- licher Zurückhaltung bauten und nigen noch das Tempo und bleiben ratur bleibt, egal wie kalt es außen ist, spielten auch die Erwachsenen mit. dabei gut steuerbar. Wer so rutscht, um den Gefrierpunkt. Mit Isomatte Denn der mitreißenden kindlichen kann es zeitlich mit manchem seine und Daunenschlafsack ist das erträg- Freude am Winter-Spiel-Spaß konn- Stürze sortierenden Tiefschneefahrer lich, das Erlebnis aber ein besonderes: te keiner widerstehen. Das winter- aufnehmen. Und der Spaß ist mindes- Die Schneewände schlucken alle Au- liche Gebirge bietet also wirklich viel tens gleich groß. ßengeräusche, im Inneren herrscht mehr als nur Pisten. Zur Freiheit des Wer offen ist für eine Alternati- tags milchige Helligkeit, nachts bei Bergsteigers gehört, die Vielfalt der ve zum klassischen Rauf und Runter, Kerzenlicht eine heimelige Atmosphä- Erlebnismöglichkeiten zu nutzen, den dem sei eine kreative Variante emp- re. Kinder und Jugendliche reagieren Kindern das Spielerische abzuschau- fohlen: Land-Art, Kunstobjekte aus auf solche Natur-Sinneseindrücke na- en, der Fantasie Platz zu schaffen und Schnee. Ihr ästhetischer Wert lässt iver und unmittelbarer als Erwachsene mit der Zeit anders umzugehen. Dann sich freilich bestreiten und sie sind und speichern sie nachhaltiger ab. kann der Winter ruhig kommen. Wir extrem vergänglich. Aber gerade da- Doch wie baut man ein Iglu, ist das freuen uns auf ihn. o rin liegt ihr Reiz. Nichts erinnert im für Laien überhaupt möglich? Es ist Ludwig Bertle (61) war Bundesjugendleiter im DAV Frühjahr an die Schneefrauen, Eis- kein Geheimnis, aber doch eher ge- und arbeitet als Lehrer und Bergführer seit vielen bären oder Sitzmöbel, die in der Wei- eignet als Kleingruppenprojekt; fünf Jahren in mehreren Lehrteams gestaltend mit. 21 DAV Panorama 6/2009 Bergsport heute Eine Skitouren-Weihnachtsgeschichte von Christine Kopp Laute Stille Wir sind zu zweit unterwegs. Der fast zu laut, ein Hüsteln ein störender Rhythmus ist vollkommen: So oft Zwischenton, den wir sorgsam ver- schon waren wir zusammen auf Ski- meiden. Seit zwei Stunden sind wir un- tour, dass wir weder über Schnelligkeit terwegs. Die Vollmondnacht ist nicht noch Schrittlänge reden müssen. Un- schwarz, und auch unsere Blicke sind sere Ski gleiten harmonisch über den geschärft: Mit Katzenaugen unterschei- festen Firn. Die Hänge glänzen im Licht den wir zarte Tönungen irgendwo zwi- des Vollmonds, Mulden versinken im schen Schneeweiß, Eisgrau und Dun- Schatten. Es ist zehn Uhr abends. Der kelschwarz. Das grelle Licht des Tages Vollmond steht noch nicht hoch, wirkt wird sie wieder auffressen. Doch jetzt, aber wie eine gigantische Lampe, die je- in der Nacht, brennen sich die Natur, mand für uns im All eingeschaltet hat: ihre Konturen und ihre Schatten, als Was wir erkennen müssen, sehen wir, schwarzweiße und doch bunte Bilder das andere bleibt verborgen. in unsere Seelen ein. Als ob wir es abgemacht hätten, sa- Der Gipfel. Wir steigen aus den gen wir kein Wort. Es ist ein stilles Ein- Bindungen, ziehen die Felle von den Christine Kopp Schlüsselstellen 49 Geschichten aus den Bergen Illustriert mit Fotomontagen von Alex Luczy Foto: Alexander Luczy Alexander Foto: Mammatus Jacke ausgestattet mit GORE-TEX® Pro Shell Diese und 48 weitere Erzäh- lungen von Christine Kopp, il- lustriert mit Bildmontagen von Alexander Luczy, finden sich im Buch „Schlüsselstellen“; Vertrieb in Deutschland durch Panico Alpinverlag, € 18,- verständnis, eine Ehrfurcht vor der Ski, legen die Rucksäcke ab, nehmen Größe der Nacht: Sätze, ja schon Sil- unsere Jacken heraus, verstauen die ben, würden die Magie dieser stummen Felle. Umarmen uns lange und innig, Beredsamkeit verletzen. Denn dass die ohne etwas zu sagen. Dann setzen wir Stille zu uns spricht, daran gibt es kei- uns