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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Inatura Forschung online

Jahr/Year: 2014

Band/Volume: 08

Autor(en)/Author(s): Amann Georg

Artikel/Article: Bemerkenswerte Pflanzenfunde in (Österreich) 1-15 ©inatura , , download unter www.biologiezentrum.at

Amann, G. (2014): «Bemerkenswerte Pflanzenfunde in Vorarlberg (Österreich)». inatura – Forschung online, Nr. 8: 15 S.

Bemerkenswerte Pflanzenfunde Nr. 8 - 2014 in Vorarlberg (Österreich) Georg Amann1

1 Mag. Georg Amann Baling 2/3, A-6824 Schlins E-Mail: [email protected]

Abstract

Remarkable floristic records from Vorarlberg (Austria). For 6 attractive and rare indigenous plant species new records from Vorarlberg (Austria) are reported. Autochthonous popula­ tions of these species were until recently either unknown in the country (Anthericum liliago, Minuartia laricifolia, Viola thoma- siana), believed to be extinct (Erinus alpinus, Rosa agrestis, Viola pyrenaica) or their status of occurence was uncertain (Linnaea borealis). The elsewhere published but at that time undocumented observation of a small population of Cardamine kitaibellii was recently confirmed. Key Words: Flora of Vorarlberg, Austria; new records, confirmation of older records; rare plants; Anthericum liliago, Cardamine kitaibelii, Erinus alpinus, Linnaea borealis, Minuartia laricifolia, Rosa agrestis, Viola pyrenaica, Viola thomasiana

Zusammenfassung schrofens nachgewiesen. Auch das chens (Linnaea borealis) am Alpenrand Schweiz-Veilchen (Viola thomasiana) im Kleinen Walsertal wurden offenbar Die Arbeit dokumentiert das Vor- wuchs in seiner unmittelbaren Um- immer wieder in Zweifel gezogen. kommen ausgewählter indigener gebung und an einem weiteren sub- Während diesem Hinweis noch nach- Pflanzen­arten Vorarlbergs, die in die- alpinen Fundort im Verwall. Von den zugehen ist, können wir hier zwei ak- sem Bundesland autochthon bisher als verschollen betrachteten Arten tuelle Fundgebiete im Montafon (Sil- nicht bekannt waren (Anthericum lili­ wurde der Alpenbalsam (Erinus alpi­ vretta) in den Zentralalpen vorstellen. ago, Minuartia laricifolia, Viola thoma­ nus) vermutlich an einem historisch Schließlich konnte die ebenfalls vor siana), zuletzt als ausgestorben oder bereits bekannten Fundort im west- einigen Jahren bekannt gewordene verschollen betrachtet wurden (Erinus lichen Rätikon wiederentdeckt. Vom kleine Population der Kitaibel-Zahn- alpinus, Rosa agrestis, Viola pyrenaica) Pyrenäen-Veilchen (Viola pyrenaica) wurz (Cardamine kitaibelii) am Gamp- oder einen unklaren Status hatten konnten zusätzlich zu den wenigen berg im Walgau (Rätikon) bestätigt (Linnaea borealis). Zudem wird auch alten Nachweisen aus dem Lechquel- werden. Für jede Art werden die Fund­ ­Cardamine kitaibelii vorgestellt, deren lengebirge nun aktuelle Neufunde orte angeführt sowie Angaben zu den Vorarlberger Erstfund an anderer Stel- im Rätikon und auch mehrfach im Standorten und zum Teil auch zu den le bereits veröffentlicht wurde. Dem ­Lechquellengebirge sowie im Arlberg- Populationsgrößen gemacht. Areal- Autor waren Vorkommen dieser Arten gebiet (Lechtaler Alpen) getätigt wer- kundliche Aspekte werden diskutiert. teils schon länger bekannt, sie wurden den, zudem überraschte ein Vorkom- Ergänzend werden die Pflanzen und aber nie wissenschaftlich dokumen- men im Montafoner Verwall in den deren Standorte in Bildern vorgestellt. tiert. Deswegen wurden die Fundorte silikatisch geprägten Zentralalpen. und weitere potenzielle Wuchsgebiete Die wärmeliebende Feldrose (Rosa im Jahr 2013 aufgesucht. agrestis) wurde an einem natürlichen Einleitung und Methodik Im Montafoner Verwall gelangen die lichten Waldstandort am Rheintal- drei Vorarlberger Neufunde: Die Trau- hang sowie in einer niedrig gelege- Im Laufe meiner Tätigkeit als Biologe ben-Graslilie (Anthericum liliago) und nen Alpweide im Walgau und in einer in Vorarlberg konnte ich in den letz- die Lärchennadel-Miere (Minuartia la­ Magerweide im äußeren Klostertal für ten 20 Jahren einige floristisch in- ricifolia) wurden im Bereich eines wär- das Bundesland aktuell bestätigt. Die teressante Funde tätigen, von de- megetönten subalpinen Amphibolit­ historischen Angaben des Moosglöck- nen hier einige vorgestellt werden

Eingegangen: 25.02.2014; Publiziert: 14.03.2014 1 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

sollen. Insbesondere im Rahmen nicht nur einige der schon länger be- auf ältere Funde bzw. Fundortangaben der Kartierung für die Vorarlberger kannten Fundorte oben genannter und den Status im Bundesland Waldkarte zwischen 1993 und 2000 Pflanzenarten auf, sondern ich ver- Vorarlberg auszuräumen. Taxonomie unter der Leitung von Univ.Prof. Dr. tiefte mich nach erfolgreichem Fund und Nomenklatur richten sich nach Georg Grabherr gelangen Funde von des besagten Veilchens in die Gattung der 3. Auflage der Exkursionsflora einigen durchwegs attraktiven indi- Viola und konnte bei zahlreichen von Österreich (Fischer et al. 2008). genen Arten wie Cardamine kitaibelii Exkursionen nun auch Viola pyrenaica Belege wurden im Herbarium der (1993), Erinus alpinus (1993), Linnaea und V. thomasiana wieder bzw. neu für ­inatura Erlebnis Naturschau GmbH in borealis (1999, 2000) oder Anthericum Vorarlberg nachweisen. Im Rahmen Dornbirn (BREG) hinterlegt. liliago (1999). Schon seit einiger Zeit dieser Exkursionen konnte ich noch Es war mir nach Abschluss des hege ich den Wunsch, die Funde zu zwei weitere Arten, Minuartia larici­ Manuskriptes noch möglich, auch die veröffentlichen. Allein meine damals folia und Rosa agrestis, in die Liste mei- beiden neu erschienenen Ergänzungs­ geringe Neigung, Funde ordentlich zu ner zu dokumentierenden Pflanzen bände zur grundlegenden Flora von dokumentieren, hätte es ­notwendig aufnehmen. Nordtirol, Osttirol und Vorarlberg gemacht, die oft abgelegenen Für die Auswahl und die Beschränkung (Polatschek & Neuner, 2013a und 2013b) Fundorte nochmals zu den richtigen auf die genannten Arten waren das in- heranzuziehen und gegebenenfalls Zeiten aufzusuchen. Auf Drängen digene Vorkommen, eine besondere neue Fundortangaben der bespro- meines Kollegen Christian Schröck Attraktivität und die unklare Situation chenen Arten in der Auswertung zu suchte ich zunächst den Fundort der ihres Status in Vorarlberg ausschlag­ berücksichtigen. Kitaibel-Zahnwurz, der bei Hotter et gebend. Mit Ausnahme von Cardamine al. (1997) zwar publiziert, aber von mir kitaibelii und Rosa agrestis wurden für nie belegt wurde, im Jahr 2013 erneut alle vorhin genannten Arten in den Trauben-Graslilie auf und konnte die Pflanze wieder an verschiedenen botanischen Quellen Anthericum liliago derselben Örtlichkeit feststellen und recht widersprüchliche Angaben ge- mit Fotos dokumentieren. Den letz- macht, sodass Aufklärungsbedarf be- Aktueller Fundort: 9026/2; Montafon/ ten Ausschlag gab schließlich eine stand. Verwall, Gemeinde Gaschurn, östlich Erwähnung meines Kollegen Heribert Für jede Pflanzenart werden die ak- Partenen, Ganiferschrofen; ca. 1550- Köckinger vom Neufund des Pyrenäen- tuellen Funde detailliert angeführt 1750 m, Südost-Exposition, im Amphi­ Veilchens in der Steiermark. Er meinte (Florenquadrant, Fundort, Standort, bolit-Felshang sowie in darunter an- treffend, dass jahreszeitlich unge- Funddatum). Wenn nicht anders ver- schließendem Amphibolitschutt in wöhnliche Kartierzeiten in bestimm- merkt handelt es sich um eigene Funde. den Lawinaren; vid. 10. Juli 1999, fot. ten Lebensräumen auch unerwartete Es werden die Standortsbedingungen 10. Juli 2013 Funde zur Folge haben können. So beschrieben, die Bestandssituation Der aus dunklem Amphibolitgestein erinnerte ich mich nun auch wieder grob erfasst und die Vorkommen im gebildete Ganiferschrofen mit den an die duftenden Frühjahrsveilchen Rahmen der Gesamtverbreitung sowie darunter anschließenden Schutthal- in höheren Lagen, die mir damals in Bezug auf die Nachbarländer disku- den im Vorarlberger Verwall ist ein Bestimmungsprobleme bereiteten. tiert. Insbesondere wird auch versucht, lokalklimatisch begünstigter subalpi- Schließlich suchte ich im Jahr 2013 soweit möglich, Unklarheiten in Bezug ner Lebensraum mit weiteren bemer- kenswerten Pflanzenarten. So gedei- hen auf den Felsabhängen zahlreiche Individuen von Juniperus sabina, die Spaliere des kalkliebenden Rhamnus pumila und Arctostaphylos uva-ursi. Zur Blütezeit im Juli werden die Schro­ fen von den ausladenden Blütentrau- ben des Pracht-Steinbrechs (Saxifraga cotyledon) geziert. Weitere Begleitar- ten sind etwa Primula hirsuta, Asple­ nium septentrionale, Silene rupestris, die westalpine Potentilla grandiflora, Minuartia gerardii und die für das Bun-

Abb. 1 und 2: Anthericum liliago, Partenen, Ganiferschrofen, 14. Juli 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 2 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Fundorte waren bereits bei Dalla- Torre & Sarnthein (1906-13) publiziert. Murr (1923a) erwähnt aber Vorkom- men in Tirol zwischen Innsbruck und Obladis südlich Landeck (Oberinntal). Bis in jüngste Zeit wurde seither An­ thericum liliago für Vorarlberg in der botanischen Literatur immer wieder angegeben, obwohl gesicherte Nach- weise fehlten (z.B. Janchen, 1956-1960; Grabherr & Polatschek, 1986; Fischer et al., 2008). Im aktuellen Fundortkata- log bei Polatschek (2001, 2013b) fehlen Angaben für Vorarlberg. In Tirol sind hingegen zwei Verbreitungszentren zu erkennen, einerseits im Bereich Abb. 3: Grasiger Lawinenhang mit Abb. 4: Amphibolitschrofen mit Bestän- des Silltales südlich Innsbruck bis zum kleinem Bestand von Anthericum liliago den von Anthericum liliago, Partenen, Brennerpass, andererseits im Oberinn- unter Amphibolitfelshang, Partenen, Ganiferschrofen, 14. Juli 2013 tal südlich Landeck bis zum Reschen- Ganiferschrofen, 14. Juli 2013 pass mit Vorkommen bis 1800 m. Das unserem Fundort am nächsten liegen- desland neu entdeckte M. laricifolia Autochthone Vorkommen werden de, etwa 12 km entfernte Vorkommen (s. unten). Dazu kommen typische nur von Kärnten, Nordtirol und auch befindet sich im Paznauntal bei Ma- Arten alpiner Kalkrasen wie Carex Vorarlberg angegeben. Die Art gilt in thon nordöstlich Galtür (M. Haberhofer, sempervirens, Thymus praecox subsp. Öster­reich als kalkmeidend (Fischer et 1960er-Jahre, in Polatschek 2001) polytrichus und Aster alpinus, bemer- al., 2008). Auch nach Oberdorfer (1983) kenswert ist auch Allium lusitanicum. wächst sie meist auf kalkarmen, aber In den grasigen Schutthalden gedei- basenreichen, warmen und trockenen Kitaibel-Zahnwurz hen neben häufigen und verbreiteten Sand- und Steinböden. Cardamine kitaibelii Arten wie Vincetoxicum hirundinaria, Murr (1923a) kannte keine Vorkom- Digitalis grandiflora oder Silene nutans men der Trauben-Graslilie in Vorarl- Aktueller Fundort: 8823/2; Rätikon/ regionale Raritäten wie Thalictrum berg und führt nur irrtümlich für die- Walgau, Gemeinde , Gamp- minus subsp. pratense und Astragalus se Art gehaltene Herbarbelege von berg, Nordabhang; 1200 – 1250 m, Nord­ penduliflorus. Anthericum ramosum var. simplex aus ost-Exposition, Bergmischwald mit Die Trauben-Graslilie (= Astlose Gras­ verschiedenen Landesteilen (Saroja, Buche, Bergahorn, Tanne und Fichte; lilie) ist eine wärmeliebende Art, die Röthis, Arlberg, Montafon) an. Diese vid. Juli 1993, fot. 9. Mai 2013 in Europa besonders in südlichen Län- dern verbreitet ist und nach Norden hin seltener wird. In den Alpen ist sie hauptsächlich im Süden und Westen verbreitet, etwa in den Südwestalpen, südlich des Alpenhauptkammes in Südtirol und im Tessin sowie in konti- nental getönten inneren Alpentälern wie im Engadin, im Einzugsgebiet des Rheins in Graubünden sowie im Wallis, in der Schweiz auch stellenweise in den Nordalpen sowie im Jura (http:// www.infoflora.ch/de/flora/3060-an- thericum-liliago.html). In Österreich ist sie nach Fischer et al. (2008) in den östli- chen Bundesländern bzw. im östlichen Alpengebiet (Wien, Niederösterreich, Steiermark, Osttirol) ausgestorben. Abb. 5: Cardamine kitaibelii, Nenzing, Gampberg, 9. Mai 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 3 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Es wurde jedoch vom Autor des vorlie- genden Beitrags verabsäumt, die Art in einem Herbar oder als Foto zu bele- gen und den Fund näher zu dokumen- tieren, was an dieser Stelle nachgeholt wird. Die Kitaibel-Zahnwurz zeigt ein stark disjunktes Verbreitungsmuster mit mehreren Teilarealen und kleinen isolierten Vorkommen. Diese liegen auf der Balkanhalbinsel (hauptsäch- lich Kroatien, Slowenien), im Apennin von Ligurien bis Kantabrien (Italien) sowie in den mittleren Alpen südlich wie nördlich des Alpenhauptkam- mes (Tessin, Comersee, Bergamasker Alpen, Ostschweiz) (Kägi, 1915; Hegi, Abb. 6: Zwischen Cardamine pentaphyllos (links) und C. kitaibelii (rechts) steht die 1965). Bemerkenswert sind die jüngst Hybride C. x killiasii; Nenzing, Gampberg, 9. Mai 2013 entdeckten isolierten Fundorte im Ti- roler Oberinntal bei Telfs (Hotter et al., Das räumlich eng umgrenzte Vor- keine weiteren Nachweise. Hinge- 1997) und Hatting (Vogel & Bitterlich, kommen befindet sich in der hoch- gen sind Cardamine pentaphyllos und 1999), die mit dem hier vorgestellten montanen Stufe an der oberen C. bulbifera in den Fichten-Tannen- Vorarlberger Nachweis die bislang Verbreitungsgrenze des Fichten-Tan- Buchenwäldern und eingesprengten einzigen Österreichs sind. Der Vorarl- nen-Buchenwaldes. Über den kar- Hochstauden-Bergahornwäldern des berger Fundort liegt dem ostschwei- bonatreichen tiefgründigen Böden Gampberges ausgesprochen häufig. zerischen Teilareal recht nah und zeigt (Mergel, Kalk) mit guter Nährstoffver- Abseits des Vorkommens wurde nur damit eine geringere Isolierung wie sorgung sind typische Begleitarten einmal eine Hybride C. pentaphyllos die Fundorte im Nordtiroler Oberinn- Adenostyles glabra, Mercurialis peren­ x kitaibelii gefunden (Nenzing, Laub- tal. So existiert unweit der Grenze bei nis, Galeobdolon montanum, Galium wald entlang Schuttfächer zwischen Buchs im St. Gallischen Alpenrheintal odoratum, Dryopteris filix-mas, D. di­ Beschlingerberg und Tschardun, ca. ein größeres Vorkommen dieser Art. latata sowie Hochstaudenelemente 900 m, 18. April 2007, fot.). Das dem Vorarlberger Fundort nächs- wie Petasites albus und Adenostyles Der Vorarlberger Erstnachweis von te Vorkommen liegt aber kaum 10 km alliariae und schließlich zwei weitere Cardamine kitaibelii wurde zwar be- entfernt im Fürstentum Liechtenstein Zahnwurzarten, nämlich Cardami­ reits bei Hotter et al. (1997) publiziert. im Gebiet von Gafadura im Rätikon, ne bulbifera und C. pentaphyllos. Im Bestand finden sich auch einzelne ­Hybriden mit letzterer Art (Abb. 6). Im Jahr 2013 wurden auf einer Fläche von etwa ½ ha etwa 50 blühende Individu- en festgestellt. Ein Teil der Population befand sich an der steilen Böschung eines Forstweges, wo die Pflanzen üp- pig entwickelt waren. Cardamine kitaibelii wurde im Rahmen der Erstellung der Vorarlberger Wald- vegetationskarte im Jahr 1993 neu für das Bundesland entdeckt, wobei neben den wenigen verblühten Indi- viduen auch einzelne Hybriden beob- achtet werden konnten. Die damalige flächendeckende Vegetationskartie- rung sowie eine partielle Nachsuche Abb. 7: Fundort der Cardamine kitaibelii im aufgelichteten Bergmischwald am Gamp- am Gampberg im Jahr 2013 ergaben berg / Nenzing, 9. Mai 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 4 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

das von M. Lienert bereits im Jahre nisse nur einen sehr lichten Bergwald 1950 entdeckt wurde und 1972 bei mit kümmerlichem Wuchs zulässt 1150 m wiederbestätigt werden konn- (Abb. 9). Neben Fichten und Föhren te (Seitter, 1977). sind auch Laubbäume wie Buchen, Ungeklärt bleibt die Frage, weshalb Bergahorne und Mehlbeeren einge- Cardamine kitaibelii im Gebiet im Ge- sprengt. Stellenweise sind Anklänge gensatz etwa zu Cardamine pentaphyl­ an einen Schneeheide-Kiefernwald los so selten ist, da die Standortsbedin- vorhanden und in der Umgebung gungen optimal zu sein scheinen. Der herrschen Fichten-Tannen-Buchen- Populationstrend ist unbekannt. Dass wälder kalkreicher relativ trockener im Jahr 2013 eine deutlich größere Po- Böden vor (Ausbildungen mit Weiß- pulation ermittelt wurde wie 20 Jahre Segge). Der Untergrund wird laut geo- zuvor, mag an der Auflichtung des logischer Karte (Heissel et al., 1967) von Waldbestandes liegen, die generell den Hartkalken der Arlbergschichten zu einer üppigeren Entwicklung der gebildet, felsige Partien wechseln mit Pflanzen des Waldbodens geführt hat. hangschuttreichen ab. Auf den in ein Von einer Ausbreitung der Art kann Tobel steil abfallenden, südostexpo- Abb. 9: Fundort von Erinus alpinus im lü- jedoch derzeit nicht die Rede sein. nierten und besonders im Südwesten ckigen und von Felsabbrüchen durchsetz- Kägi (1915) hielt das aktuell zersplit- bis Westen vom Bergmassiv der Drei ten Bergmischwald im Saminatal, 13. Juni terte Areal von Cardamine kitaibelii für Schwestern stärker abgeschirmten 2013 ­reliktisch. Felsen (reduzierte Nachmittags- und Abendsonne) wächst in Ritzen und (2008) gilt der Alpenbalsam in Öster- Fugen der größte Teil der Population reich autochthon als ausgestorben. Alpenbalsam von Erinus alpinus. Zusätzlich wurden Der aktuelle Vorarlberger Fund bestä- Erinus alpinus auch im Halbschatten im gefestigten tigt nun das Vorkommen an einem na- Kalkschutt gut entwickelte Pflanzen türlichen Standort im Vorarlberger Teil Aktueller Fundort: 8823/2; Rätikon, Sa- gesehen. Typische Arten am Fundort des westlichen Rätikons. In unmittel- minatal, Stiegtobel westl. Gaudenza­ sind beispielsweise Adenostyles glab­ barer Nachbarschaft in Liechtenstein alpe; um 1100 m, Südwest-Exposition; ra, Calamagrostis varia, Carduus deflo­ gibt es zwei weitere aktuelle Fund­orte vid. 25. Juni 1993, leg. et fot. 13. Juni ratus, Carex alba, Carex sempervirens, im Saminatal, ebenfalls im Bereich der 2013 Erica carnea, Hepatica nobilis, Polygala Drei Schwestern: Planknerrüfe im Sa- Das aktuelle Vorkommen befindet sich chamaebuxus und Vincetoxicum hirun­ minatal bei 910 m - 920 m, Plankner im Bereich eines felsigen Steilhanges dinaria, besonders an den felsigen Garselli bei 1615 m (Seitter, 1977; Wald- in der montanen Höhenstufe, der auf- Partien auch Teucrium montanum und burger et al., 2003). Als unzweifelhaft grund der extremen Standortsverhält- Kernera saxatilis. Bemerkenswert ist autochthone Vorkommen Vorarlbergs das Vorkommen von Pseudoturritis tur­ gelten nun jene des westlichen Räti- rita (= Arabis turrita), die den Charakter kon im Saminatal und Gamperdonatal. als montanen Sonderstandort hervor- Gottfried Richen bezeichnet Erinus al­ hebt. pinus im westlichen Rätikon als «nicht Der Alpenbalsam ist eine Gebirgs- selten» (Murr, 1923). Die bei P­ olatschek pflanze des westlichen und mittleren (2001) angeführten Fundorte «Drei mediterranen Raumes (Pyrenäen, Schwestern» und «Garsella Alpe, Apennin) und besiedelt auch Gebirge 1080 m» beziehen sich auf Dalla-Torre des südlichen Mitteleuropa (Schweizer & Sarnthein (1906-13), der Fundort Jura, Westalpen). Im Alpenraum reicht «unter­halb Garsella Alpe» auf Belege die Verbreitung mit wenigen Vor- im Naturhistorischen Museum Wien. kommen bis in die beiden westlichen Die Fundortangabe aus dem Gam- Bundesländer Österreichs. Polatschek perdonatal geht auf Heinrich Kemp (2001) und Polatschek & Neuner (2013b) zurück, der Funde von Pater Christian erwähnen drei Fundorte für Nordtirol Bötzkes zusammenstellte (Kemp, 1874; (Rieden bei Reutte im Lechtal, Stans im Schwimmer ,1958). Der aktuelle Fundort Unterinntal, Hinteres Sonnwendjoch - könnte mit dem alten Nachweis «Gar- Abb. 8: Erinus alpinus, Rätikon-Saminatal, Grundalm) sowie mehrere alte Anga- sella Alpe, 1080 m» bzw. «unterhalb 13. Juni 2013 ben aus Vorarlberg. Nach Fischer et al. Garsella Alpe» identisch sein. inatura – Forschung online 8 (2014) 5 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Ein von Pfarrer J. K. Rehsteiner «am 2. Juli 1852 an den Felsen bei Stuben am Arlberg gegen Thannheim» (Haus- mann, 1854) angeblich festgestell- tes Vorkommen wurde von Johann Schwimmer angezweifelt, der wohl aufgrund der widersprüchlichen Orts- angabe (statt «Thannheim» müsste es «Tannberg» heissen, vgl. Dalla-Torre & Sarnthein, 1906-13) eine Fundorts- verwechslung vermutete (Schwimmer, 1931). Beim Fund in der Umgebung der Lindauer Hütte (Polatschek, 2001) im Montafoner Rätikon handelt es sich sicher um eine Verwilderung aus dem bereits im Jahr 1907 gegründe- ten Alpengarten der Lindauer Hütte. Abb. 10 bis 13: Linnaea borealis, St. Gallenkirch, Gortipohl, Wald unter Gantekopf, Vorkommen in seiner Umgebung gibt 16. Juli 2013 es auch heute noch (Helmut Häusle, mdl.). Johanna Kronberger (mdl.) be- herr geschickt); - 9026/1; Montafon/ leg. 16. Juli 2013; - 9025/2; Montafon/ richtet zudem, dass sich die Art derzeit Silvretta, Gemeinde Gaschurn, westl. Silvretta, St. Gallenkirch, Gortipohl, innerhalb des Gartens stark ausbrei- Gundalatscherberg; blockreicher Waldgebiet unter Gantekopf, Fichten- tet und auch in seiner unmittelbaren Fichtenwald, ca. 1550 m, Nordost-Ex- Blockwald, ca. 1600 m, Nordost-Ex- Nähe wächst. Es ist beabsichtigt, die position; vid. Bernhard Maier & Georg position; vid. 16. Juli 2013; - 9025/2; Entwicklung in den nächsten Jahren Amann ­August 1999, leg. Bernhard Montafon/Silvretta, St. Gallenkirch, weiter zu beobachten. Maier (Stand Montafon); vid. 12. Juni Gortipohl, Waldgebiet unter Gante- 2000; - 9025/2; Montafon/Silvretta, kopf; Tannen-Fichtenwald mit großem St. Gallenkirch, Gortipohl, Waldge- Block, ca. 1460 m, Nordost-Exposition, Moosglöckchen biet unter Gantekopf; Blockhalde vid. 25. September 2000 Linnaea borealis mit kümmerlichem Fichtenbewuchs Sämtliche aktuellen Vorkommen von in einem Lawinenhang, ca. 1600 m, Linnaea borealis liegen im inneren Aktuelle Fundorte: 9026/1; Monta- Nordost-Exposition; vid. 20. Septem- Montafon, wo Silikatgesteine den geo- fon/Silvretta, Gemeinde Gaschurn, ber 2000; - 9025/2; Montafon/Silvretta, logischen Untergrund bilden. Sie wur- Harzawald südl. Außerbofa; ca. 1380 St. Gallenkirch, Gortipohl, Waldgebiet den im Rahmen einer landesweiten m, blockreicher Fichtenwald, Nordost- unter Gantekopf; Fichten-Blockwald, Waldvegetationskartierung an den Exposition; vid. et leg. 29. Juli 1999 zwischen ca. 1350 und 1500 m, Nord- schattseitigen Talflanken in ausge- (Beleg an Univ. Prof. Dr. Georg Grab- ost-Exposition; 27. September 2000, dehnten Bergwäldern zwischen 1350

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und 1600 m Meereshöhe entdeckt. gleitvegetation ist sehr artenarm und erfolgte und blockreiche Waldflächen In dieser Höhenzone dominiert der beschränkt sich weitgehend auf Säu- stark in Erscheinung treten (vgl. Vorarl- subalpine Sauerboden-Fichtenwald rezeiger. In den Blockwäldern sind dies berger Waldkarte), sehr vital zu sein. Es (Homogyno-Piceetum). Die Wuchs­ etwa Vaccinium myrtillus, Vaccinium konnten zahlreiche klonale Teilpopu- orte beschränken sich aber weitge- vitis-idaea, Oxalis acetosella, Dryopteris lationen festgestellt werden, die aller- hend auf sehr blockreiche Standorte, dilatata und Lycopodium annotinum dings sehr eng an mit Fichten bestock- wo in der Vegetationszeit kühle Block- (oft reichlich). Besonders reichlich und te Blockhalden mit Kaltluftaustritten luft austritt und damit von der Umge- in dichten Beständen wächst Linnaea gebunden sind. Auch das im Jahr 1999 bung abweichende kleinklimatische borealis an eher lichten Stellen des entdeckte Vorkommen im Harzawald Bedingungen vorherrschen. Im Wald- Blockwaldes. So findet es auch in den wurde seinerzeit als individuenreich gebiet unter dem Gantekopf bzw. blockreichen Lawinaren mit kümmer- eingestuft. westlich des Gundalatscherberges lichen, nur wenige Meter hohen Fich- Das Moosglöckchen zeigt in der ge- (St. Gallenkirch und Gaschurn) sowie ten, gute Wuchsbedingungen. Als Be- samten borealen Nadelwaldzone Eu- im Harzawald (Gaschurn) sind diese gleitarten treten hier neben Vaccinium rasiens und Nordamerikas ein weit- Bedingungen besonders häufig anzu- myrtillus und V. vitis-idaea noch Vacci­ gehend zusammenhängendes Areal. treffen. Linnaea borealis ist hier eine nium uliginosum s.l. und in geringen Südlich davon sind in verschiedenen Charakterart der Fichten-Blockwälder Mengen Rhododendron ferrugineum Regionen, besonders in Hochgebir- (Abb. 14) und kümmerlicher Fichten- hinzu. An der unteren Verbreitungs- gen, kleinere Areale und Verbrei- bestände mit Zwergstrauchbewuchs grenze der Linnaea-Fundorte konnte tungsinseln vorhanden, die meist als in blockreichen Lawinaren (Abb. 15). neben der dominierenden Fichte ein- Eiszeitrelikte gedeutet werden. In den Das Moosglöckchen wächst dabei mal Tanne und an der oberen Zirbe Alpen ist das Moosglöckchen beson- bevorzugt an eher trockenen und ex- als Begleitbaumarten notiert werden. ders in den stärker vergletscherten ponierten Stellen über Gneisblöcken, ­Erwähnenswert ist noch, dass im Wald- zentralen Gebirgsgruppen zu finden. meist in Moosdecken von Hylocomium gebiet westlich des Gundalatscher- Verbreitungszentren sind die Walli- splendens (Stockwerkmoos) und Pleu­ bergs ein isolierter Bestand der Spirke ser Alpen (Wallis) und Rätischen Al- rozium schreberi (Rotstengelmoos). (Pinus uncinata) auf Grobblockschutt pen (Graubünden, Engadin) in der Es meidet hingegen die zu üppigen auftritt, was die reliktischen Fundum- Schweiz (http://www.infoflora.ch/de/ und dauerfeuchten Moos­decken aus stände noch zusätzlich betont. flora/2133-linnaea-borealis.html) so- Sphagnum quinquefarium. Nicht selten Die Populationen von Linnaea borealis wie die Ötztaler und Stubaier Alpen hängen von den Blöcken die Kriech- scheinen zumindest im Gebiet unter (Tirol) in Österreich (Polatschek, 1999). triebe herab, auffallend oft an Stellen dem Gantekopf in St. Gallenkirch, wo Östlich der Brennerfurche sind Vor- mit Kaltluftaustritten (Abb. 16). Die Be- im Jahr 2013 eine gezielte Begehung kommen in Österreich sehr spärlich

Abb. 14: Fichten-Blockwald mit Linnaea Abb. 15: Blockreiches Lawinar mit küm- Abb. 16: An Stellen mit Kaltluftaustritten borealis, St. Gallenkirch, Gortipohl, Wald- merlichen Fichten und Linnaea borealis, hängen über die Blöcke oft die Kriechtrie- gebiet unter Gantekopf, 16. Juli 2013 St. Gallenkirch, Gortipohl, Waldgebiet un- be von Linnaea borealis herab, St. Gallen- ter Gantekopf, 16. Juli 2013 kirch, Gortipohl, Wald unter Gantekopf, 16. Juli 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 7 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

und zerstreut. Eine gewisse Häufung halb auch Fischer et al. (2008) die Art schränkt (http://www.infoflora.ch/de/ gibt es wieder in den Hohen Tau- nicht mehr für Vorarlberg anführen. flora/350-minuartia-laricifolia.html). In ern (Nord- und Südabdachung bzw. Offenbar bis dahin unbeachtet blieb Tirol weist die Art besonders im Ötz- Bundesländer Salzburg und Kärnten) ein früher Fund in «Großvermunt: tal und Pitztal mehrere Fundpunkte (vgl. Karte für Tirol in Polatschek, 1999; oberhalb der Illfälle» (3. August 1871, auf und ihre Verbreitung reicht nach Zusammenfassung bei Ernet & Franz, H. Kemp) (Polatschek & Neuner, 2013a; ­Osten nicht über die Brennerfurche 2011). Erst jüngst gelang der Erstnach- pers. Mitteilung W. Neuner). hinaus (Polatschek, 1999). weis für das Bundesland Steiermark Murr (1923a) kannte aus Vorarlberg in den Gurktaler Alpen (Ernet & Franz, nur ein verwildertes Vorkommen beim 2011). Lärchennadel-Miere Alpengarten bei der Lindauer Hütte. Die den Vorarlberger Fundorten am Minuartia laricifolia Er erwähnt zudem einen alten, dem nächsten gelegenen befinden sich Gebiet nahe gelegenen Fundort bei etwa 14 km entfernt im Paznauntal Aktueller Fundort: 9026/2; Montafon/ Galtür im tirolerischen Paznauntal aus zwischen Ischgl und Valzur nordöst- Verwall, Gemeinde Gaschurn, östlich dem 19. Jahrhundert von Anton Glanz. lich Galtür (Seipka in Polatschek, 1999). Partenen, Ganiferschrofen; ca. 1650- Während Polatschek (1999) keine Fund- Am Arlberg liegen Fundpunkte nahe 1750 m, Südost-Exposition, Amphibo- orte für Vorarlberg anführt, wird Minu­ an der Grenze zu Vorarlberg (Rosanna­ lit-Felshang; leg. et fot. 10. Juli 2013 artia laricifolia bei Fischer et al. (2008) schlucht südwestlich St. Anton a. Arl- Diese Miere wächst besonders auf für Vorarlberg als ausgestorben/ver- berg, K. Fitz in Polatschek ,1999). Auf sonst wenig bewachsenen treppen- schollen betrachtet. Es ist anzuneh- Vorarlberger Seite des Arlbergs gibt artigen Absätzen, in Felsbändern men, dass sich diese Feststellung auf es bisher keine Funde, obwohl hier und an Felskanten eines Amphibolit­ das verwilderte Vorkommen bei der auf der Schattseite kristallines Gestein schrofens, teilweise auch auf Schutt Lindauer Hütte bezieht. Laut ­Johanna vorliegt. an der unmittelbaren Basis der Fels- Kronberger (mdl.) wurde Minuartia Von besonderem Interesse im Hinblick wand. Die besondere Wärmegunst des laricifolia in den letzten Jahren im auf die Verbreitung in Vorarlberg sind Stand­ortes am Ganiferschrofen wurde Alpen­garten der Lindauer Hütte und die am nördlichen Alpenrand liegen- bereits bei Anthericum liliago darge- in seiner Umgebung nicht beobachtet. den Verbreitungsinseln. So gab es legt. Auch die Begleitarten im Felsen Die dem aktuellen Vorarlberger Fund offenbar in den sehr niederschlags- sind weitgehend dieselben. Dort wur- nächsten Fundorte liegen im Paznaun- reichen Allgäuer Alpen (Bayern und den zahlreiche Polster von Minuartia tal. R. Seipka fand dort Minuartia larici­ Vorarlberg) ein kleines Areal mit we- laricifolia festgestellt. Die Art kann am folia zwischen Ischgl und Valzur in Hö- nigen Vorkommen, das seit über 100 Fundort als häufig bezeichnet werden. henlagen zwischen 1380 m und 1500 Jahren nicht mehr bestätigt wurde Das Hauptverbreitungsgebiet von m (Polatschek, 1999). Die Vorarlberger (Dörr & Lippert, 2004). Der Vorarlber- ­Minuartia laricifolia sind die West­alpen Population am Ganiferschrofen steht ger Fundort im Kleinen Walsertal «im (Fischer et al., 2008). In der Schweiz denjenigen im Paznauntal geografisch Gebiete bisher nur an der Nordgrenze ist sie weitgehend auf die südlichen am nächsten. an der Alpe Ifersgunt» von Hermann Alpen­teile (Wallis, Tessin, Engadin) be- Matt, Gutsbesitzer in Hirschegg (Murr, 1923b), ist also durchaus glaubwürdig. Murr (1923b) erwähnt neben diesem Fundort einen Tiroler Fund von St. An- ton am Arlberg. Schwimmer (1931) hielt in seiner Übersicht der Gefäßpflanzen des Arlberggebietes diese Angabe für unrichtig, wenn er zu Linnaea ­borealis schreibt: «St. Anton (Murr). Herr Sün- dermann teilte mir mit, dass diese Pflanze von Ifersgunt stamme. Ist mit- hin zu streichen.» Noch bei Grabherr & Polatschek (1986) wird Linnaea borealis in der Liste der Vorarlberger Farn- und Blütenpflanzen als potentiell gefähr- dete Art angeführt. Allerdings konnte Jahre später Polatschek (1999) keine Vorarlberger Fundorte nennen, wes- Abb. 17: Minuartia laricifolia, Partenen, Ganiferschrofen, 14. Juli 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 8 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Feld-Rose Rosa agrestis

Aktuelle Fundorte: 8624/3; Rhein- talhang, Götzis, Meschach, felsiger Hang ober der Kirche; 800 – 900 m, Süd-Exposition, felsiger Steilhang mit kümmerlichem Baumbewuchs; leg. et fot. 26. Juli 2013; - 8724/3, Walgau, , Gulmalpe; 1120 m, Südwest- Exposition, extensive Alpweide; vid. 1990er Jahre, leg. 28. August 2013; - 8825/1; Klostertal, Brazer Allmein bei ; 800 – 900 m, Südwest- bis Süd-Exposition, magere Extensivwei- de mit Lesesteinhaufen; leg. et fot. 28. Juli 2013 Abb. 18 und 19: Rosa agrestis, Bludenz, Außerbraz, Brazer Allmein, 28. Juli 2013

carnea, Sesleria caerulea, Carex alba, Aus Vorarlberg lagen bisher nur his- Carex montana, Teucrium chamaedrys, torische Angaben vor: Murr (1923b) Origanum vulgare, Vincetoxicum hi­ nennt eigene Funde um Feldkirch rundinaria, Anthericum ramosum und («Letzebühel») und Bludenz («Bings») Achnatherum calamagrostis. Auf expo- sowie einen von Johann Schwimmer nierten Felsflächen gedeihen Teucrium bei («gegen Furx»). Bei Pola­ montanum und Sedum album. Bei Satt- tschek (2000) werden nur diese ange- eins im Walgau und Braz am Ausgang führt. Darüber hinaus existieren diver- des Klostertales sind die Standorte an- se Vorarlberger Belege im Herbar der thropogen, es handelt sich um Rinder­ inatura in Dornbirn (BREG). Alle Rosa weiden. Bei der Alpweide in Satteins agrestis-Belege der inatura wurden ist der geologische Untergrund Flysch von Elfriede Wagger (Tirol) 2010/2011 (Reiselsberger Sandstein). Hier tre- revidiert. Neue Nachweise aus Vorarl- ten reichlich Gebüsche auf, in denen berg fehlten. Rosa agrestis galt daher etwa Brombeeren (Rubus fruticosus zuletzt in Vorarlberg als verschollen s.l.), aber auch diverse Rosenarten in oder ausgestorben ­(Fischer et al., 2008). großer Zahl auftreten (Rosa penduli­ Rosa agrestis konnte an zwei wärme- na, R. arvensis, R. pseudoscabriuscula, begünstigten, submontanen Standor- R. rubiginosa, R. tomentella, R. abietina, ten, am südlichen Rheintalhang und R. subcanina, R. dumalis, R. subcollina, am Ausgang des Klostertales, sowie R. caesia). In Braz handelt es sich um in einer montanen wärmebegünstig- eine leicht nach Süden und Südwesten ten Alpweide im Walgau festgestellt geneigte extensive Kalk-Magerweide werden. Alle drei Gebiete werden vom mit unruhigem Bodenrelief und zahl- Föhn noch spürbar beeinflusst. Bei reichen Lesesteinhaufen, die teilweise Meschach am Rheintalhang handelt von Sträuchern wie Berberis vulgaris, es sich um einen natürlichen Standort Ligustrum vulgare, Prunus spinosa, Cra­ an einem steilen südexponierten Fels- taegus laevigata, Crataegus monogyna, hang aus Kalkgestein, der von einem Sambucus nigra, Rubus fruticosus s.l. lichten und kümmerlichen, sehr arten- etc. bewachsen sind (Abb. 21). Neben reichen Gehölzbestand mit Traubenei- Rosa agrestis, die weit verstreut in ein- chen, Eschen, Linden, Mehlbeeren zelnen Individuen festgestellt wurde, und Eiben sowie diversen Sträuchern sind hier weitere Rosenarten zu finden wie Amelanchier ovalis bewachsen (Rosa arvensis, R. pseudoscabriuscula, Abb. 20: Traubeneichen-Mischwald, ist (Abb. 20). In der sehr artenreichen R. rubiginosa, R. gremlii, R. micrantha, Götzis, Meschach, Fundort von Rosa Krautschicht finden sich etwa Erica R. subcanina, R. subcollina). agrestis, 26. Juli 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 9 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Fichtenwald, Alpweide; leg. et fot. 11. Mai 2013; - 8826/4; Klostertal/- quellengebirge, Stuben am Arlberg; mehrere Fundorte zwischen 1410 und 1520 m, Südwest- bis Südost-Expositi- on, größere Populationen im steinigen Auslaufbereich von Lawinen­bahnen am Hangfuß, seltener in gebüsch­ reicher Weidefläche und entlang einer Lesesteinmauer; leg. et fot. 14.5.2013; - 8827/3; Arlberggebiet/Lechtaler Al- pen, Rauz östl. Stuben; 1640 m, Hang- lage, Süd-Exposition, bei Gebüsch in offener Alpweidefläche, auch im Offenen; vid. 18. Mai 2013; - 8726/2; Hochtannberg/Lechquellengebirge, Körbalpe westlich Kalbelesee; 1685 Abb. 21: Extensive Kalk-Magerweide, Bludenz, Außerbraz, Brazer Allmein, Fundort von m, Südost-Exposition, auf felsigem Rosa agrestis, 28. Juli 2013 Geländerücken aus Kalkgestein mit Zwergstrauchheide und einzelnen In Österreich wurde sie in die Rote Lis- 2013; - 8924/1; Rätikon, Brandnertal, Fichten; leg. 16. Mai 2013; - 8726/2; te in der Kategorie «gefährdet» aufge- Untere Sunnalagant-Alpe; 1365 m, Hochtannberg/Lechquellengebirge, nommen (Niklfeld & Schratt-Ehrendor- Ost-Exposition, steiniger Hangfuß ei- Körbalpe östlich Kalbelesee; 1630- fer, 1999). Erst Polatschek gelangen für ner Lawinenbahn; leg. et fot. 13. Mai 1670 m, Süd-Exposition, auf zwerg- Vorarlberg zwei neue Nachweise der 2013; - 8924/1; Rätikon, Brandnertal, strauchreichen Rundkarrenfeldern mit Art bei (Letze-Letzegatter, Obere Schattalagant-Alpe; zwischen einzelnen Fichten und Zirben im Alp­ Kammweg, 1174-1247 m) und bei Da- 1430 und 1470 m, Südost-Exposition, weidegebiet, besonders häufig am laas (Bhf.) (Polatschek & Neuner 2013b). am steinigen Hangfuß von Lawinen- Fuß eines kleinen Felswändchens; fot. Rosa agrestis ist eine etwas wärmelie- bahnen, teils am Rand von Lawinar- 16. und 18. Mai 2013; - 9026/2; Verwall/ bende Art, die im nördlichen Mittel- gebüsch; fot. 9. Juni 2013; - 8825/4; Montafon, Äußere Ganiferalpe; 1455 europa nur mehr einige Vorposten hat Klostertal/Lechquellengebirge, Alpe m, Südostexposition, Auslaufbereich und sich in den Gebirgen an die kolli- Gavar bei ; 1310-1370 m, eines Lawinenhangs, auf überwachse- ne bis submontane Stufe hält, wobei Südwest-Exposition, Unterhang, lo- ner Betonstützmauer eines Alpweges; sie an lokalklimatisch begünstigten cker mit jungen Fichten und Gebüsch fot. 8. Juni 2013 (blühend), 14. fot. Juli Standorten auch höher anzutreffen ist, bewachsenes Lawinar bzw. selten im 2013 (fruchtend); - 9026/2; Verwall/ etwa in den Alpen bis 1660 m (Henker, Randbereich desselben in lichtem Montafon, Ganiferschrofen; 1620 m, 2000). Die historischen und aktuellen Vorarlberger Vorkommen liegen am wärmegetönten Rheintalhang und den föhngeprägten Südhängen des Walgaus und des äußersten Kloster- tales. Sie liegen in der submontanen und montanen Höhenstufe (untere und mittlere Hanglagen).

Pyrenäen-Veilchen Viola pyrenaica

Aktuelle Fundorte: 8924/1; Rätikon, Brandnertal, Untere Schattalagant- Alpe; 1300 m, Nordost-Exposition, gebüschreiche Weidefläche entlang Gletscherbach; leg. et fot. 13. Mai Abb. 22: Viola pyrenaica am Hochtannberg, Kalbelesee, 18. Mai 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 10 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Mai ausapern. ­Einerseits findet man Viola pyrenaica im Auslaufbereich und am Rand von Lawinenbahnen bzw. ­lawinenbeeinflussten Hängen, wo es in die tieferen Lagen hinabsteigt (Abb. 24 und 25). Dort wächst es meist in Nachbarschaft, jedoch kaum in der Gesellschaft weiterer Veilchenarten wie Viola riviniana, V. hirta, V. collina, V. mirabilis und V. rupestris sowie von ­Hybriden. Zweimal (Brand, Stuben) konnte die Vergesellschaftung mit Corydalis intermedia festgestellt wer- den, eine Besonderheit, auf die in der botanischen ­Literatur mehrfach hin- gewiesen wurde (z.B. Dörr, 1994; Buch- holz, 2007; Heber & Ocepek in Heber et al., 2011). Auffallend ist an den Wuchs­ Abb. 23: Standort von Viola pyrenaica beim Kalbelesee, 18. Mai 2013 orten der Lawinare, dass Viola pyrenai­ ca oft im Bereich von Steinen und Fels- Südostexposition, Basis der Felswand; kalkliebenden Veilchenart liegen er- blöcken, die sich am Übergang vom fot. 14. Juli 2013 (fruchtend) wartungsgemäß mehrheitlich in den Steilhang zur Verebnung angehäuft Historische Fundorte: 8726/1; westlich Kalkalpen, und zwar im Rätikon, im haben, wächst. Diese Kleinstandorte Schröcken; Handel-Mazzetti (1941): ein Lechquellengebirge und den Lech­ sind verhältnismäßig trockener und in einer Karte eingezeichnetes Fund- taler Alpen. Bemerkenswert ist weiters wohl auch lichter wie die angrenzen- gebiet westlich Schröcken, der Fund ein Vorkommen in den Silikatalpen, den, unstrukturierten Hochstauden- stammt nicht von ihm selbst, keine wo Viola pyrenaica im Bereich eines flächen, wo die Art nie gefunden wur- Nennung im Text! - 8726/2; «an der Lawinars an der Basis und unter einem de. Zur Blütezeit des Veilchens sind die Lechtaler Straße ober Taschenberg Amphibolitschrofen im Verwall gefun- Standorte noch niedrig bewachsen, (dort spärlich) auf der Wetterweide» den wurde. Die Art besiedelt relativ werden aber im Sommer von zahlrei- Handel-Mazzetti (1947); - 8726/4; «vom wärmegetönte, südlich (südwestlich chen höheren Kräutern und Hochstau- Stadl 1789 m gegen das Blisenälpele» bis südöstlich) exponierte hochmon- den dominiert und sind dann stärker Handel-Mazzetti (1947); - 8726/4; «un- tane und subalpine Lagen zwischen beschattet. Teilweise erfolgt eine Be- terhalb Bürstegg bei Lech, auf einem 1300 und 1685 m, die im Verlaufe des schattung auch durch einzelne Büsche steinigen Hange, ca. 1650 m» Handel- Mazzetti (1947). Die historischen Funde gehen auf die intensiven Bemühungen von Her- mann Handel-Mazzetti um die Veil- chenflora von Tirol und Vorarlberg zurück (Handel-Mazzetti, 1941; 1947). Polatschek (2001) berücksichtigte nur einen dieser Nachweise. Dörr (1994) wies wohl als erster auf das histori- sche Vorkommen von Viola pyrenaica in Vorarlberg hin. Die historischen Funde lassen sich zwei Fundgebieten im Lechquellengebirge zuordnen. Einerseits einem nicht näher bekann- ten Gebiet westlich Schröcken und andererseits die südostexponierte orografisch linke Talseite des Lech­ tales zwischen Warth und Lech. Auch die eigenen aktuellen Fundorte dieser Abb. 24: Standort von Viola pyrenaica bei Stuben am Arlberg, 14. Mai 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 11 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

noch weitere Vorkommen in Vorarl- berg entdeckt werden können. So sind weitere Funde auch im Vorarlberger Anteil der Allgäuer Alpen zu erwarten, zumal Dörr (1994) die Art unweit der Grenze im Gebiet des Gottesacker- plateaus beim Hohen Ifen (Rand des Unteren Gottesackers) gefunden hat. Auch in Liechtenstein im Gebiet der Lawena im Rätikon zwischen 1400 m und 1790 m sind Vorkommen be- kannt (Seitter, 1977; Waldburger et al., 2003). In den Schweizer Alpen ist die Art weit verbreitet, die Fundorte aber sehr dünn gesät (http://www.infoflo- ra.ch/de/flora/567-viola-pyrenaica. html). Nach heutigem Wissensstand Abb. 25: Standort von Viola pyrenaica bei Sunnalagant in Brand, 13. Mai 2013 kann ­Viola pyrenaica in Vorarlberg als zerstreut vorkommend betrachtet oder junge Fichten. Ein anderer Stand- de an mehreren Stellen im National- werden. ortstyp sind Karstflächen in der sub- park Berchtesgaden (Buchholz, 2007) alpinen Stufe mit einzeln stehenden sowie neue Nachweise in der Steier- Fichten und Zirben. Hier wächst Viola mark (Ocepek & Köckinger in Heber et al.; Schweiz-Veilchen pyrenaica entweder auf den geneigten 2011; H. Köckinger, schriftl.) und in den Viola thomasiana Karstflächen unter dem Schirm des Julischen Alpen (Dakskobler & Peljhan, Zwergstrauchunterwuchses (Calluna 2007) zeigen aber auch, dass die Art Aktuelle Fundorte: 9026/2; Montafon/ vulgaris, Vaccinium myrtillus, V. vitis- an vielen Fundorten trotz langjähriger Verwall, Gemeinde Gaschurn, östlich idaea, Arctostaphylos uva-ursi, Rhodo­ floristischer Tätigkeiten offenbar lan- Partenen, Außerganifer, am Wander- dendron hirsutum, Juniperus communis ge übersehen wurde. Möglicherweise weg unter dem Ganiferschrofen; 1475 subsp. nana) bzw. besonders zahlreich deswegen, weil sie an eher abgelege- m, Südost-Exposition, locker mit jun- an der schuttreichen geneigten Basis nen Gebirgsstandorten schon recht gen Fichten und Zwergsträuchern be- kleiner Felswändchen. Diese werden früh im Jahr bald nach der Schnee- wachsenes steiniges Lawinar zwischen von einer reichen Kräuter- und Hoch- schmelze blüht und später durch alten Fichtenwäldern; leg. et fot. 8. Juni staudenvegetation eingenommen, hochwüchsige Stauden verdeckt und 2013; - 8926/3; Montafon/Verwall, Ge- die aber zur Blütezeit des Veilchens damit nicht mehr leicht zu finden ist. meinde St. Gallenkirch, Gortipohl, am noch kaum entwickelt ist. Auch die- In Österreich gilt die Art nach Fischer Wanderweg zwischen Netza-Maisäß se Wuchsorte sind im Frühjahr gut et al. (2008) als selten bis sehr selten und Netzaalpe; 1690 m, Südwest-Ex- besonnt und später von der sich ent- und wird für die Bundesländer Vorarl- position, Zwergstrauchheide mit viel wickelnden Hochstaudenvegetation berg (verschollen/ausgestorben), ­Tirol, Heidekraut, Preiselbeere und niedriger stärker beschattet. Salzburg, Kärnten und Steiermark Heidelbeere, stellenweise Zwergwa- Das Pyrenäen-Veilchen ist in den Ge- angegeben. Für Oberösterreich ist cholder, recht trockene Ausprägung birgen des südlichen Europa beheima- das Vorkommen fraglich. Es ist davon (zwergstrauchreiche ehemalige Bürst- tet. Vorkommen finden sich in Kanta- auszugehen, dass bei gezielter Suche lingsweide, wohl kaum mehr genutzt), brien und den Pyrenäen, im südlichen Jura und den Alpen bis zu den Gebir- gen der Balkanhalbinsel sowie im Kau- kasus (Becker, 1910; Hegi ,1965; Haupt- verbreitung nach Fischer et al., 2008: SW-Europa, W-Alpen, SO-Europa). Die Art galt in vielen Ländern lange als sel- ten oder war gar nicht bekannt. Neu- entdeckungen der letzten Jahre wie der Erstnachweis für Deutschland in den Allgäuer Alpen (Dörr, 1994), Fun- Abb. 26 und 27: Viola thomasiana, Partenen, Außerganifer, 8. Juni 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 12 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

die ­Deferegger Berge und Karnischen Alpen Osttirols (Hegi; 1965, Polat- schek, 2001). Die Art bevorzugt saure Boden­unterlagen und fehlt daher in Kalkgebirgen auf großer Strecke. So beschränken sich auch die Nordtiro- ler Fundorte auf die kristallinen Zent- ralalpen und Schieferalpen südlich des Inns (Handel-Mazzetti, 1941; Polatschek. 2001). Die Vorarlberger Fundorte stehen in räumlicher Beziehung zu den von Handel-Mazzetti (1941) entdeckten na- hen Vorkommen im Paznauntal (Gal- tür, Wirl). Das nächste liegt nur etwa 6 km entfernt. In der Schweiz ist das Schweiz-Veilchen (= Thomas-Veilchen) hauptsächlich in den südlichen Al- penketten bzw. -tälern verbreitet, insbesondere im Tessin und Wallis. Abb. 28: Viola thomasiana, Partenen, Abb. 29: Standort von Viola thomasiana In Graubünden sind weit verstreute Außerganifer, 8. Juni 2013 in Partenen, Außerganifer, 8. Juni 2013 Fundpunkte vorhanden (http://www. infoflora.ch/de/flora/570-viola-thoma- große Freifläche im subalpinen Fich- Die beiden Populationen sind sehr siana.html). In Liechtenstein wurde die tenwald; leg. et fot. 22. Juni 2013 klein und scheinen jeweils aus nur we- Art im Berggebiet der südlichen Lan- Die Art wurde an zwei Stellen im nigen Individuen zu bestehen. Nicht deshälfte zwischen 1440 m und 1700 Silikat­gebiet des Montafoner Verwall blühende Pflanzen sind allerdings sehr m gefunden (Seitter, 1977; Waldbur- festgestellt. Die Fundorte liegen in schwer zu entdecken. ger et al., 2003). Es ist daher durchaus der subalpinen Höhenstufe im Bereich Das Schweiz-Veilchen gilt als Endemit wahrscheinlich, dass auch im Vorarl- des Fichtenwaldgürtels, bei 1475 bzw. der westlichen Alpen. Die Vorkom- berger Anteil des Rätikon noch Vor- 1690 m. Dabei werden verhältnis- men reichen von den Seealpen bis zu kommen existieren. mäßig trockene, südlich exponierte den Bergamasker Alpen und weiter Zwergstrauchbestände in breiten La- nördlich in den Zentralalpen bis in winenschneisen zwischen Fichtenwäl- dern besiedelt. Eine überdurchschnitt- liche Wärmetönung ergibt sich wohl durch die Lage in einer nach Süden of- fenen Geländewanne (Netza) bzw. bei einer Wärme abstrahlenden Felswand (Ganifer). Der Untergrund sind Böden über sauren Gneisen (Netza) bzw. über Hangschutt aus basischem Amphibo- lit (Ganifer). Früher wurden die Hänge wohl auch beweidet. Typische Begleit- arten sind etwa die Zwergsträucher Calluna vulgaris, Vaccinium myrtillus und V. vitis-idaea, Potentilla erecta und einzelne Individuen von Juniperus communis subsp. nana. Im Gebiet von Netza waren Viola canina subsp. cani­ na, V. canina subsp. ruppii (= V. canina subsp. montana) und V. riviniana bzw. Hybriden in der Nachbarschaft häufig Abb. 30: Auf Netza bei St. Gallenkirch wurde nur der weiß blühende Morphotyp von anzutreffen. Viola thomasiana festgestellt, 22. Juni 2013 inatura – Forschung online 8 (2014) 13 ©inatura Dornbirn, Austria, download unter www.biologiezentrum.at

Dank Zum Autor

Mein besonderer Dank gilt Univ.Prof. Geboren 1965, aufgewachsen in i.R. Mag. Dr. Georg Grabherr, durch Schlins. Studium der Biologie und Erd- den ich Gelegenheit erhielt im Rah- wissenschaften (Lehramt) an der Uni- men einer Waldvegetationskartierung versität Innsbruck mit Abschluss im auch in entlegene oder von Botani- Jahr 1992. Seither freiberufliche Tätig- kern wenig beachtete Winkel unseres keit als Biologe in Vorarlberg mit den Bundeslandes zu gelangen, sodass Schwerpunkten Vegetation, Wald und ich auch manch interessanten floristi- Naturschutz. Ein besonderes ­Interesse schen Fund tätigen konnte. Seit seiner gilt seit jeher der Vogelkunde, in jün- Innsbrucker Zeit als Dozent an der Uni- gerer Zeit auch zwei etwas kryptischen versität Innsbruck, wo ich seinen anre- Lebensformen, nämlich Fledermäusen genden Unterricht genießen durfte, und Moosen. hat er die vegetationsökologische und floristische Erforschung des Bundes- landes Vorarlberg stets gefördert und unterstützt. Bei meinen Botanikerkollegen Chris- tian Schröck und Heribert Köckinger möchte ich mich für ihr aufrichtiges Interesse, den Ansporn und die wert- vollen fachlichen Tipps und Hinweise bedanken. Bernhard Maier vom Stand Montafon teilte das Interesse am Eis- zeitrelikt Moosglöckchen und beglei- tete mich bei einzelnen Exkursionen, bei denen wir auch ein Vorkommen dieser Art entdeckten. Johanna Kron- berger möchte ich für ihre Auskunft zum Vorkommen von Alpenbalsam und Lärchennadel-Miere in und um den Alpengarten der Lindauer Hütte herzlich danken. Christine Tschisner, die das Herbar und die Datensamm- lung der inatura - Erlebnis Naturschau GmbH in Dornbirn betreut, war mir bei entsprechenden Recherchen hilf- reich zur Seite. Wolfgang Neuner vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum übermittelte mir freundlicherweise die genauen Funddaten eines alten Moosglöckchen-Fundes. Für die ab- schließende Durchsicht des Manu- skriptes und wertvolle Kritik danke ich meinen Kollegen Andreas Beiser und Christian Schröck.

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