Erhard Jahn

WIND- UND WASSERMÜHLEN IM BEZIRK

2 Abbildungsnachweis: Titelfoto: Windmühle Ottleben Fotos: Jahn (63), Nestler (24), Neitzel (14), Haase (1), Bauer, (1), Blume (1), Maywald (1) Zeichnungen: Neitzel, Berger Reproduktionen: Nestler, Dieck

Herausgeber: Kulturbund der DDR, Bezirksvorstand Magdeburg der Gesellschaft für Denkmalpflege Gestaltung: Ulrich Bartelmann Satz und Klischeeherstellung: Druckerei „Volksstimme“, Magdeburg Druck: Volksdruckerei Druckgenehmigungs-Nr. vom Rat des Bezirkes Magdeburg • N 37/87 Kartendruckgenehmigungs-Nr.: E 165/87 EVP 10,00 M

3 Erhard Jahn Wind- und Wassermühlen im Bezirk Magdeburg

Herausgeber: Kulturbund der DDR Bezirksvorstand Magdeburg der Gesellschaft für Denkmalpflege

4 Inhalt

Vorbemerkung...... 3 1. Einleitung...... 3 2. Entwicklungsgeschichte der Getreideverarbeitung ...... 4 3. Die Verbreitung der Wind- und Wassermühlen...... 9 4. Wassermühlen...... 20 4.1 Mühlen mit oberschlächtigem Antrieb ...... 20 4.2 Mühlen mit mittelschlächtigem Antrieb ...... 22 4.3. Mühlen mit unterschlächtigem Antrieb...... 23 4.4 Schiffmühlen ...... 24 4.5 Turbinengetriebene Wassermühlen ...... 27 5. Windmühlen ...... 29 5.1 Bockwindmühlen ...... 29 5.2. Holländerwindmühlen ...... 32 5.3. Turmwindmühlen...... 32 5.4. Paltrockwindmühlen...... 35 5.5. Windkraftanlage ...... 37 6. Verarbeitungstechnik...... 41 7. Mühlen und Kunst ...... 45 8. Aufführung der Mühlen des Bezirkes ...... 51 9. Der Müller und seine Mühle...... 81 10. Mühlen und Denkmalpflege ...... 87 Literaturverzeichnis ...... 94

2 Vorbemerkung Bei der Bearbeitung des umfangreichen Materials für das vorliegende Heft erhielt ich vielfache Unterstützung bei Fachleuten und Interessierten, wofür ich mich herzlich bedanken möchte. Besonders möchte ich den Müllermeistern Gerhard Wilcke, Karl-Heinz Jäger und Hans-Werner Trog für die fachliche Beratung, Frau Gitta Nestler für die zuverlässige Bearbeitung des fotografischen Materials, dem VEB Denkmalpflege Magdeburg für die organisatorische Hilfe und Herrn Dr. Dr. Herrmann Wirth für die Anfertigung des Fachgutachtens danken. Mit dieser Broschüre kann die umfangreiche Thematik nur angeschnitten und nicht erschöpfend bearbeitet werden. Der Verfasser ist deshalb dankbar für weitergehen- de Hinweise, Ergänzungen und kritische Anmerkungen. Erhard Jahn

1. Einleitung Es gibt sie noch, die Windmühlen, meist auf einem Hügel am Dorfrand gelegen und damit weithin sichtbar, oder die Wassermühlen im Tal am rauschenden Bach. Neben den einst wichtigen Versorgungsaufgaben, die sie erfüllten, prägten sie in wesentli- chem Maße das Bild unserer Landschaft. Dabei waren sie nur ein Abschnitt in der Entwicklung der Technik, hatten ihre Vorläufer in einfachen Mahlgeräten, fanden ihre Fortsetzung in Motormühlen und vorläufige Vollendung in den heutigen indust- riellen Mühlenbetrieben. Geblieben ist ihre Bedeutung als Meilenstein in der Ent- wicklung der Produktivkräfte, ihr Einfluss auf eine Reihe von Industriezweigen, ihr Wert als technisches Denkmal mit gewerblicher, musealer oder individueller Nut- zung. Geblieben ist aber auch ihre Funktion als Gestaltungselement dort, wo sie durch die verantwortungsvolle Entscheidung staatlicher Stellen, durch Familientradi- tion oder durch aktives Handeln technikbegeisterter Denkmalpfleger ihren Platz im Leben der Dörfer und Städte behalten oder wiedergefunden haben.

Um es vorwegzunehmen. Es geht nicht um Mühlenromantik, denn die Arbeit des Müllers war alles andere als romantisch. Es geht um die Bewahrung technikge- schichtlicher Zeugnisse unseres Erbes und ihre Weitergabe an künftige Generationen, damit im wahrsten Sinne des Wortes „begreifbar“ bleibt, was die Verarbeitung von Getreide im Laufe ihrer langen Geschichte an technisch-konstruktiven Hilfsmitteln hervorgebracht hat.

3 2. Entwicklungsgeschichte der Getreideverarbeitung Mit der Kultivierung der Gerste und später des Weizens vor etwa acht- bis sechstau- send Jahren wurde es notwendig, auch Geräte zur Verarbeitung dieser frühen land- wirtschaftlichen Erzeugnisse zu benutzen. Man bediente sich dazu geeigneter Steine, zwischen denen die Körner zerrieben wurden. Auf einer flachen oder leicht eingetief- ten Bodenplatte von etwa 50 cm Seitenlänge wurde ein handlicher abgerundeter Reibestein bewegt. Neben den berühmten Funden von Reibesteinen aus den 6 000 Jahre alten Kultur schichten der Pfahlbauten im Bodensee oder den fast 4 000 Jahre alten Darstellungen von Reibesteinen in ägyptischen Pharaonengräbern zeigen auch einige Museen unserer Heimat ihren Besuchern teilweise oder komplett erhaltene Reibemühlen von hiesigen Fundplätzen.

Abb 1 (oben) zeigt einen Handreibestein, der ohne den zugehörigen Läuferstein in der Umgebung Magdeburgs gefunden wurde und zur Sammlung des Kulturhistorischen Museums Magdeburg gehört.

Reibemühlen wurden etwa ab dem 5. Jahrtausend v. d. Z. verwendet. Sie erfuhren schließlich eine Verbreiterung und Vertiefung der Reibemulde, ehe sie durch die Drehmühlen abgelöst wurden.

Mit der revolutionierenden Neuerung der Wandlung der linearen in eine Drehbewe- gung war die Voraussetzung zum Bau von Drehmühlen geschaffen, die nach heutiger Kenntnis bereits um 1500 v. d. Z. im Industal benutzt wurden [1]. In unserer Gegend tauchten sie um die Zeitenwende auf [2] und blieben etwa bis zum 12. Jahrhundert in Gebrauch. Nach den ersten Drehmühlen, die der Mensch noch bewegte, wurden später größere Tiermühlen gebaut, die durch Esel, Pferde oder Ochsen angetrieben wurden.

4 Abb 2 Eine komplette Drehmühle des 8. Jahrhunderts aus der Sammlung des Kulturhistori- schen Museums Magdeburg. Sie wurde in Magdeburg- Rothensee bei Baggerarbeiten ge- funden. Die Holzteile wie Griff, Traverse und Zapfen wurden nach Originalbefunden rekon- struiert.

Die Notwendigkeit, die immer größer werdenden Siedlungen, Städte und Armeen zu versorgen, führte die Menschen auf der Suche nach intensiveren Energien zur Nut- zung der Naturkräfte Wasser und Wind. In Griechenland wurden bereits im 3. Jahrhundert v. d. Z. die ersten Wassermühlen betrieben, allerdings noch mit liegendem Wasserrad. Erst die Römer entwickelten das Prinzip des stehenden Wasserrades. Der Ingenieur Vitruv lieferte im 1. Jahrhun- dert v. d. Z. das Konstruktionsprinzip, nach dem noch heute die Wassermühlen arbei- ten. Ihre breite Anwendung fanden diese Mühlen erst 5 Jahrhunderte später an der Schwelle der Feudalgesellschaft. Schiffmühlen als besondere Form der Wassermühlen wurden im 6. Jahrhundert erstmals in Rom eingesetzt während der Belagerung der Stadt durch die Goten. Von Rom aus gelangten die Wassermühlen auch nach Norden in die ehemaligen römischen Provinzen und von dort aus durch Mönche im Zuge der Verbreitung des Christentums nach Osten. Im Ostharzgebiet tauchten die ersten Wassermühlen ver- mutlich im 8. Jahrhundert auf [2]. Verständlich, dass sie nach und nach die bis dahin üblichen Drehmühlen verdrängten, obwohl diese stellenweise auch noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland in Gebrauch waren.

5 Abb 3 (oben) zeigt den Bodenstein einer Drehmühle, der in der Westseite des romanischen Kirchturms von Ahlum, Kreis Salzwedel, eingemauert worden ist, was übrigens auch einen Beweis für die hohe Wertschätzung und Verehrung der Mühle darstellt.

Einige der heute noch existierenden Wassermühlen gehen laut urkundlicher Erwäh- nung bis auf das 13. Jahrhundert zurück und dürften in ihrem Konstruktionsprinzip etwa der Darstellung aus dem „Hortus Deliciarum“ der deutschen Äbtissin Herrad von Landsberg aus dem 13. Jahrhundert entsprochen haben. (Abb 4)

6 Die Nutzung der Windkraft gelangte später nach Europa. Vermutlich waren es heimkeh- rende Kreuzfahrer, die die damals schon im Orient üblichen Mühlen nach Europa brach- ten. Hier wurden sie urkundlich erstmals 1105 in Frankreich erwähnt. Die ersten Windmühlen in Deutschland wurden urkund- lich 1183 in Lübeck erwähnt. Bei Bismark () wird 1909 eine im 13. Jahrhundert errichtete Windmühle als noch in Betrieb befindlich erwähnt [3].

Eine der ältesten Windmühlen der DDR ist die heute noch arbeitende Bockwindmühle von Ottleben, Kreis Oschersleben (Abbildung 5, rechts) Wenn auch regional unterschiedlich ausgeprägt, so bestimmen die Wind- und Wassermühlen bis zum 19. Jahrhundert Technik und Technologie der Getreideverar- beitung. Im ständigen Bemühen um Rationa- lisierung ihrer Betriebe waren die Müller stets aufgeschlossen gegenüber der Nutzung neuer Abb 5 Bockwindmühle Ottleben, Kreis Energien. Oschersleben (Archivaufnahme des Eigners ) Dampfmaschine, Sauggasmotor, Dieselmotor und Elektromotor wurden zunächst in oder an der Mühle als ergänzende Energiequellen installiert. Abbildung 6 (Seite 8 oben) zeigt den Betrieb der Windmühle Glindenberg, Kreis Wolmirstedt, nach Entfernen des Bockes und Installation eines Sauggasmotors im Jahre 1913 (Archivaufnahme des Eigners). In einer weiteren Entwicklungsphase Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden dann völlig neue Betriebe als Motormühlen. Auf diese Weise wurde es möglich, die Müh- len unabhängig von der nicht ständig in gleicher Intensität anstehenden Naturkraft Wind und Wasser zu betreiben. Außerdem konnten die Mühlen neu in den Zentren des Verbrauchs, also in den Ortschaften, errichtet werden. Oftmals waren es die ehemaligen Wind- und Wassermüller selbst, die dem ökonomischen Druck folgend, ihre alten Betriebe aufgaben und leistungsfähiger aufbauten. Abbildung 7 (Seite 8 unten) zeigt das Werbefoto eines Mühlenbetriebes mit dem Hinweis auf die 1927 erfolgte Umstellung von Wind- auf Motorkraft. Zur Versorgung der Großstädte reichten jedoch die schon wesentlich leistungsfähigeren Motormüh- len nicht aus, so dass eigenständige Industriemühlen entstanden, die heute überwie- gend die Versorgung der Bevölkerung mit Getreideprodukten gewährleisten.

Abbildung 8 (Seite 9) zeigt eine Industriemühle, den 1925 bis 1927 errichteten heuti- gen Konsum-Mühlen- und Teigwarenbetrieb Magdeburg mit einer täglichen Vermah- lungsleistung von etwa 300 Tonnen.

7 Abb 6 Windmühle Glindenberg mit Anbau für Sauggasmotor

Abb 7 Werbefoto eines Mühlenbetriebes mit dem Hinweis auf die 1927 erfolgte Umstellung von Wind- auf Motorkraft

8 Abb 8 Industriemühle, der 1925-1927 errichtete Konsum-Mühlen- und Teigwarenbetrieb Mag- deburg mit einer täglichen Vermahlungsleistung von 300 Tonnen.

3. Die Verbreitung der Wind- und Wassermühlen Der Bezirk Magdeburg gehörte zu den ehemals mühlenreichen Territorien. Noch heute begegnen uns in der Flur und in den Ortschaften die „Mühlenbreite“, der „Mühlenweg“, der „Mühlenberg“, der „Mühlengraben“ und andere Begriffe, die einen eindeutigen Zusammenhang zur Mühle herstellen, ohne dass dort noch Müh- len zu finden wären. Selbst ältere Aufzeichnungen geben oftmals keine weiteren Hinweise auf Standorte, so dass wir uns mit der Kenntnis begnügen müssen, dass die heute bestehenden bzw. noch nachweisbaren Mühlen nicht die erste Generation ihrer Art in unserer Gegend gewesen sind.

Die Hauptverbreitungszeit der Wind- und Wassermühlen ist das 19. Jahrhundert, aber bereits in dessen zweiter Hälfte begann das „Mühlensterben“ aus schon vorher genannten Gründen.

Abbildung 9 (Seite 10) zeigt eine Übersicht von Mühlenstandorten, die anhand von Messtischblättern aus der Zeit um 1900 erarbeitet wurde. Dabei ist zu beachten, dass die eingetragenen Windmühlen ausschließlich Getreidemühlen waren, während bei den Wassermühlen verschiedentlich einige wenige Säge- und Papiermühlen mit er- fasst sind.

9 Abb 9 Mühlenstandorte nach Messtischblättern um 1900

10 Die Karte gibt zwar keinen eindeutigen Aufschluss über die in Betrieb befindlichen Objekte im Gebiet des heutigen Bezirkes Magdeburg, dennoch kann davon ausge- gangen werden, dass die insgesamt 822 Wind- und 355 Wassermühlen in Betrieb waren, denn aufgegebene Objekte wurden im allgemeinen zum Zwecke des Weiter- betreibens verkauft und umgesetzt oder abgebrochen. Die Abbildung vermittelt eine Vorstellung von der einstmaligen Bedeutung dieser landwirtschaftlichen Produkti- onsstätten.

In Tabelle 1 sind die Standorte, nach Kreisen und Gemeinden unterteilt, aufgeführt. Dabei gelten die heutigen Kreisgrenzen. Die in den ehemals selbständigen Orten und heutigen Ortsteilen vorhanden gewesenen Mühlen sind unter dem heutigen Ge- meindenamen ohne Angabe des Ortsteiles eingetragen.

Tabelle 1 Standorte von Wind- und Wassermühlen um 1900 in den heutigen Kreisen und Gemeinden

Kreis Burg Gemeinde Wind- Wasser- Gemeinde Wind- Wasser- mühlen mühlen mühlen mühlen Burg - 3 Küsel - 1 Dannigkow 1 - Lostau 2 - Drewitz - 2 Magdeburgerforth - 1 Gerwisch 1 1 Menz 1 - Gommern 1 - Möckern 2 - Grabow - 3 Niegripp 2 - Groß Lübars 1 1 Parchau 3 - Hohenwarthe 2 - Reesen 2 - Hohenziatz - 1 Rietzel 2 - Ihleburg 1 - Schartau 2 - Karith 1 - Schermen - 1 Königsborn 1 - Stegelitz 1 - Körbelitz 2 - Wörmlitz 1 - Theeßen - 1 Wüstenjerichow - 2 Tryppehna 1 - Zeddenick 1 - Vehlitz 1 1 Ziepel 1 - Krüssau - 1 33 19

Kreis Gardelegen

Algenstedt 1 - Jerchel 1 - Altmersleben 2 - Kakerbeck - 3 Berg - 1 Kalbe 2 1 Berkau 2 - Kassiek 1 - Bismark 7 - Klein Neuendorf - 2 Breitenfeld 1 - Könnigde 1 - Büste 2 - Kremkau 2 - Estedt 1 - Letzlingen 3 - Gardelegen 1 10 Lindstedt 3 - Großengersen - 2 Neuendorf 2 - Hemstedt 1 1 Sachau 1 - Holzhausen 1 - Schenkenhorst - 1 Jävenitz 1 - Schwiedau - 1 Jeggau 1 - Seethen 1 -

11 Gemeinde Wind- Wasser- Gemeinde Wind- Wasser- mühlen mühlen mühlen mühlen Sichau 1 - Wernstedt 1 - Solpke 1 - Ziepke - 3 Wannefeld 4 2 Zichtau - 2 46 29

Kreis Genthin

Altenklitsche 1 1 Karow 3 - Bergzow 4 - Mützel 2 - Brettin 1 - Nielebock 2 - Ferchland 1 - Paplitz 2 - Genthin 7 - Parchen 1 - Gladau 2 2 Parey 1 - Großdemsin 1 - Redekin 2 - Großwolkow 3 - Roßdorf - 1 Güsen 3 - Schlagenthin 3 - Hohenseeden 1 - Tucheim - 2 4 - Zabakuck - 1 Kade 4 - 48 7

Kreis

Anderbeck 1 - Hessen 1 1 Aspenstedt 1 1 Huy-Neinstedt - 1 Athenstedt - 1 Klein Quenstedt 1 1 Badersleben 1 3 Langenstein - 3 Berßel - 3 Lüttgenrode - 1 Bühne - 1 Osterwieck - 3 Danstedt 3 - Pabstorf 3 - Dardesheim 1 - Rhoden 1 - Dedeleben 1 1 Rohrsheim 1 - Deersheim - 1 Sargstedt 2 1 Dingelstedt 3 1 Schauen 1 1 Dreirode 2 1 Schlanstedt 1 3 Eilenstedt 4 - Schwanebeck 2 - Eilsdorf 1 - Veltheim 2 - Groß Quenstedt - 4 Wegeleben - 4 Halberstadt - 6 Zilly - 1 Harsleben - 2 33 45

Kreis Haldensleben

Ackendorf 1 - Belsdorf 1 - Alleringersleben2 2 1 Berenbrok 1 - Bartensleben 1 1 Bornstedt 3 - Bebertal - 4 Bösdorf 1 - Beendorf 1 1 Bregenstedt 1 - Behnsdorf 1 - Bülstringen 2 1

12 Gemeinde Wind- Wasser- Wind- Wasser- mühlen mühlen mühlen mühlen Eickendorf 1 - Neuenhofe 2 - Eimersleben 2 - Nordgermersleben 2 - Emden - 2 Ostingersleben 2 - Erxleben 1 1 Rätzlingen 1 1 Eschenrode 1 - Ribbenstedt 1 1 Etingen 2 1 Rottmersleben 2 1 Flechtingen 1 1 Satuelle 1 - Calvörde 3 - Schackensleben 2 1 Grauingen 1 - Schwanefeld 1 - Groß Santersleben 2 1 Seggerde - 2 Hakenstedt 2 - Süplingen 1 - Haldensleben 3 4 Uhrsleben 1 - Hillersleben 1 - Uthmöden 2 1 Hödingen 1 - Vahldorf 1 - Hörsingen 2 - Velsdorf 1 - Hundisburg 1 2 Walbeck - 3 Kathendorf 1 - Wedringen 1 - Klüden 2 - Wefensleben - 4 Lockstedt - 2 Wieglitz 1 - Mannhausen 2 - Zobbenitz 2 - Morsleben - 1 68 37

Kreis

Briest 3 - Nitzow 2 - Groß Mangelsdorf 2 - Rehberg 4 - Fischbeck 4 - Sandau 3 - Havelberg 6 - Schollene 2 - Hohengöhren 3 - Schönfeld 1 - Jederitz 1 - Schönhausen 6 - Klietz 4 - Vehlgast/Kümmernitz - 2 Kuhlhausen 1 - Warnau 3 - Molkenberg 2 - Wulkau 2 - Neuermark 2 - 51 2

Kreis Klötze

Ahlum - 1 Jahrstedt 1 - Bandau - 1 Jeeben - 1 Beetzendorf 1 2 Jübar 1 - Buchhorst 1 1 Klötze 3 2 Dannefeld 1 - Köckte 1 - Dönitz - 1 Kunrau 1 - Groß Apendorf 1 2 Kusey 2 - Hanum 1 - Lüdelsen - 1 Hohenhenningen 1 1 Miesterhorst 1 - Immekath - 2 Neuendorf 1 -

13 Gemeinde Wind- Wasser- Wind- Wasser- mühlen mühlen mühlen mühlen Neuferchau 1 - Steimke 2 1 Niendorf 2 - Tangeln 1 3 Oebisfelde - 3 Wassendorf 1 - Ristedt - 1 Weddendorf 2 - Rohrberg - 2 Wenze 4 1 30 26

Magdeburg

Windmühlen 3 Wassermühlen 1

Kreis Oschersleben

Ackendorf 1 - Hötensleben 3 - Ausleben 4 2 Klein Alsleben 1 - Barneberg 1 - Marienborn - 1 Beckendorf-Neindorf 2 - Ohrsleben 2 - Gröningen 1 3 Oschersleben 2 - Groß Alsleben 3 - Sommersdorf 3 - Harbke 1 1 Völpke 1 1 Hordorf 1 - Wackersleben 1 - Hornhausen 1 - Wulferstedt 3 1 31 9

Kreis Osterburg

Aulosen 1 - Kleinau 2 - Arendsee 2 - Klein Schwechten 1 - Baben 1 - Königsmark 4 - Ballerstedt 1 - Kossebau 2 - Behrensdorf 1 - Krevese 2 - Beuster 2 - Krüden 1 - Bertkow 1 - Leppin 2 - Boock 1 - Lichterfelde 2 - Bretsch 2 - Lückstedt 3 - Erxleben 1 - Meseberg 1 - Falkenberg 1 - Osterburg 1 - Flessau 4 - Pollitz 2 - Gagel 1 - Sanne 2 - Geestgottberg 2 - Schönberg 2 - Gladigau 1 - Schrampe 1 - Goldbeck - 1 Schwarzholz 1 - Gollensdorf 3 - Seehausen (Altm.) 4 - Groß Garz 4 - Späningen 4 - Groß Rossau 1 - Thielberg 1 - Heiligenfelde 1 - Wahrenberg 1 - Hindenburg 1 - Walsleben 1 - Hohenberg-Krusemark 4 - Wanzer 2 - Iden 3 - Werben 7 - Kläden 1 - Ziemendorf 1 - 90 1

14 Kreis Salzwedel Gemeinde Wind- Wasser- Wind- Wasser- mühlen mühlen mühlen mühlen Abbendorf - 3 Lagendorf 1 - Alten Salzwedel - 1 Langenapel 1 1 Andorf 1 1 Liesten 1 - Badel 1 - Lüge 1 - Barnbeck - 1 Mechau 2 1 Benkendorf 1 - Mehmke 1 - Binde 2 - Neuekrog 1 1 Bornsen 1 - Osterwohle - 1 Brietz 1 - Packebusch 3 - Brunau 3 - Pretzier 1 - Chüden 2 - Riebau 1 - Dähre - 3 Salzwedel 2 4 Dambeck - 1 Schadeberg - 1 Diesdorf (Altm.) 1 1 Seebenau 2 - Ellenberg 1 - Siedendolsleben - 1 Fleetmark 2 - Siedenlangenbeck 1 - Güssefeld 1 - Stappenbeck 2 - Jeetze 1 - Valfitz - 1 Jeggeleben 2 - Vienau 2 - Kahrstedt 2 - Vissum 2 - Kaulitz 1 - Wallstawe - 1 Klein Gartz 1 - Wieblitz-Eversdorf - 1 Königstedt 1 - Winterfeld 1 1 Kuhfelde - 1 Zethlingen 1 - 51 26

Kreis Schönebeck

Barby 6 - Pömmelte 1 - Biere 2 - Pretzien 1 - Breitenhagen 1 - Randau 2 - Brumby 1 - Sachsendorf 1 - Calbe (Saale) 3 1 Schönebeck 5 - Eickendorf 1 - Schwarz 1 - Groß Mühlingen 1 - Tornitz 2 - Groß Rosenburg 3 - Trabitz 1 - Lödderitz 2 - Welsleben 3 - Pechau 1 - Wespen 1 - Plötzky 1 - Zuchau 1 - 41 1

15 Gemeinde Wind- Wasser- Wind- Wasser- mühlen mühlen mühlen mühlen

Kreis Staßfurt

Amesdorf - 1 Kroppenstedt 4 - Atzendorf 3 - Löderburg - 4 Borne 3 - Neundorf 2 1 Egeln 4 2 Rathmannsdorf 1 - Etgersleben 2 1 Schneidlingen - 6 Förderstedt 3 - Staßfurt 2 1 Groß Börnecke 5 - Tarthun 1 - Güsten - 3 Unseburg 1 1 Hakeborn 2 - Westeregeln 1 1 Hecklingen 1 3 Wolmirsleben 2 - Hohenerxleben 1 - 38 24

Kreis Stendal

Arneburg 3 - Lindtorf 2 - Badingen 4 - Lüderitz 3 2 Bellingen 1 - Mahlwinkel 3 - Bertingen 2 - Miltern 2 - Bindefelde 1 - Nahrstedt 1 1 Birkholz 1 - Querstedt 1 - Bittkau 4 - Ringforth 1 - Bölsdorf - 1 Rochau 2 - Buch 2 - Sanne 1 - Buchholz 1 - Schäplitz 1 - Cobbel 2 - Schelldorf 1 - Dahlen 3 - Schernebeck 1 - Demker 1 - Schernickau 2 - Dobberkau 3 - Schinne 2 - Eichstedt 1 - Schönwalde 1 - Garlipp 1 - Schorstedt 1 - Grassau 2 - Staats - 1 Grieben 2 - Staffelde 1 - Grobleben 1 - Stegelitz 1 - Groß Möhringen 2 - Steinfeld 2 - Groß Schwechten 3 - Stendal 1 1 Hassel 1 - Storkau 1 - Heeren 2 - Tangerhütte 3 - Hohenwulsch 2 - Tangermünde 2 - Hüselitz 2 - Uchtdorf - 1 Insel 3 - Uchtspringe - 1 Jarchau 1 - Volgfelde - 1 Käthen - 1 Weißewarte 2 - Kläden 1 - Windberge 1 - Langensalzwedel 1 - Wittenmoor 1 - 93 10

16 Gemeinde Wind- Wasser- Wind- Wasser- mühlen mühlen mühlen mühlen

Kreis Wanzleben

Altenweddingen 1 - Kl. Oschersleben 1 - Ampfurth 2 - Kl. Rodensleben 2 - Bahrendorf 1 - Kl. Wanzleben 2 - Beyendorf - 2 Langenweddingen 2 3 Bottmersdorf 3 1 Osterweddingen 1 1 Dodendorf 1 1 Ovelgünne 2 - Domersleben 5 - Remkersleben 2 2 Drackenstedt 3 - Schwaneberg 1 - Dreileben 1 - Seehausen 2 3 Druxberge 2 - Sülldorf 1 1 Eilsleben 2 - Ummendorf 1 - Gr. Germersleben 1 - Wanzleben 6 3 Gr. Rodensleben 5 - Wefensleben - 1 Hadmersleben 2 - Wormsdorf 3 - Hohendodeleben 3 - 58 18

Kreis Wernigerode

Abbenrode - 3 Langeln 2 1 Altenbrak - 4 Minsleben - 2 Benzingerode - 2 Reddeber - 2 Blankenburg - 7 Rübeland - 2 Darungerode - 1 Schierke - 1 Derenburg - 5 Silstedt - 3 Drübeck - 1 Sorge - 1 Elbingerode - 2 Stapelburg - 2 Hasselfelde - 2 Stiege - 1 Heudeber 2 - Veckenstedt - 3 Ilsenburg - 2 Wasserleben - 2 Königshütte - 1 Wernigerode - 7 4 57

Kreis Wolmirstedt

Angern 1 - Heinrichsberg 2 _ Barleben 5 - Hermsdorf 2 - Burgstall - 1 Hohenwarsleben 2 - Colbitz 6 - Irxleben 2 - Cröchern 1 - Jersleben 1 2 Dahlenwarsleben 5 - Klein Ammensleben 1 2 Dolle 1 - Loitsche 2 2 Ebendorf 2 - Meitzendorf 2 - Eichenbarleben 4 1 Meseberg 3 - Farsleben 2 - Niederndodeleben 2 - Glindenberg 2 - Ochtmersleben 3 - Groß Ammensleben 2 - Rogätz 4 - Gutenswegen 4 - Samswegen 2 1

17 Gemeinde Wind- Wasser- Wind- Wasser- mühlen mühlen mühlen mühlen

Sandbeiendorf 1 2 Wolmirstedt 3 1 Wellen 3 - Zielitz 2 - Wenddorf - 1 72 12

Kreis Zerbst

Bornum - 3 Luso - 1 Deetz - 1 Moritz 1 - Dobritz 2 1 Nedlitz 2 - Gödnitz 1 - Nutha - 2 Grimme 1 - Polenzko 1 - Güterglück - 1 Pulspforde - 1 Hobeck 2 1 Reuden 2 1 Hohenplete - 1 Rosian 2 - Jütrichau 2 - Steutz 4 - Ladeburg 1 - Straguth - 2 Leitzkau 3 - Walternienburg 2 - Leps 1 - Zeppernick - 1 Lindau - 1 Zerbst - 8 Loburg 1 4 Zernitz - 2 Lübs 2 - 30 31

Der schon an anderer Stelle erwähnte Rückgang der naturkraftbetriebenen Mühlen wurde für den Kreis Wolmirstedt nach Unterlagen aus dem Kreismuseum wie folgt nachgewiesen: Um 1840 waren im Kreisgebiet 84 Mühlenstandorte nachweisbar, um 1900 nur noch 77 (4). Dieser Rückgang ist Ausdruck der allgemeinen technischen Entwicklung und dürfte für andere Regionen ähnlicher sozialökonomischer Entwicklung entsprechend verlaufen sein. Die Verteilung der Mühlen über das Territorium des Bezirkes lässt folgende Aussagen zu: Tabelle 2 Verteilung der Windmühlen

Landschaftsgebiet Börde Mühlendichte Stück 100/km² Südlicher Kreis Wolmirstedt, teilweise Kreis 25 - 30 Schönebeck und Wanzleben, Harzvorland 15 - 20 Altmark und Kreise östlich der Elbe 8 - 12 Colbitz - Letzlinger Heide (teilweise Kreise 6 Tangerhütte, Gardelegen)

Während in Börde und Harzvorland etwa gleiche ländliche Einwohnerdichte zu ver- zeichnen war, lagen die Hektarerträge bei Getreide (Zahlen von 1912) in der Börde weit über dem Landesdurchschnitt, wie eine Ermittlung nach (5) zeigt (alle Zahlen in %).

18 Tabelle 3 Hektarerträge der Hauptgetreidearten Gebiet Winter- Sommer- Winter- Sommer- Hafer weizen weizen roggen roggen Preußen 100 100 100 100 100 Prov. Sachsen 120,9 117,7 119,1 127,1 118 Magdeburger Börde 135,3 127,6 1415 137,2 148,9 (Kreise Calbe, Haldensleben, Wanzeben, Wolmirstedt)

Die Produktion von Getreide bedingte natürlich auch Verarbeitungsbetriebe in hin- reichender Zahl.

Abb 10 Ansichtskarte aus der Umgebung von Barby um 1910 mit einer für die damalige Zeit typischen "Mühlenlandschaft"

Die Altmark und die relativ dünn besiedelten Gebiete östlich der Elbe gestatteten nur wenigen Mühlen eine Existenzgrundlage, während in den überwiegend forstwirt- schaftlich genutzten Waldgebieten schon die Frage des geeigneten Standortes die Zahl der Mühlen stark begrenzte.

Wassermühlen finden sich verstärkt im Harzvorland und in durchschnittlich gleich- bleibender Dichte in fast allen Kreisen. Auffallend wenig Wassermühlen sind in den Kreisen im unmittelbaren Einzugsgebiet der Elbe zu finden. Hochwasserzufluss und Rückstau sowie die daraus resultierende Schubkraft der Gewässer sind die Ursachen dafür.

19 4. Wassermühlen Wollte man die Wassermühlen danach einteilen, auf welche Weise das Wasser die Mühle antreibt, so könnte man folgende Arten anführen:  Mühlen mit oberschlächtigem Antrieb  Mühlen mit mittelschlächtigem Antrieb  Mühlen mit unterschlächtigem Antrieb  Panstermühlen  Schiffmühlen  turbinengetriebene Mühlen

4.1 Mühlen mit oberschlächtigem Antrieb Das Wasser wird von oben auf das Wasserrad geleitet. Dabei ist die Wassermenge ziemlich unerheblich, wenn ein entsprechendes Gefälle zur Verfügung steht bzw. dieses künstlich durch das Anlegen von Mühlgraben geschaffen werden kann.

Abb 11 Zeigt das 1986 gefertigte hölzerne Wasserrad der Wassermühle Staats, Kreis Stendal

Aber auch bei geringer Differenz zwischen Ober- und Unterwasser von etwa nur 1,5 m wurden oberschlächtige Räder gebaut, die dann aber eine entsprechende Brei- te und Wassermenge erforderten. Meltzer [6] schreibt in seiner „Mühlenbaukunst“ von oberschlächtigen Wasserrädern von 4 bis 16 Ellen, d. h. von etwa 2 bis knapp 9 m Durchmesser.

20 Wassergeschwindigkeit, Raddurchmesser, Umfangsgeschwindigkeit und Wirkungs- grad sind Größen, die einander bedingen und deshalb sorgfältig dimensioniert sein müssen, wenn die Mühle unter den gegebenen Bedingungen eine hohe Leistungsfä- higkeit entwickeln soll. Die Wasserräder wurden früher aus Eichenholz gefertigt, in jüngerer Zeit aus Stahl, womit ein höherer Wirkungsgrad erzielt werden konnte.

Die Errichtung von Mühlen an Flüssen und Bächen erfolgte im bergigen Gelände mit entsprechenden Gefälleverhältnissen unmittelbar am Wasserlauf. Die durch zusätzli- chen Anstau entstandenen Teiche tragen noch heute oftmals die Bezeichnung „Müh- lenteich “, wie zum Beispiel der Mönchemühlenteich bei Blankenburg, Kreis Werni- gerode. In flacherem Gelände wurden zur Erzielung der erforderlichen Gefällever- hältnisse unter geschickter Ausnutzung der Topographie oftmals kilometerlange künstliche Mühlgräben angelegt, die vom Flusslauf durch ein Wehr abgetrennt waren und damit im Zufluss reguliert werden konnten. Auf diese Weise entstanden beacht- liche künstliche Wasserläufe, wie zum Beispiel der von Mönchen angelegte teil- weise in der Aufschüttung liegende Mühlgraben der Wassermühle Staats, Kreis Sten- dal. Ein besonders beeindruckendes Beispiel für die Ausnutzung der Wasserkraft kleiner Bäche ist die Anlage der Mühlen am Sauerbach bei Seehausen im Kreis Wanzleben.

Abb 12 zeigt die schematische Darstellung der Mühlgräben für die Pulvermühle, Schlenter- mühle und Mittelmühle bei Seehausen/Börde.

21 Abb 13 Das einzige noch zu sehende, mittelschlächtige Rad von 6,3m Ø trieb einst die Untermühle in Güsten an der Wipper.

Der Mühlgraben der Pulvermühle, mündete in ein nur 30 cm breites Gerinne und trieb dann ein oberschlächtiges Wasserrad von 12 m Durchmesser (vermutlich das größte Deutschlands), das allerdings nur noch in Resten erhalten ist.

Diese technisch interessante Lösung zeigt andererseits auch, wieviel Mühe oftmals notwendig war, um die Naturenergien nutzbar zu machen.

4.2 Mühlen mit mittelschlächtigem Antrieb Reichte das Gefälle zum Bau eines oberschlächtigen Rades nicht mehr aus und war andererseits eine genügende Menge Wasser vorhanden, so baute man Räder, auf die das Wasser etwa in halber Höhe geleitet wurde, die dadurch gewissermaßen „rück- wärts“ liefen und als mittelschlächtig oder rückschlächtig bezeichnet wurden. Die Schaufeln sind so geformt, dass sie möglichst viel Wasser aufnehmen können und sich andererseits senkrecht aus dem Unterwasser, d. h. ohne Widerstand zu finden, aus dem Unterwasser herausheben. Damit das Wasser nicht vorzeitig die Schaufeln verlässt, ist um das Rad herum ein Kropf eng angelegt, wonach diese Räder auch die Bezeichnung „ Kropfräder“ tragen.

Wichtig für einen hohen Wirkungsgrad dieser Räder ist das stoßfreie Einlaufen des Wassers in die Schaufeln, aus denen die enthaltene Luft seitlich und durch Schlitze im Radboden entweichen kann, weshalb der Einlauf etwa 20 cm schmaler als die Schau- feln sein muss.

22 Mittelschlächtige Wasserräder wurden für Gefälle von 2 bis 4 Meter und Wasser- mengen von 100 bis 1 500 1/sec. gebaut [7]. Diese Bedingungen treffen vorwiegend für die Unterläufe mittlerer Flüsse zu.

4.3. Mühlen mit unterschlächtigem Antrieb Im Unterlauf der Flüsse, wo die Gefälleverhältnisse keine andere Möglichkeit zulas- sen, kamen unterschlächtige Räder in Anwendung, bei denen das Wasser von unten an die Schaufeln anschlägt. Sie benötigen daher im Gegensatz zu den ober- und mittelschlächtigen Rädern kei- nen Radboden. Das Wasser treibt durch seine Bewegungsenergie das Rad und nicht wie beim ober- und mittelschlächtigen Rad durch sein Gewicht. Diese Bewegungs- energie erhält das Wasser durch das in der Sohle zwischen Schützenschwelle und Rad geradlinig angelegte Gerinne („Schnurgerinne“), das zur Vermeidung größerer Ener- gieverluste möglichst kurz gehalten werden musste. In unserem Gebiet war die Zahl der unterschlächtigen Mühlen sehr gering. Die be- kanntesten dürften die am Unterlauf der Ohre gelegenen Herren- und Mittelmühle bei Jersleben und die Vordermühle bei Wolmirstedt gewesen sein.

Abb 14 Nur noch die Mittelmühle mit ihrem Rad von etwa 5,5 m Durchmesser ist erhalten

23 Einen Vergleich zwischen den verschiede- nen Wirkungsweisen des Wassers gestat- tet die Abbildung 15. Die beste Energie- ausnutzung boten die oberschlächtigen Räder, da das Gewicht der gefüllten Schaufeln ein größeres Drehmoment er- zeugte, als die kinetische Energie des auf- prallenden Wassers bei unterschlächtigen Rädern. Letztere wiederum hatten den Vorteil, größer ausgebildet werden zu können, als die Differenz zwischen Ober- und Unterwasser es zuließ. Sie erhielten damit eine größere Masse und einen gleichförmigeren Lauf als die im allgemei- nen kleinen oberschlächtigen Räder. Einer beliebigen Erhöhung des Durchmessers des unterschlächtigen Wasserrades stand die damit geringer werdende Umlaufzeit entgegen, was zur Folge hatte, dass ein erhöhter konstruktiver Aufwand zur Errei- chung der notwendigen Drehzahl der Mahlmaschinen erforderlich wurde. Abb 15 Weinholz spricht in seinem Handbuch der Mühlenbaukunst von unterschlächtigen Wasserrädern mit Durchmessern von 12 bis 14 Fuß, das sind etwa 4 Meter.

An Flüssen mit großer Wasserführung und durch Hochwasser häufig wechselnden Wasserständen errichtete man im 17. und 18. Jahrhundert unter- Wasserständen errichtete man im 17. und 18. Jahrhundert unterschlächtige Was- sermühlen mit in der Höhe verstellbaren Wasserrädern. Diese hochentwickelten Zeugnisse der Mühlenbaukunst wurden Panstermühlen genannt und konnten bisher im Bezirk Magdeburg nicht nachgewiesen werden. Sie sollen deshalb an dieser Stelle nur der Vollständigkeit wegen erwähnt werden. Eine gut erhaltene Panstermühle (allerdings ohne Wasserräder) kann heute noch in Schulpforte, , besichtigt werden.

4.4 Schiffmühlen Eine besondere Art unterschlächtiger Wassermühlen waren die Schiffmühlen, die einst sehr zahlreich auf den großen Flüssen stationiert waren. Sie bestanden aus dem Hausschiff, auf dem die eigentliche Mühle untergebracht war und dem Wellschiff, das als Auflager für die Welle des Wasserrades diente. Zwischen beiden spannte sich das mächtige Wasserrad. Schiffmühlen wurden dort eingesetzt, wo das Anlegen von Wehren und Dämmen für die Mühlgräben zu teuer geworden wäre. Sie waren transportabel, konnten also leicht umgesetzt werden, sie hoben und senk- ten sich mit dem Wasserspiegel, waren also kaum hochwassergefährdet. Auf ihre Verankerung musste aber besonderer Wert gelegt werden, denn Strömung, Hoch- wasser und Eisgang bildeten Gefahren, die nicht selten zu Unfällen mit bösen Folgen führten. 24 Von den Flüssen unseres Bezirkes wurde für den Betrieb von Schiffsmühlen mit Aus- nahme der Schiffmühle von Groß Rosenburg an der Saale nur die Elbe genutzt. Letzt- genannte Mühle wurde nach Schönebeck/Elbe umgesetzt.

Die erste Schiffmühle auf der Elbe in Magdeburg wurde nach (9) im Jahre 1425 auf Veranlassung des Rates der Stadt gebaut. In der Folgezeit entstand eine große Zahl dieser Schiffmühlen und wurde in Betrieb genommen. Auch au- ßerhalb Magdeburgs wurden Schiffmüh- len betrieben. So wird in Rogätz nach (10) die erste Schiffmühle 1572 im Besitz des Rittergutes erwähnt. Um 1697 gab es auf der Stromelbe in Magdeburg 23 Schiffmühlen, um1800 war ihre Zahl nur unwesentlich auf 21 zurückgegangen. Abbildung 16 zeigt die Standorte dieser Mühlen (9).

Auf Abbildung 17 (Seite 26) sind die um Abb 16 1865 nachgewiesenen Standorte von Schiffmühlen im Verlaufe der Elbe im Gebiet des heutigen Bezirkes Magdeburg dar- gestellt nach (11). Unterhalb Sandaus endeten die Schiffmühlen. Die Schubkraft des Flusses reicht nicht mehr zum Betrieb der gewaltigen Wasserräder, die etwa 5 bis 6 Meter breit und 4 Meter im Durchmesser waren. Jede der 12 Schaufeln hatte eine Fläche von knapp 3 m². Abbildung 17 (oben) zeigt nicht nur die Vielzahl der Schiffmühlen, sondern lässt auch die Behinderungen für die Schifffahrt erkennen. Die Mühlen nahmen gerade hier fast die gesamte Strombreite ein, denn jeder Müller war bestrebt, möglichst nahe der Flussmitte zu mahlen, weil die Energie des Wassers hier am größten ist. Trotz vielfäl- tiger Regelungen, wonach die Müller den Schiffen Platz zu machen hatten, gab es immer wieder Havarien. Die technische Entwicklung sowohl in der Schifffahrt als auch im Mühlenbau führte zum völligen Verschwinden der Schiffmühlen von Magdeburg im Jahre 1874. Die letzte Schiffmühle auf der Elbe arbeitete noch bis zum Jahre 1900. Dann musste auch sie dem Handel und Verkehr auf dem Strom Platz machen (Abbildung 18, Seite 27).

25 Abb 17

26 Abb 18 Die letzte Schiffmühle auf der Elbe arbeitet noch bis zum Jahr 1900, dann musste sie dem Handel und Verkehr auf der Elbe Platz machen.

4.5 Turbinengetriebene Wassermühlen Zu allen Zeiten waren Müller und Mühlenbauer nicht nur bestrebt, ihre Anlagen zu modernisieren und neueste Technik anzuwenden, vielmehr bestimmte die Mühlen- maschinerie die technische Entwicklung vieler anderer Zweige in Handwerk und In- dustrie. So war es nicht verwunderlich, dass im 19. Jahrhundert die Turbine auch Einzug in die Wassermühlen hielt und dabei das herkömmliche Wasserrad verdräng- te. Dennoch behielten auch trotz dieser Neuerung die Wasserräder dort ihre Berech- tigung, wo nur kleine und mittlere Wasserkräfte zur Verfügung standen. Bei Gefälle bis etwa 8 Meter, bei stark wechselndem Wasserzufluss oder verunreinigtem Wasser blieb das Wasserrad auch weiterhin zweckmäßig. Die Turbine reagierte mit ihrer leichten Bauart viel empfindlicher auf Schwankungen in der Zuflussmenge. Treibgut im Wasser konnte die Turbine leichter beschädigen, als die derbe Konstruk- tion eines Wasserrades. Eine Turbine erforderte daher stets einen Rechen, der zur Vermeidung von Staus und damit verbundenen Energieverlusten regelmäßig gerei- nigt werden musste. Der Einsatz von Turbinen musste also sorgfältig geprüft werden, brachte aber bei richtiger Entscheidung eine Verbesserung der Energieausnutzung des Wassers. Im Bezirk Magdeburg wurden die in Tabelle 4 ausgewiesenen Mühlen mit Turbinen ausgestattet. Vermutlich waren es noch weitere, es liegen jedoch keine gesicherten Kenntnisse darüber vor. Abbildung 19 (Seite 28) zeigt die Bauzeichnung für die Mon- tage der Turbine in der Wassermühle Tucheim.

27 Abb 19 Zeichnung zur Turbinenanlage der Wassermühle Tucheim

28 Tabelle 4 Turbinengetriebene Mühlen

Mühle Jahr der Umrüstung Ort/Kreis auf Turbine Bemerkung Audorf / Klötze 1937 defekt, Mühle stillgelegt Bone / Zerbst 1883 ausgewechselt 1939, heute Elektro- betrieb Deesdorf / Halberstadt 1950 Mühle stillgelegt Flechtingen / Haldensleben Turbine und Technik entfernt Ipse / Gardelegen 1950 indiv. Schrotherstellung, E- Betrieb Rohrberg / Klötzer defekt, indiv. Schrotherstellung, E- Betrieb Straguth / Zerbst 1918 Tangeln / Klötze 1940 indiv. Schrotherstellung, E- Betrieb Tucheim / Genthin 1908 Warmsdorf / Staßfurt 1936 gewerbliche Nutzung Zerbst 1934 Turbine verschüttet

5. Windmühlen Stand für den Bau einer Mühle das Wasser mit der notwendigen Menge und Schub- kraft nicht zur Verfügung, wurden Windmühlen errichtet. Sie boten den Vorteil, dass auf aufwendige Nebenanlagen wie Mühlgraben, Dämme und Wehre verzichtet wer- den konnte. Andererseits mussten Vorrichtungen getroffen werden, die ohnehin nicht ständig anstehende Windkraft aus allen Richtungen nutzen zu können. Das geschieht durch den Druck auf die Flügelpaare, die am Kopf der aus dem Müh- lengebäude herausragenden Welle angebracht sind. Auf diesem Grundprinzip arbeiten alle Windmühlen, die sich aber nach ihren kon- struktiven Besonderheiten unterteilen lassen in  Bockmühlen  Holländermühlen  Turmmühlen  Paltrockmühlen

5.1 Bockwindmühlen Bockmühlen sind die ältesten Windmühlen. Sie waren in unserem Bezirk der am häufigsten vertretene Mühlentyp und sind selbst heute noch bei ihrem höheren Alter und ihrer größeren Anfälligkeit mit etwa 70 Prozent am Gesamtmühlenbestand be- teiligt. Ihre Konstruktion stellt eine Meisterleistung früher Zimmermannskunst dar. Das Ableiten der enormen Kräfte bis in die Fundamente in Verbindung mit den tech- nologischen Prozessen der Verarbeitung des Getreides ist bewundernswert.

29 Die gesamte Mühle ruht auf vier auf dem Erdboden liegenden Fundamenten (Sand- stein, Feldstein, Mauerwerk). Darüber ist das Schwellenkreuz gelegt, über dessen Mittelpunkt der Hausbaum errichtet wird. Er wird an seinem unteren Ende durch die Schwellen und etwa in der Mitte durch die Sturmbänder unverschieblich gehalten.

Abb 20 Grundkonstruktion der Bockwindmühle mit Fundamenten, Schwellen usw.

30 Wichtig ist, dass der Hausbaum an seinem unteren Fußpunkt nicht den Boden be- rührt, da sonst das statische System instabil wird. In Höhe des oberen Endes der Sturmbänder umschließt der Sattel den Hausbaum. Damit ist der „Bock“, nach dem die Mühle ihren Namen hat, konstruiert und in der Lage, sowohl Vertikal- als auch Horizontalkräfte aufzunehmen und abzuleiten. Auf diesen Bock wird der Mühlenkas- ten mittels zweier Gleitbahnen am oberen Ende des Hausbaumes und auf dem Sattel aufgesetzt und drehbar gelagert (Abbildung 20, Seite 30).

Das Haupttragglied des Mühlenkastens ist der oft aus vier Kanthölzern zusammenge- setzte Hammer, der über den am oberen Ende des Hausbaumes angebrachten Zap- fen greift und damit unverschieblich, aber um diesen drehbar, gelagert ist. Jeweils an den Enden des Hammers sind die meist zweiteiligen Mehlbalken aufgelagert, an deren Enden wiederum die Eckstiele des Mühlengehäuse angehängt sind. Das ge- samte Mühlengehäuse wird durch den weit herausragenden „Stert“ in die gewünsch- te Windrichtung gedreht. Zur Erleichterung dieser schweren Arbeit bedient sich der Müller einer Winde, mit der eine an rings um die Mühle eingeschlagenen Pflöcken befestigte Kette aufgewi- ckelt wird. Steht die Mühle richtig im Wind, wird ein ebenfalls am Ende des Stertes befestigter Bock, der sogenannte „Schrick“, fest gegen den Boden gepresst, um ein unbeabsichtigtes Drehen der Mühle aus dem Wind, was sehr gefährlich werden kann, zu verhindern (Abbildung 21, unten). Ist die Mühle auf die vorbeschriebene Weise in den Wind gedreht, werden unter die hinteren fast bis auf den Erdboden reichenden Ecksäulen Keile geschlagen, die der Mühle einen sicheren Stand geben.

Abb 21 Stert einer Bockwindmühle mit Schrick und Winde

31 5.2. Holländerwindmühlen Bockwindmühlen üben durch ihre vier Einzel- fundamente eine ziemlich hohe Bodenpres- sung auf den Baugrund aus. Ihre Standsi- cherheit, besonders bei starken Stürmen an der Meeresküste, ist begrenzt. So ist es ver- ständlich, dass gerade holländische Mühlen- bauer Mühlentypen verwendeten und ver- breiteten, die diese erwähnten Nachteile nicht mehr hatten. Ein massives Unterge- schoss statt eines Bockes erhöht die Standsi- cherheit, senkt die Bodenpressung und bringt zusätzlichen Platz für die eigentliche Mühlen- technik. Der weitere Aufbau auf diesem Un- tergeschoss bestand zuerst aus Fachwerk- konstruktionen, demzufolge ein achteckiger Grundriss angelegt wurde. Die Ausfüllung der tragenden Fachwerkkonstruktion bestand aus Lehm, Ziegeln oder Brettern. Auf diesem feststehenden Unterbau wurde die Haube Abb 22 Holländermühle Seehau- mit dem Flügelkreuz drehbar aufgesetzt. sen/Altmark Dieser Grundtyp der Holländermühle ist im Bezirk nur in zwei Exemplaren gebaut worden: in Estedt, Kreis Gardelegen, und in Seehausen, Kreis Osterburg (Abbildung 22). Die in nördlichen Bezirken oft anzutreffende Galerie („Galerieholländer“) hat es im Bezirk Magdeburg nicht gegeben.

5.3. Turmwindmühlen Die Turmwindmühlen sind im Prinzip eine Fortsetzung und Weiterentwicklung der Holländerbauweise, weshalb auch heute noch für sie die Bezeichnung „Holländer“ gebräuchlich ist. Das Fachwerk wurde abgelöst durch Bruchstein- oder später Zie- gelmauerwerk. Der Grundriss konnte nun kreisrund angelegt werden. Der sich nach oben verjüngende massive Turm (A) erhält als oberen Abschluss den Rollenkranz (B), auf dem die drehbare Haube (C) aufgelagert ist. Die Welle (D) trägt vorn den Well- kopf (E), durch den über Kreuz die Bruststücke (F) gesteckt werden, an denen die Flügel (G) befestigt sind. Auf der Welle ist das Kammrad (H) montiert. Über den Bun- ker (I) wird die horizontale in eine vertikale Drehbewegung gewandelt und auf die Königswelle (K) übertragen. Das auf dieser befestigte Kronrad (L) greift in die Zähne des Ritzels (M), das über die Welle (N) den Mahlgang (O) treibt (Abbildung 23, Seite 33). Einige Konstruktionselemente der Turmmühle zeigen die Abbildungen 24 bis 26. (Arretierung der Haube, Fußpunkt der Königswelle mit Justiervorrichtung und Kron- rad mit Ritzel und Mahlgang Seite 34).

32 Abb 23 Schnitt durch einen Turmwindmühle

33 Die Turmwindmühlen erschienen um die Mitte des 19. Jahrhunderts in Mecklenburg, wenig später auch in unserem Gebiet. Die Turmmühle von Barby dürfte mit einer Höhe von 25 m eine der größten des Bezirkes Magdeburg sein (Abbildung 59, Seite 55).

Abb 24 Arretierung der Drehbaren Haube Abb 25 Kronrad mit Ritzel und Mahlgang

Abb 26 Fußpunkt der Königswelle mit Justiervorrichtung

34 5.4. Paltrockwindmühlen Um die Vorzüge der Turmwindmühlen (größere Standsicherheit, mehr Platz für neue und moderne Maschinen und damit verbundene Erhöhung des Leistungsvermögens) auch für hölzerne Mühlen zu nutzen, wurden diese unter Weglassen des Bockes auf einem massiven Fundament errichtet und durch einen Rollenkranz drehbar gelagert. Das Drehen in den Wind erfolgte über den schon von Bockwindmühlen bekannten Stert, oder über eine auf der Haube montierte Windrose, auf die später noch einge- gangen wird. Von den ehemals im Bezirk Magdeburg vorhandenen fünf Paltrockmühlen (Som- mersdorf, Breitenhagen, Parey, Klein Germersleben und Brumby) wurde nur Som- mersdorf unter Verwendung von Teilen einer Bockwindmühle in den Jahren 1903 bis 1904 neu gebaut. Die übrigen Paltrockmühlen sind umgebaute Bockwindmühlen (Breitenhagen 1914, Klein Germersleben 1946, Brumby 1950 und Parey 1951). Der Umbau einer Bock- zur Paltrockmühle war ein aufwendiges Unternehmen. Zu- nächst wurde die gesamte Mühle entlastet, die Beplankung und Teile der Ausstat- tung wurden entfernt. Sodann erfolgte das Anheben der Mühle einschließlich des Bockes, der im Anschluss daran abgebaut wurde. Die nächsten Arbeitsgänge waren das Ausschachten und Anlegen der ringförmigen Fundamentmauer sowie die Monta- ge der Rollbahn und das Errichten der Gerüstkonstruktion für die zwei unteren zu- sätzlichen Etagen sowie für die Verbreiterung des Mühlenkastens in beiden Richtun- gen und das Absetzen der gesamten Konstruktion auf den vorbereiteten Rollenkranz.

Abb 27 Bockwindmühle Brumby vor dem Abb 28 zeigt die abgestützte und teilwei- Umbau se unterbaute Mühle

35 Während des Umbaus der Paltrockmühle Brumby, Kreis Schönebeck, wurden einige der Arbeitsgänge im Bild festgehalten. Abbil- dung 27 zeigt die Bockwindmühle Brumby vor ihrem Umbau, Abbildung 28 (Seite 35) die bereits angehobene und teilweise unter- baute Mühle, während auf Abbildung 29 (rechts) die fertiggestellte und auf dem Rol- lenkranz von 9 m Durchmesser und 70 Rollen abgesetzte Konstruktion zu sehen ist. Auf dem Hinterteil des Daches ist die Windrose bereits montiert. Auf Abbildung 30 (unten links) sind Funda- ment, Rollenkranz, außenanliegend die Zahnschiene für die Vordrehung in den Wind, die Unterkonstruktion des Mühlenkas- tens sowie Müllermeister Karl-Heinz Jäger zu sehen. Abbildung 31 (unten rechts) zeigt die Mühle nach Fertigstellung der Umbaumaßnahmen.

Abb 29 Die tragende Konstruktion der Paltrockmühle ist fertiggestellt.

Abb 30 Bauherr vor dem Fundament und Abb 31 Die fertige Paltrockmühle der Rollenbahn

36 5.5. Windkraftanlage Die wichtigsten Konstruktionselemente der Windmühle sind jene Teile, die unmittel- bar der Aufnahme der Windenergie dienen. Deshalb wurde gerade an den Flügeln oder „Ruten“ immer wieder experimentiert, denn ihre Beschaffenheit, ihre Leistungs- fähigkeit und Sicherheit waren ausschlaggebend für das Wohl und Wehe der Mühle und der Müllerfamilie. Der Winddruck setzte die Flügel und die Flügelwelle in Drehbewegung, die durch entsprechende Übertragungsmittel an alle Maschinen weitergeleitet wurde. Nahm die Windstärke zu, musste, um einigermaßen einen Gleichlauf der Verarbeitungsma- schinen zu gewährleisten, die Flügelfläche verkleinert werden. Frühe Abbildungen aus dem Mittelalter zeigen die Mühlenflügel als Holzgerüste mit Strohgeflecht (Abb. 32 unten links). Bald wurde Stroh ersetzt durch eine Bespannung der Flügel mit Segeltuch (Abb. 33, unten rechts, waagerecht stehender Flügel). Sollte bei diesen Konstruktionen die Flügelfläche verkleinert werden, musste der Müller die Mühle anhalten. Dazu wurde eine um das Kammrad gelegte hölzerne Bremse („Presse“) mittels Hebezug („Pressbaum“) betätigt. Blies der Wind schon zu stark, musste die Mühle vorher aus dem Wind gedreht werden, was allerdings bei Bockmühlen durch die Gefahr des Umschlagens der Mühle nicht ungefährlich war. Nach dem Verkleinern der Flügelfläche durch das teilweise Einrollen der Segel wurde die Mühle wieder in Betrieb genommen.

Abb 32 Mittelalterliche Darstellung einer Abb 33 Waagerechter Flügel mit teilwei- Bockwindmühle se eingerolltem Segeltuch

37 Es ist verständlich, dass der Müller nach einfacheren Bedienungsmethoden suchte. Auch das Ersetzen der Segel durch die sogenannten aus- und einhängbaren Türen bedingte noch ein vorheriges Anhalten der Mühle, vereinfachte aber diese Arbeits- gänge weiter. Eine erhebliche Arbeitserleichterung und Erhöhung der Sicherheit brachte erst die Erfindung der beweglichen Klappen oder Jalousien in Verbindung mit der Längsdurchbohrung des Wellkopfes und der Welle. Ein hindurchgeführtes Gestänge gestattete nun bei laufender Mühle die Regulierung der Flügelfläche, d. h. Öffnen der Klappen bei Windzunahme zur Druckverminderung und Schließen der Klappen bei Windabnahme (Abbildung 34, S. 38). Eine Besonderheit bildete die sogenannte Hechtsche Klappe, die sich automatisch durch Federzug regulierte (Abb. 33, Seite 37, senkrecht stehender Flügel). Einen weiteren Fortschritt brachten die Experimente von Bilau, die dieser in den Jahren 1920 bis 1924 durchführte, zu einer Zeit also, in der so manche Windmühle auf Elektroenergie umgerüstet worden war. Die Ergebnisse Bilaus brachten eine gewisse Belebung im Flügelbau und führten zur Konstruktion der sogenannten Venti- kantenflügel. Der Flügel besteht aus einer nach aerodynamischen Gesichtspunkten profilierten Windkante und einem drehbaren Heck, das bei Öffnung infolge starken Sturms durch Verwirbelungen ein Abbremsen der Flügel bewirkt (Abb. 35, Seite 39 oben). Diese Flügelkonstruktion gestattete eine Ausnutzung von Winden schon ab 2,5 m/sec., während herkömmliche Flügel erst bei einer Windgeschwindigkeit ab 3,5 m/sec. hinreichend Arbeit leisteten.

Abb 34 Jalousieflügelkreuz, durchbohrte Flügelwelle und Verstellvorrichtung

38 Windgeschwindigkeiten ab 6,5 Meter pro Sekunde waren für den Mühlenantrieb schon zu gefährlich und immer wieder wurde in der Literatur von Unfällen berichtet, dass Stürme Flügel und Haube (bei Turmwindmühlen) abhoben und zerstörten, oder Bockwindmüh- len umgestürzt wurden. Die Flügel wurden im vergangenen Jahrhun- dert aus Holz (vorwiegend Lärche) gebaut, unser Jahrhundert hat auch hinsichtlich der Baustoffe Neuerungen gebracht, so dass häufig Stahl bzw. Aluminium Verwen- dung fanden. Einen Wandel haben auch die Vorrichtungen erfahren, die zur Drehung in den Wind dien- ten. Der bei den Bockwindmühlen übliche Stert wurde in Abschnitt 5.1 bereits erwähnt.

Abb 35 Flügelkreuz mit Bilauschen Ventikanten

Abb 36 Turmholländer mit Außenkrühwerk

39 Abb 37 Innenkrühwerk (Handwinde mit Zahnkranz und Ritzel) zum Verstellen der Haube

Die frühen Holländer- und Turmmühlenhau- ben wurden mittels eines aus der Haube her- ausragenden und bis auf den Erdboden rei- chenden Außenkrühwerkes gedreht (Abb. 36, Seite 39 unten). Aber auch Innenkrühwerke, die ein Drehen der Haube von Hand im Müh- leninneren erlaubten, sind bekannt (Abb. 37 oben). Eine Neuerung in dieser Hinsicht, die eine wesentliche Arbeitserleichterung darstellte, war gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Einführung der sogenannten „Windrose“, eines Windrades mit über 3 m Durchmesser, das am Heck auf dem Dach angebracht ist. Schräg auftreffender Wind bewegt dieses Rad, das seine Drehung über Zahnradmecha- nismen auf die Haube bei Turmmühlen oder auf das Mühlengehäuse bei Paltrockmühlen überträgt und diese solange bewegt, bis der Wind von vorn auf das Windrad und somit mit voller Kraft auf die Rutenpaare trifft (Abbildung 38, rechts).

40 6. Verarbeitungstechnik Sind bei der Gewinnung der Energie des Wassers und des Windes naturbedingt un- terschiedliche Konstruktionen notwendig, so bestehen in der eigentlichen Verarbei- tungsmaschinerie keine Unterschiede bei Wasser- und Windmühlen. Das angelieferte Getreide ist mehr oder weniger mit Verun- reinigungen versehen, die vor dem Mahlpro- zess heraussortiert werden müssen. Erst relativ spät wurde der Reinigung die gebüh- rende Aufmerksamkeit geschenkt, um die Qualität des Mehles zu verbessern. Grobe Verunreinigungen wurden durch ebene oder rotierende Siebe entfernt, feinere Verunrei- nigungen wurden noch im 19. Jahrhundert anfänglich mit einem Mahlgang mit „unge- schärften Steinen“, dem sogenannten „Spitzgang“ herausgelöst. Später wurden dazu Spitz- und Schälmaschinen eingesetzt (Abb. 39, oben). Abb 39 Spitz- und Schälmaschine Das Mahlen des Getreides erfolgt im Mahl- gang. Dieser besteht aus dem feststehenden unteren Bodenstein und dem drehbaren oberen Läuferstein. Zur Reinhaltung des Mahlgutes ist der Mahlgang oben und seit- lich mit einem Holzgehäuse umgeben, der sogenannten Bütte. Über einen Trichter gelangt das Getreide durch das Steinauge des Läufersteins zwi- schen die Steine des Mahlganges, der ältes- ten Müllereimaschine überhaupt (Abb. 26, Seite 34 oben rechts). Durch Druck und ein- gearbeitete Schneidkanten wird das Korn zerschnitten und verschoben und auf diese Abb 40 Fliehkraftregler zur drehzahlab- Weise das Mehl aus der Schale gelöst. Von hängigen Einstellung des Steinabstandes Zeit zu Zeit müssen die Schneidkanten nach- gearbeitet werden, d. h., die Steine werden „geschärft“. Dazu wird der obere Stein abgehoben und gedreht, was mit Hilfe des Steinkranes geschieht, der in Abb. 117 (Seite 89 unten rechts) zu erkennen ist.

41 Abb 41 Eine weitere Verstellvorrichtung für den Abstand zwischen Bodenstein und Läufer

Als Steinmaterial sind geeignet französi- scher Quarz, Sandstein, Basalt, Granit aber auch Kunststein wurde verwendet. Die Güte des Mahlgutes hängt in erster Linie von der Beschaffenheit der Steine, ihrer Geschwindigkeit und ihrer Bedie- nung ab. Für die richtige Stellung der Steine zueinander waren ebenfalls Ein- richtungen vorgesehen, wie z. B. der in Abhängigkeit der Drehzahl funktionie- renden Fliehkraftregler (Abb. 40, Seite 41 unten, oder die in Abb. 41, Seite 42 oben dargestellte Vorrichtung). Einen bedeutenden Aufschwung in der Mül- lereitechnik brachten die Walzenstühle, die 1879 erstmals in der Schweiz gebaut wurden und bald darauf auch in unseren Mühlen erschienen, wie der Walzen- stuhl von 1888 der Mühle Ottleben (Abb. 42, rechts). Die Entwicklung der technischen Ausstattung ging zügig voran Abb 42 Walzenstuhl in der Windmühle Ottle- und auch kleinere Mühlenbetriebe mo- ben dernisierten ihre Ausstattung. Abbildung 43 (Seite 43) oben zeigt die Walzenstühle der Windmühle Brumby.

42 Abb 43 Walzenstühle in der Windmühle Brumby

Abb 44 Plansichter in der Windmühle Abb 45 Absackung in der Mühle Brumby Brumby

43 Zur Gewinnung von Mehl wurde das Mahlgut ursprünglich in feinmaschige Beutel geleitet, die durch Schütteln das Mehl durchließen und die grobe Kleie absonderten. Als erste Verbesserung brachte man am Ende des Beutels ein geeignetes Sieb an, das die Kleie nochmals siebte („sichtete“). Weitere Verbesserungen erfuhr das Sichten durch Entwicklung der zylinderförmigen Trommeln (Sechs- oder Achtkantsichter) bis zu den durch Exzenter angetriebenen Plansichtern, die in ihrer Wirkungsweise den ebenen Handsieben frühester Zeit wieder näherkamen. Abbildung 44 zeigt Plansich- ter der Mühle Brumby (Seite 43 unten links). Abbildung 45 die Absackung aus dem Silo (Seite 43 unten rechts). Elevatoren für Getreide und Mahlgut, Sack- und Lastenaufzüge, Treppen und Müller- stube vervollständigen die Innenausstattung der Mühlen, die die isometrische Dar- stellung ein wenig verdeutlichen soll (Abb. 46, unten).

Abb 46 Blick in eine Bockwindmühle mit "üblicher" Ausstattung

44 7. Mühlen und Kunst Mühlen sind reine Zweckbauten, konzipiert für die Erfüllung ihrer speziellen Produk- tionsaufgabe. Gestalterische Besonderheiten und architektonische Raffinessen sucht man bei ihnen vergebens. Vielmehr beziehen sie ihre Schönheit aus der feinen Ausgewogenheit zwischen Ge- stalt und Funktion. Ihre Wirkung in der Landschaft, ihr Symbolgehalt für die Technik- geschichte machen sie heute, über hundert Jahre nach dem Höhepunkt ihres Ge- brauchswertes zum Kulturwert. Direkte Hinweise auf ihre Geschichte finden wir nur an wenigen Mühlen in Form von Inschriften. Figürlicher Schmuck oder Schnitzereien sind noch seltener. Im Hausbaum des noch stehenden Bockes der ehemaligen Windmühle von Könnigde, Kreis Gardelegen, sind geometrisch-lineare Zierkanten geschnitzt. Vergleichbar, aber im Mühleninneren, sind die Schnitzereien der Bockmühle Pechau, Kreis Schönebeck. Die älteste Inschrift dürfte die der Widekmühle (Wehrstedt bei Halberstadt, heute Wohnhaus) von 1701 sein. Ihre erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1228, 1643 wurde sie durch die Schweden abgebrannt. Die Neuerrichtung erfolgte im Jahre 1701 wieder als Klostermühle, worauf die Tafel Bezug nimmt (Abb. 47, Seite 46). Die Über- setzung aus dem Lateinischen lautet :

Zur Ehre Gottes und des Nächsten Nutzen Ist diese Mühle von Grund auf errichtet unter Der ehrwürdigen Herrin Johanna Susanna Bühle Zum heiligen Jakobus und Burchardus, Äbtissin des Heiligen Zisterzienserordens und dem wohlehrwürdigen Herrn Johannes Georg Bertram Kanoniker der Kathedralkirche zum heiligen Petrus und Paulus Kapitelvicar und Probst Und der Kirche zum heiligen Jacobus und Burchardus Anno 1701 am 7. Oktober Am Tage des heiligen Papstes Marcus

Zur ehemaligen Wassermühle von Ottleben gehört das Relief mit Inschrift von 1717. Die kunstvolle Gestaltung mit Müllerwappen und zwei Engeln als Begleitfiguren deu- tet auf einen Wohlhabenden, die deutsche Inschrift auf einen weltlichen Herren des Mühlenrechts hin (Abb. 48, Seite 47). In der Bockwindmühle von Arendsee, Kreis Osterburg, steht die folgende Inschrift: Diese Mühle haben wir Heinrich Schulze und Gerlinde Müllers aus unseren Mitteln bauen lassen anno 1731 im Julio. Ums Kreuze darf ich wohl nicht bitten daß es mich gar verschonen soll hat doch mein Jesus selbst gelitten und alles leid ich billig wohl. Doch wird Geduld gar nötig sein, die wollest Du mir Herr verleihen.

45 Abb 47 Schrifttafel aus dem Jahr 1701 am Gebäude der Widekmühle bei Halberstadt

46 Abb 48 Schrifttafel an der ehemaligen Wassermühle Ottleben

Die Erbauung der Bockwindmühle von Pömmelte, Kreis Schönebeck, im Jahre 1781 wird mit folgender Inschrift belegt: M.I.C. NICOLAI D 14. AUG. G E WALSTABEN 1781

Der Hinweis auf die Gründung der Bockwindmühle in Osterweddingen, Kreis Wanzle- ben, lautet: Ora et Labora M. J. M. - Schultze M. E. G. B. - Herbsten Anno 1786 Dn 27. Juni

Im Jahre 1537 wird „die Mühle uff der Wipper am Schloß“ Warmsdorf, Kreis Staßfurt, urkundlich erwähnt. Ohne direkten Bezug darauf, aber vermutlich anlässlich des Neuaufbaues der Mühle nach ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg wurde die Inschrifttafel der heutigen Mühle geschaffen. Der Text ist umgeben von vegatabili- schen Ornamenten (Abb. 49, Seite 48 oben): Wohlan mein Hertz sei unverzagt Und laß dir niemals grauen Gott sorgt für dich Er selber sagt Mensch wirf nur mit Vertrauen Auf mich, was dir am Hertzen liegt Ich bins der für dich sorgt und fügt Was dir am besten dienet J. G. Rauchfuß 1793

47 Abb 49 Schrifttafel an der Warmsdorfer Wassermühle (s.a. S 47)

Die nur wenige Kilometer entfernte Untermühle an der Wipper in Güsten, Kreis Staßfurt, mag ein ähnliches Schicksal erlitten haben. Die Gedenktafel anlässlich ihrer Wiedererbauung zeigt Abb. 50 (unten).

Aus dem 19. Jahrhundert sind drei Inschriften bekannt, die jeweils auf dem Hammer eingeschnitten sind. Auch sie geben das Baujahr und den Bauherrn der Mühle an. In einem Fall ist auch der Baumeister erwähnt und ein religiöser Spruch vorangestellt.

Abb 50 Schrifttafel an der Untermühle Güsten

48 Abb 51 Bockwindmühle Klein Ammensleben, Kreis Wolmirstedt 1804 (1985 umgestürzt)

Abb 52 Windmühle Ostingersleben Kreis Haldensleben, 1818 erbaut.

49 Abb 53 Windmühle Tornitz, Kreis Schönebeck, erbaut 1858

Die Inschriften betreffen die Bockwind- mühlen Klein Ammensleben, Kreis Wol- mirstedt, 1804 (1985 umgestürzt), Ostin- gersleben, Kreis Haldensleben 1818 mit für eine Windmühle unserer Landschaft geradezu verschwenderischem Aufwand für das umfassende Rankenwerk und Tornitz, Kreis Schönebeck, 1858 (Abbil- dungen 51, 52 Seite 49, 53 Seite 50). An der Wassermühle in Magdeburg-Diesdorf befindet sich die Inschrift Abb. 53 a (rechts).

Abb 53 a

50 8. Aufführung der Mühlen des Bezirkes In diesem Abschnitt sollen die Wind- und Wassermühlen vorgestellt werden, wie sie sich heute in der Landschaft zeigen. Es werden dabei Beispiele vielfältiger Bemühun- gen des Erhalts sichtbar, worüber in einem späteren Abschnitt noch berichtet wird, aber auch Zeichen von Zerfall werden deutlich. Die Aufstellung erfolgt in alphabeti- scher Reihenfolge der Ortsnamen. Ruinen, Reste oder unmittelbar vom Einsturz be- drohte Objekte sind hier nicht mehr abgebildet. Die Bildunterschrift besteht aus

Ort/Kreis Mühlenbezeichnung Bauzeit, soweit bekannt Technische Ausstattung Nutzung.

Abb 54 Abbendorf/Salzwedel Wassermühle 1841 komplett ohne Wasser, Eigenbedarf

51 Abb. 55 Arendsee/Osterburg, Bock- windmühle, 1731, Komplett ohne Flügel

Abb. 56 Audorf/Klötze, Wassermühle, komplett, ohne Nutzung

52 Abb 57 Ausleben/Oschersleben, Bockwindmühle, 1911 Umsetzung von Sommerschenburg, Komplett, ohne Nutzung

53 Abb 58 Ausleben-Ottleben/Oschersleben, Bockwindmühle, 1631/1848, komplett, Teilgewer- bebetrieb

54 Abb 59 Barby/Schönebeck, Turmwindmühle, 1875, komplett, ohne Flügel, Gewerbebetrieb

55 Abb 60 Blankenburg (Harz)/Wernigerode, Wassermühle, unvollständig, ohne Wasser, ohne Nutzung

56 Abb 61 Breitenhagen/Schönebeck, Paltrockwindmühle, 1914 unvollständig, Freizeitobjekt

57 Abb 62 (oben links) Brumby/Schönebeck, Paltrockwindmühle, 1928/1950, komplett ohne Flügel, E-Antrieb, Gewerbebetrieb Abb 63 (oben rechts) Buch/Stendal, Turmwindmühle, 19. Jhd., keine, ohne Nutzung Abb 64 (unten links) Calvörde/Haldensleben, Turmwindmühle, 1857, keine, Wohnhaus Abb 65 (unten rechts) Colbitz/Wolmirstedt, Bockwindmühle, komplett, ohne Flügel, ohne Technik, Ausbau zur ruhenden Schauanlage

58 Abb 66 Danstedt/Halberstadt, Bockwindmühle, komplett, ohne Flügel, ohne, Ausbau zur ruhenden Schauanlage geplant

Abb 67 Drewitz/Burg, Wassersägemühle, 1771, komplett, Wasserrad, Gewerbebetrieb

59 Abb 68 Diesdorf/Salzwedel, Bockwindmühle, 19. Jahrhundert, Umsetzungen 1931, 1983 von Bülstringen, komplett, museal

60 Abb 69 Eimersleben/Haldensleben, Bockwindmühle, komplett, Schauanlage

Abb 70 Flechtingen/Haldensleben, Wassermühle, teilweise vorhanden, Lager

61 Abb 71 Groß Ammensleben/Wolmirstedt, Turmwindmühle, 19. Jahrhundert, unvollständig, Lager

Abb 72 Groß Rodensleben/Wanzleben, Bockwindmühle, komplett, Gewerbebe- trieb

62 Abb 73 Gröningen/Oschersleben, Wassermühle, komplett, ohne

Abb 74 Güsten/Staßfurt, Wassermühle, 1798, komplett, E-Antrieb, Gewerbebetrieb

63 Abb 75 Hakeborn/Staßfurt, Bockwindmühle, 1688, unvollständig, Freizeitobjekt

64 Abb 76 Hohenwarthe/Burg, Bockwindmühle, Umsetzung 1985 von Drackenstedt, unvollständig, Freizeitobjekt

65 Abb 77 Ilsenburg/Wernigerode, Wassermühle, 19. Jahrhundert, komplett, ohne

Abb 78 Ipse/Gardelegen, Wassermühle, 19. Jahrhundert, komplett, Turbine, für Eigenbedarf

66 Abb 79 Insel/Stendal, Bockwindmühle, unvollständig, Ausbau zur ruhenden Schauanlage

Abb 80 Jeetze/Salzwedel, Bockwindmühle, unvollständig, ohne Flügel, Ausbau zur ruhenden Schauanlage

67 Abb 81 Jeggeleben, Zierau/Salzwedel, Bockwindmühle, komplett, Ausbau zur ruhenden Schauanlage

68 Abb 82 Jersleben/Wolmirstedt, Wassermühle, 19. Jahrhundert, komplett, ohne Nutzung, Aus- bau zur ruhenden Schauanlage geplant

Abb. 83 Kamern/Havelberg, Bockwindmühle, massiver Unterbau, 1897, unvollständig, ohne

69 Abb 84 Klein Germersleben/Wanzleben, Paltrockwindmühle, 1870/1946, komplett, Freizeitobjekt

Abb 85 Klein Quenstedt/Halberstadt, Wassermühle, 18. Jahrhundert, komplett, Mühlgraben zur Zeit verfüllt, Ausbau zur Schauanlage

70 Abb 86 Kremkau/Gardelegen, Bockwindmühle, keine, ohne

Abb 87 Magdeburg, Diesdorf, Wassermühle, unvollständig, Wohngrundstück

71 Abb 88 (oben links) Magdeburg, Olven- stedt, Turmwindmühle, Ruine, 1945, keine, ohne

Abb 89 (oben rechts) Mützel/Genthin, Bockwindmühle, komplett, ohne Flügel, Freizeitobjekt

Abb 90 (links) Niederndodeleben, Ober- dorf/ Wolmirstedt, Turmwindmühle, 1808, unvollständig, Freizeitobjekt

72 Abb 91 (links) Osterweddingen/Wanzleben, Bockwindmühle, 1786, unvollständig, Freizeit- objekt

Abb 92 (unten) Ostingersleben/Haldensleben, Bockwindmühle, 1818, komplett, Freizeitobjekt

73 Abb 93 Parchen/Genthin, Bockwindmühle, komplett, museale Schauanlage

74 Abb 94 (links) Pömmelte/Schönebeck, Bock- windmühle, 1781, komplett ohne Flügel, ohne Nutzung

Abb 95 (unten) Rohrberg/Klötze, Wassermühle, 1897, komplett, Turbine und Elektroantrieb, Gewerbebetrieb

75 Abb 96 Sargstedt/Halberstadt, Bockwind- Abb 97 Seehausen/Osterburg, Holländer- mühle, 1842, keine Technik, Freizeitobjekt windmühle, komplett, ohne Flügel, Lager

Abb 98 Seehausen/Wanzleben, Wassermühlengruppe, 18. Jahrhundert, unvollständig, Wohn- grundstücke

76 Abb 99 (oben links) Siedenlangenbeck / Salzwe- del, Turmwindmühle, komplett, Ausbau zur ruhenden Schauanlage

Abb 100 (oben rechts) Sommersdorf/ Oschersle- ben, Paltrockwindmühle, 1903/1094, komplett, ohne Flügel, ohne Nutzung

Abb 101 (links) Staats/Stendal, Wassermühle, 14./15. Jahrhundert, komplett, Wasserrad, Ge- werbebetrieb

77 Abb 102 Tangeln/Klötze, Wassermühle, 19. Jahrhundert, komplett, Wasserrad, für Eigenbedarf

Abb 103 Tucheim/Genthin, Wassermühle, 1795, komplett, Turbine, Lager

78 Abb 104 Warmsdorf/Staßfurt, Wassermühle, 1793, Komplett, Turbine, Gewerbebetrieb

Abb. 105 (links) Weddendorf/Klötze, Bock- windmühle, komplett, E-Antrieb Gewerbebetrieb

79 Abb. 106 (Seite 80, oben links) Werben/Osterburg, Bockwindmühle, 1826, komplett, Ausbau zur ruhenden Schauanlage Abb. 107 (Seite 80, oben rechts) Wolmirstedt, Bockwindmühle, 1848, komplett, ohne Flügel museal, Ausbau zur Schauanlage Abb. 108 (Seite 80 unten) Wiepke/Gardelegen Wassermühle, 17./18. Jahrhundert, komplett Wohngrundstück, Ausbau zur Schauanlage

80 Abb 109 (Zerbst, Wassermühle, 19. Jahrhundert, komplett, Mühlgraben verrohrt, ohne Nutzung

9. Der Müller und seine Mühle Mühlrecht, das heißt, das Recht zum Bau und Betreiben einer Mühle war von alters her grundherrliches Recht. Bei der Bedeutung, die die Müllerei für die Versorgung hatte, war es naheliegend, dass sich der Herr über Grund und Boden die Monopol- stellung über die Mühlen sicherte. Dabei erscheinen sowohl weltliche wie auch kirch- liche Eigentümer in den frühesten urkundlichen Erwähnungen von Mühlen. Dieses Recht des Grundherrn wurde ergänzt durch den sogenannten „Mahlzwang“, eine Verpflichtung für die Bauern, ihr Getreide ausschließlich in einer bestimmten ihnen zugewiesenen Mühle mahlen zu lassen. In der Mühlordnung des Herzogs Au- gust von Sachsen, Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meißen und Burggraf zu Mag- deburg vom 23. 11. 1568 heißt es (12):

Artikel 19 Es soll kein Müller dem anderen seine Mühl-Gäste abspennig machen, 81 noch einiger Weise abpracticiren, bey Straff zehen Gulden, so oft jemand hierinnen brüchig befunden.

Der Müller des Mittelalters war also keinesfalls ein freier Handwerker. H. Mottek schreibt in seiner „Wirtschaftsgeschichte Deutschlands“ (13): „Zu den unfreien Handwerkern, die mit Produktionsmitteln der Feudalherren arbei- teten, und zwar zu den wichtigsten, gehörten die Müller. Wurden doch mit dem Wachstum der Grundherrschaften von den Feudalherren immer häufiger Wasser- mühlen errichtet oder Mühlen, die vormals freien Besitzern oder Markgenossen- schaften gehörten, übernommen. Allerdings wurden Mühlen zuweilen auch verpachtet, was in diesem Falle zu einer selbständigeren Stellung des Müllers führte.“ Keinesfalls aber konnten die Müller eigene Entscheidungen hinsichtlich des Errich- tens oder Betreibens von Mühlen treffen, selbst in den Städten nicht, trotz erweiter- ter Privilegien. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Kurfürsten Cicero im April 1488 gelobte die Stadt Stendal: „Niemals wieder ungebührliche Statuten und Gesetze zu machen, überhaupt sich jedes Eingriffs in die markgräflichen Rechte zu enthalten“, was z. B. auch dadurch geschehen war, dass man willkürlich Windmühlen gebaut und abgebrannte nicht wieder auf die alte Stätte gesetzt hatte. Denn die Anlegung von Mühlen war ein Regal (Königliches Recht) (14). Nur allmählich entstanden schließlich aus den Mühlen der Fronhöfe und Rittergüter Pacht- und schließlich freie Mühlen. Wie schwierig selbst noch im 18. Jahrhundert die Errichtung einer eigenen Mühle war, mag das folgende Beispiel belegen. Am 4. Mai 1780 stellte der Müller Johann Joachim Conert aus Gersdorf den Antrag, in Schnarsleben (heute Niederndodeleben-Oberdorf) eine Windmühle errichten zu dürfen. Den weiteren Verlauf dieses Antragsverfahrens kennen wir nicht. Tatsache ist nur, dass es nicht zum Bau. einer zweiten (neben der schon existierenden) Mühle gekommen ist. Erst am 6. 2. 1808 stellt ein anderer Müller erneut einen Antrag zur Errichtung einer Mühle in Schnarsleben. Dieser Antrag ist so ausführlich verfasst, dass er als Spiegel der sozialen Verhältnisse hier in seinem vollen Wortlaut wiedergegeben werden soll (15):

„Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König u. Herr! Erw. Königliche Majestätsamt lege meine alleruntertänigste Bitte zu aller- höchst dero Füßen. ich bin der Müllermeister Johann Friedrich Laue, bin als Windmüller in Schoenwal- de etabliert gewesen, habe aber jetzt die Tochter eines Schnarsleber Unterthan ge- heiratet, halte mich auch gegenwärtig da selbst bei meinen Schwiegereltern mit meinem Vermögen auf, und wünsche mich in diesem Orte als Windmüller niederzu- lassen. Die Gründe, die mich vorzüglich dazu veranlassen sind diese: 1., es ist bei dem Dorfe Schnarsleben, welches fast an 600 Seelen zählt, nur eine Windmühle.

82 2., die Gemeine hat schon voll ihre dringenste Brotkost vorgestellt u. um die Er- laubnis, eine 2te Windmühle erbauen zu dürfen, gebeten, besonders ist dies im Jahre 1780 u. 1794 geschehen. 3., jetzt ist die Seelenzahl beträchtlich gestiegen, u. dadurch ist, bei vermehrter Konsumtion, auch das Bedürfnis einer 2ten Mühle dringender als je geworden. 4., ich kann den Aufbau einer 2ten Windmühle vor Schnarsleben von meinem Ver- mögen bestreiten. 5., würde es von bedeutenden Vortheilen für mich seyn, dort mein Schwiegervater, der Gespannwerk hat, sich im Orte befindet, ein Umstand der nicht allein den Bau der Mühle befördern, sondern auch für die Folge von großen Nutzen für mich sein kann. 6., gewinnen die Einwohner Schnarsleben durch den Anbau einer 2ten Windmühle dadurch, daß alle ihre Verlegenheit, ihre Brodnoth u. drückende Zeitversäumnis ab- geholfen wird. 7., gewinnt dadurch der Staat, indem eine neue Feuerstelle erbaut u. eine neue Fa- milie in Schnarsleben etabliert wird, u. auch durch die jährliche Entrichtung eines Zinses u. einer Mühlensteuer an Erw. Königl. Majestätsamt Kassen. 8., gewinnt auch außerdem die Schnarsleber Gemeinde Kasse, daß ich ihr entweder einen jährlichen Grundzins von 10 Reichstaler oder ein für allemal die Summe von 200 R.Th. als eine Entschädigung wegen etwaiger Anger Nutzung zahle.

Niemand verliert bei dem Anbau einer 2ten Windmühle von Schnarsleben, selbst die Müller nicht, welche in Niederndodeleben u. in den umliegenden Orten sich befinden, denn diese haben seit 1717 bis jetzt vollauf zu thun, u. können, wegen dem in diesem langen Zeitraum gewiß verdoppelten Seelenzahl, alle Mahlgäste nicht fördern.

Dazu kommt noch, daß sie zugleich große Ackerwirthe sind, wodurch es ihnen un- möglich wird, kleinen Wind zu achten. Diejenigen Müller endlich die Stunden weit vor Schnarsleben abliegen, können von den Einwohnern Schnarsleben gar nicht in der Brodnoth benutzt werden, weil die Entfernung zu groß ist, viel Zeitversäumnis u. Um- stände erfordern, u. diese Müller, die ohnehin für ihre einheimischen Mahlgäste sor- gen müssen, die Fremden warten lassen.

Da die Kultur der Schnarsleber Feldflur von der Beschaffenheit ist, daß der Ertrag der Acker nur durch angestrengten Fleiße Vortheil gewährt, so hat der ärmere Ein- wohner nicht Zeit sein Brodkorn nach entfernten Mühlen zu bringen u. abzuholen, er würde sich selbst seine Nahrung auf solche Tage entziehen.

Endlich ist es auch in allen umliegenden Dörfern der Fall, daß nicht nur die Zahl der Neuanbauern, sondern auch die Seelenzahl sehr vermehrt hat, wodurch die Kon- sumtion außerordentlich gestiegen ist. Der bis jetzt starke Kartoffelbau ist zwar mit ein Hülfsmittel bei der Konsumtion, allein doch licht von großen Belang, weil diese vorzüglich zur Fütterung und Mast gebraucht werden, um das Korn zu ersparen, ich habe mich dennoch zuvörderst an die Gemeinde Schnarsleben gewendet u. bei ihr angefragt, ob sie nach der Anlegung einer 2ten Windmühle vor Schnarsleben wünsche, u. ob sie, in diesem Falle mir ihre Zustimmung u. die Notwendigkeit dieses ihres Be- dürfnisses schriftlich u. mit Unterzeichnung ihrer Namen geben wolle, um mich so- dann an die allerhöchste Behörde zu wenden, u. um die allergnädigste Erlaubnis zu diesem Etablissement allerunterthänigst zu bitten. 83 Meinen Vortrag an die Gemeinde Schnarsleben u. ihre darauf gemachte Erklärung mit ihren Namen unterschrieben lege ich hier in allertiefster Untertänigkeit bei. Aus dieser geht hervor, daß die Gemeinde dieses so dringende Bedürfnis noch eben so wie sonst u. noch stärker fühlt, da besonders die Seelenzahl in Rücksicht beider Dörfer Schnarsleben u. Niederndodeleben, sich so ansehnlich vermehrt hat, daß auf diese vermehrte Seelenzahl schon allein eine Mühle nöthig ist.

All diese Umstände flößen mir die angenehme Hoffnung ein, daß ich mich der aller- gnädigsten Erhörung meiner allerunterthänigsten Bitte zu erfreuen haben werde, u. deshalb flehe ich allerunterthänigst: Erw. Königlichen Majest.amt möchten die allerhöchste Gnade für mich den Müller Meister Johann Friedrich Laue haben, u. mir die allergnädigste Erlaubnis zur Anlegung u. Erbauung einer zweiten Windmühle zu Schnarsleben, gegen Entrichtung eines jährli- chen Zinses u. der gewöhnlichen Mühlensteuer, allerhuldreichst zu ertheilen.

In froher Hoffnung der allergnädigsten Erhörung meiner allerunterthänigsten Bitte, erstrebe in allertiefster Ehrfurcht.

Erw. Königlichen Majest.amt Schnarsleben den 6ten Febr. 1808 allerunterthänigster gehorsamer Knecht J. F. Laue“

Wohl aus gutem Grunde wurden die Müller in den Mühlordnungen immer wieder zur Ehrlichkeit ermahnt, wie Artikel 21 der vorher schon zitierten Mühlordnung beweist:

„Die Metzen in den Mühlen ... sollen durchaus an Weit und Grösse, wie mit Gemer- ken, gezeichnet, und vor Alters verordnet und hergebracht, gantz gleichmäßig, und anders nicht, bey Vermeydung funffzig Rheinischer Gulden, unablässiger Peen und Straff, gebraucht und gehalten werden.“

War die Mühle des Fronhofes nur ein Teil der gesamten Wirtschaft und nicht zur selbständigen Rentabilität verpflichtet, änderte sich das bei den Eigentumsmühlen grundlegend. Wollten die Müller, die auf Wind und Wasserangebot angewiesen wa- ren, ihre Familien gut versorgen, waren sie in den meisten Fällen auf zusätzliche Erwerbsquellen angewiesen. Vorwiegend war das ein kleiner Landwirtschaftsbetrieb, vereinzelt auch eine Bäckerei, Gastwirtschaft u. a. Erinnert sei in diesem Zusammen- hang an den Wahlspruch der Firma Wilcke, Staats, Krs. Stendal (Wassermühle und Bäckerei): „Brot backt dieser, Brot backt jener, Wilckes Staatsbrot backt bloß Eener!“ Aus der Wochenschrift „Die Mühle“ Nr. 29 Leipzig, den 21. Juli 1911 ist die Annonce der Abbildung 110 (Seite 85, oben) entnommen. Auch sie ist ein Hinweis auf die sozi- ale Stellung des Müllerei-Unternehmers. Aber auch der Müllergeselle erlebte, bevor er sich sesshaft machte, während seiner Wanderzeit nicht nur „...des Müllers Lust“. Die seit Anfang des 19. Jahrhun- derts üblichen Wanderbücher stellten eine lückenlose Kontrolle der Aufenthaltsorte

84 dar, die von den jeweiligen Polizeibehörden bestätigt werden mussten. Bei der Ab- meldung an einem Ort wurden Reiseziel und Reisedauer angegeben, bisweilen finden sich sogar Eintragungen, dass der wandernde Geselle im Besitz des nötigen Reisegel- des war. Das in Abb. 111 (unten) dargestellte Wan- derbuch beinhaltet zwischen dem 29. 4. 1859 und dem 14. 7. 1860 17 amtlich be- stätigte Aufenthaltsorte, die nicht in jedem Falle auch Arbeitsorte waren, denn oftmals musste der Geselle weiterziehen, weil der Meister ihn nicht beschäftigen konnte. Und trotzdem ist bei aller Problematik dieses Berufsstandes der Müller ein in hohem Maße auch der Tradition verbundener Handwerker. Nicht selten findet man über Jahrhunderte die Müllerei als Familientradition, die Be- triebe von einer Generation auf die folgen- de vererbt. Stellvertretend dafür sei hier die Müllerfamilie Wilcke in Staats genannt, die seit 1738 noch heute mit viel Engage- ment die einzige mit Wasserrad getriebene Wassermühle des Bezirkes betreibt (Abb. 112, Seite 86).

85 Abb 112

86 10. Mühlen und Denkmalpflege Die Mühlen bilden eine bedeutende Gruppe von Denkmalen der Produktions- und Verkehrsgeschichte. Das gilt auch für Mühlen, in denen die technische Ausstattung nicht vollständig ist, oder völlig fehlt. Wertvolle Hinweise zur Pflege von Mühlen geben die vom Zentralvorstand der Gesellschaft für Denkmalpflege und vom Institut für Denkmalpflege gemeinsam herausgegebene Merkblätter, die über die jeweiligen Kreisbeauftragten für Denkmal- pflege oder über die Abteilung Kultur des Rates des Kreises als das staatlich zuständige Fachorgan zu beziehen sind. In den letzten Jahren ist ein erfreulicher Anstieg von Aktivitäten in Bezug auf die Restaurierung von Mühlen zu erkennen. Die Einbeziehung der kulturhistorischen Objekte, unter anderem auch der Mühlen in die Stadt- und Dorfgestaltung, wird von den örtlichen Räten (Parchau, Tornau, Wer- ben, Danstedt u. a.) als gesellschaftliche Verpflichtung erkannt. Betriebe, vorwiegend der Landwirtschaft sehen in der Rekonstruktion von Mühlen die Fortführung der eigenen Tradition. Nach wie vor gilt als oberster Grundsatz: objektgemäße Nutzung ist die beste Denk- malpflege. Daraus leitet sich schon von selbst ab, dass eine als Mühle genutzte Mühle die besten Voraussetzungen für ihre pflegliche Behandlung bietet. Aber auch dabei sollten die Grundsätze der Denkmalpflege beachtet werden, damit nicht solche Entgleisungen wie in Weddendorf (Abb. 105) passieren. Mehr und mehr Mühlen sollen wieder mit Flügeln ausgestattet werden. Dazu ist zu bemerken, dass nur ständig genutzte Mühlen auch voll funktionsfähige Flügel be- kommen sollten, da ihre ständige Wartung und Beaufsichtigung notwendig und eine voll funktionstüchtige „Presse“ oder Bremse Voraussetzung ist. Für alle Denkmale, insbesondere, wenn Rekonstruktionsmaßnahmen infolge Ände- rung der Nutzung geplant sind, wie z. B. für museale oder für Wohn- bzw. Freizeit- zwecke, sind denkmalpflegerische Zielstellungen zu erarbeiten. Zumindest sollten sich die Rechtsträger und Nutzer von Fachleuten der Denkmalpflege beraten lassen. Um an dieser Stelle nochmals auf die Flügel zurückzukommen. Auch für Freizeitzwe- cke genutzte Windmühlen sollten nicht auf ihre Flügel verzichten. Sie gehören zum Bau und zum Landschaftsbild. Sie sollten aus vorgenannten Sicherheitsgründen nicht mit Klappen und dergleichen versehen sein. Wohl aber sollten die Hauptabmessun- gen (Länge und Breite) des Flügelgerüstes den Originalmaßen entsprechen, weil grö- ßere Abweichungen hier schnell zu Verunstaltungen führen. Einige Beispiele sollen an dieser Stelle als Anerkennung für die Aktiven und Anregung für Interessierte erwähnt werden:  Die Bockwindmühle von Diesdorf, Kreis Salzwedel wurde 1979/83 unter Mitwirkung vieler Betriebe von Bülstringen umgesetzt. Abb. 113, Seite 88 (oben links) zeigt die Mühle vor ihrer Umsetzung am alten Standort.  1983 erwarb das Kreismuseum in Wolmirstedt die dortige Windmühle und baut sie seither schrittweise aus.

87 Abb 113 Bockwindmühle Bülstringen vor Abb 114 Bockwindmühle Tornau, Demon- der Umsetzung nach Diesdorf tage der alten Flügel

 Bild 114 (oben rechts) zeigt die Mühlenfreunde aus Tornau bei der Demon- tage der alten Flügel im August 1985.  In den Jahren 1975/76 wurde die Turmmühle Calvörde zum Wohnhaus umgebaut. Allerdings sind denkmalpflegerische Gesichtspunkte nicht genü- gend berücksichtigt worden (Fenster, Kamin). Abb. 115 (Seite 89, oben) zeigt den Erdgeschoß-Grundriss als Beispiel für die Nutzung für Wohnzwecke.  Die Turmmühle Niederndodeleben-Oberdorf wurde für Freizeitzwecke umgebaut unter weitestgehender Beibehaltung der technischen Einrichtung. (Abb. 116, Seite 89, unten links).  Die Paltrockmühle Breitenhagen wurde zur Nutzung für Freizeitzwecke un- ter Wahrung des Charakters und Belassung wesentlicher Teile der techni- schen Ausstattung umgestaltet. Allerdings sollte auf die Fragen der Fenster und der Wirkung in der Landwirtschaft höherer Wert gelegt werden. Abbil- dung 117 (S. 89, unten rechts) zeigt eine um die Mahlgänge gruppierte gut gestaltete Sitzecke. Vorn links der Steinkran.  Die Bockwindmühle von Drakenstedt wurde 1985 in Privatinitiative nach Hohenwarthe umgesetzt. Abbildung 118 (S. 90, oben links) zeigt die Mühle am alten Standort.  Die Bockwindmühle Eimersleben wurde durch einen Mühlenbegeisterten in der Rekordzeit eines Jahres (1985) zur Schauanlage rekonstruiert. Abb. 119 (S. 90, oben rechts) zeigt die Mühle vor der Rekonstruktion.

88 Abb 115 Grundriss der zu Wohnzwecken umgebauten Turmmühle Calvörde

Abb 116, Technik in der Turmmühle Nie- Abb 117 Technik in der Paltrockmühle derndodeleben-Oberdorf Breitenhagen, (mit Steinkran)

89 Abb 118 Bockwindmühle von Draken- 1 Abb 119 Bockwindmühle Eimersle- stedt, umgesetzt nach Hohenwarthe ben, privat binnen eines Jahres voll- ständig saniert

Abb 120 Die Familie Brüggemann, Dingelstedt ist seit Generationen im Mühlenbau tätig und Partner bei der fachlichen Beratung und Unterstützung wichtiger Vorhaben.

90  Die Turmmühle Wallwitz wird für Frei- zeitzwecke umgebaut. Allerdings sollten denkmalpflegerische Aspekte besser beachtet werden (Abb. 121, Seite 91 oben)  Unter Teilnahme und Einsatzbereit- schaft einer Gruppe von Mühlenfreun- den wurde die Wassermühle Klein Qu- enstedt rekonstruiert und 1980 als Schauanlage fertiggestellt (Abb. 122, Seite 91 unten).

Abb 121 (rechts) Turmmühle Wallwitz

Abb 122 Arbeiten an der Wassermühle Klein Quenstedt

91  Die Bockmühle Badersleben wird unter Regie eines Großbetriebes als Tradi- tionsstätte und Schauanlage ausgebaut.  Die Sägemühle Drewitz erhielt 1986 ein neues Wasserrad.  Die Rekonstruktion der Bockwindmühle Groß Rodensleben wurde 1986 ab- geschlossen.  Die Bockwindmühle Hakeborn wurde in den Jahren 1980 bis 1988 restau- riert.  1986 erhielt die Bockwindmühle Jeetze eine neue Außenverkleidung.  Unter Regie der LPG Jeggeleben wurde die Bockwindmühle Zierau restau- riert.  Die LPG Kremkau ist Organisator der Restaurierungsmaßnahmen an der Bockwindmühle Kremkau.  Die Bockwindmühle Pärchen erhielt 1987 ihre Flügel. Sie wird einbezogen in die Ortsgestaltung.

Damit sind nur einige wesentliche Aktivitäten aufgezeigt worden, die in ihrer Ge- samtheit zur Erhaltung und Belebung unserer Kulturlandschaft beitragen. Sie sind wichtige Etappen bei der Verwirklichung einer langfristigen Konzeption zur Pflege eines ausgewogenen und repräsentativen Querschnitts technikgeschichtlicher Zeug- nisse unseres Erbes. Die Abbildung 123 (Seite 93) zeigt Standorte von Mühlen, die trotz Unterschied in Zustand, Ausstattung und Nutzung langfristig erhalten und gepflegt werden.

92 Abb 123 Karte mit Mühlenstandorten und Angabe der Nutzung

93 Literaturverzeichnis

[1] Brentjes, B., Richter, S. und Sonnemann, R. Geschichte der Technik, Edition- Verlag Leipzig 1978 [2] Lies, Hans, Die vor- und frühgeschichtlichen Drehmühlensteine im Bezirk Magdeburg, Jahresschrift für Mitteldeutsche Vorgeschichte, Band 47 [3] Deutscher Müller, Jahrgang Nr. 5, Leipzig 1909 [4] Mühlenakte des Kreismuseums Wolmirstedt, unveröffentlicht [5] Rach, Wessel, Plaul, Die werktätige Dorfbevölkerung in der Magdeburger Börde, Akademieverlag Berlin 1986 [6] Meltzer, Adam, Neu verbesserte Mühlbaukunst, Band 1-3, Merseburg 1780—1788 Dritte unveränderte Auflage bey sel. Adam Meltzers Wittwe Merseburg, 1826-1829 [7] Sacher, R., Handbuch des Müllers und Mühlenbauers, Verlag Deutscher Müller Leipzig 1924 [8] Weinholz, D. W., Vollständiges, theoretisch-praktisches Handbuch der Müh- lenbaukunst, Verlag Franz Voigt Ilmenau [9] Magdeburgs Wirtschaftsleben in der Vergangenheit, 1. Band, Verlag Johann Friedrich Eilers, Magdeburg 1925 [10] Schulze, Fritz; Rogätz, Unsere Mühlen, Ausarbeitung für die Ortschronik, unveröffentlicht [11] Jüngel, Karl, Schiffmühlen — Eine Flotte, die fast immer vor Anker lag, Her- ausgegeben vom Landschaftsmuseum der Dübener Heide, Bad Düben 1988 [12] Böckler, Georg Andreas, Schauplatz der Mechanischen Künsten, Nürnberg 1673 [13] Mottek, Hans, Wirtschaftsgeschichte Deutschlands — Ein Grundriß, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1985 [14] Dr. Götze, Ludwig Urkundliche Geschichte der Stadt Stendal, (1. Auflage 1973), Verlag Hermann Geisler Stendal 1929 [15] Staatsarchiv Magdeburg, Rep. A 9a V Nr. 59, Bd. 2 Bl. 55 r—56 r

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Die vorliegende Broschüre wurde im Dezember 2019 mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers Herrn Dipl. Ing. Erhard Jahn mittels Bildverarbeitung und Texter- kennungssoftware in ein digitales Dokument umgewandelt.

Winfried Sarömba [email protected] Halberstadt 28.12.2019

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