Bund Naturschutz Bund Naturschutz Forschung in Bayern e. V.

Alpenpolitik Nummer 8 in Deutschland November 2004 Anspruch und Realität Politische Zielaussagen Situation Handlungsbedarf

Helga Wessely Andreas Güthler Bund Naturschutz Forschung Nr. 8 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität Helga Wessely, Andreas Güthler, November 2004 im Auftrag des Bundes Naturschutz in Bayern e.V., gefördert durch das Umweltbundesamt aus Erlösen der Sonderbriefmarke zum Internationalen Jahr der Berge 2002

ISBN: 3-9808986-1-X ISSN: 1432-7651

Herausgeber Spendenkonto des BN Bund Naturschutz in Bayern e.V. Bank für Sozialwirtschaft Landesfachgeschäftsstelle BLZ 700 205 00 Bauernfeindstraße 23 Kontonummer 88 44 000 90471 Nürnberg Telefon 0911-818780. Fax: 0911-869568 E-Mail: [email protected]

Schriftleitung Prof. Dr. Hubert Weiger, 1. Vorsitzender Richard Mergner, Landesbeauftragter

Redaktion Christine Margraf Helga Wessely

Autoren Helga Wessely und Andreas Güthler in Zusammenarbeit mit Christine Margraf, Richard Mergner, Marion Ruppaner, Johannes Enzler sowie dem BN AK Alpen (Heike Aghte, Axel Doering, Rudi Erlacher, Werner Fees, Dr. Georg Meister)

Weiterverarbeitung – auch auszugsweise – bedarf der schriftlichen Genehmi- gung durch den Herausgeber. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmung, Einspeicherung in elektronische Systeme, sowie für die Benutzung zur Herstellung anderer Veröffentlichungen.

Satz und Gestaltung Sabine Hüttenkofer

Titelfoto Klaus Leidorf (großes Motiv; Bayrischzell) sowie Christine Margraf (kleines Motiv; Almwegebau zur Moosenalm)

Vertrieb und Druck Bund Naturschutz Service GmbH Bahnhof Lauf – Eckerstraße 2 91207 Lauf a.d. Pegnitz Tel.. 09123/ 9 99 57-20, Fax: -99 www.service.bund-naturschutz.de Inhalt

Inhalt

Vorwort ...... 3

Einführung ...... 5

1 Aufgabenstellung und Bezugsraum der Studie ...... 7

2 Situationsanalyse und Handlungsempfehlungen zu zentralen Fachthemen des Alpenschutzes ...... 9

2.1 Bergwald 2.1.1 Einleitung ...... 9 2.1.2 Zentrale Herausforderungen ...... 11 2.1.3 Wichtige rechtliche und planerische Festlegungen ...... 15 2.1.4 Handlungsempfehlungen ...... 17 2.1.5 Quellennachweis ...... 22

2.2 Berglandwirtschaft 2.2.1 Einleitung ...... 23 2.2.2 Zentrale Herausforderungen ...... 25 2.2.3 Wichtige rechtlich und planerische Festlegungen ...... 29 2.2.4 Handlungsempfehlungen ...... 31 2.2.5 Quellennachweis ...... 43

2.3 Freizeit und Sport 2.3.1 Einleitung ...... 45 2.3.2 Zentrale Herausforderungen ...... 47 2.3.3 Wichtige rechtliche und planerische Festlegungen ...... 51 2.3.4 Handlungsempfehlungen ...... 53 2.3.4.1 Stärkung von Marktsegmenten mit öko-touristischer Grundausrichtung ...... 53 2.3.4.2 Keine umweltunverträglichen Infrastrukturen und Angebote ...... 61 2.3.4.3 Keine Subventionen und Förderungen für landschaftsunverträgliche Infrastrukturen und Angebote ...... 64 2.3.4.4 Stärkere Entwicklung von Angebotsalternativen für Schlechtwetter sowie Wintertourismus ohne Alpin-Ski ...... 65 2.3.4.5 Ausbau von Kulturangeboten ...... 67 2.3.5 Quellennachweis ...... 69

2.4 Verkehr 2.4.1 Einleitung ...... 71 2.4.2 Zentrale Herausforderungen ...... 72 2.4.3 Wichtige rechtliche und planerische Festlegungen ...... 75 2.4.4 Handlungsempfehlungen ...... 77 2.4.5 Quellennachweis ...... 84 Inhalt

2.5 Siedlung und Gewerbe 2.5.1 Einleitung ...... 85 2.5.2 Zentrale Herausforderungen ...... 86 2.5.3 Wichtige rechtliche und planerische Festlegungen ...... 90 2.5.4 Handlungsempfehlungen ...... 91 2.5.5 Quellennachweis ...... 94

2.6 Energieerzeugung 2.6.1 Einleitung ...... 95 2.6.2 Zentrale Herausforderungen ...... 97 2.6.3 Wichtige rechtliche und planerische Festlegungen ...... 99 2.6.4 Handlungsempfehlungen ...... 101 2.6.5 Quellennachweis ...... 104

2.7 Naturschutz und Landschaftspflege 2.7.1 Einleitung ...... 105 2.7.2 Zentrale Herausforderungen ...... 113 2.7.3 Wichtige rechtliche und planerische Festlegungen ...... 122 2.7.4 Handlungsempfehlungen ...... 125 2.7.5 Quellennachweis ...... 130

3 Fachübergreifende Empfehlungen zur Sicherung und Stärkung des Alpenschutzes ...... 131

3.1 Weiterentwicklung von Zielvorgaben und Abbau von Zielkonflikten am Beispiel der Alpenkonvention ...... 131 3.1.1 Einleitung ...... 131 3.1.2 Analyse der Zielaussagen der Alpenkonvention ...... 132 3.1.3 Handlungsempfehlungen ...... 132 3.2 Stärkere Verankerung des Alpenschutzes in fachübergreifenden Programmen, Plänen und Projekten ...... 136 3.2.1 Stärkung von Raum- und Regionalplanung ...... 137 3.2.2 Umsetzung der Alpenkonvention in regionalen Modellprojekten ...... 137 3.3 Umgestaltung von Förderprogrammen ...... 138 3.4 Ausweitung von Umweltinformation und -bildung ...... 139 3.4.1 Angebote zur Umweltbildung und -information für Erwachsene ...... 139 3.4.2 Angebote zur Umweltbildung und -information für Kinder und Jugendliche ...... 140 3.5 Quellennachweis ...... 142

4 Zukunftsfähige Bayerische Alpen 2020 – eine Vision ...... 143

Anhang

Anhang 1: Resümée aus dem Internationalen Jahr der Berge 2002 ...... 147 Anhang 2: Abkürzungsverzeichnis ...... 149 Anhang 3: Gemeinden und kreisfreie Städte in den Alpenlandkreisen (nach LEP) ...... 150 Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

die länderübergreifende Politik im Alpenraum steht vor einem Durch- bruch. Die Alpenkonvention und ihre Protokolle sind in den meisten Ver- tragsstaaten in Kraft getreten. Jetzt ist es vordringliche Aufgabe, die inter- national vereinbarten Ziele auch für die Regionen, Kommunen und die Bürger vor Ort begreifbar und wirksam werden zu lassen.

Vieles ist bereits auf den Weg gebracht. Der deutsche Vorsitz der Alpen- konferenz hat z.B. die Vertragsstaaten aufgefordert, die rechtliche Veran- kerung aller Protokolle in sämtlichen Alpenstaaten voranzubringen. Ein gemeinsames Indikatorensystem, das helfen soll die zentralen Ziele der Alpenkonvention und ihrer Protokolle zu überprüfen, ist ebenso bereits erarbeitet worden.

Der Bericht, den Sie hier in Händen halten, wurde aus den Erlösen der Sonderbriefmarke zum internationalen Jahr der Berge 2002 mitfinanziert. Er ist ein wichtiger Beitrag des Bund Naturschutz Bayern zur Bestands- aufnahme und zur Verbesserung der deutschen Alpenpolitik. Viele einzel- ne planerische und strukturelle Maßnahmen wurden auf den Prüfstand gestellt. So z.B. die Frage, ob die Verkehrsplanungen und -maßnahmen vor Ort den Zielen des Verkehrsprotokolls entsprechen. Oder ob die tou- ristische Strukturentwicklung im deutschen Alpenraum auf Kosten der Vielfalt von Natur und Landschaft erfolgt.

Dieser Bericht greift konkrete Beispiele auf und markiert deutlichen Handlungsbedarf. Er regt an, die Diskussion über die Anforderungen einer vernünftigen Alpenpolitik zwischen den verantwortlichen Behörden und Politikern sowie den Bürgern und Nichtregierungsorganisationen zu ver- tiefen.

Aufgabe ist es nun, sich dieser Diskussion nicht zu entziehen, sondern nach Kräften dazu beizutragen, dass im deutschen Alpenraum eine Politik zunehmend wirksam wird, die den Naturraum respektiert und schützt, die Menschen in ihren sozialen und kulturellen Bedürfnissen achtet und eine zukunftsgerichtete und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung fördert.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Dr. Benno Hain Umweltbundesamt Berlin

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 3

Einführung

Einführung

Deutschland hat mit 3% der Landesfläche und und schwere Stürme sind knapp 6 % der Gebietskulisse der Alpenkonven- heute bereits sichtbare tion nur einen vergleichsweise kleinen Anteil an Folgen dieser Entwicklung, die sich künftig noch den Alpen. Trotzdem blicken Politik und Öffent- verstärken können. lichkeit mit sehr großem Interesse auf die deut- schen Alpen, denn sie sind weit über den geogra- Aufgrund der vielfältigen Schutz- und Nutzungs- phischen Raum hinaus sehr bedeutsam. funktionen stehen die Alpen im besonderen Inter- esse der Politik. Dies kommt insbesondere auch Der Naturschutz setzt sich für eine umfassende in der 1995 in Deutschland in Kraft getretenen Erhaltung dieses für Bayern und Deutschland ein- Alpenkonvention zum Ausdruck, dem ersten völ- zigartigen Gebiets mit seinen vielfältigen und oft kerrechtlich verbindlichen, thematisch umfassen- seltenen Arten- und Lebensgemeinschaften ein. den internationales Abkommen mit dem Ziel der Eine große Besonderheit der Alpen für Deutsch- nachhaltigen Entwicklung dieser Großregion. land ist auch das in Teilen noch erhaltene Bild Auch auf nationaler Ebene wird die besondere einer traditionellen Kulturlandschaft. Herausra- Bedeutung der Alpen vielfach in Programmen, gend wichtig sind die deutschen Alpen auch für Plänen und Gesetzen hervorgehoben. Besondere den Ressourcenschutz. Die Alpen sind wichtige Aufmerksamkeit erfuhr der Schutz und die nach- Trinkwasserreservoire bis weit ins Alpenvorland haltige Nutzung der Alpen auch im Internationa- hinaus und tragen wesentlich zur Luftreinigung len Jahr der Berge 2002. und zum klimatischen Ausgleich bei. Trotzdem werden Alpenschutz und die Grundge- Zugleich wirken auf die Alpen viele Nutzungsan- danken der Nachhaltigkeit durch Entscheidungen sprüche ein, die mit dem Ressourcen- und Natur- von Politik und Verwaltung ständig weiter ausge- schutz nicht immer zu vereinbaren sind. Die deut- höhlt. Eine kritische überparteiliche Evaluierung schen Alpen sind das wichtigste Ferien- und Frei- der Alpenpolitik in Deutschland fehlte bislang. zeitgebiet Deutschlands. Jedes Jahr strömen viele Dies war Anlass für die vorliegende Studie. Sie Millionen Urlauber und Tagesausflügler in die wurde im Nachgang zum Jahr der Berge 2002 aus Alpen und suchen ihr Vergnügen beim Wandern, dem Erlös der Sonderbriefmarke zum Jahr der Skifahren, Klettern, Radfahren, Gleitschirmflie- Berge durch das Umweltbundesamt maßgeblich gen, Golfen, etc.. Die Landwirtschaft nutzt gut zu gefördert. Der Bund Naturschutz bedankt sich für bewirtschaftende Lagen immer intensiver und die Förderung und gute Betreuung. In dieser Stu- zieht sich partiell aus extensiv zu nutzenden die wird die Politik der letzten Jahre in den deut- Bereichen mit oft hoher Bedeutung für den Natur- schen Alpen einer kritischen Bewertung unterzo- schutz zurück. Der forstliche Nutzungsdruck gen, es werden positive Ansätze ebenso wie Fehl- steigt weiter an. Der Ausbau regenerativer Ener- entwicklungen aufgezeigt und Empfehlungen ge- giequellen gefährdet die letzten naturnahen geben, wie das Leitbild der nachhaltigen Entwick- Fließgewässer. Das hohe Verkehrsaufkommen lung wirksam erreicht werden kann. und immer neue Straßen schädigen die Natur und belasten die menschliche Gesundheit. Zersied- Der Bund Naturschutz wünscht allen Lesern viele lung und Versiegelung, v.a. durch zusätzliche Anregungen aus dieser Studie und lädt alle Inter- neue Siedlungsflächen reduzieren die unbebau- essierten ein, aktiv an der Gestaltung einer nach- ten Talflächen immer mehr. Zusätzliche Belastun- haltigen deutschen Alpenpolitik mitzuwirken. gen hat der Alpenraum durch außerhalb der Alpen verursachte Schadwirkungen zu verkraften. Hier- Ihr zu zählen besonders Luftschadstoffe. Nirgends sind die Waldschäden in Bayern so gravierend, wie in den deutschen Alpen. Eine besondere Hypothek lastet durch die Klimaerwärmung auf Prof. Dr. Hubert Weiger den deutschen Alpen. Verheerende Hochwässer 1. Vorsitzender des Bund Naturschutz in Bayern e.V.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 5

Aufbau und Bezugsraum

1 Aufbau und Bezugsraum der Studie

Schwerpunkte der vorliegenden Studie sind ein sektoraler fachspezifischer Teil (Kap. 2), in dem die Hauptnutzungen in den deutschen Alpen behandelt werden und ein übersektoraler Teil (Kap. 3), im dem fachübergreifende Aspekte dar- gestellt sind. In Kap. 4 ist dargestellt, welche Chancen sich für die deutschen Alpen nach Umsetzung der Vorschläge für Schutz und nach- haltige Entwicklung ca. im Jahr 2020 eröffnen könnten. Der Anhang enthält u.a. ein kurzes Resü- mée zum Internationalen Jahr der Berge 2002,

bezogen auf die deutschen Alpen. Wessely Foto: Unterammergau im Landkreis Der fachspezifische Teil (Kap. 2) mit Ausführun- Garmisch-Partenkirchen gen zu Bergwald, Berglandwirtschaft, Freizeit und Alpengemeinden Sport, Siedlung, Verkehr, Energieerzeugung sowie Bei den Alpengemeinden handelt es sich um alle Naturschutz und Landschaftspflege gliedert sich Gemeinden, die nach dem Landesentwicklungs- jeweils in vier Unterpunkte: programm Bayern innerhalb der Zonierung des 1. Komprimierte Zusammenstellung wichtiger Alpenplans liegen. Diese Gebietskulisse orientiert Daten zur aktuellen Situation (Einleitung) sich eng am geomorphologischen Alpenrand und 2. Wichtige aktuelle Tendenzen und Entwicklun- entspricht daher den üblichen Vorstellungen von gen der letzten Jahre, die aus Sicht des Bund den Alpen als Gebiet mit großen Höhenunter- Naturschutz für den Alpenschutz besonders schieden. Im folgenden wird deshalb als Syno- problematisch sind (Zentrale Herausforderun- nym für die deutschen Alpengemeinden auch die gen) Bezeichnung »deutsche Alpen« verwendet. Die 3. Darstellung wichtiger politischer Rahmenbe- Gebietskulisse »deutsche Alpen« umfasst 101 Ge- dingungen, z.B. EU-Richtlinien, Alpenkonven- meinden mit einer Fläche von rund 5.400 km2. In tion, Gesetze, Pläne und Programme der Lan- Abbildung 1 ist die Außengrenze der Gesamtheit desplanung (Wichtige rechtliche und planeri- der Alpengemeinden Deutschlands dargestellt. sche Festlegungen) Die Alpengemeinden erstrecken sich in einem 4. Vorschläge zur Sicherung und Optimierung im lang gezogenen Streifen mit ca. 250 km West-Ost- Sinne eines umfassenden Alpenschutzes unter und zwischen 20 und 30 km Nord-Süd-Ausdeh- besonderer Berücksichtigung politischer Ge- nung. Die Gipfelhöhen liegen am Alpenrand viel- staltungsmöglichkeiten (Handlungsempfeh- fach unter 1.500 m. Nur im Oberallgäu, im Raum lungen). Garmisch-Partenkirchen und im Berchtesgadener Land überschreiten die Gipfelhöhen 2.500 m. Kap. 3 enthält Hinweise, wie der Alpenschutz auf einer fachübergreifenden Ebene verbessert wer- Geltungsbereich der Alpenkonvention den kann. Dazu zählen z.B. Vorschläge zur weite- Der Geltungsbereich der Alpenkonvention reicht ren Ausgestaltung der Alpenkonvention, Hinweise weit über den geomorphologischen Alpenrand auf eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zum nach Norden hinaus. Innerhalb der Alpenkonven- Alpenschutz und Anstöße für eine zielgerichtetere tionskulisse liegen 275 Gemeinden in 10 Land- Förderung von Projekten zur nachhaltigen Ent- kreisen sowie die drei kreisfreien Städte Rosen- wicklung in den Alpen. heim, Kempten und Kaufbeuren. Der Geltungsbe- reich der Alpenkonvention umfasst 11.147 km2 Bezugsraum der Studie sind zwei verschiedene und ist damit mehr als Doppelt so groß wie die Teilräume: die Alpengemeinden sowie der Gel- Alpengemeinden, die ohne Ausnahme in den Gel- tungsbereich der Alpenkonvention, jeweils in tungsbereich eingebettet sind. In Abbildung 1 ist Deutschland. die Grenze des Geltungsbereichs dargestellt.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 7 Aufbau und Bezugsraum

Wenn in dieser Studie Daten für den Geltungsbe- gen Fragestellungen waren nur Daten auf Basis reich der Alpenkonvention herangezogen wurden, der Landkreise bzw. kreisfreien Städte erhältlich. wird als räumliche Bezeichnung »Alpenlandkrei- In diesen Fällen erfolgt die Darstellung für den se« im Unterschied zu den »Alpengemeinden« Geltungsbereich der Alpenkonvention. In Anhang (s.o.) verwendet. 3 sind alle Gemeinden, kreisfreien Städte und Landkreise im Geltungsbereich der Alpenkonven- Sofern erhältlich, wurden vorrangig Daten für den tion aufgelistet und ist jeweils angegeben, ob es Bezugsraum »Alpengemeinden« benützt. Zu eini- sich dabei um eine Alpengemeinde handelt.

Abb. 1: Übersichtskarte

(aus: Der neue große Weltatlas, ISIS Verlag AG, Chur/Schweiz) Landkreise und kreisfreie Städte im Geltungbereich der Alpenkonvention

davon Alpengemeinden nach Landesentwicklungsprogramm Bayern

8 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Bergwald

2 Situationsanalyse und Handlungsempfehlungen zu zentralen Fachthemen des Alpenschutzes

2.1 Bergwald

2.1.1 Einleitung

uch wenn das Bild der bayerischen Alpen Ameist mit Almweiden, waldfreien Gipfeln und Felsen verbunden wird, die Statistik sagt etwas anderes: Die bayerischen Alpen sind v.a. Waldge- biet. Auf ca. 230.000 ha und damit 43 % wächst , auf weiteren 20.000 ha (4 %) Gebüsche,

insbesondere Latschen (StMELF, 1993). Wessely Foto: Der Wald in den bayerischen Alpen hat viele Aufga- Fast die Hälfte der bayerischen Alpen ist von Wald bedeckt. ben. Zentral wichtig sind die vielfältigen Schutz- funktionen, die überregionale Bedeutung als Erho- Bei der Waldfunktionskartierung wurden die ver- Klimaprognosen sagen lungsraum sowie als Lebensraum von Tieren und schiedenen Schutzfunktionen des Bergwaldes häufigere Starkregen vor- Pflanzen. Insbesondere für die Privatwälder ist erfasst. Danach haben aus. Intakter Bergwald auch die Bedeutung als Holzlieferant bedeutsam. • 40 % der Wälder besondere Bedeutung für wirkt wie ein Schwamm den Boden- und Erosionsschutz, und mildert so Hochwas- Nichts schützt so gut vor Lawinen, Steinschlag • 22 % der Wälder besondere Bedeutung für serspitzen bis weit ins und Muren wie intakter Bergwald. Unverzichtbar den Lawinenschutz, Flach- und Hügelland ab. sind naturnahe Bergwälder auch zum Schutz vor • 46 % der Wälder besondere Bedeutung für Die Bedeutung von intak- Hochwässern. Bergmischwald nimmt Niederschlä- den Wasserschutz. tem Bergwald für den ge wie ein Schwamm auf und gibt das Wasser dann Vielfach überlagern sich mehrere Funktionen Hochwasserschutz wird langsam wieder ab. So verhindern naturnahe Berg- (BAYERISCHE STAATSFORSTVERWALTUNG, 2002). zunehmen. wälder mit einer intakten Humusschicht und tiefer Durchwurzelung sehr wirksam den raschen Ab- fluss der oft hohen Niederschlagsmengen und bewahren dadurch tiefere Lagen bis weit ins Vor- land vor Hochwasser. Bergwälder sind auch von zentraler Bedeutung für den Erosionsschutz. Das feinmaschige Wurzelsystem naturnaher Bergwäl- der stabilisiert die oft nur dünne Bodenschicht. Ein funktionsfähiger Hangrutschungen, Muren und andere Erosions- Schutzwald ist vorgänge werden besonders durch die tiefreichen- unverzichtbar, um den Wurzeln der Tannen verhindert oder zumin- Siedlungen und dest stark gedämpft. Ohne die humusbildende Infrastruktur vor Steinschlag, und bodenerhaltende Kraft der Bergwälder wären Lawinen, Muren etc.

die Berge auf weiten Flächen blanker Fels und Ge- Wessely Foto: zu bewahren. röllhalden. Besonders wichtig ist auch die Lawi- nenschutzfunktion der Bergwälder. Ein intakter Eine wichtige Aufgabe haben die Bergwälder auch Schutzwald kann Lawinen, die über der Wald- als Luftfilter. Sie reinigen großflächig die Luft, grenze losbrechen, deutlich abschwächen oder z.B. indem sie Staub binden und reduzieren gro- manchmal sogar aufhalten. Im intakten Bergwald, ße Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid. mit ausreichend gemischten Beständen aus alten Ferner spielen die Bergwälder eine herausragen- und jungen Bäumen, entstehen in der Regel nur de Rolle beim Grundwasserschutz. Nichts schützt kleinflächige Schneerutsche, die rasch zum Still- die Qualität und Quantität der Grundwasserbil- stand kommen und kaum Schäden verursachen. dung besser als ein intakter Wald.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 9 Bergwald

Bergwälder sind ferner wichtige Erholungsräume. Von hoher Bedeutung sind naturnahe Bergwälder Viele Millionen Ausflügler und Urlauber finden der bayerischen Alpen auch für den Schutz von Entspannung und Naturerfahrung in den Wäldern seltenen und gefährdeten Biotoptypen. 7 der 16 der bayerischen Alpen. nach NATURA 2000 geschützten Wald-Biotop- typen liegen im bayerischen Alpenraum. Auch Naturnahe Bergwälder Herausragende Bedeutung haben die Bergwälder flächenmäßig sind die Bergwälder in den bayeri- sind für den Arten- und auch als Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Für schen Alpen für das europäische Schutzgebiets- Biotopschutz von großer eine Reihe von Tieren und Pflanzen, die in den netz NATURA 2000 von großer Bedeutung, da ge- Bedeutung. übrigen Landesteilen stark bedrängt sind, sind schützte Lebensraumtypen hier auf großen Flächen naturnahe Bergwälder der deutschen Alpen wich- und in vielfältiger Ausprägung erhalten blieben. tige Rückzugsräume. Dies insbesonders dann wenn sie einen höheren Anteil an alten, abster- benden oder toten Bäumen aufweisen. Hier leben eine große Zahl seltener und gefährdeter Arten, die außerhalb der Alpen massiv zurückgedrängt worden sind und für die naturnahe Bergwälder teilweise sogar letzte Überlebensinseln darstellen.

Als Beispiele sollen nur der Weißrückenspecht für die unteren und der Tannen-Stachelpilz für die mittleren Bergwaldlagen genannt werden. Der Weißrückenspecht bewohnt Laub- und Mischwäl- der, bevorzugt mit naturnahem Aufbau, hohem Altholzanteil und absterbenden Bäumen in allen Stadien des Vermoderns. Die Art kommt heute wegen des hohen forstlichen Nutzungsdrucks in Bayern nur noch in den Bayerischen Alpen in einer überlebensfähigen Teilpopulation vor. Nach Schätzungen (BRENDEL, 1998) leben in den Bayeri- schen Alpen noch rund 100 Brutpaare. In den aus- gedehnten Bergmischwäldern Ostbayerns sind die Bestände massiv geschrumpft, so dass der

Weißrückenspecht dort heute vom Aussterben Wessely Foto: bedroht ist (LfU, 2003). Schneeheide-Kiefernwälder sind von Natur auf wenige, beson- ders wärmebeeinflusste Standorte in den deutschen Alpen begrenzt.

Die Verteilung des Waldes und auch die Zusam- mensetzung der Pflanzen- und Tiergesellschaften sind im deutschen Alpenraum, ähnlich wie im Flachland, stark von Nutzungsanforderungen und -einwirkungen geprägt. So ist z.B. die heutige Waldfläche durch Rodungen für die Landwirt- schaft, für Siedlungen, Infrastruktur- und Freizeit- anlagen gegenüber früheren Jahrhunderten deut- lich reduziert. Auch hat sich die Waldzusammen- setzung erheblich verändert.

Auf naturbelassenen Standorten kommen in den unteren Lagen (submontane Zone bis ca. 800m ü.NN) vonehmlich Buchenmischwälder vor. In mittleren Lagen (montane Zone von ca. 800–1400m ü.NN) sind v.a. Bergmischwälder aus

Foto: Wessely Foto: Buchen und anderen Laubbäumen mit Tannen Naturnahe aufgebaute und strukturierte Bergmischwälder sind nicht nur ideale Schutzwälder, son- und Fichten standortheimisch. In der obersten dern auch für die Erholung und den Naturschutz äußerst bedeutsam (NSG Allgäuer Hochalpen). bewaldeten Höhenstufe (subalpine Zone von ca. 1400–1700m ü.NN) kommen von Natur aus Fich- tenwälder vor, denen besonders im Osten der

10 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Bergwald deutschen Alpen vermehrt Lärchen und Zirben • hoher Nutzungs- und Erschließungsdruck, beigemischt sind. Auf wenigen, besonders trocke- • dringend erforderlicher Waldumbau bei nen Standorten wachsen natürliche Kiefernwäl- gleichzeitigem Zwang zum Sparen. der. Das aktuelle Waldbild wird v.a. in den jünge- ren und mittelalten Waldteilen vor allem von der Fichte dominiert. In allen Altersklassen ist sie im Schutzwald mit 63% die häufigste Baumart, gefolgt von Buche (19%), Tanne (6%) und dem sog. Edellaubholz (insbesondere Bergahorn) mit weiteren 6 % (StMELF, 1993). Im Gebirgswald außer- halb der Schutzwaldlagen ist die Baumartenzu- sammensetzung ähnlich, tendenziell liegt hier der Fichtenanteil noch etwas höher. Noch deutlicher als in der Baumartenzusammensetzung sind die Unterschiede zwischen dem aktuellen und dem natürlichen Waldaufbau, wenn man die Bestands- formen betrachtet. Der natürlicherweise fast alle Flächen bedeckende Bergmischwald mit standort- mäßig variierendem Anteil der Hauptbaumarten

Fichte, Buche und Tanne ist besonders in mittelal- Doering Foto: 1 ten und jüngeren Waldteilen massiv zurückgegan- Auf über /5 der Schutzwald- gen. 1993 wuchsen nur auf 38 % der Schutzwald- Klimaveränderung fläche wachsen monostruktu- lagen Bergmischwälder. Die Fichten-Reinbestän- Die Durchschnittstemperatur ist in den letzten rierte Fichten-Reinbestände. Brechen sie zusammen, sind de, die natürlicherweise auf den Waldgrenzbe- 100 Jahren weltweit um 0,6 Grad gestiegen, in den unterhalb liegende Flächen reich in der subalpinen Höhenstufe und wenige Alpen war der Anstieg in etwa doppelt so hoch akut gefährdet. Extremstandorte der montanen Stufe beschränkt (LATIF, 2004). Nach den Prognosen des Bayerischen sind, bedeckten dagegen 21 % der Fläche. Klimaforschungsprogramms (BAYERISCHER KLIMAFOR- SCHUNGSVERBUND, 1999) werden sich in Süddeutsch- Die Verschiebung der Baumartenzusammenset- land bis zum Jahr 2050 folgende Änderungen zung hat weitreichende Folgen. Insbesondere der ergeben: im Vergleich zum natürlichen Wald wesentlich • Die Temperatur wird im Winter nur geringfü- reduzierte Tannen-Anteil wirkt sich negativ aus. gig, im Sommer aber beträchtlich um bis zu Die Tanne hat im Schutzwald eine Schlüsselfunk- 4 Grad steigen. tion. Tannen wurzeln sehr intensiv und tief und • Die Winterniederschläge werden zunehmen, halten den Boden deshalb besonders gut fest. im Sommer ist mit einem Rückgang der Auch sind sie dadurch relativ unempfindlich Niederschläge zu rechnen. gegen Sturmschäden. Tannen können jahrzehnte- lang im Schatten anderer Bäume ausharren, wäh- Für den Bergwald werden die gravierendsten Aus- rend andere Baumarten wegen Lichtmangel all- wirkungen durch Veränderungen bei den Nieder- mählich absterben. Sobald einer der alten Bäume schlagsmengen sowie durch extreme Hitzeperio- abstirbt oder gefällt wird und mehr Licht auf die den erwartet. Unter diesem Blickwinkel geben Tanne fällt, beginnt sie rasch zu wachsen, füllt die das Pfingsthochwasser 1999, die Hochwässer entstandene Lücke wieder aus und trägt so zu 2002 und der extrem niederschlagsarme »Jahr- einem kontinuierlichen Schutz bei. Die Tanne gilt hundertsommer« 2003 eine sehr anschauliche deshalb als Schlüsselart für den Schutzwald. Vorstellung von einer möglichen künftigen Ent- wicklung. Der Klimawandel ist für den Wald weni- ger eine Frage der Mittelwerte, als vielmehr der 2.1.2 Zentrale zunehmenden Häufigkeit von Extremereignissen Herausforderungen wie Hitzeperioden, extreme Trockenheit oder Sturm. Längerfristig wird es bei steigenden er Bergwald kann auf einem Großteil der Flä- Durchschnittstemperaturen aber auch zu deut- Dchen die vielfältigen Funktionen nur sehr ein- lichen Veränderungen in der Baumartenzusam- geschränkt erfüllen. Hauptursachen hierfür sind: mensetzung kommen, da die Waldbäume an ganz • unzureichende Verjüngung insbesondere von spezielle Klimastufen angepasst sind. Tannen und Laubbäumen durch übergroßen Auch wird sich voraussichtlich die Waldgrenze um Wildverbiss, ca. 50 – 100 Höhenmeter nach oben verschieben. • hoher Anteil Bäume, die durch Schadstoffe belastet sind,

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 11 Bergwald

Waldschäden (2003) erzielt werden. Dagegen ist das Problem Die Wälder in den deutschen Alpen sind überpro- der Stickstoffeinträge noch weitgehend ungelöst. portional von Waldschäden betroffen. Stickstoff ist zwar ein unverzichtbarer Pflanzen- nährstoff, kann aber nur bis zu einem gewissen Tab. 1: Waldschäden (1999) Grad von den Waldbäumen genutzt werden. Zu hohe Einträge führen zu unkontrollierten Verän- Schutzwald in den Wald in Schadstufe Schädigungsgrad derungen im Stoffhaushalt der Waldbäume und deutschen Alpen (1999) Gesamt-Bayern (1999) schädigen die Bäume. Im Extrem kommt es zu 0 ohne Schadmerkmale 34 % 39 % Nitratauswaschungen, die den Boden versauern 1 schwach geschädigt 32 % 42 % 2 und das Grundwasser belasten. Bei /3 der Wald- 2 mittelstark geschädigt 29 % 18 % klimastationen in Bayern überschreiten die Stick- 3/ 4 stark geschädigt bzw. abgestorben 5 % 1 % stoffeinträge die kritische Eintragsgrenze. An der 2-4 deutliche Schäden 34 % 20 % Waldklimastation Kreuth im Landkreis Miesbach

(StMLF, 2000.) im Zentralstock der bayerischen Alpen wurde mit einem Stickstoffeintrag von 23,2 kg/ha im Be- Über ein Drittel des Schadstufen 2 bis 4 werden auch international als stand der höchste Wert aller bayerischen Waldkli- Schutzwaldes wiesen 1999 »deutliche Schäden« zusammengefasst und im mastationen festgestellt. Hier müssten die Einträ- deutliche Waldschäden wesentlichen zur Beurteilung des Waldzustandes ge um 60 % reduziert werden, damit sie unterhalb auf. herangezogen. der kritischen Eintragsgrenze (critical load) liegen Für den Bergwald besonders dramatisch ist die (StMLF, 2003). überproportional hohe Betroffenheit der Tanne, da die Tanne für die Ökologie und Stabilität der Stickoxidemissionen stammen in Bayern zu über Bergwälder von zentraler Bedeutung ist. 2003 wa- 80% aus dem Verkehr, zu 10% aus der Industrie, ren in Bayern nur 21 % der Tannen gesund, 49% zu 7% aus Haushalten und zu 3% aus Kraft- und wiesen deutliche Schäden auf (StMLF, 2003)1. Die Heizwerken (StMLF, 2000). Tanne besitzt allerdings die Fähigkeit, sich auch nach einer stärkeren Schädigung zu regenerieren. Stickoxide und flüchtige organische Verbindun- Es ist deshalb sehr zu bedauern, dass viele mittel- gen reagieren bei Sonnenlicht und setzen Sauer- stark geschädigte ältere Tannen gefällt wurden, stoffradikale frei. Damit kann bei Reaktion mit die sich nach Reduktion der Schwefelbelastung Sauerstoff aus der Luft bodennahes Ozon entste- wieder regeneriert hätten (MEISTER, OFFENBERGER, 2004). hen. Durch die besonderen Reaktionsmechanis- men (bei hohen Stickstoffmonoxidgehalten bildet Die Waldschadenssituation hat sich kontinuierlich sich Ozon wieder zurück zu Sauerstoff und Stick- verschlechtert. So ist zwischen 1983 und 2003 die stoffdioxid) entsteht häufig die paradoxe Situa- Zahl der gesunden Bäume von 53% auf 29% zu- tion, dass an der Quelle der Vorläufersubstanzen rückgegangen. Gleichzeitig stieg der Anteil der (insbes. an verkehrsnahen Orten) geringe Ozon- schwach geschädigten Bäume von 35% auf 50% belastungen auftreten, während in emittentenfer- und der deutlichen Schäden von 12% auf über nen Gebieten hohe Ozon-Konzentrationen gemes- 21%. Auch in der jüngsten Vergangenheit haben sen werden. Phasen mit hoher Ozonbelastung in sich die Waldschäden weiter ausgeweitet. In nur den unteren Luftschichten treten in den letzten 2 Jahren (1999/2001) erhöhte sich der Anteil der Jahren immer häufiger und länger auf. Die Auf- Bäume mit deutlichen Schäden im Schutzwald von nahme von Ozon über die Spaltöffnungen der 34 auf 37%. Bei den über 60-jährigen Bäumen im Nadeln und Blätter führt zu Schäden an der Vege- Schutzwald weisen sogar 55% deutliche Schäden tation. Ozon wirkt ab einer bestimmten Konzen- auf (BAYERISCHE STAATSFORSTVERWALTUNG, 2002 a). tration auch schädigend auf die menschliche Ge- sundheit. Der Bergwald in den deutschen Alpen Wesentliche Faktoren für die Waldschäden sind ist von der erhöhten Ozonbelastung besonders Schwefel- und Stickstoffeinträge. Ferner spielt die betroffen, da die Ozonkonzentrationen in den hö- Ozonbelastung eine zentrale Rolle. heren Lagen ganzjährig höher sind als im Flach- Bei den Schwefelimmissionen konnte durch die land. Bei einer Versuchsreihe mit Ozonsammlern Entschwefelung von Kraftwerken und die Verwen- an Waldklimastationen in Bayern wurden dung schwefelarmer Energieträger in den letzten 2002/2003 an den drei Stationen im bayerischen 1 Jahren eine deutliche Entlastung der Waldböden Alpenraum um mindestens /3 höhere Werte als von durchschnittlich 8 kg/ha (1991) auf 3 kg/ha im Flachland festgestellt. Zudem wiesen die Waldklimastationen im Gebirge deutlich geringe- re Schwankungsbreiten der Ozonkonzentration im 1 In der Waldzustandserhebung 2003 wurde keine Differenzierung für den Wald in den deutschen Alpen vorgenommen, deshalb sind in Jahreslauf auf als im Flachland (StMLF, 2003). Tab.1 die Zahlen von 1999 angegeben.

12 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Bergwald

Mangelnde Waldverjüngung bissbelastung in 40 % der Hegegemeinschaften Trotz einiger Fortschritte Die deutliche Erhöhung des Jagddrucks, insbe- in den deutschen Alpen immer noch zu hoch ist die Verbissbelastung sondere in den Staatsforstgebieten der deut- (StMELF, 2003). Nur in 2 der 20 Hegegemeinschaften durch Schalenwild in vielen schen Alpen, zeigt mittlerweile erste Wirkung in ist die Verbissbelastung im Hinblick auf die natür- Bereichen der deutschen der Naturverjüngung. Tannen und Laubbäume liche Waldverjüngung günstig. Besonders be- Alpen immer noch viel zu sind heute in der Naturverjüngung deutlich höher denklich ist die weiterhin hohe Verbissbelastung hoch. beteiligt als noch vor 10 Jahren. Ein Vergleich der der Schlüsselbaumart Tanne in den Hegegemein- forstlichen Inventurergebnisse von 1985 mit de- schaften, die im Bereich der Flyschzone (geologi- nen von 2000 zeigt, dass sich die Vorausverjün- sche Zone am Alpennordrand) liegen (z.B. Leit- gung, also die Verjüngung unter dem Schirm älte- triebverbiss in der Hegegemeinschaft Buching: rer Bestände, auf heute 35 % der Fläche verdop- 36 % und in der Hegegemeinschaft Mangfall-Ost pelt hat. Nicht nur die Quantität, auch die Qualität 25 %). Die Böden auf Flysch sind besonders labil der Vorausverjüngung stimmt hoffnungsvoll. und rutschgefährdet. Einer möglichst hohen Tan- Der Fichtenanteil sinkt zugunsten der Laubbäu- nenbeimischung kommt hier wegen der boden- me. Allerdings ist der Tannenanteil mit nur 4 % festigenden Wirkung der Tanne eine besonders weiterhin zu niedrig und insbesondere für die große Bedeutung zu. Wenn es nicht gelingt, den zukünftige Erfüllung der Schutzwaldfunktion pro- Tannenverbiss in den nächsten Jahren soweit zu blematisch (SAUTER, 2002). Für die Zukunft wird ent- reduzieren, dass die Tanne nicht nur an-, sondern scheidend sein, welche Anteile an Tannen und auch aufwachsen kann, entstehen hier gewaltige Ahornen etc. tatsächlich über eine Höhe von zwei Gefährdungspotenziale bis weit ins Flachland hin- Metern aufwachsen kann. Auch bestehen deutli- aus. che Unterschiede in der Verjüngungssituation auf verschiedenen Standorten. Besonders die trocke- Nutzungs- und Erschließungsdruck nen, weitgehend jungen, unverwitterten Böden In den letzten 20 Jahren wurde der Holzeinschlag (Rendzinen), die auf großen Flächen der bayeri- im Staatswald der deutschen Alpen derart hoch schen Alpen vorkommen, sind weiterhin Problem- geschraubt, dass nicht nur die Landtagsopposi- standorte der Verjüngung. Während die Tanne in tion von einer »Plünderung des Staatswaldes« den Altbeständen auf diesen Standorten immer- spricht. Auch an vielen Forstämtern regt sich seit hin mit 4,8 % beteiligt ist, liegt ihr Anteil bei den langem Widerstand gegen den massiv erhöhten Jungbeständen bei marginalen 0,5 % (SAUTER, 2002). Hiebssatz. Zwischen 1981 und 2000 stieg der Ursache hierfür ist weiterhin v.a. eine zu starke durchschnittliche Holzeinschlag im Staatswald Verbissbelastung durch Schalenwild (Reh, Hirsch, Bayerns von 3,3 Millionen Festmeter auf 4,4 Milli- Gams). Die Verbissbelastung durch Weidetiere onen Festmeter um 25 % an (StMLF, 2000 a). Ab 2000 (Waldweide) kann kleinflächig, z.B. für Ahorn wurde der Einschlag nochmals drastisch erhöht. oder Esche erheblich sein. Großflächig betrachtet 2004 ist eine weitere Steigerung um 25 % ange- sind die Schäden im Vergleich mit den durch das kündigt (BÜRGERWALDFORUM, 2004). Schalenwild verursachten aber gering. Auch im bayerischen Gebirgswald wurde der Holzeinschlag drastisch erhöht. Trotz der mit Wirt- schaftlichkeitsaspekten begründeten Einschlags- erhöhung gelang es im Gebirgswald dennoch nicht, kostendeckend zu arbeiten. Die Forstwirt- schaft im Gebirge blieb auch nach der drastischen 2 Anhebung der Hiebssätze auf /3 der Fläche unter der Wirtschaftlichkeitsschwelle (SAUTER, 2002).

Parallel zum gestiegenen Nutzungsdruck stieg Weit über 11.000 km auch der Erschließungsdruck. Bereits 1994 belief Forststraßen durchziehen sich das Forstwegenetz in den deutschen Alpen die deutschen Alpen. auf 11.250 km Fahrwege und 7.105 km Rückewege

Foto: Wessely Foto: (KELLER, EGGENSBERGER, 1996). Seitdem wurde der Fehlende Verjüngung, immissionsbedingte Waldschäden, Stür- Wegebau in vielen Gebirgsstöcken weiter voran- me und schließlich Borkenkäfer rissen große Löcher in den getrieben. Ein Ende ist bislang nicht in Sicht. So Bergwald oberhalb Bad Hindelang. sind allein im schwäbischen Teil des Naturschutz- gebiets Ammergebirge über 44 km neue Forst- Die Verbissbelastung durch Schalenwild wird seit straßen und -wege geplant, davon 29 km LKW- 1991 mit einem forstlichen Gutachten dokumen- Wege und 15 km befestigte Rückewege (REGIERUNG tiert. Danach ist die Verbissbelastung im Berg- VON SCHWABEN, 2004). wald deutlich zurückgegangen, doch ist die Ver-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 13 Bergwald

und Infrastrukturmaßnahmen im Bergwald wur- den 45 (94%) genehmigt und nur 3 versagt. Von den 45 Rodungserlaubnissen lagen 9 im Schutz- wald. Insgesamt wurden für 15,5 ha Rodungser- laubnisse erteilt und nur für 5 ha die Erlaubnis nicht gegeben (BAYERISCHER LANDTAG, 1999).

Stark eingeschränkte Erfüllung der Schutzfunktion Aufgrund der vielfältigen Belastungen durch Wild- verbiss, Immissionen, Klimaveränderung und andere Faktoren, können die Wälder in den deut- schen Alpen ihre Schutzfunktion nicht mehr aus- reichend gewährleisten. 150.000 ha, das sind 60% der gesamten Waldfläche in den deutschen Alpen, sind als Schutzwald ausgewiesen. Nur ein

Foto: Wessely Foto: kleiner Teil erfüllt die Schutzfunktionen optimal. Obwohl die deutschen Alpen Überwiegend sind die Schutzwälder nur einge- von einem dichtem Forst- Der immer weiter voranschreitende Ausbau des schränkt in der Lage, die angestrebte Schutzfunk- straßennetz (hier NSG Ammer- Forststraßennetzes hat gravierende Beeinträchti- tion auch tatsächlich voll zu gewährleisten. Auf gauer Alpen) durchzogen sind, ist der Bau weiterer Straßen gungen von Natur und Landschaft zur Folge: rund 10% der Schutzwaldfläche ist die Schutzfä- selbst in Naturschutzgebieten • Mit dem Straßenbau geht meist eine drasti- higkeit so stark eingeschränkt, dass sie in das vorgesehen. sche Erhöhung des Holzeinschlags einher. 1987 aufgestellte Schutzwaldsanierungspro- • Forststraßen zerschneiden großflächige gramm aufgenommen werden mussten. Lebensräume seltener und störempfindlicher Tierarten. Seit dem Beginn der Schutzwaldsanierung 1987 • Durch die Zerstückelung des Waldes in wurden für Pflanzung und temporäre Verbauun- Nutzungssegmente geht der großzügige gen rund 45 Mio. € ausgegeben (DINSER, 2002). landschaftliche Gesamteindruck verloren, Schutzwaldsanierung ist sehr teuer. Jedes ge- wodurch die landschaftliche Qualität sinkt. pflanzte Bäumchen kostet zwischen 2,50 und • Forststraßen sind oft Ansatzpunkte weiterer 3,00 €. Ein sehr hoher Kostenfaktor sind auch Erschließungen, die zu weiteren Beeinträch- Verbauungen. So wurden z.B. auf der 46 ha gro- tigungen führen. ßen Sanierungsfläche Hagenberg, oberhalb der • Neugeschlagene Wegetrassen bilden Ansatz- Zufahrtsstraße zum Ski- und Wandergebiet Spit- punkte für Windwurf und Borkenkäferbefall zing, 2,9 Mio. € für Verbauungen ausgegeben und sind örtlich Ansatzstellen für Erosion. (DINSER, 2002). • Über Forststraßen kann das Wasser bei Stark- niederschlägen rasch ins Tal abfließen und Mit den 45 Mio. €, die seit dem Start des Schutz- dort zur Hochwasserbildung beitragen. waldsanierungsprogramm 1987 ausgegeben wor- • Mountainbiker und Skitourengeher benutz- den sind, konnte die Arbeit erst auf 22% der ten gerne Forststraßen. Eine neue Forststraße Sanierungsflächen abgeschlossen werden. Auf steigert so den Erholungsdruck in zuvor stö- rund der Hälfte der Sanierungsflächen laufen der- 1 rungsärmeren Gebieten. Dies kann die zeit die Arbeiten, auf /4 der Flächen konnten sie Habitatqualität für störempfindliche Tierarten noch nicht einmal in Angriff genommen werden. erheblich mindern. Das Schutzwaldsanierungsprogramm umfasst heute fast 1.200 Sanierungsflächen mit einem Bergwaldrodungen Umfang von rund 12.600 ha. Die Schutzwaldsan- Unter dem Eindruck der Naturkatastrophen im ierung wird also auch weiterhin den Steuerzahler Alpenraum hat der Bayerische Landtag im Juni erheblich belasten. Dabei sind diese Sanierungs- 1984 den sog. Bergwaldbeschluss (s. a. Punkt flächen oft nur die Spitze des Eisbergs. Viele 2.1.3) verabschiedet. Dieser in seinen Zielsetzun- Schutzwälder liegen wegen des Fehlens einer gen weitreichende Beschluss sah u.a. vor, keine ausreichenden Verjüngung auf der Kippe zur Auf- Rodungen von Bergwald für neue Freizeiteinrich- nahme ins Sanierungsprogramm. Da zu wenig tungen und sonstige touristische Maßnahmen getan wird, um das Entstehen neuer Sanierungs- Der Bergwaldbeschluss mehr zu genehmigen. In der Praxis wurde dieser flächen wirksam zu verhindern, nimmt Zahl und wurde bislang kaum Beschluss aber nur äußerst mangelhaft vollzo- Fläche der Sanierungsflächen trotz mittlerweile beachtet. gen. Von den zwischen 1984 und 1998 eingereich- 17-jähriger Tätigkeit der Schutzwaldsanierungs- ten Rodungsanträgen für Freizeiteinrichtungen stellen weiter zu (DINSER, 2002).

14 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Bergwald

• Vermeidung von Bodenerosionen und -ver- dichtungen (Art. 1), • Ausweisung von Naturwaldreservaten in aus- reichender Zahl und Größe (Art. 10).

Von hoher Bedeutung sind auch die Festlegungen im Bergwaldprotokoll für andere Politikbereiche. So verpflichten sich die Vertragsstaaten u.a. zu folgenden Maßnahmen: • Reduzierung der Luftschadstoffbelastungen auf ein für Waldökosysteme nicht schädliches Maß (Art. 2 a), • Begrenzung der Schalenwildbestände auf ein

Foto: Wessely Foto: Niveau, das eine natürliche Verjüngung 15.000 ha Schutzwald sind so stark verlichtet oder geschädigt, standortgerechter Bergwälder ohne besonde- dass sie in das Schutzwaldsanierungsprogramm aufgenommen re Schutzmaßnahmen ermöglicht (Art. 2 b), werden mussten. • Rückführung oder Ablösung der Waldweide bei Problemfällen (Art. 2 c), Wichtigste Maßnahme einer nachhaltigen Schutz- • Lenkung und ggf. Einschränkung der Erho- waldsanierung ist deshalb ein Einschlagstopp für lungsnutzung zu Gunsten von Erhalt und Ver- alle älteren Schutzwälder, bis unter ihnen ein jüngung von Bergwäldern (Art. 2 d), befriedigend gemischter und dichter Jungwald • Förderung des verstärken Einsatzes von Holz aufgewachsen ist. aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern Als weitere Belastung kommt hinzu, dass die (Art. 2 e), kostspielige Schutzwaldsanierung nur auf knapp • Bereitstellung von ausreichendem und fach- 2 /3 der Flächen trotz einer sehr wohlwollenden kundigem Personal (Art. 2 g). »Benotung« gute bis zufriedenstellende Erfolge 1 erzielt. Auf über /3 der Fläche werden mäßige bis Protokoll Naturschutz und Landschaftspflege schlechte Ergebnisse erzielt. Hauptschadfaktor ist Das Protokoll enthält eine Grundverpflichtung dabei nach wie vor der Wildverbiss (DINSER, 2002). zum Schutz, Pflege und – soweit erforderlich – Wiederherstellung von Natur und Landschaft, ein- schließlich der wildlebenden Tier- und Pflanzenar- 2.1.3 Wichtige rechtliche ten unter Berücksichtigung einer ökologisch trag- und planerische baren Nutzung (Art. 2). Das querschnittsorientier- Festlegungen te Protokoll sieht dazu u.a. vor: • dauerhafter Schutz natürlicher und naturna- Alpenkonvention her Biotoptypen und Durchführung von Maß- ür den Bergwald sind insbesondere das Berg- nahmen, um die dauerhafte Erhaltung dieser Fwaldprotokoll und das Protokoll zu Natur- Biotoptypen in ausreichendem Umfang und schutz und Landschaftspflege der Alpenkonven- funktionsgerechter räumlicher Verteilung zu tion (ÖAV, 2001) wichtig. Beide Protokolle wurden in erreichen (Art. 13), Deutschland am 18.12.2002 unterzeichnet und • Erhaltung einheimischer Tier- und Pflanzenar- sind in Kraft getreten. ten in ihrer Vielfalt und mit ausreichenden Populationen, insbesondere durch die Sicher- Bergwaldprotokoll stellung genügend großer Lebensräume Aus dem umfangreichen Zielkatalog des Berg- (Art .14), waldprotokolls sind insbesondere folgende Vor- • Lenkung von raumbedeutsamen Nutzungen, gaben zu nennen: damit sie natur- und landschaftsschonend • Orientierung der forstlichen Behandlung von erfolgen (Art. 10), Schutzwäldern vorrangig am Schutzziel (Art. 6), • Verhinderung vermeidbarer Beeinträchtigun- • Erhaltung von Schutzwäldern (Art. 6), gen durch Eingriffe (Art. 9), • Berücksichtigung der Erfordernisse von • Vereinbarungen mit Grundeigentümern über Naturschutz und Landschaftspflege bei wei- angepasste forstwirtschaftliche Nutzung zu teren Wegebauten (Art. 9), Schutz, Erhaltung und Pflege von naturnahen • Vorrang für natürliche Waldverjüngungsmaß- und schützenswerten Biotopen und verstärk- nahmen, im Falle von Pflanzungen Verwen- ter Einsatz von Fördermitteln der Forstwirt- dung von autochtonem Material (Art. 1), schaft dazu (Art. 10),

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 15 Bergwald

• Einrichtung von Schon- und Ruhezonen für Waldgesetz für Bayern wildlebende Tier- und Pflanzenarten, die Das Waldgesetz für Bayern (Stand: Sept. 2004)1 einen ungestörten Ablauf von arttypischen betont die besondere Bedeutung des Waldes für ökologischen Vorgängen sicherstellen sowie den Naturhaushalt. Zentrale Ziele sind die Erhal- Verbot von Nutzungsformen, die mit den öko- tung, ggf. Vermehrung der Waldfläche, die Ge- logischen Abläufen in diesen Zonen nicht ver- währleistung eines standortgemäßen Zustandes träglich sind (Art. 11), und der Schutzfähigkeit, die Holzerzeugung im • Schaffung eines ökologischen Verbundes zwi- Rahmen der nachhaltigen Bewirtschaftung und schen ausgewiesenen Schutzgebieten, Bioto- die Erholungsfunktion. Für die Bergwälder sind ins- pen und anderen geschützten oder schüt- besondere folgende Bestimmungen bedeutsam: zenswerten Objekten (Art. 12), • Hohe Hürden für die etwaige Ausbringung Bewirtschaftung von Schutzwald gentechnisch veränderter Pflanzen oder Tie- Nach Art. 14 können in Schutzwäldern Maßnah- re. Eine Freisetzung ist demnach in den Alpen men, die die Schutzfunktion beeinträchtigen oder nur dann möglich, wenn auf der Grundlage gefährden würden, untersagt werden. Ferner einer förmlichen Prüfung feststeht, dass die haben die Eigentümer und Nutzungsberechtigten Freisetzung ohne Risiken für Mensch und Maßnahmen zuzulassen, die zur Sicherung der Umwelt erfolgt (Art. 18). Schutzfunktion durchgeführt werden. Kahlhiebe im Schutzwald müssen genehmigt werden. Bayerisches Naturschutzgesetz Das Bayerische Naturschutzgesetz (1999) hebt die Vorbildliche Bewirtschaftung des Staatswaldes große Bedeutung der Alpen für den Natur- und Von der mit Wald bedeckten Fläche (Holzboden- Landschaftsschutz deutlich heraus. Nach Art. 1 (7) fläche) in den deutschen Alpen sind rund 133.000 sind die deutschen Alpen mit ihrer natürlichen Viel- ha (54 %) Staatswald, rund 88.000 ha (36 %) Pri- falt an wildwachsenden Pflanzen und wildleben- vatwald und ca. 23.000 ha (10 %) Körperschafts- den Tierarten einschließlich ihrer Lebensräume als wald. Staatswald dominiert in Oberbayern, Privat- Landschaft von einzigartiger Schönheit in ihren und Körperschaftswald sind die vorherrschenden Naturräumen von herausragender Bedeutung zu Waldbesitzarten im Allgäu (StMELF, 1982). Nach Art. erhalten. 18 dient der Staatswald dem allgemeinen Wohl in besonderem Maße und ist daher vorbildlich zu Große Bergwaldbereiche erfüllen die Kriterien der bewirtschaften. Als Hauptziel der Bewirtschaf- FFH- und Vogelschutz-Richtlinie mit den entspre- tung nennt das Gesetz die Erhaltung und ggf. chenden Erhaltungszielen und den dafür erforder- Schaffung standortgemäßer, gesunder, leistungs- lichen Ge- und Verboten. Wälder auf Sonderstand- fähiger und stabiler Wälder. orten, wie Schlucht-, Block und Hangschuttwälder sowie Krummholzgebüsche (Latschen, Grünerlen Landesentwicklungsprogramm Bayern etc.) sowie Moor-, Bruch- und Auwälder sind auch Auch das Bayerische Landesentwicklungspro- nach Art. 13 d des Bayerischen Naturschutzgeset- gramm (StMLU, 2003) betont die besondere Bedeu- zes geschützt. Maßnahmen, die zu einer Zerstörung tung der Schutzwälder. Die Funktionsfähigkeit der oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen Schutzwälder im Alpenraum soll durch nachhalti- Beeinträchtigung führen können, sind unzulässig. ge Waldpflege erhalten und ggf. verbessert wer- den. In ihrer Funktion gestörte und gefährdete Ein erheblicher Teil der Bergwälder liegt innerhalb Schutzwälder sollen vorrangig saniert werden. von oft großflächigen Natur- und Landschafts- Die Verjüngung der Bergwälder soll durch wirksa- schutzgebieten. Die jeweiligen Schutzgebietsver- me Maßnahmen zur Begrenzung von Wildschäden ordnungen stellen die ordnungsgemäße forstwirt- unterstützt werden (Pkt. 4.6). Bergwälder, Schutz- schaftliche Nutzung zwar frei, enthalten aber teil- wälder sowie Wälder auf Sonderstandorten sollen weise Genehmigungsvorbehalte für einzelne in einem naturnahen Zustand erhalten oder dahin forstliche Maßnahmen. zurückgeführt werden (Pkt. 4.3). Das Landesent-

Explizit im Gesetz geregelt ist das behördliche Vorgehen bei Wegebauten. Danach sind der Bau 1 Die bayerische Staatsregierung plant eine weitgehende Umstruk- oder die wesentliche Änderung von Straßen und turierung der Staatsforstverwaltung. Dazu muss das Waldgesetz geändert werden. Da Umwelt- und Naturschutzverbände befürch- befahrbaren Wegen, für die keine Genehmigung ten, dass die Forstreform zu einer weiteren Erhöhung des Nutzungs- nach einem anderen Verfahren erforderlich ist, drucks und gravierenden Einschnitten im Natur- und Umweltschutz mindestens 3 Monate vor Baubeginn bei der führen wird, haben sich mehr als drei Dutzend Organisationen, dar- unter der DAV, BN und die Landesvertretung der IG Bauen-Agrar- Unteren Naturschutzbehörde am Landratsamt Umwelt im Waldbündnis Bayern zusammengeschlossen und ein anzuzeigen(Art. 6 e). Bürgerbegehren initiiert (s.a. www.volksbegehren-wald.de).

16 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Bergwald wicklungsprogramm enthält auch eine Zielaus- • Bewahrung und Erweiterung wertvoller sage zur Beratung von Waldbesitzern. Danach sol- Lebensräume für waldbewohnende Tier- und len Waldbesitzer durch flächendeckende fachliche Pflanzenarten, Beratung wirksam unterstützt werden (Pkt. 4.4). • Keine Nutzung von Horst- und Höhlenbäumen. (BAYERISCHE STAATSFORSTVERWALTUNG, 2002 b). Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtags 1984 verabschiedete der Bayerische Landtag den 2.1.4 Handlungs- Beschluss »Maßnahmen zum Schutz des Berg- empfehlungen waldes«, der meist als Bergwaldbeschluss bezeichnet wird. Dieser Beschluss zielt darauf, orrangig zur Erhaltung und Gesundung des dem Schutz des Bergwaldes grundsätzlich Vor- VBergwaldes sind insbesondere übergeordnete rang vor allen anderen Nutzungsansprüchen umweltpolitische Maßnahmen, v.a. die Senkung zukommen zu lassen. Dazu sind u.a. folgende der Stickoxidemissionen und des Kohlendioxid- Maßnahmen vorgesehen: Ausstoßes. Da der Verkehr Hauptverursacher • Breite Information über die besondere sowohl bei den Stickoxidemissionen ist und auch Bedeutung des Bergwaldes als Schutzwald, wesentlich zur Bildung von bodennahem Ozon für die Wasserwirtschaft und alle anderen beiträgt, sind vorrangig Maßnahmen zur Ver- Sozial- und Wohlfahrtsfunktionen, kehrsvermeidung und -reduktion nötig. Vorschlä- • Waldbau mit dem Ziel, bestehende Schutz- ge hierzu enthält Kapitel 2.4. Darüber hinaus sind wälder möglichst lange zu erhalten und junge Energieeinsparungen bei Gebäuden, Anlagen und Wälder zu fördern, Geräten, die Steigerung der Energieeffizienz und • Grundsätzlich keine weiteren Rodungen für der verstärkte Einsatz regenerativer Energien Freizeiteinrichtungen und andere touristische wichtige Bausteine für eine Verringerung der Infrastrukturmaßnahmen, Stickoxid- und Kohlendioxidemissionen. • Prüfung, ob Wegegebote und Betretungsver- bote zur Reduzierung von Belastungen des Neben diesen zentralen übergreifenden Erforder- Naturhaushalts im Wald nötig sind, nissen, sollten speziell für den Bergwald in den • Regulierung des Schalenwildbestands bis zu deutschen Alpen folgende weitere Empfehlungen einem Niveau, das ein Aufwachsen einer umgesetzt werden: standortgerechten, natürlichen Verjüngung ohne Schutzvorrichtungen (Zaun oder Einzel- Aufrechterhaltung eines effektiven schutz) ermöglicht, Jagddrucks • Vorrang des Bergwaldschutzes und insbeson- Vielfach werden bereits wieder Forderungen laut, dere der Naturverjüngung vor Einnahmen aus den Jagddruck stark zu reduzieren mit der Be- der Verpachtung von Staatsjagdrevieren, gründung, es entstünden Steuerausfälle, weil pri- • Ablösung von Waldweiderechten so rasch wie vate Jäger in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich, wobei Rodungen für die Anlage neu- nicht mehr ausreichend zu Schuß kommen könn- er Weideflächen nur in besonders begründe- ten, oder das Schalenwild wäre durch die intensi- ten Ausnahmefällen erfolgen sollen, ve Bejagung nahezu ausgerottet. Dass dies nicht • Durchführung von landeskulturellen Maßnah- der Fall ist, zeigen die weiterhin hohe Verbissbe- men, um Hochwässern entgegenzuwirken. lastung und die hohen Jagdstrecken. Beispiele belegen, dass in Schutzwäldern trotz immer noch Waldbaugrundsätze für den bayerischen ausreichender Wildmengen in wenigen Jahren Staatswald befriedigende Naturverjüngungen aufwachsen Da über die Hälfte des Waldes in den deutschen können. Allerdings ist die Jagd dort nicht mehr so Alpen Staatswald ist, sind die Waldbaugrundsätze bequem und stellt eine wesentlich größere Her- für den Staatswald hier von großer Bedeutung. ausforderung an die Jäger dar. Um die gegen den Die 2002 neu gefassten Grundsätze sehen u.a. vor: Widerstand einer Reihe von Jägern auf Teilflächen • Erhaltung des »Grundcharakters« von Wäldern, mittlerweile erreichte Trendwende in der Waldver- in denen die Baumartenzusammensetzung jüngung zu sichern, ist es erforderlich, die wenig der natürlichen Waldgesellschaft entspricht, effektive Einzeljagd durch effektivere Gemein- • Anreicherung naturferner Bestände mit schaftsjagden zu ersetzen. Das setzt allerdings Baumarten der natürlichen Waldgesellschaft, vielfach ein Umdenken der Jäger voraus. Wesent- • Vermeidung von Bestandsschäden und von liche Aufgabe für die nächsten Jahre muss es sein, Bodenbeeinträchtigungen, die erzielten Erfolge bei der Waldverjüngung auf • Sicherung der Schutzfunktionen der Berg- der Fläche soweit abzusichern, dass befriedigend wälder, gemischte Waldverjüngungen tatsächlich auf-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 17 Bergwald

Scheinerfolge wird eine echte Schadensverhü- tung verhindert. Diese Schadensverhütung im Schutzwald wäre um ein Vielfaches kostengünsti- ger als die Schadensbehebung durch die Schutz- waldsanierung. Deshalb muss die Schutzwaldprä- Überhöhter Wildverbiss mie eine deutlich gestaffelte Funktionserfüllungs- schädigt die Naturverjüngung. prämie sowie eine Maßnahmenbezuschussung Effektiver Jagddruck über lange enthalten, die sicherstellt, dass zukünftig keine Zeit ist deshalb Grundvoraus- setzung für stabile, gemischte neuen Sanierungsflächen entstehen.

Bergwälder. Vogeltanz Foto: Einstellung der Nutzung auf allen geeigneten wachsen können. Überall dort, wo dies noch nicht staatlichen Bergwaldflächen der Fall ist, muss dieses Ziel durch die Einstellung In weiten Bereichen ist die Nutzung des Bergwal- des Holzeinschlags und eine effektivere Bejagung des defizitär. In allen Waldteilen, in denen noch angestrebt werden. Die ständig wiederholte eine ausreichende Beimischung der standorthei- Behauptung von der kurz bevorstehenden Ausrot- mischen Baumarten wie Tanne, Buche, Bergahorn tung des Schalenwildes dient nur der Aufrechter- etc. zur Fichte oder Kiefer vorhanden ist, könnte haltung von Wildmengen, die für eine bequeme die Bewirtschaftung eingestellt werden, wenn die Einzeljagd notwendig sind. Es ist eine klare Ent- jagdlichen Probleme befriedigend gelöst sind und scheidung darüber notwendig, ob die Schutzwäl- damit ein Aufwachsen der Waldverjüngung gesi- der vorrangig dem Schutz vieler Menschen oder chert ist. Es handelt sich dabei überwiegend um einer unkomplizierten Jagd dienen sollen. Diese ältere Wälder, deren Funktionstauglichkeit sich Grundsatzentscheidung muss auch in konkrete durch Holzentnahmen ohne Lösung der jagdli- Maßnahmen umgesetzt werden. chen Probleme weiter verschlechtern würde. Auf diese Weise könnten auch durch die Auflassung Umgestaltung der Schutzwaldprämie von Waldwegen, die nur aufwändig zu unterhalten Der Freistaat Bayern hat den Eigentümern von sind, erhebliche Steuergelder eingespart werden. Körperschafts- und Privatwäldern bisher eine flä- chenbezogene Schutzwaldbeihilfe als Flächen- Der angesehene ehemalige Inhaber des Lehr- pauschale, unabhängig vom Waldzustand ausbe- stuhls für Waldbau und Forsteinrichtung an der zahlt. Die Förderung war lediglich nach der jewei- Ludwig-Maximilians-Universität München, Prof. ligen Fläche pro Antragsteller gestaffelt und Dr. Burschel, sieht keine Notwendigkeit für eine betrug zwischen 40 € pro ha und Jahr bei einem Waldbewirtschaftung, nur um die Schutzwald- Flächenbesitz von unter 2 ha und bis zu 2 € pro funktion zu erhalten (BURSCHEL, 1994). In einem ha und Jahr bei einem Flächenbesitz zwischen 100 Beitrag in der Allgemeinen Forstzeitschrift greift und 500 ha (StMLF, 2004 a). Jährlich wurden etwa Prof. Dr. Burschel dazu die Probleme des extre- 1 Mio. € ausbezahlt (MILLER, 2002). Umwelt- und men Befalls durch Schadorganismen (Kalamitä- Naturschutzverbände fordern seit langem eine ten) auf, die scheinbar zwingend den waldbau- entsprechende Neugestaltung. Solange die Besit- lichen Eingriff zur Erhaltung der Schutzwaldfunk- zer privater Schutzwälder Gelder nach dem tionen erfordern. Er stellt fest, dass selbst durch »Gießkannenprinzip« erhalten, signalisiert dies, Sturmwürfe und Borkenkäfer großflächig betrof- dass es dem Staat nicht wichtig ist, ob ein Schutz- fene Wälder ihre Schutzwirkung nicht verlieren. wald seine Funktionen gut erfüllt oder nicht. Die Nach seinen Untersuchungen ist die tote Biomas- Förderung sollte so umgestaltet werden, dass sie se stets für eine so lange Zeitspanne voll in der entsprechend des Funktionserfüllungsgrades Lage, die Schutzwirkung des Bestands aufrecht deutlich gestaffelt ist. Die Förderung sollte einen zu erhalten, bis Bodenvegetation und Verjüngung echten finanziellen Anreiz für private Waldbesit- so weit aufgewachsen sind, dass sie ihrerseits zer bieten, ihren Wald so zu bewirtschaften, dass wieder die Schutzwirkung übernehmen können. die Schutzfunktion bestmöglich gewährleistet Prof. Burschel stellte fest, dass dies auch im Hin- wird. Auch die alleinige Bezuschussung von Maß- blick auf Schneebewegungen gilt. Bei Sturmwurf nahmen im Schutzwald ist unzureichend, da dann erhöhe der massive Totholzanteil am Boden die all diejenigen Privatwaldbesitzer bestraft werden, Oberflächenrauheit derart, dass er eine dem leben- die schon bisher funktionsfähige Schutzwälder den Bestand ebenbürtige Schnee- und Lawinen- erhalten oder wieder aufgebaut haben. Ausser- bremse darstelle. Dies bestätigt auch eine Disser- dem sind Pflanz- oder Verjüngungsmaßnahmen tation an der Eidgenössischen Forschungsanstalt im Schutzwald wirkungslos, wenn das Aufwach- für Wald, Schnee und Landschaft in der Schweiz. sen der gepflanzten oder natürlich ankommenden Nach den Untersuchungen in einem nach dem Bäumchen nicht gesichert ist. Durch kurzfristige Sturm Vivian 1990 durch Borkenkäfer massiv ge-

18 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Bergwald schwächten Schutzwald im Kanton Glarus, bieten Umschichtung von Fördergeldern nicht aufgearbeitete Totholzbestände auch nach zur Holzbringung über 10 Jahren noch ausreichen Schutz vor Lawi- Für den Wegebau gewährt der Staat den Besit- nen und Steinschlag (ALPMEDIANEWS, 2004). zern von Privat- und Körperschaftswald im Berg- Prof. Burschel zieht aus seinen Beobachtungen wald Zuschüsse bis zu 80%, im Schutzwald sogar den Schluss, dass erst die Aufarbeitung von Kata- bis zu 90% der Wegebaukosten. Die Erschließ- strophenholz die betroffenen Flächen zu Kahl- ungsdichte ist bereits überwiegend hoch, der schlägen im ökologischen Sinne macht. Nach sei- Forststraßenbau hat gravierende negative Wir- ner Einschätzung kann in Schutzwäldern auf die kungen. Ausserdem kann sich die Holzentnahme teure Bewirtschaftung verzichtet werden, weil negativ auf die Schutzfunktion auswirken, wenn ökologische Nachteile dadurch nicht zu erwarten dadurch Lücken ohne rasch aufwachsende Jung- sind und vorrangig ökonomisch vorteilhafte wald- bäume entstehen. Deshalb müsste eine Förde- bauliche Verfahren die Schutzwaldfunktion nicht rung von Wegbauten an die Bedingung geknüpft stärken, sondern sogar destabilisieren. Prof. Bur- sein, dass das Aufwachsen aller standortheimi- schel schließt damit, dass seiner Meinung nach schen Baumarten ohne besondere Schutzmaß- allein die Produktion von Holz forstliche Maßnah- nahmen gewährleistet ist. Als Alternativen zum men erfordert (BURSCHEL, 1994). Der Bund Natur- Wegebau sollten waldverträglichere Bringungs- schutz schließt sich dieser Fachmeinung an. methoden stärker gefördert werden. Hier hat sich Seilbringung seit langem bewährt. Sie ist langfris- tig i.d.R. auch betriebswirtschaftlich rentabler. Foto: Wessely Foto: Wird die forstliche Nutzung eingestellt, bleibt die Schutzwir- kung – angemessene Wildbestände vorausgesetzt – erhalten. Der Transport von gefälltem Holz mit Seilvorrichtungen Erhaltung der Tannen hat sich seit lan-

Die Tanne erfüllt eine Schlüsselfunktion bei der Doering Foto: gem bewährt. Sicherung der Schutzfunktionen. Die Tanne war 1990 in den über 120-jährigen Wäldern der deut- Hiebsmaßnahmen im Staatswald nur bei schen Alpen noch mit etwa 15% beteiligt, in den gesicherter Verjüngung bis 60-jährigen Wäldern dagegen nur noch mit Bereits 1982 formulierte die Bayerische Staats- 2% (Bundeswaldinventur I, 1990). Es erscheint deshalb forstverwaltung in den Grundsätzen für die Wald- unbedingt notwendig, zumindest in den Staats- behandlung im bayerischen Hochgebirge die For- wäldern alle Tannen so lange zu erhalten, bis ein derung »Keine Holznutzung, wenn Verjüngung weitgehend ungehindertes Aufwachsen junger wegen Wildverbiss nicht gesichert ist« (StMELF, Tannen ohne besondere Schutzmaßnahmen 1982). Dieser richtige waldbauliche Grundsatz gewährleistet ist. wurde bis heute nicht flächendeckend umgesetzt, sondern im Gegenteil durch die massive Erhö- Erschließungsstopp für neue Forststraßen im hung des Einschlags in den letzten Jahren immer Staatswald weniger beachtet. Es ist von zentraler Bedeutung Im Staatswald des deutschen Alpenraums verlau- für die Funktionssicherung des Bergwaldes, dass fen insgesamt 2.564 km Straßen und Wege (StMLF, zukünftig Hiebsmaßnahmen nur dann durchge- 2004 b). Die rentabel zu bewirtschaftenden Teile führt werden, wenn das Aufwachsen der Verjün- des Gebirgswaldes sind damit weitestgehend gung der standortheimischen Baum- und Strauch- ausreichend mit Waldwegen erschlossen. Neue arten samt ihrer Begleitflora ohne besondere Forstwege dürfen nur noch dort gebaut werden, Schutzmaßnahmen gewährleistet ist. Um dies wo größere Komplexe naturwidriger Forste drin- entsprechend zu dokumentieren, sollten die ört- gend in naturnahe Wälder umzubauen sind und lich zuständigen Inspektionsbeamten dies schrift- wo ein Aufwachsen aller standortheimischen lich bestätigen. Baumarten gesichert ist.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 19 Bergwald

Vertragsnaturschutzprogramm im Wald kann, wenn es langfristig mit finanziellen Mitteln Das von der bayerischen Staatsregierung ange- ausgestattet und nachvollziehbar kontrolliert kündigte Vertragsnaturschutzprogramm im Wald wird, fehlt bisher ein entsprechender Vollzug wurde mit dem Sparhaushalt 2003/ 2004 durch die bayerische Staatsregierung. Die nötigen gekappt. Dies bedeutet einen großen Rückschritt Mittel müssten in einem Sonderprogramm mit für den Naturschutz im Wald. Das Programm sah einer Laufzeit von mindestens 20 Jahre festgelegt die Förderung für folgende Maßnahmen vor: werden. Ausreichende Mittel sind dabei nicht nur • Verzicht auf Nutzung von Altbäumen und Alt- für die Durchführung der Maßnahmen, sondern baumgruppen, auch für deren Kontrolle bereit zu stellen. Ferner • Verzicht auf Nutzung von Totholz, Horst- und sollten die Ergebnisse der Kontrollen der Öffent- Höhlenbäumen, lichkeit besser bekannt und zugänglich gemacht • Maßnahmen zur Wiederherstellung ehemals werden. Bei der Schutzwaldsanierung könnten feuchter und nasser Waldstandorte, z.B. dadurch wirksame Einsparungen des Landes- Moorrenaturierung, Schließen von Entwässe- haushalts erreicht werden, indem die Sanierung rungsgräben, nur dort begonnen oder fortgeführt wird, wo das • Pflegeprämie für Freiflächen und lichte Wald- Aufwachsen der naturnahen Waldverjüngung strukturen. (StMLF, 2001) ohne besondere Schutzmaßnahmen gesichert ist. Eine entsprechende politische Festlegung hierzu Mit der Streichung des Vertragsnaturschutzpro- wäre dringend erforderlich. gramms Wald wurde eine große Chance vergeben, wichtige Strukturen für den Arten- und Biotop- Unterstützung der FSC-Zertifizierung schutz auf kooperativer Basis zu sichern. Es ist In Deutschland gibt es derzeit zwei Gütesiegel für deshalb zu befürchten, dass sich der Trend, beson- nachhaltige Forstwirtschaft: FSC (Forest Steward- ders starke Altbäume einzuschlagen und Bäume ship Council) und PEFC (Pan-European Forest Cer- mit Höhlen und größerem Totholzanteil zu beseiti- tification). Die FSC-Standards sind insgesamt gen, fortsetzen wird. Auch wird der vom Natur- höher und entsprechen eher einer vorbildlichen schutz durch das Vertragsnaturschutzprogramm Bewirtschaftung. So gilt z.B.: Wald erhoffte Schub für neue Pflegemaßnahmen • Biozide: FSC verbietet jeglichen Einsatz, PEFC und Renaturierungsprojekte auf mit Wald in Verbin- überlässt die Entscheidung dem Bewirtschaf- dung stehenden Biotopflächen wohl ausbleiben. ter, der sie »als letztes Mittel« verwenden Um die Akzeptanz für den Naturschutz bei den darf. privaten Waldbesitzern zu fördern, ist es dringend • Baumartenwahl: Bei PEFC werden »Mischbe- notwendig, das Vertragsnaturschutzprogramm im stände standortgerechter Baumarten ange- Wald zu realisieren. passter Herkünfte« angestrebt. FSC-Wälder müssen sich an natürlichen Waldgesellschaf- FFH-Prämie in Natura 2000-Gebieten ten orientieren, nicht heimische Baumarten Große Flächen der NATURA 2000-Gebiete in den können allenfalls einzel- bis gruppenweise bayerischen Alpen sind Bergwald. Dabei überwie- beigemischt werden. gen die Staatsforstflächen, es sind aber auch eine • Befahren: Flächiges Befahren des Waldbo- Reihe von Privat- und Körperschaftswäldern in die dens ist bei FSC uneingeschränkt ausge- Gebietsmeldungen einbezogen worden. Die EU schlossen, bei PEFC nur grundsätzlich zu ermöglicht Förderungen in NATURA 2000-Gebie- unterlassen. ten bis 500 € pro ha und Jahr, zusätzlich zu ande- • Wildbestand: Das Wildmanagement richtet ren Zahlungen. In Bayern gibt es diese Zahlung sich bei FSC nach eindeutigen, überprüfbaren aber bis heute nicht, da die dazu nötigen Ausfüh- Kriterien und Indikatoren. Bei PEFC soll der rungsbestimmungen nicht erlassen worden sind. Waldbesitzer auf angepasste Wildbestände Damit sind in NATURA 2000-Gebieten Bayerns lediglich »im Rahmen seiner Möglichkeiten« keine zusätzlichen Fördermöglichkeiten vorhan- hinwirken. den, obwohl der gute Zustand von Waldflächen Voraussetzung für die Meldung zu NATURA 2000 Erhebliche Teile des bayerischen Staatswaldes war. Der BN fordert deshalb, von der bayerischen und auch viele Privat- und Kommunalwälder wür- Staatsregierung die sofortige Auszahlung einer den die höheren FSC- Standards erfüllen. Die Bay- FFH-Prämie sowohl für Wald, als auch für land- erische Staatsforstverwaltung sollte sich wegen wirtschaftliche Nutzflächen (s.a. Kap. 2.7.4). der Pflicht zur »vorbildlichen Bewirtschaftung« sowie Waldbesitzervereinigungen wegen besserer Schutzwaldsanierung als Daueraufgabe Chancen auf dem Holzmarkt nach FSC zertifizie- Obwohl deutlich ist, dass das Schutzwaldsanie- ren lassen. rungsprogramm nur dann seine Ziele erreichen

20 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Bergwald

Umwandlung von verpachteten Jagden in inhabers verschleiert, die z.B. bei den jährlichen Jagden in Eigenregie »Pflicht-Hegeschauen« voll gewährleistet ist. Trotz erheblicher Fortschritte bei der Reduzierung Revierweise Aussagen zum Wildverbiss sind not- des Schalenwildverbisses ist der Wildbestand in wendig, um die Verantwortung des jeweiligen vielen Revieren immer noch zu hoch und verhin- Revierinhabers für das Aufwachsen der standort- dert das Hochkommen der standortheimischen heimischen Waldverjüngung und damit einen Naturverjüngung. Jagdpächter haben mitunter Wiederaufbau funktionsgerechter Schutzwälder kein großes Interesse daran, die Wildbestände zu gewährleisten. Zumindest in allen Jagdrevieren auf ein waldverträgliches Maß zu reduzieren, da mit höherem Schutzwaldanteil sind deshalb es dann zunehmend schwieriger und zeitaufwän- revierweise Aussagen in die Gutachten aufzuneh- diger wird, Trophäenwild zu erlegen. Dieser Kon- men. Ausserdem sollten die Gutachten in allen flikt wird entschärft, wenn die Jagd durch die Bergwäldern durch ein Netz an »Weiserzäunen« Waldbesitzer, Waldbetreuer oder die Jagdgenos- (das sind Flächen, die wilddicht eingezäunt sind senschaft in Eigenregie erfolgt. Viele Beispiele und deshalb wichtige Hinweise für die Waldver- zeigen, dass der Gewinn aus dem Holzverkauf aus jüngung ohne Einfluss von Vieh und Schalenwild einem intakten Wald die entgangenen Pachtein- geben) ergänzt werden. Nur so können Waldbesit- nahmen um ein Vielfaches übertrifft. zer und Jäger erkennen, ob das notwendige Auf- Weitere Vorteile eines intakten Waldes ergeben wachsen der Waldverjüngung gesichert ist. sich im Hinblick auf die Schutzfunktionen, die Erholungseignung und die Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz. Bereits der Bergwaldbeschluss des bayerischen Landtags von 1984 schlug vor, Staatsjagden weni- ger unter dem Gesichtspunkt von Einnahmen zu verpachten. Staatsjagden sollten deshalb gene- rell nicht mehr verpachtet werden. Jagdgenossenschaften sollten von der Unteren Jagdbehörden bzw. von Verbänden Hilfestellung erhalten, wie die Jagd in Eigenregie waldgerecht erfolgen kann. Falls die Jagd durch den Besitzer oder die Genossenschaft nicht möglich sein soll- te, müssten die Waldbesitzer in die Jagdpachtver- träge eindeutige Regelungen aufnehmen, in denen z.B. die zu entschädigenden Baumarten, die Höhe der Entschädigung je geschädigtem Ein- zelbaum und die vorzeitige Kündigungsmöglich-

keit des Vertrages für den Fall festgelegt wird, Wessely Foto: dass innerhalb weniger Jahre keine waldverträg- Ergebnis zu hoher Wildbestän- lichen Wildbestände hergestellt wurden. Ein Mit der zunehmenden Belastung des Bergwaldes de: Innerhalb des Zauns besonderes Problem tritt überall dort auf, wo durch die Klimaänderung werden diese Gutachten wächst eine Vielzahl junger Bäume von selbst auf (Natur- Landwirte die Mehrheit einer Jagdgenossenschaft immer wichtiger. Sie müssen deshalb weiter von verjüngung), außerhalb des stellen, da der Wildschaden auf landwirtschaftlich forstlichen Fachleuten durchgeführt und beurteilt Zauns fehlt Naturverjüngung genutzten Flächen meist voll ersetzt wird. Die werden. Sie sollten daneben zumindest stichpro- fast ganz. Landwirte sind meist an einem relativ hohem benartig von unabhängigen Stellen kontrolliert Schalenwildbestand im Wald interessiert, da sie werden. dann i.d.R. auch eine höhere Jagdpacht erzielen. In all diesen Jagdgenossenschaften ist die Redu- Wildfütterungen zierung des Wildschadens im Wald nur über ein- Die Standorte von Wildfütterungen sind wegen deutige Regelungen des Wildschadenersatzes im der Konzentrationswirkung von Wild in ihrem Ein- Wald möglich. zugsbereich von sehr großer Bedeutung für die Verbissbelastung des Bergwaldes. Für den Ergänzung des forstlichen Gutachtens zur Staatswald besteht schon seit Jahren die Vorga- Waldverjüngung be, Rehwildfütterungen aufzulassen. Dies sollte Die Daten zur Verbissbelastung werden bislang auch in den Privat- und Körperschaftswäldern für Hegegemeinschaften aufbereitet. Die bisheri- erfolgen. Gerade im Hinblick auf die Verjün- ge Erhebungsmethodik lässt keine abgesicherten gungsfähigkeit des Bergwaldes ist dies außeror- Ergebnisse für die einzelnen Reviere zu. Dadurch dentlich wichtig. Rot- und Rehwild würde natürli- wird die Verantwortung des einzelnen Jagdrevier- cherweise im Winter das Hochgebirge verlassen

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 21 Bergwald

und in den vorgelagerten Auen und Wäldern über- Naturwaldreservate wintern. Da durch Verkehr und Siedlungen die Das Bergwaldprotokoll der Alpenkonvention ver- natürlichen Wanderbeziehungen weitestgehend pflichtet Deutschland dazu, Naturwaldreservate abgeschnitten sind, kann auf Rotwildfütterungen in ausreichender Größe und Anzahl auszuweisen, nicht generell verzichtet werden, wenn ein »ange- wobei möglichst alle Bergwaldökosysteme reprä- messener« Bestand für die Jagd erhalten werden sentiert sein sollen (Art. 10). soll. Um die entstehenden Verbiss- und Schäl- Von den 151 Naturwaldreservaten in Bayern lie- schäden auf ein waldverträgliches Maß zu gen 17 in den deutschen Alpen (15 in Oberbayern, begrenzen, sollten die bereits erstellten, aber bis- 2 in Schwaben). Sie nehmen insgesamt 1.535 ha lang nicht umgesetzten Fütterungskonzepte reali- ein, das entspricht nur knapp 0,7 % der gesamten siert werden. Dort, wo es noch keine Konzepte Waldfläche (LWF, 2004). Um wenigstens ein Grund- gibt, sollten diese aufgestellt werden. Dort, wo gerüst an nicht genutzten Wäldern zu gewährleis- Fütterungen nicht ohne tolerierbare Wildschäden ten, sollten auf wenigstens 2 % der Waldfläche möglich sind, sollten Wintergatter beibehalten Naturwaldreservate ausgewiesen werden. Dabei oder ggf. neu errichtet werden. sollten insbesondere die Waldlebensraumtypen nach NATURA 2000 berücksichtigt werden.

2.1.5 Quellennachweis

ALPMEDIANEWS, 2004: Schutzwirkung von Wäldern nach Borkenkäferbefall, Nr. 10 vom 19.5.2004, S. 3 BAYERISCHE STAATSFORSTVERWALTUNG, 2002 a: Waldbaugrundsätze für den bayerischen Staatswald (Folder) BAYERISCHE STAATSFORSTVERWALTUNG, 2002 b: CD-ROM Der Schutzwald in den deutschen Alpen BAYERISCHER KLIMAFORSCHUNGSVERBUND, 1999: Klimaänderungen in Bayern und ihre Auswirkungen – Abschlussbericht des Bayerischen Klimaforschungsverbundes, 90 S. BAYERISCHER LANDTAG, 1984: Drucksache 10/ 3978 BAYERISCHER LANDTAG, 1999: Drucksache 14/444 BRENDEL, U., 1998: Vögel der Alpen, Ulmer-Verlag, Stuttgart BUNDESWALDINVENTUR I, 1990: Der Wald in Bayern – Tabellenband, Berichte aus der LWF, Nr. 1 BÜRGERWALDFORUM, 2002: Bürgerwaldbericht 2002, Hrsg.: Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft, Bund Naturschutz in Bayern, Deutscher Alpenverein, Interessengemeinschaft Kommunale Trinkwasserversorgung, Landesbund für Vogelschutz, Landesverband Bayern der deutschen Gebirgs- und Wandervereine, 36 S. BÜRGERWALDFORUM, 2004: Werden Bayerns Wälder kaputt gespart? Pressemitteilung vom 27.2.2004 BURSCHEL, P., 1994: Holzproduktion als ökologische Rechtfertigung des Forstberufes, Allgemeine Forst Zeitung 12/ 1994, S.622-631 DINSER, K., 2002: 15 Jahre Schutzwaldsanierung in den deutschen Alpen; Rückblick und Ausblick; Tagungsband zur 4. Bergwaldkonferenz zum Bergwaldprotokoll der Alpenkonvention vom 27.-28.5.2002 in Grainau, Hrsg.: Bayeri- sche Staatsforstverwaltung, S. 48-52 KELLER, P., EGGENSBERGER, P., 1996: Erhaltung des Bergwaldes im deutschen Alpenraum; Abschlussbericht zum F+E-Vorhaben des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, 119 S. LATIF, M., 2004: Der globale Klimawandel in: ZÄNGL W., HAMBERGER S., 2004: Gletscher im Treibhaus, S. 220-225, Tecklenborg Verlag LfU, 2003: Rote Liste gefährdeter Tiere Bayerns; Schriftenreihe des LfU, Heft 166 LWF, 2004: website - www.lwf.bayern.de MEISTER, G., OFFENBERGER, M., 2004: Die Zeit des Waldes, Verlag Zweitausendeins MILLER, J., 2002: Der Schutzwald, Auftrag für heute, Verantwortung für die Zukunft; Tagungsband zur 4. Bergwaldkonferenz zum Bergwaldprotokoll der Alpenkonvention vom 27.–28.5.2002 in Grainau, Hrsg.: Bayerische Staatsforstverwaltung, S. 7-11 ÖAV, 2001: Die Alpenkonvention, Fachbeiträge, Serie: Alpine Raumordnung, Nr. 17 REGIERUNG VON SCHWABEN, 2004: Waldwegebaukonzept NSG »Ammergebirge«, AZ 825-8622.004/ 93 vom 28.6.2004, unveröffentlicht SAUTER, U.: 2002: Bergwalddynamik; aktuelle Inventurergebnisse; Tagungsband zur 4. Bergwaldkonferenz zum Berg- waldprotokoll der Alpenkonvention vom 27.-28.5.2002 in Grainau, Hrsg.: Bayerische Staatsforstverwaltung, S. 40-45 StMELF, 1993: Der Schutzwald in den deutschen Alpen (Funktionen, Zustand, Sanierung), 45 S. StMELF, 2003: Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2003, 45 S. StMLF, 2000 a: Jahresbericht und Statistikband des Bayerischen Staatsforstverwaltung, 60 S. StMLF, 2000 b: Waldzustandsbericht 2000, 58 S. StmLF, 2001: Programm 2000 – Leistungen für Land und Leute (Broschüre) StMLF, 2003: Waldzustandsbericht 2003, 67 S. StMLF, 2004 a: Waldbauliches Förderprogramm 1995 (Stand Januar 2002) unter http://www.forst.bayern.de/docs/partner-forder-wb.html StMLF, 2004 b: Antwort auf die schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ruth Paulig vom 22.4.2004 über die Kosten der Forstbewirtschaftung im Hochgebirge vom 28.5.2004 StMLU, 2001: Interpellation Bodenschutz - Beantwortung durch den Bayerischen Umweltminister Schnappauf am11.10.2001 StMLU, 2003: Landesentwicklungsprogramm Bayern

22 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Berglandwirtschaft

2.2 Berglandwirtschaft

2.2.1 Einleitung

ach dem Bergwald ist die Berglandwirtschaft

Nin den Alpengemeinden mit annähernd 36% Wessely Foto: Anteil an der Gesamtfläche die flächenmäßig Stattliche Bauernhöfe mit zweitwichtigste Nutzung in den deutschen Alpen In den Alpenlandkreisen, die z.T. weit ins Alpen- Rinderhaltung sind typisch für die deutschen Alpen und das (RUPPERT, 2003). Fast alle landwirtschaftlich genutz- vorland hinausreichen, befinden sich insgesamt Voralpenland. ten Flächen sind Grünland. Der Anteil der land- 20.960 Betriebe (LfStaD, 2004, Datenstand 2001). wirtschaftlichen Nutzfläche an der Gesamtfläche der Gemeinden schwankt stark aufgrund der Un- 1999 lag die Nebenerwerbsquote in den Alpen- terschiede in der Geländeform, den Bodenverhält- landkreisen mit durchschnittlich 43,7% unter nissen, der Höhenlage und dem Klima. In den Ge- dem bayerischen Durchschnittswert von 55,8%. meinden nahe des geomorphologischen Alpen- Zwischen den einzelnen Alpenlandkreisen gibt es rands, in denen die natürlichen Bedingungen für große Unterschiede. Besonders hoch liegt der die Landwirtschaft weitaus günstiger sind, liegt Anteil der Nebenerwerbslandwirtschaft in den der Anteil deutlich höher als in den Gemeinden im landwirtschaftlich sehr klein strukturierten Land- Alpeninnern. kreisen Berchtesgadener Land (63%) und Gar- misch-Partenkirchen (66%). Die Landkreise mit Typisch für die Struktur der Landwirtschaft in den den geringsten Nebenerwerbsquoten sind Ostall- deutschen Alpen ist ein hoher Anteil an Betrieben, gäu (30%), Oberallgäu (30%) und Miesbach mit die sowohl Flächen im Tal, als auch auf Almen1 be- rund 40% (StMLF, 2003 a und b sowie StMLF 2002). wirtschaften. Alm und Talbetrieb bilden dabei eine Bewirtschaftungseinheit. Die Almflächen Die durchschnittliche Betriebsgröße lag 2001 mit liefern im Durch- 21,2 ha in den Alpenlandkreisen nahe dem bayeri- schnitt zwischen schen Durchschnittswert von 23,3 ha (StMLF, 2002 15 und 30% des sowie LfStaD, 2004). In den Alpenlandkreisen gab es Futterbedarfs. 2001 weniger Kleinbetriebe unter 10 ha als im Nur bei wenigen bayerischen Durchschnitt. Der Anteil der Betriebs- Betrieben geht größen zwischen 10 und 40 ha lag etwas über der gesamte dem Durchschnitt. Kuh- und Jung- viehbestand im Abb. 2: Betriebsgrößenstruktur (2001) Sommer auf die Alm. Betriebsgrößenklassen 35 Almen – in Schwa- 30 Bayern ben Alpen genannt – 25 prägen das Bild der Alpenlandkreise 20

deutschen Alpen % 15 insbesondere im 10

Allgäu. Wessely Foto: 5 0 unter 5-10 10-20 20-30 30-40 40-50 über 1 Im schwäbischen Sprachgebrauch werden Almen als Alpen be- 2-5 ha 2 ha ha ha ha ha ha 50ha zeichnet. Für eine bessere Lesbarkeit wird i.f. für oberbayerische Almen und die schwäbischen Alpen der Sammelbegriff Almen verwendet.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 23 Berglandwirtschaft

Auch in der Betriebsgrößenstruktur zeigt sich Eschenlohe, Bayrischzell, Reit im Winkl, Obermai- eine regionale Differenzierung. Kleinere Höfe kon- selstein und Ofterschwang. zentrieren sich insbesondere in den besonders al- pin geprägten Landkreisen Berchtesgadener Land Es besteht eine deutliche Korrelation zwischen und Garmisch-Partenkirchen. 50 % bzw. 48 % der dem Anteil der Nebenerwerbsbetriebe und dem Bauernhöfe bewirtschaften hier weniger als 10 ha Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen. In den Land. In den Landkreisen, die v.a. im Alpenrand- beiden Landkreisen mit dem höchsten Nebener- bereich und im Alpenvorland liegen, ist der Anteil werbsanteil, Garmisch-Partenkirchen und Berch- der Betriebe mit weniger als 10 ha deutlich niedri- tesgadener Land, ist der Anteil der ökologisch ger (Weilheim-Schongau: 25%, Miesbach: 28 %, bewirtschafteten Flächen mit 6,3 und 7,4% an der Bad Tölz-Wolfratshausen: 30%, LfStaD, 2004). gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche am niedrigsten. In den deutschen Alpen werden v.a. Rinder gehal- ten, lokal spielen auch Schafe und in jüngster Zeit Almwirtschaft in einigen Gebieten auch Ziegen eine Rolle. In den Typisch für die Tierhaltung in den deutschen Alpenlandkreisen wurden 2001 insgesamt über Alpen ist, dass in vielen Fällen für die Futterge- 820.000 Rinder, ca. 41.000 Schafe, ca. 18.500 winnung nicht nur Flächen im Tal genutzt werden, Pferde und rund 275.000 Hühner gehalten. Dazu sondern auch Almen. 2002 wurden 1.384 Almen kommen noch fast 74.000 Schweine sowie ca. beweidet (= bestoßen). Die Almflächen sind sehr 267.000 Stück sonstiger Geflügelarten, z.B. Gän- ungleichmäßig über die deutschen Alpen verteilt. se, Puten, Enten (LfStaD, 2004). In Relation zur Fläche Schwerpunkt der Almwirtschaft ist der Landkreis werden in den Alpengemeinden wesentlich weni- Oberallgäu, in dem 44% der Almen und fast 46% ger Tiere gehalten als in den Alpenvorlandge- der Lichtweidefläche liegen. Die Almfläche verteilt meinden. Insbesondere gilt dies für Schweine und sich auf 1.384 Almen, davon 710 (= 51%) in Ober- Geflügel, die in den Alpengemeinden immer nur bayern und 674 (49%) im Allgäu. Differenziert in kleinen Beständen gehalten werden. nach Landkreisen ergibt sich:

Ende 2002 gab es in Bayern 4.232 Betriebe des Tab. 2: Zahl der Almen (2002) ökologischen Landbaus. Diese bewirtschafteten eine Fläche von 116.164 ha, das waren 3,1 % der Landkreis Almen Betriebe und 3,6 % der landwirtschaftlichen Nutz- Zahl Prozent Berchtesgadener Land 55 4,0 fläche (LN) (StMLF, 2004a). In den Alpengemeinden liegt der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Traunstein 165 11,9 Flächen an der gesamten landwirtschaftlich Rosenheim 140 10,1 genutzten Fläche mit 10,6 % fast dreimal so hoch Miesbach 157 11,4 Bad Tölz-Wolfratshausen 144 10,5 (LFL, 2004)1. Zwischen den einzelnen Alpengemein- den bestehen sehr große Unterschiede. Spitzen- Garmisch-Partenkirchen 48 3,4 reiter sind die Stadt Miesbach und die benachbar- Ostallgäu 30 2,1 te Gemeinde Warngau mit 45,4 bzw. 42,6 % Anteil Oberallgäu 617 44,5 von ökologisch bewirtschafteten Flächen an der Lindau 28 2,1 LN. Dies ist wesentlich auf das dort liegende Summe 1.384 100,0 Trinkwasserschutz- und -gewinnungsgebiet der AVA, 2003 a; AVO, 2003 b Stadt München zurückzuführen. Die Stadtwerke München haben mit vielen Bauern in diesem Tab. 3: Lichtweidefläche der Almen (2002) Gebiet spezielle Bewirtschaftungsverträge abge- schlossen. Sehr hohe Werte erreichen aber auch Landkreis Lichtweidefläche einige Gemeinden, die nicht in dieser Kulisse lie- ha Prozent gen, z.B. Inzell (42,6 %), Staudach-Egerndach (40 Berchtesgadener Land 1.460 3,6 %), Schleching (31,2 %), Kochel am See (26,8 %) Traunstein 3.950 9,8 oder Schönau am Königssee (20,9 %) Zugleich Rosenheim 4.086 10,1 gibt es eine Reihe von Gemeinden, in denen bis- Miesbach 4.655 11,5 lang keine einzige Fläche nach den Kriterien des Bad Tölz-Wolfratshausen 3.033 7,5 ökologischen Landbaus bewirtschaftet wird, z.B. Garmisch-Partenkirchen 2.524 6,3 Ostallgäu 1.967 4,9 1 Die zugrundeliegende Auswertung umfasst nur 82 der 101 Alpen- Oberallgäu 18.240 45,2 gemeinden Bayerns. Da in 29 Alpengemeinden weniger als 3 sog. Lindau 414 1,0 Beobachtungen zum ökologischen Landbau vorliegen, wurden hier- Summe 40.329 100,0 zu aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Anteilswerte über- mittelt. AVA, 2003 a; AVO, 2003 b

24 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Berglandwirtschaft

Die Größe der Lichtweidefläche pro Alm ist sehr der Alm anwesendes Personal (2002: 378 Almen unterschiedlich und reicht von weniger als 1 ha mit Behirtung, davon 295 mit Behirtung vom Tal bis über 250 ha. Tendenziell sind die Lichtweiden aus, AVA, 2003a). Bei den restlichen 40 % der Almen im Allgäu größer als in Oberbayern. 2002 gab es schauen die Almleute nur gelegentlich vorbei. Die im Allgäu 47 Almen, auf denen Käse hergestellt Zahl der Almen mit regelmäßiger Betreuung ist in wird (Sennalpen), in Oberbayern liegt der Schwer- den letzten Jahren leicht gestiegen, doch erfolgt punkt sehr ausgeprägt auf der Jungviehhaltung. die Behirtung zunehmend von Personen, die Käse wird nur in geringem Umfang und vorwie- weniger Erfahrung haben. gend für den Eigenbedarf hergestellt. Erschließung Bestoß Von den 1.384 Almen sind nur noch 108 nicht mit Über 90% der Almen sind Als Bestoß wird Art und Zahl des Weideviehs einem mit PKW befahrbaren Weg erschlossen. In mit dem PKW zu erreichen. bezeichnet. Auf den bayerischen Almen weiden Oberbayern ist der Anteil nicht straßenerschlos- v.a. Rinder, überwiegend Jungvieh. Schafe spielen sener Almen mit 11% fast drei mal so hoch wie im nur regional eine größere Rolle, insbesondere im Allgäu mit rund 4% (AVA 2002; HINTERSTOISSER, 2000). Werdenfelser Land. Nur auf wenige Almen werden Für Almen, die nicht mit PKW erreichbar sind, wer- Ziegen aufgetrieben, meist in gemischten Herden den alternative Versorgungsmöglichkeiten wie mit Schafen. Ebenso gibt es nur auf wenigen Hubschrauber, Materialseilbahnen, in Einzelfällen Almen Pferde, die z.T. gemischt mit Rindern auch Tragtiere, Spezialfahrzeuge und Schiffe (nur gehalten werden. am Königssee) eingesetzt.

Tab. 4: Bestoß (2002) Waldweiderechtsbelastung Waldweiderechte sind Nutzungsrechte, die es Oberbayern Allgäu Gesamt dem Eigentümer eines berechtigen Hofes erlau- Rinder gesamt 19.340 28.500 47.840 ben, sein Vieh in Wäldern, die ihm nicht gehören, davon Kühe 1.445 3.000 4.445 weiden zu lassen. Waldweiderechte bestehen fast Pferde 330 310 640 nur in Oberbayern. 2002 gab es von ca. 1.250 be- Schafe/ Ziegen 2.630 1.140 3.770 rechtigten Anwesen auf rund 54.000 ha Waldwei- derechte, davon 60% (32.500 ha) im Landkreis (AVA, 2003 b) Garmisch-Partenkirchen (Weiderechtskommis- sion, 2002). Bei fast allen Waldweiden wird nur wenig Berechtigungsfläche faktisch beweidet. Auf rund 30.000ha Staatsforstfläche wurden bis- lang Vereinbarungen getroffen, um Weiderechte abzulösen (ZEHETMAIR, 2004). Allein im Schutzwald wurden von 1987 bis 2002 19.000ha Staatswald von der Weide freigestellt (BAYERISCHE STAATSFORST- VERWALTUNG, 2002).

2.2.2 Zentrale Herausforderungen Foto: Wessely Foto: Auf den deutschen Almen weiden v.a. Rinder. ie aktuelle Situation der Berglandwirtschaft Dist von zwei gleichzeitig ablaufenden Der Fremdviehanteil, d.h. der Anteil der Tiere, die Prozessen gekennzeichnet: von den Almbauern betreut werden, ihnen aber • Intensiv-Nutzung mit Tendenz zur weiteren nicht gehören, betrug 2002 in Oberbayern 27 % Intensivierung und Rationalisierung auf leicht und im Allgäu, wo auf manchen Genossenschafts- zu bewirtschaftenden Standorten, almen nur Fremdvieh weidet, im Durchschnitt • Nutzungsaufgabe/-rückgang auf schwer zu über 50 % (AVA, 2002 a; AVO, 2003 a). bewirtschaftenden Standorten.

Almpersonal Beide Entwicklungen sind mit erheblichen Einbu- 660 der knapp 1.384 Almen in Bayern mit rund ßen in der Qualität der Alpen für den Arten- und 60 % der Lichtweidefläche wurden 2001 von 900 Biotopschutz, das Landschaftsbild und den natur- Sennern und Hirten regelmäßig betreut (OPPERER, orientierten Tourismus verbunden. Auf den Talflä- 2002). Im Allgäu erfolgt die Betreuung dabei über- chen verlaufen beide Entwicklungen wesentlich wiegend vom Hof aus und nicht durch ständig auf ausgeprägter als auf den Almen.

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Auch vor den Almen macht die Intensivierung nicht Halt. Waren die Almen bis lange nach dem 2. Weltkrieg autarke Nährstoffkreislaufsysteme, eröffnete der Bau von Erschließungswegen die Möglichkeit, Handelsdünger, Wirtschaftsdünger und Futtermittel aus dem Tal heranzubringen und in die almeigenen Stoffkreisläufe einzuspeisen. Dadurch hat sich das Nährstoffangebot und die Nährstoffverteilung und damit auch Flora und Fauna auf vielen Almen erheblich verändert.

Foto: Wessely Foto: In den 80er Jahren wurde auf 79% der Almen Grassilage hat die traditionelle Heugewinnung vielfach ersetzt. Mineraldünger ausgebracht (AVO, 1985). Zwar dürfte es mittlerweile durch den Abschluss von Bewirt- Intensivnutzung schaftungsvereinbarungen im Rahmen des Kultur- Wegebau, Motorisierung, leichte Verfügbarkeit landschafts- und Vertragsnaturschutzprogramms von Mineraldünger und Gülleausbringung haben gelungen sein, diesen Anteil zu reduzieren, doch dazu geführt, dass die noch vor wenigen Jahr- wird weiterhin Mineraldünger ausgebracht. Dass zehnten großflächig vorkommenden blütenrei- einzelne Almbauern keinen Aufwand dafür scheu- chen, mäßig intensiv genutzten Wiesen und Wei- en, zeigt das Beispiel der Dicklalm bei Bayrisch- den der Tallagen – von wenigen Ausnahmen abge- zell (Landkreis Miesbach). Im Jahr 2001 wurde sehen – nur noch auf Restflächen vorkommen. dort Mineraldünger per Hubschrauber auf die Alm Der Hauptteil des Grünlands in den Tallagen ist geflogen. heute Fettwiese bzw. Fettweide. Die meisten Wie- sen werden 3-4 mal im Jahr gemäht, an einigen Standorten finden sogar 5 Mähdurchgänge statt. Da nur wenige besonders regenerationsfähige Tier- und Pflanzenarten diesem hohen Nutzungs- druck standhalten, ist die Artenvielfalt in weiten Teilen des Talgrünlands stark zurückgegangen. Die extensiv genutzten, blütenreichen Wiesen und Weiden zählen heute zu den am stärksten gefährdeten Lebensräumen in den deutschen Alpen. Nur noch in wenigen Gemeinden (z.B. Mit- tenwalder Becken, Oberammergau, Oberjoch in der Gemeinde Bad Hindelang) sind die auch tou- ristisch sehr bedeutsamen artenreichen Wiesen größerflächig erhalten. Foto: Bund Naturschutz, Kreisgruppe Miesbach Bund Naturschutz, Kreisgruppe Foto: Düngersäcke – per Hubschrauber eingeflogen – auf der Dicklalm bei Bayrischzell

Durch die hohe Erschließungsaktivität für den Wegebau wird vereinzelt Gülle und z.T. auch Fut- ter aus dem Tal auf die Alm gefahren. Dadurch kommt es auf den Almen zu weiteren Nährstoffan- reicherungen, die zu entsprechenden Verschie- bungen im Artenspektrum führen.

Solche Nährstoffanreicherungen in Böden – be- sonders durch Stickstoff – über eine kritische Schwelle hinaus, finden in jüngster Zeit auch durch neue Arten der Ausbringung des auf der

Foto: Wessely Foto: Alm anfallenden Wirtschaftsdüngers statt. In der Artenreiche Bergwiesen sind nur noch an wenigen Stellen der traditionellen Almwirtschaft konzentrierten sich deutschen Alpen größerflächig erhalten. die mit Dünger versorgten Bereiche meist auf

26 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Berglandwirtschaft sehr kleine Flächen um und unterhalb des Stalls. Almwegebauten führen z.B. zu folgenden direkten Auf dem größten Teil der Lichtweidefläche wurden ökologischen und landschaftsästhetischen Beein- dagegen Nährstoffe entzogen, die durch die trächtigungen: Nachlieferung aus der Atmosphäre und der Ge- • Überbauung: Je nach Ausbaugrad und Bau- steinsverwitterung zumindest teilweise kompen- länge treten durch den Wegebau erhebliche siert wurden. Dadurch entstand auf den Almen direkte Eingriffe durch die Überbauung auf. ein sehr kleinräumiges Mosaik unterschiedlicher Dabei müssen zur Überbauung durch die Nährstoffniveaus mit entsprechend verschiedener Fahrbahn an sich immer auch die Böschungs- Arten- und Biotopausstattung. In den letzten Jah- flächen gerechnet werden, die in steilem ren wurden auf einigen Almen Güllewege (z.B. Gelände ein Vielfaches der Straßenbreite Bucheralm, Landkreis Miesbach) gebaut und Gül- betragen. ledruckrohre (z.B. Schappoltalpe, Landkreis Ober- • Zerschneidung: Jeder Almwegebau zerschnei- allgäu) aufgestellt. Damit verteilt sich der Dünger det einen zuvor mehr oder weniger homoge- mehr oder weniger gleichmäßig auf die gesamte nen naturnahen Bestand. Für wenig mobile erschlossene Fläche. Diese Nivellierung führt zu Tierarten, z.B. Käfer- und Spinnenarten kann einem Verlust von mageren Standorten mit ihrem ein Almweg eine unüberwindliche Grenze meist hohen Anteil an naturschutzfachlich be- darstellen. Hanganschnitte und talseitige deutsamen Arten. Umgekehrt ergibt sich aber kei- Schüttungen verstärken den Trenneffekt. ne Aushagerung der in der Regel sehr kleine Flä- Almwege, die durch Bergwald trassiert wer- chen bedeckenden nährstoffliebenden Almvege- den, haben eine Zerschneidungswirkung bis tation, denn die Nährstoffvorräte dort sind sehr zu 300 m in den Waldbereich hinein, denn hoch. Luftbewegung und schräge Einstrahlung rei- chen nach dem Aufhieb weit ins Bestandesin- Almwegebau nere und verändern die Standortverhältnisse Nur 108 der 1.384 Almen sind bislang nicht direkt und in Folge davon Bodenflora und -fauna. mit dem PKW zu erreichen. Oft handelt es sich Die Zerschneidungswirkung durch den Wege- dabei um hoch gelegene Almflächen oder Almen, körper wird damit weiter erhöht. die nur über steile Geländeflanken zu erreichen • Erosionsgefahr: Die Böschungen von Alm- sind. Allein im Allgäu wurden zwischen 1997 und wegen sind auch bei großer erdbautechni- 2003 60 km neue Almwege gebaut (AVO, 2004). scher und ingenieurbiologischer Sorgfalt Ein Ende dieser Erschließungsoffensive ist nicht immer Ansatzpunkte für Erosionen hang- und in Sicht. Allein im Allgäu bestehen Planungen für talseits. Sie stellen latente Rutsch- und 13 weitere Almwegebauten (DLE KRUMBACH, 2004). Geschiebeherde dar. Zudem wird der ober- Auch in Oberbayern sind eine Reihe weiterer Alm- flächliche Wasserabfluss durch den Almwege- wegebauten konkret geplant (z.B. auf die Roßalm bau lokal erhöht. Auf den Almwegen, insbe- im NSG und NATURA 2000-Gebiet Geigelstein sondere dann, wenn sie geteert sind, ist der oder auf die Rappinalm) oder in der Vorplanungs- Wasserabfluss deutlich höher als im ur- phase. sprünglich naturnahen Bestand. Auch der Wasserhaushalt im Umfeld des Weges verän- dert sich, denn ein den Hang querender Alm- weg zerschneidet das natürlicherweise sehr kleinflächige Abflussmuster und konzentriert den Wasserabfluss auf kleinere Bereiche. Abflusserhöhung im Trassenbereich und Ab- flusskonzentration vermehren die Abfluss- spitzen in den trassenentwässernden Hang- rinnen und kleinen Vorflutern. • Landschaftsbild: Jede Almstraße ist ein gra- vierender, nicht ausgleichbarer Eingriff in das Landschaftsbild. Das von vielen Besuchern sehr geschätzte Bild einer traditionellen Kul-

Foto: Margraf Foto: turlandschaft erhält durch den Straßenbau Nur ein Gerichtsurteil kann den Ausbau dieses Steigs noch ein zentrales Element der Zivilisationsland- stoppen. Die Genehmigung für den Almwegebau auf die schaft. Damit verliert die Landschaft massiv höchstgelegene Alm Oberbayerns, die Roßalm im ihre historische Ausprägung. Die durch die NSG Geigelstein, wurde bereits erteilt. Almwirtschaft geprägte Kulturlandschaft wird durch den Wegebau radikal verändert.

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Mindestens ebenso bedeutsam wie die direkten, weit ihre Zahl um 13% abnahm (RUPPERT, 2003). sind die indirekten Beeinträchtigungen des Alm- Auch in der jüngsten Vergangenheit hat sich die- wegebaus, weil sich durch den Wegebau die Vor- ser Trend fortgesetzt. Der Anteil der jährlich auf- aussetzungen für die landwirtschaftliche Nutzung gegebenen Bauernhöfe lag in Bayern bei 2,7%, grundlegend ändern. Von zentraler Bedeutung ist während bei den Bergbauern nur eine Aufgabe- hierbei insbesondere die leichtere Intensivierbar- quote von 1,5% zu verzeichnen war (AVO, 2004). Die- keit: Schweizer Studien zeigen einen klaren Zu- ser stark verlangsamte Ablauf schlägt sich erwar- sammenhang zwischen Erschließungsmaßnah- tungsgemäß auch beim Viehbestand nieder. Wäh- men und dem Anstieg der Bewirtschaftungsinten- rend bayernweit zwischen 1990 und 2001 die Zahl sität. Insbesondere der Einsatz von Dünger stieg der Rinder um 15,2% zurückging, fiel der Rück- und Maschinen wurden häufiger eingesetzt (PEZ- gang in den Alpenlandkreisen mit durchschnitt- ZATTI, 2001). Die bessere Erreichbarkeit verändert lich nur 3% aus. In den Landkreisen Berchtesga- aber auch die touristische Nutzung. So wird teil- dener Land und Bad Tölz-Wolfratshausen wurde weise die Bewirtung auf Kosten von Weidepflege der Rinderbestand sogar leicht aufgestockt; in und Behirtung ausgeweitet, Freizeitbesuche auf keinem der übrigen 67 außeralpinen Landkreise der Alm durch die Almbauern selbst und ihre Bayerns war dies der Fall (StMLF, 2002). Feriengäste nehmen zu. Während Betriebszahl und Landwirtschaftsfläche Der Bau von Almwegen ist Von Almwegen kann als weitere indirekte Beein- insgesamt abgenommen haben, ist das Interesse ein gravierender Eingriff in trächtigung die Beunruhigung durch Freizeit- an der Almwirtschaft sogar gestiegen. Zwischen Natur und Landschaft. sportler ausgehen, insbesondere von der Fre- 1980 und 2002 wurde auf 18 Almen im Allgäu die Neben den unmittelbaren quentierung durch Mountainbiker. Diese sind Beweidung erstmals oder wieder aufgenommen Folgen des Wegebaus, häufig spät abends und früh morgens unterwegs. (AVA, 2000). Deutlich rückläufig ist dagegen die Be- führen Nutzungsverände- In diesen Tageszeiten sind störempfindliche Tier- weidungsintensität auf den Almen. Für das Söm- rungen, die sich durch den arten besonders aktiv und damit auch besonders mern von Pensionsvieh, das sind Tiere, die ein Wegebau ergeben, zu Be- anfällig gegen Störungen. Im Extremfall können Bauer einem Almbauern für die Sömmerung auf einträchtigungen. menschliche Störungen dazu führen, dass große die Alm gibt, wird mittlerweile kaum noch etwas Areale von manchen Arten nicht mehr besiedelt bezahlt. Zwischen 1993 und 2002 nahm die Zahl werden können, obwohl die sonstigen Vorausset- der aufgetriebenen Rinder in Oberbayern und im zungen vorhanden wären. Allgäu um jeweils 11% ab, ohne dass eine Alm aufgelassen wurde. Im selben Zeitraum nahm die Der Bau von Almwegen erfolgt oft im »Schlepp- Zahl aufgetriebener Schafe und Ziegen um 6% tau« forstlicher Wegebauten. Die enormen Kosten und die der Pferde um 8% zu. Dabei ist allerdings für den Bau von Forststraßen, die häufig auch zu beachten, dass es sich bei den Schafen, Ziegen Zuwege zu Almen sind, schlagen sich allerdings und Pferden um vergleichsweise wenige Tiere bislang nicht nieder. Zudem ist der Almwegebau handelt. Der aktuelle Rückgang des Rinderbesto- massiv bezuschusst (s.a. Kap. 2.2.4), die einzel- ßes ist aus Sicht des Natur- und Umweltschutz nen Almbauern tragen nur einen marginalen insgesamt positiv zu bewerten, da auf vielen Al- Anteil der Kosten, die auch als Eigenleistung (z.B. men Belastungen durch zu intensive Beweidung Mitarbeit beim Bau) aufgebracht werden können. bestanden und vielfach noch bestehen. Sollten die Bestoßzahlen allerdings flächig massiv ein- Brachfallen brechen, wäre dies auch aus naturschutzfachlichen Der landwirtschaftliche Der Strukturwandel, der mit dem Rückzug der Gesichtspunkten nicht wünschenswert. Die Auf- Strukturwandel verläuft in Landwirtschaft v.a. aus Grenzertragsstandorten lassung einzelner Almen ist aus Sicht des Natur- den deutschen Alpen lang- verbunden ist, verläuft in den deutschen Alpen schutzes dagegen nicht grundsätzlich als proble- samer als außerhalb. stark abgebremst. Während in ganz Bayern zwi- matisch zu bewerten. Die Auswirkungen der Nut- schen 1985 und 1997 die Landwirtschaftsfläche zungsauflassung auf die Tier- und Pflanzenarten um 3 % zurückging, nahm sie in den Alpenge- einer Almfläche sind sehr variabel. Grundsätzlich meinden nur um 0,8 % ab. Langsamer verläuft der bedeutet die Auflassung eine ökologische Stabili- Strukturwandel im deutschen Alpenraum auch im sierung. Die Auswirkungen auf den Arten- und Hinblick auf die Betriebszahlen. Zwischen 1979 Biotopschutz sind sehr unterschiedlich und kön- und 1995 nahm die Zahl der Haupterwerbsbetrie- nen nur für den Einzelfall bewertet werden. Wis- be bayernweit um 44,1 % ab, in den Alpengemein- senschaftliche Untersuchungen (zusammenge- den waren es nur 30,8 %. Einige der Haupter- stellt bei RINGLER, 2004) haben gezeigt, dass nur auf werbsbetriebe werden im Nebenerwerb weiterge- einem kleinen Teil der aufgelassenen Almen rasch führt, so dass sich die Zahl der Nebenerwerbsbe- eine Gehölzsukzession eintritt. Vielfach entsteht triebe in den deutschen Alpen zwischen 1979 und nach Nutzungsauflassung über lange Zeit, teil- 1995 sogar um 9,5 % erhöht hat, während bayern- weise über viele Jahrzehnte hinweg, kein nen-

28 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Berglandwirtschaft nenswerter Gehölzaufwuchs. Die Brachestadien 2.2.3 Wichtige rechtliche können für den Artenschutz, insbesondere für und planerische Hochstaudenfluren und deren Begleitflora und Festlegungen -fauna bedeutsam sein.

Fördermittel ein Wirtschaftszweig in den deutschen Alpen Kwird so stark durch Fördermittel beeinflusst wie die Landwirtschaft. Fördergelder kommen von der EU, dem Bund, dem Freistaat Bayern und ver- einzelt auch Kreisen und Gemeinden. Nach den Buchführungsergebnissen der bayerischen Berg- bauernbetriebe 1999 und 2000 sind die Einnah- men aus der Produktion wesentlich niedriger, als die Einnahmen aus der Förderung. Bei den

Foto: Ulla Fees Foto: Nebenerwerbsbetrieben sind sie sogar negativ. Schon seit 1956 wird die Bäckenalm nicht mehr beweidet. Auf den feuchten Standorten haben sich üppige Hochstauden- fluren entwickelt. Tab. 5: Herkunft des durchschnittlichen jährlichen Familieneinkommens in bayerischen Bergbauernbetrieben (Buchführungsergebnisse 1999 und Wichtige Gründe für den geringeren Rückgang der 2000, gerundet) Landwirtschaftsfläche im Alpenraum ist – neben den speziellen Förderungen wie der Ausgleichs- Land- und öffentliche Gelder im selbst- und forstwirtschaftliches Zusammenhang mit unselbständiges zulage – die v.a. im Mittelteil der deutschen Alpen Einkommen ohne der Agrarproduktion Nebeneinkommen (Nähe zum Ballungsraum München) vergleichs- öffentliche Gelder weise gute außerlandwirtschaftliche Arbeits- Haupterwerbsbetrieb € € 11.000 € (durchschnittlich 8.000 13.000 marktsituation. Großen Einfluss auf die Aufrecht- 1,55 Arbeitskräfte) erhaltung der bäuerlichen Betriebe haben auch Nebenerwerbsbetrieb € € € die Erwerbskombinationen, insbesondere durch (durchschnittlich - 3.000 8.000 20.000 1,09 Arbeitskräfte) die hohe Nachfrage nach Urlaub auf dem Bauern- hof (s. Kap. 2.3). Ergänzend spielt sicher auch die (nach RINTELEN, 2002) traditionell besonders starke Verbundenheit der Für die Berglandwirtschaft sind dabei zum einen Bergbauernbetriebe sind alle Bergbauern mit ihren Flächen eine Rolle. Agrarumweltprogramme, wie die Ausgleichszula- Betriebe, die in Berggebieten ge für benachteiligte Gebiete, das Bayerische Kul- nach der EU-Richtlinie 75/ 268 über die Landwirtschaft liegen. Da der Strukturwandel abgebremst verläuft und turlandschaftsprogramm und das Bayerische Ver- Berggebiete sind in Deutsch- durch Förderprogramme und Projekte bislang tragsnaturschutzprogramm inkl. dem Erschwer- land Gebiete, die sich aus Ge- vielfach die Weiterführung einer extensiven nisausgleich von Bedeutung. Zum anderen flie- meinden oder Gemeindeteilen zusammensetzen mit einer Bewirtschaftung gewährleistet war, sind in den ßen Fördermittel in großem Umfang aus den EU- Höhenlage über 800 m NN letzten beiden Jahrzehnten im Vergleich zu den Programmen zur Marktordnung und -entlastung oder eine Höhenlage von deutschen Mittelgebirgen und anderen Alpentei- in Form von Tierprämien in die Berglandwirt- 600-800 m über NN und einer len, insbesondere in den Südwestalpen, deutlich schaft. Diese zentralen Fördermittel werden durch Hangneigung von 18% auf mindestens 50% der Wirt- weniger ökologisch wertvolle, durch landwirt- eine Fülle weiterer Fördermittel, die der Landwirt- schaftsfläche. Fast alle land- schaftliche Nutzung geprägte Flächen brachgefal- schaft direkt oder indirekt zu gute kommen wirtschaftlichen Betriebe in len. Bei den aus der Nutzung gefallenen Flächen ergänzt (z.B. Dorferneuerung, Flurbereinigung, den Alpengemeinden befinden handelt es sich vorwiegend um Steilhangwiesen, Tourismusförderung, Investitionsförderungen, sich im Berggebiet. Darüber hinaus zählen auch einige insbesondere im Allgäu. Sollte sich der Struktur- Förderung der Selbsthilfeeinrichtungen). Gemeinden/ Gemeindeteile im wandel allerdings beschleunigen oder die Förde- Voralpenland zum Berggebiet. rung entsprechender Programm und Projekte Alpenkonvention (StMLF, 2004 b). 2002 gab es 10.830 Bergbauernbetriebe massiv zurückgefahren/eingestellt werden, ist Die Alpenkonvention (ÖAV, 2001) enthält insbeson- (AVA, 2003 b) davon auszugehen, dass durch extensive Bewei- dere in den Protokollen »Berglandwirtschaft«, dung/Mahd geprägte Biotope rasch und in großer »Naturschutz und Landschaftspflege« sowie Zahl aus der Nutzung fallen würden. Die Auswir- »Bodenschutz« Bestimmungen für die Bergland- kungen auf den Arten- und Biotopschutz und den wirtschaft. Die Protokolle wurden von Deutsch- Naturhaushalt können dabei nicht pauschal beur- land am 20.12.1994 (Berglandwirtschaft sowie teilt werden. Studien über die Entwicklung aufge- Naturschutz und Landschaftspflege), bzw. am lassener Landwirtschaftsflächen zeigen, dass die 16.10.1998 (Bodenschutz) unterzeichnet und sind Entwicklung sehr unterschiedlich verläuft. in Kraft getreten.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 29 Berglandwirtschaft

Protokoll Berglandwirtschaft und naturnahe Biotoptypen in ausreichendem Das Protokoll betont die große Bedeutung der Umfang und in funktionsgerechter räumlicher Ver- Bereitstellung angemessener Fördermittel für die teilung zu erhalten, sind entsprechende Maßnah- Berglandwirtschaft. Für Betriebe, die in Extrem- men durchzuführen. Ebenso muss die Vielfalt der lagen eine Mindestbewirtschaftung sichern, for- einheimischen Tier- und Pflanzenwelt mit aus- dert es eine besondere Unterstützung. Der Bei- reichenden Populationen – insbesondere durch trag, den die Berglandwirtschaft zur Erhaltung Bereitstellung genügend großer Lebensräume – und Pflege der Natur- und Kulturlandschaft sowie gesichert werden. Da viele dieser Biotoptypen zur Sicherung vor Naturgefahren im Interesse der und Artvorkommen auf landwirtschaftlich genutz- Allgemeinheit leistet und der über den allgemei- ten Flächen vorkommen, besteht eine enge Ver- nen Verpflichtungsrahmen hinausgeht, soll auf schränkung. der Grundlage vertraglicher, projekt- und leis- tungsbezogener Vereinbarungen angemessen Art. 18 benennt hohe Anforderungen an eine abgegolten werden (Art. 7). Dabei sollen extensive, etwaige Ausbringung gentechnisch veränderter naturgemäße und gebietscharakteristische Be- Pflanzen oder Tiere. Eine Freisetzung ist demnach wirtschaftungsmethoden begünstigt und typische in den Alpen nur dann möglich, wenn auf der Agrarprodukte geschützt und aufgewertet werden Grundlage einer förmlichen Prüfung feststeht, (Art. 9, vgl. auch Art .12). Große Bedeutung misst das dass die Freisetzung ohne Risiken für Mensch und Protokoll der Aufrechterhaltung einer standortge- Umwelt erfolgt. mäßen, flächengebundenen Viehhaltung mit ihrer charakteristischen Rassenvielfalt und ihren typi- Protokoll Bodenschutz schen Erzeugnissen zu. Dabei ist das jeweils ge- Moorböden sollen grundsätzlich nicht genutzt eignete Verhältnis zwischen Viehbestand und Fut- oder unter landwirtschaftlicher Nutzung so be- terfläche zu beachten (Art. 10). wirtschaftet werden, dass ihre Eigenart erhalten bleibt (Art. 9). Die Düngung soll auf den Bedarf der Das Protokoll verpflichtet ferner dazu, dass die Pflanzen ausgerichtet und der Viehbesatz den na- Vertragsparteien den besonderen Bedingungen türlichen Standortbedingungen angepasst wer- der Berggebiete bei Raumplanung, Flächenaus- den. Der Einsatz mineralischer Düngemittel und weisung, Flurbereinigung und Bodenverbesse- synthetischer Pflanzenschutzmittel auf Almen ist rung unter Berücksichtigung der Natur- und Kul- zu minimieren und auf den Einsatz von Klärschläm- turlandschaft Rechnung zu tragen haben. Sie sol- men auf Almen soll verzichtet werden (Art. 12). len zur Erfüllung der vielfältigen Aufgaben der Berglandwirtschaft die erforderlichen Flächen für Landesentwicklungsprogramm Bayern eine standortgemäße und umweltverträgliche Nach den Zielen des Landesentwicklungspro- landwirtschaftliche Nutzung vorsehen. Dabei sind gramms (StMLU 2003) soll die Berglandwirtschaft insbesondere traditionelle Kulturlandschaftsele- aufrecht erhalten werden (B IV 2.2). Wegen ihres mente, wie Feldgehölze, Feucht- und Trockenwie- Beitrags zur Pflege und Offenhaltung der Kultur- sen und deren Bewirtschaftung zu erhalten oder landschaft, soll die Milchvieh-, Mutterkuh und wiederherzustellen (Art.8). Schafhaltung v.a. in Gebieten mit ungünstigen Erzeugungsgebieten, zu denen die deutschen Protokoll Naturschutz und Landschaftspflege Alpen zählen, unterstützt werden (B IV 2.2). Speziell Viele allgemeine Aussagen zur Erhaltung von zur Almwirtschaft enthält das Landesentwicklungs- Natur und Landschaft (z.B. Art. 2, Art. 10) zielen insbe- programm folgende Ziele: Erhaltungswürdige sondere auf die Landwirtschaft, da ihr – zusam- Almen sollen saniert werden (B IV 2.2). Die Er- men mit der Forstwirtschaft – bei Schutz, Erhal- schließung von Almen soll angemessen und öko- tung und Pflege von naturnahen und schützens- logisch vertretbar erfolgen (B IV 2.2), dabei sollen werten Biotopen eine besondere Rolle zukommt. notwendige Erneuerungen von Almwegen mög- Das Protokoll legt dabei besonderen Wert auf den lichst auf der Basis der vorhandenen Wege gestal- Abschluss von Vereinbarungen mit den Grund- tet werden (A II 3.5). eigentümern oder Bewirtschaftern über eine an- gepasste Nutzung (Art. 10) und fordert den verstärk- Bayerisches Naturschutzgesetz ten Einsatz von Fördermitteln aus der Landwirt- Das Bayerische Naturschutzgesetz (1999) betont schaftsverwaltung für Schutz, Erhaltung und Pflege die besondere Rolle der bayerischen Alpen für naturnaher und schützenswerter Biotope (Art. 10). Naturschutz und Landschaftspflege mit ihrer Viel- falt an wildwachsenden Pflanzen- und wildleben- Das Protokoll enthält in Art. 13 und 14 Verpflich- den Tierarten und Lebensräumen sowie die land- tungen zur Erhaltung von Biotoptypen und einhei- schaftliche Schönheit und verpflichtet dazu, diese mischen Tier- und Pflanzenarten. Um natürliche zu erhalten (Art. 1, Abs. 7). Damit ergeben sich auch

30 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Berglandwirtschaft

Verpflichtungen für eine extensive Bewirtschaf- destabstandsflächen zu Gewässern und gewäs- tung in der Berglandwirtschaft. serbegleitender Vegetation.

Um die avisierten Ziele des Naturschutzes und Düngeverordnung der Landschaftspflege in der Berglandwirtschaft Die Verordnung über die Grundsätze der guten umzusetzen, sieht das Gesetz nach Möglichkeit fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverord- die kooperative Zusammenarbeit vor, wobei ins- nung) aus dem Jahr 1996 schreibt u.a. vor, dass besondere der Vertragsnaturschutz als wichtiges kein Dünger in Oberflächengewässer oder auf Instrument genannt wird (Art. 2 a). benachbarte Flächen ausgebracht oder abge- schwemmt wird. Stickstoffhaltige Düngemittel Ein erheblicher Teil der durch die Berglandwirt- dürfen nur ausgebracht werden, wenn der Boden schaft genutzten Flächen umfasst Bestände, die aufnahmefähig ist (kein Aufbringen auf wasserge- nach Art. 13 d BayNatSchG geschützt sind. Es sättigte, tief gefrorene oder stark schneebedeckte handelt sich dabei insbesondere um Nass- und Flächen). Gülle und Jauche dürfen zwischen 15. No- Feuchtwiesen, Pfeifengraswiesen, Magerrasen, vember und 15. Januar grundsätzlich nicht ausge- Borstgrasrasen sowie alpine Rasen. Maßnahmen, bracht werden. Die Verordnung gibt ferner vor, die diese Biotope zerstören oder stark beein- dass Ammoniakverflüchtigungen durch bodenna- trächtigen würden sind verboten. hes Ausbringen möglichst vermieden werden sol- len. Die Novellierung der Düngeverordnung wird Ein großer Teil der landwirtschaftlich genutzten zum 1. Januar 2005 in Kraft treten, zum Bearbei- Flächen – und hier wiederum insbesondere Alm- tungszeitpunkt war der Entscheidungsprozess flächen – liegt in oft ausgedehnten Natur- und über die Regelungen noch nicht abgeschlossen. Landschaftsschutzgebieten. Auch im National- park Berchtesgaden befinden sich bewirtschafte- Weitere wichtige Regelungen zur Berglandwirt- te Almen. Die Bestimmungen zur landwirtschaft- schaft enthalten u.a. das Bundes-Bodenschutzge- lichen Nutzung weisen in den verschiedenen Ver- setz, die Bundes-Bodenschutzverordnung, das ordnungen erhebliche Unterschiede auf, die aber Pflanzenschutzrecht sowie immissionsrechtliche in der Regel die traditionelle landwirtschaftliche Vorgaben wie die TA Luft, die TA Lärm und die Nutzung zulassen. Etliche Almflächen, z.T. auch Bundes-Immissionsschutzverordnung. Umfang- Talgrünland sind als NATURA 2000-Gebiete aus- reiche Vorschriften der EU und des Bundes regeln gewiesen. Damit gelten auf ihnen die jeweiligen ferner den Einsatz gentechnisch veränderter Erhaltungsziele sowie die dafür notwendigen Organismen in der Landwirtschaft. Regelungen.

Die bereits in Kap. 2.1.3 genannte behördliche An- 2.2.4 Handlungs- zeigepflicht nach Art. 6e BayNatSchG für Wegebau- empfehlungen ten gilt auch für landwirtschaftlich genutzte Wege. Ausnutzung nationaler Spielräume bei der EU-Wasserrahmen-Richtlinie Neuausrichtung der EU-Förderung Die im September 2000 vom Europäischen Parla- ie EU-Agrarminister haben sich am 26.6.2003 ment verabschiedete Wasserrahmen-Richtlinie Dmit ihrem Luxemburger Beschluss auf Rah- sieht vor, dass für Oberflächengewässer, sofern menbedingungen für eine Reform der EU-Agrar- sie nicht als »künstlich« oder »erheblich verän- politik geeinigt. Die bisherige Koppelung der Di- dert« einzustufen sind, bis 2015 ein guter chemi- rektzahlungen an den Anbau bestimmter Acker- scher und ökologischer Zustand erreicht wird. Bei kulturen (v.a. Getreide, Raps und Mais) bzw. an künstlichen oder erheblich veränderten Gewäs- die Haltung bestimmter Nutztiere wird ab dem sern tritt das gute ökologische Potenzial an die Jahr 2005, spätestens 2007, aufgehoben. Dies Stelle des guten ökologischen Zustandes. Gleich- wird oft als »Entkopplung« bezeichnet. Der Be- zeitig gilt ein Verschlechterungsverbot. Kriterien schluss von Luxemburg sieht vor, dass diese Prä- für den guten ökologischen Zustand sind Wasser- mien in eine sogenannte »einheitliche Betriebs- qualität, Durchgängigkeit, natürliche Dynamik prämie« umgewandelt werden. Jedem Betrieb und Vielfalt. Prinzipiell soll bis 2009 für jedes wird eine bestimmte Summe von Prämienrechten Flussgebiet ein abgestimmter Bewirtschaftungs- zugeteilt. Die Höhe dieser »einheitlichen Prämie« plan erstellt und dann alle sechs Jahre überprüft entspricht dem Durchschnitt der Prämien, die ein und aktualisiert werden. Querbeziehungen zwi- Landwirt in den Jahren 2000 bis 2002 erhalten schen der Berglandwirtschaft und der EU-Wasser- hat. Hinzu kommen die zwischen 2004 und 2006 rahmen-Richtlinie bestehen insbesondere bei der einzuführenden Ausgleichszahlungen im Milchbe- Ausbringung von Dünger, z.B. in Form von Min- reich. Abweichend von diesen Betriebsprämien

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 31 Berglandwirtschaft

bietet der Luxemburger Beschluss in Art. 58 die zu beurteilen ist, sollten nur für die Waldwei- Möglichkeit, regional einheitliche Prämienrechte deflächen, in denen eine Beweidung natur- einzuführen. Ab dem Wirtschaftsjahr 2004/2005 schutzfachlich wünschenswert und mit den werden die Direktzahlungen an Mindeststandards Schutzfunktionen des Bergwaldes vereinbar aus den Bereichen Umwelt-, Tier- und Verbraucher- ist, Beweidungsprämien bezahlt werden. schutz gebunden. Ferner ist eine Umschichtung aus den Mitteln für Direktzahlungen (sog. 1. Säu- • Mindestbewirtschaftung von Grünland le) in die Förderung der ländlichen Entwicklung Prämien für Grünland sollen nur dann gezahlt (2. Säule) vorgesehen. Diese Umschichtung wird werden, wenn die Flächen einmal im Jahr auch als Modulation bezeichnet. Diese Umschich- gemäht und das Mähgut abgefahren wird tung wird zwischen 2005 und 2007 jährlich von oder eine Mindestbeweidung (0,4 GV/ ha 3% (2005) auf 5% (2007) angehoben. Nach Art. oder regelmäßige saisonale Beweidung) 68 des Beschlusses von Luxemburg besteht die erfolgt. Mulchschnitte, bei denen das Mähgut Möglichkeit, bis zu 10 % der Direktzahlungen ein- auf der Fläche bleibt und verrottet, führen zubehalten, um mit diesen Mitteln besondere For- mittelfristig zu Nährstoffanreicherung der men der landwirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne Standorte und damit zu einer ökologischen des Umweltschutzes, zur Qualitätsverbesserung Verschlechterung und sind deshalb keine und zur Vermarktung zu fördern (EURONATUR, 2003). Alternative zur Mahd mit Mähgutabfuhr. Im BN-Positionspapier Der Luxemburger Beschluss belässt den Mit- »Zukunft für die Landwirt- gliedsstaaten einen großen nationalen Hand- • Vorrangige Förderung von Bio-Betrieben schaft« sind Eckpfeiler für lungsspielraum, der große Chancen für eine Bes- Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten die natur- und umweltver- serstellung der Berglandwirtschaft bietet. Im Flächen liegt in den Alpengemeinden derzeit trägliche Neuordnung der Zuge der weiteren Ausgestaltung fordert der BN, bei rund 11%. Aufgrund der besonderen öko- Landwirtschaft zusammen- dass folgende für eine natur- und umweltverträg- logischen Sensibilität der Kulturlandschaft gestellt. liche Berglandbewirtschaftung ausschlaggeben- sollte die ökologische Produktionsweise de Punkte berücksichtigt werden: deutlich stärker aufgewertet und vorrangig unterstützt werden. Hierbei sind insbesonde- • Grünlandprämie re Initiativen in den Gebieten mit hohem Eine ausreichend hohe Grünlandprämie ist Nebenerwerbsanteil wichtig, da dort der von zentraler Bedeutung für die Landwirt- Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen schaft im Alpenraum. Das regionale Hektar- besonders niedrig ist. prämienmodell sieht für Dauergrünland ab Das Land Salzburg, das von den Erzeugungs- 2006 einen Satz von € 89 pro ha vor. Damit bedingungen und agrarstrukturell mit den eine finanziell auskömmliche Grünlandbe- Alpenlandkreisen gut vergleichbar ist, zeigt wirtschaftung möglich ist, sollten mindestens welch enormes Interesse an der Bio-Land- 150 € pro ha bezahlt werden. Wenn der Ein- wirtschaft bei den Landwirten geweckt wer- stieg in die Grünlandprämie zu niedrig aus- den kann. Salzburg engagiert sich seit Jahren fällt oder ihre Erhöhung verschoben wird, intensiv für die Bio-Landwirtschaft, hat sich sind v.a. die ökologisch wirtschaftenden zur Öko-Region erklärt und ist seit Jahren Milchbetriebe existenziell bedroht. europaweiter Spitzenreiter im ökologischen Landbau. 1999 wurden im Land Salzburg • Beweidungsprämie 42,8% der landwirtschaftlich genutzten Flä- Ergänzend zur Grünlandprämie sollte für das che nach den Kriterien des Öko-Landbaus Talgrünland eine Beweidungsprämie einge- bewirtschaftet (LAND SALZBURG, 2004). Dies ist führt werden. Die Weidehaltung ging in den wesentlich auf die ambitionierte österreichi- letzten Jahren stark zurück, die ganzjährige sche Politik zur Förderung zurückzuführen, Stallhaltung hat zugenommen. Weidehaltung die sich auch bei den Prämien zeigt. Nach bietet gegenüber der Stallhaltung eine Reihe dem österreichischen Aktionsprogramm zur von Vorteilen. Die Tiere sind gesünder, die Förderung der ökologischen Landwirtschaft Tierhaltung ist artgemäßer, die Produktqua- ist vorgesehen, dass 20% der Mittel für die lität ist nachgewiesen besser. Biotope, wie Landwirtschaft in den ökologischen Landbau Magerweiden und einige Magerrasen-Typen, fließen sollen (LEBENSMINISTERIUM, 2004). sind nur durch extensive Weidenutzung zu erhalten. Zudem gehören Weidetiere zum • Prämie für NATURA 2000-Gebiete typischen Kulturlandschaftsbild der deut- Die EU ermöglicht Förderungen für landwirt- schen Alpen und haben eine nicht zu unter- schaftliche Flächen in NATURA 2000-Gebie- schätzende Bedeutung für den Tourismus. ten bis 500 € pro ha und Jahr, zusätzlich zu Da die Wirkung der Waldweide differenziert anderen Zahlungen. In Bayern gibt es diese

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Zahlung aber bis heute nicht, obwohl der • Langfristige Mittelbereitstellung für Freistaat im bayerischen Plan zur Förderung Vertragsnaturschutz- und Landschaftspflege- der Entwicklung des ländlichen Raums zur programm EG-Verordnung Nr. 1257/1999 des Rates vom Vertragsnaturschutz- und Landschaftspflege- 17. Mai 1999 einen Betrag von 150 DM pro programm sind wichtige Säulen für die Pfle- Hektar und Jahr aufgenommen hat. Damit ge, Sicherung und Förderung durch extensive könnten Landwirte grundsätzlich in FFH- und Nutzung geprägter Landwirtschaftsflächen. Vogelschutzgebieten, wenn sie ihre Flächen Insbesondere in den deutschen Alpen stellen im Rahmen des Vertragsnaturschutzpro- die beiden Programme für Landwirte eine gramms bewirtschaften, eine zusätzliche Prä- wichtige Einkommensquelle dar. Aufgrund mie in dieser Höhe erhalten. De facto wird der guten Naturausstattung und einer hohen diese Prämie aber nicht ausbezahlt, da die Bereitschaft der Landwirte, Pflegemaßnah- dazu nötigen Ausführungsbestimmungen men durchzuführen, wird ein überproportio- nicht erlassen worden sind. Begründet wird nal hoher Anteil der Finanzmittel dieser bei- dies vom Bayerischen Umweltministerium den Programme in die Alpenlandkreise aus- v.a. damit, dass man Landwirte in und außer- bezahlt. 2003 flossen aus dem Erschwernis- halb von FFH- und Vogelschutzgebieten ausgleich und dem Vertragsnaturschutzpro- gleich stellen will. Damit sind in Natura 2000- gramm fast 22 Mio. € in die Alpenlandkreise Gebieten Bayerns keine zusätzlichen Förder- (StMUGV, 2004). Die landwirtschaftliche Nutzflä- möglichkeiten vorhanden, obwohl der gute che der Alpenlandkreise entspricht rund 13 % Zustand landwirtschaftlicher Flächen vielmals der LN Gesamt-Bayerns. erst Voraussetzung für die Meldung zu NATU- RA 2000 war. Landwirte, die besonders natur- Der Sparhaushalt 2004 des Freistaats Bayern schonend wirtschaften, entgeht so bislang sah zunächst vor, Vertragsnaturschutz- und die finanzielle Anerkennung. Die bayerische Landschaftspflegeprogramm zu streichen. Staatsregierung und der diese Vorgehens- Vehemente Proteste von Naturschutzverbän- weise unterstützende Bayerische Bauernver- den und einigen landwirtschaftlichen Organi- band unterlaufen so eine Honorierung von sationen milderten die Einschnitte ab. Den- Leistungen in NATURA 2000-Gebieten. D.h., noch bedeuten sie einen herben Verlust für dass die EU einen Fördertatbestand in FFH- die Natur und naturorientierte Bauern. Das Gebieten für Landwirte schafft, deren Prä- Vertragsnaturschutzprogramm wird zwar wei- mienobergrenze mit Wirkung ab 1.1.2005 ter geführt, allerdings können keine neuen sogar von 200 € auf 500 € pro ha und Jahr Verträge abgeschlossen werden, da hierfür erhöht wird. Bayern beantragte diese Prämie keine Mittel bereit gestellt wurden. Das für über das zuständige Landwirtschaftsministe- Anlage neuer Biotope, Biotoperhalt und Bio- rium. Die EU genehmigte eine Förderung von topverbund zentrale Landschaftspflegepro- 7 Mio. €, die allerdings nicht an die Landwir- gramm wurde radikal beschnitten. Die bishe- te ausbezahlt wurden. Nach Einschätzung rigen Fördermöglichkeiten für die Biotoppfle- des Bundes Naturschutz wurde die Auszah- ge sind entfallen. Lediglich die von der EU zu lung nicht vorgenommen, da nicht beabsich- 50% kofinanzierte Förderung von Biotopneu- tigt ist, das europäische Biotopverbundsys- anlagen ist noch möglich. Allerdings sind die tem NATURA 2000 mit Nachdruck einzufüh- dafür zur Verfügung gestellten Mittel bei wei- ren und Landwirten für ihre besonders natur- tem nicht auseichend. schonende Wirtschaftsweise eine Förderung zukommen zu lassen. Die angedrohten bzw. vollzogenen Streichun- gen haben die Landwirte massiv verunsichert Andere deutsche Bundesländer bieten den und das für einen kooperativen Naturschutz Bauern finanzielle Anreize speziell für Flä- elementare Vertrauenskapital zwischen Land- chen in NATURA 2000-Gebieten, z.B. Hessen wirten und Naturschutz massiv beschädigt. oder Thüringen (BN, 2004 a). Gerade in den Um dies wenigstens teilweise wieder gut zu deutschen Alpen mit ihrem hohen Anteil an machen, sind langfristige Mittelzusagen der NATURA 2000-Gebieten ist von zentraler Be- Staatsregierung dringend nötig. Die Mittel- deutung, dass umgehend auch hier natur- ausstattung muss so hoch sein, dass alle schonend arbeitende Landwirte eine NATURA Landwirte, die Maßnahmen der Programme 2000-Prämie erhalten. Dazu ist es nötig, dass durchführen möchten, sicher sein können, Bayern die Fördermöglichkeiten der EU auf dass sie in kurzer Zeit die entsprechenden Landesebene kofinanziert und entsprechende Förderzusagen erhalten. Programme auf Landesebene auflegt.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 33 Berglandwirtschaft

Bei der weiteren Ausgestaltung der Program- Die bisherige unpräzise Fördervoraussetzung me sollten zusätzliche Fördergegenstände der guten landwirtschaftlichen Praxis muss aufgenommen werden. Artenreiche Steil- wesentlich präzisiert werden. Für die deut- hangwiesen sowie Almanger (meist kleine schen Alpen ist hierbei insbesondere die Ein- Mähflächen auf Almen, auf denen Heu für führung einer Obergrenze für den Viehbesatz Schlechtwettereinbrüche während der Auf- von höchstens 2 GV pro ha oder einer ausge- triebszeit gemacht wird) sind sehr stark wogenen Nährstoffbilanz wichtig. bedroht. Hier ist eine Aufstockung der Förde- rung besonders wünschenswert. Insbesondere die hohe Förderung der Alm- wirtschaft ist wesentlicher stärker als bisher • Staffelung von Zuschüssen für die Almwirt- an ökologische Kriterien zu binden. 2002 schaft in Relation zu ihrer naturschutzfachli- wurde die Almwirtschaft mit 12 Mio. € geför- chen Bedeutung und Erschließungssituation dert (StMLF, 2003 c). Damit entfallen auf jede der Ein wesentlicher Teil der bisherigen Förde- 1.384 Almen durchschnittlich 8.670 €. Eine rung der Almwirtschaft erfolgt in Form der so hohe Förderung ist gesellschaftlich nur Ausgleichszulage von 200 € pro ha und Jahr, dann akzeptabel, wenn sie im Einklang mit unabhängig von Bestand und Nutzungsinten- den Zielen des Natur- und Landschaftsschut- sität. Voraussetzung ist lediglich die Einhal- zes steht. Deshalb sind folgende Auflagen für tung der sog. guten landwirtschaftlichen Pra- die Förderung der Almwirtschaft nötig: xis. Zukünftig sollte in die Kriterien für die Bemessung der Förderhöhe, der Naturschutz- Verbot der Ausbringung von Pestiziden wert mit starker Gewichtung einfließen. Die selektive Beweidung durch die Weidetiere Damit würden auch standortbedingte Produk- führt dazu, dass giftige und schlecht tivitätsunterschiede mitausgeglichen werden, schmeckende Arten weniger befressen wer- da in der Regel die naturschutzfachlich hoch- den, dadurch begünstigt sind und sich auf wertigen Bestände ertragsärmer sind. Die einigen Almen ausbreiten. Zu diesen Arten mittlerweile fast abgeschlossene Alpenbio- zählen insbesondere Alpenampfer, Alpen- topkartierung erscheint als Bewertungsbasis kreuzkraut, Adlerfarn, Weißer Germer, Kratz- grundsätzlich geeignet, müsste dann aller- disteln und Pestwurz. Auf einer Reihe von dings auch fortgeschrieben werden. Almen werden »Problempflanzen« mit chemi- schen Unkrautbekämpfungsmitteln behan- Um den zeitlichen Mehraufwand für Almbau- delt, meist in Form der Einzelpflanzenbe- ern, deren Alm nicht mit dem KfZ erreichbar kämpfung mit der Rückenspritze, in Ausnah- ist zu honorieren, wird ferner vorgeschlagen, men auch flächig. Da für alle Problempflan- für wegemäßig nicht erschlossene Almen zen aus langjähriger traditioneller Almbewirt- einen Förderzuschlag einzuführen. In Öster- schaftung wirksame alternative Gegenmaß- reich ist dies schon lange Praxis. Dort werden nahmen bekannt sind (insbesondere mehr- aus dem Österreichischen Umweltprogramm malige Mahd), sollte in künftigen Förderun- prozentuale Aufschläge auf die Prämien für gen zur Almwirtschaft ein grundsätzliches Behirtung und Almbeweidung (Alpung) in Verbot der Ausbringung von Herbiziden ver- Abhängigkeit von der Erreichbarkeit bezahlt. ankert werden. Die Aufschläge betragen 30 % auf Almen, die nur über einen Fuß- oder Viehtriebweg und Verbot der Mineraldüngung sowie der Aus- 20 % für Almen, die nur über Materialseil- bringung von organischem Dünger, der nicht bahn oder mit Spezialfahrzeugen erreichbar auf der Alm angefallen ist sind (AMT DER LANDESREGIERUNG VORARLBERG, 2004). Wie in Kap. 2.2.2 aufgeführt, wird auf einem erheblichen Teil der Almen Mineraldünger • Bindung an klar definierte Umweltauflagen ausgebracht. Insbesondere bei tiefgelegenen Die nationalen Durchführungsverordnungen Almen besteht der Trend, dass organischer zur EU-Agrarreform müssten an die Einhal- Dünger aus dem Talbetrieb auf der Alm aus- tung klar definierten Mindestanforderungen gebracht wird. Da dadurch die ökologische im Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutz ge- Situation verschlechtert wird (Florenverlust, bunden werden. Diese müssten im Einverneh- Wasserbelastung, etc.), sollte in den künfti- men u.a. mit dem Bundesumweltministerium gen Förderrichtlinien festgeschrieben wer- erlassen werden. Ein »Benehmen«, d.h. ledig- den, dass auf Almen kein Mineraldünger und lich Kenntnisnahme durch das Bundesumwelt- kein organischer Dünger, der nicht auf ihr ministerium, wie es von einigen Bundeslän- angefallen ist, ausgebracht werden dürfen. dern gefordert wird, reicht hierzu nicht aus.

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Mindestmaß an Behirtung Nutzung nicht-staatlicher Auf einer erheblichen Zahl von Almen findet Fördermöglichkeiten keinerlei Behirtung statt. Dies führt auf Teil- Extensive Berglandwirtschaft in den deutschen flächen zu unerwünschten Nutzungskonzen- Alpen ist ohne direkte oder indirekte Förderung in trationen, während auf anderen Teilflächen überschaubaren Zeiträumen nicht möglich. Ange- Probleme durch Unternutzung auftreten kön- sichts der allgemeinen Mittelverknappung von nen. In den künftigen Förderbestimmungen EU, Bund und Land, ist es nicht unwahrscheinlich, sollte deshalb generell ein Mindeststandard dass auch die Fördermittel im Bereich der Berg- für die Behirtung auf Almen aufgenommen landwirtschaft zurückgefahren werden. Um dies werden. wenigstens teilweise aufzufangen, ist es notwen- dig, bereits jetzt nichtstaatliche Förderquellen zu • Einstellung der Förderung des Almwegebaus, erschließen und auf ihre Akzeptanz hin zu unter- statt dessen Förderung alternativer Trans- suchen. Als Geldgeber kommt ein breiter Kreis in portformen Frage: Einzelpersonen ebenso wie Firmensponso- Der Bau von Almwegen wird vom Freistaat ring, Tourismusvereinigungen, Stiftungen, etc.. In Bayern bis zu 90 % gefördert. Aufgrund der einer aktuellen Studie des Alpenforschungsinsti- oben geschilderten vielfältigen Beeinträchti- tuts wurde die Zahlungsbereitschaft von Einzel- gungen durch Almwege, soll die Förderung personen (Touristen und Einheimische) für die für den Bau von Kfz-befahrbaren Wegen Erhaltung der bäuerlichen Kulturlandschaft im schnellstmöglich eingestellt werden. Die Isarwinkel (südl. Landkreis Bad Tölz-Wolfratshau- Mittel sollen als Unterstützungsmaßnahmen sen) untersucht. Danach waren 46 % der insge- für alternative Transportformen, insbesonde- samt 300 Befragten zu einer persönlichen Zah- re für Materialseilbahnen, Tragtiere, Spezial- lung bereit, wobei die Zahlungsbereitschaft der fahrzeuge für schmale Trassen und Schmal- Touristen im Durchschnitt wesentlich ausgepräg- spurbahnen, wie sie im Weinbau und auch ter war als die der Einheimischen. Über die Höhe auf einigen Salzburger Almen im Einsatz sind, der Zahlungsbereitschaft gibt am besten der verwendet werden. Median-Wert Auskunft. Der Median-Wert ist der Wert, der in der Mitte aller genannten Beträge liegt, d.h. die eine Hälfte der Beträge ist kleiner, die andere Hälfte größer als der Median. Die Un- tersuchung zeigte, dass die höchste Zahlungsbe- reitschaft die Übernachtungsgäste mit einem Median von 5 € pro Aufenthalt (nicht pro Tag !) haben. An zweiter Stelle liegen die Tagesbesucher mit einem Median von 3 €. Die Einheimischen ha- ben einen Medianwert von 0 € pro Jahr, da hier der Anteil, der zu keiner Zahlung bereit ist, beson- ders hoch ist. Auch wenn die Werte vergleichs- weise gering erscheinen, bieten solche individuel- len Beiträge eine Chance, etwaige Rückgänge

Foto: Wessely Foto: staatlicher Fördermittel wenigstens teilweise zu Eine Materialseilbahn erleichtert den Transport auf die nicht kompensieren (PROBST, 2004). straßenerschlossene Langenfeldalpe im NSG Allgäuer Alpen.

Zudem sollte eine absolute Obergrenze der Zah- lungen eingeführt werden. Die künftige Auszah- lung der Flächenprämien sollte mit einer degres- siven Staffelung in Abhängigkeit vom Prämienvo- Zusätzlich zu den lumen erfolgen. Große Betriebe haben in der staatlichen Förder- Regel erhebliche Kostenvorteile, diese müssen geldern, stellt die bei der Prämienzahlung berücksichtigt werden. Gemeinde Ober- Darüber hinaus sollte die Förderung grundsätz- ammergau kom- munale Zuschüsse lich an die Zahl der Arbeitskräfte pro Betrieb ge- bereit, um Land- bunden werden, um eine sozial gerechte Vertei- wirte und Natur- lung der Fördergelder zu erreichen. Auszahlungen schützer bei der sollten nur bis zur Hälfte des außerlandwirt- arbeitsaufwändi- gen Mahd der schaftlichen Vergleichslohns pro Betrieb beschäf- Wiesmahdflächen

tigter Arbeitskraft erfolgen. Wessely Foto: zu unterstützen.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 35 Berglandwirtschaft

Neben der individuellen Zahlung erscheint insbe- Für regionale Produkte aufgeschlossene Filialis- sondere ein stärkeres finanzielles Engagement ten, wie die Tengelmann-Gruppe oder Feneberg der Tourismusvereinigungen und Gemeinden für zeigen, dass mit hoher Qualität, angemessenen den Erhalt der extensiven Berglandwirtschaft Preisen, geschickter Warenplatzierung und Wer- zukunftsträchtig. Die extensive Kulturlandschaft bung der Absatz von regionalen Produkten deut- ist zentrales Kapital des Tourismus in den deut- lich gesteigert werden kann. schen Alpen. Bislang gibt es aber kaum direkte finanzielle Beiträge der Touristikbranche oder der Lebensmittel-Einzelhandelsfirma Gemeinden für den Landschaftserhalt. Eine Aus- Feneberg nahme ist die Gemeinde Oberammergau, im Der Filialist Feneberg betreibt im All- Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Für die sehr gäu und in Schwaben 78 Lebens- arbeitsaufwändige Pflege der sog. Wiesmahdflä- mittelmärkte. Feneberg bietet unter chen – steilen, sehr artenreichen und optisch sehr der Marke »von Hier« eine große Pa- attraktiven Wiesen, durch die einige der belieb- lette Grundnahrungsmittel aus regionaler ökolo- testen Wanderwege führen – zahlt die Gemeinde gischer Produktion an. Das Sortiment »von Hier« eine »Fremdenverkehrsprämie« von rund € 150 umfasst Brot- und Backwaren, Eier, Obst und pro ha und Jahr für besonders steile Hanglagen Gemüse, Fleisch, Molkereiprodukte und Käse. und ca. € 50 für die etwas tiefer gelegenen, in der 233 Biobauern, darunter 70 Rinderhalter und Regel flacheren Hangteile, da die Fördersätze des 5 Verarbeitungsbetriebe liefern der Fa. Feneberg Bayerischen Vertragsnaturschutzprogramms nicht zu. Ziel der Firma ist es, die Kooperation auf genug Anreiz bieten, um die Mahd aufrechtzuer- 500 Biobauern auszuweiten (FENEBERG, 2004 a). Das halten. Seit Mitte der 90er Jahre konnten so über Segment der »von-Hier«-Produkte hat einen Um- 60 ha Wiesmahdflächen erhalten werden (HOCH, satzanteil von durchschnittlich 4%, bei einzelnen 2004). Produkten wie Apfelsaft bis zu 40%. Um den Ab- satz weiter zu steigern, wurde 2004 eine erfolg- Weiterer Ausbau der Direkt- und reiche Werbeaktion durchgeführt. Es wurde ein Regionalvermarktung kleines Heftchen herausgegeben, in dem bei je- Direkt- und Regionalvermarktung ermöglichen dem Einkauf über 20 €, bei dem ein »von-Hier- höhere Erzeugerpreise, welche die Absatz- und Produkt« gekauft wird, ein Stempelabdruck ein- Erlössituation der Berglandwirtschaft deutlich getragen wird. Wenn der Einkäufer eine bestimm- verbessern können. Der Absatz regionaler Pro- te Zahl an Stempeln gesammelt hat, gibt es dukte ist möglich, wenn der Käufer attraktive Preise. So erhält der Käufer z.B. nach • mit dem Produkt besondere Erlebnisse ver- 10 Einkäufen eine Gratis-Eintrittskarte in ein Erleb- bindet, nisbad. Die Resonanz auf diese Aktion ist bisher • Traditionsbewusstsein und Regionalbezeich- sehr gut. In kurzer Zeit wurden über 40.000 Gut- nung erkennen kann und scheine verteilt (FENEBERG, 2004 b). • regionale Herkunft mit Geschmack und Fri- sche gleichsetzt. Unser Land Eine weitere erfolgreiche Regionalver- Der Bund Naturschutz setzt Wenn diese Gesichtspunkte bei der Direkt- und marktungsinitiative ist »Unser Land«. sich für die Direkt- und Regionalvermarktung beachtet werden, ergibt Lieferantengruppen aus 8 Landkrei- Regionalvermarktung ein, sich ein bedeutendes bislang nicht ausgeschöpf- sen um München sowie aus dem Bay- insbesondere von ökolo- tes Potenzial, beim Verkauf im Lebensmittelein- erischen Alpenraum haben sich in ei- gisch erzeugten Produkten. zelhandel, bei Großküchen und insbesondere bei nem Dachverein zusammengeschlossen und ver- touristischen und gastronomischen Einrichtungen. markten die Produkte unter der Marke »Unser Land»«. Einige Lebensmittelketten, z.B. Tengel- 1. Steigerung des Absatzes regionaler Produkte mann, haben Unser-Land-Produkte in ihr Sorti- im Einzelhandel ment aufgenommen. Unser-Land-Lebensmittel Lebensmittelfilialisten sind durchaus bereit, in ihr sind nicht nur regional erzeugt, sie bieten auch Sortiment regional erzeugte Produkte aufzuneh- Vorteile durch die schonende Bewirtschaftung, men, wenn diese qualitativ und preislich dafür mit der sie erzeugt werden. Zwar erfüllen nur we- geeignet sind und die Belieferung regelmäßig nige Produkte die Anforderungen der EU-Öko-Ver- und zuverlässig erfolgt. Bislang gibt es allerdings ordnung, doch gelten auch für die übrigen Pro- erst wenige Lebensmittelketten, bei denen regio- dukte Verpflichtungen für eine naturschonende nale Produkte einen größeren Anteil am Gesamt- Herstellung. So werden z.B. bei der Rinderhaltung sortiment haben. Durch entsprechende Koopera- keine Milchaustauscher (Milchersatz bei der Käl- tionsvereinbarungen könnten hier in großem berhaltung)eingesetzt. Zum Unser-Land-Sorti- Umfang neue Absatzmärkte erschlossen werden. ment zählt auch Heu für Meerschweinchen, Hasen

36 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Berglandwirtschaft und andere Haustiere. Das Heu stammt aus- Erhebliche Defizite bei der Direktvermarktung schließlich aus Bergwiesen, die in das Vertrags- gibt es bei Märkten im Freien. Zwar gab es in Bay- naturschutzprogramm einbezogen sind und des- ern 2003 160 Bauernmärkte (StMLF, 2003 c), doch halb nicht mineralisch gedüngt werden. Die Ge- konzentrieren sich diese sehr stark auf die großen winnungsflächen 2003 bei Wamberg/ Garmisch- Städte und ihr Umland. Auf dem Land gibt es bis- Partenkirchen zählen zu den artenreichsten Berg- lang nur wenige Bauernmärkte. Auch in den Alpen wiesen in Bayern überhaupt. Die Bauern erhalten fehlen regelmäßig stattfindende Bauernmärkte in für das Heu einen relativ hohen Preis. Zusätzlich 4 der 10 Alpenlandkreise (BBV, 2004), obwohl hier fließen von jeder Packung 3 Cent in ein Projekt für durch die hohe Zahl an Touristen eine zusätzliche die naturnahe Berglandwirtschaft. Bereits im 1. Nachfrage anzunehmen ist. Vertriebsjahr konnten über 23 Tonnen Bergwie- senheu verkauft werden (KLAAS, 2004). So gibt es z.B. im Landkreis Garmisch-Partenkir- chen keinen einzigen regelmäßig stattfindenden Wichtig für den Erfolg der Regionalvermarktung Bauernmarkt. Allein der Markt Garmisch-Parten- Der Tölzer Bauernmarkt ist einer der wenigen größeren im Lebensmitteleinzelhandel ist auch eine geziel- kirchen mit fast 30.000 Einwohnern und über Märkte in den deutschen te Platzierung und Bewerbung im Markt. Wenn 270.000 Übernachtungsgästen pro Jahr böte für Alpen. die Produkte kein klar erkennbares Signet haben einen Bauernmarkt eine sehr gute Nachfrage- oder ihnen kein spezieller Platz mit hohem Auf- struktur. Auch im Landkreis Berchtesgadener merksamkeitswert zu gewiesen wird, besteht ein Land findet nur ein Mal im Monat ein Bauern- großes Risiko, dass sie im Gesamtsortiment nicht markt in Bad Reichenhall statt. In der Fremden- als etwas besonderes wahrgenommen und daher verkehrsregion Berchtesgaden/ Königsee mit wenig verkauft werden. Deshalb ist es wichtig, jährlich rund 360.000 Übernachtungsgästen gibt eine klare Kennzeichnung für Regionalprodukte es keinen Bauernmarkt. Ähnlich ist die Situation zu entwickeln und sie gut innerhalb des Marktes im Landkreis Kempten-Oberallgäu, wo es derzeit zu platzieren. Ein gelungenes Beispiele hierfür ist nur den Bauernmarkt in der Stadt Kempten gibt, das »Chiemgau-Regal« des Öko-Modells Achen- aber keinen in den Fremdenverkehrsgebieten des tal. In 7 regionalen Lebensmittelmärkten wurden südlichen Oberallgäus. Auch im Landkreis Ostall- ansprechende Regale aufgestellt, in denen viele gäu mit dem Tourismusmagnet »Füssen/Neu- regional erzeugte Produkte zusammengestellt schwanstein« ist bislang kein einziger Bauern- sind (ÖKO-MODELL ACHENTAL, 2004). markt gegründet worden.

Neben der Aufnahme von Regionalprodukten als Wie erfolgreich ein Konzept für die Direktvermark- Teilsortimente im klassischen Lebensmittel-Ein- tung sein kann, zeigt das Beispiel des Bad Feiln- zelhandel, kann der Verkauf regional hergestellter bacher Apfelmarktes: Waren auch in Läden, die nur solche Produkte ver- kaufen, fokussiert und damit – bei guter Stand- Bad Feilnbacher Apfelmarkt ortwahl – wesentlich gesteigert werden. Nur ver- Der Mittelteil des Landkreises Rosenheim, in dem einzelt gibt es in den deutschen Alpen dazu gute auch Bad Feilnbach liegt, ist Zentrum des Streu- Ansätze, z.B. der in einem festen Gebäude betrie- obstanbaus in Oberbayern. Allein in der Gemein- bene Bad Hindelanger Bauernmarkt oder der de Bad Feilnbach gibt es rund 200 ha Streuobst- Prientaler Bergbauernladen in Aschau/Chiemgau. wiesen, im Landkreis Rosenheim über 400 ha. Bis Daneben bietet auch der Verkauf ab Hof Absatz- in die 90er Jahre bestand der Trend, Obstbäume möglichkeiten. zu roden. Durch vielfältige Maßnahmen, u.a. durch die Einrichtung des Apfelmarktes ist es gelungen, den Rückgang der Streuobstwiesen zu stoppen und eine zusätzliche Einkommensquelle zu schaffen. Seit 1991 wird jedes Jahr an einem Oktober-Wochenende der Bad Feilnbacher Apfel- markt durchgeführt. Der Apfelmarkt ist mittler- weile ein Besuchermagnet, der 2003 rund 20.000 Besucher anzog. Vermarktet werden beim Apfel- markt natürlich v.a. Äpfel und andere Obstarten. 2003 konnten rund 15 Tonnen regionales Streu- obst vermarktet werden. Zum Angebot zählen aber auch regional erzeugte Kartoffeln, Karotten,

Foto: Wessely Foto: Zwiebeln, Kraut, handwerklich erzeugte Marmela- Ansprechende Hinweisschilder, feste Öffnungszeiten, ein mög- den, Liköre, Schnäpse, Honig, Senf, Essig und vie- lichst breites Sortiment sind wichtige Voraussetzungen für den les andere mehr. Daneben zeigen Handwerker, Ab-Hof-Verkauf.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 37 Berglandwirtschaft

wie Körbemacher, Schafwollspinner, Hufschmiede Solche Projekte können nur dann erfolgreich sein, ihre Kunstfertigkeit und verkaufen ihre Produkte wenn sie sehr gründlich strukturiert und langfris- (KIRNER, 2004) tig angelegt sind. Es wird von einer Anlaufzeit von mindestens 3 Jahren ausgegangen, bis sich die Initiatoren allmählich zurückziehen können. Des- halb muss auch für Fördergelder zu solchen Pro- jekten eine längerfristige Verfügbarkeit gewähr- leistet sein.

3. Steigerung des Absatzes regionaler Produkte bei touristischen und gastronomischen Einrich- tungen Ein großer Teil des Streuobst aus dem Erhebliches Ausbaupotenzial für regional erzeug- Inntalbecken wird te Lebensmittel besteht in der Gastronomie und an nur einem insbesondere bei touristischen Einrichtungen. Wochenende beim Gerade Touristen sind an regionalen Produkten Bad Feilnbacher Apfelmarkt direkt häufig sehr interessiert. Auch hier gibt es einzel-

verkauft. Kirner Foto: ne erfolgversprechende Projekte, die ausbaubar sind. 2. Steigerung des Absatzes regionaler Produkte für Großküchen »So schmecken die Berge« – Direktvermarktung In den deutschen Alpen gibt es eine Vielzahl von landwirtschaftlicher Produkte auf Alpenvereins- Einrichtungen mit Großküchen. Dazu zählen Klini- hütten ken, Kantinen, Mensen, zukünftig vermehrt auch Zwischen 1999 und 2001 führte der Deutsche Ganztagsschulen und Horte. Bislang werden re- Alpenverein mit Unterstützung der EU und des gional erzeugte Produkte in Großküchen nur we- Bayerischen Landwirtschaftsministeriums das nig verwendet. Ausschlaggebend sind dafür ins- Projekt »So schmecken die Berge« durch, mit besondere logistische Einzelprobleme, denn Vor- dem Ziel, den Einsatz regional erzeugter Produkte aussetzung für die Verwendung von regionalen zu fördern. Im Projekt wurden Teilnahmekriterien Produkten in Systemküchen ist eine möglichst erarbeitet, Überzeugungsarbeit bei Hüttenwirten viele Lebensmittel umfassende, regelmäßige und und Produzenten geleistet und eine Werbestrate- Mit dem Modellprojekt »So zuverlässige Belieferung durch wenige bäuerliche gie entwickelt. Bislang beteiligen sich 7 Hütten, schmecken die Berge« wurden Erzeugergemeinschaften. Eine Belieferung durch 5 davon im Chiemgau, eine im Mangfallgebirge erfolgreich regional erzeugte einzelne Erzeuger ist für Großküchen zu aufwän- und eine im österreichischen Kaisergebirge. Es Lebensmittel in das Speisen- und Getränkeangebot auf Hüt- dig und auch hinsichtlich der Mengenanforderun- werden Brot, Wurst, Fleisch, Wild, Schnaps, Milch, ten eingeführt. gen zu wenig verlässlich. Um mehr regionale Spei- Käse und Butter aus regionaler Erzeugung ange- sen in Einrichtungen von Großküchen anbieten zu boten. Als regionales Erzeugungsgebiet wurde können, wurde im Allgäu 2003 das Projekt »Regio- die Gebietskulisse der Alpenkonvention in Bayern nal und öko für Allgäuer Kliniken« gestartet. festgelegt. Die Resonanz auf das erweiterte Ange- bot an Regionalprodukten ist ausgesprochen gut. Projekt »Regional und öko für Allgäuer Kliniken« Der DAV will deshalb auch auf anderen Hütten In der 2003 gestarteten Pilotphase, an der 100 mehr regionale Produkte anbieten. 30 weitere Landwirte teilnehmen, werden 4 Krankenhäuser Hütten sind bislang daran konkret interessiert mit rund 3.000 Essen beliefert, bei denen ökolo- (SPEER, 2004). Grundsätzlich wäre eine Ausweitung gisch bzw. regional erzeugte Komponenten ca. ein auf alle bewirtschafteten Hütten wünschenswert. Drittel ausmachen. In der nächsten Projektphase sollen rund 300 Landwirte als Lieferanten einbe- zogen und die Belieferung auf 50 Gasthöfe ausge- weitet werden. Ziel ist es, in 50% der Krankenhäu- ser, 25% der gastronomischen Betriebe und allen Festzelten auf den Viehscheiden (Feste zum Almab- trieb im Allgäu), Qualitätsprodukte von heimischen Bauern anzubieten. (StMLF, 2003 e, INFODIENST GVNET, 2004).

Auch im Chiemgau gibt es durch das von der Bun- desregierung geförderte Projekt »Regionen aktiv«

Initiativen, den Einsatz regionaler und ökologi- Wessely Foto: scher Lebensmittel in Großküchen zu erhöhen. Die Riesenhütte bietet Essen und Getränke aus der Region an.

38 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Berglandwirtschaft

Neben den Unterkunftshäusern mit Bewirtschaf- Ausbaumöglichkeiten für die Direktvermarktung tung gibt es eine große Zahl von Hütten mit gibt es auch entlang von Ausflugsrouten. Viele Selbstverpflegung, etliche davon leicht mit dem Touristen und Tagesgäste würden auf ihren Tou- Auto erreichbar. Insbesondere die Selbstversor- ren regionale Produkte kaufen, doch fehlt es oft gerhütten in Tallagen werden gerne von Gruppen am Angebot oder Informationen dazu. Ein vorbild- gebucht. Die meisten Gruppen haben großes In- liches Projekt zur Stärkung der Direktvermarktung teresse an einem Lieferservice für Lebensmittel. bei Tagesausflüglern und Urlaubern wurde in Hier bieten sich gute Chancen, vermehrt regionale Baden-Württemberg gestartet. Der Landfrauen- Produkte abzusetzen. Zusätzlich wird damit die verband Reutlingen gibt die Broschüre »Albhof- Attraktivität des Hauses und seines Angebots ge- Tour« heraus. In dieser sind Wanderungen und steigert. Die NaturFreunde haben 2004 in einem Radtouren auf der Mittleren Schwäbischen Alb Leitfaden für regionaltypische Verpflegung am beschrieben, die an insgesamt 30 Bauernhöfen Beispiel eines Selbstversorgerhauses im Schwarz- vorbeiführen. Die Bauernhöfe laden Radler und wald bereits vorgestellt, wie der Lieferservice Wanderer ausdrücklich zur Hofbesichtigung ein organisiert werden kann. Es wurde eine Bestelllis- und bieten auch regionale Produkte an, einige te mit regionalen Produkten erarbeitet, darunter auch Übernachtungsmöglichkeiten (LANDFRAUENVER- Fruchtaufstriche, Bauernbrot, Nudeln, Honig, BAND REUTLINGEN, 2003). Mit einem ähnlichen Ange- Müsli, Kräutertee, Gemüse- und Obstkörbe sowie bot, könnte auch die Direktvermarktung im deut- Wurstspezialitäten. Alle Gäste erhalten bei der schen Alpenraum weiter gestärkt werden. Reservierung diese Bestellliste und können ent- sprechend wählen (NATURFREUNDE DEUTSCHLAND, 2004). Auch bei den Anbietern von »Urlaub auf dem Bau- Vergleichbare Projekte sollen möglichst für alle ernhof« gibt es erhebliche, bislang nicht genug Selbstversorgerhäuser in den deutschen Alpen genutzte Chancen für die Direktvermarktung. Nur entwickelt werden. 14 % der bayerischen Betriebe »Urlaub auf dem Bauernhof« sind in der Direktvermarktung aktiv Hindelang – Natur & Kultur oder haben einen Hofladen (LfL, 2003). Auch fehlen 70 Mitglieder des Vereins »Hindelang – Natur & meist Hinweise, wo regionale Produkte gekauft Kultur« haben eine eigene Bauernvermarktungs- werden können. Der Verkauf regionaler Produkte gesellschaft gegründet, über deren Verkaufsschie- sollte im Rahmen des Aufenthalts auf dem Hof ne mittlerweile die gesamte Fleischproduktion und über Gästebetreuungsangebote wesentlich vermarktet wird. Ein wichtiger Abnehmer sind die stärker lanciert werden. Ferienhöfe sollten zentra- zahlreichen Gaststätten im Ort. Das Interesse ei- le Informationsstellen für regionale Produkte nes großen Teils der Touristen an regionalen Pro- sein. dukten in Gaststätten ist groß. Inzwischen ist durch gezielte Nachfrage von Touristen bereits Druck auf die Gastronomie entstanden, die bislang keine re- gionalen Produkte verkaufen (BAD HINDELANG, o.D).

Kooperationen, insbesondere mit Tourismusorga- nisationen, werden bislang für die Direktvermark- tung noch zu wenig genutzt. An touristischen Zen- tren, wie Neuschwanstein, Königssee, etc. kann man zwar jede Menge Souvenirs, von der Postkar- te bis zum Plastikkitsch erwerben, aber regional erzeugte Lebensmittel und Spezialitäten sind kaum erhältlich.

Dabei bestünde gerade hier besonders hohes Interesse und auch eine relativ hohe Bereitschaft,

für geschmacklich und ökologisch hochwertige Wessely Foto: Produkte auch Aufpreise zu zahlen. Einen neuen Käseeinkauf in einer hand- Weg zur Förderung der Direktvermarktung Ein Marktpotential insbesondere durch Touristen werklichen Molkerei macht beschritt die Gemeinde Bad Hindelang im Ober- und Urlauber besteht auch beim Käse-Direktver- Spaß und bietet hohe Qualität zu fairen Preisen. allgäu. Am Ortsrand wurde ein neuer Gebäude- kauf. Käse ist eines der besonders typischen, ger- komplex mit Busbahnhof, Touristikinformation ne gekauften Produkte der Berglandwirtschaft und einigen Läden gebaut, in dem auch ein ganz- und hat beim Direktverkauf eine wesentlich höhe- jährig geöffneter Bauernmarkt sowie ein Schäfer- re Wertschöpfung, als beim Verkauf an den Groß- laden eingerichtet wurden. handel. Während im Allgäu mit seiner Käsetradi-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 39 Berglandwirtschaft

tion auf einer großen Zahl von Almen der regiona- Keine Gentechnik in der Landwirtschaft le Käse verkauft wird und sich 34 Sennalpen im der Alpen »Allgäuer Sennalpenland« gemeinsam erfolgreich Im Frühjahr 2004 durften in der EU Erzeugnisse präsentieren, gibt es in Oberbayern bislang nur aus 15 gentechnisch veränderten Feldfruchtsorten eine Sennalm, die Stie-Alm am Brauneck bei vermarktet werden, darunter 5 Sorten Mais und Lenggries sowie eine mobile Käserei, die gemie- 7 Sorten Raps. 70 % der Deutschen lehnen gen- tet werden kann. Da auch auf anderen oberbayeri- technisch veränderte Lebensmittel ab und wollen schen Almen Milchvieh gehalten wird, könnte mit diese beim Einkauf meiden. »Ohne Gentechnik« dem Direktverkauf von Käse eine neue ergänzen- wird damit zu einem neuen Qualitätsbegriff. Pro- www.faire-nachbar- de Einkommensmöglichkeiten entstehen. dukte ohne Gentechnik werden bessere Markt- schaft.de gibt einen Über- chancen haben, auch besteht eine hohe Bereit- blick über Initiativen zur Projekte zur Stärkung der Regionalvermarktung schaft der Verbraucher, einen Aufpreis für den Ausrufung von Zonen ohne brauchen fast immer eine große Anschubfinanzie- garantierten Verzicht auf Gentechnik zu bezahlen. Gentechnik und enthält rung, bis sie sich finanziell selbst tragen. Die Initi- Deshalb sollte umgehend eine möglichst große umfangreiches Informa- atoren, oft NGOs, kirchliche Gruppen, Vereine, Region in den Alpen ohne Gentechnikverwendung tionsmaterial über die Risi- etc. verfügen in der Regel nicht über die entspre- in der Landwirtschaft ausgerufen werden. Gerade ken der Agro-Gentechnik. chenden Finanzmittel. Deshalb ist die staatliche in Verbindung mit dem grundsätzlich positiven Unterstützung für die Anfangsphase essentiell. Image der Produkte der alpinen Berglandwirt- schaft, würden sich durch die Ausrufung einer Überregionaler Markenschutz Region »Alpen ohne Gentechnik« neue Absatz- Produkte der alpinen Berglandwirtschaft werden chancen ergeben. In vielen Alpenteilen gibt es von vielen Verbrauchern grundsätzlich positiv as- Initiativen für Zonen ohne Gentechnik. Der Kanton soziiert. Dieses günstige Basis-Image bietet her- Tessin in der Schweiz, die österreichischen vorragende Chancen für eine attraktive großräu- Bundesländer Kärnten, Salzburg, Oberösterreich mige Vermarktung. Um auf dem europäischen und Burgenland sowie das Land Slowenien wol- Markt noch besser bestehen und sich gegenüber len per Gesetz eine Zone ohne Gentechnik schaf- anderen Produkten klar abgrenzen zu können, fen (ALPMEDIANEWS, 2004 a). Auch in den deutschen sollten möglichst viele Produkte der Bergland- Alpen formieren sich Zonen ohne Gentechnik. Im wirtschaft europaweit als Marken mit einer ge- Frühjahr 2004 hatten die Landwirte in den Land- setzlich geschützten geographischen Herkunft kreisen Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach angemeldet und in die Liste der EU-Qualitätser- eine Absichtserklärung abgegeben, bis 31.1.2005 zeugnisse aufgenommen werden. Der Allgäuer auf den Anbau und Einsatz von gentechnisch Bergkäse ist bereits EU-weit anerkannt und ge- veränderten Produkten zu verzichten. Weitere schützt, weitere Produkte sollten folgen. Negativ- Initiativen gibt es im Allgäu sowie in Südostober- beispiel für fehlenden Markenschutz ist die sog. bayern. Diese Initiativen sollten unter einem ge- Alpenmilch aus der Weihenstephaner Molkerei meinsamen Dach zusammengeführt werden, mit der Großmolkerei Müller. Diese wird nördlich von dem Ziel, die ganzen Alpen dauerhaft als Zone München produziert, die Lieferbetriebe liegen ohne Gentechnik auszurufen. großteils nicht im Alpenraum. Greenpeace und die Verbraucherzentrale Hamburg leiteten des- halb ein Verfahren wegen Verbrauchertäuschung und irreführender Werbung ein. Ziel des Verfah- rens ist, dass Weihenstephan den Begriff »Alpen- milch« nicht mehr verwendet (BAUERNSTIMME, 2004 b). Regional erzeugt ist dagegen die Bergbauern- milch aus einer Großmolkerei in Piding. Diese Milch stammt von Bergbauernhöfen nach den Be- stimmungen der EU (Höhenlage über 800 m oder zwischen 600 und 800m. ü. NN auf mindestens 50% der LN, pro Betrieb mindestens 3 ha LN, die zumindest eine dieser Voraussetzungen erfüllen). Die Bestrebungen der Arbeitsgemeinschaft Alpen- länder ArgeAlp, der neben Bayern auch Südtirol, Foto: Wessely Foto: Trient, die Lombardei, das Land Salzburg, Tirol, Wessely Foto: Der Name hält nicht was er Vorarlberg und die Schweizer Kantone Graubün- Agro-Gentechnik stößt nicht nur bei Verbrauchern, sondern verspricht: Die »Alpenmilch« den, St. Gallen und Tessin angehören, eine Dach- auch bei vielen Landwirten auf große Ablehnung (im Bild: besteht größtenteils nicht aus marke »Alpenraum« zu schaffen, sollten zügig Demonstration des Bündnis Bayern für gentechnikfreie Natur Milch aus den Alpen. und Landwirtschaft am 31.1.2004 in München). umgesetzt werden (ALPMEDIANEWS, 2004 b).

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Die ersten Anbieter haben auf das hohe Interesse schlechtert. Milch ist heute oft billiger als Mine- der Verbraucher an Produkten ohne Gentechnik- ralwasser. 2003 lag der Durchschnittspreis für einsatz bereits reagiert. Die österreichische Mol- einen Liter Bio-Milch bei nur 33,4 Cent (BAUERNSTIM- kerei »Tirol Milch« brachte im September 2003 ME, 2004 c). Mit einem Aufpreis von nur 5 Cent, ließe europaweit die erste kontrolliert konventionelle sich die wirtschaftliche Situation der Bio-Milch- Milch ohne Einsatz von Gentechnik auf den Markt. viehhalter wesentlich verbessern. Spielraum für Mit 720 Bauern in einem zusammenhängenden höhere Erlöse besteht insbesondere beim Verkauf Gebiet der Bezirke Imst, Landeck und der Ge- von Bio-Milch im Lebensmitteleinzelhandel, wo meinde Wildermieming wurden Verträge ge- die Milch in der Regel günstiger angeboten wird schlossen, nach denen u.a. nur Futtermittel, die als im Naturkostladen. Eine Befragung von 550 ohne Gentechnik hergestellt wurden, verwendet Kunden in zwölf Märkten Norddeutschlands durch werden dürfen. Unabhängige Kontrollstellen sor- die Bundesforschungsanstalt für Milchforschung gen für eine lückenlose Überprüfung der Produk- ergab, dass generell die Bereitschaft einen Auf- tionskette (TIROL-MILCH, 2003). Bio-Milch kann grund- schlag von 5 Cent pro Liter regionale Bio-Milch zu sätzlich als frei von Gentechnik vermarktet wer- bezahlen hoch ist, wenn dem Verbraucher gleich- den, denn der Einsatz gentechnisch manipulierter zeitig vermittelt wird, dass damit klare Qualitäts- Organismen ist in der ökologischen Landwirt- und Umweltleistungen der Bauern unterstützt schaft grundsätzlich verboten. werden (BAUERNSTIMME, 2004 a).

Absatzförderung von ökologisch erzeugten Im Mittelpunkt der bisherigen Kampagnen für Lebensmitteln Bio-Lebensmittel standen v.a. Gemüse, Obst und Die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Lebens- Trocken-Lebensmittel wie Nudeln. Bio-Fleisch und mittel ist in den letzten Jahren zwar spürbar Bio-Fleischwaren sind wenig beworben worden, gestiegen, mit einem Marktanteil im Jahr 2002 obwohl die Skepsis vieler Verbraucher gegenüber von bundesweit 2,3 % (DBV, 2002) sind Bio-Lebens- der konventionellen Landwirtschaft gerade bei mittel aber immer noch Nischenprodukte. Bei Fleischwaren besonders ausgeprägt ist. Während einigen Produkten ist die Nachfrage kleiner als Bio-Molkereiprodukte, Gemüse, Obst und viele das Angebot, so dass diese über konventionelle Trockenwaren mittlerweile auch bei den großen Vermarktungswege abgesetzt werden müssen, Lebensmittelfilialisten zum Sortiment gehören, was zu merklichen Erlöseinbußen bei den Öko- wird Bio-Fleisch und Bio-Fleischwaren bislang nur Bauern führt. Um die ökologische Landwirtschaft von wenigen Filialketten angeboten. Dies ist ein weiter auszubauen und die Absatzsituation zu auch wichtiger Grund, weshalb ökologische stärken, sind Maßnahmen zur Nachfragesteige- Fleisch- und Wurstwaren am Markt bislang unter- rung insbesondere für den Verkauf an den Endver- repräsentiert sind, während Öko-Milchprodukte, braucher essentiell. Eier und vor allem Gemüse und Obst deutlich höhere Marktanteile aufweisen. Die künftige Wer- Gute Absatzmöglichkeiten Die Weiterführung staatlicher Kampagnen für Bio- bestrategie zur Absatzstärkung von Bio-Produk- und hohe Nachfrage nach Produkte ist von großer Bedeutung für den weite- ten sollte sich stärker auf Biofleisch und -fleisch- Bio-Rindfleisch und Wurst- ren Ausbau des Marktes. Die geplante Fortset- waren ausrichten, um die Nachfrage danach ins- waren aus Rind- und zung des Bundesprogramms »Ökologischer Land- gesamt und insbesondere die Markteinführung im Schaffleisch sind von bau« mit jährlich 20 Millionen Euro bis 2007 ist klassischen Lebensmitteleinzelhandel zu unter- zentraler Bedeutung für dazu ein wichtiger Baustein. Ergänzend sollten stützen. Trotz der Aufnahme einer Reihe von Bio- die Ausweitung der ökolo- auch mit Landesmitteln vermehrt Projekte zur Produkten in die Sortimente des Lebensmittelein- gischen Landwirtschaft in Nachfragesteigerung durchgeführt werden. Das zelhandels, dominiert immer noch die Vermark- den deutschen Alpen. bayerische Programm zur Förderung der Vermark- tung über den Naturkostladen. 2003 wurden in tung ökologisch oder regional erzeugter landwirt- Deutschland 42 % der Bio-Produkte über den schaftlicher Produkte sollte deutlich aufgestockt Fachhandel (Naturkostladen, Naturkostversand) werden und der Zuschuss von derzeit 40 % erhöht abgesetzt, 35 % über den Lebensmitteleinzelhan- werden. Bei der Mittelvergabe sollen insbesonde- del und 18 % über direktvermarktende Erzeuger- re Projekte zur Stärkung der Vermarktung von betriebe1 (DBV, 2004). ökologisch erzeugten Lebensmitteln berücksich- tigt werden. Für die Berglandwirtschaft ist dabei insbesondere eine Kampagne für Bio-Milch wich- tig. Der Milchpreis ist durch den Preiskampf eini- ger Großabnehmer und das 15-20%ige Milch- Überangebot stark gefallen. Im Schlepptau dieses

Preisverfalls bei konventioneller Milch hat sich 1 Über den Vermarktungsweg der restlichen 5% liegen keine auch der Abnehmerpreis für die Bio-Milch ver- Informationen vor.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 41 Berglandwirtschaft

Die bisherigen Projekte zur Absatzsteigerung von Das zögerliche Interesse der Gastronomie an Bio- Bio-Produkten haben sich sehr stark auf den End- Produkten liegt nur zum Teil am hohen Preis- verbraucher konzentriert. Zukünftig sollten weit druck. Hemmend wirken sich oft auch zu geringe mehr Projekte mit dem Ziel, ökologisch erzeugte Lieferfrequenz der Anbieter und zu kleines Ange- Lebensmittel stärker in Gastronomie und bei der botssortiment aus. Um diese Defizite zu beheben, Gemeinschaftsverpflegung (Kantinen, Kindergär- sollten mehr Kooperationen zwischen Bio-Bauern, ten, Krankenhäuser, etc.) zu verwenden, durchge- Vermarktungszusammenschlüssen von Bio-Bau- führt werden. Das Land Salzburg ist hierfür zu- ern und der Gastronomie gegründet werden, die kunftsweisend: In Salzburg kochen vier Kranken- den Anforderungen beider Seiten gerecht werden. häuser, vier Seniorenhäuser, 33 Kindergärten, zwölf Schulküchen, zwei Firmenkantinen und Um das Zusammenfinden von Bio-Bauern und 20 Hotels, Restaurants und Seminarhäuser teil- Großküchen zu unterstützen, führt der BN regel- weise in einzelnen Produktsparten und zum Teil mäßig Informationsveranstaltungen mit den Lei- ausschließlich mit Bioprodukten (LAND SALZBURG, tern von Großküchen durch. Die Resonanz ist gut. 2004). In einer Reihe von Unternehmen und Behörden sind Bio-Lebensmittel inzwischen fester Ange- Gerade in der stark touristisch geprägten Gastro- botsbestandteil geworden. nomie der deutschen Alpen bestehen gute Chan- cen für einen höheren Absatz von Bio-Produkten. Viele Urlauber möchten die regionalen Besonder- heiten ihrer Urlaubsregion auch in kulinarischem Sinne erleben und genießen und sind bereit, da- für auch höhere Preise zu bezahlen. Bislang gibt es aber nur sehr vereinzelt Produkte des ökologi- schen Anbaus in der Gastronomie. Ein positives Beispiel ist das Bioland-Restaurant auf der Winkl- mossalm. Foto: Grundnig Foto: Informationsveranstaltung des Bund Naturschutz für mehr Bio-Produkte in Kantinen.

Ausweitung und Modifizierung des staat- lichen Beratungsangebots Die Agrarumweltprogramme werden vielfach noch nicht optimal genutzt. Aus Kapazitätsgründen kann von der öffentlichen Verwaltung die not- wendige Beratung für den gezielten Einsatz der Mittel häufig nicht mehr geleistet werden. Dabei wäre eine intensive Beratung und Betreuung der Landwirte gerade in diesen sensiblen Bereichen

Foto: Alpengasthof Winklmoosalm Alpengasthof Foto: sehr erfolgversprechend. Personal der Landwirt- Beliebtes Ausflugsziel mit Bioland-Restaurant: die Winklmoosalm. schaftsverwaltungen, das aufgrund von Verwal- tungsvereinfachungen für neue Aufgaben frei Ökologisches Bergrestaurant »Winklmoos« wird, sollte vorrangig für eine verstärkte Beratung Auf der Winklmoosalm im Landkreis Traunstein eingesetzt werden. Auch sollten öffentliche Gel- eröffnete 2002 das erste Berggasthaus Deutsch- der für nicht-staatliche Berater vorgesehen wer- lands, das vorwiegend Speisen und Getränke aus den, da diese oft sehr rasch große Erfolge erzie- ökologischer Erzeugung anbietet. Alle Speisen len. So wäre z.B. das Öko Modell in Bad Hinde- und Getränke aus ökologischer Produktion sind lang, in dem über die Begrenzung des Viehbe- auf der Speisekarte mit dem Bio-Siegel oder dem stands (maximal 1 GV pro ha) und Verzicht auf Label des Anbauverbands »Bioland« schnell er- Stickstoffdüngung, eine großflächige Extensiv- kennbar gekennzeichnet, die Preise sind moderat. nutzung erreicht wurde, ohne das große Engage- ment eines selbständigen landwirtschaftlichen Beraters kaum zustande gekommen.

42 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Berglandwirtschaft

2.2.5 Quellennachweis

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Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 43 Berglandwirtschaft

StMLF, 2003 b: Die Landwirtschaft in Oberbayern (pdf-Dokument) StMLF, 2003 c: Leistungsbilanz der Bayerischen Agrarpolitik 1998 – 2003 (pdf-Dokument) StMLF; 2003 d: Ökologischer Landbau in Bayern, Standpunkte zur Agrarpolitik StMLF, 2003 e: Regional und öko für Allgäuer Kliniken, Pressemitteilung Nr. 255 vom 7.8.2003 StMLF, 2002: Agrarbericht StMLU, 2003: Landesentwicklungsprogramm Bayern StMUGV, 2004: Mitteilung per Fax vom 18.8.2004 TIROL-MILCH, 2003: Presse Info vom 3.9.2003, unter www.tirolmilch.at/tm/P-03092003.htm WEIDERECHTSKOMMISSION, 2002: Weiderechtsregelung in Oberbayern, Manuskript von Stefan Kramer von der Kommission für Fragen der Bereinigung von Waldweiderechten im oberbayerischen Hochgebirge an der Forstdirektion Oberbayern-Schwaben ZEHETMAIR,F., 2004: Die Fachberater tagten auf der Stie-Alm; Der Almbauer 10/2004, S. 108

44 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Freizeit und Sport

2.3 Freizeit und Sport

2.3.1 Einleitung

ie deutschen Alpen sind mit großem Abstand Ddas wichtigste ländliche Gebiet Bayerns für Urlauber, Tagesausflügler aus den großen Bal- lungsräumen München, Augsburg und Teilen Baden-Württembergs sowie für die Naherholung der Bewohner in den Alpenlandkreisen. 2003 gab es in den Alpengemeinden fast 4,5 Mio. Gästean- künfte mit über 26,8 Mio. Gästeübernachtungen1 (TOURISMUSVERBÄNDE MÜNCHEN-OBERBAYERN und ALLGÄU/ Wandern ist in – quer durch BAYERISCH-SCHWABEN, 2004) alle Altersgruppen und

Foto: Wessely Foto: Bevölkerungsschichten. Übernachtungsgäste Bayern lag 2003 mit insgesamt 74,0 Mio. Gäste- Die Fremdenverkehrsintensität weist regional übernachtungen in der Urlaubsstatistik bundes- deutliche Unterschiede auf. Am geringsten touris- weit weiterhin auf Platz 1, weit vor Baden-Würt- tisch geprägt sind die Alpengemeinden im Land- temberg mit 39,9 Mio. (DTV, 2003 a). Nach Spanien kreis Rosenheim. Dies ist sicherlich auch auf die und Italien ist Bayern die drittbeliebteste Destina- massive Belastung durch die Inntal-Autobahn tion im In- und Ausland. 7,6 % aller Urlaubsreisen (Brenner-Zubringer) zurückzuführen. Besonders führten 2003 nach Bayern. Die hohe Anziehungs- stark auf den Tourismus ausgerichtet sind die kraft der Alpen ist für die Spitzenposition Bayerns Alpengemeinden im Allgäu. 6 der 8 Gemeinden innerhalb Deutschlands mitentscheidend. mit sehr hoher Fremdenverkehrsintensität liegen im Allgäu, 7 davon im Landkreis Oberallgäu. 2003 fanden in den Alpengemeinden 21% der Gästeankünfte und 38% der Gästeübernachtun- Abb. 3: Fremdenverkehrsintensität (2003) gen in Bayern statt (TOURISMUSVERBÄNDE MÜNCHEN- OBERBAYERN UND ALLGÄU/ BAYERISCH-SCHWABEN, 2004). Fremdenverkehrsintensität in den deutschen Alpen Trotzdem sind die bayerischen Alpen nicht durch- (Übernachtungen pro Einwohner 2003) wegs Urlaubs- und Ferienregion. In 30% der Intensität I (‹20) 8% Gemeinden hat der Tourismus nur eine sehr 8% 30% Intensität II (21 – 40) untergeordnete Bedeutung (‹ 20 Übernachtungen 9% pro Einwohner und Jahr). Lediglich in 8 Gemein- Intensität III (41 – 80) den ist der Tourismus von sehr hoher Bedeutung (141 – 200 Übernachtungen pro Einwohner und Intensität IV (81 – 140) Jahr). Eine einzige Gemeinde, die Oberallgäuer 20% Intensität V (141 – 200) Ortschaft Balderschwang mit nur 200 Einwohnern 25% Intensität VI (› 200) und knapp 190.000 Übernachtungen pro Jahr, zählt zu den extrem stark vom Tourismus gepräg- ten Alpengemeinden. Datenbasis: 95 der 101 Alpengemeinden. Zu 6 Gemeinden (Bichl, Greiling, Reichersbeuern, Großweil, Waakirchen und Staudach-Egerndach) lagen aus Datenschutzgründen (geringe Zahl der Betriebe) keine Zahlen vor.

1 Die amtliche Statistik erfasst nur Betriebe mit mehr als 8 Betten. Da in den deutschen Alpen eine Reihe von Betrieben weniger als 8 Gästebetten haben, liegt der tatsächliche Wert höher.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 45 Freizeit und Sport

Betrachtet man die Fremdenverkehrsintensität im deutlich und 30- bis 50-Jährige leicht unterreprä- Mittelstock der Alpen überregional auf der Basis sentiert, 50- bis 59-Jährige sind leicht und 60- bis der in der ARGEALP zusammengeschlossenen Al- über 70-Jährige deutlich überrepräsentiert (SEITZ, penländer (Bayern, die österreichischen Bundes- ZWERENZ, 2003). länder Salzburg, Tirol und Vorarlberg, die Schwei- zer Kantone Graubünden, St. Gallen, Tessin und Die meisten Urlauber nächtigen in Hotels, Gast- die italienischen Provinzen Südtirol, Trient und höfen und Pensionen. Sehr stark gewachsen ist Lombardei) relativiert sich das Bild, denn bezogen die Nachfrage nach Ferienwohnungen und -häu- auf das ARGE-ALP-Gebiet ist die Fremdenverkehrs- sern, die im Allgäu 2003 von einem Viertel der intensität in den Alpengemeinden Bayerns unter- Urlauber genutzt wurden (BAUER, 2001). Die Nachfra- durchschnittlich. Spitzenreiter sind hier das Land ge nach Privatzimmern hat deutlich abgenom- Tirol, die Provinz Südtirol und der Kanton Graubün- men. Auch wurden in den letzten Jahren viele den in der Schweiz (AUTONOME PROVINZ BOZEN, 2002). Privatquartiere vom Markt genommen. Allein im So zählt auch nur ein Ort, Oberstdorf, zu den – be- Gebiet des Tourismusverbands Chiemgau wurden züglich der Bettenzahl – 29 großen Tourismusorten 2003 600 Betten von Privatvermietern aufgelöst der Alpen und rangiert dabei an vorletzter Stelle (TOURISMUSVERBAND MÜNCHEN-OBERBAYERN, 2004). Bau- (BÄTZING, 2002). ernhöfe haben sich zu einem festen Bestandteil in Die Urlauber in den bayerischen Alpen kommen der Beherbergungsstruktur entwickelt. Im Jahr zu über 90% aus Deutschland. Die durchschnitt- 2003 lag die Übernachtungszahl auf allen Bau- liche Aufenthaltsdauer betrug 2003 5,8 Tage. Da- ernhöfen Bayern bei rund 10,5 Millionen (SCHNEI- mit lag sie deutlich über dem Durchschnittswert DER, 2004 a). Das entspricht rund 15 % aller Über- im Gebiet der ARGEALP mit 4,4 Tagen (AUTONOME nachtungen. Die bayerischen Alpen und hier ins- PROVINZ BOZEN, 2002) und wesentlich über dem baye- besondere die Fremdenverkehrsgebiete Chiem- rischen Durchschnitt von 3,2 Tagen. Auch im Ver- gau, Berchtesgadener Land und Allgäu sind gleich zu Österreich ist die Situation in den baye- neben Ostbayern Schwerpunktregionen für rischen Alpen sehr positiv. Die durchschnittliche Urlaub auf dem Bauernhof. So bieten im Allgäu Aufenthaltsdauer lag in Österreich 2001 bei 4,3 Ta- rund 1.600 Betriebe, das sind 15 %, Urlaub auf gen. Selbst in Kärnten mit seinem hohen Anteil an dem Bauernhof an. Jährlich werden auf den Bau- Familien und Senioren, die tendenziell eine länge- ernhöfen im Allgäu ca. 1,9 Mio. Übernachtungen Urlaub auf dem Bauernhof re Verweildauer haben, lag die Aufenthaltsdauer registriert (StMLF, 2003a). Auch in den zu Oberbayern hat sich zu einem bedeu- 2001 mit 5,6 Tagen unter dem Durchschnitt der gehörenden Landkreisen der bayerischen Alpen tenden Segment im Beher- bayerischen Alpengemeinden (STATISTIK AUSTRIA, 2002). bieten viele Bauernhöfe Urlaubsquartiere an. bergungswesen entwickelt. Die überdurchschnittliche Aufenthaltsdauer ist Camping spielt in den Alpengemeinden eine eher bei einzelnen Gemeinden v.a. auf den Klinik- und untergeordnete Rolle. Lt. ADAC-Campingführer Kurbetrieb zurückzuführen. So liegt z.B. die gibt es in den Alpengemeinden Bayerns 35 klassi- durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Heilbad fizierte gewerbliche Campingplätze mit 5.033 Bad Heilbrunn bei 13,1 Tagen. Die meisten bayeri- Stellplätzen für das Urlaubscamping und 2.436 schen Alpengemeinden haben aber keine solchen Dauerstellplätzen. Das entspricht rund 9% der Einrichtungen. Dennoch ist die Aufenthaltsdauer Campingplätze und knapp 15% der Stellplätze für vergleichsweise hoch, was nur mit der großen das Urlaubscamping in Bayern (StMWVT, 2003). Zufriedenheit der Gäste zu erklären ist. Tagesausflügler und Naherholer Trotz der am Reisemarkt starken Tendenz zu Zu den Übernachtungsgästen kommen jedes Jahr hoher Flexibilität und Spontaneität der Urlauber, viele Millionen Tagesausflügler und Naherho- haben die bayerischen Alpengemeinden immer lungssuchende. Leider liegt dazu kein zusammen- noch sehr viele Stammgäste. Nach einer 2001 fassendes Zahlenmaterial vor, doch dürften die durchgeführten Studie der FH Kempten im Allgäu Tagesausflügler insbesondere in den Gebieten im verbringen 72 % der Urlaubsgäste zum wieder- Einzugsbereich von München vielfach die Zahl der holten Mal ihren Urlaub im Allgäu. 22% der Urlaubsgäste deutlich übersteigen. befragten Urlauber waren schon 6 – 10 mal dort, 25% sogar häufiger als 10 mal. Der typische Aktivitäten Urlauber ist zwischen 50 und 70 Jahre alt (50%) Die große Mehrheit der Erholungssuchenden – und meist mit Partner oder Familie unterwegs Urlauber wie Tagesgäste und Einheimische – (BAUER, 2001). Eine sehr ähnliche Gästestruktur hat kommt v.a. wegen der Vielfalt an naturgebunde- Oberbayern. In Relation zur Gesamtbevölkerung nen oder -orientierten Angeboten. Dabei rangie- sind bei den Oberbayern-Urlaubern Jugendliche ren Ausflüge, Wandern, Schwimmen und Radfah- und junge Erwachsene zwischen 14 und 29 Jahre ren deutlich vor dem Skifahren.

46 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Freizeit und Sport

Wirtschaftliche Bedeutung Übernachtungsgäste und sonstige Erholungssu- chende tragen wesentlich zur Wertschöpfung (Einkommen, Löhne und Gewinne) der bayeri- schen Alpengemeinden bei, wobei zwischen den einzelnen Gemeinden sehr große Unterschiede bestehen. Im Durchschnitt liegen die Ausgaben bei Übernachtung in gewerblichen Beherber-

Foto: Wessely Foto: gungsbetrieben mit neun und mehr Betten bei Gästebefragungen zeigen: Wandern ist im Jahresdurchschnitt, 93,30 € pro Kopf und Tag, in Privatquartieren mit also auch im Winter, die beliebteste Freizeitaktivität. bis zu acht Betten bei 48,30 € (DTV, 2003 a).

Der alpine Wintersport ist also nicht – wie manche Auch Tagesgäste bringen Geld in die Alpenge- touristischen Zusammenschlüsse und Liftgesell- meinden. Nach einer Untersuchung im National- schaften suggerieren – Hauptstandbein des Tou- park Berchtesgaden, belaufen sich die Ausgaben rismus in den bayerischen Alpen, sondern hat nur der Tagestouristen auf knapp € 20 pro Tag (JOB et eine ergänzende Funktion. Dies trifft auch auf das al., 2003 a). Allgäu zu, die am stärksten auf den Wintersport ausgerichtete Region Bayerns. Nach einer Befra- In einzelnen, touristisch besonders stark ausge- 3 gung der FH Kempten, betreiben nur 20 % der All- richteten Kommunen, entsteht über /4 der Wert- gäuer Gäste Wintersport (BAUER, 2001). In Oberbay- schöpfung durch den Tourismus. So gibt z.B. die ern ist die skitouristische Bedeutung sogar noch Gemeinde Bad Hindelang die touristische Wert- geringer. Selbst in Orten, die sich aktiv als Skitou- schöpfungsquote mit 80% an (BAD HINDELANG, 2003). rismuszentren vermarkten, überwiegen in der Hierbei handelt es sich um eine der wenigen Wintersaison die Nicht-Alpin-Skifahrer. Beispiels- deutschen Alpen-Gemeinden, die besonders stark weise kommen nach Garmisch-Partenkirchen tra- vom Tourismus geprägt sind. Betrachtet man die ditionell rund 70 % der Wintergäste unabhängig Gesamtheit der bayerischen Alpengemeinden vom Wintersport (SZ, 2004 b). Das Motiv »Skiurlaub dürfte sich die Wertschöpfung eher im Bereich und Wintersport« rangiert bei Reisen nach Ober- zwischen 15 und 25% bewegen, wie sie für die bayern nach Ausruhurlaub, Wanderurlaub, Bade- österreichischen Bundesländer Salzburg bzw. urlaub, Wellness-Urlaub erst auf Rang 6. Als wich- Tirol ermittelt wurden (SMERAL, 2000 und LEHAR, 2000). tigste Aktivitäten für einen Oberbayern-Urlaub Deutschlandweit trägt der Tourismus 8% zum wurden bei Befragungen Baden, Radfahren, Wan- Bruttoinlandsprodukt bei (BMU, 2002). dern, Einkaufen, Wellness und Kuren, noch vor dem Wintersport genannt (SEITZ, ZWERENZ, 2003). 2.3.2 Zentrale Ergänzend zu den Hauptsportarten haben sich in Herausforderungen den letzten Jahrzehnten neue Sportarten wie Raf- ting, Canyoning, Gleitschirmfliegen etc. auch in ie kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist der den bayerischen Alpen etabliert. Stark zugenom- WTourismus auf eine intakte Natur und men hat die Zahl der Golfplätze. An diesen Sport- Umwelt angewiesen. Umweltprobleme werden arten ist jeweils nur ein sehr kleiner Teil der Ur- von den Reisenden zunehmend wahrgenommen lauber interessiert. und können die Entscheidung für ein Zielgebiet beeinflussen. Umgekehrt gehören das Natur- und Landschaftserlebnis zu den wichtigsten Urlaubs- motiven. Freizeit und Tourismus wirken vielfältig auf die Umwelt ein. In den bayerischen Alpen sind die durch die touristische Nutzung bedingten Hauptproblemfelder der Verkehr, der Ausbau der Infrastruktur insbesondere für die verschiedenen Skisportarten sowie Konflikte zwischen Natur- schutz und Sportausübung.

Verkehr

Foto: Wessely Foto: Das Auto ist wichtigstes Verkehrsmittel bei pri- Rund 31.500 Drachenflieger und Gleitschirmflieger (DHV, 2004) vaten Reisen in Deutschland. 1999 wurden in gibt es in Deutschland. Die deutschen Alpen sind das am stärk- Deutschland 74 % aller privaten Reisen mit dem sten frequentierte Fluggebiet in Deutschland. Auto zurückgelegt. Auf die Bahn entfielen 15%,

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 47 Freizeit und Sport

auf den Bus 7%, innerdeutsche Flüge 3% und 2% dem über 32 % der Liftanlagen der bayerischen auf die sonstigen Verkehrsmittel (BMU, 2002). Bei Alpen stehen (StMWVT, 2004 a). 2003 wurden nach innerdeutschen Urlaubsreisen liegt der Anteil des Recherchen des Bund Naturschutz 382 ha in 13 PKW-Verkehrs sogar noch höher. Nach Befragun- der 16 (=80%) Skigroßräume in den deutschen gen für die Tourismusregion Oberbayern kommen Alpen künstlich beschneit. Allein 2003 wurden für ca. 80 % der Urlauber mit dem PKW und ca. 4% 40 ha neue Genehmigungen erteilt. Damit liegt mit dem Wohnwagen oder Wohnmobil (SEITZ, ZWE- Bayern nur wenig hinter dem alpenweiten Durch- RENZ, 2003). Die große Belastung durch den Auto- schnittswert von 92% (WWF ÖSTERREICH, 2004). und LKW-Verkehr – nicht nur durch den Freizeit- verkehr, sondern auch durch den Verkehr von Ein- Trotz dieses hohen Niveaus und rückläufiger Ski- heimischen, sowie den gewerblichen Verkehr – läuferzahlen wird weiter in die skitouristische gefährdet zunehmend auch die Attraktivität der Erschließung, v.a. in den Großskigebieten inves- bayerischen Alpengemeinden für den Tourismus. tiert, während kleinere Anlagen teilweise schlie- Bei einer Gästebefragung im Allgäu bemängelte ßen. Dass selbst die Zeit der Mega-Projekte in die Hälfte der Gäste die Verkehrbelastung (BAUER, den bayerischen Alpen offensichtlich noch nicht 2001). Die vielfältigen Beeinträchtigungen durch vorbei ist, zeigt die vom Markt Garmisch-Parten- den Autoverkehr in den deutschen Alpen sowie kirchen in Auftrag gegebene Planung für die Ski- Vorschläge zur Nachfragestärkung öffentlicher gebietserweiterung am Hausberg, die zwar zum Verkehrsmittel sind im folgenden Kapitel 2.4 aus- Bearbeitungszeitpunkt zurückgestellt, aber noch führlich beschrieben, auf das hier verwiesen wird. nicht endgültig verworfen war. Danach sollen am Hausberg für zwei neue Hochgeschwindigkeitsab- Ausbau der Infrastruktur für die alpinen fahrten 6 ha Bergwald gerodet und auf 15 ha Wintersportarten Boden und anstehendes Gestein aufgeschüttet 2003 gab es in den bayerischen Alpen 16 Skigroß- oder abgetragen werden. Bei einem Großteil der räume mit 739 km präparierten Abfahrten und Flächen, auf denen Bodenmodellierungen vorge- 432 Aufstiegshilfen (Liften), die pro Stunde rund sehen sind, handelt es sich um nach Art. 13 d Bay- 320.000 Personen befördern konnten (WWF ÖSTER- NatSchG geschützte Vegetationsbestände (MARKT REICH, 2004). Setzt man die Skigroßräume Bayerns GARMISCH-PARTENKIRCHEN, 2004). Diese Eingriffe sind mit denen der anderen Alpenländer in Relation nicht ausgleichbar und würden Natur und Land- zum Flächenanteil des jeweiligen Landes ergibt schaftsbild im Talkessel von Garmisch-Partenkir- sich: Die Abfahrtskilometer und die Gesamtkapa- chen dauerhaft massiv beeinträchtigen. zität liegen in Bayern etwas über dem alpenwei- ten Durchschnittswert, die Zahl der Lifte beläuft Auch in vielen anderen bayerischen Alpengemein- sich sogar auf das Doppelte des Durchschnitts. den wird das Wettrüsten im Alpin-Skisport fortge- setzt. So hat z.B. im Spitzingseegebiet im Land- Rechnet man auch die kleineren Lifte abseits von kreis Miesbach ein Großinvestor die Anlagen Skigroßräumen dazu, dann gab es 2003 in den eines ganzen Skigebiets aufgekauft. 2004 wurde Alpenlandkreisen 588 Seilbahnen: 97 Seilschwe- mit den ersten Ausbauprojekten begonnen. Zum bebahnen, 489 Schlepplifte und 2 Standseilbah- Maßnahmenpaket gehören der Umbau und damit nen. Schwerpunkt ist der Landkreis Oberallgäu, in verbundene Kapazitätserhöhung eines Sessellifts von bislang 700 Personen pro Stunde auf 2.200 Personen pro Stunde, der Bau einer großen neu- en Straße zur Bergstation, ein neues Gastrono- miegebäude an der Bergstation, ein Unterstell- haus für Liftsessel, weitere Parkplätze und Beschneiungsanlagen. Die Bauarbeiten führen zu gravierenden Eingriffen in Natur und Landschaft, insbesondere im Bergwald, der in erheblichem Umfang gerodet wird.

Neben der fortgesetzten massiven Ausweitung der Transportkapazitäten, wird die künstliche Beschneiung immer mehr ausgedehnt. Seit 1992 hat sich die künstlich beschneite Fläche in den bayerischen Alpen verzehnfacht. Die Aufforde-

Foto: Wessely Foto: rung des bayerischen Umweltministers Schnapp- Nur an wenigen Spitzentagen kommt es zu Schlangen an den auf (StMLU, 2002) an die Liftbetreiber und Landrats- Skiliften. Trotzdem werden die Skigebiete weiter ausgebaut. ämter, Zurückhaltung bei der Planung und Geneh-

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• Schneekanonen und die zugehörigen Anla- Umfangreiche Informatio- gen (z.B. Speicherteiche) stellen eine massi- nen über die Auswirkungen ve Beeinträchtigung bzw. Zerstörung des der künstlichen Beschnei- Landschaftsbildes dar. ung auf Natur und Land- • Die Schneeerzeugung ist sehr energie- schaft enthält »Schneeka- intensiv. nonen – Aufrüstung gegen • Bislang in Bayern nicht zugelassen, doch die Natur«. Download immer deutlicher von Seilbahnunternehmen unter www.bund-natur- und Wintersportverbänden gefordert, ist der schutz.de/fakten/alpen/ Zusatz von künstlichen Hilfsstoffen, um auch schneekanonen.html bei höheren Temperaturen (Klimaerwärmung) Schnee erzeugen zu können.

Ein weiteres Problem der skitouristischen Ent- wicklung der letzten Jahre ist die tageszeitliche Ausweitung des Skibetriebs mithilfe von Flutlicht. An einer Reihe von Abfahrten wurden Flutlichtan- lagen installiert, bei einigen Anlagen, z.B. Alp- spitzbahn in , sind diese sogar täglich in Betrieb. Durch die Verlängerung der Skifahrzeit erhöht sich der ohnehin schon massive Druck auf Wildtiere in umgebenden Hängen nochmals. Stark zugenommen haben auch die Belästigun-

Foto: Wessely Foto: gen durch laute Musik aus Lautsprecheranlagen Im Sommer 2004 wurde das Skigebiet Stümpfling am an Skihütten und sogar Liftmasten. Spitzingsee massiv ausgebaut. Dabei wurde eine neue Fahr- straße durch den Bergwald trassiert. Golfplätze migung von Beschneiungsanlagen zu üben, war in 2004 gibt es in den Alpengemeinden 13 Golfplät- den Wind gesprochen. Weiterhin werden Jahr für ze, 7 sind 9-Loch-, 6 sind 18-Loch-Anlagen (BAYERI- Jahr bei den Landratsämtern eine große Zahl von SCHER GOLFVERBAND, 2004). Zu den Golfplätzen Genehmigungsanträgen gestellt und in der Regel direkt im Alpenbereich kommt eine große Zahl nur mit Standard-Auflagen genehmigt. 2003 wur- weiterer Anlagen in den außeralpinen Teilen der den erstmals Anträge für die Beschneiung von Alpenlandkreise. Alpen und Voralpenland sind die Loipen gestellt (Loipe am Aschauerweiher in der am stärksten golftouristisch erschlossene Region Gemeinde Bischofswiesen und für die Loipe in Bayerns. Kaltenbrunn bei Garmisch-Partenkirchen).

Beschneiungsanlagen sind komplexe Eingriffe in die Natur und Landschaft, insbesondere aufgrund folgender Wirkungen: • Schneekanonen sind laut. In 20m Entfernung liegt die Lärmbelastung bei 60-100dB(A) (LfU, 2000). Schneekanonen laufen v.a. nachts, in einer Zeit, in der sonst Ruhe in den Skige- bieten herrscht. • Eine Grundbeschneiung zwischen 20 und 35cm Höhe erfordert 70 bis 120 Liter Wasser pro Quadratmeter (entspricht 700.000 – 1,2 Mio. Liter pro ha) (LfU, 2000). Das Wasser wird häufig aus Bergbächen entnommen. Die an bestimmte Mindestwasserführungen ange-

passten Organismen der Bergbäche werden Wessely Foto: dadurch geschädigt. Im Extremfall können Nur ein Bruchteil der Urlauber in den deutschen Alpen sind Golfspieler. Dennoch sind weitere die Bergbäche sogar trocken fallen. Golfplätze mit gravierenden Eingriffen in Natur und Landschaft geplant.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 49 Freizeit und Sport

Golfplätze in den Alpen sind besonders problema- Großveranstaltungen tisch, denn: Die Zahl der Großveranstaltungen hat in den letz- • Golfplätze in den deutschen Alpen entstan- ten Jahren in den bayerischen Alpen stark zu den nie auf ausschließlich intensiv landwirt- genommen. Viele davon sind mit den Zielen eines schaftlich genutzten Flächen. Vielmehr gab es natur- und umweltverträglichen Tourismus nicht auf den jetzigen Golfplätzen früher überall vereinbar: naturnahe Strukturen und Biotope, die beim • Lärm und Beunruhigung: Häufig werden Laut- Golfplatzbau beseitigt wurden. So wurde z.B. sprecher eingesetzt. Der Lärm breitet sich bis der Golfplatz Buchwies bei Oberau im Land- in weit entfernte Gebiete aus und stört dort kreis Garmisch-Partenkirchen mitten im größ- Ruhe- und Erholungsuchende. Auch die Tier- ten Moor- und Feuchtwiesengebiet der deut- welt wird durch Großveranstaltungen massiv schen Alpen errichtet. Der Golfplatz kann nur gestört. bespielt werden, weil ein großes Drainage- • Müll: Der Veranstalter hat zwar nach den Auf- system verlegt wurde. lagen i.d.R. die Müllbeseitigung zu überneh- • Düngung, Herbizid- und Pestizidausbringung men, doch Beobachtungen zeigen, dass gera- sowie Entwässerung auf den Spielbahnen de in entlegeneren Gebieten, die mit dem wirken sich auch auf angrenzende Flächen Auto nicht mehr erreichbar sind, Müll nach aus. Aufgrund des überdurchschnittlich Veranstaltungen liegen bleibt. hohen Anteils an ökologisch wertvollen Flä- • Flutlicht: V.a. Veranstaltungen im Winter wer- chen im Alpenraum, geht von Golfplätzen hier den immer häufiger während der Dunkelheit ein besonders großes Risiko für den ökologi- durchgeführt. Riesige Flutlichtanlagen hellen schen Wert benachbarter Flächen bzw. bei die Veranstaltungsgebiete weiträumig auf. Im Einträgen in Gewässer auf unterhalb liegende Juli 2004 war eine Werbeaktion geplant, bei Abschnitte aus. der die Zugspitze mit gigantischen Schein- • Das in der Regel reich strukturierte naturnahe werfern vom Tal aus großflächig angestrahlt Landschaftsbild der Tallagen wird durch werden sollte. Nur wegen massiver Proteste einen Golfplatz radikal verändert und verliert konnte dies verhindert werden. seinen bäuerlichen Charakter. An die Stelle Flutlicht stört zum einen die Tierwelt, zum einer gewachsenen Kulturlandschaft tritt eine zweiten verändert es den Landschaftscharak- nach naturfernen Kriterien gestaltete Kunst- ter. Das Kunstlicht als städtisches Element landschaft, die zum umgebenden Raum in wirkt in der freien Landschaft störend. krassem Gegensatz steht. Das Landschafts- bild wird wegen der weiten Sichtbeziehungen Zu diesen direkten negativen Wirkungen von in den Alpen in einem großen Umkreis – ins- Großveranstaltungen in der freien Natur kommen besondere auch aus den Höhenlagen – nega- indirekte, wie vermehrter Verkehr, wildes Parken tiv verändert. und Fäkalienprobleme hinzu. • Golfplätze sind in den Alpen eine besonders starke Flächenkonkurrenz für die Landwirt- Motorsportveranstaltungen schaft. Leicht zu bewirtschaftende Grünland- Insbesonders nicht mit den Zielen eines natur- flächen sind wegen der Begrenztheit der Tal- und umweltverträglichen Tourismus vereinbar flächen und der gewachsenen Flächeninan- sind Motorsportveranstaltungen, die seit einigen spruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrs- Jahren eine Renaissance in den deutschen Alpen flächen ein knappes und für das wirtschaftli- erleben: che Überleben der Landwirte sehr wichtiges • Jochpassrennen, Bad Hindelang: Durch das Gut. Golfplätze in den Alpen entziehen den Gemeindegebiet führt eine alte Passstraße Bauern oft zentral wichtige Grünflächen und nach Österreich, auf der vor Jahrzehnten tragen so zum Rückgang der bäuerlichen bereits Autorennen durchgeführt wurden. In Betriebe bei. Da viele Bauern in den bayeri- den 80er Jahren engagierte sich Bad Hinde- schen Alpen ökologisch wertvolle Flächen lang stark im Ökotourismus. Folgerichtig ent- extensiv bewirtschaften oder pflegen, bedeu- schied sich der Gemeinderat Anfang der 90er ten Golfplätze auch ein Risiko für die Erhal- Jahre mit Blick auf die Glaubwürdigkeit des tung von Biotopen, die weit ab von den Golf- »Öko-Images«, das Jochpassrennen nicht plätzen liegen können. Zudem erfolgen bei mehr durchzuführen. 1999 – zum 100-jähri- vielen Planungen auch Eingriffe in Waldflä- gen Jubiläum der Jochpass-Straße – wurde chen, z.B. Waldrodung beim Golfplatz Marga- der Gemeinderatsbeschluss aufgehoben. retenhof, in der Gemeinde Waakirchen (Land- Seitdem findet das Rennen als Oldtimerren- kreis Miesbach). nen wieder jährlich statt (LINDNER, 2000).

50 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Freizeit und Sport

• Oldtimerrallye Historic: Der ADAC ver- 2.3.3 Wichtige rechtliche anstaltet jedes Jahr ein großes Oldtimerren- und planerische nen in den Alpen. 2004 nahmen daran 170 Festlegungen Teams teil. Erstmals wurde 2004 ein Wettren- nen durchgeführt. Dieses fand in Unterwös- Alpenkonvention sen statt (SZ, 2004 c). ie Alpenkonvention (ÖAV, 2001) enthält in einer • Ausgerechnet im Internationalen Jahr der DReihe von Protokollen Zielaussagen zum Tou- Berge 2002 plante der ADAC die Wiederauf- rismus. Neben dem Tourismusprotokoll, sind ins- nahme des Wallbergrennens am Tegernsee in besondere das Bodenschutzprotokoll und das der Gemeinde Rottach-Egern. Nur dank des Naturschutzprotokoll relevant. Alle Protokolle vehementen Einsatzes von Natur- und Um- sind in Deutschland in Kraft getreten. weltschutzverbänden gegen dieses Rennen, konnte die Durchführung verhindert werden. Das Protokoll »Tourismus« (von Deutschland am Die Wirkung des Protests hielt allerdings 16.10.1998 unterzeichnet) gilt aus Naturschutz- nicht lange an. 2004 wurde auf der Wallberg- sicht als vergleichsweise »schwaches« Protokoll, straße eine Oldtimer Rallye durchgeführt da es relativ wenig klare Begrenzungen für die (SZ, 2004 d). touristische Nutzung vorgibt. Dennoch sind in ihm • Die größte Motorsport-Veranstaltung in den eine Reihe wichtiger Zielaussagen und Maßnah- bayerischen Alpen ist das sog. BMW-Motor- menvorschläge enthalten, die Leitliniencharakter rad-Biker-Meeting, das seit einigen Jahren für eine nachhaltige Gestaltung des Tourismus jährlich in Garmisch-Partenkirchen stattfin- haben. Dies betrifft insbesondere folgende Ver- det. 2003 nahmen an den drei Veranstal- pflichtungen: tungstagen rund 24.000 Motorradfahrer teil • Anstreben einer nachhaltigen touristischen (SZ, 2004 a). Ohrenbetäubender Lärm und Abga- Entwicklung mit einem umweltverträglichen se belasten den Garmischer Talkessel und die Tourismus (Art. 5), umliegenden Täler beim Motorradkorso • Förderung möglichst nur landschafts- und durch den Ort und bei den Rundfahrten. umweltschonender Projekte. Dabei sollen Fördermaßnahmen in Gebieten mit intensi- vem Tourismus dazu eingesetzt werden, vor- handene touristische Strukturen und Einrich- tungen an die ökologischen Erfordernisse anzupassen. Förderungen für neue Struktu- ren in intensiv touristisch genutzten Gebieten sollen nur noch gewährt werden, wenn die Projekte den Zielen des Tourismusprotokolls entsprechen. Förderungen in extensiv touris- tisch genutzte Gebiete sollen in Maßnahmen zur Erhaltung oder Entwicklung eines natur- nahen und umweltschonenden Tourismus-

Foto: Doering Foto: angebots und die Aufwertung des natürlichen Motorsport-Veranstaltungen wie das jährlich in Garmisch-Par- und kulturellen Erbes der Feriengebiete flie- tenkirchen stattfindende BMW-Biker-Meeting sind unvereinbar ßen. Ferner soll das Verhältnis zwischen in- mit natur- und umweltverträglichem Tourismus. tensiven und extensiven Tourismusformen in Gebieten mit starker touristischer Nutzung Mountainbike-Rallyes ausgewogen sein (Art. 6), Zunehmend werden auch Rallyes für Mountainbi- • Abstimmung der touristischen Entwicklung ker mit verschiedenen Schwierigkeitsklassen und auf die umweltspezifischen Besonderheiten Streckenlängen angeboten, die durch empfindli- und verfügbaren Ressourcen des jeweiligen che Berggebiete, insbesondere Bergwald und Ortes oder der jeweiligen Region (Art. 9), Almgelände führen. Bei den Rennen und den Trai- • Ausweisung von Ruhezonen, in denen auf ningsfahrten treten erhebliche Besucherzahlen in touristische Erschließungen verzichtet wird den sonst ruhigen Gebieten auf. (Art. 10), • Berücksichtigung ökologischer und land- schaftlicher Erfordernisse bei nationalen Genehmigungsverfahren für Seilbahnen und Lifte (Art. 12),

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 51 Freizeit und Sport

• möglichst natur- und landschaftsschonender dener Erholungseinrichtungen darstellen« Bau, Unterhalt und Betrieb von Skipisten un- (B III 1.2.2.) Die Begründung zu diesen Zielen lie- ter Berücksichtigung der Empfindlichkeit von fert weitere, für die natur- und umweltver- Biotopen; weitest mögliche Begrenzung von trägliche Ausgestaltung des Tourismus wich- Geländekorrekturen auf Skipisten (Art. 14), tige Vorgaben: Darin wird u.a. zu Golfplätzen • Lenkungsmaßnahmen für Natursportarten, folgendes ausgeführt: »Golfplätze greifen flä- um Nachteile für die Umwelt zu vermeiden chenhaft in die Landschaft ein. ... Sie sind so (Art. 15), anzulegen, dass nur ökologisch belastbare • Begrenzung, erforderlichenfalls Verbot moto- Flächen in den Spielbetrieb und für sonst not- risierter Sportarten sowie des Absetzens aus wendige Nebenflächen einbezogen werden Flugzeugen für den Sport außerhalb von Flug- und dass der Landschaftscharakter durch sie plätzen (Art. 15 und 16). nicht nachteilig verändert wird.« Als Standor- te sollen vorrangig intensiv landwirtschaftlich Das Bodenschutzprotokoll (von Deutschland genutzte Flächen ausgewählt werden. unterzeichnet am 16.10.1998) schreibt vor, dass Wichtige Ergänzungen liefert die Begründung nachteilige Auswirkungen von touristischen Akti- auch zu den Zielaussagen zu Skiliften und vitäten auf alpine Böden vermieden, und beein- Pisten. »Skilifte und Pisten sind in vielerlei trächtigte Böden stabilisiert werden sollen. Hinsicht ökologisch problematisch. Sie füh- Genehmigungen für den Bau und die Planierung ren zu einer Beunruhigung sonst ruhiger von Skipisten in Wäldern mit Schutzfunktion sol- Gebiete, die Rückzugsgebiete für viele Tierar- len nur in Ausnahmefällen, und in labilen Gebie- ten darstellen. Auch sind mit ihrer Errichtung ten nicht erteilt werden (Art. 14). regelmäßig Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden, die insbesondere in höheren Vielfältige Überschneidungen gibt es zwischen Lagen nur schwer auszugleichen sind. Die dem Tourismus- und dem Naturschutzprotokoll, Neuanlage solcher Anlagen, die nicht auszu- das in Kap. 2.7 näher beschrieben ist. Beispiels- gleichende Eingriffe in Natur und Landschaft weise sieht das Naturschutzprotokoll vor, dass darstellen, ist daher nicht wünschenswert. Schon- und Ruhezonen für wildlebende Tier- und Aufgrund der weitgehenden Erschließung Pflanzenarten vor anderen Interessen eingerichtet Bayerns durch solche Anlagen soll eine werden. Ergänzung solcher Anlagen nur noch dann zulässig sein, wenn dadurch insgesamt eine Landesentwicklungsprogramm Bayern ökologische Verbesserung erreicht wird.« Neben einer Reihe allgemeiner Zielaussagen zur • Der weitere Ausbau von Erholungseinrichtun- Sicherung der Erholungsfunktion enthält das Lan- gen soll sich auf qualitative Verbesserungen desentwicklungsprogramm (StMLU, 2003) folgende bestehender Einrichtungen beschränken. konkretisierte Vorgaben für die touristische und »Neue umweltbeeinträchtigende Erholungs- Freizeitnutzung in den bayerischen Alpen: nutzungen sollen vermieden, bestehende ver- Der Alpenplan im Landes- • Große Beherbergungsanlagen sollen nur mindert werden« (B III 1.2.6). entwicklungsprogramm noch dann gebaut werden, wenn durch sie Bayern enthält wichtige das Angebot an touristischen Einrichtungen Zentrales Instrument für die Steuerung der touris- raumordnerische Vorgaben im jeweiligen Gebieten allgemein verbessert tischen Nutzung ist der Alpenplan (B V 1.8.2.1). In für touristische Infrastruk- wird (B II 1.3.8.). Begründet wird dies mit den diesem werden die bayerischen Alpen in drei turmaßnahmen. möglichen negativen Auswirkungen auf die Zonen eingeteilt, in denen jeweils unterschiedli- vorhandene, vorwiegend mittelständisch che landesplanerische Vorgaben für überwiegend strukturierte Fremdenverkehrswirtschaft. touristisch genutzte Verkehrseinrichtungen, ins- • »Einrichtungen zur Erholung in der freien besondere für Bergbahnen und deren Nebenein- Natur sollen besonders dem Bedürfnis der richtungen, Ski-, Gras-Ski-, Rodel, und Sommer- Erholungssuchenden nach Ruhe Rechnung rutschbahnen, Flugplätze, öffentliche Straßen tragen und das Erleben von Natur und Land- sowie Privatstraßen und Privatwege mit Ausnah- schaft vermitteln. Bei der Schaffung solcher me von Wanderwegen getroffen werden: Einrichtungen, insbesondere von Golfplätzen, • In der Zone A sind Vorhaben grundsätzlich Wander-, Radwander-, Skiwanderwegen und unbedenklich, soweit durch sie keine Eingrif- Skiabfahrten, sollen die Belange von Natur- fe in den Wasserhaushalt oder Erosionen ent- schutz und Landschaftspflege besonders stehen können und die weitere land- und berücksichtigt werden. Mechanische Auf- forstwirtschaftliche Nutzung nicht gefährdet stiegshilfen, Skiabfahrten und Beschneiungs- wird. anlagen sollen nur noch dort errichtet wer- den, wo sie eine sinnvolle Ergänzung vorhan-

52 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Freizeit und Sport

• In der Zone B sind Vorhaben landesplanerisch welt- und Lebensqualität dauerhaft zu erhalten nur zulässig, wenn eine Einzelprüfung ergibt, oder zu verbessern. Aus Sicht des Bund Natur- dass sie den Erfordernissen der Raumord- schutz erscheint insbesondere die Stärkung von nung und Landesplanung nicht widerspre- Marktsegmenten mit öko-touristischer Ausrich- chen. tung und des Erhalts typischer Landschaften und • In der Zone C sind Vorhaben landesplanerisch vielfältiger Natur geeignet. Gut damit zu vereinba- unzulässig, ausgenommen davon sind sog. ren und als Ergänzung sinnvoll, sind insbesonde- notwendige landeskulturelle Maßnahmen. re die Bereiche Kultur sowie Gesundheit und Wellness. Im folgenden werden dazu weitere Die Zonen sind auf Übersichtskarten im Maßstab Anregungen gegeben. 1:100.000 eingetragen. Es umfassen: Zone A (Vorhaben grundsätzlich unbedenklich) 34% Zone B (Vorhaben nur nach Einzelfallprüfung zulässig) 23% 2.3.4.1 Stärkung von Marktsegmenten Zone C (Vorhaben unzulässig) 43% mit öko-touristischer (StMWVT, 2004 b). Grundausrichtung

Bergwaldbeschluss des Bayerischen Landtags 1984 hat der Bayerische Landtag den sog. Berg- waldbeschluss verabschiedet. Dieser sieht u.a. vor, dass grundsätzlich kein Bergwald mehr für neue Freizeiteinrichtungen und andere touristi- sche Infrastrukturmaßnahmen gerodet werden soll. Wie in Kap. 2.1.4 bereits aufgeführt, wird dieser Beschluss aber meistens nicht vollzogen. Zwischen 1984 und 1998 wurden 45 Anträge für Der Alltag wird Rodungen für Freizeiteinrichtungen und touristi- immer hektischer – sche Infrastrukturmaßnahmen im Bergwald viele Urlauber wollen im Urlaub genehmigt und nur 3 Anträge abgelehnt (BAYERI- vor allem entspan- SCHER LANDTAG, 1999). nen und die Seele

Foto: Wessely Foto: baumeln lassen.

2.3.4 Handlungs- Wandertourismus empfehlungen Wandern liegt im Trend. Etwa jeder zweite Deut- sche wandert in seiner Freizeit. Ähnlich hohe Wer- as Image von Reisezielen ist von zentraler te werden auch im benachbarten Ausland erreicht DBedeutung bei der Auswahl der Urlaubsre- und dies mit steigender Tendenz. Die Klientel der gion. Die deutschen Alpen werden v.a. mit Ber- Wanderer hat sich dabei in den letzten 10-20 Jah- gen, Seen, schöner Landschaft, Erholung, Gast- ren zu einem anspruchsvolleren Publikum gewan- freundlichkeit, Bergwandern/-steigen, Natur, delt, da die Wanderer immer mehr Reiseerfahrung guter Luft, Almen und Kühen verknüpft (SEITZ, ZWE- gesammelt haben und individualistischer gewor- RENZ, 2003). Einigen Touristikexperten erscheint die- den sind. Die deutschen Alpen sind zwar seit lan- ses naturbetonte Image nicht mehr zeitgemäß. gem die Wanderregion Nr. 1 in Deutschland, doch Sie forcieren Trendsportarten, setzen sich für den gibt es auch hier noch eine Reihe von Verbesse- Ausbau von Skigebieten ein, protegieren große rungsmöglichkeiten, die realisiert werden sollten, lärmintensive Events und Massenveranstaltun- damit der Wandertourismus seine hohe Bedeu- Wanderurlaub mit dem gen. Auch werden die treuesten Urlaubsgäste, die tung als prinzipiell umweltschonende Tourismus- Bund Naturschutz – meist älteren Stammurlauber, zumindest intern form behält. Der Reisekatalog der BN eher gering geschätzt. Damit verwässern die bay- Service GmbH kann unter erischen Alpengemeinden ihr Profil und riskieren, Der attraktive Wanderweg www.bund-reisen.de Gäste zu verlieren. Wanderer bevorzugen naturbelassene Erd- und abgerufen und unter Vielmehr sollten sich die Tourismusverantwort- Graswege, am liebsten in Form schmaler, gewun- Tel.: 09123/ 99957 10 lichen dafür einsetzen, das vorhandene eigene dener Pfade. Geschotterte und asphaltierte Wirt- bestellt werden. Profil in Richtung nachhaltige Entwicklung zu för- schaftswege stoßen bei den meisten Wanderern dern und zu stärken. Neue Ideen sollten angesto- auf wenig Gegenliebe. Straßen werden geradezu ßen werden, um auf die allgemeinen gesellschaft- als wanderfeindlich angesehen (DTV, 2003 b). In den lichen Veränderungen und Trends zu reagieren, deutschen Alpen schreitet der Wirtschaftswege- ohne jedoch von dem Ziel abzuweichen, die Um- bau immer weiter fort. Nicht wenige Tourismusge-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 53 Freizeit und Sport

meinden sind offenbar der Meinung, dass Wande- dert. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn rer gerne auf Wirtschaftswegen gehen und mar- mittelfristig in den deutschen Alpen im Rahmen kieren diese als Wanderwege. Da weniger orts- von ohnehin fällig werdenden Neubeschilderun- kundige Wanderer in der Regel Markierungen fol- gen und -markierungen Zug um Zug ein einheitli- gen, werden sie auf die häufig zum Wandern sehr ches und durchgängiges System aufgebaut wer- unattraktiven Wirtschaftswege gezwungen. den würde. Vorbild könnte hier die Schweiz sein: Asphaltierte Wege sind für Wanderer wegen der Als Orientierungshilfe gibt es im ganzen Land ein- harten prellenden Wirkung in geneigtem Gelände heitliche, gut lesbare Wegweiser mit Entfernungs- besonders unangenehm und auch gesundheitlich bzw. Gehzeitangaben. An wichtigen Ausgangs- bedenklich. Im Allgäu sind viele Wege zu Almen punkten stehen ergänzend schematische Über- geteert. Nicht selten werden auf diesen Teer- sichtskarten. An Wegegabelungen oder touris- wegen auch Wanderstrecken ausgewiesen. In tisch besonders bedeutsamen Punkten finden manchen Gebieten, z.B. am Nebelhorn, gibt es sich häufig auch Schilder mit dem jeweiligen sogar keinerlei Möglichkeit, einen anderen Weg Namen und der Geländehöhe. Die Beschilderung als die asphaltierte, extrem steile Straße zu be- ist sehr konsequent und leitet immer auch zu den nutzen – eine besondere Belastung für Fuß- und nächstliegenden Haltestellen öffentlicher Ver- Beingelenke. Um die Attraktivität der Alpen für kehrsmittel. das Wandern zu erhalten und zu steigern, sollten: 2004 wurde im Allgäu damit begonnen, die Wege • keine neuen Wirtschaftswege gebaut werden, sehr ähnlich dem Schweizer Modell auszuschil- • im Umfeld von Wirtschaftswegen vorhande- dern. Bis 2006 sollen mit dem neuen System rund ne, alte markierte Wege in Stand gehalten 4.500 km Wanderwege neu gekennzeichnet wer- werden, den (ALPIN, 2004). Die schrittweise Ausweitung auch • an Querungen zwischen Wirtschaftswegen auf die anderen Teile der deutschen Alpen er- und alten markierten Wegen, die alten Wege scheint sinnvoll. gut angebunden und gekennzeichnet werden. Weitwanderwege Ein gut gepflegtes und markiertes Wegenetz ist Weitwanderwege stoßen bei einem relativ klei- für eine hohe Attraktivität des Wanderns unab- nen, aber sehr aktiven Teil der Wanderer auf gro- dingbar. Deshalb ist es erforderlich, dass ausrei- ßes Interesse. Besonders die Alpenüberquerun- chend Mittel und Kapazitäten für die Instandhal- gen von Oberstdorf nach Meran und von München tung und Markierung von Wanderwegen zur Ver- nach Venedig werden – oft abschnittsweise auf fügung stehen. Da für eine Reihe von Alpenge- einige Urlaube verteilt – gerne begangen. 2003 meinden die Einnahmen aus dem Tourismus sehr sind mit 2 Routen des Via Alpina zwei neue Fern- bedeutsam sind und die hohe Qualität des Wan- wanderwege, die die bayerischen Alpen in ihrer derwegenetzes eine der zentralen Voraussetzun- ganzen Länge durchziehen, dazugekommen. Die gen für den Tourismus ist, sollten insbesondere in Via Alpina durchquert auf 5 verschiedenen Wegen den Gemeindehaushalten entsprechende Mittel den ganzen Alpenbogen von Monaco bis Triest. dauerhaft abrufbar sein. Sie nutzt dabei vorhandene Wege, ist also die Ver- bindung bestehender Wanderrouten unter einem Wegweisung einheitlichen Etikett. Die Routen führen bevorzugt Nicht ortskundige Wanderer haben in der Natur in naturnahe, touristisch bislang weniger stark ein ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis und wer- frequentierte Räume. Insbesondere in den stark den stark verunsichert, wenn sie aufgrund von Abwanderung gekennzeichneten Südalpen schlechter Markierungen vom geplanten Weg ab- hat die Via Alpina auch das Ziel, die Einkommens- kommen. Besonders unsicher fühlen sich dabei situation der Bevölkerung zu verbessern. Durch jüngere Menschen, die oft noch wenig Wander- die deutschen Alpen verlaufen 2 Routen mit erfahrung haben. Die beliebteste Art der Wegwei- 28 Etappen beim Weg durch den mittleren, und sung sind klassische Wegweiser. Gerne wird auch 14 Etappen beim Weg durch den südlichen Teil Wandermarkierungen und Wanderkarten gefolgt. (HÖFLER, STITZINGER, 2003). Dabei werden einige der Am liebsten werden alle drei Orientierungshilfen schönsten und naturkundlich reizvollsten Gebiete gleichzeitig genutzt. Topographische Karten kön- der deutschen Alpen durchquert. Die Via Alpina nen in der Regel nicht so detailliert gelesen wer- ist zwar mittlerweile ausgeschildert, aber vielfach den, dass sich die Wanderer vor Ort zuverlässig noch wenig bekannt. Um das Interesse in damit zurechtfinden (DTV, 2003 b). In den deutschen Deutschland zu stärken, sollte in den Tourismus- Alpen gibt es eine Fülle von Markierungen und informationen vor Ort und in den Medien auf die Wegweisungen verschiedener Institutionen. Via Alpina maßvoll, aber deutlich stärker als bis- Weniger wäre dabei oft mehr. Auch sind nicht alle her aufmerksam gemacht werden. Wege konsequent durchmarkiert oder beschil-

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deutschen Alpen gibt es aber bislang nur ein ein- ziges Hotel im Oberallgäuer Ort Balderschwang, das Mitglied bei den Europa-Wanderhotels ist (EUROPA-WANDERHOTELS, 2004).

Stärkung des Fahrradtourismus Fahrradtourismus boomt. 2003 machten 2,25 Mio. Deutsche Fahrradurlaub. Dies ent- spricht einer Zunahme von 12,5% gegenüber dem Vorjahr und geht fast vollständig auf Zunahmen von Fahrradreisen in Deutschland zurück. 78% der Fahrradurlaube waren Haupturlaubsreisen (DTV, 2003 a). Der Schwerpunkt des Fahrradtou- rismus in Deutschland liegt zur Zeit außerhalb

Foto: Wessely Foto: des eigentlichen Alpengebiets. Insbesondere die Im Internationalen Jahr der Berge 2002 wurde der Fernradwege entlang der Flüsse stoßen auf reges Weitwanderweg Via Alpina eröffnet. Interesse. Doch auch die Urlauber der Alpenge- meinden haben großes Interesse am Radfahren. Wandertouristische Ausstattung der Unterkünfte 21% der Urlauber im Allgäu gaben an, gerne Rad Obwohl es im Umfeld praktisch aller Tourismus- zu fahren. Damit lag das Radfahren noch vor dem gemeinden in den deutschen Alpen sehr attrakti- Wintersport mit 20%. Welch großes Interesse am ve Wanderziele gibt und fast alle Gäste wandern, Radtourismus auch in gebirgigen Gebieten mit bietet nur ein Teil der Gemeinden und Unterkünf- häufiger ungünstigen Wetterbedingungen be- te dazu auch Informationen an. Insbesondere bei steht, zeigt das Beispiel der Schweizer Aktion den preisgünstigeren Quartieren fehlen vielfach »Veloland Schweiz1«. Die gemeinnützige Stiftung aktuelle Wanderkarten und wissen die Gastgeber Veloland Schweiz erarbeitete für das ganze Land über öffentliche Verkehrsmittel oft kaum Bescheid. eine einheitliche Beschilderung, wies 9 überre- Weiterführende Informationen über die Natur im gionale und eine große Zahl regionaler Radwan- Umfeld gibt es nur ausnahmsweise. Viele Wande- derrouten aus, kooperiert mit der Schweizer Bahn rer erwarten dies aber. Mit geringem Aufwand lie- und den Bussen und einer großen Zahl von Veran- ßen sich viele Quartiere deutlich wanderfreund- staltern für fahrradfreundliche Angebote. 2002 licher gestalten. Professionell haben die Wander- wurden auf dem Veloland-Routennetz 200 Mio. hotels diese Lücke für das Publikum der 3- bis 4- Kilometer gefahren und 600.000 Übernachtungen Sterne-Hotels geschlossen. durch die Fahrradtouristen gebucht. Dabei wur- den ca. 240 Mio. Franken (= ca. 155 Mio. €) aus- 62 Hoteliers aus Österreich, Südtirol, der Schweiz gegeben, 54% davon bei Mehrtagesreisen. Nicht und aus Deutschland haben sich unter dem Label nur Schweizer sind auf den Velorouten unterwegs, »Europa-Wanderhotels« zusammengeschlossen. 25% der Radfahrer auf dem Netz der Schweiz Sie sind aufgrund ihrer Lage und der wander- stammten 2002 aus Deutschland (VELOLAND SCHWEIZ, freundlichen Erschließung ihres Umfeldes, ihrer 2003). Ausstattung, der Speisekarte und der Betriebsor- ganisation für den wandertouristischen Service In den letzten Jahren haben auch die Touristikzu- besonders attraktiv. Sie bieten: sammenschlüsse in den deutschen Alpen auf die • jede Woche geführte Bergtouren und Wande- enorm gewachsene Bedeutung des Fahrradtou- rungen von ausgebildeten Wander- oder rismus reagiert und versuchen verstärkt, attrakti- Bergführern, ve Angebote für Radfahrer zu konzipieren. Eine • kostenlosen Verleih von Wanderausrüstung, Vorreiterrolle hat dabei der Tourismusverband • Wanderkarten, Wegbeschreibungen, Natur- Chiemgau, der Radurlaub als Kernangebot auf der und Pflanzenführer an jeder Rezeption, Ebene der Euregio ausbaut. Auch die Landkreise • Shuttle-Service zu Bahnhöfen, Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach engagie- • Vital- und Wellness-Angebote wie Sauna, ren sich für die Steigerung des Radtourismus, hier Dampfbad oder Massage sowie insbesondere der Radfernwege. 2004 wurde der • regionale Küche u.a. mit Vollwertkost und Radfernweg mit dem etwas sperrigen Namen vegetarischen Spezialitäten. »via bavarica tyrolensis« von München über den Achensee nach Jenbach im Tiroler Inntal eröffnet. Wegen ihres professionellen Services und einer guten Vermarktung finden die Wanderhotels reges Interesse bei den Wandergästen. In den 1 Velo ist die schweizerdeutsche Bezeichnung für das Fahrrad.

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darüber hinaus nötig, den Fahrradtransport mit der Bahn bei der An- und Abreise zu verbessern und sicherzustellen, dass auch an Spitzentagen alle Radfahrer mitgenommen werden können. Durch die Umstellung von ICs, ECs und Interregios auf ICE-Züge wurde das Angebot für die Mitnah- me von Fahrrädern im Fernverkehr stark einge- schränkt. Vorbildlich sind dagegen die Angebote im Nahverkehr in den deutschen Alpen. In fast allen Zügen des Nahverkehrs ist die Fahrradmit- nahme außerhalb des Ballungsraums Münchens kostenlos möglich.

Foto: Wessely Foto: Professionalisierung und Ausbau der Ange- Das Interesse an Mountain- bote zu Naturerfahrung und -erlebnis bike- und Fahrradurlaub ist Andere Regionen der deutschen Alpen haben Vielfältige Natur und schöne Landschaft sind das rasant gestiegen. bezüglich der Förderung des Fahrradtourismus zentrale Kapital des Tourismus in den deutschen Nachholbedarf. Defizite bestehen z.B. im Allgäu. Alpen. Viele Urlauber haben großes Interesse dar- Bei einer Gästebefragung im Allgäu fanden nur an, Natur und Landschaft nicht nur anzusehen 27% der 1.600 Befragten die Angebote beim Rad- und zu genießen, sondern auch mehr darüber zu fahren »sehr gut«, deutlich weniger als beim erfahren. Nicht selten ist das Angebot in den Wandern mit 34% und beim Skifahren mit 40% deutschen Alpen dazu aber schlecht aufbereitet, (BAUER, 2001). Das liegt auch daran, dass es im All- z.T. auch dürftig. Vielfach gehen die Touristikex- gäu bislang kein Radwegekonzept und kein ein- perten nicht adäquat auf das große Interesse der heitlich beschildertes Radwegenetz gibt. Die tou- Urlauber an guten Angeboten zur Naturerfahrung ristischen Initiativen im Allgäu richten sich immer ein. Selbst die Berchtesgaden Tourismus GmbH, noch v.a. auf den Alpin-Skisport, obwohl nur ein die mit dem Nationalpark und dem attraktiven relativ kleiner Teil der Gäste alpin Ski fährt Natur-Programm der Nationalparkverwaltung (SPRINKART, 2002). über ein zugkräftiges Alleinstellungsmerkmal in den deutschen Alpen verfügt, hat wenig Wert- Die Tourismusverbände sollten sich noch weit schätzung für den Nationalpark mit seinen Ange- stärker als bisher für die Weiterentwicklung des boten. Wellness/Beauty und selbst dem Kon- Fahrradtourismus engagieren. In fast allen Al- gresswesen werden von der Tourismus GmbH in pentälern gibt es eine große Zahl geeigneter Rad- einem Geschäftsfelderportfolio ein höherer Sta- wege. Allein im Bayernnetz für Radler sind neben tus als dem Nationalpark zuerkannt (JOB et al., 2003). dem die ganzen bayerischen Alpen durchziehen- den Bodensee-Königsee-Radweg 11 weitere Fahr- Angebote zu Naturerfahrung und -erlebnis sind radwege enthalten (OBERSTE BAUBEHÖRDE, 2003). nach BAUMGARTNER (2002) insbesondere dann Kostenintensive Radwege-Neubauten sind in der erfolgreich, wenn sie möglichst viele folgender Regel deshalb nicht notwendig und kollidieren Voraussetzungen erfüllen: zudem auch häufig mit den Anforderungen des • Sie vermitteln Inhalte ohne Belehrung, Natur- und Umweltschutzes. machen Lust auf weiteres Erleben der betref- Defizite bestehen ferner auch bei der Vermark- fenden Region, tung und im Beherbergungswesen, denn Fahrrad- • Sie sprechen möglichst viele Sinne an und touristen erwarten, dass die Ausstattung auf erfüllen auch den Wunsch nach Bewegung, Fahrradtourismus ausgerichtet ist. Nötig sind z.B. • Sie sind glaubwürdig, entsprechende Aufbewahrungsräume für das • Sie bieten etwas, das man mitnehmen kann, Rad, Trockenmöglichkeiten für Kleidung und Aus- z.B. etwas, das man selbst hergestellt oder rüstung, Bereitstellung von Fahrradreparatur- gefunden hat. Sets, Informationsmaterial wie Radwanderkarten • Sie haben einen möglichst engen Bezug zum und -führer, Bahn- und Busfahrpläne, etc.. Viele jeweiligen Gebiet und seinen Bewohnern. Fahrradtouristen bleiben nur für eine Nacht. Gera- de in der Hochsaison vergeben viele Vermieter Außerdem muss die Information über die Existenz Unterkünfte immer noch nur für mehrere Nächte. des jeweiligen Angebots breit gestreut und für die Ein Ort oder eine Region, die attraktiv für Fahrrad- potenziell Interessierten leicht zugänglich sein. touristen sein will, muss sicherstellen, dass auch Bei vielen der aktuellen Informationsmöglichkei- in der Hochsaison Gäste nur für eine Nacht aufge- ten über Naturerlebnis und -erfahrung bestehen nommen werden. Bayern- und bundesweit ist es erhebliche Defizite in der Öffentlichkeitsarbeit.

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Nicht jedes Angebot passt dabei zu jedem Gast. zielle Fachinteressen wird dadurch kaum erreicht. Neben Basisangeboten für »jedermann«, sollte Eine gute Möglichkeit, dieser großen Gruppierung außerdem ein professionelles Naturerfahrungsan- Interessantes und Spannendes über die Natur vor gebot zielgruppenorientierte Möglichkeiten bie- Ort nahe zu bringen, sind Broschüren und Falt- ten. Wichtige Bausteine für ein vielfältiges Natur- blätter mit Wege- und Tourenbeschreibungen, in erfahrungs- und -erlebnisangebot sind: die naturkundliche Informationen eingebettet werden. Auch dazu gibt es einige gelungene Pro- Naturerlebnispfade jekte, die Vorbild für ähnliche weitere Angebote Während klassische Lehrpfade meist nur auf sein können, z.B. in Hindelang. wenig Interesse stoßen, da sie häufig mit Infor- mationen überfrachtet sind und dadurch viele Be- Bergwaldweg Bad Hindelang sucher überfordern, sind gut gestaltete Naturer- Die Wälder um Bad Hindelang im Oberallgäu wur- lebnispfade bei Alt wie Jung sehr beliebt. Bislang den durch die Sturmschäden in den 90er Jahren gibt es in den deutschen Alpen allerdings nur we- und nachfolgenden Borkenkäferbefall teilweise Vorbildlich verbindet der nige Naturerlebnispfade, einer befindet sich in massiv geschädigt. Die einst mit Bergwäldern Naturführer »Lebensraum der Nähe von Oberstaufen im westlichen Allgäu: bedeckten Hänge sind teils sehr stark verlichtet, Lechtal« Tipps für attrakti- mittlerweile wachsen durch Pflanzung und Natur- ve Wanderungen und Walderlebnispfad Hündle - Schwandalpe verjüngung neue Bergwälder heran. Um die Urlau- Radtouren mit Hinweisen Auf einem Rundkurs mit 22 Stationen und einer ber besser über die Situation des Bergwaldes um auf naturkundliche und Gehzeit von ca. 3 Stunden gibt der Weg auf an- Bad Hindelang zu informieren, wurde die Bro- landschaftshistorische sprechende, meist interaktive Art Informationen schüre »BergWaldWeg« entwickelt. 14 kurze Besonderheiten. zur örtlichen Geologie und zum Wald. Die Reso- Informationseinheiten beschreiben den großen nanz spricht für die Qualität des Wegs. Er ist von Kreislauf von Werden und Vergehen im Bergwald. Einheimischen und Gästen, vor allem aber auch Die Kapitel nehmen jeweils auf eine Station eines von Schulklassen sehr stark frequentiert (MARKTGE- ca. 2,5-stündigen Rundwegs Bezug. Der Weg ist MEINDE OBERSTAUFEN, 2004). gut ausgeschildert, die einzelnen Stationen kenntlich gemacht. Ganz bewusst wurde aber auf Weitere Naturerlebnispfade sind wünschenswert. die Anlage von Schautafeln etc. verzichtet. Alle Um eine zusätzliche Möblierung der Landschaft Informationen zu den Stationen erschließen sich zu vermeiden, sollten dafür bereits bestehende aus der Broschüre, die bei der Tourismusinforma- Lehrpfade mit klassisch-informierendem Informa- tion erhältlich ist (FISEL, 2002). tionsangebot oder auch Trimm-Pfade entspre- chend umgebaut werden. Damit ein Naturerleb- Ein ähnliches Konzept wurde im Rahmen des nispfad gut angenommen wird und Anregungen INTERREG II-Projekts »Natur und Kultur aktiv erle- für die weitere Beschäftigung mit den behandel- ben – zwischen Oberammergau und Reutte« zwi- ten Themen gibt, sollte darauf geachtet werden, schen 1998 und 2000 realisiert. Für verschiedene dass: Zielgruppen (Wanderer, Radfahrer, Kinder, Ju- • an mindestens 75 % der Einzelstationen die gendliche etc.) wurden 18 Faltblätter für jeweils Besucher aktiv einbezogen werden, einen Weg/ Route entwickelt. Neben der Wegbe- • möglichst alle Sinne angesprochen werden, schreibung enthalten die Faltblätter eine Fülle • der Bildungsaspekt nicht im Vordergrund von Hinweisen, was man auf und an diesen Rou- steht; vielmehr soll der Pfad v.a. dazu dienen, ten beobachten und erleben kann. Die Faltblätter die Neugierde der Besucher zu wecken, wurden auch an die Vermieter verteilt, so dass sie • die konkrete örtliche Situation dargestellt der Urlauber auf seinem Zimmer/ Ferienwohnung wird, im Idealfall vorfand. • die Zielgruppe klar definiert wird. (MEGERLE, 2004). Bislang sind solche Angebote nur sehr spärlich ausgearbeitet worden. Da sie beim Urlauber und Um einen großen Kreis Interessierter anzuspre- auch beim Tagesgast gut ankommen, sollten mög- chen, sollten die Erlebnispfade möglichst nahe lichst in allen Fremdenverkehrsgemeinden ent- bei besonders stark frequentierten Gebieten lie- sprechende Informationsblätter/-folder ausgear- gen. Eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Ver- beitet werden. Diese sind auch eine sehr preis- kehrsmitteln ist ebenfalls wünschenswert. günstige Möglichkeit, viele Urlauber auf das En- gagement der Gemeinde/Region für eine vielfälti- Broschüren und Faltblätter ge Natur und schöne Landschaft aufmerksam zu Allgemein gehaltene Broschüren und Faltblätter machen und ermöglichen so auch positive Rück- über Natur sprechen v.a. Fachleute an. Der breite kopplungseffekte. Wo Gutes für die Natur getan Kreis der naturinteressierten Urlauber ohne spe- wird, verbringt man gerne seinen Urlaub.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 57 Freizeit und Sport

Geführte Naturerlebnistouren dabei insbesondere didaktisches Wissen Zwar hat fast jede Alpengemeinde geführte Wan- wichtig. Große Bedeutung hat auch, ob der- derungen im Programm, doch nimmt nur ein klei- bzw. diejenige authentisch wirkt und Freude ner Teil der Urlauber daran teil. Die Ursachen am Umgang mit den Teilnehmern und mit der dafür sind vielfältig, z.B.: Natur vermittelt. Die Bayerische Akademie für • Fehlende Programmanreize Naturschutz und Landschaftspflege bietet «Geführte Bergwanderung: Beginn 9.00 Uhr, seit vielen Jahren Kurse zum geprüften Natur- Gehzeit 5 h, Treffpunkt: Verkehrsamt« – diese und Landschaftsführer an, bei denen die Teil- ziemlich nichts sagende Ankündigung für nehmer gezielt auf gute Führungen vorberei- eine geführte Bergwanderung, wie sie im tet werden. Die Absolventen sollten weit Sommerprogramm 2004 der Alpenregion mehr als bislang von den Tourismusorganisa- »Wendelstein« enthalten war, spricht nur tionen, aber auch Privatanbietern, Hotels, sehr wenige Urlauber an. Es fehlen zentrale etc. eingesetzt werden. Anreize: Neben dem Ziel und den Höhenme- • Massive Defizite bei der PR-Arbeit: tern, die zurückgelegt werden, sollte eine Ein- Wenn ein Angebot nicht gut bekannt ist, ist ladung für eine geführte Wanderung auch der potenzielle Teilnehmerkreis von vornehe- Lust auf Natur machen. Ein positives Gegen- rein massiv eingeschränkt. Da es bei der PR- beispiel ist hier das Programm des privaten Arbeit zu Naturexkursionen großen Nachhol- Anbieters Alpenvorland Natouristik. 18 Wan- und Ausweitungsbedarf gibt, wundert es derrouten, die nach einem festen zeitlichen nicht, dass viele Exkursionen nur spärlich Turnus den ganzen Sommer hindurch ange- besucht sind. Die meisten Urlauber und erst boten werden, sind im Sommerprogramm recht die Tagesgäste werden auf die entspre- beschrieben. Jede Tour ist mit wenigen Sät- chenden Angebote gar nicht aufmerksam. zen kenntnisreich kurz charakterisiert, so Um breitere Resonanz zu erhalten, ist eine dass der potenzielle Interessent gut abschät- wesentlich stärkere, optisch attraktive Be- zen kann, ob ihn das Gebotene anspricht. werbung vor Ort, aber auch in regionalen und Darin wird z.B. die Wanderung im Ettaler überregionalen Medien notwendig. Auch im Weidmoos – einem Naturschutzgebiet bei Internet sollten solche Angebot präsent sein, Oberammergau – wie folgt skizziert: »Quell- da das Internet mit großer Wahrscheinlichkeit Titel des Programmfolders von gebiet der Ammer – von Quelltöpfen und Eis- auch im Urlaub an Bedeutung gewinnen wird. Alpenvorland Natouristik. zeitrelikten – Im Stammbecken des ehemali- gen Ammergletschers liegt das Ettaler Weid- Ein positives Beispiel für gut gestaltete PR-Arbeit moos. Es wird von Regen und Grundwasser ist die Broschüre »Der Natur auf der Spur« des gespeist, das in faszinierenden Quelltöpfen Tourismusverbands Chiemgau: In einem attraktiv mit verspielt aufsteigenden Luftperlen an die gestalteten Folder sind 6 spannende Naturerleb- Oberfläche tritt. Hier vereint sich die Linder nisangebote, u.a. eine Wanderung zu einer Bio- mit diesen starken Quellen und trägt von nun Sennerei anregend beschrieben und attraktiv an den keltischen Namen Ammer. 100 Millio- bebildert. 2003 wurde die Broschüre erstmals nen Jahre alte Felsblöcke, fleischfressende aufgelegt. Wegen des hohen Zuspruchs wurde Pflanzen, Romantik einer scheinbar unbe- das Angebot 2004 fortgesetzt. rührten Landschaft – das ist Vielfalt, wie sie nur im Quellgebiet der Ammer anzutreffen ist«. (ALPENVORLAND NATOURISTIK, 2004). • Anmeldezwang Die meisten Urlauber entscheiden sich sehr kurzfristig für Aktivitäten und scheuen insbe- sondere Aufwand und Festlegung für Anmel- dungen und Buchungen. In vielen Alpenge- meinden besteht aber keine Möglichkeit, sich spontan für die Teilnahme an einer geführten Exkursion zu entscheiden. Vielfach ist eine Anmeldung erforderlich. • Mangelnde Eignung der Personen, die geführte Exkursionen leiten Über die Resonanz von geführten Wanderun-

gen entscheidet auch wesentlich die Eignung KG Tourismus Chiemsee Foto: der jeweiligen Person, die die Exkursion lei- »Ökologie & Kultur« – alles Käse oder was? Eine Wanderung zu tet. Neben guten fachlichen Kenntnissen ist Bergbauern aus dem Programm »Der Natur auf der Spur«

58 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Freizeit und Sport

Dieses Angebot zeigt auch, dass der Preis nicht Museen und Ausstellungen ausschlaggebend für die Teilnahme ist. Urlauber Fast jedes größere Dorf in den deutschen Alpen und Tagesgäste sind bereit, für eine attraktive hat ein Heimatmuseum oder ein anderes volks- Tour angemessene Preise zu bezahlen. So kostet kundlich-kulturgeschichtliches Museum. Anspre- z.B. 2004 die ca. 5-stündige Wanderung mit ei- chend gestaltete Museen oder Ausstellungen nem Biologen durch die Bergbauernregion inkl. über Natur gibt es dagegen nur wenige. Selbst für Eintritt in ein Museum und kleiner Verkostung in die meisten großen Naturschutzgebiete, z.B. die einer Sennerei für Erwachsene € 10,00. Ammergauer Alpen, das Karwendel oder die Öst- Ein weiteres gelungenes Beispiel ist die lichen Chiemgauer Alpen, etc., gibt es, abgesehen von einigen Lehrpfaden, keine speziellen Informa- Allgäu-Walser-Card tionsmöglichkeiten über die Natur. Lediglich der Für das Oberallgäu und das Kleinwalsertal gibt es Nationalpark Berchtesgaden verfügt derzeit mit eine kostenlose Touristen-Karte, die Allgäu-Wal- sieben Informationsstellen, davon 3 personell be- ser-Card, mit der viele Angebote günstiger oder setzt, über ein gutes Angebot, das mit dem ge- sogar kostenfrei genutzt werden können. Die planten Bau des »Haus der Berge« weiter verbes- Angebote sind in einer 50-seitigen Broschüre sert werden wird. Die Informationsstellen des übersichtlich beschrieben. Auf einer Doppelseite Nationalparks stoßen auf großes Interesse. Rund sind auch die geführten Wanderungen unter dem 85.000 Besucher informierten sich in den drei Motto »Erlebniswanderungen und mehr – Das All- personell betreuten Häusern, weitere Zehntau- gäu entdecken« aufgeführt (LANDKREIS OBERALLGÄU, sende in den personell nicht betreuten. Seit Jah- 2004). Da die Allgäu-Walser-Card eine sehr weite ren verzeichnet der Nationalpark wachsendes Verbreitung hat, werden viele Urlauber auch auf Interesse. Allein seit 1998 ist die Gesamtbesuch- das Angebot an geführten Wanderungen aufmerk- erzahl an den Informationsstellen um 40% gestie- sam. In Oberbayern wird zur Zeit ebenfalls eine gen (SCHIEBEL et a., 2004). Touristenkarte entwickelt. Dort sollten ebenfalls die geführten Wanderungen mit aufgenommen werden.

Neben einer Reihe von Angeboten mit vergleichs- Über 30.000 weise geringer Resonanz vor Ort, gibt es aber Besucher haben auch einige, die sich unter den Urlaubern wegen 2003 das National- ihrer besonderen Attraktivität schnell herumspre- parkhaus Berch- chen und sehr beliebt sind, z.B. die Themenange- tesgaden besucht. In den nächsten bot zum Steinadler. Jahren wird sich das Informations- Steinadlerführungen angebots in Berch- Der Landesbund für Vogelschutz u.a. bietet in ver- tesgaden mit dem Bau des Hauses schiedenen Teilen der deutschen Alpen spezielle der Berge weiter

Steinadlerführungen an, die auf großes Interesse Wessely Foto: verbessern. stoßen. So gibt es z.B. in der Nähe der beliebten autofreien Gaststätte Giebelhaus am Ende des Ostrachtals bei Bad Hindelang eine Beobachtungs- hütte, aus der man mit Fern- rohren auf den in großer Ent- fernung liegenden Horst sehen kann. Regelmäßig sind dort auch Adler im Flug zu sehen. In der Beobachtungs- hütte informieren einige Schautafeln sowie Präparate wie Steinadlerfedern über das Leben und die Gefährdung der Adler. Wegen der großen Ent- fernung zum Horstplatz, ist Die Führungen ins Reich eine Störung der Steinadler des Steinadlers ziehen viele

weitgehend auszuschließen. Wessely Foto: Interessierte an.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 59 Freizeit und Sport

Dass Naturmuseen und Ausstellungen für viele Pauschalen mit Natur-Schwerpunkt Alpenurlauber und -bewohner interessant sein Im Tourismus besteht zur Zeit ein reges Interesse können, beweist auch das Siegsdorfer Naturkun- an pauschalisierten Angeboten. In vielen Orten demuseum. wurden sog. Pauschalen entwickelt. Es handelt sich hierbei um Gesamt-Pakete, die neben Über- Siegsdorfer Naturkundemuseum nachtung und verschiedenen Varianten von Ver- Das Siegsdorfer Naturkundemuseum vermittelt pflegung weitere Angebot umfassen. Viele Pau- anschaulich und anregend Wissen über Geologie, schalen schließen Angebote aus den Bereichen Morphologie und die Eiszeiten. Jedes Jahr besu- Gesundheit/Wellness ein. Pauschalen mit dem chen rund 50.000 Personen das Museum. Immer Schwerpunkt »Natur entdecken« sind bislang wieder gibt es Sonderschauen, 2003 z.B. zum kaum entwickelt worden. In Gebieten, die einen Höhlenbären. Der relativ hohe Eintrittspreis besonders hohen Anteil an naturorientierten Gäs- (2004: Erwachsene € 5,00, Familien € 10,00) ist ten haben, sollten entsprechende Pauschalen er- der Anziehungskraft des Museums nicht abträg- arbeitet, klar positioniert und beworben werden. lich. Spezielle Kinderprogramme, z.B. ein Stein- zeit-Schnupperkurs, in dem man Werkzeuge aus Weiterer Ausbau und Diversifizierung von Feuersteinen herstellen, Feuer machen, Schmuck »Urlaub auf dem Bauernhof« und Amulette basteln kann, machen das Museum Urlaub auf dem Bauernhof liegt v.a. bei Familien auch für Kinder zu einem bleibenden Erlebnis. mit Kindern im Trend, rund 80% der Gäste haben Kinder. Die Angebote sind für viele Betriebe eine Um Urlauber wie auch Einheimische mehr über wichtige Einnahmequelle. 50% der bayerischen die Schatzkiste der Natur zu informieren und sie Anbieter erzielen aus »Urlaub auf dem Bauern- dafür zu interessieren, sollte in wenigstens jedem hof« mehr als 20.000 € pro Jahr (StMLF, 2002), 23% Landkreis ein Museum oder eine größere Ausstel- sogar ihr Haupteinkommen, d.h. mehr als 50% lung mit naturkundlichem Schwerpunkt realisiert des Gesamteinkommens (LFL, 2003). Trotz des ver- werden. Die Standorte sollten dabei möglichst gleichsweise hohen erreichten Niveaus bestehen zentral in den einzelnen Orten liegen, damit sie weitere Zuwachschancen. Ausbaufähige Zielgrup- auch ohne Auto zu erreichen sind. Ungeeignet pen sind insbesondere Senioren, Kindergruppen sind aus Sicht des Bund Naturschutz naturkundli- und auch Tagungsgäste, insbesondere mit Bezug che Informationsstellen an Bergbahnen, insbe- zur Landwirtschaft. Auch im Bereich »Wellness« sondere an Gipfelstationen, wie es bei der sog. gibt es weitere Möglichkeiten. Wellness zählt zum »Bergschau« im Oberallgäu der Fall ist. Dort wur- weltweiten Boomsegment im Tourismus. Die de an der Gipfelstation der Fellhornbahn mit gro- meisten Wellness-Hotels liegen in den oberen ßem Aufwand eine Ausstellung realisiert. Aus Preiskategorien, so dass sich Personen mit gerin- Sicht des Bund Naturschutz ist es inakzeptabel, gerem Einkommen diese häufig nicht leisten kön- dass ausgerechnet an einer Bergbahn, die durch nen. Gerade unter den Senioren gibt es viele, die riesige Planierarbeiten und über 52 ha künstlich gerne Wellness-Angebote nutzen würden, auf- beschneiten Flächen mitten in einem der wertvoll- grund der meist hohen Kosten davon aber abse- sten Naturgebiete der deutschen Alpen, gravie- hen. Durch die zu erwartenden weiteren Ein- rende Schäden an Natur und Landschaft hervor- schnitte der Gesundheitsreform sowie der staat- ruft, über Natur und Naturschutz informiert wird. lichen Leistungen allgemein, wird sich der Anteil der weniger Finanzkräftigen an den Wellness-In- Hobby-Kurse mit Naturbezug teressierten erhöhen. Damit wird auch die Nach- Bislang kaum genutztes Potenzial zur Vermittlung frage nach preisgünstigen Wellness-Angebote, von mehr Wissen über die Natur bieten auch Kur- wie sie auf dem Bauernhof grundsätzlich eher se und Weiterbildungen zu einigen Hobbys, die in angeboten werden können, steigen. Einzelne der Natur ausgeübt werden. Kurse in Natur-Foto- Bauernhöfe, insbesondere in Ostbayern sind in graphie finden von Jahr zu Jahr mehr Interessen- dieses Marktsegment bereits eingestiegen (z.B. ten. Dort wird zwar viel über Fototechnik ver- Rottaler Osteoporose-Programm, Kuren im Ober- mittelt, auf Naturkunde aber kaum eingegangen. pfälzer Sybillenbad). Die im Alpenraum liegenden Eine Kooperation zwischen den Anbietern aus der Anbieter und ggf. weitere Interessenten sollten Fotographie und Naturkundigen, wie z.B. den vermehrt auf diese neue Angebotsschiene auf- Natur- und Landschaftsführern, würde die Kurse merksam gemacht werden. bereichern. Ähnliches gilt für die Naturmalerei und andere Hobbys mit großem Naturbezug.

60 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Freizeit und Sport

Weiterentwicklung und Bewerbung der 2.3.4.2 Keine umweltunverträglichen Umweltdachmarke »Viabono – Reisen natür- Infrastrukturen und Angebote lich genießen« Seit März 2001 gibt es »Viabono«, die Umwelt- Aktuelle Gästebefragungen und Imageanalysen dachmarke für touristische Produkte in Deutsch- für die deutschen Alpen zeigen: Das große Plus land. Das Konzept von Viabono führt die bisher sind v.a. Berge, Seen, schöne Landschaft und Na- getrennt für die Reisebranche und für die Touris- tur. Gerade naturorientierte Urlauber reagieren ten entwickelten Auszeichnungen für besonders sehr empfindlich auf Landschaftszerstörungen. umweltfreundliche Angebote zusammen. Viabono Der Tourismus in den deutschen Alpen muss dau- enthält dabei nicht nur Angaben zu Hotels und erhaft naturverträglich gestaltet werden. Touristi- Gastronomiebetrieben, sondern es hebt auch das sche Vorhaben, die Landschaft und Natur verbau- Umweltengagement von Fremdenverkehrsorten, en, sägen den eigenen Ast ab. Deshalb dürfen Campingplätzen und Reiseveranstaltern hervor. schon allein damit der Tourismus in den deut- Das grundsätzlich sehr positive Konzept von Via- schen Alpen seinen wichtigen Beitrag zum Ein- bono krankt aber bislang an der geringen Be- kommen der Bevölkerung weiterhin leistet, keine kanntheit, die mit der geringen Zahl von Angebo- nicht-natur- und landschaftsverträglichen Bauvor- ten einhergeht. Im Sommer 2004 waren auf der haben gefördert, projektiert oder realisiert wer- website von Viabono für die ganzen deutschen den. Insbesondere bezieht sich dies im Bereich der Alpen nur 9 Gastgeber und 3 Fremdenverkehrs- Freizeiteinrichtungen und -veranstaltungen auf: orte eingetragen. Zudem erscheint die Eintragung • Seilbahnen, künstlich beschneite Flächen von Bad Hindelang und insbesondere Oberstdorf und Speicherteiche, als umweltfreundliche Tourismusgemeinden • Feriendörfer und Großhotels, angesichts der Aktivitäten beider Gemeinden bei • Golfplätze, der Förderung nicht natur- und umweltverträg- • Kfz-Verkehr auf für den öffentlichen Verkehr licher Tourismusformen, insbesondere dem Alpin- gesperrten Straßen, Skisport, sehr fragwürdig. Damit Viabono tatsäch- • Großveranstaltungen, insbesondere Motor- lich zu einem tragenden Portal für den Öko-Tou- sportveranstaltungen. rismus wird, muss es in vielfacher Hinsicht opti- miert werden. Dazu ist insbesondere notwendig: Seilbahnen, Lifte und künstlich beschneite Flächen • Die Zahl der Einträge insbesondere der Unter- künfte sollte in kürzester Zeit erheblich aus- geweitet werden. Als Hemmschuh erscheinen die derzeit relativ hohen Gebühren (z.B. für Ferienwohnungen: € 150,00 als Einmalge- bühr zzgl. Preis der Ferienwohnung für 5 Tage als Marketinggebühr/Jahr). • Der Bekanntheitsgrad sollte wesentlich erhöht werden. Derzeit ist viabono v.a. unter Naturzerstörung Touristikern bekannt, kaum beim Urlauber. mit Steuergeldern Um auch beim einzelnen Reisenden mehr – Ausbau des Aufmerksamkeit auf Viabono zu lenken, ist Skileistungs- zentrums eine breite und lang angelegte Werbekam- Götschen bei

pagne notwendig. Bislang setzt Viabono v.a. Wessely Foto: Berchtesgaden auf das Internet und die persönliche Weiter- empfehlung zufriedener Touristen. Dies reicht Um weiteren Landschaftszerstörungen durch Auf- keinesfalls aus, um den Marktanteil stiegshilfen Einhalt zu gebieten und den Rückbau besonders umweltfreundlicher Angebote von in Konkurs gehenden Aufstiegshilfen zu deutlich zu steigern. gewährleisten, ist insbesondere erforderlich: • Die Kriterien, insbesondere für Kommunen, • Keine weiteren neuen Seilbahnen, künstlich müssen überarbeitet und die sich daraus beschneite Flächen und Speicherteiche ergebende Bewertung von Ortskundigen Die deutschen Alpen sind bereits jetzt überer- überprüft werden. schlossen. Weitere Anlagen sind nicht vertret- bar. Um- und Erweiterungsbauten können nur dann zugelassen werden, wenn die alten Anlagen abgebaut werden und die Beförde- rungskapazität nicht erhöht wird. Für alle Maßnahmen sind Umweltverträglichkeitsprü- fungen erforderlich.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 61 Freizeit und Sport

• Keine Aufweichung von Genehmigungsstan- Hotels angelegt werden. Wie dringend dies ist, dards für künstliche Beschneiungsanlagen zeigen die Planungen zum Ausbau des Guts Kal- Seit 1993 sind die Anforderungen an die Ge- tenbrunn zu einem Luxushotel der Spitzenklasse. nehmigung von Beschneiungsanlagen durch eine Bekanntmachung des Umweltministeri- Hotel Kaltenbrunn ums geregelt (StMLU, 1993). 2004 wurden meh- Am Nordrand des Tegernsees steht auf einem an- rere Anträge von CSU-Politikern beschlossen, sonsten nicht bebauten Südhang mit freiem Blick die auf eine Aufweichung dieser Genehmi- über den See das Gut Kaltenbrunn, ein denkmal- gungsstandards zielen, u.a. im Umweltaus- geschützter Vierseithof, in dem sich eine Gast- schuss des Bayerischen Landkreistags, dem stätte, ein Veranstaltungsraum und Personalwoh- Wirtschafts- und dem Umweltausschuss im nungen befinden. Der Münchner Großunterneh- Bayerischen Landtag. mer Schörghuber hat mit seiner Arabella-Shera- Der Bund Naturschutz ist strikt gegen die Auf- ton-Gruppe das Anwesen gekauft und plant, es zu weichung der bislang gültigen Bekanntma- einem Luxus-Hotel der Spitzenkategorie umzu- chung zur künstlichen Beschneiung, da damit bauen. Neben Umbauten an den bestehenden Ge- das Wettrüsten mit immer mehr und immer bäuden ist der Anbau eines neuen 5-geschossi- größeren Beschneiungsanlagen weiter ange- gen Traktes mit 130 Zimmern vorgesehen. Das Ge- heizt würde. Die deutschen Skigebiete kön- lände des Bettentrakts war bis vor kurzem Land- nen den Wettbewerb mit anderen alpinen Ski- schaftsschutzgebiet. Für den geplanten Bau und destinationen schon allein wegen ihrer ver- seinen Umgriff wurden 2,6 ha aus dem Land- gleichsweise niedrigen durchschnittlichen schaftsschutzgebiet herausgenommen, eine Um- Höhenlage nie gewinnen. weltverträglichkeitsprüfung dazu erfolgte nicht. Die Planung, insbesondere der Betten-Trakt, greift in das attraktive gewachsene Ambiente aus denkmalgeschütztem Vierseithof, den umgeben- den Wiesen und Weiden, Baumreihen und einem der ökologisch wertvollsten Seeuferabschnitte radikal ein. Der Charme des Zusammenspiels von Naturlandschaft, bäuerlicher Kulturlandschaft und denkmalgeschützter Anlage wird durch das Projekt zerstört und der Bereich für die naturnahe Erholung entwertet. Trotzdem sprachen sich bei Die künstlich einer Bürgerabstimmung 2003 zwei Drittel der beschneite Fläche Wähler für den Bau aus. Damit ist zu befürchten, hat sich in den dass der Tegernsee, der bereits jetzt am stärksten deutschen Alpen seit 1992 fast verbaute Alpensee Deutschlands, weiter an

verzehnfacht. Baumeister Gesellschaft für ökologische Forschung/Oswald Foto: Attraktivität für eine naturorientierte Naherho- lung und Urlaub verliert. Feriendörfer und Großhotels Ein weiteres Negativbeispiel sorgt in Bad Hinde- Ansprechende Ortsbilder sind ein wichtiger Teil lang für viel Gesprächsstoff. des guten Image der Alpengemeinden. In den meisten deutschen Alpengemeinden passen sich Luxushotel in Bad Hindelang die Beherbergungsbetriebe relativ gut in das Bad Hindelang zählt zu den am stärksten vom Orts- und Landschaftsbild ein. Als Fremdkörper Tourismus abhängigen Gemeinden in den deut- wirken dagegen Großhotels, insbesondere dann, schen Alpen. 2002 gab es in dem rund 4.800 Ein- wenn sie sich in exponierter Lage befinden und wohner zählenden Dorf 6.943 Gästebetten, davon Feriendörfer, die meist abseits gewachsener Sied- 504 Betten in Hotels/ Hotel garnis. Die Gemeinde lungsstrukturen als isolierte Baukomplexe liegen. strebt zwei weitere Hotels à 200 Betten an (BAD Trotz allgemeiner Marktsättigung gibt es in einer HINDELANG, 2003). Damit würde die Bettenkapazität Reihe von Alpengemeinden Überlegungen und in der Kategorie fast verdoppelt. Die Übernach- Planungen für Großhotels, die aufgrund ihrer tungszahlen in Bad Hindelang haben sich in den Bauart und -größe mit dem jeweiligen, meist letzten Jahren wenig verändert. Rund 10 % der ländlich geprägten Charakter des Umfelds unver- Übernachtungen finden bislang in den Hotels/ einbar sind. Um den Ortscharakter und auch die Hotels garnis statt. Mit zwei neuen großen Häu- überwiegend mittelständische Struktur im Beher- sern würden die bestehenden Häuser in einen bergungsgewerbe zu erhalten, sollten zukünftig verschärften Konkurrenzkampf treten müssen. sehr strenge Maßstäbe an Größe, bauliche Ge- Diese massive Erhöhung der Bettenzahl steht staltung und landschaftliche Einbindung neuer auch im Widerspruch zum Bayerischen Landes-

62 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Freizeit und Sport entwicklungsprogramm, das vorgibt, dass große Kfz-Verkehr auf für den öffentlichen Verkehr Beherbergungsanlagen nur noch dann gebaut gesperrten Straßen werden sollen, wenn durch sie das Angebot an Im Zuge des Ausbaus von Liften, aber auch Forst- touristischen Einrichtungen im jeweiligen Gebie- straßen und Almwegen entsteht ein immer dichte- ten allgemein verbessert wird (B II 1.3.8.). Begründet res Netz aus Straßen, die mit dem PKW befahrbar wird dies mit den möglichen negativen Auswirkun- sind. Zwar sind diese Straßen in der Regel für den gen auf die vorhandene, vorwiegend mittelstän- öffentlichen Verkehr gesperrt, doch sind davon disch strukturierte Fremdenverkehrswirtschaft. Anlieger und sog. Nutzungsberechtigte ausge- nommen. Je nach Straße besteht damit eine Fahr- Um Fehlentwicklungen zu vermeiden, sollten erlaubnis für bis zu Hunderte von Autobesitzern, künftig alpenweit für größere Hotelanlagen, Cam- auch in Naturschutzgebieten und grundsätzlich pingplätze etc. Umweltverträglichkeitsprüfungen auch in Nationalparken. Dabei werden nicht nur nach strengen Bewertungskriterien und -maßstä- für die Nutzung zwingend nötige Fahrten unter- ben Pflicht werden. nommen, sondern auch Freizeitfahrten, nicht selten auch mit Gästen, Bekannten, etc.. Dazu Golfplätze kommt, dass auch Nicht-Berechtigte und Nicht- Nur ein sehr kleiner Teil der Touristen wie auch Anlieger die Straßen befahren. Es wird sehr selten der Tagesgäste und Einheimischen hat am Golf- kontrolliert, Schranken sind nur an wenigen Stra- spiel Interesse. Mit 13 Golfplätzen im Alpenraum ßen vorhanden. und Dutzenden weiterer Golfplätze im Alpenvor- Der zunehmende Autoverkehr auch abseits der land, ist eine sehr hohe Golfplatz-Dichte vorhan- für den öffentlichen Verkehr freigegebenen Stra- den. Trotzdem werden immer noch Planungen für ßen trägt zur Verlärmung und Beunruhigung in neue Golfplätze vorangetrieben. So wurde z.B. erheblichem Maße bei. Der Bund Naturschutz hält 2004 das Planungsverfahren für einen neuen deshalb neue Alm- und Forststraßen nicht nur Golfplatz bei Bad Reichenhall beantragt, obwohl wegen der baubedingten Eingriffe und der poten- im Fahrradius von ca. 1 Stunde bereits 25 Golf- ziellen Nutzungsintensivierung der neu erschlos- plätze (z.T. in Österreich) vorhanden sind. Das ge- senen Bereiche, sondern auch wegen der von den plante Golfplatzgelände liegt in einem Land- Straßen ausgehenden Belastungen für nicht ver- schaftsschutzgebiet und beherbergt vielfältige tretbar. Biotope. Auch im Landkreis Miesbach gibt es Plä- ne für weitere Golfplätze, obwohl dort bereits die Groß- und Motorsportveranstaltungen höchste Golfplatzdichte der deutschen Alpen be- Großveranstaltungen sind nur dann mit den Zie- steht. Beispielsweise ist in der Gemeinde Waakir- len eines natur- und umweltverträglichen Tou- chen um den Ort Piesenkam ein Golfplatz mit der rismus in Einklang zu bringen, wenn sie hohe enormen Fläche von 85 ha genehmigt, der das ökologische Standards erfüllen. Deshalb ist es bäuerlich geprägte Landschaftsbild des Orts radi- nötig, dass für alle Großveranstaltungen die Um- kal verändern wird und mit nicht ausgleichbaren weltwirkungen genau geprüft und nur die Veran- Eingriffen verbunden ist. staltungen genehmigt werden, die zu keinen gra- vierenden Umweltbelastungen führen. Um die Wie in Kap. 2.3.2 geschildert, sind mit Golfplätzen Umweltwirkungen beurteilen zu können, ist es gerade im Naturraum der Alpen gravierende erforderlich, dass die Genehmigungsunterlagen Eingriffe in Natur und Landschaft verbunden. die Veranstaltung umfassend beschreiben. Unbe- Deshalb sollten keine Genehmigungen für weitere dingt nötig ist auch die Beteiligung örtlicher Um- Golfplätze erteilt werden. weltgruppen und Nichtregierungsorganisationen an den Verfahren. Bislang werden die anerkann- ten Naturschutzverbände und andere Umwelt- gruppen vielfach nicht oder nur partiell über Pla- nungen informiert.

Für übergeordnete Veranstaltungen, wie z.B. die Skirennen der FIS, wurden allgemeine Umwelt- Richtlinien entwickelt, die grundsätzlich gute Steuerungsmöglichkeiten bieten. Allerdings haben diese vielfach nur empfehlenden Charak-

Foto: Wessely Foto: ter. Um Beeinträchtigungen von Natur und Land- Der Golfplatz Oberau liegt mitten im größten Feuchtbiotop- schaft gering zu halten, müssen diese Umwelt- komplex der deutschen Alpen. Er wird durch ein weit Richtlinien zwingend angewendet werden. verzweigtes Drainagesystem entwässert.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 63 Freizeit und Sport

Grundsätzlich nicht mit den Zielen eines sanften tionen, direkte Beteiligungen und Steuerermäßi- Alpentourismus in Einklang zu bringen, sind gungen. Fördergelder in großem Umfang fließen Motorsportveranstaltungen. Dazu sollten keiner- bislang auch vom Bundesinnenministerium, das lei Genehmigungen mehr erteilt werden und be- auch für den Sport zuständig ist, in Trainings- und reits im Vorfeld alle in Frage kommenden Veran- Wettkampfstrecken. stalter aufgefordert werden, auf Motorsportveran- staltungen in den deutschen Alpen zu verzichten. Der Verband Deutscher Seilbahnen betreibt für weitere Gelder Lobbying bei der Staatsregierung. Der Vorstandsvorsitzende des Verbands Deut- 2.3.4.3 Keine Subventionen und scher Seilbahnen, Wolfgang Bosch, äußerte in Förderungen für landschafts- einem Interview in der Zeitschrift Skimagazin. unverträgliche Infrastrukturen »Weil wir [gemeint sind die Seilbahnunterneh- und Angebote men] all diese Dinge [Ausbau von Liften und Ne- benanlagen] selbst finanzieren müssen, wird es Subventionen und Förderungen haben sehr gro- bei uns immer enger. Das ist der Grund, warum ßen Einfluss bei der Abwägung von Investoren wir im bayerischen Landtag sehr stark im politi- über Baumaßnahmen und andere Vorhaben. schen Lobbying tätig sind und dem bayerischen Grundsätzlich sollte bei der Aufstellung von Pro- Staat klar machen müssen, dass er Ja zum Win- grammen für Subventionen und Förderungen tersport sagen muss, wenn der Wintersport auf wesentlich stärker als bislang geprüft werden, ob Dauer überleben soll« (PFAFF, 2002). diese mit den Zielen des Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzes vereinbar sind. Aufgrund der Die Seilbahnen verweisen bei ihren Wünschen hohen Bedeutung einer vielfältigen Natur und und Forderungen an öffentliche Geldgeber gerne eines attraktiven Landschaftsbildes, ist insbeson- auf ihren Beitrag zur touristischen Wertschöp- dere in den deutschen Alpen eine starke ökologi- fung. Vergleichszahlen aus der Schweiz kommen sche Gewichtung bei dieser Prüfung erforderlich. allerdings zu dem Schluss, dass der Anteil von Bergbahnen an der direkten touristischen Wert- Absolut unvereinbar mit den Zielen eines natur- schöpfung nicht mehr als drei Prozent beträgt (DIE und umweltverträglichen Tourismus sind die GRÜNEN, 2003). aktuellen Forderungen aus Politik und Seilbahn- wirtschaft nach öffentlichen Mitteln für den Bau Um weitere Naturverluste zu vermeiden, ist es von Seilbahnen und künstliche Beschneiungs- deshalb notwendig, den Anforderungen der Seil- anlagen. bahnwirtschaft nach immer weiteren Zuschüssen und Förderungen der öffentlichen Hand auf allen Seilbahnen und Lifte Ebenen entgegenzutreten. Bereits jetzt ist die öffentliche Hand direkt oder über ihre Beteiligungen an den Sparkassen bei sehr vielen Liftgesellschaften mit günstigen Darlehen und Zuschüssen indirekt finanziell be- teiligt. So ist z.B. die Gemeinde Oberaudorf mit 1,35 Mio. € zu 49 % Teilhaber der 2002 neu er- richteten Liftanlagen am Hocheck (EFFERN, 2002). Die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen hat die von der Insolvenz bedrohte Bayerische Zug- spitzbahn AG 2002 fast ganz übernommen. Selbst für Kleinanlagen fließen öffentliche Gelder. So bezuschusste die Gemeinde Gmund am Tegern- see den Bau eines neuen Liftes samt Beschnei- ungsanlage an einem Hang am Alpenrand mit € 50.000 (PLITZ, 2002). Auch die Staatsregierung Wessely Foto: Bayerns unterstützt die Seilbahnwirtschaft erheb- Zwischenstation der Nebelhorn-Seilbahn bei Oberstdorf lich. Von 1990 bis 1998 wurden den Seilbahn- unternehmen über 7 Mio. € zinsgünstige Darle- Künstliche Beschneiungsanlagen hen und über € 3,5 Mio. Zuschüsse zur Verfügung Auch für künstliche Beschneiungsanlagen fordert gestellt. Die Fortführung im Rahmen der verfüg- der Verband der Deutschen Seilbahnen ein finan- baren Haushaltsmittel ist vorgesehen (StMWVT, zielles Engagement der öffentlichen Hand – mitt- 2002). Trotzdem fordert die deutsche Seilbahnwirt- lerweile mit ersten Erfolgen: Nach einem Be- schaft in Zeiten knapper Kassen weitere Subven- schluss des Wirtschaftsausschusses des Bayeri-

64 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Freizeit und Sport schen Landtags vom 24.6.2004 soll das bisher Perspektiven für den Wintertourismus ohne gültige Verbot der staatlichen Förderung von Be- Alpin-Skisport schneiungsanlagen aufgehoben werden (BAYERI- Die intensive skitouristische Erschließung, enge SCHER LANDTAG, 2004). Auch hier sollten keinesfalls Verzahnung lokaler Politik mit der Seilbahn- und bestehende Standards und Regelungen von der Tourismuswirtschaft und andere Faktoren haben Staatsregierung zurückgefahren und keine neuen den alpinen Skisport zur »heiligen Kuh« gemacht. Verpflichtungen und Zusagen eingegangen wer- Stellt man die Zukunft des alpinen Skisport in Fra- den. ge, wird man vielfach als Totengräber des Tou- Ferner ist es erforderlich, dass allen Liftgesell- rismus betrachtet. Dabei gibt es eine Reihe von schaften die Bildung von Rücklagen für den Rück- Gründen, weshalb es mehr denn je nötig ist, den bau vorgeschrieben wird. Mittlerweile sind in den alpinen Skisport gründlich zu analysieren und Alpen eine Reihe von Seilbahnunternehmen in Angebotsalternativen zu entwickeln: Konkurs gegangen, ohne dass die früheren Be- • Die Klimaerwärmung in den Alpen ist in den treiber Geld für den Rückbau zurückgestellt hat- letzten 100 Jahren mit einer Temperaturzunah- ten. Damit keine Landschaftsruinen entstehen, me von durchschnittlich 1°C fast doppelt so haben in einigen Fällen Vereine, Gemeinden und hoch ausgefallen als der globale Durchschnitt Stiftungen den Rückbau übernommen. So wurde (LATIF, 2004). Dies wirkt sich bereits jetzt sehr auf z.B. die zwischen 1995 und 1997 durchgeführte den Wintertourismus aus. Symbolhaft für die Renaturierung des ehemaligen Skigebiets am Dramatik der Entwicklung muten die »Ret- Gschwendner Horn bei Immenstadt (Landkreis tungsmaßnahmen« für den Zugspitzgletscher Oberallgäu) mit Kosten von DM 800.000 nicht auf immerhin über 2.700 m Seehöhe an. Nach durch den ehemaligen Betreiber, sondern durch Schneefällen im Sommer 2004 deckten Mitar- die öffentliche Hand und die Allianz-Umweltstif- beiter der Bayerischen Zugspitzbahn AG tung finanziert (GEMEINDENETZWERK ALLIANZ IN DEN ALPEN, 6.000 qm der Schneefelder mit speziellen 2001). Damit durch zukünftige Rückbauten keine Isoliermatten ab, um den Schnee vor Sonne Kosten für den Steuerzahler entstehen und gesi- und warmem Regen zu schützen (HOCH, 2004). chert ist, dass die gesamte Erschließung des • Nach einer 2003 vorgestellten umfangreichen Prognosen sagen voraus, jeweiligen Liftes abgebaut wird, sollten zwischen Studie der UN wird die Schneegrenze in dass die Schneefallgrenze den kommunalen Verwaltungen und den Betrei- Österreich in den nächsten 30 – 50 Jahren um durch die Klimaerwärmung bern entsprechende Vereinbarungen getroffen bis zu 300 Meter ansteigen. So könnte das um bis zu 300 Höhenmeter werden. nur 760 m hoch gelegene Kitzbühel in Tirol ansteigen wird. Alpin-Ski- eines der prominentesten Opfer des Klima- sport wäre dann in der wandels werden. Neben Österreich wäre auch Mehrzahl der Skigebiete 2.3.4.4 Stärkere Entwicklung von Bayern massiv betroffen, da die meisten Ski- der deutschen Alpen nicht Angebotsalternativen für pisten nur in mittlere Höhen reichen. Selbst mehr oder nur noch in den Schlechtwetter sowie Winter- in der Schweiz könnten bei ungünstiger Ent- oberen Teilen möglich. tourismus ohne Alpin-Ski wicklung nur noch 44% der Skigebiete als schneesicher gelten. Folgt man der UN-Stu- Ein verregneter Sommerurlaubstag, Winterurlaub die, dann werden auch Schneekanonen – ohne Schnee bedeuten nicht zwangsläufig, dass ganz unabhängig von ihren massiven Beein- Urlauber und Ausflügler unzufrieden sein müs- trächtigungen von Natur und Landschaft – sen. Vielmehr gibt es eine Reihe von Möglichkei- keine Rettung bringen. Denn die Herstellung ten, für Schlechtwetter im Sommer und mangeln- von Kunstschnee wird bei fortschreitender den Schnee im Winter attraktive Alternativen an- Klimaerwärmung so gut wie unmöglich zubieten. Vielfach werden diese Alternativen je- (SCHNEIDER, 2004 b). Aber auch Kostengründe doch nicht einladend präsentiert und haben oft limitieren den Einsatz von Schneekanonen. den Charakter eines »Ersatzprogramms«. Not- Die Fellhornbahn, größter Betreiber von Anla- wendig sind kreative Angebote und offensive gen zur künstlichen Beschneiung in den deut- Werbestrategien, um das Interesse und die Nach- schen Alpen mit einer beschneiten Fläche von frage der Gäste zu wecken. Die in einer Reihe von über 52 ha, gibt an, dass pro Kubikmeter er- Gemeinden bereits vorhandenen Angebote zei- zeugtem Schnee Kosten zwischen 3 und 4 € gen, dass der Tourismus gerade in den deutschen anzusetzen sind (FELLHORNBAHN, 2003). Pro 100 m Alpen weit weniger abhängig von Sonne und beschneiter Piste rechnet die Fellhornbahn Schnee ist, als vielfach angenommen wird. mit Kosten zwischen 60.000 und 75.000 €.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 65 Freizeit und Sport

• Bundesweit ist die Zahl der Alpin-Skifahrer nicht Abfahrtsski. Doch nur wenige Alpengemein- rückläufig. Zwischen 1986 und 1999 ging die den profilieren sich bislang gezielt als Ziele für Skiläuferzahl in Westdeutschland von 16,1% den Nicht-Alpin-Skifahrer. Häufig werden die der Bevölkerung auf 13,3% zurück. Zwar gab Alternativen zum alpinen Skisport nur nachrangig es in Ostdeutschland zwischen 1990 und 1999 beworben, insbesondere im Allgäu. einen leichten Anstieg von 5,1 auf 7,2% der Dabei gibt es in einer Reihe v.a. kleinerer Winter- Bevölkerung. Da die Bewohner der neuen sportorten bereits sehr ansprechende Alternativ- Bundesländer aber nur 17,2% der Gesamt- angebote. Dazu gehören gut präparierte Loipen bevölkerung ausmachen, ist die Skiläuferzahl aller Schwierigkeitsgrade, Rodelbahnen, Schlit- insgesamt rückläufig (SPEER, 2000). Auch auf- tenhunderennen, Pferdekutschfahrten, geführte grund des Altersaufbaus der Bevölkerung Winterwanderungen, Schneeschuhtouren, Schau- wird der Anteil an Alpin-Skifahrern weiter Wildfütterungen, Montgolfiaden, Wellnessange- abnehmen. bote und vieles andere mehr. • Viele Seilbahnunternehmen sind massiv ver- schuldet. Es wird vermutlich in absehbarer Zeit zu einer Reihe vollständiger oder zeitwei- liger Betriebseinstellungen kommen. So ist z.B. der Betrieb der Skilifte am Wank bei Gar- misch-Partenkirchen eingestellt worden. Auch die Rauschbergbahn in Ruhpolding (Landkreis Traunstein) hat den Skibetrieb beendet. Die Stilllegung der insolvent gewor- denen Hauptlifte des Spitzingseegebietes (Taubensteinbahn und Stümpflinglifte) konn- te nur durch die Intervention der Kreisspar- kasse Miesbach zusammen mit der Firmen-

gruppe Schörghuber verhindert werden. Sport-Foto: und Gästeamt Rettenberg • Mit dem zurückgehenden verfügbaren Ein- Pferdeschlittenfahrten bieten gemütlichen Wintergenuss. kommen vieler privater Haushalte ist damit zu rechnen, dass auch der Alpin-Skisport Sehr beliebt sind Winterwanderungen auf geräum- nicht mehr in der bisherigen Intensität ausge- ten Wegen. Auch diesen Trend greifen die Fremden- übt werden und es zu rückläufigen Gästezah- verkehrsorganisationen bislang eher abwartend Ein attraktives, von der len kommen wird. auf. Nur einige wenige Gemeinden, z.B. Berchtes- Schneelage unabhängiges gaden haben das große Potenzial eines attrakti- Angebot an Erlebnis- und Es wird deshalb empfohlen, dass sich die Winter- ven Winterwanderwegenetzes bislang erkannt. Entspannungsmöglichkei- sportorte intensiv mit Alternativangeboten befas- ten, wird mit zunehmender sen, insbesondere mit solchen, die schneeunab- In der Schweiz wird das Winterwandern schon Klimaerwärmung für die hängig sind. Die Chancen, dass gut konzipierte seit Jahren gefördert und beworben. Selbst die hohe touristische Nachfra- und offensiv beworbene alternative Angebote von klassischen Skistationen sind dazu übergegan- ge in der Wintersaison einem breiten Urlauberkreis gut angenommen gen, sich nicht mehr nur als Sport- und Spaßoase, erheblich an Bedeutung werden, sind in den deutschen Alpen weitaus sondern auch als Urlaubsort für Winterwanderer gewinnen. besser, als in Salzburg, Tirol, Südtirol oder den zu präsentieren. So werden z.B. allein im Berner Um diese Möglichkeiten französischen Alpen, denn der typische »Winter- Oberland rund 800 Kilometer Winterwanderwege bekannter zu machen, ver- urlauber« in den deutschen Alpen ist nicht der geräumt und bezeichnet. Auf große Nachfrage anstaltet der BN Seminare. klassische Alpin-Skifahrer sondern legt Wert auf stoßen in der Schweiz Winterwanderwege in Abwechslung und vielfältige Angebote aus Sport, Höhenlagen, meist in Anbindung an Bergbahnen. Naturerlebnis, Gastronomie, Kultur und Sehens- Im Unterengadiner Ort Schuls spurte man 2002 würdigkeiten. Das Alpin-Skifahren hat für den erstmals einen Winterwanderweg bei der Bergsta- Winterurlaub in den deutschen Alpen bei weitem tion, der sich schnell zum Publikumsmagneten nicht den Stellenwert wie in den Groß-Skidestina- entwickelte, ganz im Gegensatz zum trendigen tionen Österreichs, der Schweiz und Frankreichs. Snowbike-Angebot, in das die Bergbahn viel Geld Die wenigsten Alpin-Skifahrer fahren täglich Ab- investiert hat, das aber nur auf wenig Interesse fahrtsski. Vielmehr wechseln die meisten zwi- stieß. 2003 präparierte man eine zweite längere schen Piste, Loipe und Winterwanderungen, be- Route, die bis ins Tal führt. Die Urlauber sind be- sichtigen sehenswerte Dörfer, Schlösser, Kirchen geistert: Das Panorama ist traumhaft, man läuft und Museen, gehen zum Rodeln oder fahren mit hoch über dem Tal auf dem Sonnenhang, abseits einer Kutsche. Ein großer Teil der Winterurlauber vom Liftbetrieb in einer ursprünglichen Bergland- in den deutschen Alpen fährt sogar überhaupt schaft (FITZTHUM, 2003).

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renz in anderen Alpenstaaten, dies auch zu bewerben. Eine Gästebefragung in der EuRegio Salzburg-Berchtesgadener Land-Traunstein ergab, dass 25% der Gäste mangelhafte oder feh- lende Schlechtwetterprogramme bemängelten (StMLF, 2003 b). Nur zaghaft wagen sich einzelne Tou- rismusverbände an die Konzeption von Alternati-

Foto: Wessely Foto: ven. 2003 hat der Tölzer-Land-Tourismus erstmals Winterwandern auf geräumten Wegen, abseits von Verkehrs- eine Broschüre mit dem Motto »Was tun, wenn lärm und Hektik, wird immer beliebter. die Sonne mal nicht lacht?« herausgegeben, die Alternativangebote komprimiert darstellt. Gute Auch für Naturexkursionen im Winter gibt es bis- Ansätze gibt es auch von der Anbietergemein- lang viel zu wenige Angebote in den deutschen schaft »Urlaub auf dem Bauernhof«. Infomappen Alpen. Das Beispiel der Nationalparkverwaltung weisen Bäuerinnen und Bauern auf Ideen für Berchtesgaden, die seit 1999 auch ein Winterpro- Schlechtwettertage hin, z.B. Schnitzen von Kür- gramm anbietet, zeigt das große Interesse daran. bissen, Herstellen von Kräuterprodukten, Gestal- tung von Naturbildern oder ein Stalldiplom für Gerade angesichts dieses vielfältigen touristi- Kinder (StMLF, 2003 b). schen Profils ist es nicht nachzuvollziehen, wes- halb die Bewerbung für die Wintersaison sowohl Im österreichischen Salzkammergut, das für seine von den einzelnen Fremdenverkehrsämtern, als Dauerregen berühmt-berüchtigt ist, ging man das auch insbesondere von den touristischen Zusam- Dilemma der Regentage schon vor Jahren offensi- menschlüssen immer noch v.a. auf den Alpin-Ski- ver an. Das vom österreichische Tourismusver- sport setzt und das Bayerische Wirtschaftsminis- band Ausseerland-Salzkammergut entwickelte terium die Seilbahnbetreiber in ihren Forderun- Konzept »Von piano bis forte« bietet eine Fülle gen nach einer stärkeren Mitfinanzierung durch wetterunabhängiger attraktiver Möglichkeiten. die öffentliche Hand nicht klar zurückweist. Insbe- Es wurde ein Themenprospekt mit auch oder sondere in Schwaben rangiert der Abfahrtsski- gerade im Regen idyllischen Orten erstellt, viele sport in der Tourismuswerbung und bei den poli- Orte bieten ein eigenes »Regenbogen-Programm« tisch Verantwortlichen immer noch ganz oben. an, die Gastgeber beteiligen sich mit interessan- Statt weiter den Alpin-Skisport zu favorisieren, ist ten Ideen, mit einer Internet-Börse lassen sich für die naturverträgliche Gestaltung des Winter- Partner für Sport und Spiel leichter finden. Und tourismus erforderlich, wer trotzdem draußen wandern will, bekommt • weit mehr als bisher Alternativangebote zum Regenstiefel, Schirme, Kappen und Regenumhän- Alpin-Skifahren zu entwickeln, ge geschenkt (FM-ONLINE, 2004). • in der touristischen Werbung stärker auf die vielfältigen Möglichkeiten des Urlaubserleb- nisses ohne Alpinski hinzuweisen, 2.3.4.5 Ausbau von Kulturangeboten • den Austausch zwischen Wintersportorten mit Alternativ-Angeboten zum Abfahrtsski zu Zwar sind Natur, Seen und Berglandschaft Haupt- fördern und anziehungspunkte für einen Alpenurlaub in Bay- • neue, fantasievolle, natur- und umweltver- ern, doch schätzen viele Urlauber kulturelle Ange- trägliche Angebotsformen zu unterstützen, bote als Ergänzung hoch ein. Allerdings ent- z.B. in Form eines Ideenwettbewerbs. spricht das Angebot vielfach nicht den Anforde- rungen der Touristen. Die Zufriedenheit mit kultu- Schlechtwetterangebote für die Sommersaison rellen Veranstaltungen ist wenig ausgeprägt und Auch für die Sommersaison ist insbesondere für rangierte in der Zufriedenheitsskala an vorletzter Regentage Kreativität gefragt, um die Urlaubs- von 16 Stellen (SEITZ, ZWERENZ, 2003). Das größte und Erholungserwartungen der Gäste befriedigen Interesse besteht dabei an Konzerten und Thea- zu können. Die Ausgangslage für die deutschen teraufführungen, insbesondere dann, wenn sie Alpengemeinden ist dabei ausgesprochen gut. einen gewachsenen Bezug zur Region aufweisen. Großstädte wie München, Innsbruck und Salzburg Einzelne Beispiele zeigen, dass das Kulturange- und lebendige Kleinstädte mit ihrem vielfältigen bot enorm aufgewertet werden kann. Eine Son- Angebot sind leicht erreichbar. Auch gibt es eine derstellung haben dabei sicherlich die alle 10 Jah- große Zahl von Besichtigungsmöglichkeiten vor re stattfindenden Oberammergauer Passions- Ort, wie Museen, Ausstellungen, Schlösser etc.. spiele mit ihrer langen Tradition, die in der letzten Dennoch tun sich die bayerischen Tourismusorga- Spielzeit im Jahr 2000 eine halbe Million Besu- nisationen offensichtlich schwerer als die Konkur- cher anlockten. Aber auch andere Kulturangebote

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 67 Freizeit und Sport

stoßen auf reges Interesse. Im Oberammergauer Für viele Besucher ist auch die Verknüpfung von Theater werden außerhalb der Passionsspieljahre Landschaft und Geschichte vor Ort besonders Opern aufgeführt. Garmisch-Partenkirchen profi- reizvoll. Themenwanderungen, wie etwa der his- liert sich zunehmend auch mit hochwertigen Kul- torische Schmugglerweg bei Schleching im Land- turangeboten. 2003 wurde erfolgreich erstmals in kreis Traunstein und die Salinenwege im Chiem- Garmisch-Partenkirchen ein Kultursommer mit gau und Berchtesgadener Land werden sehr gut einem großen Programm durchgeführt. 2004 fand angenommen. Auch in anderen Teilen der deut- der 2. Kultursommer statt mit einem vielfältigen schen Alpen gibt es viele Ansatzpunkte, hier ver- Programm, das Klassik-Veranstaltungen, wie die mehrt interessante Angebote zu schaffen. Richard-Strauß-Tage, Musicals, Kabarettveran- staltungen, Lesungen, Konzerte und viele weitere In den letzten Jahren ist das Interesse an Ge- Angebote umfasst. Sehr erfolgreich war auch das schichte deutlich gestiegen. Bislang reagieren die 2003 eingeführte Bergfilm-Festival in Tegernsee, Fremdenverkehrsgemeinden darauf v.a. mit einer das deshalb 2004 zum zweiten Mal ausgerichtet Zunahme an festlichen Umzügen, historischen wurde. In einer eher besucherschwachen Zeit, in Handwerkermärkten und Museen. Dezentrale, der 2. Oktoberhälfte, trägt das Bergfilm-Festival lebensnahe Konzepte und Mitmach-Angebote zu einer besseren Auslastung der Übernachtungs- gibt es bislang erst vereinzelt. Ein Beispiel ist die quartiere bei. Initiative »Bauernland und Bauersleut« im Chiem- gau. Somit erscheinen insbesondere zeitlich befristete Kulturangebote als Ergänzung zu den vorwiegend Bauernland und Bauersleut im Chiemgau landschaftsbezogenen Freizeitaktivitäten sinnvoll. Eine Gruppe von Bauern und Bäuerinnen bietet Über 3.000 Besucher seit 2004 auf sechs Rundgängen und einer Wan- kamen 2003 zum 1. Inter- Neben den klassischen Kulturangeboten, bei derung Einblicke in das Leben von gestern und nationalen Bergfilmfestival denen der Besucher als Zuschauer und Zuhörer heute auf den Höfen, in den Wäldern, Almen und in Tegernsee. dabei ist, sind bei Bergurlauber Kulturerlebnisse, auf den Weilern. Unter Titeln wie »Kleinhäusler – bei denen sie selbst aktiv mitwirken können, der tägliche Kampf ums Überlegen« oder »Mehl- gefragt. Dies betrifft weniger die Hochkultur der mus zum Leben – Marterl zum Sterben« wird in Konzerte, Lesungen, Theateraufführungen, etc., den zweistündigen Rundgängen Einblick in das als vielmehr die Volkskultur in ihrer jeweiligen Alltagsleben vermittelt. Eine halbtägige Wande- regionalen Ausprägung. Die gewachsene Kultur rung führt zu den vielfach unbekannten Schatten- vor Ort als Gast ein Stück selbst mitgestalten seiten der Berge, zu Schauplätzen von Kriegsge- oder aktiv nachvollziehen zu können, kann sehr fangenschaft und Zwangsarbeit und zur ehemali- spannend sein. Beispiele dafür ist das eigene gen Gefangenenalm der Justizvollzugsanstalt Ber- Herstellen von Käse. nau (BAUERNLAND UND BAUERSLEUT, 2004).

Gerade in Zusammenarbeit mit Angeboten, die bereits geschichtliche Aspekte vermitteln, wie dem Allgäuer Bergbauernmuseum in Diepholz/ Immenstadt oder dem Freilichtmuseum auf der Glentleiten/ Schlehdorf eröffnen sich hier neue natur- und umweltverträgliche Angebote. Foto: Erlebnissennerei Sonntag-Boden Erlebnissennerei Foto: Eine Attraktion im Biosphärenpark Großes Walsertal im öster- reichischen Vorarlberg ist die Erlebnissennerei, in der Gäste unter fachkundiger Anleitung ihren eigenen Käse herstellen.

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2.3.5 Quellennachweis

ADAC, 2004: Campingführer ALPENVORLAND NATOURISTIK, 2004: Naturkundliche und landschaftsgeschichtliche Exkursionen im Pfaffenwinkel und Werdenfelser Land, April bis Oktober 2004, Folder ALPIN, 2004: Neue Schilder, Ausgabe Nr. 8, S. 8 AUTONOME PROVINZ BOZEN, 2003: Fremdenverkehr in einigen Alpengebieten 2001, Information Nr. 19/ 2002 des Landesinstituts für Statistik AZ, 2001: Ein Bayern-Atlas nur für Radler - Meldung der Münchner Abendzeitung (AZ) vom 18.3.2002 BAD HINDELANG, 2003: Tourismusbericht 2002/ 2003 BÄTZING, W. 2002: Der Stellenwert des Tourismus in den Alpen und seine Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung des Alpenraumes in: LUGER/ REST, 2002: Der Alpentourismus, S. 175-196 BAUER, A., 2001: Gästebefragung Euregio via salina - Studie zu Struktur der Übernachtungsgäste, ihrer Verhaltensweisen und Bewertungen in den Allgäuer und Österreichischen Gebieten der Euregio via salina, unveröff. 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Auskunft, 4.10.2004 DTV, 2003 a: Tourismus in Deutschland 2003: Zahlen – Daten – Fakten DTV, 2003 b: Wanderbares Deutschland - Qualitätsoffensive Wandern EFFERN, H., 2002: Neues Ski-Dorado am Wendelstein, SZ vom 17.10.2002 EUROPA-WANDERHOTELS, 2004: website www.europa-wanderhotels.com FELLHORNBAHN, 2003: Pisten-Beschneiung »Künstliches oder besser technisches Beschneien – Möglichkeiten und Grenzen«, unter www.fellhorn.de/Home/winter_pistenbeschneiung.html FISEL, A., 2002: ...so lasst uns denn ein Buchenbäumen pflanzen ! - Umweltbildung in den Hindelanger Bergwäldern in: Grenzgänge – Dokumentation des Seminars »Umweltbildung und Ökotourismus« des Forums Umweltbildung in St. Gerold und Hindelang im Oktober 2001, S. 92-94 FITZTHUM, G., 2003: Erste Schritte auf dem Rückweg zur Besinnlichkeit – In der Schweiz tut man mehr denn je für Winterwanderer – und vielleicht doch nicht genug; Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 23.1.2003. 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Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 69 Freizeit und Sport

SEITZ, E., ZWERENZ, K, 2003: Imageanalyse Tourismusregion Oberbayern; Projekt im Auftrag der IHK München- Oberbayern, der Tourismusverbands München-Oberbayern e.V. und des Bayerischen Hotel- und Gaststätten- verbands, unveröff. SMERAL, E. 2000: Wirtschaftliche Rolle des Tourismus in den Alpen - Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbs position in: CIPRA-Tagungsband »Alpentourismus« zur Jahresfachtagung vom 12.-14.2000 in Trient, S. 49-60 SPEER, F., 2000: Erschließungs- und Rückbauprojekte in den Bayerischen Alpen, Vortrag bei der DAV-Naturschutzreferenten-Tagung 2000 SPRINKART, A., 2001: Tourismus in Bayern - Chancen und Perspektiven in: Schöner Urlaub in starken Regionen, Anhörung Die Grünen im Bayerischen Landtag am 12.9.2002, S. 9-12 STATISTIK AUSTRIA, 2002: Tourismuskennzahlen 2001 unter http://wko.at/statistik/bundesland/bl54-pdf StMLF, 2003 a: Die Landwirtschaft in Schwaben, pdf-Dokument unter www.stmlf.bayern.de StMLF, 2003 b: Das Landtourismus-Angebot- Dokumentation des Kongresses »Urlaub auf dem Bauernhof« am 5./ 6.2003 in Aschau StMLF, 2002: Agrarbericht des Bayerischen Ministeriums für Landwirtschaft und Forsten unter www.stmlf.bayern.de StMLU, 2003: Landesentwicklungsprogramm Bayern StMLU, 2002: Kein Wettrüsten mit Schneekanonen, Pressemitteilung vom 4.12.2002 StMLU, 1993: Grundsätze für die Genehmigung von Beschneiungsanlagen; Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen vom 18.10.1993, Nr. W 12-4502.1-001/91 StMWVT, 2004 a: Seilbahnen in Bayern StMWVT, 2004 b: Fax-Mitteilung StMWVT, 2003: Tourismus in Bayern: Daten – Fakten – Zahlen, Stand Januar 2003 StMWVT, 2002 Gesamtverkehrsplan Bayern 2002 SZ, 2004 a: Garmisch erwartet 30.000 Motorradfahrer; SZ vom 2.7.2004 SZ, 2004 b: Gute Stimmung, gute Umsätze; SZ vom 9.1.2004 SZ, 2004 c: Schnauferl Parade; SZ vom 9./ 10.6.2004 SZ, 2004 d: Oldimer-Rallye am Wallberg; SZ vom 20.8.2004 TOURISMUSVERBAND ALLGÄU/ BAYERISCHER-SCHWABEN, 2004: Geschäftsbericht 2003 TOURISMUSVERBAND MÜNCHEN-OBERBAYERN: 2004: Geschäftsbericht 2003 VELOLAND SCHWEIZ, 2003: Newsletter 19 unter www.veloland.ch WWF ÖSTERREICH, 2004: Die Schigebiete in den Alpen mit spezieller Berücksichtigung Österreichs

70 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Verkehr

in gesetzlichen Bestimmun- gen, noch im praktischem Verwaltungsvollzug.

Zu den überall vorhandenen Auswirkungen des Verkehrs zählen die Zerschneidung von Lebensräumen, die Emis- sion von Klimagasen Stick- 2.4 Verkehr oxiden, Staub und Lärm, der Ressourcen- und Energiever- brauch, der Flächenver- brauch, die Beeinträchtigung 2.4.1 Einleitung des Landschaftsbildes und die Gefährdung von Trink- erkehr nimmt in der Diskussion um nachhalti- wasservorkommen bei Unfäl- Vge Entwicklung im Alpenraum einen zentralen len. Hinzu kommen in den Stellenwert ein. Deutlich wurde dies auch durch Alpen besonders folgende die über 10 Jahre dauernden Diskussionen um das Faktoren: Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention. Keinem • Durch den begrenzten anderen Protokoll wurde solche Bedeutung bei- Luftaustausch in Tälern

gemessen. Das stark vom Transitverkehr betroffe- (verstärkt durch häufige Wessely Foto: ne Österreich machte die Unterzeichnung jegli- Inversionswetterlagen) Ortsmitte Garmisch-Partenkir- cher Protokolle von einer Einigung beim Verkehrs- schädigen Luftschadstoffe besonders stark chen: Nur ein Beispiel für die protokoll abhängig. Das Protokoll wurde von (bis zu 3-fache Konzentrationen von Stickoxi- Verkehrslawine, die sich Tag für Tag durch viele Alpenorte Deutschland am 31.10.2000 gezeichnet und trat den und Feinstaub wie im Flachland). Bayerns wälzt. am 18.12.2002 in Kraft. • Stickoxide katalysieren die Bildung von Ozon, hohe Ozonwerte führen zu Gesundheitsschä- Auch die deutschen Alpen sind von Verkehr stark den. In den Alpen ist die Bildungsrate von belastet. Sie werden von Zulaufstrecken zu wich- Ozon aus Abgasen erhöht, da die für die tigen Alpentransitstrecken durchzogen und sind Ozonbildung nötige UV-Strahlung mit der als Urlaubs- und Freizeitregion von entsprechen- Höhe zunimmt. Nach einer Untersuchung in den Verkehrsströmen betroffen. Der inneralpine Tiroler Tälern führte die zu 87% durch den Verkehr ist durch hohe Anteile an Berufspendlern Verkehr bedingte Ozonbelastung bei Kindern mit Pendlerquoten zwischen 60 – 80% (BÄTZING, zu einer stärkeren Beeinträchtigung der Lun- 2002) eine weitere wichtige Verkehrsquelle. genfunktion als Passivrauchen in der Woh- nung (SCHMITZBERGER et al., 1992). Sowohl ökologisch (Zerschneidung von Lebens- • Der für Siedlungen und Verkehr nutzbare Die Belastungen für den räumen, Immissionen) als auch sozial (Lärm, Flä- Dauersiedlungsraum ist weitgehend auf die Verkehr sind in den Alpen cheninanspruchnahme, Gesundheitsgefährdung) Talböden und das Alpenvorland begrenzt. noch gravierender als im werden im deutschen Alpenraum durch den Ver- Straßen und Schienen führen daher zwangs- Flachland. kehr Belastungsgrenzen vielfach überschritten. läufig oft nahe an Siedlungen heran, ein Aus- Im Tiroler Inntal zeigen sich auch wirtschaftliche weichen ist kaum möglich. Der Flächenver- Folgen, da Teile des Tales zum Sanierungsgebiet brauch für die Verkehrsflächen wiegt hier aufgrund überschrittener Immissionsgrenzwerte besonders schwer. erklärt werden mussten und dort keine Neuan- • Lärm breitet sich, bedingt durch die physika- siedlung oder Erweiterung bestimmter Gewerbe- lischen Ausbreitungsbedingungen des gebiete mehr zugelassen werden kann. Die Stag- Schalls, in engen Alpentälern auf eine vier- nation des Tourismus im Wipptal (Brennerstrecke) fach größere Fläche aus als im Flachland. wird ebenfalls als Reaktion auf die Belastungen durch den Straßenverkehr zurückgeführt. Im Ver- kehrsprotokoll der Alpenkonvention wird zwar die Reduzierung der Belastungen aus dem Verkehr auf ein »für Menschen, Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume erträgliches Maß« vereinbart, im deutschen Alpenraum finden diese Vorgaben jedoch bislang keine konkrete Anwendung, weder

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 71 Verkehr

Abb. 4: Lärmimmissionen in Bergtälern (UBA, 2002)

71dB 56dB 50dB 51dB 61dB 43dB 290

44dB 51dB 71dB 105

6065 40 Höhe über Autobahn (m)

440 280 35 35 280 440 560 700 1100

Abstand von Autobahn (m)

Autobahn: 2000 Kfz/h davon 20% LKW

2.4.2 Zentrale Herausforderungen

Neu- und Ausbau von Verkehrsinfrastrukturen ine gute Verkehrsinfrastruktur wird als we- Esentlicher Faktor für die wirtschaftliche Ent- wicklung einer Region gesehen. Dementspre- chend ist das Straßennetz im deutschen Alpen- raum sehr weit entwickelt. Jeder Ort, jedes Gehöft und fast jedes dauernd bewohnte Einzelhaus sind auf einer gut ausgebauten Straße erreichbar.

Neue Straßen sparen keine Dabei wird oft übersehen, dass die schnelle Er- Wessely Foto: Zeit, denn die Wege wer- reichbarkeit eines Ortes in ökonomischer Hinsicht Grünes Licht für Autos – das Nachsehen haben die Fußgänger den immer weiter. zwei Seiten hat: Gerade die kleinräumig differen- und Radfahrer in der Ortsmitte von Oberau. zierte Wirtschaft im Alpenraum wird durch Waren aus billiger Großproduktion zunehmend verdrängt. zeitweise stark überlastet. Mit Ausbauten und In Tourismusregionen steigt der Anteil der Tages- Erweiterungen des Straßennetzes wird versucht, touristen mit der schnellen Erreichbarkeit. Die trotz wachsender Verkehrsströme Staufreiheit zu Wertschöpfung nimmt ab, Belastungen hingegen garantieren. Demgegenüber wurde das regionale zu. Eine Studie des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ, Schienennetz in den letzten Jahrzehnten stark 2003) bestätigte, dass weitere Autobahnausbauten vernachlässigt, ein großer Teil des Netzes ist in Österreich keine zusätzlichen Arbeitsplätze daher erheblich modernisierungsbedürftig. bringen, aber den Verkehr weiter stark ansteigen lassen. Der Wiener Verkehrsforscher Knoflacher Güterverkehr beschreibt den Effekt des Ausbaus von Verkehrsin- Der Güterverkehr nimmt als Folge von zunehmen- frastrukturen folgendermaßen: »Durch das Wachs- der Globalisierung und Intensivierung der Bezie- tum der Geschwindigkeiten dehnt sich nur die hungen im Rahmen der Europäischen Union seit Reichweite aus, ohne dass damit auch nur eine vielen Jahren stark zu. Heute wird jede 8. Tonne Sekunde Zeit gespart werden kann. Was früher der innerhalb der EU produzierten Handelsgüter auf kurzem Wege erledigt werden konnte, ist heu- über die Alpen transportiert (alpMedia News, 2004). te oft nur mit großen Distanzen zu bewältigen. Das System wird immer dümmer und damit auch un- Der alpenquerende Güterverkehr hat sich seit verträglicher für den Alpenraum« (KNOFLACHER, 1998). 1970 verfünffacht, in den vergangenen 20 Jahren Aufgrund des extremen Verkehrswachstums ist verdoppelt. Der gesamte von, nach oder durch das Straßennetz trotz des hohen Ausbaustands Bayern gehende Verkehr, der auch die Alpen über-

72 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Verkehr

(Containerverladung) und Modernisierung der Schieneninfrastruktur.

Das INTERREG III B-Projekt Alpine Freight Railway, das 2004 startete, hat ebenfalls das Ziel mit einem länderübergreifenden Konzept mehr Güterverkehr in den Alpenländern auf die Schiene zu verlagern. Nach derzeitiger Diskussion soll 2006 mit den Bauarbeiten für einen Schienentunnel unter dem

Foto: Wessely Foto: Brenner (Brennerbasistunnel) begonnen werden. Allein über die A8 München-Rosenheim rollen Tag für Tag über Mit dem Abschluss der Bauarbeiten wird nicht vor 100.000 Kraftfahrzeuge. 2015 gerechnet (SCHNEIDER, 2004). Die Befürworter erhoffen sich von diesem Tunnel eine maßgebli- quert, hatte 1999 ein Volumen von 42,5 Mio. Ton- che Steigerung der Leistungsfähigkeit der Schie- Verkehrskollaps: nen. Davon wurden 35,4 Tonnen auf LKW und nur ne. Allerdings ist die Realisierung aufgrund der Prognosen sagen die 7,1 Tonnen auf der Bahn transportiert. Bis zum hohen Kosten ungewiss und sind zahlreiche tech- Verdopplung des Alpen- Jahr 2015 wird sich das Transportaufkommen nische und ökologische Probleme ungelöst. Auch transits bis 2015 voraus. dieses Verkehrs nach Prognosen um 71,6% auf ist unklar, wie groß die effektive Verkehrsverlage- 72,9 Mio. Tonnen erhöhen (StMWVT, 2002). rung bei Inbetriebnahme des Tunnels wirklich sein wird und ob nicht eine insgesamt große Stei- Wichtigste Straßenzulaufstrecken für den Alpen- gerung des Verkehrsaufkommens den Verlage- transit sind: rungseffekt kompensieren könnte. Trotz Realisie- A 8 München – Kufstein rung dieses aufwändigen Projekts ist es daher A 7 Ulm – Nesselwang – (Füssen) dringend erforderlich, bereits heute alle umsetz- A 96 Memmingen – Lindau baren Maßnahmen und realisierbaren Projekte zur Verringerung der Belastungen durch den LKW- Die am stärksten befahrene Schienenzulauf- Transit über die Alpen durchzuführen. strecke ist München – Rosenheim – Kufstein. Die Erfolgsaussichten der Aktivitäten zur Verbes- Nach einer Prognose des Bundesverkehrsministe- serung des Gütertransits auf der Schiene würden riums (BMVBW, 2000) wird sich der Deutschland durch einige, die Schiene hemmende Projekte berührende Alpentransitverkehr in den nächsten massiv geschwächt werden. So plant z.B. die 15 Jahren erneut verdoppeln. Deutsche Bahn, die Zahl der Güterterminals in Deutschland von 100 auf 30 – 40 zu senken. Trotz aller Bekenntnisse und Festlegungen zur Betroffen sind auch Terminals im bayerischen Vor- beabsichtigten Verlagerung der Güter auf die alpenland (GRÜNE LIGA, 2000). Schiene hat der auf der Bahn transportierte Anteil der Güter in den vergangenen Jahren nicht zuge- Auch die Entscheidung der DB zum Abbau von nommen. So stieg der Güterverkehr am Brenner Startbahnhöfen der Rollenden Landstraße, dem auf der Straße zwischen 1990 und 1999 um 89%, Huckepack-Verkehr von Lastwagen auf der Schie- auf der Schiene aber nur um 31% (ZAUNER, 2000). ne, reduzierte die Bereitschaft von Speditionen, Seit 1999 hat die Bahn etwas aufgeholt, doch die Schiene als Alternative zur Straße stärker zu wurde die 1990 bestehende Verteilung zwischen nutzen. 2002 gab es für Speditionen in ganz Bay- Straße und Schiene bislang nicht wieder erreicht. ern nur noch in Manching bei Ingolstadt die Mög- Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass ein lichkeit, LKW samt Fahrer auf der Schiene über Produkt »Schiene« aus einer Hand, wie es beim die Alpen zu schicken. 2002 ergriff das in Trient Straßenverkehr üblich ist, weiterhin fehlt. In den ansässige LKW-Transportunternehmen Bertani letzten Jahren wurden einige Initiativen gestartet, mit der eigens gegründeten Tochterfirma Rail um dieses Manko zu beheben. So arbeiten z.B. Traction Company die Initiative und bietet seit- Deutschland, Österreich und Italien im Aktions- dem für 500 LKW pro Woche einen Shuttle zwi- plan Brenner derzeit daran, den alpenquerenden schen dem Umschlagbahnhof München-Riem und Schienengüterverkehr, insbesondere den kombi- Bozen/ Verona an (LOHR, 2002) nierten Verkehr, im »Korridor Deutschland-Öster- reich-Italien« bis zum Jahr 2005 zu steigern. Dies Den vermutlich größten Einfluss hat aber offenbar soll u.a. erreicht werden durch eine Verbesserung die Preisgestaltung, wie wiederum die Ent- der Kooperation der Eisenbahnverkehrsunterneh- wicklung des Brenner-Korridors Kufstein-Inns- men, Beseitigung von Engpässen, Ausbau des An- bruck-Brenner zeigt: Nachdem Ende Dezember gebots für unbegleiteten kombinierten Verkehr 2003 der österreichische Ökopunktevertrag mit

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 73 Verkehr

der EU ohne Nachfolgeregelung auslief und LKW lungsräumen München, Augsburg und Rosenheim keine Ökopunkte mehr zahlen müssen, hat dies mit erheblichem Verkehr durch Urlauber. Die ba- zu einem erheblichen Einbruch bei der Rollenden yerischen Alpen sind die beliebteste Ferienregion Landstraße (minus 30% bis Ende Februar 2004) in Deutschland. Sowohl der Tagesausflugsver- und gleichzeitig zu einem überproportionalen kehr, als auch der Urlaubsverkehr nehmen immer Anstieg der LKW-Zahlen auf der Brenner-Auto- mehr zu. Zusätzlich wird die Situation dadurch bahn geführt: (+ 2,9% im Januar 2004, + 11% im verschärft, dass der Anteil des motorisierten Indi- Februar 2004, + 25% im März – jeweils gegenü- vidualverkehrs hier deutlich höher liegt als im ber dem Vorjahrsmonat; Bilanz der Alpenstraßen- Bundesdurchschnitt. Die Belastungssituation AG, zitiert nach: TIROLER TAGESZEITUNG,2004). durch den Straßenverkehr hat sich in den letzten 10 Jahren nochmals deutlich verschärft. Beispiels- 60% des gesamten Ver- Freizeitverkehr weise hat sich das durchschnittliche Verkehrsauf- kehrs sind Freizeitverkehr. Freizeitverkehr hat einen stetig steigenden hohen kommen auf der fast nur für Ausflugsverkehr Anteil am Gesamtverkehr. In der Schweiz und genutzten Straße ins Rißbachtal (Endpunkt: Eng) Österreich macht der Freizeitverkehr 60% des im Karwendel zwischen 1990 und 2000 um 150% Gesamtverkehrs aus. Freizeitverkehr ist dabei v.a. gesteigert (SBA Weilheim, 2003 sowie CHRIST, 1995). Autoverkehr. 77% der Fahrten werden mit dem Auto zurückgelegt, nur 15% mit öffentlichen Ver- Eine weitere bedeutende Verkehrsquelle stellen kehrsmitteln und 2% mit dem Flugzeug (HAUBNER, sportliche Großveranstaltungen dar. Diese kon- 2003). Ein im bayerischen Alpenraum sehr bedeu- zentrieren sich im deutschen Alpenraum. Durch tendes Segment des Freizeitverkehrs ist der Ur- den starken Ballungseffekt bei solchen Großver- laubsverkehr. Nach Untersuchungen in Österreich anstaltungen wie Biathlon-Wettkämpfe, Alpin- kommen rund 85% der Gäste mit dem Auto und Ski-Meisterschaften etc. kommt es regelmäßig zu nutzen das Auto meist auch am Urlaubsort häufig einem Verkehrschaos. Eine Schweizer Untersu- (RAUH et al., 1998). In den deutschen Alpen dürfte die chung (STETTLER, 1998) zeigte, dass 4% des Gesamt- Autoquote ähnlich hoch, evtl. sogar noch höher verkehr, bzw. über 2% des Freizeitverkehr auf liegen. Großveranstaltungen zurückzuführen sind.

Öffentlicher Verkehr Um die Belastungen durch den Verkehr insgesamt zu verringern, ist es nötig, den öffentlichen Ver- kehr zu stärken. Dies kann nur mit einem attrakti- ven Angebot gelingen, das die Nutzung öffent- licher Verkehrsmittel gegenüber dem PKW vorteil- haft werden lässt.

Die Bedienung der bayerischen Alpen mit öffent- lichen Verkehrsmitteln ist sehr unterschiedlich. Einige Gebiete verfügen über ein vergleichsweise gutes Bahnnetz. Hier ist insbesonders die Bayeri-

Foto: Wessely Foto: sche Oberlandbahn (BOB) mit den Strecken Mün- Über 765.000 Fahrzeuge fahren jährlich auf der Sackstraße zum chen-Bayrischzell, München-Tegernsee und Mün- Ausflugsziel Spitzing. chen-Lenggries zu nennen, die Jahr für Jahr stei- gende Fahrgastzahlen verbucht. Relativ gut ist die Im stark touristisch geprägten deutschen Alpen- Situation auch im Oberallgäu. Der Bahn-Taktver- raum könnte der Anteil von Freizeitfahrten am ge- kehr im Allgäu-Schwaben-Takt und die gute Ver- samten PKW-Verkehr in manchen Bereichen ähn- knüpfung zwischen Bus und Bahn sind positiv zu lich hoch sein wie in der Schweiz, wo 84% der bewerten. Nach Einführung des Taktes konnte der Autoreisen über die Alpen und jede zweite Auto- Verkauf von Zeitkarten innerhalb von fünf Jahren fahrt über die Grenze als Ferien- oder Freizeitfahrt vervielfacht werden (GÜTHLER, 2001). Allerdings blei- deklariert wurden (ARE, 2004). Trotz dieser enormen ben die Aktivitäten zur Förderung des öffentlichen Belastung wird das Freizeitverkehrsproblem von Verkehrs im Oberallgäu halbherzig. Seit Jahren Medien und Politik kaum wahrgenommen. scheitert – trotz klarer Prognosen für weitere Ver- lagerungen von Verkehr auf die Schiene – die Rea- Die deutschen Alpen sind ein Konzentrationsraum lisierung einer Regionalbahn von der Innenstadt für verschiedenste sportliche Betätigungen. Hier Kemptens nach Oberstdorf mit Halt an allen Ort- überlagert sich sehr starker Tagesausflugsverkehr schaften und engem Takt an der fehlenden Mittel- – insbesondere am Wochenende – aus den Bal- bereitstellung durch die Bahn AG. Gleichwohl

74 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Verkehr sind für den vierspurigen Ausbau der B 19 – eben- logischen Steuerreform, dem Erneuerbare-Ener- falls von Kempten nach Oberstdorf – genug gien-Gesetz und der Förderung der Kraft-Wärme- Bundesmittel vorhanden. Kopplung – auch durch den wirtschaftlichen Nie- dergang in den neuen Bundesländern nach der In einigen Gebieten ist zwar ein Bahnnetz vorhan- Wiedervereinigung. Allerdings haben sich die Par- den, doch wird es wenig genutzt. Die Gründe teien der Regierungskoalition darauf verständigt, dafür sind vielfältig: z.B. langsame Fahrgeschwin- die Klimagasemissionen weitergehend, um insge- digkeit, schlechte Vertaktung mit Anschlusszü- samt 40% gegenüber 1990 zu reduzieren, wenn gen, zu geringes Zugangebot in Randzeiten und sich die EU ihrerseits zu einer Reduzierung um lange Aufenthaltszeiten in Bahnhöfen. So braucht 30% verpflichtet. Um diese Ziele zu erreichen, z.B. die Ammergaubahn für die rund 25 km lange sind weitergehende Anstrengungen, insbeson- Strecke von Murnau in den Passionsspielort dere im Verkehrsbereich dringend erforderlich. Oberammergau 37 Minuten. Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention Zentrales Dokument der Die nicht an Bahnstrecken gelegenen Gebiete Das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention (ÖAV, Alpenkonvention: werden sehr unterschiedlich v.a. durch Busse des 2001) wurde am 18. Dezember 2002 von Deutsch- das Verkehrsprotokoll Regionalverkehrs Oberbayern und des Regional- land unterzeichnet und ist in Kraft getreten. Es verkehrs Allgäu bedient. Einige Gebiete, z.B. die wurde nach über 10-jähriger Diskussion im Jahr dicht besiedelte Region um den Tegernsee, sind 2000 von den Alpenstaaten unterzeichnet und gilt relativ gut erschlossen (Ringlinien im Stundentakt als eine zentrale Vereinbarung der Alpenkonven- mit gegenläufigen Fahrtrichtungen). Vielfach ist tion. Das Verkehrsprotokoll enthält wichtige Re- das Busangebot aber nicht qualifiziert und dient gelungen zur nachhaltigen Entwicklung der v.a. dem Schülerverkehr. Streusiedlungslagen Alpen, insbesondere: sind vielfach überhaupt nicht in ein öffentliches • Senkung der Belastungen und Risiken aus Netz eingebunden. Einzelne Landkreise haben dem Verkehr auf ein Maß, das für Menschen, hier als Grundversorgung Anruf-Sammel-Taxis Tiere und Pflanzen sowie deren Lebensräume eingeführt (z.B. Landkreis Miesbach). erträglich ist (Art. 1) • Verzicht auf den Neubau hochrangiger Stra- Die Serviceangebote zum öffentlichen Verkehr ßen für den alpenquerenden Verkehr (Art 11) durchleben zur Zeit eine Phase gegenläufiger Ent- • die Verwirklichung neuer hochrangiger Stra- wicklungen. Auf der einen Seite baut die DB Ihr ßen für den inneralpinen Verkehr wird an personalintensives Service-Angebot immer weiter strenge Bedingungen geknüpft (Art. 11) ab. So wurden oder werden allein im Allgäu und • Verpflichtung zur Förderung der Einrichtung Umgebung 13 Schalter geschlossen (PRO BAHN, und des Ausbaus kundenfreundlicher und 2003). Auf der anderen Seite gibt es von Fremden- umweltgerechter öffentlicher Verkehrssyste- verkehrsorganisationen, Verbänden und Vereinen me (Art. 9) zur Förderung des öffentlichen Verkehrs eine Rei- • Unterstützung zur Verbesserung der Bahnin- he positiver Initiativen, die insbesondere auf eine frastrukturen, betrieblichen Optimierung bessere Information über die Möglichkeiten der sowie Modernisierung der Eisenbahn (Art. 10) Freizeitgestaltung mit Bus und Bahn zielen. • Schaffung geeigneter Infrastrukturen und (z.B. INTERREG-Projekt Alps Mobility, s.a. marktkonformer Anreize zur Verlagerung des www.alpsmobility.org) Verkehrs, insbesondere des Güterverkehrs, auf die Schiene (Art. 10) • schrittweise Einführung verkehrsspezifischer 2.4.3 Wichtige rechtliche Abgabensysteme, um auf gerechte Weise die und planerische wahren Kosten zu decken (Art. 14) Festlegungen • Schaffung und Erhaltung von verkehrsberu- higten und verkehrsfreien Zonen, Einrichtung autofreier Tourismusorte, Maßnahmen zur Klimaschutzziele der Bundesregierung Förderung der autofreien Anreise und des uf der 3. Klimakonferenz in Kyoto hat sich die autofreien Aufenthalts von Urlaubsgästen A Bundesregierung mit der Unterzeichnung des (Art. 13). Kyotoprotokolls verpflichtet, den Ausstoß klima- relevanter Gase in Deutschland bis 2012 um 21% Entscheidend für die Wirkung dieser Ziele ist, gegenüber dem Stand von 1990 zu verringern. dass die Vereinbarungen konsequent umgesetzt Ende 2002 waren bereits 19% Verringerung er- werden und das Protokoll in allen Alpenstaaten reicht. Begünstigt wurde dies –neben erfolgreichen ratifiziert wird. Bis heute lassen sich allerdings Klimaschutzmaßnahmen wie der begonnenen öko- nur wenige Aktivitäten zur Umsetzung feststellen.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 75 Verkehr

Eurovignettenrichtlinie/EU-Wegekosten- • B 23 Ortsumfahrung Saulgrub: richtlinie Länge: 2,7 km, Kostenschätzung: 10,1 Mio. €, Derzeit wird die Eurovignettenrichtlinie der EU • B 2 Ortsumfahrung Oberau: neu geregelt. Sie soll als Wegekostenrichtlinie Länge 1,4 km, Kostenschätzung: 8,1 Mio. €, neu verabschiedet werden. Die Wegekostenricht- • B 308 Ortsumfahrung Immenstadt: linie soll zur Kostenwahrheit im Verkehr beitra- Länge: 4,3 km, Kostenschätzung: 44 Mio. €, gen, indem sie die Erhebung von Straßenbenut- • B 472 Nordost-Umfahrung Bad Tölz: zungsgebühren und Maut für LKW ab 3,5 t auf Länge: 2,4 km, Kostenschätzung: 8,5 Mio. €. Strecken von europäischer Bedeutung (Transeu- ropäische Netze) regelt. Der Entwurf (Stand: Feb- Insgesamt sind damit im vergleichsweise kleinen ruar 2004) wird jedoch nicht zu mehr Kostenwahr- Bereich der deutschen Alpen Neu- und Ausbauten heit beitragen, da er vorsieht, dass die Einnah- auf rund 51 km mit einem Finanzvolumen von men nicht für die Behebung und Vorbeugung von über 368 Mio. € geplant. Umweltschäden verwendet werden dürfen, son- dern lediglich für Straßenbauinvestitionen. In den Dazu kommen noch eine Reihe weitere Aus- und Alpen als »sensible Zone« dürfen nach dem Ent- Neubaumaßnahmen des vordringlichen Bedarf im wurf zwar um 25 % höhere Gebühren erhoben unmittelbaren Alpenvorland, die weiteren Stra- werden, die für die Verbesserung von Bahnlinien ßenverkehr auch in die Alpen bringen werden. im selben Verkehrskorridor verwendet werden Hierbei sind insbesondere zu nennen: können, doch der Grundbetrag darf ebenfalls nur • B 15 Westtangente und Stadtgebiet Rosen- für Straßenbaumaßnahmen eingesetzt werden. heim: Länge 14,6 km, Die Einbeziehung externer Kosten zur Festsetzung Kostenschätzung: 67,6 Mio. €, der Abgabenhöhe wird im bisherigen Entwurf und • B 304, Ortsumfahrung Traunstein, dem Abstimmungsverfahren ausgeklammert. Länge: 4,3 km, Kostenschätzung: 31,0 Mio. €, Die Wegekostenrichtlinie droht somit zu einem • B 19 Ortsumfahrung Waltenhofen, Mittelbeschaffungsprogramm für den Straßenbau Länge: 2,9 km, Kostenschätzung: 9,7 Mio. €. zu verkommen. Als Schienenstrecken sind der Ausbau der Strek- Weitere Informationen zu Bundesverkehrswegeplan, Bundesfern- ken München – Freilassing, München – Lindau – den Straßenbauvorhaben straßenausbaugesetz und Bundesschienen- Bundesgrenze Deutschland/ Österreich sowie des Bundesverkehrswege- wegeausbaugesetz Ulm – Friedrichshafen – Lindau (1. Baustufe) in plan in Bayern unter Bundesfernstraßen und Schienenfernverkehrs- den vordringlichen Bedarf aufgenommen worden www.bmvbw.de/ strecken werden im Bundesverkehrswegeplan auf (BMVBW, 2004). Anlage15928/Bayern.pdf Bundesebene geplant. Der aktuelle Bundesver- kehrswegeplan wurde im Juli 2003 vom Bundes- Landesentwicklungsprogramm Bayern kabinett beschlossen und zum 01. Juli 2004 ver- Das 2003 fortgeschriebene Landesentwicklungs- abschiedet. Er bildet die Grundlage für das programm Bayern (StMLU, 2003) ist trotz seines An- Bundesfernstraßenausbaugesetz und das spruchs als zentrales integratives Planungsleit- Bundesschienenwegeausbaugesetz. Im aktuellen bild stark sektoral geprägt. Deutlich wird dies Bundesverkehrswegeplan werden die Planungen insbesondere durch zahlreiche Zielkonflikte bis zum Jahr 2015 festgelegt. Eine besondere zwischen Verkehrskapitel und Naturschutzkapitel Bedeutung hat hier die Einteilung in die Stufen des LEP. Auch den Anforderungen des Verkehrs- der Dringlichkeit. Projekte des »vordringlichen protokolls der Alpenkonvention wird das Landes- Bedarfs« werden prioritär realisiert, während Pro- entwicklungsprogramm in wichtigen Bereichen jekte des »weiteren Bedarfs« zunächst zurückge- nicht gerecht (vgl. Kap 3.1). stellt sind. Wichtige Aussagen des LEP zum Verkehr sind u. a.: Im Bundesverkehrswegeplan sind folgende Stra- • Ausbau einer leistungsfähigen Straßeninfra- ßenbauplanungen im vordringlichen Bedarf ent- struktur, Beseitigung von Verkehrsengpässen halten: und Lücken im Autobahnnetz (wobei ökologi- • A 7 Nesselwang – Füssen incl. B 310 Füssen - sche Aspekte berücksichtigt werden und der Bundesgrenze: Flächenverbrauch möglichst niedrig gehalten Länge: 16,2 km, Kostenschätzung: 114 Mio. €, werden soll), im Alpenraum Bau der A 7 (Nes- • A 8 sechsstreifiger Ausbau zwischen Rosen- selwang – Füssen), Ausbau von B 19 (Kemp- heim und Bernau: ten – Immenstadt) und B 15 neu (Regensburg Länge: 15,4 km, Kostenschätzung: 124 Mio. €, – Rosenheim) • B 19 Herzmanns – Immenstadt: Länge 8,9 km, Kostenschätzung: 59,1 Mio. €,

76 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Verkehr

• Verlagerung des Verkehrszuwachses (also denen Studien deckt der Straßenverkehr nur nicht des gesamten Verkehrs) weitmöglichst 12 – 44 % seiner Kosten (EU-KOMMISSION, 1995). auf öffentliche Verkehrsmittel. Die Alpenstaaten haben sich im Verkehrsprotokoll Wichtigste Voraussetzung Aussagen zu Kostenwahrheit, Verursacherprinzip der Alpenkonvention zur Beachtung des Verursa- für eine Verkehrswende: und Berücksichtigung von Belastungsgrenzen cherprinzips und der Kostenwahrheit verpflichtet, Der Verkehr muss für alle fehlen vollständig. bislang wird dieser Punkt jedoch kaum umge- durch ihn verursachten setzt. Deshalb sind insbesondere nötig: Kosten selbst aufkommen Bayerisches ÖPNV-Gesetz • Weiterentwicklung der Öko-Steuer, (Kostenwahrheit). Kreisfreie Städte und Landkreise werden mit die- • Erhebung der deutschen LKW-Maut nicht nur sem 1994 verabschiedeten Gesetz zur eigenen auf Autobahnen, sondern – nach Schweizer Planung ihres ÖPNV ermächtigt. Sie bekommen Vorbild – auf allen Straßen, dafür Zuschüsse, haben aber weitreichende • Schrittweise Steigerung der Mautgebühr bis Gestaltungsfreiheit für den Mitteleinsatz. Das zur Gewährleistung der Kostenwahrheit, ÖPNV-Gesetz gibt den Kommunen deshalb Spiel- • Einführung von Mautaufschlägen auf Strek- räume zur Verbesserung des ÖPNV. ken mit besonders hohen externen Kosten, wie sie im Alpenraum dominieren, • Weiterentwicklung der EU-Wegekostenricht- linie, mit dem Ziel, dass die Gebührenerhe- 2.4.4 Handlungs- bung alle externen Kosten (auch Umwelt- und empfehlungen Gesundheitskosten) erfasst und die Mittel auch zur Vorsorge und Schadensminimierung ur Lösung der Probleme im Verkehrsbereich in diesen Bereichen eingesetzt werden Zsind neue integrative Ansätze nötig. Für eine können. nachhaltige Verkehrsentwicklung im bayerischen Alpenraum sind Konzepte zur Verkehrsvermei- Die Einführung des Prinzips der Kostenwahrheit dung prioritär. Maßnahmen zur Verlagerung des darf nicht durch langwierige Diskussionen darü- verbleibenden Verkehrs weitmöglichst auf die ber, was wahre Kosten sind, verschoben werden. Schiene sollten sich anschließen. Technische Entscheidend ist auch die Lenkungswirkung. Maßnahmen zur Optimierung der Fahrzeuge (Emissionen, Energieverbrauch) sollten dieses Innovatives Kosteninstrument: Paket ergänzen. Angesichts der erwarteten weite- Alpen-Transitbörse ren Verkehrszunahme werden ohne weitreichende Die Schweizer Alpen-Initiative hat ein Konzept für Maßnahmen zukünftig noch häufiger Belastungs- eine Transitbörse vorgelegt, das auch für die an- grenzen überschritten werden. Ein einseitiger deren Alpenländer interessant sein dürfte. Es Ausbau der Straßenverkehrsinfrastruktur, wie er weist deutliche Ähnlichkeiten mit dem Emissions- die aktuellen Planungen dominiert, führt hinge- handel auf gen zu einer weiteren Verschärfung der Probleme. Um die Ziele einer nachhaltigen Verkehrspolitik Steigerung der Attraktivität des öffentlichen umzusetzen, ist insbesondere erforderlich: Personenverkehrs

Stufenweise Heranführung der Verkehrskos- Bahn ten an die verkehrsbedingten Gesamtkosten Die Attraktivität von Bahnlinien wird durch eine Gemäß Verursacherprinzip muss der Verkehr alle große Zahl von Faktoren bestimmt, von denen Kosten decken, die durch ihn verursacht werden sich einige mit geringem Aufwand optimieren las- (inkl. Umweltkosten, Unfallkosten, Gesundheits- sen. Wesentliche Gesichtspunkte sind neben dem kosten und Kosten für die Verkehrswege). Angebot an Verbindungen u.a. die Fahrgeschwin- INFRAS/IWW bezifferten in einer Studie die ver- digkeit, Zuverlässigkeit, die Ausstattung der kehrsbedingten Umwelt- und Gesundheitskosten Züge, gegenüber dem Regeltarif rabattierte Zeit- in der EU auf jährlich 530 Milliarden €, 92% die- karten, die Vertaktung mit Bussen und ggf. ande- ser Kosten verursacht der Straßenverkehr. Wenn ren Bahnen. Das Beispiel Schweiz mit ihrer kon- sich die europäische Verkehrspolitik nicht ändert, sequent bahnorientierten Verkehrspolitik zeigt, werden die Kosten laut INFRAS/ IWW um 42 % wie man Verkehr auf die Schiene bringen kann. steigen (ANONYMUS, 2003 a). Das Grünbuch »Faire Auch in Bayern gibt es Beispiele, dass die Bahn und effiziente Preise im Verkehr« der EU kommt gut angenommen wird. Dazu zählt z.B. die Bayeri- zu dem Ergebnis, dass die nicht-gedeckten Kos- sche Oberlandbahn (BOB). ten durch den Verkehr etwa 5% des Bruttoin- landsproduktes der EU betragen, nach verschie-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 77 Verkehr

Für die Modernisierung von regionalen Schienen- strecken im deutschen Alpenraum sollten daher ausreichende Baukostenzuschüsse des Bundes gewährt werden, anstatt nur zinslose Darlehen zu genehmigen, wie es derzeit gängige Praxis ist.

Bus Die Flächenanbindung an den öffentlichen Ver- kehr ist nur mit einem gut ausgebauten Busnetz Enger Takt, chice Züge, zu erreichen. Dazu sollen die bestehenden Defizi- attraktive Preise – die te abgebaut werden. Um die Akzeptanz zu verbes- Bayerische Oberland- sern, sind eine Reihe von Maßnahmen erforder- bahn (BOB) eine Erfolgsstory im Bahn- lich. Wichtig ist insbesondere die Einrichtung

nahverkehr Wessely Foto: eines Takts. Aber auch im ergänzenden Service- Bereich bestehen massive Defizite. So existieren Die gute Akzeptanz der BOB ist insbesondere beispielsweise kaum Linien-Netzpläne auf Land- zurückzuführen auf: kartenbasis. Vielfach ist auch Einheimischen gar • einen durchgängigen Stundentakt, in Stoß- nicht bekannt, auf welchen Strecken Busse fah- zeiten sogar halbstündigen Taktverkehr vom ren. Ein besonderes Problem ist dies für Ortsfrem- Bayerischen Oberland ohne Umsteigen zum de, die sich anhand der Haltestellennamen meist Hauptbahnhof nach München. Die letzten kein Bild über das Busnetz machen können. Auch Fahrten erlauben auch Zugnutzern Theater- fehlen beispielsweise oft so simple Dinge, wie und Kinobesuche, so fährt z.B. der letzte Zug Beleuchtung von Fahrplänen, Schilder mit dem nach Bayrischzell erst um 23.30 Uhr in Mün- Namen der Haltestelle, wasserfeste Anbringung chen ab. Die früheste Fahrt nach München der Fahrpläne etc.. Auch das Internet-Angebot zu startet bereits um 5.00 Uhr in Bayrischzell, den Buslinien ist noch nicht zufriedenstellend. • schön gestaltete Züge mit Kinder- und Fahr- radabteilen, bequemen Sitzen und genug Anruf-Sammel-Taxis und ähnliche bedarfs- Beinfreiheit, gesteuerte Systeme • zahlreiche Kundencenter mit kundenfreund- Flexible, bedarfsgesteuerte ÖPNV-Systeme lichen Öffnungszeiten und ein eigenes Ser- (Anruf-Sammeltaxis, Rufbusse, etc.) sollten in das vice-Telefon, Liniennetz integriert und kleinere Fahrzeuge • preisgünstige Tickets auch für Gelegenheits- (Klein- und Minibusse) eingesetzt werden, um fahrer. So kostet z.B. das Wochenendticket auch in Randzeiten und bei schwierigen topogra- mit dem 5 Personen Samstag und Sonntag fischen Verhältnissen (z.B. Streusiedlungslagen) das ganze 3-flügelige Streckennetz der BOB eine zuverlässige, betriebswirtschaftlich günstige befahren können nur 18 Euro. Mit dem BOB- Mobilität anbieten zu können. Modellhaft ist hier MVV-Ticket, das nicht nur im Streckennetz das Angebot des Landkreises Miesbach. Hier kön- der BOB, sondern auch im Innenraum des nen Fahrgäste nach Voranmeldung im 30-Minu- Münchner Verkehrsverbunds (MVV) gilt, kön- ten-Takt zwischen 6 – 24 Uhr ein engmaschiges nen 5 Personen für 17 Euro einen ganzen Tag Netz an Zustiegsmöglichkeiten nutzen. Die Fahrt- die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. kosten werden durch den Landkreis bezuschusst.

Wegen des guten Angebots erhielt die BOB bei einer Bewertung von Regionalbahnen durch die Stiftung Warentest 2003 die Note »Gut« und wur- de als eine der besten Bahnen bewertet (BOB, 2004)

Ähnliche, jeweils regionsspezifische angepasste Angebote sollten auch auf den anderen Bahnstre- cken eingeführt werden. Regionale Konzepte zur Erhaltung und Modernisierung der Regionalbahn- strecken im deutschen Alpenraum sind nicht nur für die Alpenbewohner wichtig, sondern auch von erheblicher Bedeutung für die Entwicklung eines

umweltverträglichen Tourismus. Wessely Foto: Anruf-Sammel-Taxis (AST) – wie hier am Bahnhof Tegernsee – sind eine wichtige Ergänzung zu Bahn und Bus.

78 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Verkehr

Grenzüberschreitende Abstimmung Bad Hindelang hat Wochen-Pauschalen unter In einer Reihe von Tälern bestehen über die Lan- dem Slogan »Urlaub vom Auto« entwickelt. Die desgrenze hinweg erhebliche Verkehrsbeziehun- Pauschalen zum Festpreis schließen 7 Übernach- gen, z.B. im Werdenfelser Land (Verbindung tungen im gewählten Quartier, Bahnfahrkarten, sowohl ins Inntal wie auch ins Lechtal und Außer- Transferservice vom Zielbahnhof und 7 Tage freie fern), im Inntal, bei Reit im Winkl (Verbindung Fahrt mit der Urlaubskarte für alle Busse und nach Kössen und weiter Richtung Felbertauern) Bahnen im Oberallgäu ein. Zusätzlich erhalten oder in Berchtesgaden (Anbindung an Salzburg). alle Kinder bis 15 Jahre freie Fahrt, und man kann Teilweise bestehen deutliche Defizite im Angebot im Sommer und Frühwinter zwischen einem Gut- grenzüberschreitender Linien. schein für verschiedene Lifte oder einer Eintritts- karte in ein Freizeitbad wählen. Die Fahrkarten für Positive Ansätze für die Lösung solcher Probleme die An- und Abreise werden inkl. Platzkarten und Bahnpauschalen – beque- bietet das Projekt Bodan-Rail 2020 für die Boden- persönlichem Fahrplan ins Haus geschickt. Die me Komplettangebote für seeregion. Das Konzept Bodan-Rail 2020 weist Preise für diese bequemen Komplettangebote Urlaub ohne Auto nach, dass es möglich ist, die drei bisher nicht sind erschwinglich. Sie liegen für 1 Erwachsenen koordinierten Bahnsysteme von Deutschland, zwischen 287 und 427 € (BAD HINDELANG, 2004). Österreich und der Schweiz in ein durchgängiges Knotensystem mit integralem Taktfahrplan einzu- Vorbildlich ist auch das umfassende Angebot der binden. Damit kann das Bahnangebot für den Per- Gemeinde Werfenweng im Salzburger Land. Die sonenverkehr massiv verbessert werden: mehr 700-Einwohner Gemeinde Werfenweng liegt 45 km Züge, die alle im Takt verkehren, mehr und belie- südlich von Salzburg auf einem Hochplateau am big gestaltbare Direktverbindungen sowie Reise- Tennengebirge auf etwa 1.000 m Seehöhe. In zeitverkürzungen. Modellrechnungen haben 1.800 Gästebetten werden pro Jahr etwa 190.000 zudem ergeben, dass das vergrößerte Angebot Nächtigungen erzielt, die Hälfte davon im Winter. auch wirtschaftlich betrieben werden kann, indem Werfenweng liegt 14 km vom nächstliegenden mit einer überproportionalen Steigerung des Ver- Bahnhof in Bischofswiesen entfernt. Im Rahmen kehrsaufkommens und damit einer genügenden des von der EU im Programm INTERREG geförder- Auslastung gerechnet werden kann. Bislang war- ten Projekts Alps Mobility wurden vielfältige Maß- tet das Konzept jedoch noch auf seine Realisie- nahmen zur Förderung eines autofreien und nach- rung. haltigen Tourismus durchgeführt. In Kooperation mit Verkehrsunternehmen, Fahrzeugherstellern, Freizeitverkehr Reiseveranstaltern, Tourismusorganisationen und Einzelne Gemeinden in den deutschen Alpen und Nichtregierungsorganisationen wurden folgende anderen Alpenteilen haben attraktive Angebote Maßnahmen umgesetzt: für Urlauber und Naherholer ohne Auto konzi- • Erarbeitung eines Verkehrsberuhigungskon- piert. Die Spanne der Projekte reicht von Ver- zepts mit dem Ziel, die Kernbereiche vom kehrsberuhigung in den Ortsmitten in Kombina- Kfz-Verkehr mit Verbrennungsmotoren tion mit Busanbindung, über spezielle Urlauber- freizuhalten, tickets bis zu Komplettangeboten in Form von • Anschaffung von 2 Elektroautos sowie einigen Pauschalen, die auch bereits die Anfahrt mit dem Elektrorollern und Elektrofahrrädern, die als Zug umfassen. Hierzu einige Beispiele: Leihfahrzeuge zur Verfügung gestellt werden, • Errichtung der ersten Solartankstelle für Der Landkreis Oberallgäu bietet Urlaubskarten Elektrofahrzeuge, Vorbildliches ÖPNV-Ange- für 7 bzw. 14 Tage an, mit denen das gesamte • Schaffung attraktiver Angebote für die auto- bot: die Urlaubskarte Bus- und Bahnnetz im südlichen Oberallgäu mit freie Anreise per Bahn und Bus inklusive Südliches Oberallgäu einigen der wichtigsten Fremdenverkehrsorten Gepäckservice sowie Bus- und Taxitransfer, wie Oberstdorf, Fischen, Bad Hindelang und • Konzipierung von »all-inclusive-packages« Oberstaufen erschlossen wird und beliebig oft als Vorteilsangebote für autofrei Reisende. befahren werden kann. Die Urlaubskarte kostet pro Person für 7 Tage nur 10 € und für 14 Tage nur Die Angebote stoßen bei den Urlaubern auf gro- 16 €. Auch gibt es günstige Tageskarten, die auch ßes Interesse. Mittlerweile ist es Werfenweng mit von Einheimischen benutzt werden können. Im dieser deutlichen Positionierung sogar gelungen, südlichen Oberallgäu kann man damit für 6 € den Steigerungsraten über dem Landesdurchschnitt zu ganzen Tag unterwegs sein. Mit einer BahnCard, erzielen. So stieg die Zahl der Nächtigungen in einer Bahnfahrkarte oder einer Monatskarte den Wintersaisonen 2000 – 2002 in der Angebots- kostet die Tageskarte sogar nur 4,50 € (LANDRATS- gruppe »Urlaub vom Auto« um 43%. 1999 reisten AMT OBERALLGÄU, 2002). 12% der Gäste mit der Bahn an, 2002 bereits 25% (MOLITOR, 2002 a + 2002 b, CIPRA, 2003).

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 79 Verkehr

Auch für den Ausflugsverkehr wurden eine Reihe vorbildlicher Projekte und Initiativen gestartet. Die Bayerische Oberlandbahn gibt Kombitickets aus, die Zugfahrkarte, Tagesskipass und Bus- transfer einschließen. Insbesondere Jugendliche nehmen die Kombi-Angebote sehr gut an. Der Bund Naturschutz, Kreisgruppe München, gibt seit Jahren eine kostenlose Broschüre mit dem Titel »Zugspitzen« heraus, in der zahlreiche Berg- wanderungen mit Landkartenausschnitt, Wegbe-

schreibung und Fahrplänen so genau beschrieben Wessely Foto: sind, dass man damit sofort loswandern kann. Attraktive ÖPNV-Angebote zu Großveranstaltungen fehlen bis- Die Broschüre ist jedes Jahr nach kürzester Zeit lang vielfach. Für die Automassen müssen deshalb große Aus- weichparkplätze bereit gestellt werden (im Bild: Viehscheid in Die Zugspitzen – ein kos- vergriffen. Auch der Deutsche Alpenverein enga- ). tenloser Wanderführer des giert sich dafür, dass seine Mitglieder vermehrt Bund Naturschutz für Berg- öffentliche Verkehrsmittel beim Weg in die Berge touren mit Bus und Bahn nutzen. So gibt es kostenlose Folder zu 2 Busli- Der Preis scheint nach den Untersuchungsergeb- nien, die der DAV mitinitiiert hat, ein Buch, ein nissen eher eine geringere Rolle zu spielen (HAUB- gutes Internet-Angebot und immer wieder Artikel NER, 2003). Auch österreichische Untersuchungen über Bergaktivitäten mit Bus und Bahn in Mitglie- bestätigen dies. So konnte bei der Schiflug-Welt- derzeitschriften. meisterschaft in Kulm 1996 v.a. mit dem Einsatz von Sonderbussen, der Anteil der mit Privat-PKW Um Breitenwirkung zu erreichen, ist es nötig, anreisenden Zuschauer auf dem vergleichsweise dass in möglichst allen Gemeinden und Regionen niedrigen Wert von 36 % gehalten werden (RAUH et der deutschen Alpen entsprechende Angebote al., 1998). jeweils maßgeschneidert für die örtlichen Bedin- Eine Genehmigung von Großveranstaltungen soll- gungen entwickelt und beworben werden. Das te zukünftig davon abhängig gemacht werden, betrifft sowohl Angebote für die Mobilität vor Ort dass entsprechende weitentwickelte Konzepte für (einschließlich Fußgänger- und Fahrradverkehr) öffentlichen Transport der Anreisenden vorgelegt wie auch für die autofreie Anreise. werden.

In den neuerdings vorgeschriebenen öffentlichen Sperrung von Straßen ohne Ausschreibungen für den ÖPNV-Betrieb müssen Durchgangsfunktion jeweils auch Umwelt-, Sozial- und Qualitätsstan- Im deutschen Alpenraum gibt es 18 öffentlich dards berücksichtigt werden. Dadurch kann mehr befahrbare Straßen, die fast ausschließlich für Qualität für die Kunden und ein Umsteigen vom Freizeitverkehr genutzt werden, im jeweiligen Tal Auto in den ÖPNV erreicht werden. Die Konkur- enden (Sackstraßen) und keine dauerhaft renz zwischen den Bewerbern kann genutzt wer- bewohnten Ortschaften erschließen. 11 dieser den, um eine Verbesserung des Angebotes zum Straßen sind im Besitz der öffentlichen Hand. gleichen Preis zu erreichen (DNR, 2003). Für die ge- Allein auf diesen 18 Straßen mit einer Gesamtlän- wünschte Akzeptanz bieten sich regionale Mobili- ge von 100 km rollen Jahr für Jahr mindestens 1,4 tätszentralen zur Beratung, Bewerbung und Bün- Millionen PKW und legen dabei über 200 Millio- delung der verschiedenen Mobilitätsangebote an. nen Kilometer zurück (BN, 2004).

Konsequente Verkehrskonzepte bei Diese Straßen sollen für den motorisierten Indivi- Großveranstaltungen dualverkehr gesperrt und bei längeren Strecken Aufgrund der relativ hohen Bedeutung von Groß- ein Ersatzbusverkehr eingeführt werden. Insbe- veranstaltungen für den Freizeitverkehr und der sondere für die 11 Straßen im Besitz der öffent- hier bestehenden guten Lenkungsmöglichkeiten lichen Hand haben Bund, Freistaat, Kreis und kommt nachhaltigen Verkehrskonzepten und res- Kommunen eine besondere Verantwortung, um- triktiver Parkraumbewirtschaftung bei Großveran- welt- und naturverträgliche Lösungen für das Ver- staltungen eine erhebliche Bedeutung zu. kehrsproblem zu entwickeln. Die Untersuchung zweier Fallbeispiele in der Schweiz ergab einen weit überdurchschnittlichen ÖPNV-Anteil von über 50 % bei Großveranstaltun- gen mit einer restriktiven Parkplatzbewirtschaf- tung und raschen und direkten ÖPNV-Angeboten.

80 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Verkehr

Wie erfolgreich eine solche Sperrung sein kann, Stopp des Neu- und Ausbaus von Straßen mit zeigt das Beispiel des Markts Oberstaufen. übergeordneter Bedeutung Ab 1986 begann die Marktgemeinde im west- Obwohl bundesweit die Personenverkehrleistung lichen Landkreis Oberallgäu 5 zuvor als Mautstra- mit PKW und Motorrädern seit 1999 von 762 Mrd. ßen befahrbare Alpwege zu sperren. Auf der vor Personenkilometern (Pkm) auf geschätzte 700 Mrd. der Sperrung am stärksten befahrenen Strecke Pkm in 2003 sank, ist der Trend zum »erforder- zur Hörmoosalpe wurde ein Busersatzverkehr ein- lichen« weiteren Straßenbau ungebrochen. gerichtet. Dieser Gästebus wird hervorragend So fußt auch die aktuelle Fortschreibung des Bun- angenommen. Im Jahr 2003 benutzten rund desverkehrswegeplans auf Prognosen, die von 30.000 Personen den Bus. Der Bus trägt sich einer deutlichen Zunahme des motorisierten Indi- durch die Ticketeinnahmen seit Jahren selbst vidualverkehrs von 750 Mrd. Pkm (1997) auf 873 (MARKT OBERSTAUFEN, 2004). Mrd. Pkm (2015), also einem Zuwachs von 16 %, ausgehen. Da bis heute der Verkehr auf rund 700 Die Broschüre »Bergstra- Mrd. Pkm zurückging, müsste der Personenver- ßen autofrei!« des Bund kehr in den zwölf Jahren durchschnittlich jeweils Naturschutz kann unter um mehr als 2 % steigen, um auf den »Zielwert« www.bund-naturschutz.de/ zu kommen. Dies erscheint sehr unrealistisch. download/alpen/Berg- Selbst in der Auto-Euphorie nach der Wiederverei- strassen-autofrei.pdf her- nigung erhöhte sich der bundesweite Individual- untergeladen werden. verkehr mit dem PKW nur 0,8 % jährlich (LUDEWIG, 2004).

Der deutsche Alpenraum verfügt bereits heute über

Foto: Wessely Foto: ein hochwertiges, dichtmaschiges Straßennetz. Seit 1986 ist die Straße zur Hörmoosalpe für den Individual- Trotzdem werden aber auch hier immer wieder verkehr gesperrt, seitdem fahren Busse. Weniger Lärm und Forderungen nach Neu- und Ausbauten laut. Die Abgase – die Attraktivität des Ausflugsgebietes hat dadurch Projekte des vordringlichen Bedarfs wurden vor- weiter zugenommen. stehend bereits in 2.4.3 vorgestellt. Im sog. weite- ren Bedarf sind zusätzlich 147,5 km Neu- und Aus- Die Sperrung einer Straße muss allerdings auch baumaßnahmen an Straßen mit einem Kostenvo- konsequent eingehalten und entsprechend über- lumen von über 1,1 Milliarden € enthalten. wacht werden, um wirksam zu sein. Dass dies nicht selbstverständlich ist, zeigt das Beispiel der Gemeinde Bad Feilnbach im Landkreis Rosen- heim. Vom Ortsrand Bad Feilnbachs führt eine ca. 3 km lange Straße ins beliebte Wandergebiet um den Wendelstein. Die Straße ist für den motori- sierten Individualverkehr gesperrt und nur für Berechtigte der Forst- und Landwirtschaft freige- geben. Dies ist auch durch ein entsprechendes Verkehrsschild zu Beginn gekennzeichnet. Trotz- dem wird die Straße jedes Jahr von Tausenden von Autos befahren. Im Sommer erhebt die Gemeinde sogar € 2,50 Parkgebühr am Ende der Straße. Offensichtlich wird von den zuständigen Behörden das widerrechtliche Befahren geduldet. Eine Aufforderung des Bund Naturschutz an die Gemeinde, für den Vollzug der Sperrung zu sor- gen, blieb bislang ohne Resonanz.

Das entlegene Tal der Valepp ist mit Bussen gut zu erreichen. Der Bund Naturschutz schlägt deshalb vor, die über 8 km lan- ge, jährlich von über 40.000 PKW befahrene Stichstraße in

Foto: Wessely Foto: die Valepp zu sperren.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 81 Verkehr

Aus Sicht von Umweltorganisationen sollte die • Einführung einheitlicher Tempolimits, selekti- Planung von Straßen des übergeordneten Netzes ver Fahrverbote, Gewichtsbegrenzungen und sofort gestoppt werden. Vielmehr ist es nötig, die Nachtfahrverbote, Gelder statt für den Fernstraßenbau für eine • Regelmäßige Kontrollen der sicherheits- und nachhaltige Entwicklung zur Lösung von (zumeist umwelttechnischen Vorschriften. Bei 800 regionalen) Problemen im Rahmen einer integrier- LKW-Kontrollen auf österreichischen Auto- ten Verkehrsplanung auf regionaler Ebene bereit bahnen im Januar 2004 musste jedes 5. Fahr- zu stellen. Dieses Vorgehen würde eine umwelt- zeug wegen schwerwiegender technischer gerechte Optimierung des gesamten Verkehrssys- Defizite oder Sicherheitsmängel sofort aus tems unter Einbeziehung von Schiene, ÖPNV, dem Verkehr gezogen werden. 50 % der LKW Radverkehr, Lärmsanierung und Optimierung des wurden wegen Überladung oder Überschrei- nachgeordneten Straßennetzes erheblich besser tung der Lenkzeiten beanstandet (Bündnis für ermöglichen, als die sektorale Prüfung von Einzel- LSVA, 2004). Eine Studie über die illegalen Prak- projekten, wie sie im aktuellen Bundesverkehrs- tiken der LKW-Speditionen ergab, das die wegeplan durchgeführt wird. Preise bei Einhaltung der Gesetze um min- destens 50 % höher sein müssten (alpMedia News, 2002).

Verlagerung auf die Bahn Im alpenquerenden Verkehr der Schweiz wurden 2001 67% der Güter auf der Schiene transpor- tiert, in Frankreich und Österreich waren es nur 19 bzw. 28% (alpMedia News, 2002). Grund für diese enormen Unterschiede sind klare verkehrspoliti- sche Lenkungsmaßnahmen der Schweiz. In der Schweiz gilt für alle LKW über 3,5 Tonnen schon seit 1958 zwischen 22.00 und 5.00 Uhr ein Nacht- fahrverbot. Ferner besteht ein Sonntagsfahrver- bot. Zudem führte die Schweiz 2001 eine entfer- nungsabhängige Schwerverkehrsabgabe für alle LKW ab 3,5 Tonnen in Höhe von 70 Cent pro 40 Ton- nen und Kilometer ein. In Österreich beträgt die

Foto: Wessely Foto: Maut nur 15 Cent, in Deutschland besteht trotz Täglich donnern Festlegung noch keine funktionierende Mauterhe- Tausende von LKW Steuerungsmaßnahmen zum Güterverkehr bung. Bei einer einzigen Fahrt von 300 km mit an der Wallfahrtskirche Zur Begrenzung des Transitverkehrs auf der Stra- einem 24 Tonner ergeben sich bei einer Strecke in Wilparting am Irschen- berg vorbei. ße und der damit verbundenen Belastungen soll- der Schweiz Mautkosten von 126 Euro, in Öster- ten folgende Maßnahmen ergriffen werden: reich von 27 Euro und in Deutschland von 0 Euro.

Verkehrsvermeidung Neben der LKW-Maut ist auch das Nachtfahrver- • Begrenzung der LKW-Transitfahrten auf ein bot ein sehr wirksames verkehrspolitisches Len- für »Menschen, Tiere und Pflanzen und deren kungsinstrument. Als 1989 am Brenner ein Nach- Lebensräume erträgliches Maß«, wie im Ver- fahrverbot für besonders laute LKW eingeführt Die Europäische Verkehrs- kehrsprotokoll der Alpenkonvention verein- wurde, hat sich der Kombi-Verkehr der Brenner- initiative ITEsetzt sich für bart. Die praktische Umsetzung könnte i.R. Bahn fast schlagartig verdoppelt. Der sog. Nacht- umfassende Konzepte zur einer Alpentransitbörse erfolgen, sprung, der Zeitvorteil der Bahn bei Nachtfahrver- Verkehrsvermeidung und • Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe boten für LKW, ist für Speditionen ein wichtiger -verringerung im Alpen- (Verkehrsvermeidung und Entwicklung des Anreiz, die Bahn zu nutzen. transit ein. ländlichen Raums), • Vermeidung von Leerfahrten durch eine bes- sere Logistikkoordination bei den Unterneh- men selbst, aber auch Unternehmen-über- greifend. Für die Schaffung weiterer Logistik- zentren sollten vermehrt Mittel bereit gestellt werden,

82 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Verkehr Foto: Archiv Jugend Bund Naturschutz Archiv Foto: LKW-Bahnverladung – die umweltverträglichere Alternative zum LKW-Transit auf der Straße

Diese Zahlen zeigen eindrucksvoll die Wirksam- Lärmschutzfonds keit verkehrspolitischer Lenkungsmaßnahmen zur Ein wesentlicher Steuerungseffekt, insbesondere Verlagerung von Gütern auf die Bahn. Neben der des Güterverkehrs, wäre auch die Einführung Erhebung einer Maut, die die tatsächlichen eines Rechtsanspruchs zur Lärmsanierung, damit Kosten des LKW-Verkehrs abdeckt, sollten insbe- an Häusern entlang bestehender Straßen die sondere folgende weitere Maßnahmen zur Verla- Lärmgrenzwerte eingehalten werden. Die Mittel gerung von Verkehr auf die Bahn erfolgen: für die erforderlichen Lärmsanierungsmaßnah- • Modernisierung von Bahnstrecken: Nach men könnten z.B. aus einem Fonds aller Trans- Berechnungen könnte beispielsweise über portunternehmen inkl. der Bahn in Abhängigkeit den Brenner bei einer Modernisierung und von den jeweiligen Emissionen beglichen werden. besseren Auslastung der vorhandenen Stre- cke die dreifache Gütermenge transportiert werden (MORODER, 1998). Wichtig für die stärke- re Nutzung der Schienenkapazitäten über die Alpen ist dabei auch die Optimierung der Zulaufstrecken. In Süddeutschland betrifft dies drei Strecken: • München – Kufstein, • München – Memmingen – Lindau – (Zürich), • Stuttgart – Ulm – Friedrichshafen – Lindau - Innsbruck, • Reaktivierung bzw. Neubau von Güterverlade- terminals in der Fläche, statt deren aktueller Abbau; Erhalt bzw. Reaktivierung sowie ggf. Schaffung neuer Gleisanschlüsse zu den Betrieben im Einzugsgebiet, • bessere internationale Koordination des

Zugverkehrs (Bremstests, Qualifizierung ÖVP Foto: des Personals, Logistik etc.), Dringend zum Schutz der lärmgeplagten Anwohner nötig: mehr Lärmschutzwände • Transport von Gefahrgütern weitestmöglich auf der Bahn.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 83 Verkehr

2.4.5 Quellennachweis

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84 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Siedlung und Gewerbe

2.5 Siedlung und Gewerbe

2.5.1 Einleitung

ie Anforderungen an eine nachhaltige Sied- Wessely Foto: Dlungs- und Gewerbeentwicklung sind in den Bayrischzell am Fuße des deutschen Alpen deutlich höher als außerhalb Trotz der hohen Sensibilität der deutschen Alpen Wendelsteins ist eine Alpen- des Alpenraums. Die Fläche, auf der topogra- gegenüber Siedlung- und Gewerbenutzungen gemeinde mit moderater Sied- lungsentwicklung. phisch überhaupt Siedlungen und Gewerbegebie- wurde und wird mit der knappen Ressource »Flä- te möglich sind, hat nur einen vergleichsweise ge- che« aber nicht nachhaltig umgegangen. Im Jahr ringen Anteil an der Gesamtfläche. So sind z.B. 2001 wurden 2,03% der Fläche der deutschen nur 12% der Fläche Tirols potenzieller Dauersied- Alpen als Verkehrsfläche genutzt, weitere 3,51% lungsraum (ÖSTAT nach CIPRA-INTERNATIONAL, 2001).1 Sied- als Siedlungsfläche. Angesichts des stark be- lungen und Gewerbe sind aufgrund der weiten grenzten potenziellen Dauersiedlungsraums sind Sichtachsen aus Hanglagen und Gipfeln oft weit- das vergleichsweise hohe Werte. hin zu sehen. Nicht landschaftsangepasste Be- Sowohl flächenmäßig, als auch ortsplanerisch bauung beeinträchtigt das Landschaftsbild des- bestehen bei der Siedlungs- und Gewerbeent- halb auf weit größerer Fläche als im Flachland. wicklung in den deutschen Alpen sehr große Eine durch großräumige Siedlungsgebiete und Unterschiede. Einige Täler sind weitgehend zer- insbesondere Gewerbe möglichst wenig belastete siedelt. Dazu zählen insbesondere das Tegernseer Landschaft ist zentrale Voraussetzung für den Tal, die Talkessel von Bad Tourismus. Die Flächenkonkurrenz zwischen Sied- Reichenhall und Gar- lung und Gewerbe einerseits und der Tallandwirt- misch-Partenkirchen, Teile schaft andererseits, ist aufgrund der knappen zur des Inntals und das Verfügung stehenden Fläche besonders ausge- Gebiet zwischen Schlier- prägt. Durch Siedlung und Gewerbe gehen wichti- see und Miesbach. ge Areale für die Wasserrückhaltung im beson- Besonders drastisch ist ders niederschlagsreichen Gebiet der deutschen die Entwicklung in einigen Alpen verloren. Flächenüberbauung und Zer- Gemeinden des Inntals im schneidung reduzieren die Bedeutung der Talla- Landkreis Rosenheim. In gen als Lebensräume für typische oder seltene anderen Gemeinden hält Tier- und Pflanzenarten. Zudem vermindern Natur- sich die Baulandentwick- gefahren potenzielle Siedlungsflächen in den lung der letzten Jahrzehn- Alpen: Viele Flächen im Talboden sind hochwas- te in engen Grenzen, so sergefährdet, unterhalb steilerer Hangbereiche dass sie ihren Charakter bestehen Gefahren durch Lawinen, Muren oder weitgehend erhalten Steinschlag, am Ausgang von Seitentälern kön- haben. nen Wildbäche für Siedlungen gefährlich werden. In Folge der anthropogen verursachten Klimaver- Seit vielen Jahren streben änderung werden Extremwetterereignisse und landesplanerische Zielvor- damit die Naturgefahren in den Alpen stark gaben eine Reduktion der zunehmen. Ein verantwortungsvolles Haushalten Flächeninanspruchnahme mit den wenig gefährdeten Siedlungsflächen ist durch Siedlung und auch aus diesem Grund geboten. Gewerbe an. Die Bauleit-

planung der Gemeinden Wessely Foto:

1 Flächenangaben zum potenziellen Dauersiedlungsraum in den hat diese bislang wenig Die Ortslagen vieler Alpengemeinden sind stark zersiedelt deutschen Alpen liegen nicht vor. beachtet. (im Bild: Unterwössen).

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 85 Siedlung und Gewerbe

Abb. 5: Siedlungs- und Verkehrsflächenwachstum 1981 – 2001

Zunahme von Siedlungs- und Verkehrsfläche in den deutschen Alpen (1981–2001)

45,00

40,00 38,42

35,00

30,00 1981 – 2001 25,00 19,89 1989 – 2001 20,00 1997 – 2001 15,00 10,28 10,00 6,82 4,68 Zunahme in % des Ausgangswertes 5,00 1,52 0,00 Verkehrsfläche Siedlungsfläche

Quelle: LfStaD (Flächenerhebungsdaten)

Tab. 6: Siedlungs- und Verkehrsflächen in den deutschen Alpen (1981–2001)

Siedlungs- und Verkehrsflächen (in ha) 1981 1989 1997 2001 Zunahme 1997 – 2001

Verkehrsfläche 10126 10667 11000 11167 167

Wohnen 8572 9159 587

Gewerbe + Betrieb (ohne Abbauland) 1468 1554 86

Gebäude- und Freifläche 12811 14566 16375 17416 1041

Siedlungsfläche 13967 16126 18099 19334 1235

Siedlungs- und Verkehrsfläche 24093 26794 29099 30501 1402

Quelle: LfStaD (Flächenerhebungsdaten) Siedlungsfläche: Ermittelt aus den Kategorien Gebäude-, Freiflächen und Betriebsflächen abzüglich Abbauflächen, Erholungsflächen und Friedhöfe

Von 1981 bis 2001 hat die Siedlungsfläche in den 2.5.2 Zentrale deutschen Alpen durchschnittlich um 38% zuge- Herausforderungen nommen. Ein Ende der zunehmenden Inanspruchnahme von Flächenintensive Gewerbegebiete Flächen für neue Siedlungen und Gewerbeberei- er deutschlandweite Trend, trotz eines Über- che ist nicht in Sicht. Nach wie vor werden – ge- Dangebots an Gewerbeflächen, immer weitere fördert durch den Konkurrenzkampf der Kommu- neue Gewerbeflächen, abseits vorhandener Be- nen um Gewerbesteuern – großflächige Gewerbe- bauung auszuweisen, besteht auch im deutschen gebiete ausgewiesen, ohne flächensparende Alpenraum und insbesondere im Voralpenland. Alternativen ausreichend zu prüfen. Auch bei der Bei Neuansiedlungen spielt das produzierende Wohnbauflächenentwicklung ist keine Trendwen- Gewerbe eine geringere Rolle. Meist handelt es de erkennbar. Die vielfältigen Möglichkeiten zur sich um großflächige Einzelhandelsunternehmen, Minimierung der Flächeninanspruchnahme wer- insbesondere Baumärkte, Möbelhäuser, Lebens- den nur selten genutzt. mittel-Discounter, Fast-Food-Restaurants und Neue Baugebiete werden ausgewiesen, ohne Speditionsunternehmen, die mehr Fläche bean- bestehende Baulücken vorher geschlossen zu spruchen. Neue Gewerbegebiete entstehen dabei haben. Dem zunehmenden Bewusstsein für die v.a. im Alpenvorland. In einigen Gebieten, z.B. im knappe Ressource Fläche folgen nur wenige kon- Mangfalltal westlich von Rosenheim, besteht eine krete Maßnahmen. Tendenz zur Ausbildung von Aneinanderreihung

86 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Siedlung und Gewerbe verschiedener Gewerbebetriebe, so dass sich • Die Allgäuer Stadt Immenstadt hat vor eini- bänderartige Strukturen aus in der Regel nicht gen Jahren im Retentionsraum der Iller ein landschaftsangepassten Gewerbebauten durch großes Gewerbegebiet ausgewiesen. Durch die Landschaft ziehen. das 2003 verabschiedete Hochwasserschutz- Im Alpenraum selbst ist der Druck nach weiteren gesetz sollten solche gravierenden Fehler zu- Gewerbeflächen deutlich geringer als im Alpen- künftig nicht mehr möglich sein: Es verbietet vorland. Dennoch ist die Ausweisung weiterer die Ausweisung von Bau- und Gewerbegebie- Gewerbeflächen in den Alpengemeinden nicht un- ten in Überschwemmungsgebieten nach dem problematisch, da jedes Gewerbegebiet aufgrund hundertjährigen Hochwasser. Allerdings der begrenzten Fläche und der touristisch wie reicht auch dieser Rahmen angesichts stei- landeskulturell bedeutenden landschaftlichen gender Hochwassergefahren durch die Klima- Attraktivität einschneidende Konsequenzen veränderung nicht aus. haben kann. Landschaftlich deplaziert ist auch die Neuan-

Da es oft versäumt wird, Vorgaben zum Flächen- siedlung des Bürozentrums eines Bauunter- Güthler Foto: sparen und für eine ansprechende architektoni- nehmens im Außenbereich nördlich von Das Gewerbegebiet von sche Gestaltung aufzunehmen, entstehen in den Oberstdorf im Oberallgäu mitten in einem Ofterschwang wurde bereits Bebauungsplänen häufig gesichtslose, nur ein- großen Wiesengebiet, fernab größerer Sied- vor 2001 ausgewiesen. Bis 2004 fand sich dafür kein stöckige Gewerbebauten mit mangelnder Eingrü- lungskerne. Die Marktgemeinde genehmigte Interessent. nung, die das Landschaftsbild großflächig beein- diesen Neubau, nachdem bekannt wurde, trächtigen und den oft noch dörflichen Charakter dass die Firma bei einer negativen Entschei- nahe gelegener Siedlungen verzerren. dung daran denke, in eine andere Region abzuwandern. Dieses Beispiel zeigt den Dazu einige Fallbeispiele: hohen Stellenwert einer Neuregelung der • Landkreis und Stadt Rosenheim, die nach der Gewerbesteuer. Die Abhängigkeit der Kom- Alpenkonvention zum Alpengebiet gehören, munen von Gewerbesteuereinnahmen darf sind traurige Spitzenreiter beim Flächenver- nicht länger dazu führen, dass Entscheidun- brauch für Gewerbegebiete im bayerischen gen für Baugenehmigungen zu Lasten des Alpenvorland. In den letzten Jahren wurde ei- Natur- und Landschaftsschutzes gehen. ne Fülle großflächiger Gewerbegebiete aus- gewiesen und bebaut. Die meisten Neuan- Dem Engagement der vom Bund Naturschutz mit- siedlungen entstanden weitab gewachsener begründeten Bürgerinitiative »Kein Discounter Siedlungsstrukturen, meist in landschaftlich auf dem Roßanger« in Grassau (Landkreis Traun- sehr wertvollen Gebieten, teilweise sogar stein) ist es zu verdanken, dass hier eine weitere innerhalb von Landschaftsschutzgebieten. Gewerbe-Fehlentwicklung verhindert werden Innerhalb von nur 8 Jahren wurden allein im konnte. Die 6.000-Einwohner zählende Gemeinde Süden von Rosenheim 5 neue Gewerbezonen plante die Ansiedlung eines 4. Discount-Markts. im Außenbereich errichtet, darunter ein Brief- Bei einem Bürgerentscheid sprachen sich 62 % zentrum der Deutschen Post und ein Groß- der Wähler gegen die Ansiedlung eines weiteren Möbelhaus. Ein Ende dieser Siedlungspolitik Discounters aus, der bestehende Geschäfte im »auf der grünen Wiese« ist nicht in Sicht. Ort und deren Arbeitsplätze gefährdet, unnötig Trotz einer Reihe gewidmeter, aber noch nicht Fläche in Anspruch genommen und obendrein das bebauter Gewerbegebiete, planen die Ge- Ortsbild negativ beeinträchtigt hätte. Einbußen meinden im Landkreis Rosenheim die Aus- im Tourismus und Schaden für die nachhaltige weisung weiterer Gewerbegebiete. So soll Gemeindeentwicklung z.B. an der Autobahn A 8 (München – Salz- wären die Folgen, argu- burg) bei Kolbermoor – mitten in einem weit- mentierte die Bürgerini- läufigen Wiesen- und Moorgebiet – ein neuer tiative und schaffte es großer LKW-Rast- und Servicehof entstehen, mit dem Bürgerent- obwohl drei entsprechende Einrichtungen scheid, die Aktivitäten des Autobahnservice, gerade auch für LKW in des Grassauer Gemein- einem Umkreis von nur 40 km bereits vorhan- derates zu stoppen, der den sind. bereits eine Bauvoran- • Die Gemeinde Ofterschwang im Landkreis frage positiv entschieden Oberallgäu hat 2001 in teilweise wertvollen hatte.

Biotopen großflächig Gewerbegebiete ausge- Grassau Bürgerinitiative Foto: 2 wiesen und erschlossen, für die sich bis jetzt Der Roßanger bleibt Wiese. /3 der Bürger von Grassau stimm- keine Interessenten fanden. Die Planung war ten in einem Bürgerentscheid gegen den vom Gemeinderat nicht bedarfsorientiert. bereits genehmigten Bau eines Supermarktes.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 87 Siedlung und Gewerbe

Abgase und Lärmemissionen aus der TÜV ein Geruchsgutachten, in dem die erheb- Gewerbebetrieben liche Geruchsbelästigung bestätigt wurde. Das Es gibt in den deutschen Alpen zwar nur verein- Landratsamt sorgte als Genehmigungsbehörde zelt Gewerbebetriebe, von denen beträchtliche daraufhin zwar für einige Auflagen und tatsäch- Lärm- und Schadstoffemissionen ausgehen, doch liche Verbesserungen, konnte das Problem aber bedeuten diese im jeweiligen Fall eine große nicht grundsätzlich beheben. Ein Firmensprecher Belastung für die Anwohner und eine gravierende kommentiert hierzu: »Eine 100 Prozent geruchs- Einbuße der touristischen Attraktivität. Lärm- und freie Papierfabrik gibt es nicht« (EFFERN, 2004). Schadstoffemissionen wirken im Gebirge stärker als im Flachland, denn: Siedlungsbau • Schallwellen breiten sich in engen Alpentä- Durchschnittlich wuchs die Bevölkerung in den lern auf eine weit größere Fläche aus als im Alpenlandkreisen Deutschlands zwischen 1981 Flachland, während gleichzeitig Luftschad- und 2000 um 16% (BÄTZING, 2002). Allerdings ver- stoffe besonders intensiv wirken, läuft die Entwicklung regional unterschiedlich. • Schallwellen werden in Alpentälern weniger Während die Bevölkerung in den Städten nur stark gedämpft als im Flachland. Eine ver- wenig zunimmt oder abnimmt, verläuft die Ent- gleichbare Abnahme des Lärms von der Lärm- wicklung in Stadt-Umlandgemeinden sehr dyna- quelle benötigt eine größere Distanz (vgl. misch. Das bei weitem größte Wachstum weisen Abb. 4, Kap. 2.4.1), die Gemeinden im weiteren Einzugsgebiet von • Durch häufige Inversionswetterlagen ist der München auf, das bis in den Alpenraum reicht. So Luftaustausch eingeschränkt. Luftschadstoffe nahm die Bevölkerung des Landkreises Rosen- konzentrieren sich daher in den Tälern oder heim zwischen 1991 und 2001 um 13,5% zu (ÖSTER- bestimmten Höhenbereichen, REICHISCHES INSTITUT FÜR RAUMPLANUNG, 2003), während • In höher gelegenen Alpentälern wirken Stick- abgelegenere, meist einwohnerschwächere oxide in Verbindung mit intensiver UV-Strah- Gemeinden (z.B. südliches Oberallgäu, einige lung besonders schädigend, da sie die Bil- Gemeinden im Landkreis Garmisch-Partenkirchen dung bodennahen Ozons katalysieren. und im Landkreis Berchtesgadener Land) eine leicht rückläufige Bevölkerungsentwicklung ver- Immissionsbelastungen durch ortsansässige zeichnen (BÄTZING, 2002). Kennzeichnend für die Ent- Gewerbebetriebe kommen z.B. im Inntal vor. In wicklung ist eine kleinräumige Wanderungsbewe- Raubling, Landkreis Rosenheim, befindet sich gung von den Städten in die Umlandgemeinden eine Papierfabrik, von der eine starke Geruchsbe- dieser Städte einerseits und eine Konzentration lästigung ausgeht. Auf die Beschwerde der Bür- auf das weitläufige Einzugsgebiet der Großstadt gerinitiative »Saubere Luft für Raubling«, erstellte München andererseits.

Abb. 6: Bevölkerungsveränderung in den Gemeinden der deutschen Alpenlandkreise (1981 – 2000)

© 2002 W. Bätzing/Y. Dickhörner, Institut für Geographie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürn- berg. Erarbeitet im Rahmen des Projektes 200 11 226 »Umsetzung der sozioökonomischen und ökologischen Aspekte des Nachhaltigkeitsprinzips bei der Ausarbeitung des Schwerpunktthemas der Alpenkonvention »Be- völkerung und Kultur«, im Auftrag des Umweltbundesamtes.

(nach BÄTZING, 2002)

88 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Siedlung und Gewerbe

Das Bayerische Umweltministerium prognosti- Abb. 7: Veränderung der Flächennutzung in Kiefersfelden von 1950 bis 2003 ziert für die drei Planungsregionen im deutschen Alpenraum ein überdurchschnittliches Bevölke- rungswachstum, auch für die nähere Zukunft. So soll, nach den Vorhersagen, die Bevölkerung in den Planungsregionen 17 (Oberland) und 18 (Südostoberbayern) zwischen 1998 und 2020 um 3,0 – 5,3% wachsen und in der Planungsregion 16 (Allgäu) um 1,5 – 3% (Landesdurchschnitt: 1,6%). (StMUGV, 2004). Vor diesem Hintergrund bleiben Fra- gen der Flächeninanspruchnahme für Siedlung und Verkehr weiterhin brisant.

Das Bewusstsein für die Bedeutung der knapper werdenden Siedlungsfläche ist in vielen Gemein- den im deutschen Alpenraum gestiegen. Dennoch werden in den meisten Gemeinden nach wie vor neue Gebiete für die Wohnbebauung ausgewie- sen, ohne vorher intensiv genug zu untersuchen, ob bestehende, nicht genutzte Flächen oder Brachland verwendet werden kann. Nach wie vor werden auch überwiegend große Parzellen vorge- sehen und in den Bebauungsplänen nur eine rela- tiv geringe Bebauungsdichte zugelassen. BN, Kreisgruppe Rosenheim, 2004 Dadurch steigt der Flächenbedarf pro Wohnein- heit weiter. Besonders hoch ist die Flächeninan- spruchnahme durch Einfamilienhäuser auf großen Obwohl die Landesplanung die Lenkung weiteren Grundstücken, die auch weiterhin in Bebauungs- Siedlungswachstums auf die zentralen Orte vor- plänen festgesetzt werden. Ein drastisches Bei- sieht, ist das Siedlungswachstum insbesondere in spiel für die Zersiedlung mit Einfamilienhäusern den ländlichen Gemeinden häufig stark ausge- auf großen Grundstücken ist der südliche Teil der prägt. Gemeinde Rottach-Egern am Südende des Te- gernsees. In der ohnehin schon massiv zersiedel- Zweitwohnungen ten Landschaft rund um den Tegernsee, wächst die Zweitwohnungen haben einen wesentlichen An- Bebauung nun auch in den letzten übrig gebliebe- teil an den Wohnflächen in den deutschen Alpen. nen zusammenhängenden Wiesenstreifen hinein. In einigen Gemeinden ist jede 5. Wohnung eine Auch in einigen Inntalgemeinden gibt es eine be- Zweitwohnung. So liegt z.B. der Anteil an Zweit- sonders hohe Inanspruchnahme von Flächen wohnsitzen in Aschau im Chiemgau bei 22,8 %, durch den Siedlungsbau und dem damit in Verbin- in Tegernsee bei 20 % und in Bad Hindelang im dung stehenden weiteren Ausbau der Verkehrsin- Oberallgäu bei 20,8 % (ISAR-LOISACH-BOTE, 2004). frastruktur. Allein zwischen 1990 und 2003 wuchs Auch in den wenigen Alpenstädten Deutschlands z.B. in der Grenzgemeinde Kiefersfelden, Land- gibt es viele Zweitwohnungen. So sind in Gar- kreis Rosenheim, die Siedlungs- und Verkehrsflä- misch-Partenkirchen 26.555 Hauptwohnsitze und che um 39%, während sich die Einwohnerzahl 3.320 Nebenwohnsitze (12,5%) gemeldet (MARKT lediglich um 4% erhöhte (HAIDACHER, 2004). GARMISCH-PARTENKIRCHEN, 2004). Bei den meisten Nebenwohnsitzen handelt es sich um Zweitwoh- nungen.

Zweitwohnungen stellen für die Gemeinden eine erhebliche Belastung dar. Die Gemeinden müssen die vollen Infrastrukturkosten tragen, bekommen aber im Gegenzug kaum Einnahmen. Zudem wird hier zusätzliche Fläche in Anspruch genommen, die Einheimischen nicht mehr zur Verfügung steht. Außerhalb der Feriensaison wirken Siedlun- gen mit einem hohen Anteil an Zweitwohnungen unbelebt und beeinflussen dadurch das Ortsbild und den Gemeindecharakter eher negativ.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 89 Siedlung und Gewerbe

Nach einem Beschluss der bayerischen Staatsre- 16.10.1998, das Protokoll Raumplanung und nach- gierung vom März 2004 sind die Kommunen be- haltige Entwicklung bereits am 20.12.1994 von rechtigt, eine Zweitwohnungssteuer zu erheben, Deutschland unterzeichnet, beide Protokolle sind da sich die Zweitwohnungsbesitzer nicht über in Kraft getreten. verbrauchsabhängige Abgaben an der Finanzie- Das Bodenschutzprotokoll schreibt grundsätzlich rung der Infrastruktur beteiligen. Diese, von einen sparsamen und schonenden Umgang mit Naturschutzverbänden seit langem geforderte Böden vor (Präambel, Art.1, Art. 2, besonders Art.7). Steuer, ist zu begrüßen. Sie begünstigt zum einen Das Protokoll Raumplanung und nachhaltige Ent- die Umnutzung bestehender Zweitwohnungen, wicklung enthält Vereinbarungen für eine ange- zum anderen ermöglicht sie den Kommunen Ein- messene und haushälterische Abgrenzung von nahmen, mit denen diese die Infrastrukturkosten Siedlungsgebieten, die Erhaltung und Gestaltung für Zweitwohnungen decken können. Der Gemein- von innerörtlichen Grünflächen und Naherho- derat der Stadt Oberstdorf hat bereits die Einfüh- lungsräumen am Rand der Siedlungsgebiete, die rung einer Zweitwohnungssteuer in enger Abstim- Begrenzung des Zweitwohnungsbaus und die Er- mung mit den Nachbargemeinden beschlossen. haltung der charakteristischen Siedlungsformen (Art. 9).

Baugesetzbuch Das Baugesetzbuch enthält in § 1 a (1) die Ver- pflichtung zum sparsamen Umgang mit Grund und Boden. Ferner sieht das Baugesetzbuch vor, dass Bodenversiegelungen auf ein notwendiges Maß zu begrenzen sind. Eine wichtige Steuerungsmöglichkeit für die wei- tere Siedlungsentwicklung bietet das sog. Einhei- mischenmodell (Baugesetzbuch § 11 I 2). Dieses Modell ermöglicht es den Gemeinden, vor der Ausweisung von neuem Bauland mit privaten Baulandbesitzern Verträge zu schließen, die diese verpflichten, Baulandgrundstücke innerhalb einer bestimmten Frist nur an Einheimische zu veräu- ßern. Hierdurch kann Bauland gezielt für Einhei- mische ausgewiesen und der Zweitwohnungsbau begrenzt werden.

Bayerisches Bodenschutzprogramm Bereits 1991 forderte das Bayerische Boden- schutzprogramm, dass die Inanspruchnahme freier Flächen durch den Einsatz des überfach- lichen Instrumentariums von Raumordnung und Landesplanung verringert werden müsse. Lang-

Foto: Wessely Foto: fristig sei ein Ausgleich zwischen neuen Flächen- In einigen Alpengemeinden ist jede 5. Wohnung eine Zweitwohnung. nutzungsansprüchen und der Rekultivierung oder Renaturierung bisher für Siedlung, Verkehr und Infrastruktureinrichtungen beanspruchten Flä- chen anzustreben. Diese Zielsetzungen werden 2.5.3 Wichtige rechtliche bisher jedoch nicht durch konkrete Rechtsbestim- und planerische mungen umgesetzt. Festlegungen Landesentwicklungsprogramm Bayern Alpenkonvention Die 2003 in Kraft getretene Neufassung des Lan- ie Alpenkonvention (ÖAV, 2001) behandelt die desentwicklungsprogramms (StMLU, 2003 b) akzentu- DLeitlinien für eine nachhaltige Siedlungs- und iert die Ziele für eine flächensparende Bodenpoli- Gewerbeentwicklung im Alpenraum in mehreren tik deutlich stärker, als die vorangegangene Fas- Protokollen. Die wichtigsten Zielfestlegungen da- sung. U.a. enthält das LEP in Kap. B VI (Nachhalti- zu enthält das Bodenschutzprotokoll sowie das ge Siedlungsentwicklung) folgende Festlegungen: Protokoll Raumplanung und nachhaltige Entwick- • Die Zersiedlung der Landschaft soll verhin- lung. Das Bodenschutzprotokoll wurde am dert werden,

90 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Siedlung und Gewerbe

• Es soll darauf hingewirkt werden, dass leer- chenhaft konkretisiert. Die regionalen Grünzüge stehende Bausubstanz, insbesondere in den sollen insbesondere Freiflächen für ein gutes Bio- Stadt- und Dorfkernen, angemessen genutzt klima, Naherholung und die Gliederung der Sied- wird, lungsräume in Gebieten mit starkem Siedlungs- • Die Umnutzung von brachliegenden, ehemals druck (z.B. Oberes Illertal) erhalten. Zudem wer- baulich genutzten Flächen, insbesondere den im Regionalplan landschaftliche Vorbehalts- ehemals von Militär, Bahn, Post und Gewerbe gebiete ausgewiesen. Diese genießen allerdings genutzter Flächen im Siedlungsbereich soll keinen eigenen Schutzstatus, es müssen lediglich verstärkt und die Baulandreserven mobili- die Belange des Naturschutzes und der Land- siert werden, schaftspflege besonders berücksichtigt werden. • Die Möglichkeiten angemessener Nachver- dichtung sollen genutzt werden, Bauleitplanung • Auf die Nutzung bereits ausgewiesener Bau- Die Ortsplanung ist gemäß Art. 28 des Grundge- flächen soll hingewirkt werden, setzes und Art. 83 der Bayerischen Verfassung • Siedlungs- und Erschließungsformen sollen Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden. flächensparend sein und die Versiegelung Wesentliche Instrumente der Ortsplanung sind von Freiflächen gering gehalten werden. die Bauleitpläne, die gemäß Baugesetzbuch • Einem unverhältnismäßigen Zuwachs von (BauGB) von den Gemeinden in eigener Verant- Bevölkerung und Arbeitsplätzen soll ent- wortung aufzustellen sind. Bauleitpläne sind der gegengewirkt werden, Flächennutzungsplan (vorbereitender Bauleit- • Die alpinen Gefahrenpotentiale sollen mini- plan) und der Bebauungsplan (verbindlicher Be- miert werden (wenngleich dies im LEP nicht bauungsplan). Die Bauleitpläne sind gemäß §1 spezifiziert ist, dürfte damit auch die passive Abs. 4 BauGB den Zielen der Raumordnung anzu- Gefahrenvorsorge (keine Siedlungen in passen. Verbindliche Ziele der Raumordnung, de- gefährdeten Gebieten) gemeint sein. nen die Bauleitpläne gemäß § 1 Abs. 4 BauGB anzupassen sind, enthalten: Diese grundsätzlich positiven Zielsetzungen blei- • das Landesentwicklungsprogramm ben im LEP aber insgesamt sehr vage. Insbeson- • fachliche Programme und Pläne dere fehlen quantifizierte Reduzierungsziele zur (z.B. Bodenschutzprogramm) Verringerung des Flächenverbrauchs, ebenso wie • die Regionalpläne. die Einführung der Planungskategorie »Vorrang- fläche/-gebiet freie Landschaft«. Auch wird die Erreichung der o.g. Ziele durch Zielvorgaben an- 2.5.4 Handlungs- derer LEP-Kapitel, die großflächige Siedlungs- empfehlungen und insbesondere Gewerbeansiedlungen begün- stigen, konterkariert (näheres dazu in Kap. 3). V.a. Raumplanung allgemein durch die Aufnahme einer Vielzahl von Straßen- n der Studie »Zukunftsfähiges Deutschland« bauprojekten als konkrete landesplanerische Zie- Iwurde u.a. der Grundsatz formuliert, dass nicht le auch im bayerischen Voralpenland wurden die erneuerbare Ressourcen nur in dem Maße ge- Anreize für einen verschärften Flächenverbrauch nutzt werden dürfen, in dem sie regeneriert oder und Zersiedelungsdruck weiter erhöht. durch andere Ressourcen ersetzt werden können (BUND, MISEREOR, 1996). Nach dieser Studie sollte bis Regionalpläne zum Jahr 2010 ein Gleichgewicht zwischen neuen Regionalpläne sollen ein überfachlich abgestimm- Flächennutzungsansprüchen und der Rekultivie- tes Gesamtkonzept zur nachhaltigen Raument- rung oder Renaturierung bisher für Siedlung, Ver- wicklung einer Region bilden. Ihre Zielaussagen kehr und Infrastruktureinrichtungen beanspruch- sind für Behörden verbindlich und bilden insbe- ter Flächen geschaffen werden. sondere einen Rahmen für die Erstellung von Flä- chennutzungsplänen. Die Grundsätze des Regio- Als sofortiger erster Schritt zur Realisierung die- nalplans müssen bei Abwägungen berücksichtigt ses Ziels sollte in den deutschen Alpen eine Ober- werden. Regionalpläne enthalten auch Aussagen grenze für Neuversiegelungsfläche pro Zeiteinheit zur Weiterentwicklung der Siedlungsstruktur. So verbindlich eingeführt und die Einhaltung über soll die Siedlungstätigkeit in den Fremdenver- jährliche Flächenstatistiken nachgewiesen wer- kehrsgemeinden nach dem Regionalplan der Pla- den. nungsregion 16 (Allgäu) beschränkt werden, um eine Beeinträchtigung der landschaftlichen Im Landesentwicklungsprogramm und den Regio- Attraktivität zu vermeiden. Diese Zielsetzung wird nalplänen sollte flächendeckend die Planungska- durch die Festsetzung regionaler Grünzüge flä- tegorie »Vorranggebiet Landschaft« eingeführt

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 91 Siedlung und Gewerbe

werden, um Vorgaben für die Bauleitplanung der kirchen und die attraktive Landschaft des Oberen Gemeinden zu setzen. Diese Planungskategorie Loisachtals erhalten bleiben. Allerdings gibt es sollte einen bindenden Charakter erhalten. aktuell Bestrebungen, von diesem Beschluss abzurücken und neue Gewerbegebiete für ein In Gebieten, die von Überschwemmungen be- Anwendungs- und Dienstleistungszentrum im droht sind, sollte es keine Neuausweisungen von Zusammenhang mit der geplanten Ansiedlung der Bauland geben. Aufgrund der durch die Klimaver- Sport-Akademie auszuweisen (HOCH, 2004). änderung zu erwartenden wesentlich häufigeren und heftigeren Hochwasserereignisse im Alpen- raum reicht als Bemessungsgrundlage die Zone des sog. 100-jährigen Hochwassers nicht aus. Ebenso sollte kein Bauland mehr neu ausgewie- sen werden, wenn die jeweilige Fläche von Mas- senbewegungen, wie Steinschlag, Lawinen, Mu- ren, etc. bedroht ist. Entsprechende Widmungen in Flächennutzungsplänen sind zurückzunehmen, sofern noch kein Bebauungsplan erstellt wurde. Bei besonders hohen Risiken sollten auch Rück- widmungen von in Bebauungsplänen genehmig- ten Bauflächen in Freiflächen vorgenommen und die Grundstückseigentümer dafür entschädigt werden. Neben den Naturgefahren muss vor einer

Baulandwidmung im Flächennutzungsplan sicher- Baumeister ökologische Forschung/Oswald Gesellschaft f. Foto: gestellt sein, dass keine ökologisch wertvollen Gemeindeentwicklung mit Weitblick: Bereits in den 60er Jahren Gebiete betroffen sind. beschloss der Gemeinderat von Garmisch-Partenkirchen, keine Bevor der Beschluss für die Neuaufstellung von neuen Baugebiete mehr auszuweisen. Die reizvolle Wiesen- landschaft um den fast 30.000 Einwohner zählenden Ort, blieb Bauleitplänen gefasst wird, sollte verpflichtend so bislang erhalten. geprüft werden, ob nicht bereits vorhandene Bau- möglichkeiten genutzt werden können. Umnut- Bei der Neuaufstellung von Bebauungsplänen zung, Flächenrecycling, Nachverdichtung und sollen klare Vorgaben für eine ansprechende bau- Baulückenschließung bieten in den meisten Orten liche Gestaltung und den sparsamen Umgang mit ein großes Potenzial für weitere Siedlungs- und der Fläche, insbesondere bei Gewerbebauten auf- z.T. auch Gewerbegebiete. Für die deutschen genommen werden. Alpengemeinden bieten insbesondere Baulücken- aktivierung und Nachverdichtung große Po- Für alle Planungsregionen im Deutschen Alpen- tenziale. Wie die Erfahrungen aus verschiedenen raum sollten Landschaftsrahmenpläne aufgestellt Modellgemeinden, in denen Kommunen aktiv auf und in die Regionalpläne eingearbeitet werden die Eigentümer von Baulücken und zur Nachver- (derzeit in keiner Planungsregion der Fall). Wich- dichtung geeigneten Grundstücken zugegangen tig ist zudem die Aufstellung bzw. Aktualisierung sind zeigen, kann so in erheblichem Umfang neu- von Landschaftsplänen in allen Alpengemeinden er Wohnraum und z.T. auch Gewerberaum im Be- sowie deren Integration in die Flächennutzungs- stand geschaffen werden. Über die wichtigsten Ar- pläne. Die Dringlichkeit dieser Forderung zeigt beitsschritte informiert die Broschüre »Kommuna- eine Analyse des Ist-Zustandes: Nach einer Zu- les Flächenressourcen-Management« (StMLU, 2003 a). sammenstellung des Bundesamts für Naturschutz (BfN, 2004) verfügen nur 50 der 101 Gemeinden in Der Markt Garmisch-Partenkirchen hat schon in den deutschen Alpen über einen Landschaftsplan. den 60er Jahren die Bedeutung von Freiflächen 22 dieser Landschaftspläne wurden vor über 20 für die Wohnqualität und den Tourismus erkannt Jahren erstellt, nur 8 Landschaftspläne sind jün- und einen Gemeinderatsbeschluss gefasst, nach- ger als 10 Jahre und damit auf aktuellem Stand. dem keine neuen Baugebiete mehr ausgewiesen 22 Landschaftspläne sind laut dem Bundesamt werden sollen. Seitdem wurde dieser Beschluss für Naturschutz derzeit in Bearbeitung. Die Arbeitshilfe »Kommu- nie angetastet, lediglich die zwei damals schon Genehmigungsbehörden für Flächennutzungsplä- nales Flächenressourcen- ausgewiesenen Baugebiete wurden bebaut. Im ne der Gemeinden sollten zukünftig wieder die Management« enthält 1996 verabschiedeten Gemeindeentwicklungspro- Bezirksregierungen sein, da diese weniger poli- wertvolle Hinweise, um die gramm wurde der Beschluss bestätigt. Das Ge- tisch beeinflusst sind, als die derzeitigen Geneh- Flächeninanspruchnahme meindeentwicklungskonzept sieht vor, dass die migungsbehörden (Landratsämter) und vermut- durch Siedlungen zu redu- Möglichkeiten zur baulichen Verdichtung genutzt lich eher nach fachlichen Kriterien urteilen wer- zieren. werden und der Grüngürtel um Garmisch-Parten- den. Auf diese Weise kann die Durchgängigkeit

92 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Siedlung und Gewerbe der Planungsziele vom Landesentwicklungspro- Neubau. Auch Jahre später ist die Firma von gramm über die Regionalpläne bis zum kommu- der Richtigkeit der Entscheidung überzeugt nalen Flächennutzungsplan verbessert werden. (HERBARIA, 2004). • Benachbarte Städten und Gemeinden sollten Gewerbegebiete sich zum gemeinsamen Gewerbegebietsma- Die Kommunen finanzieren ihren Haushalt zur nagement verpflichten. Bauleitpläne für grö- Zeit zu einem erheblichen Teil aus der Gewerbe- ßere Gewerbegebiete sollten nur noch in Ver- steuer. Dies führt unter den Kommunen zu einer bindung mit einem verpflichtend umzuset- Konkurrenz um Unternehmen, von denen Gewer- zenden Verkehrskonzept, das den öffent- besteuerzahlungen erwartet werden. Gerade in lichen Verkehrsmitteln Vorrang einräumt, ländlichen Gebieten erbringen Gemeinden für genehmigt werden. eine Unternehmensansiedlung oft große finan- zielle Vorleistungen (Erschließung) und schaffen Wohnbauflächen planungsrechtlich die Möglichkeiten für kosten- • Die Rahmenbedingungen für verdichtetes Das Schwarzbuch Gewer- günstige und damit oft flächenintensive Gewerbe- ökologisches Bauen sollten weiterentwickelt begebiete in Bayern des bauten. Bei der anstehenden Neuordnung der werden (Pendlerpauschale, Eigenheimzulage, Bund Naturschutz enthält Kommunalfinanzen sollte die Bedeutung der Ge- ökologische Steuerreform etc.). weitere Vorschläge für den werbesteuer für die Gemeindehaushalte stark zu- • Entsprechend den Vorgaben der Raumpla- sparsamen Umgang mit rückgefahren werden. Eine wesentlich geringere nung, sollte notwendiges weiteres Siedlungs- Fläche. Abhängigkeit der Gemeindehaushalte von den wachstum v.a. auf zentrale größere Orte nach Download unter: Gewerbesteuereinnahmen ist eine zentrale Vor- dem Landesentwicklungsprogramm gelenkt www.bund-naturschutz.de/ aussetzung dafür, dass in den Bauleitplänen zu- werden. Derzeit ist insbesondere eine rege projekte/flaechen/aktion/ künftiger Gewerbegebietsansiedlungen Festsetzun- Siedlungstätigkeit in ländlichen Gemeinden schwarzbuch.html gen zum Flächensparen und für eine landschafts- festzustellen. angepasste Bauweise aufgenommen werden. • Beim Siedlungsbau sollten die landschaft- • Um die Flächeninanspruchnahme zu minimie- lichen Vorgaben und der Charakter des Ortes ren, sollte eine Abgabe für Neuversiegelung stärker berücksichtigt werden. Neue Sied- eingeführt und die Unternehmen verpflichtet lungsgebiete sollten grundsätzlich nur noch werden, alle bestehenden, nicht mehr benö- in flächensparender Bauweise geplant wer- tigten versiegelten Flächen zu entsiegeln. den (z.B. Mehrfamilien- oder Reihenhäuser, • Neue Gewerbegebiete sollten flächensparend statt Einfamilienhäuser). Die Anwendung flä- und nur dann ausgewiesen werden, wenn ein chensparender Kriterien, wie sie z.B. im Leit- Bedarf nachgewiesen werden kann. Die Prü- faden »Kommunales Flächenressourcenma- fung der Möglichkeit, leerstehende Bausub- nagement« (StMUGV 2003) zusammengestellt stanz umzunutzen, muss Vorrang vor Neu- sind, sollte bei allen neuen Wohnbaugebieten bauten haben. Auch in den Alpen gibt es sichergestellt sein. immer wieder Leerstände gewerblicher Bau- • Insbesondere in den größeren zentralen ten, die von anderen Gewerbebetrieben gut Orten der deutschen Alpen bestehen inner- genutzt werden könnten, wie das Beispiel der orts oft massive Defizite an allgemein zu- Firma Herbaria Kräuterparadies GmbH im gänglichen Grünflächen. Wegen der hohen Landkreis Miesbach zeigt. Bedeutung wohnungsnaher Grünflächen, Im Zuge der Firmenexpansion stand bei der insbesondere für weniger mobile Personen- Firma Herbaria, die u.a. Tees aus ökologi- gruppen wie Kinder, Senioren und Be- scher Erzeugung abpackt, vor einigen Jahren hinderte, sollten entsprechende Defizite ein Umzug an. Vorgesehen war zuerst ein abgebaut werden. Neubau in einem ökologisch wertvollen • Alle Möglichkeiten zur Umnutzung bestehen- Feuchtgebiet bei Schliersee, für den die der Zweitwohnungen sollten genutzt werden. Gemeinde auch bereits eine Genehmigung Dazu sollte auch die Zweitwohnungssteuer erteilt hatte. Da ein Neubau in einer natur- von möglichst allen Alpengemeinden einge- schutzfachlich hochwertigen Fläche aber führt werden. Oberstdorf hat hier eine Vorrei- nicht mit der Firmenphilosophie und dem terrolle übernommen. Bei rund 1.700 Zweit- ökologischen Image vereinbar schien, ent- wohnungen rechnet der Kämmerer mit Ein- schied sich Herbaria stattdessen zum Umbau nahme in Höhe von 300.000 € bis 400.000 € eines leerstehenden Fabrikgebäudes. Beim (dpa, 2004). Umbau der 3000 m2 großen Nutzfläche konn- te nicht nur die Umwelt geschont werden, der Umbau war auch billiger als der geplante

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 93 Siedlung und Gewerbe

2.5.5 Quellennachweis

BÄTZING, W, 2002: Die aktuellen Entwicklungen von Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft und Bevölkerung in den Alpen, Kurzfassung BfN, 2004: Landschaftsplanverzeichnis für Bayern; http://www.bfn.de/03/by_lp.pdf BN, 2003: Schwarzbuch Gewerbegebiete Bayern, Bund Naturschutz Forschung, Nr. 7, Nürnberg BN, KREISGRUPPE ROSENHEIM, 2004: Der Flächenfraß in Bayern – CD zur Ausstellung, unveröff. BUND, MISEREOR (Hrsg.), 1996: Zukunftsfähiges Deutschland: ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung, Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie GmbH, 4. Auflage; Basel, Boston, Berlin CIPRA-INTERNATIONAL, 2001: Alpenreport 2, Bern, Stuttgart, Wien DPA, 2004: Meldung der dpa; SZ vom 2.7.2004 EFFERN, H., 2004: Ein Nachbar, der zum Himmel stinkt - Raublinger Bürger wehren sich mit ungewöhnlichen Mitteln gegen die Geruchsbelästigung einer Papierfabrik, SZ vom 1.3.2004 HAIDACHER, R., 2004: Den Flächenfraß stoppen - BN-Mitteilungen »Brennessel« der Kreisgruppe Rosenheim 13/ 04, S. 9 HERBARIA, 2004: mündliche Auskunft HOCH, A. 2004: Sport-Akademie nimmt Konturen an; SZ vom 19.7.2004 ISAR-LOISACH-BOTE, 2004: Ferienorte freuen sich auf neue Einnahmequelle - Zweitwohnungssteuer: Hindelang war Vorreiter; Isar-Loisach-Bote vom 17.3.2004 LfStaD, 1981, 1989, 1997 und 2001: Die Bodenflächen Bayerns nach Nutzungsarten – Ergebnisse der Flächenerhebung in den jeweiligen Jahren, München MARKT GARMISCH-PARTENKIRCHEN, 2004: website unter www.garmisch-partenkirchen.de ÖAV, 2001: Die Alpenkonvention, Fachbeiträge, Serie: Alpine Raumordnung, Nr. 17 ÖSTERREICHISCHES INSTITUT FÜR RAUMPLANUNG, 2003: Halbzeitbewertung INTERREG IIIA Deutschland/Bayern – Österreich, Endbericht, Wien StMLU, 2003 a: Arbeitshilfe »Kommunales Flächenressourcen-Management«, 48 S. und CD, Hrsg.: StMLU und Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern StMLU, 2003 b: Landesentwicklungsprogramm Bayern StMUGV, 2004: Bevölkerungsentwicklung in Bayern; http://www.umweltministerium.bayern.de/aktuell/topthem/bev_entw.htm, 02.06.2004

94 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Energieerzeugung

2.6 Energieerzeugung

2.6.1 Einleitung

er derzeitige Energieverbrauch in den Indus- Dtrieländern ist nicht nachhaltig: fossile Ener- Wichtigste Ener- gieträger sind begrenzt, der Energieverbrauch aus giequelle in den fossilen Brennstoffen trägt durch den Ausstoß deutschen Alpen ist bislang die von Kohlendioxid maßgeblich zur globalen Klima- Wasserkraft. Rund veränderung bei. Kernenergie, die in Bayern im 2% des bayeri- Jahr 2000 einen Anteil von 26,1% am Primärener- schen Stromver- gieverbrauch und 63,7% an der Stromerzeugung brauchs wird in Wasserkraftwerken hatte (StMWV, 2002), ist aufgrund der erheblichen der deutschen

Risiken, ungelöster Fragen der Endlagerung und Wessely Foto: Alpen erzeugt. der ebenfalls begrenzten Primärenergieträger ebenfalls keine Lösung. stufen Nußdorf und Oberaudorf am Inn (Landkreis Rosenheim), der Sylvensteinspeicher an der Isar In den deutschen Alpen selbst gibt es weder gro- und das Walchenseekraftwerk (beide Landkreis ße Wärmekraftwerke, noch Kernkraftwerke. Die Bad Tölz-Wolfratshausen), das Saalachkraftwerk deutschen Alpen sind aber wichtiger Produktions- bei Bad Reichenhall und die Stauwehre am Lech ort für erneuerbare Energien. (Landkreis Ostallgäu).

Wasserkraft Aufgrund des großen Gefälles und des Wasser- Abb. 8: Wasserkraftwerke in den deutschen Alpen (2001) reichtums der alpinen Flüsse wird in den deut- schen Alpen ein nennenswerter Teil der Energie- versorgung Bayerns durch Wasserkraft sicherge- Wasserkraftwerke in den deutschen Alpen stellt. Im Jahr 2000 wurden 17,6 % des bayeri- nach Leistungsklassen (2001) 80 schen Strombedarfs durch Wasserkraft gedeckt (StMWVT, 2002). Damit ist Wasserkraft derzeit die bei weitem bedeutendste regenerative Energiequelle 60 in Bayern. Die Ausbauleistung von bayernweit 4.248 Wasserkraftanlagen beläuft sich insgesamt 40 auf ca. 2,8 Mio. kW (LfW, 2004 a). 362 (8 %) der Was- serkraftanlagen liegen in den deutschen Alpen. 20 Ihre Ausbauleistung beläuft sich auf 340.000 kW. Das entspricht 12 % der gesamtbayerischen Energieerzeugung in Wasserkraftanlagen. In den 0 ‹ 9 10–24 25–49 50–99 100–499 500–999 1000– 5000– › 10000 deutschen Alpen befinden sich v.a. Kleinst- und 4999 9999 Kleinwasserkraftwerke. 352 der 362 Anlagen Ausbauleistung (kW) (97%) haben eine Ausbauleistung von weniger als 1.000 kW und sind damit Kleinwasserkraftwerke. Quelle: LfW, 2004 b, Datenstand 9/2001 Die Kleinwasserkraftwerke tragen aber nur rund 18% zur Ausbauleistung in den deutschen Alpen bei. Die 10 Großkraftwerke (Ausbauleistung › 1000 kW) entsprechen 82% der Ausbauleistung. Die wichtigsten Stromlieferanten sind die Stau-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 95 Energieerzeugung

Tab. 7: Ausbauleistung der Wasserkraftwerke in Die Kraftwerke in den deutschen Alpen sind über- den deutschen Alpen, differenziert nach wiegend Ausleitungskraftwerke (93%). Daneben Leistungsklassen (2001) gibt es 25 Fluss- und Staukraftwerke (7%) und ein Pumpspeicherkraftwerk (Warmatsgrund/ Oberall- Ausbauleistungs- Ausbauleistung gäu). klasse (kW) summiert (kW) ‹ 9 291 Wasserkraft ist zwar einerseits durch die fehlen- 10 – 24 1245 den Emissionen und die Regenerativität eine sehr 25 – 49 2539 umweltfreundliche Energie, andererseits führt sie 50 – 99 3781 zu gravierenden Eingriffen in den Naturhaushalt. 100 – 499 14030 Je nach Kraftwerkstyp, Bauart und Betriebsfüh- 500 – 999 8446 rung ist das Ausmaß der negativen Wirkungen auf 1000 – 4999 26422 den Naturhaushalt sehr unterschiedlich. Bei dem 5000 – 9999 12090 in den deutschen Alpen weit überwiegenden Typ › 10000 269650 des Ausleitungskraftwerks korreliert das Maß der Gesamt: 338494 Beeinträchtigung von Natur und Landschaft ins-

Quelle: LfW, 2004 b, Datenstand 9/2001 besondere mit der sog. Restwassermenge. Dabei handelt es sich um die Menge an Wasser, die im In den verschiedenen Alpenlandkreisen Deutsch- ursprünglichen Bach verbleibt. Je geringer die lands weichen Zahl und Ausbauleistung der Was- Restwassermenge ist und je weniger natürliche serkraftanlagen stark voneinander ab. Die mei- Dynamik erhalten bleibt, um so größer sind die sten Wasserkraftanlagen befinden sich im Land- negativen Wirkungen. Vielfach liegt die Restwas- kreis Rosenheim, wobei hier aber nur rund 40% sermenge in den Bächen und Flüssen der deut- der Anlagen im eigentlichen Alpenraum liegen, schen Alpen weit unter dem Wert, der ökologisch die restlichen 60% befinden sich im Alpenvor- akzeptabel ist. Tiefgreifend sind die Eingriffe in land. Spitzenreiter im Alpenraum ist der Landkreis die Ökologie auch beim zweiten Haupttyp der Oberallgäu mit 68 Anlagen. Wasserkraftanlagen in den deutschen Alpen, den Staukraftwerken. Der Aufstau verändert die öko- Abb. 9: Zahl der Wasserkraftanlagen in den deutschen Alpenlandkreisen und logischen Bedingungen des Fließgewässers radi- den Alpen (2001) kal. Die natürliche Flussdynamik ist nicht oder nur noch sehr eingeschränkt vorhanden, wodurch das Zahl der Wasserkraftanlagen (2001) Ökosystem grundlegend verändert wird. Gestaute 180 Bereiche sind wärmer und sauerstoffärmer, Sedi- 160 mente lagern sich ab. Der Geschiebetransport 140 wird unterbrochen, mit oft gravierenden Auswir- 120 kungen bis in weit entfernt gelegene Fluss- und

100 Bachabschnitte. Die Durchgängigkeit für wan- dernde Tierarten der Gewässer wird einge- 80 schränkt, oft sogar unterbunden. Fischtreppen 60 können die Barrierewirkung von Stauwehren zwar 40 reduzieren, aber nicht aufheben. Zahlreiche Tier- 20 arten nehmen Fischtreppen als Wanderhilfen

0 flussauf nicht an. Zudem fehlen an vielen Stau- LI WM TÖL OAL GAP MB BGL RO TS OA wehren Fischtreppen vollständig. Nach einer Un- tersuchung des Bayerischen Fischereiverbands Quelle: LfW, 2004 b, Datenstand 9/2001 Landkreis gesamt sind nur 28% der Querbauwerke in den Schwäbi- davon in den Alpen Die Abkürzungen entsprechen den Kfz-Kennzei- schen Fließgewässern flussaufwärts für Fische chen der Alpenlandkreise: durchgängig oder zumindest eingeschränkt LI Lindau durchgängig (STROHMEIER, 2002). WM Weilheim-Schongau TÖL Bad Tölz-Wolfratshausen Wie massiv die Nutzung einiger Bäche für die OAL Ostallgäu Wasserkraft ist, zeigt die Situation im Gemeinde- GAP Garmisch-Partenkirchen bereich von Oberstdorf im Oberallgäu. An neun MB Miesbach Bächen sind dort 13 Wasserkraftanlagen errichtet BGL Berchtesgadener Land (LfW, 2004 b). Nur eine einzige dieser Anlagen besitzt RO Rosenheim eine Aufstiegshilfe für Fische, die zudem nicht TS Traunstein optimal ist. Auch der Gießenbach in der Gemein- OA Oberallgäu de Oberau (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) ist

96 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Energieerzeugung für die Energieerzeugung stark verändert worden. In den letzten Jahren entstanden im Alpenvorland An dem nur rund 7 km langen Bach befinden sich vermehrt Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen, sechs Laufkraftwerke (LfW, 2004 b). z.T. auf Äckern, z.T. auch auf Sonderflächen, wie etwa der Mülldeponie Erbenschwang (Landkreis Brennholz Weilheim-Schongau). In den letzten Jahren gab es eine deutlich höhere Nachfrage nach Holzheizungen sowohl bei Privat- Wind haushalten, als auch abgeschwächt in öffent- Bislang sind im deutschen Alpenraum keine kom- lichen und gewerblichen Gebäuden. Insbesonde- merziellen Windkraftanlagen errichtet. Die Wind- re Holzpelletheizungen wurden vermehrt instal- geschwindigkeit variiert sehr stark auf engstem liert. Die deutschen Alpen sind ein wichtiger Lie- Raum. Sehr hohe Windgeschwindigkeiten treten ferant für Brennholz, das sowohl in Form von Pel- in Gipfellagen auf, während in den oft nur wenige lets als auch als traditionelles Scheitkaminholz Kilometer entfernten Tallagen Schwachwinde vor- vermarktet wird. herrschen (StMWVT, o.D.). An einigen Standorten, insbesondere im Allgäu und in den Landkreisen Biogasanlagen Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen Biogasanlagen gelten als sehr zukunftsträchtige sind ausreichende Windgeschwindigkeiten für die Strom- und Wärmequelle. In Bayern gibt es bis- Errichtung von ökonomisch tragbaren Windkraft- lang 650 Biogasanlagen. Dies entspricht einem anlagen gegeben. Drittel aller mit Biomasse betriebenen Gasanla- Während Windkraftanlagen im deutschen Alpen- gen in Deutschland (THYM, 2004). In den deutschen raum bislang fehlen, wurden im Alpenvorland und Alpen hat sich diese neue Technologie bislang nur hier insbesondere im nördlichen Landkreis Ostall- vereinzelt etabliert. gäu, in den letzten Jahren eine Reihe von Anlagen errichtet. Solarkraft Trotz häufiger Schlechtwetterphasen liegt die Geothermie mittlere Jahressumme der Globalstrahlung in den Bayern hat grundsätzlich günstige Voraussetzun- deutschen Alpen deutlich über den bundesdeut- gen für die Geothermie, da es auf einem riesigen schen Durchschnittswerten (DWD, o.D.). In den letz- geothermischen Wärmepolster liegt. Einzelne ten Jahren wurden – regional sehr unterschied- geothermische Projekte, wie z.B. die Therme lich – Anlagen zur Solarthermie und Photovoltaik Erding oder die aktuelle Bohrung der Gemeinde auch im deutschen Alpenraum vermehrt errichtet. Unterhaching im Landkreis München belegen Allein in den Landkreisen Rosenheim, Traunstein dies. In den Alpengemeinden gibt es nach Wissen und Berchtesgadener Land wurde im Rahmen der des BN bislang noch keine Projekte zur Nutzung Umwelt-Initiative »Sonnenstrom vom Watzmann der Geothermie. bis zum Wendelstein« in den letzten drei Jahren eine Leistung von fast 6 MW installiert. 44 Bürger- solarkraftwerke und unzählige private Haushalte 2.6.2 Zentrale speisen den Solarstrom ins Netz ein. Damit ge- Herausforderungen hört die Region zu den besten 10 in Deutschland (EFFERN, 2003). Bis Ende 2006 plant die Initiative die er Energieverbrauch steigt trotz Effizienzstei- Installation von 30 Megawatt in allen 5 Landkrei- Dgerungen weiterhin an. Zwischen 1970 und sen der Region Südostoberbayern (UMWELT KOMMU- 2000 erhöhte sich der Primärenergieverbrauch in NALE ÖKOLOGISCHE BRIEFE, 2004 a). Das Projekt wird von Bayern um 73% (StMWVT, 2002). den Kommunen wesentlich unterstützt. So hat z.B. die Stadt Traunstein die Betriebe im neuen Ein zukunftsfähiges Energiesystem basiert auf Gewerbepark verpflichtet, entweder eine eigene drei Säulen: Solarstromanlage zu bauen oder das Dach einem • Energieeinsparung und Effizienzsteigerung Betreiber zur Verfügung zu stellen. Wird keine als wichtigstes Standbein, Anlage installiert, sieht die Stadt eine Vertrags- • Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, strafe von 300 € je Quadratmeter nutzbarer • Förderung regenerativer Energieträger. Solarfläche vor; das Geld wird ggf. für Solarpro- jekte verwendet (UMWELT KOMMUNALE ÖKOLOGISCHE BRIE- Da die beiden erst genannten Punkte keine alpen- FE, 2004 b). Vorreiterfunktion hat auch die Gemeinde spezifischen Komponenten aufweisen, wird i.f. Wildpoldsried im Landkreis Oberallgäu, die inzwi- nur die Thematik der regenerativen Energieerzeu- schen mehr Strom produziert als sie verbraucht gung näher dargestellt. (VORSAMER, 2004).

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 97 Energieerzeugung

Wasserkraftanlagen Weitere Wasserkraftanlagen sind z.B. an der Stil- lach, dem Faltenbach und an der Breitach (alle Restwasserabflüsse bei Ausleitungskraftwerken Gemeindegebiet Oberstdorf) geplant oder im Bei vielen Wasserkraftanlagen liegt die Restwas- Gespräch. Die Realisierung des Breitachkraftwer- sermenge weit unter dem ökologisch akzeptablen kes würde das wichtigste Brutgebiet des in Bay- Minimum. Einige Bäche fallen durch die Auslei- ern vom Aussterben bedrohten Flussuferläufers tungen zeitweise sogar ganz trocken. Die ökologi- durch Kiesentnahmen, Veränderung des Geschie- sche Funktionsfähigkeit ist vielfach massiv einge- beverhaltens, Verlust der Brutkiesbänke und Ver- schränkt. änderungen der Flussdynamik bedrohen (LBV, 2002). Trotz negativem Votum des Umwelt- und Pla- nungsausschusses am Landratsamt Oberallgäu hält die Gemeinde Bad Hindelang an den Planun- gen für ein neues Wasserkraftwerk an der Ostrach fest. Durch das geplante Ausleitungskraftwerk mit einem 690 m langen Stollen würde dem als Naturdenkmal und geologischem Denkmal ausge- wiesenen, eindrucksvollen, über 60 m tiefen Schluchtdurchbruch, der Eisenbreche, die im Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet Allgäuer Hoch- alpen liegt, ein Großteil des Wassers entzogen und die ökologische Bedeutung sowie das Land- schaftserlebnis massiv geschwächt.

Photovoltaik-Anlagen Durch die vergleichsweise hohen Einspeisevergü- tungen entstehen immer mehr Großanlagen im Außenbereich. Diese sind im Hinblick auf das

Foto: Wessely Foto: Landschaftsbild nicht unproblematisch. Insbeson- Am Isarwehr Krün bleiben im dere in stark bewegtem Gelände wie den Alpen Mittel nur 4 cbm Wasser pro Nachrüstung, Neubau und Wiederinbetriebnahme können solche Anlagen durch die weiten Sichtbe- Sekunde im Isarbett. Der Groß- von Wasserkraftanlagen ziehungen, verstärkt durch Spiegeleffekte, das teil des Wassers (bis zu 25 cbm/ Sekunde) wird zur Strom- 1995 ermittelte das Bayerische Umweltministe- Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Auch produktion im Walchensee- rium für ganz Bayern ein Potenzial von 810 GWh entsteht zunehmend eine »Technisierung« des kraftwerk ausgeleitet. durch Nachrüstung (d.h. Erhöhung von Durch- Landschaftsbildes. flussmengen und Fallhöhen), Neubau und Wie- derinbetriebnahme von aufgelassenen Wasser- Windkraft kraftanlagen. Ein erheblicher Anteil dieses Poten- Ähnliches wie für die Photovoltaik-Anlagen gilt für zials wurde im Alpenraum gesehen. Alle diese Windkraftanlagen. Im landschaftlich besonders Maßnahmen greifen drastisch in den Naturhaus- sensiblen Alpenraum muss bei der Planung von halt und vielfach auch das Landschaftsbild ein. Windkraftanlagen vorrangig auf die Landschafts- verträglichkeit geachtet werden. Dies ist auch für Einige Projekte wurden mittlerweile bereits reali- den Erhalt der touristischen Attraktivität wichtig. siert oder sind in Planung. Insbesondere im Land- kreis Oberallgäu wurden etliche neue Wasser- Forcierung der Brennholzvermarktung kraftanlagen gebaut. Seit 1995 hat das Landrats- In den letzten 10 Jahren hat sich insbesondere amt Oberallgäu 19 Kleinwasserkraftwerke ge- auch durch die Einführung ausgereifter Holzpel- nehmigt (FISCHEREIVERBAND BAYERN, 2003). Am berühm- letheizungen die Brennholznachfrage erhöht. In ten Naturdenkmal Lechfall bei Füssen im Land- den nächsten Jahren werden eine Reihe veralteter Die vom Landesfischerei- kreis Ostallgäu wurde 2003 eine drastische Erhö- Öl-Zentralheizungen aufgrund verschärfter Ab- verband, dem Bund Natur- hung der Ausleitungsmenge genehmigt. Statt wie gas-Vorschriften ersetzt werden. Hier besteht schutz und dem Landes- bisher max. 26 cbm pro Sekunde darf nun fast eine große Chance für neue abgasarme Holzhei- bund für Vogelschutz das Doppelte, nämlich bis zu 50 cbm pro Sekunde zungen. Aufgrund des hohen Waldanteils bietet gemeinsam veröffentlichte ausgeleitet werden. Die Mindestrestwassermen- sich in den deutschen Alpen eine verstärkte Tagungsdokumentation ge beträgt 20 cbm pro Sekunde (SCHLÖSSER, 2003). Brennholznutzung besonders an. Gleichzeitig gibt einen guten Überblick Der imposante Charakter der Touristenattraktion kann so die regionale Forstwirtschaft gestärkt über die Auswirkungen der Lechfall wird durch die Verdoppelung der Auslei- werden. Wasserkraftnutzung auf tung deutlich geschmälert. Fließgewässer.

98 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Energieerzeugung

Wasserhaushaltsgesetz (WHG, Rahmengesetz, zuletzt novel- liert 2002 und damit an die EG-Was- serrahmenrichtlinie angepasst) Die Gewässer sind nach dem WHG unter Betrachtung der Flusseinzugs- gebiete so zu bewirtschaften, dass sie dem Wohl der Allgemeinheit und im Einklang mit ihm auch dem Nut- zen einzelner dienen und dass ver- meidbare Beeinträchtigungen ihrer

Foto: Wessely Foto: ökologischen Funktionen unterblei- Mit einem dauerhaften Ölpreisrückgang ist für die Zukunft ben (Vorsorgeprinzip) und damit ins- nicht zu rechnen. Rationell zu befeuernde, abgasarme Holz- gesamt eine nachhaltige Entwicklung gewährleis- heizungen etablieren sich zunehmend als Alternative. tet wird (vgl. § 1a WHG). Bis zum Jahr 2015 soll für alle Gewässer ein guter ökologischer Zustand Ausbau von Biogasanlagen erreicht werden (chemisch, ökologisch, mengen- Dank der seit Juni 2004 geltenden Novelle des mäßig). Gewässer werden der staatlichen Auf- Erneuerbare-Energien-Gesetzes amortisiert sich sicht unterstellt. Nach WHG bedürfen das Auf- die Errichtung einer Biogasanlage nach 7 bis 12 stauen und die Entnahme von Wasser aus Fließ- Jahren (THYM, 2004). Da fast jeder Landwirt in den gewässern einer behördlichen Bewilligung. deutschen Alpen Rinder hält, bestehen hier be- Gewässer sollen in einem naturnahen Zustand sonders gute Voraussetzungen für die Auswei- belassen werden, bzw. wieder renaturiert werden, tung der Biogas-Produktion. Allerdings gibt es wenn keine anderweitigen überwiegenden Inter- einen erheblichen Nachholbedarf in der Beratung essen (hier wird ausdrücklich die Wasserkraftnut- von Landwirten über diese zukunftsträchtige zung genannt) entgegenstehen. Nebenerwerbsquelle. Energieprotokoll der Alpenkonvention Das Protokoll »Energie« wurde von Deutschland 2.6.3 Wichtige rechtliche am 16.10.1998 unterzeichnet und ist in Kraft und planerische getreten (ÖAV, 2001). Zielsetzung dieses Protokolls Festlegungen ist eine umweltverträglichere Energienutzung und vorrangige Förderung der Energieeinsparung EG-Wasserrahmenrichtlinie sowie der rationellen Energieverwendung. Vorge- (Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parla- sehen sind Maßnahmen, wie die Verbesserung ments und des Rates zur Schaffung eines Ord- der Wärmedämmung und der Effizienz von Wär- nungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft meverteilungssystemen, Leistungsoptimierung im Bereich der Wasserpolitik) der Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen, Die im Jahr 2000 verabschiedete EG-Wasserrah- Durchführung von periodischen Kontrollen und menrichtlinie legt fest, dass bis zum Jahr 2015 alle gegebenenfalls Reduktion der Schadstoffemissio- Gewässer einen »guten Zustand« erreicht haben nen thermischer Anlagen, Energieeinsparung sollen. Gleichzeitig gilt ein Verschlechterungsver- durch moderne technologische Verfahren zur bot. Für Oberflächengewässer wird – sofern sie Energieverwendung und -umwandlung, ver- nicht künstlich oder erheblich verändert sind – brauchsabhängige Abrechnung der Heiz- und ein guter chemischer und ökologischer Zustand Warmwasserkosten, Planung und Förderung von angestrebt. Für die Alpengewässer ist dabei ins- Neubauten mit Niedrigenergietechnologie, Förde- besondere der angestrebte gute ökologische Zu- rung und Umsetzung kommunaler/lokaler Ener- stand wichtig. Dieser gute Zustand bemisst sich gie- und Klimaschutzkonzepte. Weiter geht es um bei den Oberflächengewässern insbesondere die energietechnische Gebäudesanierung bei nach dem Vorkommen und der Häufigkeit aquati- Umbauten und Förderung des Einsatzes von scher Lebensgemeinschaften. Auch die Durchgän- umweltverträglichen Heizungssystemen. gigkeit der Fließgewässer wird einbezogen. Die Richtlinie wurde in Deutschland durch die Novel- Im Hinblick auf die Erzeugung erneuerbarer Ener- lierung des Wasserhaushaltsgesetzes in nationa- gien sind folgende Passagen relevant: les Recht umgesetzt. • Förderung und bevorzugte Nutzung erneuer- barer Energien, inkl. der Unterstützung dezentraler Anlagen (Art. 6),

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 99 Energieerzeugung

• Sicherstellung der ökologischen Funktionsfä- geeigneten Bereichen. Bei Wasserkraftnutzung higkeit der Fließgewässer und Unversehrtheit soll gewährleistet werden, dass die Fließgewäs- der Landschaften sowohl bei neuen wie auch serlebensgemeinschaften dauerhaft aufrechter- bei bestehenden Wasserkraftanlagen, u.a. halten werden. Beim Ausbau der Wasserkraft sol- durch Festlegung von Mindestabflussmen- len naturnahe Biotopstrukturen möglichst erhal- gen, Reduzierung von künstlichen Wasser- ten sowie die Durchgängigkeit für fließgewässer- standsschwankungen und Gewährleistung typische Arten gewährleistet werden. der Durchgängigkeit für die Fauna (Art. 7), • Verpflichtung zur Erhaltung des Wasserhaus- Regionalpläne halts in den Trinkwasser- und Naturschutzge- Die Regionalpläne für die 3 Regionen mit Alpen- bieten mit ihren Pufferzonen, in den Schon- anteil (Südostoberbayern, Oberland und Allgäu) und Ruhezonen sowie in den noch unversehr- enthalten weitere Zielvorgaben zur Energieerzeu- ten naturnahen Gebieten und Landschaften gung. Aufgrund ihrer flächenscharfen Ausweisung (Art. 7), besonders wichtig sind die Aussagen zur Wind- • Vorrang der Wiederinbetriebnahme stillgeleg- kraftnutzung. Im 2003 gültigen Regionalplan für ter Wasserkraftwerke vor Neubauten, wobei das Allgäu waren in den Alpen keine Vorrangge- die ökologische Funktionsfähigkeit und land- biete für die Windkraftnutzung ausgewiesen. schaftliche Unversehrtheit gewährleistet sein Dagegen waren für einige im Alpenvorland gele- müssen (Art. 7). gene Teile der Region Vorranggebiete für Wind- kraft festgelegt worden. Auch der Entwurf (Stand Weitere wichtige Passagen beziehen sich auf die 10/2003) des Regionalplans Oberland sieht die Energie aus fossilen Brennstoffen (Art. 8). Danach Freihaltung des Alpenteils von größeren Wind- sollen bei neuen thermischen Anlagen zur Strom kraftanlagen vor (REGIONALER PLANUNGSVERBAND OBER- und/ oder Wärmeerzeugung aus fossilen Energie- LAND, 2003). trägern die besten verfügbaren Techniken zum Einsatz gelangen und bei bestehenden Anlagen Erneuerbare-Energien-Gesetz, Ausbaugesetz die Emissionen so weit wie möglich beschränkt für Kraft-Wärme-Kopplung und Biomasse- werden. Ferner sieht Art. 8 u.a. die Förderung der verordnung Kraft-Wärme-Kopplung vor sowie die Prüfung, in- Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) regelt die wiefern thermische, mit fossilen Brennstoffen be- Abnahme und die Vergütung von ausschließlich triebene Anlagen, durch Anlagen, in denen er- aus erneuerbaren Energiequellen gewonnenem neuerbare Energieträger zum Einsatz kommen Strom durch Versorgungsunternehmen, die Netze sowie durch dezentrale Anlagen, ersetzt werden für die allgemeine Stromversorgung betreiben können. (Netzbetreiber). Durch die festgelegten Vergütun- gen werden regenerative Energien gefördert. Im Art. 10 enthält wichtige Vorgaben zum Energie- EEG ist auch die Vergütung von Strom aus Was- transport. Ober- und unterirdische Leitungen sol- serkraft geregelt. len so betrieben und angelegt werden, dass die Auf eine Stärkung erneuerbarer Energien zielt Erfordernisse des Umwelt- und Landschaftsschutz auch das Ausbaugesetz für Kraft-Wärme-Kopp- erfüllt werden und ggf. Maßnahmen zum Schutz lung (Gesetz zum Schutz der Stromerzeugung aus der Bevölkerung und der alpinen Umwelt betrof- Kraft-Wärme-Kopplung, 2000), das eine Verdop- fen werden. Neue Leitungen und Nebenanlagen pelung der Kraft-Wärme-Kopplung bis 2010 zum sollen so weit wie möglich parallel zu bereits Ziel hat. Anreize für eine stärkere Nutzung der bestehenden geführt werden. Biomasse bei der Energieerzeugung will die Bio- masseverordnung (2001) geben. Landesentwicklungsprogramm Bayern Zentrale Zielvorgaben zur Energieerzeugung ent- Förderprogramme hält auch das Landesentwicklungsprogramm Weitere wichtige Steuerungsinstrumente für die (StMLU, 2003). Die Energieerzeugung soll danach Energieerzeugung sind verschiedene Förderpro- auch künftig auf einem »ökologisch und ökono- gramme von Bund und Freistaat Bayern. Insbe- misch ausgewogenen Energiemix aus den her- sondere zu nennen sind: kömmlichen Energieträgern Mineralöl, Kohle, Erd- • KfW-Programm zur Förderung erneuerbarer gas und Kernenergie, verstärkt aber auch erneu- Energien, das als Darlehen gewährt wird und erbaren Energien beruhen«. Auf sparsame Ener- in einigen Fällen einen Teilschulderlass gieverwendung und effiziente Energieerzeugung zulässt und –nutzung soll hingewirkt werden. Das Lan- desentwicklungsprogramm ermächtigt die Regio- nalpläne zur Festlegung von für Windkraftnutzung

100 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Energieerzeugung

• KfW-ERP-Umweltprogramm – ein zinsgünsti- • Das Potenzial zur Modernisierung und Effi- ges Darlehen für gewerbliche Antragsteller zienzsteigerung bestehender Anlagen (z.B. und eine große Zahl umweltrelevanter Inves- verbesserte Turbinen, Anschluss von Klein- titionen wasserkraftwerken an das öffentliche Strom- • KfW-BMU-Programm zur Förderung von De- versorgungsnetz) sollte vermehrt genutzt monstrationsvorhaben, das teils als Zu- werden, da hier keine zusätzlichen ökologi- schuss, teils als Darlehen mit Zinszuschuss sche Belastungen auftreten. ausgezahlt wird • Wo durch den Betrieb von vorhandenen Was- • KfW-Programm zur CO2-Minderung für ver- serkraftanlagen irreparable Eingriffe in Natur schiedene Umweltmaßnahmen an Wohnge- und Landschaft erfolgen, sollten die Rechte bäuden (Darlehen) nach Möglichkeit abgelöst werden. • Sonderkreditprogramm der Landwirtschaftli- • Um wenigstens ein ökologisches Minimum an An den meisten Auslei- chen Rentenbank für Landwirtschaft/Jung- Gewässern mit Ausleitungen zu erreichen, tungsstrecken ist eine landwirte, mit dem Photovoltaikanlagen auf sollte die Restwassermenge nach den Vorga- deutliche Erhöhung der landwirtschaftlichen Wirtschafts- bzw. Wohn- ben des Restwasserleitfadens des Bayeri- Restwassermenge nötig, gebäuden und ggf. Freiflächen gefördert wer- schen Landesamts für Wasserwirtschaft (LfW, um wenigstens ein Mini- den 1999) in allen entsprechenden Gewässern mum an Ökologie wieder- • Sonderkreditprogramm der Landwirtschaft- schnellstmöglich garantiert werden. Dabei herzustellen. lichen Rentenbank für Dorferneuerung und sollten höhere Restwassermengen nicht nur ländliche Entwicklung zur Errichtung von bei neuen oder verlängerten Konzessionen, Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlich sondern grundsätzlich auch während der genutzter oder ehemals landwirtschaftlich Konzessionszeiträume festgelegt werden. Die genutzter Bausubstanz Mengenfestsetzungen im Restwasserleitfa- • Bayerisches Förderprogramm für Kleinwas- den sind aus Sicht des Bund Naturschutz die serkraftanlagen, das Zuschüsse bis zu 30% absolut unterste tolerierbare Grenze. Deshalb gewährt. Mit diesem Programm wurden seit sollten grundsätzlich höhere Durchflussmen- 1990 500 Kleinwasserkraftwerke gefördert. gen und eine ausgeprägtere Simulation der 2001 wies das Programm ein Fördervolumen natürlichen Dynamik in Ausleitungsstrecken von 1,2 Mio. € auf (StWVT, 2004). angestrebt werden. • Um die Durchgängigkeit der Fließgewässer In einer Vielzahl von weiteren Förderprogrammen für wandernde Tierarten zu verbessern, soll- von Bund und Ländern für gewerbliche Investitio- ten Querbauwerke möglichst aufgelöst wer- nen sind u.a. auch Investitionen in Anlagen für den und dort, wo dies nicht möglich ist, funk- Erneuerbare Energien förderfähig. tionsfähige Aufstiegshilfen errichtet werden. In den letzten Jahren wurden mehrere solcher Anlagen errichtet. Auch in Zeiten der Mittel- 2.6.4 Handlungs- knappheit muss die Verbesserung der Durch- empfehlungen gängigkeit für wandernde Tierarten – nicht nur für Fische – konsequent weitergeführt eben den allgemein gültigen Hauptaufgaben, werden. Aufstiegshilfen, wie der Ende 2003 NSteigerung der Energieeffizienz und Energie- beschlossene Bau einer großen Fischtreppe einsparung, sollten für eine nachhaltige Gestal- an der Isar, mit dem die Isar auf einer rund tung der Energieversorgung im deutschen Alpen- 50 km langen Strecke, vom voralpinen Hügel- raum folgende Maßnahmen schnellstmöglich rea- und Moorland bei Icking bis in die Alpen zum lisiert werden. Sylvenstein- speicher, wie- Wasserkraft der für Fische • Naturnahe Fließ- und Stillgewässer müssen voll durchgän- Tabuzonen für jegliche Eingriffe durch Neu- gig werden oder Ausbau von Wasserkraftanlagen sein. Im soll, sollten deutschen Alpenraum sollten grundsätzlich auch an ande- keine Wasserkraftwerke neu gebaut oder ren Flüssen bestehende Fallhöhen und Durchflussmen- verstärkt erich- gen gesteigert werden. tet werden (SZ, • Wiederinbetriebnahmen aufgelassener Anla- 2003). gen sollen nur dann möglich sein, wenn dies

ökologisch unbedenklich ist. Wessely Foto: Fischtreppe an der Oberen Isar am Einlauf in den Sylvensteinspeicher.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 101 Energieerzeugung

• Die derzeitige hohe finanzielle Förderung Biomasse stellt einen starken Anreiz zum Neu- und Aus- Die energetische Nutzung von Biomasse, insbe- bau von Wasserkraftanlagen dar, die vielfach sondere in regionalen Biomasseheizkraftwerken enorme Eingriffe in die Natur bedeuten, aber sowie Holzhackschnitzel- und Pelletheizungen nur marginal zur regenerativen Energie- sollte weiter ausgebaut werden. Eine systemati- erzeugung beitragen. Dies bestätigt auch die sche Analyse des Ausbaupotentials wäre gerade Publikation »Wasserkraftanlagen als erneuer- für den deutschen Alpenraum wünschenswert. bare Energiequelle – rechtliche und ökologi- Einige Beispiele in den deutschen Alpen zeigen, sche Aspekte« des Umweltbundesamts (UBA, dass Biomassekraftwerke eine zukunftsträchtige 2001). Danach zeigen ökonomische Analysen, Alternative zu Ölheizungen sind: dass eine die Betriebskosten kleiner Wasser- kraftwerke deckende Förderung – insbeson- Biomasseheizkraftwerk Reit im Winkl dere für Anlagen unter 100 kW – zu hohe An schönen Wintertagen hing früher häufig eine volkswirtschaftliche Kosten erzeugen würde. Dunstglocke über dem beliebten Fremdenver- Die Studie kommt deshalb zu dem Schluss, kehrsort Reit im Winkl. Bei Inversionswetterlagen dass der weiteren Erschließung des Potenzi- setzten sich gut sichtbar die Abgase aus den Öl- Wasserkraftanlagen mit als kleiner Wasserkraftanlagen vor dem Hin- heizungen über den Häusern fest. Der »Höhen- geringer Leistung sind tergrund der negativen ökologischen Auswir- luftkurort« hatte bis zum Jahr 2000 Probleme, keine Lösung für das kungen keine Priorität im Klimaschutz zu- dieses für den Tourismus wichtige Prädikat zu Klimaproblem. Die Nachtei- kommt. Dies würdigt auch die Regierung von erhalten. Im Jahr 2000 ging das mit Holz betriebe- le durch die starken Ein- Oberbayern im Bescheid zum Widerspruch ne Biomasseheizkraftwerk in Betrieb. Schon kur- griffe in die Natur wiegen des Marktes Schliersee (Landkreis Miesbach) ze Zeit danach waren rund 80% der Anwesen an- weit schwerer als der Vor- gegen die Rücknahme der wasserrechtlichen geschlossen, im Jahr 2007 soll das Kraftwerk teil der mengenmäßigen Erlaubnis für ein geplantes Kleinwasserkraft- nahezu alle Gebäude versorgen. Das Holz, das kleinen Einsparmöglichkeit werk am Hachelbach (REGIERUNG VON OBERBAYERN, überwiegend aus Reit im Winkl und seiner nähe- an CO2. 2003). Die Planung sah weniger als ein Viertel ren Umgebung stammt, ersetzt rund 3 Millionen der bisherigen Durchflussmenge als Restwas- Liter Heizöl pro Jahr. Seit das Biomasseheizkraft- ser vor. Im Bescheid wird betont, dass der werk, das je zur Hälfte mit Waldhackschnitzeln Bau der Kleinwasserkraftanlage zur Zerstö- und Sägerestholz befeuert wird, in Betrieb ge- rung oder erheblichen Beeinträchtigung nommen wurde, ist die Luftqualität schlagartig eines nach dem Bayerischen Naturschutzge- besser geworden und ein neuer Absatzmarkt für setz geschützten Biotops führen würde und Rest-, Schwach- und Abfallholz geschaffen wor- eine Befreiung von dem Verbot, Biotope zu den, von dem auch die regionale Land- und Forst- zerstören oder zu beeinträchtigen hier nicht wirtschaft profitiert (SZ, 2002). möglich sei. Bei der geplanten Wasserkraft- anlage handle es sich um keine Maßnahme, Priener Hütte die aus überwiegenden Gründen des Gemein- Bis 1997 dienten Dieselgeneratoren und ein Heiz- wohls notwendig wäre, begründete die ölbrenner zur Energieerzeugung für die Hütte des Regierung von Oberbayern ihre Entschei- Deutschen Alpenvereins im Naturschutzgebiet dung. Geigelstein. Heute wird die Hütte mit zwei Pflan- • Um die Anreize für neue Wasserkraftanlagen zenöl-Blockheizkraftwerken und einem Holzkes- zu reduzieren, sollten keine Fördermittel für sel versorgt. 5 000 Liter Rapsöl und 65 Festmeter neue Wasserkraftanlagen oder Nachrüstun- (Ster) Scheitholz ersetzen seitdem die zuvor jähr- gen mit höheren Fallhöhen oder größeren lich benötigten 22 000 Liter Diesel und Heizöl. Durchflussmengen gewährt werden. Die För- derung sollte vielmehr v.a. zur Modernisie- Daneben besteht auch weiter enormes Potenzial rung von Wasserkraftanlagen eingesetzt wer- bei Biomasse-Einzelanlagen. Die Förderung durch den. Die Förderhöhe der Wasserkraft nach das Marktanreizprogramm des Bundes deckt dem Erneuerbare-Energien-Gesetz sollte 10 – 30% der Investitionskosten für Holzheizun- überprüft werden. gen ab (WITTKOPF, 2004). Da diese Förderung vielfach noch zu wenig bekannt ist, sollten vor Ort Infor- mationsveranstaltungen erfolgen und in den Lo- kalzeitungen vermehrt darüber berichtet werden.

Neben Holzheizungen sollten insbesondere Bio- gasanlagen verstärkt eingerichtet werden. Die Struktur der Landwirtschaft im Alpenvorland bie- tet sich dafür besonders gut an, denn Bioenergie

102 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Energieerzeugung braucht eine regionale Logistik mit regionalen In fast allen Regionen der deutschen Alpen gibt Nutzern. Für die vergleichsweise einkommens- es noch große Potenziale zur Errichtung von schwache Grünlandwirtschaft sind die ab Juni Solaranlagen auf Dächern. Diese sollten vorran- 2004 durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz gig genutzt werden. Solarstromanlagen auf Frei- geltenden Einspeisevergütungen eine attraktive flächen sollten bevorzugt auf bereits technisch Einkommensergänzung. überprägten Sonderflächen, wie Lärmschutzwäl- len, Deponiestandorten, etc. errichtet werden. Windkraft Der Bau von Photovoltaikanlagen in naturnahen Im landschaftlich besonders sensiblen deutschen Landschaftsteilen oder auf ökologisch oder land- Alpenraum ist eine besonders sorgfältige Abwä- schaftlich empfindlichen Flächen muss unterblei- gung zwischen den Eingriffen in das Landschafts- ben. bild und der Möglichkeit einer emissionsfreien regenerativen Energiegewinnung erforderlich. In Geothermie den Bereichen, in denen Windkraftanlagen land- Eine parlamentarische Enquetekommission schaftsverträglich möglich und aufgrund der bescheinigte Bayern 2004 ein besonders großes Windverhältnisse sinnvoll sind, sollten in den Re- geothermisches Potenzial, das aber bislang nur in gionalplänen Vorranggebiete ausgewiesen wer- wenigen Fällen genutzt wird. Der Vorschlag der den. Weitere Festlegungen, z.B. zur maximalen Kommission, hierzu einen bayernweiten Geother- Nabenhöhe der Anlagen bereits im Regionalplan, mie-Atlas und landeseinheitliche Planungshilfen sollten geprüft werden. zu erstellen, wird hier unterstützt (SCHNEIDER, 2004).

Solarenergie Der deutsche Alpenraum bietet ein bei weitem noch nicht ausgeschöpftes Potenzial für die Er- richtung von Anlagen zur Solarthermie und Photovoltaik auf Dächern. In Anlehnung an die erfolgreiche Initiative »Sonnenstrom vom Watz- mann bis zum Wendelstein« in Südostoberbayern sollten auch in den übrigen Alpenlandkreisen ähnliche Aktionen gestartet werden, die es Haus- besitzern erleichtern, sich für Solarenergieanla- gen zu entscheiden. Solaranlagen sind nicht nur ein Gewinn für die Umwelt, sondern schlagen sich auch positiv in der regionalen Wirtschaftbilanz nieder. Das Solar-Handwerk in der Region Südost- oberbayern erzielte durch die Aktivitäten der Initi- ative »Sonnenstrom vom Watzmann bis zum Wen- delstein« bereits einen Umsatz von 42 Mio. €. Bei

der geplanten Ausweitung bis 2006 wird eine Rubeck Foto: Steigerung auf rund 120 Mio. € erwartet (UMWELT In nur 4 Jahren wurden in den Landkreisen Berchtesgadener Land, Traunstein und Rosenheim KOMMUNALE ÖKOLOGISCHE BRIEFE, 2004). Solaranlagen mit Leistung von 6 MW installiert.

Neben Anlagen zur Stromerzeugung (Photovoltaik), sollten auch vermehrt solar- thermische Kompo- nenten errichtet wer- den, mit denen Brauchwasser umwelt- neutral erwärmt wird.

Warmwasser mit Sonnenkraft – auch an Tagen mit mäßiger Sonneneinstrahlung erwärmen solarthermische Anlagen genug Wasser für Küche und

Foto: Wessely Foto: Bad.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 103 Energieerzeugung

2.6.5 Quellennachweis

BMU, 2003: Erneuerbare Energien in Zahlen – nationale und internationale Entwicklung, Berlin BRECHT, P., 1998: Ist-Zustand, Ausbaupotentiale und Förderung der Wasserkraft in Bayern, in: LFV (Hrsg.), 1998: Fließgewässerschutz- Wasserkraftnutzung, Zielkonflikt in der Umweltpolitik ? Berichte vom Symposium am 23. und 24. April 1998 im Deutschen Museum in München, S. 29–33 CIPRA-INTERNATIONAL (Hrsg.), 2001: Alpenreport 2, Bern, Stuttgart, Wien CIPRA-INTERNATIONAL (Hrsg.), 1998: Energiezukunft Alpen, die Öffnung der Strommärkte und die Folgen für die Berggebiete CIPRA-INTERNATIONAL (Hrsg.), 1992: Die letzten naturnahen Alpenflüsse, Kleine Schriften 11/92, Vaduz DWD. o.D.: Mittlere Jahressumme der Globalstrahlung 1981 - 2000 in kWh/ qm; in: Haus& Energie, Sommer 2004 EFFERN, H., 2003: Strahlendes Vorbild – Immer mehr Hausbesitzer im Freistaat setzen auf Solarenergie, jeder 4. Förderantrag kommt aus Bayern; SZ vom 20.2.2003 GÜTHLER, A., et al., 2001: Biomasse Heizwerk Reit im Winkl. In: LANGSCHWERT, G. et al., 2001: Good Practice Handbuch zur nachhaltigen Entwicklung im Alpenraum, Trento HAUBNER, E., 2002: Die Etikette der Wasserkraft oder ein Ökozeugnis für Wasserkraftanlagen. alpMedia-Hintergrund bericht 20, September 2002, http://www.alpmedia.net/pdf/Hintergrundbericht_Etikette_Wasserkraft_D.pdf LBV, 2002: Stellungnahme zum geplanten Wasserkraftwerk an der Breitach/ Oberallgäu vom 18.7.2002, unveröff. LfW, 2004 a: website Stand 11.2.2004, unter www.bayern.de/lfw/daten/wasserkraft/anlagen.htm) LfW, 2004 b: Sonderauswertung zu den Wasserkraftwerken in den Alpengemeinden und -landkreisen, unveröff. ÖAV, 2001: Die Alpenkonvention, Fachbeiträge, Serie: Alpine Raumordnung, Nr. 17 REGIERUNG VON OBERBAYERN, 2003: Widerspruchsbescheid zum Widerspruch des Marktes Schliersee gegen die Rücknahme der wasserrechtlichen Erlaubnis für den Bau und Betrieb einer Kleinwasserkraftanlagen am Hachelbach vom 28.8.2003, unveröff. REGIONALER PLANUNGSVERBAND OBERLAND, 2003: Fortschreibungsentwurf Regionalplan Oberland, Kapitel B X Energieversorgung (10/ 2003) SCHLÖSSER, K., 2003: Lechfall muss Wasser lassen. Artikel in der SZ vom 18.7.2003 SCHNEIDER, C., 2004: Öl ist nicht alles; Artikel in der SZ vom 4.6.2004, S. 49 StMLU, 2003: Landesentwicklungsprogramm Bayern StMLU, 1999: Restwasserleitfaden – Arbeitsanleitung zur Abschätzung von Mindestabflüssen in wasserkraftbedingten Ausleistungsstrecken StMLU, 1995: Bericht über den weiteren Ausbau der Wasserkraftnutzung in Bayern, Bericht an den Bayerischen Landtag, München StMWVT, 2004: mdl. Auskunft von Herrn Pfaller (19.4.2004) StMWVT, 2002: Daten zur bayerischen Energieversorgung StMWVT, o.D. Bayerischer Solar- und Windatlas, 60 Seiten und Kartenteil STROHMEIER, P., 2002: Kartierung der biologischen Durchgängigkeit schwäbischer Fließgewässer. LFV-Schriftenreihe des LFV, 7 SZ, 2003: Bad Tölz erhalt größte Fischtreppe Bayern, Meldung vom 11.12.2003 SZ, 2002: Reit im Winkl ist jetzt eine »Zukunftsgemeinde«, Meldung vom 31.10.2002 THYM, R., 2004: Der gute Mist - Ulrich Schmack macht aus Verdautem und Grünem brennbares Gas – das rechnet sich nicht nur für ihn, Artikel in der SZ vom 7.5.2004 UBA (Hrsg.), 2001: Wasserkraftanlagen als erneuerbare Energiequelle – rechtliche und ökologische Aspekte; Texte Nr. 01/ 2001 UMWELT KOMMUNALE ÖKOLOGISCHE BRIEFE, 2004 a: Kurzmeldung in der Rubrik »kurz berichtet«, Nr. 9/ 28.4.2004, UMWELT KOMMUNALE ÖKOLOGISCHE BRIEFE, 2004 b: Kurzmeldung in der Rubrik »kurz berichtet«, Nr. 11/ 26.5.2004 VORSAMER, B., 2004: Die Sonne scheint häufig und der Wind weht überall, Augsburger Zeitung vom 2.6.2004, S. 13 WITTKOPF, S,. 2004: Bessere Bundesförderung für Holzzentralheizungen; LFW aktuell 44/, S. 34/ 35

104 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz

2.7 Naturschutz

2.7.1 Einleitung

Artenvielfalt

ie Alpen sind der »hot-spot« der Artenvielfalt Wessely Foto: Din Europa. Nach Schätzungen leben in den Die Umgebung von Mittenwald ist mit dem über 19.000 ha großen Naturschutzgebiet Karwendel, Alpen rund 30.000 Tierarten, darunter ca. 20.000 den größten erhaltenen Buckelwiesen und vielfältigen Feuchtbiotopen ein Naturschutzjuwel der wirbellose Tierarten, ca. 200 Brutvogelarten, je deutschen Alpen. ca. 80 Säugetier- und Fischarten, 15 Reptilien- und 21 Amphibien. Beeindruckend ist auch die • In ihnen lebt eine erhebliche Zahl von Arten, floristische Vielfalt mit rund 13.000 Pflanzenarten, deren Vorkommen international bedeutsam davon mehr als 5.000 Pilzarten, ca. 4.500 Gefäß- ist. Dazu zählen insbesondere Arten, die nur pflanzenarten, ca. 2.500 Flechten- und ca. 800 in den deutschen Alpen (Endemiten) oder nur Moosarten (WWF DEUTSCHLAND, 2004). Damit sind in Bayern und benachbarten Bundesländern die Alpen die floristisch reichhaltigste Region (Subendemiten) vorkommen. Weitere inter- 3 Mitteleuropas. Etwa /4 der Gefäßpflanzenarten national bedeutsame Artvorkommen sind bei- des gesamten europäischen Kontinents wachsen spielweise die Arten der Fauna-Flora-Habitat- in den Alpen. Richtlinie sowie Vogelarten, für die nach der Vogelschutzrichtlinie besondere Schutzge- Die deutschen Alpen tragen wesentlich zur hohen biete einzurichten sind. Biodiversität in den Alpen bei und haben aus fol- genden Gründen eine große Bedeutung für die Hierzu schlaglichtartig einige Beispiele: Artenvielfalt in Deutschland: • Sie sind die artenreichste Region Bayerns. Typische Alpenarten Von den aktuell nachgewiesenen 2.649 ein- 342 der 2.727 und damit über 12% der Sippen der heimischen Gefäßpflanzensippen Bayerns Florenliste Bayerns sind nur für die Alpen nachge- wachsen 70 % (1.853) auch in den bayeri- wiesen. Darunter befindet sich eine große Zahl schen Alpen, obwohl der Naturraum der bay- typischer Alpenpflanzen. Bekannte Beispiele hier- erischen Alpen nur 5,4 % der bayerischen für sind Alpen-Aster, Purpur-Enzian, Landesfläche ausmacht. Auch die Tierarten- Gletscher-Hahnenfuß oder das Ge- vielfalt ist in den deutschen Alpen bei einer wöhnliche Alpenglöckchen. Auch in der Reihe von Tiergruppen überdurchschnittlich. Tierwelt gibt es eine große Zahl von • Sie beherbergen eine große Zahl typischer Arten, die innerhalb Deutschlands von Alpenarten, die in Bayern und Deutschland Natur aus auf die Alpen beschränkt sonst nirgends vorkommen. sind. Dazu zählen Säugetiere wie der • Sie sind zentrales Alpensteinbock ebenso wie Vogelarten Rückzugsgebiet für (z.B. Alpenschneehuhn, Steinhuhn, viele Arten, die natürli- Alpenbraunelle, Mauerläufer, Zitronen- cherweise auch außer- zeisig), Amphibien (z.B. Alpensalaman- halb der deutschen der), Schmetterlinge (z.B. Hochalpen- Alpen vorkommen, Apollo), Libellen (z.B. Alpen-Mosaik- dort aber durch jungfer) und viele andere mehr. Lebensraumverände-

rungen zurückge- Urban Foto: drängt, teilweise sogar Die Alpen-Glockenblume kommt in Deutsch- erloschen sind. land nur in den Alpen vor.

Alpen-Steinbock Wessely Foto:

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 105 Naturschutz

Arten, die in den Alpen einen zentralen zenarten von gemeinschaftlichem Interesse, für Rückzugsraum haben deren Erhaltung nach der Fauna-Flora-Habitat- Eine Reihe von Arten Bayerns und Deutschlands (FFH-)Richtlinie der EU besondere Schutzgebiet hat nur noch in den Alpen größere Populationen, auszuweisen sind (Anhang II), oder die streng zu obwohl sie auch außerhalb der Alpen oft bis ins schützen sind (Anhang IV). Von den 9 aktuell in 20. Jahrhundert nicht selten waren. Das Birkhuhn Bayern vorkommenden Gefäßpflanzenarten der beispielsweise war in den ausgedehnten Komple- Anhänge II und IV kommen 4 in den deutschen xen aus Wald, Magerrasen und Extensiv-Grünland Alpen vor. Auch für den internationalen Schutz Ostbayerns und der Rhön bis nach dem 2. Welt- niederer Pflanzen, zu denen die Moose zählen, krieg durchaus verbreitet. Heute sind die Bestän- haben die deutschen Alpen hohe Verantwortung. de dort auf wenige Restexemplare zusammen- So kommt das im Anhang II der FFH-Richtlinie geschmolzen. Lediglich in den Alpen gibt es inner- aufgeführte Gekielte Zweiblattmoos (Disticho- halb Bayerns noch einen größeren Bestand, der phyllum carinatum) aktuell deutschlandweit nur auf rund 300 Brutpaare geschätzt wird (BRENDEL, an einem Standort in den Allgäuer Hochalpen vor. 1998). Allerdings kommt das Birkhuhn auch in den Europaweite Bedeutung im Sinne der Anhänge II Alpen immer stärker unter Druck, insbesondere und IV zur FFH-Richtlinie haben auch eine Reihe durch sich ständig ausweitende Natursportarten. von Tiervorkommen in den deutschen Alpen. Bei- spiele für Säugetiere sind die Wimperfledermaus Weitere Beispiele für Arten, die in den Alpen ei- (Myotis emarginatus), deren Winterquartiere nen zentralen Rückzugsraum finden, sind ver- nicht bekannt sind, von der aber angenommen schiedene Spechte naturbelassener Wälder, z.B. wird, dass sie v.a. in Höhlen der deutschen Alpen der Weißrückenspecht, der naturnah aufgebaute überwintert. Ein weiteres Beispiel ist der Fischot- Laub- und Mischwälder mit hohem Altholzanteil ter, der im östlichen Teil des Landkreises Berch- und absterbenden Bäumen in allen Stadien des tesgadener Land sein einziges Vorkommen in den Vermoderns nutzt. Durch die Intensivierung der deutschen Alpen hat. Große Bedeutung haben die Forstwirtschaft, die auch dazu führt, dass Totholz deutschen Alpen auch für den Schutz von Insek- zu einem Mangelbiotop geworden ist, ist der ten- und Käferarten der FFH-Richtlinie. So liegt Weißrückenspecht die am stärksten gefährdete einer der wenigen Nachweise der deutschland- Spechtart in Europa. Alpenweit wird der Bestand weit vom Aussterben bedrohten Schmetterlings- auf rund 400 Brutpaare geschätzt, 100 davon in art Kleiner Maivogel (Euphydryas maturna) in den Zeichnung: Scholz (mit freundlicher Genehmigung des Ulmer-Verlags) Scholz (mit freundlicher Zeichnung: den vergleichsweise kleinen deutschen Alpen Auwäldern der Saalach bei Bad Reichenhall. Vor- Der Weißrückenspecht ist ein (BRENDEL, 1998). Somit haben die deutschen Alpen kommen von FFH-Arten der Anhänge II und IV in Indikator für naturbelassene nicht nur für die Bestandssituation des Weiß- den deutschen Alpen gibt es ferner auch bei den Bergwälder. Da diese stark rückenspechts in Deutschland, sondern für den Amphibien (Alpensalamander), Libellen (z.B. abgenommen haben, ist der Weißrückenspecht die am Bestand im gesamten Alpenraum und darüber Helm-Azurjunger, Coenagrion mercuriale) und stärksten gefährdete Spechtart hinaus sehr große Bedeutung. Weichtieren (z.B. Vierzähnige Windelschneck, Ver- in Europa. tigo geyeri), (LfU, 2003 b). International besonders bedeutsam Artvorkommen Große Bedeutung haben die deutschen Alpen auch für den Schutz von Arten, die nur in Bayern (Endemiten) oder nur in Bayern und benachbar- ten angrenzenden Bundesländern bzw. Staaten (Subendemiten) vorkommen. Stellvertretend für andere Artengruppen zeigen dies die Gefäßpflan- zen: 27 endemische Gefäßpflanzenarten und damit genau die Hälfte der 54 bayerischen En- demiten wachsen im vergleichsweise kleinen Are- al der deutschen Alpen. Kein anderer Naturraum Bayerns erreicht diesen Wert. Einige der Endemi- ten, z.B. der Allgäu-Frauenmantel (Alchemilla cleistophylla) wachsen weltweit sogar nur in den deutschen Alpen. Auch bei den Subendemiten zählen die deutschen Alpen mit 24 von bayern-

weit 64 Arten zur Spitzengruppe. Stettmer Foto: Der Schmetterling »Kleiner Maivogel« ist in Deutschland vom Internationale Verantwortung haben die deut- Aussterben bedroht. Eine der extrem seltenen Eiablageplätze schen Alpen auch im Hinblick auf Tier -und Pflan- liegt im östlichen Landkreis Berchtesgadener Land.

106 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz

16 Vogelarten, für die nach der EU-Vogelschutz- Tab. 8: Rote Liste der einheimischen Gefäßpflanzensippen für die deutschen richtlinie besondere Gebiete einzurichten sind, Alpen kommen in den deutschen Alpen als Brutvögel vor, dazu zählen z.B. Raufusskauz, alle vier Rau- Gefährdungskategorie Arten, die in den Arten, die nur in den fusshuhnarten (Auerhuhn, Birkhuhn, Haselhuhn, deutschen Alpen deutschen Alpen vorkommen vorkommen Alpenschneehuhn), Uhu, Weißrückenspecht, Schwarzspecht und Wanderfalke. Zahl Anteil Zahl Anteil

0 ausgestorben oder verschollen 54 2,8 % 7 2,0 % Bemerkenswert ist auch die vergleichsweise ge- 1 vom Aussterben bedroht 56 2,9 % 13 3,8 % ring ausgeprägte Problematik des Einwanderns 2 stark gefährdet 105 5,5 % 14 4,1 % nichtheimischer Organismen (Neozoen und Neo- 3 gefährdet 135 7,1 % 15 4,4 % phyten) in die deutschen Alpen. Während der An- G Gefährdung anzunehmen 22 1,2 % 6 1,8 % R* äußert selten 132 6,9 % 72 21,1 % teil der Neophyten (nicht heimische Pflanzenar- R sehr selten 189 9,9 % 84 24,6 % ten) an der aktuell vorkommenden Gefäßpflan- Bestandsbedrohte Sippen 693 36,3 % 211 61,7 % zenflora Bayerns bei über 12 % liegt, sind es nur 3 % bei den in den Alpen vorkommenden Gefäß- (eigene Auswertung nach LfU, 2003 a) pflanzenarten (eigene Auswertung nach LfU, 2003 a). Die regionalisierte Auswertung zeigt aber auch, dass die Situation in den deutschen Alpen – abge- Trotz vieler wertvoller Artvorkommen, ist die Situ- sehen vom Anteil ausgestorbener und verscholle- ation von Flora und Fauna in den deutschen Alpen ner Arten – insgesamt besser ist als im gesamten aber bei weitem nicht zufriedenstellend. Zwar Bayern. Während in den deutschen Alpen »nur« sind die Alpen – und damit auch die deutschen 19,5 % der einheimischen Gefäßpflanzen als ge- Alpen – die Arche Noah Mitteleuropas, doch sind fährdet (Rote Liste 0, 1, 2, 3 und G) gelten, sind es auch hier drastische Bestandseinbußen zu ver- in Bayern 43 %. Auch bei den hochgradig ge- zeichnen. Eine erhebliche Zahl von Arten ist aus- fährdeten Sippen schneiden die deutschen Alpen gestorben oder steht kurz vor der Auslöschung. vergleichsweise deutlich besser ab. Der Anteil So ist z.B. die Kleine Grannen-Segge (Carex mi- äußerst seltener oder sehr seltener einheimischer croglochin), die aus dem Pulvermoos im Land- Gefäßpflanzensippen liegt dagegen über den kreis Garmisch-Partenkirchen beschrieben ist, Werten für ganz Bayern. Das hat mehrere Ursa- seit Jahrzehnten nicht mehr nachgewiesen wor- chen: Zum einen gibt es eine Reihe von Arten, die den. Das Vorkommen der Kleinen Grannen-Segge in den deutschen Alpen an ihre Verbreitungsgren- war innerhalb Deutschlands auf die deutschen ze stoßen und deshalb dort selten sind, außeral- Alpen beschränkt. Mit dem Auslöschen des Be- pin aber durchaus häufig sein können, z.B. Gelbe stands, ist die Art deutschlandweit ausgestorben. Schwertlilie, Hainbuche und Feldahorn. Ferner Andere Arten kommen zwar außerhalb der deut- gibt es eine Reihe von Sippen, die im Naturraum schen Alpen noch vor, sind aber in den Alpen der Alpen mit »äußerst oder sehr selten« bewer- nicht mehr anzutreffen, z.B. die Hummel-Ragwurz tet wurden, gesamtbayerisch die Einstufung aber (Ophrys holosericea), die Schwanenblume (Buto- in einer höheren Gefährdungskategorie erfolgte, mus umbellatus), die Ufer-Segge (Carex riparia) z.B. das Rain-Habichtskraut (Hieracium arvicola), oder das Pyrenäen-Löffelkraut (Cochlearia pyre- das in den Alpen mit »extrem selten« bewertet naica). und bayernweit als »stark gefährdet« eingestuft wurde. Der immer weiter ansteigende Nutzungsdruck sowie übergeordnete Einflüsse, wie etwa Klimaer- Tab. 9: Rote Liste der einheimischen Gefäß- wärmung und Immissionsbelastung, sind eine pflanzensippen Bayerns und der große Gefahr für die Biodiversität in den deut- deutschen Alpen schen Alpen. 1 Gefährdungskategorie Bayern Deutsche Über /3 der einheimischen Die Bedrohung spiegelt sich auch in der differen- (nach Roter Liste Bayern, 2003) Alpen Pflanzenarten in den deut- zierten Betrachtung der Gefährdungssituation in schen Alpen sind in ihrem 0 ausgestorben oder verschollen 2,9 % 2,8 % den verschiedenen Naturräumen Bayerns in Form 1 vom Aussterben bedroht 6,2 % 2,9 % Bestand bedroht. der regionalisierten Roten Liste wieder, die 2003 2 stark gefährdet 12,9 % 5,5 % für Gefäßpflanzenarten erarbeitet wurde. Danach 3 gefährdet 17,2 % 7,1 % sind 19,5% aller einheimischen Gefäßpflanzenar- G Gefährdung anzunehmen 3,8 % 1,2 % ten, die in den Alpen vorkommen, aktuell gefähr- R* äußerst selten 4,8 % 6,9 % R sehr selten 5,1 % 9,9 % det (RL 0, 1, 2, 3 und G). Betrachtet man nur die Bestandsbedrohte Sippen 52,7 % 36,3 % Arten, die innerhalb Bayerns ausschließlich in den Alpen vorkommen, liegt der Anteil bei 16,1%. (eigene Auswertung nach LfU, 2003 a)

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 107 Naturschutz

Die Auswertung nach der Roten Liste für Deutsch- der Roten Liste Bayern als »ausgestorben« einge- land (BfN, 1996) zeigt ein ähnliches Bild wie die Be- stuft) und Luchs (in Bayern vom Aussterben trachtung für Bayern. Nach der Roten Liste Deutsch- bedroht) kommen aktuell in den Alpen nur außer- land sind 13,5% der in den Alpen vorkommenden halb Bayerns vor. Für den Luchs wären die deut- Arten gefährdet (Rote Liste 0,1,2,3 und G). Ge- schen Alpen ein wichtiger Trittstein zwischen den samtdeutsch liegt der Anteil mit 28,4% mehr als Vorkommen in den deutschen Mittelgebirgen und doppelt so hoch. den anderen Alpenstaaten. Stark gefährdet sind auch viele typische Arten der Alpenflüsse, insbe- Die Gefährdungsanalyse der Pflanzengesellschaf- sondere kiesbrütende Vogelarten oder Heuschre- ten zeigt ein ähnliches Bild wie die der Gefäß- cken. Z.B. ist der Flussuferläufer bayernweit stark pflanzenarten. Erwartungsgemäß spiegelt sich die zurückgegangen und deshalb in der Roten Liste im Vergleich zum außeralpinen Deutschland gün- Bayern als »vom Aussterben bedroht« einge- stigere Naturausstattung der deutschen Alpen stuft,hat allerdings in den deutschen Alpen noch auch bei der Gefährdung der Pflanzengesellschaf- ein zentrales Rückzugsgebiet. Andere Arten, wie ten wieder. Danach sind fast die Hälfte (45,5%) der Steinadler (stark gefährdet nach Roter Liste Bay- 788 deutschen Pflanzengesellschaften bestands- ern und Deutschland) und Steinbock (keine gefährdet (Rote Liste 1, 2, 3 und G). Von den in den aktuelle Gefährdung) haben sich durch gezielte Alpen vorkommenden 231 Pflanzengesellschaften Schutzmaßnahmen auch in den deutschen Alpen gelten nur 26% als bestandsgefährdet. Die besse- wieder ausgebreitet; (Angabe zur Gefährdung für re Situation kommt auch in der regionalisierten Bayern nach LfU 2003 b, für Deutschland nach BfN, Einstufung deutlich zum Ausdruck. 26 Pflanzen- 1998 a). gesellschaften haben bei der bundesweiten Be- wertung einen höheren Gefährdungsstatus als bei Biotope der Bewertung nur für die Alpen. Umgekehrt gibt In Deutschland gibt es 509 Biotoptypen (ohne es nur sehr wenige Gesellschaften, die in den Al- sog. technische Biotope). 333, also fast zwei Drit- pen stärker gefährdet gelten als gesamtdeutsch. tel, sind (auch) in den deutschen Alpen vorhan- den (BfN, 1994). In Relation zur Fläche sind die deut- Tab. 10: Rote Liste der Pflanzengesellschaften Deutschlands und der schen Alpen damit das biotoptypenreichste Ge- deutschen Alpen (BfN, 2002) biet in Deutschland – ein weiterer Beweis für die herausragende Bedeutung für den Naturschutz. Gefährdungskategorie Deutschland deutsche Alpen Zahl Anteil Zahl Anteil Neben den typisch alpinen Biotopen, wie alpine

o verschwunden 2 0,3 1 0,4 Rasen, Schneetälchen, alpine Felsfluren etc. ist 1 vom Verschwinden bedroht 46 5,8 7 3,0 v.a. die vergleichsweise hohe Ausstattung mit na- 2 stark gefährdet 140 17,9 11 4,8 turnahen Flusslandschaften und die Charakteris- 3 gefährdet 186 23,6 30 13,0 tik der Alpenflüsse in Bayern und Deutschland G Gefährdung anzunehmen 10 1,2 12 5,2 einzigartig, wenngleich es auch in den deutschen R rar, von Natur aus selten 30 3,8 24 10,4 Gesamtzahl 788 231 Alpen keinen einzigen Fluss mehr gibt, der als na- türlich gelten kann. Von nationalem Rang sind die Hochmoore in ihrem engen Verbund miteinander. Von der Grundtendenz vergleichbar ist die Situa- Die Besonderheit der Alpen liegt auch darin, dass tion bei der Fauna. Einerseits sind die deutschen sie in der weitgehend als Kulturlandschaft zu be- Alpen für viele Tierarten ein äußerst bedeutsamer zeichnenden Fläche Deutschlands in der alpinen Lebensraum. »Die bayerischen Alpen ... weisen Stufe ein Ökosystem aus Naturlandschaften bilden. trotz gravierender Flächenverluste in den Talräu- Die niedrigeren Bereiche sind auch in den Alpen men die weitaus beste Biotopbilanz auf und beher- weitgehend als Kulturlandschaft geprägt. Ent- bergen eine ganze Reihe bundesweit exklusiver sprechend ist auch die Ausdehnung von »Wildnis- alpiner Artvorkommen«, so die aktuelle Bilanz der Flächen« in den deutschen Alpen sehr gering. Roten Liste der Tierarten für Bayern (LfU 2003 a). An- Gemäß einer naturschutz- bzw waldrechtlichen dererseits sind auch bei vielen Arten Bestandsein- Verordnung sich selbst überlassene Bereiche sind bußen zu verzeichnen. Eine Reihe von Tierarten auf den Nationalpark Berchtesgaden (ungenutzte der Alpen sind in Bayern ausgestorben, z.B. die Al- Kernzone: 13.858 ha) und die Naturwaldreservate penfledermaus, der Braunbär oder das Steinhuhn. (1.535 ha) beschränkt. Die Naturschutzgebiete Sehr viele Arten sind in ihrem Bestand bedroht. werden zum größtenteils genutzt. »Wildnis« au- ßerhalb des Nationalparks und der Naturwaldre- Die Alpen spielen insbesondere für Tierarten mit servate gibt es nur in wenigen besonders entlege- großen Raumansprüchen eine herausragende nen Gebieten, insbesondere den großen, bis in Rolle. Typische Arten wie Bär, Wolf (beide nach die alpine Stufe reichenden Naturschutzgebieten.

108 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz

Eine Besonderheit der Alpen ist auch ihre relative deutschen Alpen beispielsweise Pfeifengraswie- »Unzerschnittenheit«. Darunter versteht man die sen, bultige Seggenrieder, verschiedene Röhrich- Größe von nicht zerschnittenen, d.h. zusammen- te, Moorheiden, Birken-Moorwald, Grauerlenwald hängenden Flächen. Die isolierende und popula- und Tamariskenfluren eingestuft. tionsbedrohende Auswirkung von Verkehrsstra- ßen und anderen Trennungslinien ist nachgewie- Verglichen mit der Gefährdungssituation der sen. Die deutschen Alpen sind in Süddeutschland Naturräume außerhalb der Alpen ist die Bedro- der größte Bereich zusammenhängender unzer- hung in den Alpen deutlich abgemildert. Dies ist schnittener verkehrsarmer Räume1 (BfN, 2002). ein wichtiger Grund für die, trotz aller Defizite und Jedoch sind auch diese Räume von zahlreichen Beeinträchtigungen immer noch überdurch-

weniger stark befahrenen Straßen durchschnitten schnittliche Bedeutung der deutschen Alpen für Wessely Foto: und keineswegs unberührt. den Naturschutz und die Landschaftspflege. Typischer Standort der Deut- schen Tamariske sind Schotter- Die vergleichsweise gute Ausstattung mit natur- bänke in den Umlagerungs- strecken größerer Alpenflüsse. schutzfachlich bedeutsamen Biotopen kommt Abb. 10: Gefährdung der Biotoptypen in Deutsch- auch in der Alpenbiotopkartierung zum Ausdruck. land und in den deutschen Alpen (BfN, 2002) Die ökologisch wertvollen Biotope, insbesondere die nach Art. 13 d BayNatSchG geschützten Flä- 0,3% vollständig vernichtet chen, werden in der Biotopkartierung Bayerns 0,2% erhoben. Dabei werden Offenlandflächen sowie von vollständiger 4,5% Vernichtung bedroht 15,0% der sehr kleine Teile der Wälder, die nach Art. 13 16,8% des Bayerischen Naturschutzgesetzes geschützt stark gefährdet 32,5% sind, erfasst (z.B. Bruchwälder, Schutt- und 28,8% Blockwälder, Schneeheide-Kiefernwälder). Die gefährdet 20,3% Biotopkartierung im Wald beschränkt sich bislang 0,9% auf wenige Sonderstandorte. In den ausgedehn- potentiell gefährdet 1,0% ten, oft ökologisch hochwertigen Wäldern auf nicht gefährdet 13,5% Normalstandorten findet bislang keine Biotopkar- (schutzwürdig) 6,1% tierung statt. 2004 war die Alpenbiotopkartierung nicht besonders 35,2% für 6 der 10 Alpenlandkreise abgeschlossen. Das schutzwürdig 24,9% entspricht rund 2/ der Fläche der deutschen 3 deutsche Alpen Deutschland Alpen. Nach der Zwischenbilanz für diese 6 Land- kreise hat die schutzwürdige Biotopfläche einen Anteil zwischen 16 und 44 % an der jeweiligen Lebensräume der FFH-Richtlinie Alpenfläche des Landkreises und liegt damit ein Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU (FFH-RL) Vielfaches über dem Durchschnittswert des Flach- von 1992 listet eine große Zahl von natürlichen lands mit nur 3,8% (LfU, 2004 a). Würden bei der Lebensräumen von gemeinschaftlichem Interesse Alpenbiotopkartierung auch die schutzwürdigen auf, die in einem europäischen Schutzgebiets- Wälder auf Normalstandorten erfasst, wäre der system »NATURA 2000« geschützt werden sollen. Anteil an Biotopflächen deutlich höher. Das sind Lebensräume, die im Bereich ihres na- türlichen Vorkommens vom Verschwinden be- Die Gefährdungsanalyse der Biotoptypen droht sind oder infolge ihres Rückgangs oder auf- Deutschlands zeigt aber auch, dass die Biotop- grund ihres an sich schon begrenzten Vorkom- vielfalt in den Alpen in großem Umfang bedroht mens ein geringes natürliches Verbreitungsgebiet ist. Weniger als die Hälfte der Biotoptypen gelten haben oder besonders typisch für Europa sind. In als ungefährdet, über 20% sind von völliger Ver- Deutschland kommen 89 Lebensraumtypen der nichtung bedroht und stark gefährdet. So sind FFH-Richtlinie vor, davon 44 in den deutschen Al- z.B. Borstgrasrasen und intakte Hochmoore kaum pen. Von den bundesweit 20 sog. prioritären Le- mehr vorhanden. Ebenso ist artenreiches Grün- bensraumtypen, die vom Verschwinden bedroht Die deutschen Alpen sind land bis in die submontane Stufe von der Vernich- sind und für deren Erhaltung der EU aufgrund der für das europäische Bio- tung bedroht. Als stark gefährdet sind in den begrenzten natürlichen Ausdehnung besondere topverbundsystem NATURA Verantwortung zukommt, sind in den deutschen 2000 äußerst bedeutsam. 1 Als unzerschnittene verkehrsarme Räume sind Gebietseinheiten Alpen 11 vertreten. 4 Lebensraumtypen der FFH- Die Hälfte der in Deutsch- definiert, die • eine Mindestgröße 100 qkm haben, Richtlinie gibt es in Deutschland ausschließlich in land auftretenden Lebens- • von keiner Straße mit einer durchschnittlichen Verkehrs- den deutschen Alpen, davon sind zwei prioritäre raumtypen der Fauna-Flo- menge von mehr als 1.000 Kfz/ 24 h durchschnitten werden, Lebensräume: ra-Habitat-Richtlinie der EU • von keiner Bahnstrecke durchschnitten werden, • kein Gewässer enthalten, das mehr als die Hälfte des Raumes • Alpine und subalpine Heidegebiete (Code kommt in den deutschen beansprucht (BfN, 2002). 4060) Alpen, z.T. großflächig vor.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 109 Naturschutz

• Alpenrosen-Latschengebüsch (prioritärer Lebensraumtyp, Code 4070) • Alpine Pionierformationen des Caricion bico- loris atrofuscae: niedrigwüchsige, v.a. aus Seggen und Binsen zusammengesetzte Vege- tation auf feinmaterialreichen Schwemm- böden der alpinen und subalpinen Höhenstu- fe (prioritärer Lebensraumtyp, Code 7240) • Alpiner Lärchen-Arvenwald (Code 9420) (BfN, 1998 b).

Schutzgebiete Wessely Foto: Die vergleichsweise gute Naturraumausstattung Der FFH-Lebensraumtyp des Alpinen Lärchen-Arvenwald der deutschen Alpen kommt auch im weit über- kommt in den deutschen Alpen nur an wenigen Standorten, proportionalen Anteil an Schutzgebieten zum insbesondere im Nationalpark Berchtesgaden vor. Ausdruck. In den deutschen Alpen waren zum Bearbeitungszeitraum folgende Schutzgebiete Nach Abschluss der im Herbst 2004 durchgeführ- ausgewiesen: ten 3. Teilgebietsmeldung zum europäischen Biotopverbundsystem NATURA 2000, sind Tab. Nr. 11: Schutzgebiete in den deutschen Alpen 198.432 ha FFH-Gebiete, die ganz oder mit einer Teilfläche in den deutschen Alpen liegen, be- Schutzgebiets- Fläche in den Anteil an der nannt. Die SPA-Flächen, die sich vollständig oder kategorie deutschen Gesamtfläche zumindest mit einer Teilfläche in den deutschen Alpen (ha) in Bayern (%) Alpen befinden, bedecken 174.227 ha (LfU, 2004 b). Nationalpark 20.804 3,8 FFH- und SPA-Gebiete überlappen sich oft sehr Naturschutzgebiet 87.358 15,8 Landschaftsschutzgebiet 137.608 24,9 stark. Bei der 3. Teilmeldung wurde das Biotop- Naturdenkmal 1.004 0,2 verbundnetz um wichtige Gebiete wie das Ester- Geschützter Landschafts- gebirge, das Rotwandmassiv, das Pfrühlmoos im bestandteil 336 0,1 Loisachtal und Teilflächen des Bergener Mooses Biosphärenreservat 46.710 8,4 ergänzt.

Abb. 11: Natur- und Landschaftsschutzgebiete sowie Nationalpark Berchtesgaden (LfU, 2004 b)

Naturschutzgebiete Landschaftsschutzgebiete Nationalpark Berchtesgaden

Einige Schutzgebiete in den Alpen erstrecken sich ins Alpenvorland hinaus. In Abb. 11 sind auch die im Alpenland gelegenen Teilflächen dieser Schutzgebiete dargestellt. Nur im Alpenvorland gelegene Gebiete sind hingegen nicht enthalten. Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete überlappen sich teilweise. Im Falle einer Überlappung ist jeweils nur das Naturschutzgebiet dargestellt, da es die strengere Schutzkategorie ist.

110 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz

Abb. 12: NATURA 2000-Gebiete (LfU, 2004 b)

Einige NATURA 2000-Gebiete in den Alpen erstrecken sich ins Alpenvorland hinaus. In Abb. 12 sind auch NATURA-2000-Gebiete die im Alpenvorland gelegenen Teilflächen dieser Schutzgebiete dargestellt. Nur im Alpenvorland gelege- ne Gebiete sind hingegen nicht enthalten.

Als FFH- und SPA-Gebiete sind in den bisherigen Naturschutzgebiete beiden Meldungen des Freistaats Bayern in er- Die zweithöchste Schutzge- heblichem Umfang Gebiete benannt worden, die bietskategorie sind die Natur- als Nationalpark oder Naturschutzgebiet ausge- schutzgebiete (NSG). Mehr als wiesen sind. Zudem überlagern sich FFH- und die Hälfte der Naturschutzgebietsflä- SPA-Gebiete häufig. Große Überschneidungen che Bayerns befindet sich in den Alpen. gibt es auch zwischen den beiden Schutzgebiets- Mit einem Flächenanteil von 15,8% in kategorien Landschaftsschutzgebiet und Bio- den Alpen, liegt der Wert mehr als sie- sphärenreservat. benfach so hoch wie der bayerische Durchschnitt von 2,1% und fast sechs- Im folgenden sind die wichtigsten Schutzgebiets- mal so hoch wie der deutsche Durch- kategorien und ihr Vorkommen in den deutschen schnittswert von 2,6% (BfN, 2002) Insbe- Alpen kurz beschrieben. sondere für den Schutz von Arten mit großen Raumansprüchen ist bedeut- Nationalpark sam, dass es in den deutschen Alpen Strengste Schutzkategorie ist der Nationalpark. weit mehr große Schutzgebiete als In den deutschen Alpen gibt es nur den National- außerhalb gibt. Acht Naturschutzgebie-

park Berchtesgaden mit einer Fläche von te in den deutschen Alpen sind größer Wessely Foto: 20.808 ha. Der Nationalpark ist in drei Zonen ein- als 1.000 ha. Nach jahrelangem Ringen wur- geteilt: Die größten Naturschutzgebiete sind: de 1991 das NSG Geigelstein 1. Die Kernzone, die der natürlichen Entwicklung 1. NSG Ammergebirge (28.850 ha) ausgewiesen. überlassen wird, 2. NSG Allgäuer Hochalpen (20.724 ha) 2. die Pflegezone und 3. NSG Karwendel und Karwendelvorgebirge 3. als Pufferflächen zwischen Kern- und Pflegezo- (19.100 ha) ne eine sog. temporäre Pflegezone, in der zeit- 4. NSG Östliche Chiemgauer Alpen (9.600 ha). lich begrenzt Maßnahmen zur Regulierung des Wildbestands erfolgen. Es gibt aber auch eine Reihe kleinerer Natur- schutzgebiete, z.B. das Mettenhamer Filz Nach den Richtlinien der internationalen Natur- (44,9 ha) im Landkreis Traunstein. schutzorganisation IUCN muss die Kernzone min- Die Ausweisung von Naturschutzgebieten korre- destens 75 % der Gesamtfläche eines National- liert nur teilweise mit der Schutzwürdigkeit und parks umfassen. Mit 66,6 % Kernzone erfüllt der Schutzbedürftigkeit. Viele Bergkämme, die nicht Nationalpark diese Bedingung derzeit noch nicht. als NSG ausgewiesen sind, erfüllen aber die Vor- Bis 2010 soll nach Ankündigungen des Bayeri- aussetzungen für die Ausweisung als Natur- schen Umweltministers die Kernzone auf 75% schutzgebiet. Auf Naturschutzgebietsausweisun- erweitert werden (StMLU, 2001). gen wird sehr stark politisch Einfluss genommen.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 111 Naturschutz

so erfüllt das als LSG ausgewiesene Rotwandge- biet im Landkreis Miesbach alle Voraussetzungen für die NSG-Ausweisung.

Geschützte Landschaftsbestandteile und Naturdenkmale Als geschützte Landschaftsbestandteile und Naturdenkmale sind in den deutschen Alpen v.a. sog. Einzelschöpfungen ausgewiesen. Dazu zählen z.B. Schluchten, Gletscherschliffe, kleinere Moore, Magerrasen, etc.. Mit nur 0,24% Anteil an der Alpenfläche Bayerns sind sie zwar flächenmäßig weniger relevant, für den wirksa- men Schutz der Gebiete sind die beiden Schutz- gebietskategorien aber sehr wichtig.

Foto: Wessely Foto: Flächen nach dem europäischen Biotopverbund- Der Weitsee mit seinen großen system NATURA 2000 Verlandungszonen im Natur- Wegen der massiven Einwände gegen NSG-Aus- Mit der FFH- (Fauna-Flora-Habitat-) Richtlinie der schutzgebiet Östliche Chiem- weisungen gibt es z.B. im Alpenanteil des Land- Europäischen Union von 1992 und der Vogel- gauer Alpen ist eine Perle des Naturschutzes in den deut- kreises Miesbach bislang keine Naturschutzge- schutzrichtlinie von 1979 soll der europäische län- schen Alpen. biete, obwohl mit dem Rotwandgebiet, den Blau- dergrenzenübergreifende Biotopverbund »NATU- bergen und dem Gebiet um den Riesserkogel RA 2000« geschaffen werden. Mit diesem Netz hoch schutzwürdige Gebiete vorhanden sind. von natürlichen und naturnahen Lebensräumen für bedrohte Tier- und Pflanzenarten soll das Landschaftsschutzgebiete wertvolle europäische Naturerbe nachhaltig ge- Die Schutzgebietskategorie des Land- schützt und bewahrt werden. schaftsschutzgebiets ist weit schwächer als die des Nationalparks oder des Natur- Die Auswahl der Gebiete erfolgt durch die Mit- schutzgebiets. Hauptziel von LSG-Verordnungen gliedsstaaten und darf allein nach naturschutz- ist es, die bauliche Entwicklung landschaftsver- fachlichen Kriterien (Anhang III der Richtlinie) vor- träglich zu lenken und somit auch den Freizeit- genommen werden. Bayern befand sich zum wert zu erhalten. 24,9% der deutschen Alpen Bearbeitungszeitpunkt im Auswahlverfahren für sind als Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen. die dritte Tranche der Gebietsmeldung, die vor- Dies liegt nahe den Durchschnittswerten von Bay- aussichtlich Ende 2004 abgeschlossen sein wird. ern (28,5%) bzw. Deutschland (26,7%), (BfN, 2002). Die meisten LSG in den deutschen Alpen sind Geschützte Flächen nach Art. 13 des Bayerisches relativ großflächig. Das größte, aus mehreren Teil- Naturschutzgesetz flächen bestehende LSG umfasst 13.878 ha und In Art. 13 d des Bayerischen Naturschutzgesetzes befindet sich im südlichen Teil des Landkreises sind verschiedene Biotope aufgeführt, die einem Garmisch-Partenkirchen. Weitere große Land- besonderen Schutz unterliegen. Es handelt sich schaftsschutzgebiete liegen im Landkreis Mies- dabei um Feuchtflächen (z.B. Moore, Röhrichte, bach (Egartenlandschaft, Tegernsee, Rotwand), Nass- und Feuchtwiesen), bestimmte Waldtypen um Berchtesgaden (Untersberg, Lattengebirge), auf Sonderstandorten (z.B. Moor- und Bruchwäl- westlich des Inntals (Auerbachtal/ Regau), am der, Schluchtwälder, Schneeheide-Kiefern-Wäl- Walchensee, um die Wieskirche und im Oberall- der), natürliche und naturnahe Fluss- und Bach- gäu (Grünten, Nagelfluhkette, Hörnergruppe). Es abschnitte sowie Verlandungsbereiche stehender gibt aber auch einige sehr kleine LSG mit weniger Gewässer, Magerrasen, Felsen und eine Reihe als 20 ha. Das wohl kleinste Landschaftsschutz- typisch alpiner Pflanzengesellschaften, wie alpine gebiet Bayerns, mit nur 1 ha, liegt ebenfalls im Rasen, Schneetälchen und Krummholzgebüsche. Alpenraum (LSG Bergl, Gemeinde Bad Heilbrunn). Die Flächen nach Art. 13 d des Bayerischen Natur- Viele Landschaftsschutzgebiete erfüllen die Krite- schutzgesetz sind nicht flächenscharf erfasst. Sie rien für die Ausweisung als Naturschutzgebiet. So sind in den meisten Fällen in der Biotopkartierung ist z.B. die hochkarätige Wildflusslandschaft der erhoben, wobei die biotopkartierten Flächen auch Isar vom Sylvensteinspeicher bis Bad Tölz mit Vegetationsgesellschaften umfassen, die nicht einer beeindruckenden Fülle an seltenen und unter Art. 13d fallen. gefährdeten Arten und Lebensräumen nur als LSG mit einer Fläche von 5.000 ha ausgewiesen. Eben-

112 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz

2.7.2 Zentrale Herausforderungen

Massive Eingriffe in Natur und Landschaft durch Baumaßnahmen lle derzeit noch erhaltenen naturnahen ALebensräume müssen auch künftig erhalten werden. Trotz vielfältiger politischer Zielaussagen (s.a. Kap. 2.7.3) zum Schutz von Natur und Land- schaft in den deutschen Alpen, sind diese weiter- hin massiv bedroht. Insbesondere die galoppie- rende Flächeninanspruchnahme durch Verkehr, Siedlung, aber auch Infrastruktur für Land- und Forstwirtschaft und den Tourismus führen zu gra- vierenden, nicht mehr rückgängig zu machenden Verlusten der natürlichen Ressource. Davon blei- ben selbst Naturschutzgebiete nicht ausgenom- men. Jedes Jahr erfolgen in den deutschen Alpen gravierende Eingriffe, selbst in hoch schutzwürdi- ge Flächen und Gebieten. Im folgenden werden einige Beispiele zu begonnenen Projekten und Planungen genannt: Der Bau der Auto- Autobahnneubau A 7 zwischen Nesselwang und bahn A 7 von Füssen, Landkreis Ostallgäu Nesselwang nach 2002 wurde mit dem Bau des 14,5 km langen und Füssen zerstört € eine der wertvoll- rund 120 Mio. teuren Autobahn-Abschnitts der sten Landschaften

A 7 zwischen Nesselwang und dem 2-spurigen Leidorf Foto: im Allgäu. Grenztunnel nach Österreich bei Füssen begon- nen. Der Autobahnneubau entwertet einen der Moosenalmweg im Naturschutzgebiet und FFH- naturschutzfachlich wertvollsten Teilräume direkt Gebiet Karwendel, Landkreis Bad Tölz-Wolfrats- am Alpenrand. Durch Überbauung oder massive hausen Beeinträchtigung im direkten Umfeld der Trasse 1999 wurde der Bau eines 4,6 km langen PKW- werden auf großen Flächen und an vielen Stellen und LKW-befahrbaren Wegs zur Moosenalm im schutzwürdigste Biotope zerstört, z.B. rund 6 ha NSG Karwendel und Karwendelvorgebirge mit Hoch- und Zwischenmoore, 10 ha artenreiche Wie- Baukosten von 1,2 Mio. € abgeschlossen. Der sen, 6 ha Kleinseggen- und Kopfbinsenrieder und Weg führt über einen großteils bewaldeten Steil- 2,5 ha Pfeifengraswiesen. Ca. 9,5 ha nicht wieder- hang, mit bis zu 40 Grad Hangneigung, auf die herstellbare wertvollste Flächen (z.B. Moorwäl- 700 Höhenmeter höher gelegene Alm, auf der der, Pfeifengraswiesen, Quellen) werden über- rund 150 Rinder wenige Monate im Sommer wei- baut, weitere 7,3 ha im direkten Umfeld stark den. Die Straße, die nach dem Genehmigungsbe- beeinträchtigt. Die Trasse zerstört im Enzenstette- scheid eine Ausbaubreite von 2,5 m erhalten soll- ner Quellmoor ein Gebiet, das wegen des Vor- te, ist de facto in vielen Abschnitten auch außer- kommens von Kalktuffquellen, einem prioritären halb der Kehren weit über 3 m breit ist und führt Lebensraum der FFH-Richtlinie, und der ebenfalls größtenteils durch Schutzwald mit hoher ökologi- nach der FFH-Richtlinie geschützten Libellenart scher Wertigkeit. Die landesplanerische Beurtei- Helm-Azurjungfer sogar europaweit bedeutsam lung aus dem Jahr 1995 kommt zu dem Ergebnis, ist, aber vom Freistaat Bayern nicht als NATURA dass der Weg zu erheblichen Konflikten mit den 2000-Gebiet gemeldet wurde. Zusätzlich zur Belangen von Natur und Landschaft führen würde Überbauung und dem Lebensraumverlust im di- und den Erfordernissen des Natur- und Land- rekten Trassenumfeld führt die A 7 auch zu einer schaftsschutzes nicht Rechnung tragen kann. Als großen Zahl weiterer nicht quantifizierbarer und Negativaspekte wurden herausgestellt : nicht ausgleichbarer Beeinträchtigungen für Tier- • Erhebliche Beeinträchtigung des Schutzwal- arten mit größeren Arealansprüchen und seltenen des und Folgewirkungen Biotopkomplexen sowie für das Landschaftsbild und den Naturgenuss (ABDS, 2001).

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 113 Naturschutz

• Beeinträchtigung der Landschaft und des Wiederansiedlung ist aufgrund der speziellen Landschaftsbildes Anforderungen der Art an die Größenzusammen- • Gravierende Störung eines bedeutsamen setzung des Kieses und der Vegetation nicht mög- Rückzugsgebiets für Vogelarten der Roten lich (StMLU, 2001 a). Auch eine natürliche Wiederein- Liste, darunter vom Aussterben bedrohte wanderung ist unwahrscheinlich, da es im Ein- Arten (z.B. Auerhuhn, Birkhuhn, Haselhuhn, zugsgebiet der Linder nur noch einen überlebens- Alpenschneehuhn, Wanderfalke, Wald- fähigen Bestand der Gefleckten Schnarrschrecke schnepfe) gibt. Auch ist die Heuschreckenart nach einer Be- • Öffnung des Gebiets für andere, dort uner- standserfassung im ganzen Landkreis Garmisch- wünschte Nutzungsarten (gemeint sind Frei- Partenkirchen sehr selten geworden und fehlt auf zeitnutzungen) (REGIERUNG VON OBERBAYERN, 1995). großen Abschnitten der Wildflüsse (SCHÖDL, 2002).

Trotzdem wurde für den Wegebau am 13.12.1995 die Genehmigung erteilt und die Straße mittler- weile gebaut. Eine EU-Beschwerde des BN hatte den Bau nicht stoppen können, die EU-Kommis- sion hat nur nachträglich Ausgleichsmaßnahmen gefordert. Foto: Wessely Foto: Die Gefleckte Schnarrschrecke besiedelt Kies- und Schotterflä- chen an Bächen und Flüssen. Sie kommt aktuell in Bayern nur noch an wenigen Nebenbächen von Ammer und Loisach sowie an der Isar und einigen ihrer Zuflüsse vor.

Bei der Kiesentnahme im Lindergries handelt es sich zwar um einen Extrem-, aber keinen Einzelfall von Eingriffen in die letzten Wildflusslandschaften

Foto: Margraf Foto: der deutschen Alpen. Grundeigentümer und An- 150 Rinder – 1,2 Mio.€ Baukosten; statistisch gesehen kostete der v.a. vom lieger fahren immer wieder Kies für den Hausbau Steuerzahler finanzierte Almwegebau auf die Moosenalm pro Rind 8.000 €. und die Ausbesserung von Wegen ab. Die Deut- sche Bahn baggerte in kurzer Zeit dreimal Kies Kiesentnahme aus dem Lindergries, Landkreis aus der Halbammer. Bei Altenau wurde eine Fluss- Garmisch-Partenkirchen schlinge der Ammer nach einem Hochwasser 1999 Die Wildflusslandschaft des Lindergrieses ist Teil geräumt. Dabei wurden die natürliche Struktur des Naturschutzgebiets Ammergebirge, das auch völlig zerstört und genehmigt Kies abgefahren. als FFH-Gebiet gemeldet ist. Wildflusslandschaf- Etwas flussaufwärts wurden rund 26.000 m3 Ma- ten zählen zu den seltensten und naturschutz- terial, darunter große Mengen Kies entnommen fachlich bedeutendsten Biotoptypen und beher- und von einer Baufirma vermarktet (KIRCHNER, 2001). bergen einige stark spezialisierte hoch gefährde- te, z.T. vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflan- Selbst an der international äußerst hochwertigen zenarten. Trotz der bekannt hohen Wertigkeit des Wildflusslandschaft der Oberen Isar verursachen Lindergrieses, des faktischen Schutzes und einer Geschiebeentnahmen und bauliche Eingriffe gro- FFH-Verträglichkeitsprüfung, die zu dem Schluss ßen Schaden. So wurde z.B. oberhalb des Sylven- kam, dass die Kiesentnahme zu erheblichen Be- steinspeichers ein rund 2 km langer Damm mit bis einträchtigungen der Erhaltungsziele des FFH- zu 2 m Höhe und rund 8 m Breite für eine LKW- Gebiets führen kann, wurden im Herbst 2000 Straße zum Kiesabtransport aufgeschüttet, ob- mehr als 20.000 Kubikmeter Kies auf einer Fläche wohl die Kiesgewinnungsstelle bereits über eine von über einem Hektar entnommen. Vor der Kies- von LKWs-befahrbare Zufahrt zu erreichen war. entnahme lebte dort die vom Aussterben bedroh- te Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodema tubercu- Zu geringe Prüfung von Naturschutzaspekten lata), die als typische Art des FFH-Lebensraumty- bei Genehmigungsverfahren pes Schotterbänke alpiner Fließgewässer be- Um die Auswirkungen von Projekten auf Natur trachtet werden kann. Die Population ist durch und Landschaft fundiert beurteilen zu können, ist die Kiesentnahme zerstört worden. Eine gezielte es erforderlich, dass die Planungsunterlagen voll-

114 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz ständig und fachlich korrekt aufbereitet sind. Hier Die Verpflichtung zur Durchführung von Umwelt- bestehen enorme Defizite. Vielfach werden bei verträglichkeitsprüfungen besteht derzeit nur für dem Einreichen von Planungsunterlagen nicht alle wenige Projektarten, wie Autobahnen, Eisenbahn- geplanten Maßnahmen beschrieben, sondern die- strecken, Pipelines und Kraftwerke. Die meisten se in Salamitaktik portionsweise zur Genehmi- Vorhaben, bei denen negative Auswirkungen auf gung eingereicht. Insbesondere bei Skigebiets- die Natur zu befürchten sind, z.B. Gesteinsabbau, ausbauten scheint dies in den deutschen Alpen Wegebau, Errichtung von Schipisten etc. sind üblich zu sein. So wurde z.B. bei der Erweiterung nicht UVP-pflichtig. Dadurch werden Eingriffe in des Skigebiets am Götschen im Landkreis Berch- Natur und Landschaft leichter durchsetzbar, wie tesgadener Land zuerst nur die Modernisierung das Beispiel der Skigebietserweiterung am Spit- des Lifts beantragt. Als diese genehmigt war, folg- zingsee zeigt: ten weitere Anträge, die in ursächlichem Zusam- menhang standen, wie Beschneiungsanlagen und Ausbau des Skigebiets »Stümpfling« am ein Speicherteich für das Wasser, mit dem die Be- Spitzingsee schneiungsanlagen betrieben werden. Im näch- Bauanträge zur Erweiterung von Seilbahnen wer- sten Schritt folgte eine riesige Flutlichtanlage. den nach dem Bayerischen Eisenbahn- und Seil- Auch fachlich sind viele Planungsunterlagen un- bahngesetz beur- zureichend. Allerdings machen die Genehmi- teilt. Dieses gungsbehörden von der Möglichkeit, Nachbesse- Gesetz sieht rungen zu verlangen, nur wenig Gebrauch. weder eine Plan- feststellung noch eine Plangenehmi- gung vor. Damit sind die Mitwir- kungsmöglichkei- ten von Natur- schutzbehörden und insbesondere Naturschutzver- bänden massiv

eingeschränkt. Berger Foto: Für den Ausbau des Skigebiets Um sachgerecht über die Umweltwirkungen eines Stümpfling wurde eine neue Straße gebaut. Trotz massiver

Foto: Wessely Foto: Seilbahnumbaus oder einer Erweiterung urteilen Eingriffe, erfolgte keine umfas- Mit Steuergeldern platt gemacht – Skigebiet am Götschen im zu können, sollten zukünftig für größere Umbau- sende Prüfung der Umweltwir- Biosphärenreservat Berchtesgaden ten und Erweiterungen Planfeststellungsverfah- kungen. ren und für geringfügige Veränderungen Plange- Das Verwaltungsrecht macht sehr unterschiedli- nehmigungsverfahren, jeweils mit Umweltverträg- che Vorgaben zu den erforderlichen Genehmi- lichkeitsprüfung, durchgeführt werden. Ferner gungsverfahren verschiedener Maßnahmearten. soll eine UVP-Pflicht für alle Anlagen, die poten- Für einige Projekttypen, z.B. Golfplatzplanungen ziell zu erheblichen Eingriffen in Natur und Land- werden Planfeststellungsverfahren durchgeführt. schaft führen können vorgesehen werden. Dabei Damit ist zumindest vom Grundsatz her die Mit- sind Schwellenwerte festzusetzen, die sicherstel- wirkung der Naturschutzbehörden und -verbände len, dass tatsächlich alle relevanten Projekte gewährleistet. Andere Projekttypen, die mindes- einer UVP unterzogen werden. Gegenwärtig sind tens ebenso schwer in Natur und Landschaft ein- die festgesetzten Schwellenwerte zu hoch. greifen können, durchlaufen dagegen nur Pla- nungsverfahren mit stark eingeschränkter Beteili- Nichtberücksichtigung von behördlichen Vor- gung der Naturschutzverbände. Oft wird dabei schriften bei Genehmigungsverfahren auch der amtliche Naturschutz nur oberflächlich In Ergänzung zu den für die Praxis oft nicht hinrei- beteiligt und hat wenig Einfluss. Besonders unzu- chend konkretisierten Gesetzen, regeln Verwal- reichend ist die Anhörung des Naturschutzes beim tungsvorschriften, amtliche Bekanntmachungen, Bau von Almwegen und Forststraßen außerhalb etc. die weitere Ausführung. Diese Vorschriften von Naturschutzgebieten. Hier gilt lediglich eine enthalten detaillierte Vorgaben zur Genehmi- Anzeigepflicht (Art. 6 e BayNatSchG), drei Monate gungspraxis oft mit konkreten Anweisungen zur vor Baubeginn bei der Unteren Naturschutzbehör- Vermeidung und Verminderung von Eingriffen in de (Landratsamt). Natur und Landschaft. Nicht selten wenden die Genehmigungsbehörden diese Vorgaben nicht

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 115 Naturschutz

oder nur unzureichend an. Nicht nur in Einzelfäl- die Ersatzaufforstung von Bergwald für den Spei- len werden Genehmigungen erteilt, die eindeutig cherteich. Massive Defizite bestehen auch bei der und häufig in mehreren Punkten gegen wichtige Umsetzung der vorgesehenen Maßnahmen zur Ausführungsbestimmungen verstoßen. Lenkung der Freizeitnutzung in diesem für Wald- Besonders stark ausgeprägt ist die Mißachtung vögel und insbesondere Auerhühner wichtigen von Vorgaben in der Genehmigungspraxis für Raum. Bei der Ortseinsicht konnten keinerlei Anlagen zur künstlichen Beschneiung. Informationen zu entsprechenden Regeln gefun- den werden, ebenso waren die geforderten Maß- Künstliche Beschneiungsanlagen nahmen zur Verhinderung von Variantenabfahrten Im Rahmen einer Diplomarbeit wurde die Geneh- nicht umgesetzt worden. migungspraxis von Beschneiungsanlagen in Bay- ern anhand von 62 Bescheiden untersucht. Das Erhebliche Lücken klaffen auch in der Kontrolle Ergebnis ist skandalös: Kein Bescheid setzt alle allgemeiner Vorschriften, z.B. zur Erhaltung ge- Anforderungen der Bekanntmachung zur Geneh- setzlich geschützter Biotope oder von Schutzge- migung von Beschneiungsanlagen um. Besonders bietsverordnungen. Verstöße werden eher durch die Anforderungen der Bekanntmachung an den Naturschutzverbände oder engagierte Einzelper- Standort und den Betrieb von Beschneiungsanla- sonen aufgedeckt, als durch die dafür zuständige gen werden in weniger als 50 % der Genehmigun- Verwaltung, die angesichts der knappen Perso- gen erfüllt. Deutlich wurden zudem erhebliche nalausstattung und Aufgabenfülle allein zeitlich Unterschiede zwischen einzelnen Landkreisen so- dazu kaum in der Lage ist. wie die Tatsache, dass in über 70% aller genehmig- ten Beschneiungsanlagen Gebiete betroffen sind, Defizite im Vollzug die sich nach Definition der Bekanntmachung für Großer Handlungsbedarf besteht auch in der Ahn- eine Beschneiung nicht eignen (KRAUSS, 2002). dung von Verstößen. Zwar enthalten die Natur- schutzgesetze und ihnen nachgeordnete Rechts- Fehlende Überwachung vorschriften entsprechende Bußgeldsätze, doch Enorme Defizite bestehen bei der Überwachung werden nur äußerst massive Verstöße gegen die der Auflagen in Genehmigungsbescheiden einzel- Vorschriften polizeilich oder gerichtlich verfolgt. ner Projekte und Maßnahmen. Angesichts der Die meisten der ohnehin wenigen aufgedeckten Aufgabenfülle und Ausdehnung der Landkreise, Verstöße bleiben ungeahndet, wodurch die Be- können die Umweltbehörden nur einen ver- reitschaft, die jeweiligen rechtlichen Regelungen schwindend kleinen Teil der Auflagen selbst über- zu beachten, untergraben wird. Es gibt auch Fälle, wachen. Da in den Genehmigungen meist keine in denen offenkundig Rechtsbeugung betrieben Auflagen für eine externe Überwachung, z.B. in wird, wie das folgende Beispiel zum behördlichen Form einer ökologische Bauleitung mit entspre- Vorgehen bei einer Anzeige gegen ungenehmig- chender Dokumentation, enthalten sind, fehlt in tes Canyoning zeigt. der Regel auch diese Kontrollmöglichkeit. Regel- mäßig werden Auflagen zum Schutz von Natur Niederschlagung einer Anzeige gegen Canyoning und Umwelt nicht eingehalten. Meist nur durch Canyoning – das Begehen von Schluchten mit Zufall kommen Verstöße ans Licht, wie beim Ski- spezieller Ausrüstung (meist wasserfeste Seile, gebiet Götschen im Landkreis Berchtesgadener Neoprenanzüge etc.) – ist nicht durch den wasser- Land. rechtlichen Gemeingebrauch des Bayerischen Wassergesetzes (Art. 21) abgedeckt. Damit Can- Skigebiet Götschen yoning legal ausgeübt werden kann, muss das Zwischen 1997 und 1999 wurde das Skigebiet am Gewässer dafür mit einer Rechtsverordnung, All- Götschen grundlegend umgestaltet. Dabei wur- gemeinverfügung oder Anordnung gewidmet wer- den Lifte modernisiert, 1,8 ha Bergwald wurde für den. 2003 mussten 12 Personen bei einer Canyo- neue Pisten gerodet, es wurde großflächig pla- ning-Tour im Heckenbach im Landkreis Bad Tölz- niert, ein neuer Großparkplatz angelegt sowie Wolfratshausen von einem mehr als 20-köpfigen Beschneiungsanlagen und eine riesige Flutlicht- Team aus Feuerwehr, Bergwacht und Rotem Kreuz anlage errichtet. Bestandteil der Genehmigung geborgen werden. Der Pressesprecher des Land- zum Ausbau des Skigebiets am Götschen war die ratsamts Bad Tölz-Wolfratshausen erläuterte die Umsetzung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnah- Rechtslage in einem Zeitungsinterview korrekt, men der landschaftspflegerischen Begleitpla- als er sagte »Der Umweltausschuss des Landkrei- nung. Ortseinsichten des Bundes Naturschutz ses hat Canyoning in jeder Form verboten. Seither haben gezeigt, dass eine große Zahl der Maßnah- ist jeder Gebrauch genehmigungspflichtig« (SZ, men nicht realisiert wurde. Beispielsweise fehlen 2003). Begrünungs- und Pflegemaßnahmen ebenso wie

116 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz

Dass Canyoning widerrechtlich ausgeübt wird, ist Fehlende Ruhezonen für störempfindliche kein Einzelfall. In einer Grundlagenuntersuchung Tierarten des Deutschen Alpenvereins (DAV, 2001) wurde fest- Freizeit in der Natur boomt wie nie zuvor. Die Al- gestellt, dass in 226 Schluchten, Bächen und Grä- pen sind das wichtigste Natursportareal in Europa ben der deutschen Alpen Canyoning betrieben und zählt mit Neuseeland und Teilen der USA zu wird. In einigen besonders geeigneten Gewässern den am stärksten frequentierten Natursportge- sind pro Saison viele Dutzend Gruppen unter- bieten weltweit. Jährlich reisen mehr als 100 Milli- wegs. Aufgrund dieser permanenten Duldung von onen Menschen in die Alpen, dazu kommen noch Verstößen, hat der Bund Naturschutz aus grund- ca. 60 Millionen Tagestouristen pro Jahr. In den sätzlichen Überlegungen exemplarisch für die Be- deutschen Alpen wird es dabei besonders eng – gehung des Heckenbachs im Landkreis Bad Tölz- sind sie doch wegen der Nähe zu den großen Bal- Wolfratshausen Anzeige erstattet. Das Landrats- lungsräumen München, Augsburg, Rosenheim amt, das die Anzeige bearbeitete, schlug die An- und Teilen Baden-Württembergs und der Beliebt- zeige mit der Begründung nieder, dass die Bege- heit als Urlaubsregion Nr. 1 in Deutschland be- hung keine Ordnungswidrigkeit sei. Nach Ansicht sonders stark frequentiert. In den letzten Jahren des Bund Naturschutz handelt es sich dagegen zeichnen sich im Natursport folgende Trends ab: um eine Ordnungswidrigkeit, denn anderenfalls • Die absolute Zahl der Natursportler nimmt wäre die Verpflichtung zur Widmung nicht zu be- insgesamt zu, wobei die Entwicklung inner- gründen. Eine entsprechende Bitte um rechtsauf- halb der verschiedenen Sportarten unter- sichtliche Prüfung durch die Regierung von Ober- schiedlich verläuft. Deutliche Zuwächse sind bayern vom März 2003 blieb bis Sommer 2004 insbesondere bei Sportarten festzustellen, unbeantwortet. bei denen wenig Vorerfahrung und Training nötig ist und die – häufig mit Hilfe eines kom- Auch andere Landratsämter ahnden Canyoning in merziellen Anbieters – in ihren Grundzügen dafür nicht gewidmeten Gewässern nicht. Das rasch eingeübt werden können. Ein typisches Landratsamt Oberallgäu teilte sogar offiziell in Beispiel hierfür ist das Canyoning, das über- einer Einladung an den Bund Naturschutz mit, wiegend gewerblich organisiert betrieben Der BN-Infodienst »Trend- dass Einzelbegehungen von Bächen (weniger als wird. Im Wintersport hat sich beim Schnee- sportarten im Alpenraum« 5 Gruppen pro Jahr) in offensichtlich regelmäßig schuhgehen eine neue Sportart in den letzten gibt einen kompakten geröllführenden Schluchten nicht verfolgt werden 10 Jahren fest etabliert. Einen besonders ho- Überblick über Wechselwir- (LRA OBERALLGÄU, 2003). hen Zulauf verzeichnet das Skitourengehen. kungen zwischen Natur- • Die Natursportler betreiben ihren Sport häufi- sport und Naturschutz und ger als früher. Auch in witterungsmäßig weni- enthält viele Anregungen ger geeigneten Monaten sind mittlerweile für Verbesserungen. viele Natursportler unterwegs. Selbst das äußerst anstrengende Mountainbiking im Schnee ist kein Einzelfall mehr. • Die Zeit, in der Sportler im Gebirge unterwegs sind, hat sich deutlich verlängert. Die Men- schen kommen früher am Morgen in die Ber- ge und bleiben abends länger. Teilweise ver- schieben sich Aktivitäten in die Nacht. Nacht- wanderungen, die oft von Tourismusverbän- den oder Vereinen organisiert werden, sind sehr beliebt. • Hinzu kommt als dritte Komponente der ver- stärkten sportlichen Nutzung die räumliche Ausweitung. Immer bes- sere Ausrüstung und die Sehnsucht nach unbe- rührter Natur und Aben- teuer, locken immer mehr Sportler in bislang weitgehend unberührte Bereiche. Canyoning und

Foto: Wessely Foto: Rafting sind dafür typi- Wessely Foto: In Dutzenden von Bächen der deutschen Alpen wird – meist sche Beispiele. Rafting hat sich an allen größeren Alpenflüssen als Trend- ohne Genehmigung – Canyoning betrieben. sportart etabliert.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 117 Naturschutz

Von sportlicher Nutzung freie Bereiche gibt es in lang das Nest nicht an, wenn die Menschen neben den deutschen Alpen kaum mehr, störempfindli- den kaum sichtbaren Nestern lagern. Die Folge che Tierarten kommen deshalb immer mehr unter ist, dass die Eier auskühlen und absterben. Auch Druck. Der Bestandsrückgang der Birkhühner in werden die unscheinbaren Gelege immer wieder den deutschen Alpen wird maßgeblich auf die aus Versehen zertreten. Zwar liegt die Obere Isar gestiegene Erholungsnutzung zurückgeführt. im Naturschutzgebiet Karwendel, doch enthält die Schutzgebietsverordnung keinerlei Regelung für das Betreten der Wildflusslandschaft und ihrer Kiesbänke. Seit 2002 liegt das Fachkonzept »Frei- zeit und Erholung im Karwendel – naturverträg- lich« vor, das eine Reihe von sinnvollen Lösungs- vorschlägen für den Konflikt enthält, doch sind diese bislang nicht umgesetzt. So fehlen sogar so einfache Maßnahmen wie Hinweisschilder an den Das vom Aussterben bedrohte Hauptzugangswegen und Parkplätzen. Bisher ver- Birkhuhn reagiert sehr empfind- lich auf Störungen durch sucht man lediglich durch das Spannen von Flat-

Freizeitsportler. Willner Foto: terleinen die bekannten Gelege zu schützen.

Auch andere Tierarten werden durch die Anwe- Die beste Vorsorge gegenüber Konflikten zwi- senheit von Sportlern in ihren Lebensräumen in schen Natursport und Naturschutz ist und bleibt Bedrängnis gebracht. Bei sehr starker Störinten- der Verzicht auf Erschließungsmaßnahmen jeder sität können ganze Bergflanken als Lebensräume Art. Je entlegener und je schwieriger zugänglich entwertet werden, obwohl die sonstigen Voraus- ein Gebiet ist, um so weniger wird es frequentiert setzungen wie Nahrungsangebot, Deckung etc. und umso geringer sind die potenziellen Konflikte passen. mit störempfindlichen Arten. Jeder neue Almweg, jede neue Forststraße, erst recht natürlich jeder Damit sich die Probleme nicht noch weiter ver- neue Lift und jede Kapazitätssteigerung eines schärfen, sollten umgehend wirksame Lenkungs- Lifts, erhöht die in den deutschen Alpen ohnehin konzepte erarbeitet werden. Während es für win- schon besonders stark ausgeprägte Massierung terliche Natursportarten wie Schneeschuhgehen, der Erholungssuchenden und forciert damit wei- Winterwandern, Tourenskilauf mit dem Projekt ter die Konflikte zwischen Naturschutz und Natur- »Skibergsteigen umweltfreundlich« des Deut- sport. Räume der Einsamkeit zu erhalten ist eine schen Alpenvereins und des Bayerischen Um- zentrale Aufgabe des Naturschutzes, auch in den weltministeriums seit Jahren entsprechende deutschen Alpen. Deshalb sind auch die von eini- Anstrengungen gibt, existieren für die sommer- gen Fremdenverkehrsgemeinden befürworteten lichen Sportarten kaum oder meist nur sehr loka- Taxi-Dienste auf für den öffentlichen Verkehr ge- le Lenkungsmaßnahmen. Vordringlich ist dabei sperrten Straßen sehr kritisch zu sehen, z.B. der die Zugangsregelung zu Gewässern, da diese zum sog. Alm-Bus ins Estergebirge. einen besonders attraktiv und damit stark fre- quentiert, zum anderen Lebensraum stark be- Alm-Bus ins Estergebirge drohter Arten sind. Stellvertretend für andere sei Das Estergebirge im Landkreis Garmisch-Parten- hier der Konflikt am Beispiel der Wildflussland- kirchen ist bis auf den am Rand gelegenen Wank schaft der Oberen Isar kurz skizziert. nicht durch Seilbahnen und Lifte erschlossen und wird von keiner öffentlich befahrbaren Straße Obere Isar durchquert. Am Rande des Estergebirges liegen Die Kiesbänke der in den ganzen Nordalpen ein- einige sehr bekannte Ferienorte, z.B. Wallgau und zigartigen, weitgehend intakten Wildflussland- Krün. 2003 wurde ein sog. Alm-Bus von Wallgau schaft der Oberen Isar sind beliebtes Freizeitziel und Krün aus eingerichtet, der auf Forststraßen zum Sonnenbaden, Kajakfahren, Lagern und Ba- ins Estergebirges (Wildbädermoos) fährt. Die zen- den. Zugleich sind diese Kiesbänke aber auch für tralen Teile des Estergebirges waren bislang rela- seltene Vogelarten sehr bedeutsam: Hier brütet tiv wenig besucht, da von allen Seiten relativ lan- der nach der Roten Liste von Bayern als »vom ge Wege dorthin führen. Dies ist sicher einer der Aussterben bedroht« eingestufte Flussuferläufer Gründe dafür, weshalb es im Estergebirge noch und der aus seinen natürlichen Lebensräumen eine Reihe seltener störempfindlicher Tierarten in weitestgehend verdrängte Flussregenpfeifer. Frei- relativ großen Teilpopulationen gibt (z.B. alle 4 in zeitnutzung und Vogelschutz kollidieren: Die Bayern vorkommenden Raufusshuhnarten, Uhu, Vögel können bei Freizeitbetrieb nicht mehr auf Adler, Wanderfalke, Raufuß- und Sperlingskauz). Nahrungssuche gehen, Altvögel fliegen stunden- Der Almbus führt zu einer stärkeren Frequentie-

118 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz rung und damit zu einem erhöhten Risiko von Stö- Wenig Auflagen für die Bodennutzung in rungen empfindlicher Tierarten. Schutzgebieten In den Verordnungen zu Naturschutz- und Land- Akzeptanzprobleme von Lenkungskonzepten schaftsschutzgebieten ist im Regelfall die Weiter- Die Akzeptanz von Lenkungskonzepten ist sehr führung der sog. ordnungsgemäßen land- und unterschiedlich. Am besten funktionieren Len- forstwirtschaftlichen Nutzung grundsätzlich er- kungskonzepte, bei denen der Erholungssuchen- laubt. Einige Aspekte der Nutzung, die erfah- de gar nicht bemerkt, dass er von einer sensiblen rungsgemäß zu Eingriffen in Natur und Land- Zone ferngehalten wird. Bei einer Reihe von Kon- schaft führen können, sind davon ausgenommen. fliktfällen ist dies aber nicht oder nur begrenzt an- Für sie ist dann eine Erlaubnis oder naturschutz- wendbar. Dies ist insbesondere dann der Fall, rechtliche Befreiung (Naturschutzgebiete) erfor- wenn Wege oder Routen bei den Erholungssu- derlich, z.B. Bau von Forstwegen, Umbau von chenden bekannt oder sichtbar sind und im Ver- landwirtschaftlichen Gebäuden. Die klassische gleich zur Alternative deutlich attraktiver. Bodennutzung unterliegt dagegen in fast allen Deshalb ist auch die Erfolgsbilanz des Projekts Schutzgebieten keinen Einschränkungen. Des- »Skibergsteigen umweltfreundlich« nicht durch- halb bietet die Schutzgebietsausweisung z.B. kei- weg positiv. ne Einschränkung für den Holzeinschlag. In und außerhalb von Schutzgebieten sind die recht- Skibergsteigen umweltfreundlich lichen Voraussetzungen für den Holzeinschlag die Der Deutsche Alpenverein und das selben. Vielfach ist deshalb kein Unterschied bei Bayerische Umweltministerium der naturschutzfachlichen Wertigkeit zwischen führen seit Jahren das Projekt »Ski- Wäldern in Schutzgebieten und Wäldern außer- bergsteigen umweltfreundlich« durch. halb von Schutzgebieten zu erkennen. Einige Wäl- Dabei werden alle Gebirgsstöcke, in denen Tou- der in Schutzgebieten, insbesondere des schwä- renskifahrer unterwegs sind, darauf hin unter- bische Teils des Naturschutzgebiets Ammergebir- sucht, ob durch das Tourenskifahren, Schnee- ge, unterliegen sogar einem deutlich höheren schuhgehen und Winterwandern Wildtiere, insbe- Nutzungsdruck, als viele Wälder außerhalb von sondere Raufusshühner, gestört werden. Dort, wo Schutzgebieten. Störungen vorhanden oder wahrscheinlich sind, wird versucht, Abhilfe zu schaffen, z.B. durch die Ähnlich ist die Situation bei landwirtschaftlichen Kennzeichnung von Aufstiegsrouten und Abfahr- Nutzflächen. Nutzungsbeschränkungen, z.B. Dün- ten, welche die neuralgischen Bereiche nicht tan- geverzicht gelten in der Regel nur für die Flächen, gieren. Allerdings ist die Akzeptanz dieser Rou- die ohnehin bereits nach Art. 13 des BayNatSchG tenmarkierungen sehr unterschiedlich. Während geschützt sind. Auch gibt es keine schutzgebiets- es in einigen Gebieten kaum Probleme gibt, hält spezifischen Auflagen für die Beweidung. Die Hö- sich in anderen eine große Zahl der Skitourenge- he des Viehbesatzes in Schutzgebieten richtet her und Winterwanderer nicht an die Wegwei- sich nach denselben Kriterien wie außerhalb von sung, selbst wenn der Mehraufwand gering ist. Schutzgebieten. Dem entsprechend sind die Un- So wurden z.B. die Winterwanderer am Breiten- terschiede bei den Grünlandflächen in und außer- stein im Landkreis Miesbach gebeten, das kleine halb von Schutzgebieten oft gering. Plateau zwischen den beiden Gipfeln des Berges im Winter nicht zu begehen, da dieses ein wichti- Schutzgebietsausweisungen mit den bisher üb- ges Trittsteinbiotop für Birkhühner ist. Es wurde lichen Freistellungen der ordnungsgemäßen Bo- eine Alternativroute zwischen den beiden Gipfeln dennutzung von den Verboten, schützen die Ge- ausgeschildert, die 5 Minuten länger dauert als biete insbesondere vor größeren Infrastruktur- die direkte Überquerung des Plateaus. Trotz die- und Bauprojekten. Sie richten aber wenig gegen ses geringen Mehraufwands, überqueren viele die schleichenden Entwertungen durch Nutzungs- Winterwanderer weiterhin das Plateau. Enorme intensivierung aus. Damit Schutzgebiete ihre Ziel- Akzeptanzprobleme gibt es auch im Naturschutz- setzung erfüllen können, ist es nötig, dass die gebiet Geigelstein. Obwohl dort nach der NSG- Nutzung nur so erfolgt, dass die Erfüllung des in Verordnung das Skifahren auf dem sog. Platt- der Verordnung angeführten Schutzzwecks je- hang, der ostseitigen Abdachung des Geigel- weils vollständig gewährleistet ist. steins, verboten ist, ist der Hang oft voller Spuren und zählt zu den beliebtesten Abfahrten (DAV, 2004). Fehlende Erhebungen Während v.a. durch die Alpenbiotopkartierung und z.T. auch durch die Artenschutzkartierung für die nicht bewaldeten Flächen mittlerweile ein relativer guter Kenntnisstand über die Gefäß-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 119 Naturschutz

pflanzen und Biotoptypen erreicht wurde, beste- schaftspläne sind bislang nicht in die Praxis um- hen im Wald erhebliche Wissenslücken über die gesetzt worden. Dürftig fällt auch die Bilanz der biologische Ausstattung. Die Alpenbiotopkartie- Umsetzungsprojekte zum Bayerischen Arten- und rung beschränkt sich bei der Erfassung von Wäl- Biotopschutzprogramm aus. Nur zwei der bayern- dern auf wenige Sonderstandorte (z.B. Schnee- weit 46 BayernNetzNatur-Projekte, nämlich das heide-Kiefern-Wälder, Moorwälder, Blockschutt- vom BN betreute Projekt »Hangquellmoore am wälder). Der Großteil der Waldflächen, der auf Samerberg« und die Mittenwalder Buckelwiesen, »Normalstandorten« wächst, wird durch die Al- befinden sich in den deutschen Alpen. Bislang penbiotopkartierung nicht erfasst, obwohl gerade wurde kein einziges BayernNetzNatur-Projekt in hier eine Fülle von naturschutzfachlich sehr be- den Allgäuer Alpen und auch nicht im Alpenvor- deutsamen Arten beheimatet ist. Eine Waldbio- land des Allgäus durchgeführt (PAN-PARTNERSCHAFT, topkartierung, wie sie in anderen Bundesländern 2004). längst Standard ist, wird in Bayern bislang nicht durchgeführt. Lückenhaftes Schutzgebietssystem Größere Wissenslücken gibt es auch bei der Tier- Wie in Pkt. 2.7.1 beschrieben, gibt es eine große welt, wobei insbesondere die weniger auffälligen Zahl von Flächen, die derzeit nicht oder nur in der Artengruppen bisher oft nur oberflächlich bear- vergleichsweise wenig schlagkräftigen Schutzge- beitet wurden. bietskategorie des Landschaftsschutzgebiets Auch die Erhebungen im Zuge der Gebietsauswei- geschützt sind, aber die Voraussetzungen für die sung von NATURA 2000-Gebieten erfolgten nur Ausweisung als Naturschutzgebiet, ggf. auch als unzureichend. FFH-Managementpläne gibt es bis- Nationalpark erfüllen. Um die Naturausstattung in lang erst für zwei kleinere Gebiete: ein Almgebiet diesen Gebieten wirksam zu schützen, sollten beim Fellhorn im Oberallgäu und ein weiteres weitere NSG ausgewiesen werden. Aufgrund des Almgebiet am Brauneck im Landkreis Bad Tölz- starken Nutzungsdrucks besonders wichtig ist die Wolfratshausen. Auch das Monitoring der FFH- Ausweisung des Rotwandgebiets als NSG. Sehr Arten und Lebensraumtypen steckt noch in den wichtig ist auch die Ausweisung der bisher nur als Anfängen. Dieses Monitoring und die Manage- LSG geschützten Wildflussaue der Isar, unterhalb mentpläne sind ein wichtiger Baustein für Erhal- des Sylvensteinspeichers. tungsstrategien der Artenvielfalt in den Alpen. Doch auch darüber hinaus ist die Festlegung von Ferner sollten an bereits bestehende NSG angren- Ziel- und Indikatorarten und die Entwicklung von zende hochwertige Flächen in diese miteinbezo- Erhaltungsstrategien nötig. Erforderlich wäre ge- gen werden. Teilweise folgen die NSG-Grenzen rade auch für die Alpen der Aufbau einer ökosys- weniger den Abstufungen der Schutzwürdigkeit, temaren Umweltbeobachtung und die Formulie- als vielmehr den Besitzgrenzen. Ein Großteil der rung von konkreten Umwelt-Qualitätszielen für NSG-Flächen ist im Besitz der Staatsforstverwal- den Bereich Natur- und Artenschutz. tung. Dabei sind aber auch auf vielen benachbar- ten Privat- und Genossenschaftsflächen natur- Umsetzungsdefizit von Fachplanungen schutzfachlich sehr wertvolle Bestände vorhan- Für die deutschen Alpen liegen eine Reihe von den, was im folgenden anhand eines Beispiels Fachplanungen des Naturschutzes und der Land- kurz verdeutlicht wird. schaftspflege vor (s.a. Pkt. 2.7.3). Alle diese Pla- nungen enthalten eine Fülle von Vorschlägen zu NSG Östliche Chiemgauer Alpen Maßnahmen des Natur- und Landschaftsschutzes Die Grenzziehung des 1954 ausgewiesenen Natur- in verschiedener Präzisierung. Zumeist auf örtli- schutzgebiets Östliche Chiemgauer Alpen folgt che Initiative hin, wurden eine Reihe von Umset- morphologisch gut erkennbaren Grenzen (z.B. zungsprojekten gestartet. Große Projekte widmen Hangrücken) und den Besitzgrenzen des Staats- sich z.B. den Buckelwiesen und Heimweiden in forstes. Direkt angrenzend an das NSG befinden Mittenwald, dem größten zusammenhängenden sich einige, für den Arten- und Biotopschutz sehr Magerwiesengebiet der deutschen Alpen, dem wertvolle Gebiete, z.B. die vielfältige Verlan- Das vom BN betreute Murnauer Moos, den Oberammergauer Wies- dungszone am Südufer des Weitsees. Während Umsetzungsprojekt »Hang- mahdhängen, den Magerwiesen und Feuchtbioto- der Weitsee im Naturschutzgebiet Östliche quellmoore am Samer- pen am Samerberg und dem Tal der Tiroler Achen Chiemgauer Alpen liegt, sind die naturschutzfach- berg« erhält und vernetzt im Chiemgau. Trotz dieser positiven Einzelprojek- lich sehr wertvollen Verlandungs- und Moorzonen zahlreiche Streuwiesen, te, bleibt die Umsetzungsbilanz insgesamt aber an seinem Südufer außerhalb. Es handelt sich da- Magerrasen und Moore auf mager. So wurde z.B. das aufwändig erarbeitete bei um einen Vegetationskomplex aus Verlan- der Hochterrasse des naturschutzfachliche Konzept für die Östlichen dungsvegetation, Moorgesellschaften, Pfeifen- Samerbergs südlich von Chiemgauer Alpen bislang kaum realisiert. Auch graswiesen, verschiedenen Seggenriedern und Rosenheim. die Vorschläge der meisten kommunalen Land- extensiv genutztem Feuchtgrünland. Der Bereich

120 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz beherbergt eine Fülle seltener Arten, z.B. die Herausnahme von Teilflächen aus Schutz- attraktive Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica). gebieten Auch die Tierwelt ist sehr bedeutsam, z.B. durch Zunehmend wird der Schutz von Natur- und Land- Vorkommen der stark gefährdeten Schmetter- schaftsschutzgebieten durch die Herausnahme lingsart Braunkernauge/ Riedteufel (Minois dry- von Teilflächen durchlöchert. So wurde z.B. das as) oder der ebenfalls stark gefährdeten Gefleck- Landschaftsschutzgebiet um den Tegernsee ten Heidelibelle (Sympetrum flaveollum) (ALPENIN- mehrfach verkleinert, um Bauvorhaben, wie ein STITUT, 1993). Luxushotel und eine neue Spielbank planungs- rechtlich vorantreiben zu können. Auch für neue Mängel in der Gebietsmeldung für Golfplätze werden immer wieder Schutzgebiets- NATURA 2000 flächen ausgeklammert. 2004 war dies z.B. für Der Prozess für NATURA 2000-Gebiete erfolgte in einen weiteren Golfplatz bei Bad Reichenhall der Bayern seit 1996 sehr schleppend und wurde erst Fall. Ebenso lief 2004 ein Verfahren für die Her- im September 2004 abgeschlossen. Auf Druck der ausnahme von Teilflächen aus einem geschützten EU-Kommission und der Naturschutzverbände Landschaftsbestandteil und FFH-Gebiet für ein Bund Naturschutz und Landesbund für Vogel- weiteres Hotel in Schönau am Königsee. schutz hat sich das NATURA 2000-Netz in den deutschen Alpen in den letzten Jahren deutlich Klimaveränderung verdichtet. Am 22.12.2003 hat die EU-Kommission Pflanzen und viele an bestimmte Pflanzenarten die Liste für die alpinen Gebiete verabschiedet, gebundene Tierarten, sind oft sehr eng an be- forderte aber für einige Lebensraumtypen und stimmte klimatische Bedingungen angepasst. Die Arten Nachmeldungen auch von Bayern. Die Vor- Klimaerwärmung war in den Alpen während der schläge des Freistaats hierzu wurden im Dezem- letzten 100 Jahre etwa doppelt so hoch, wie im ber 2003 veröffentlicht und der Bevölkerung zur globalen Durchschnitt. Vegetation und Tierwelt Diskussion gestellt. Zentrale Forderungen des BN der Alpen sind davon massiv betroffen. Bereits (Estergebirge, Rotwandgebiet und ca. 20 andere 1992 ergab eine Studie zur Flora auf 30 Alpengip- Gebiete) sind im wesentlichen enthalten, aber feln, von denen historische Aufzeichnungen be- vielfach unzureichend abgegrenzt. Dies wurde lei- stehen, dass die Alpenflora in höhere Lagen vor- der auch in der endgültigen Meldung im Septem- dringt, um so den Temperaturanstieg auszuglei- ber 2004 nicht mehr geändert. Auch fehlen nach chen. Modellstudien entwickelten folgendes Sze- wie vor einzelne kleinere – aber wertvolle – Ge- nario für die nahe Zukunft: Die Zusammensetzung biete. der Pflanzengesellschaften wird sich ändern, da Die Zeitverzögerung (Abschluss der Liste war für sich die verschiedenen Pflanzenarten unter- 1998 vorgesehen) hat auch zur Missachtung der schiedlich schnell an die neuen Bedingungen Schutzbestimmungen in den Gebieten geführt anpassen können. Pflanzen, die bereits an den (s.a. Beispiele Moosenalm und Autobahn A 7). obersten Grenzen des Lebens angesiedelt sind, werden von Pflanzen verdrängt, die aus tieferen Regionen einwandern. Dies führt schließlich zu einer Veränderung, insbesondere der Flora der alpinen und nivalen Höhenstufe (HOHENWALLNER, 2002). Zusätzlich kommt es auch zu einer geogra- phischen Verschiebung der Vegetation. Die in den Südalpen zu beobachtende Einwanderung von Palmen und exotischen immergrünen Laubgehöl- zen, wie etwa Kampferbaum, Ölweide und Lor- beer in die Edellaubmischwälder des Tessins, sind erste deutlich sichtbare Zeichen der bereits statt- findendenden Veränderung (HAUBNER, 2002). Für die Tierwelt ist mit sehr komplexen, vielfälti- gen Reaktionen zu rechnen. Vergleichende Unter- suchungen ergeben auch hier bereits jetzt deutli-

Foto: Wessely Foto: che Veränderungen. Einzelne Arten dringen in bis- Vom BN jahrelang eingefordert, nun erreicht: Das Rotwandge- her nicht von ihnen besiedelte Areale vor und das biet wurde in die 3. Teilmeldung (2004) zum europäischen Bio- Überwinterungs- und Zugverhalten ändert sich. topverbundsystem NATURA 2000 aufgenommen Auch haben Neozoen (nicht einheimische Tierar- ten) offenbar einen Konkurrenzvorteil und können sich besser etablieren als standorttypische Arten. Darüber hinaus haben Veränderungen der Physio-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 121 Naturschutz

logie, Phänologie oder Verbreitung einzelner • Beeinträchtigte Ökosysteme zu sanieren und Arten vielfältige Auswirkungen auf andere Arten die Regenerierung gefährdeter Arten zu för- und Lebensgemeinschaften (KROMP-KOLB, 2003). dern • Das Einbringen nichtheimischer Arten, die Ökosysteme, Lebensräume oder Arten 2.7.3 Wichtige rechtliche gefährden nicht zuzulassen bzw. diese Arten und planerische zu kontrollieren oder ggf. zu beseitigen Festlegungen • Sich dafür einzusetzen, dass die gegenwärti- gen Nutzungen mit der Erhaltung der biologi- Biodiversitäts-Konvention schen Vielfalt und der nachhaltigen Nutzung ie Biodiversitäts-Konvention (eigentlich Kon- vereinbart werden können. Dvention zur Biologischen Vielfalt) ist ein völ- kerrechtliches Vertragswerk, das auf der Konfe- Im Rahmen der Konvention gibt es eine Reihe von renz der Vereinten Nationen für Umwelt und Ent- thematischen mehrjährigen Arbeitsprogrammen. wicklung in Rio 1992 ausgehandelt und inzwi- Die Arbeitsprogramme für die Hochgebirge und schen von 187 Staaten sowie der EU unterzeich- Schutzgebiete wurden auf der 7. Vertragsstaaten- net wurde. In Deutschland trat die Konvention am konferenz der Konvention, vom 16. – 29. Februar 29.12.1993 in Kraft. In der Konvention verpflichten 2004 in Kuala Lumpur, Malaysia, verabschiedet sich die unterzeichnenden Staaten, die Biodiver- (CBD, 2004 a und 2004 b). sität sowohl in den eigenen Ländern zu schützen, als auch geeignete Maßnahmen zum Schutz und Alpenkonvention zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität in Ent- Mit dem Protokoll »Naturschutz und Landschafts- wicklungsländern zu unterstützen. Das Überein- pflege« der Alpenkonvention (ÖAV, 2001) hat sich kommen verfolgt drei Hauptziele: Deutschland verpflichtet, die erforderlichen Maß- 1. Erhalt der biologischen Vielfalt nahmen zu ergreifen, um Schutz, Pflege und – so- 2. Nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt weit erforderlich – Wiederherstellung von Natur 3. Ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich und Landschaft im Alpenraum, einschließlich der aus der Nutzung der genetischen Ressourcen wildlebenden Tier- und Pflanzenarten, ihrer Viel- ergebenden Vorteile. falt und ihrer Lebensräume unter gleichzeitiger Berücksichtigung ihrer ökologisch tragbaren Nut- Die Konvention verpflichtet die Vertragsparteien zung sicherzustellen (Art. 2). Das Protokoll ent- zur Erhaltung aller Bestandteile der biologischen hält detaillierte Vorgaben zu Bestandsaufnahmen Vielfalt, sowohl in ihrem angestammten Lebens- (Art. 6) und zur Aufstellung von Planungsgrundla- raum (»in situ«) als auch – sofern angebracht – gen, in denen die Ziele des Naturschutzes und der außerhalb des Lebensraumes (»ex situ«, z.B. in Landschaftspflege festgelegt werden (Art. 7). Bei Form von Genbanken). Für die Alpen ist dabei ins- Eingriffen müssen die direkten und indirekten besondere Art. 8 der Konvention, der sich auf die Auswirkungen auf den Naturhaushalt und das Erhaltung vor Ort (in-situ-Erhaltung) bezieht rele- Landschaftsbild überprüft und das Ergebnis im vant. Danach haben alle Unterzeichner, soweit Planungsprozess berücksichtigt werden. Nicht möglich und angebracht, ausgleichbare Beeinträchtigungen dürfen nur • ein System von Schutzgebieten oder Gebie- dann zugelassen werden, wenn unter Abwägung ten, in denen besondere Maßnahmen zur aller Interessen die Belange von Naturschutz und Erhaltung der biologischen Vielfalt notwendig Landschaftspflege nicht überwiegen (Art. 9). sind, einzurichten und erforderlichenfalls Leitlinien für die Auswahl, Einrichtung und Für die Umsetzung sieht das Protokoll zum einen Verwaltung solcher Gebiete zu schaffen Vereinbarungen mit Grundeigentümern und Be- • Biologische Ressourcen, die für die Erhaltung wirtschaftern vor, wobei nicht nur Mittel des Na- der biologischen Vielfalt innerhalb und au- turschutzes, sondern verstärkt auch Mittel aus ßerhalb der Schutzgebiete wichtig sind, zu der Land- und Forstwirtschaft für die Ziele des regeln und zu verwalten Naturschutzes und der Landschaftspflege einge- • Den Schutz von Ökosystemen und natür- setzt werden sollen (Art. 10). Die zweite Säule der lichen Lebensräumen sowie die Bewahrung Umsetzung sind Schutzgebiete. Art. 11 sieht vor, lebensfähiger Populationen von Arten in ihrer dass bestehende Schutzgebiete erhalten und, wo natürlichen Umgebung zu fördern erforderlich, erweitert werden sollen. Nach Mög- • Umweltverträgliche und nachhaltige Entwick- lichkeit sind auch neue Schutzgebiete auszuwei- lung in den Gebieten, die an Schutzgebiete sen. Art. 11 verpflichtet die Vertragsparteien dazu, angrenzen zu fördern Schutzgebiete nicht zu beeinträchtigen oder zu zerstören. Ferner ist in Art. 11 die Einrichtung und

122 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz

Unterhaltung von Nationalparks festgelegt. Art. 11 setzliche Verpflichtung. Zentrale Schutzbestim- gibt auch vor, dass Schon- und Ruhezonen einge- mungen sind der Erhalt eines günstigen Zustan- richtet werden sollen, in denen wildlebende Tier- des der Gebiete, ein Verschlechterungsverbot, die und Pflanzenarten Vorrang vor anderen Interes- Erstellung von Managementplänen, eine strikte sen haben. Prüfung der Verträglichkeit von Eingriffen sowie Monitoring und Artenschutzbestimmungen. Ziel Art. 13 und 14 heben die besondere Bedeutung ist der Aufbau eines funktionalen Biotopverbun- des Schutzes natürlicher und naturnaher Biotop- des durch Erhalt und Entwicklung der Lebensräu- typen und einheimischer Tier- und Pflanzenarten me. Trotz zahlreicher Defizite bei der Umsetzung hervor. Danach müssen notwendige Maßnahmen der beiden Richtlinien ist NATURA 2000 gerade ergriffen werden, um natürliche und naturnahe für die Alpen, deren Gebietskulisse nach der Al- Biotoptypen in ausreichendem Umfang und funk- penkonvention zu 86% in der EU liegt, eine zen- tionsgerechter räumlicher Verteilung zu erhalten trale einheitliche Schutzkategorie, die auch und die spezifische Vielfalt der einheimischen Grundlage sein wird für die künftige finanzielle Tier- und Pflanzenarten in ausreichenden Popula- Förderung naturverträglicher Bewirtschaftung tionen zu sichern. durch die EU.

Nach Art. 16 sind Wiederansiedlungen und Aus- Bundesnaturschutzgesetz und Bayerisches breitung einheimischer wildlebender Tier- und Naturschutzgesetz Pflanzenarten zu fördern, sofern dies aus fachli- Das bayerische Naturschutzgesetz stellt die be- cher Sicht sinnvoll und mit der menschlichen Nut- sondere Bedeutung der bayerischen Alpen für zung generell zu vereinbaren ist. Arten, die na- den Naturschutz und die Landschaftspflege her- türlicherweise in der jeweiligen Alpenregion nicht aus. In Art. 1 wird für die Alpen als einzigem Na- vorkamen, sollen nach Art. 17 nicht angesiedelt turraum Bayerns eine naturraumbezogene Ziel- werden. aussage getroffen: »Die bayerischen Alpen mit ihrer natürlichen Vielfalt an wildwachsenden Art. 18 des Protokolls regelt die Freisetzung gen- Pflanzen- und wildlebenden Tierarten einschließ- technisch veränderter Organismen. Diese dürfen lich ihrer Lebensräume sind als Landschaft von in den Alpen nur dann freigesetzt werden, wenn einzigartiger Schönheit in ihren Naturräumen von feststeht, dass davon kein Risiko für Mensch und herausragender Bedeutung zu erhalten« (Art. 1). Umwelt ausgeht. Bundes- und Bayerisches Naturschutzgesetz ent- Wasserrahmen-Richtlinie halten eine Fülle von Zielen und Vorgaben zur Die Wasserrahmen-Richtlinie (2000) der Europäi- Sicherung, Pflege und Entwicklung von Natur und schen Kommission verpflichtet die Mitgliedstaa- Landschaft. Von zentraler Bedeutung sind hierbei: ten, bis 2015 für alle Gewässer den »guten Zu- • Vorgaben zur Eingriffsregelung, stand« zu erreichen. Dies umfasst auch den guten • Definitionen für die Ausweisung von Schutz- ökologischen Zustand der Auen und des Grund- gebieten, wasserkörpers. Die zentralen Verwaltungsinstru- • Festlegungen zu NATURA 2000-Gebieten und mente sind die Bewirtschaftungspläne, die die gesetzlich geschützten Biotopen, Mitgliedstaaten für jede Flussgebietseinheit bis • Artenschutzbestimmungen und 2009 vorlegen müssen. Trotz zahlreicher Proble- • Regelungen zur Erholung in der freien Natur. me bei der Umsetzung, ist die Wasserrahmen- Richtlinie auch für die alpinen Gewässer der EU- Landesentwicklungsprogramm Bayern Staaten die zentrale Rechtsbasis für die anzustre- Auch das Landesentwicklungsprogramm Bayern bende gewässerökologische Entwicklung. (StMLU, 2003) enthält für die Alpen als einzigem Naturraum in Bayern gesonderte fachübergreifen- Europäisches Biotopverbundsystem de Ziele. Danach soll in den Alpen u.a. die Leis- NATURA 2000 tungs- und Regenerationsfähigkeit des Natur- Nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (1992) haushalts sowie Vielfalt, Eigenart und Schönheit und der Vogelschutz-Richtlinie (1979) der Europä- von Natur und Landschaft erhalten und vorhande- ischen Kommission haben sich die Mitgliedstaa- ne Belastungen nach Möglichkeit abgebaut wer- ten verpflichtet, für bestimmte Arten und Lebens- den (A II 3.5). raumtypen ein Netz von besonderen Schutzgebie- ten »NATURA 2000« für einen europäischen Bio- Der fachliche, sich auf Naturschutz und Land- topverbund einzurichten. Die Umsetzung beider schaftspflege beziehende Teil des LEP, beinhaltet Richtlinien ist durch die Aufnahme in das bayeri- eine sehr große Zahl an allgemeinen Zielaussa- sche und deutsche Naturschutzgesetz auch ge-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 123 Naturschutz

gen. Für die Alpen besonders relevant sind dabei landkreisspezifischen Aussagen erstellt. Der je- folgende Inhalte: weils mehrere 100 Seiten umfassende Landkreis- • Erhaltung und Sicherung von ausreichend band bereitet Informationen auf der Basis von großen Lebensräumen von Tieren und Pflan- Pflanzen- und Tierarten, Lebensräumen und na- zen, die nicht oder extensiv genutzte Land- turräumlichen Untereinheiten auf. Das ABSP wird schaftsteile besiedeln (B I 1.3.1) schrittweise aktualisiert. Im Alpenraum liegt bis- • Vorrangige Sicherung und Entwicklung von lang nur der Band für den Landkreis Lindau neu Lebensräumen gefährdeter Arten (B I 1.3.3) bearbeitet vor. In 4 Landkreisen (Ostallgäu, Gar- • Freihaltung besonders geeigneter Gebiete als misch-Partenkirchen, Miesbach und Traunstein), Wildniszonen sowie Entwicklung von Wildnis- wird 2004 die Aktualisierung durchgeführt. Für zonen in ausgewählten Räumen (B I 1.3.4) die übrigen 5 Alpenlandkreise ist jeweils nur die • Ausweisung von Landschaften und Land- weniger detaillierte und teilweise veraltete 1. Fas- schaftsteilen mit wertvoller Naturausstattung sung des Arten- und Biotopschutzprogramms ver- oder besonderer Bedeutung für die Erholung fügbar (LfU, 2004 a). als landschaftliche Vorbehaltsgebiete (B I 2.1.1) Fachkonzepte für einzelne Lebensräume • Kriterien für die Ausweisung von Natur- Von bayerischen Behörden wurden und werden schutzgebieten: Danach sollen als Natur- interdisziplinär verschiedene Konzepte erarbeitet, schutzgebiete u.a. Gebiete, die durch natürli- die den besonderen Schutz von Lebensräumen che und weitgehend naturnahe Ökosystem- zum Ziel haben. Dies sind das »Moorentwick- komplexe, insbesondere Moore, alpine und lungskonzept«, das gerade für das Alpenvorland, subalpine Gesellschaften, naturräumlich aber auch für die alpinen Moore höchste Bedeu- repräsentative Wälder, Wälder auf Sonder- tung hat. Ferner das »Aktionsprogramm Quellen standorten, Quellgebiete, Bäche, Flüsse, Alt- in Bayern« sowie das »Bayerische Auen-Pro- wässer und Seen, Mager- und Trockenbiotope gramm«, in dem natürlich auch die Alpen-Flüsse ausgewiesen werden (B I 2.1.3) und ihre Auen einen hohen Stellenwert haben. • der Nationalpark Berchtesgaden soll weiter- entwickelt werden (B I 2.1.4.1.). Zustandserfassungen/ Pflege- und Entwicklungspläne Das Landesentwicklungsprogramm enthält auch Umfangreiche naturschutzfachliche Zustandser- eine große Zahl von Aussagen zur Pflege und Ent- fassungen und Pflege- und Entwicklungspläne mit wicklung der Landschaft. Für die Alpen sind fol- detaillierten Vorschlägen liegen für eine Reihe gende besonders wichtig: von meist größeren Schutzgebieten vor, z.B. für • Erhaltung naturnaher Gewässer einschließ- das 9.500 ha große Naturschutzgebiet Östliche lich ihrer Auen (B I 2.2.5.1) Chiemgauer Alpen und das NSG Ammergauer • Erhaltung und ggf. Verbesserung der Stand- Alpen. ortbedingungen, in naturnahen Nieder-, Übergangs- und Hochmooren sowie Renatu- Kommunale Landschaftspläne rierung gestörter Moorbereiche (B I 2.2.6.1) 50 der 101 Alpengemeinden verfügen nach einer • Bewahrung naturnaher Wälder, vor allem von Zusammenstellung des Bundesamts für Natur- Bergwald, Auwald, von Wald auf Sonder- schutz (BfN, 2004) über einen kommunalen Land- standorten sowie von naturnahen Waldrän- schaftsplan. Diese enthalten eine Vielzahl von dern (B I 2.2.7.1) Vorschlägen für die Bewahrung und Aufwertung • Sicherung großer zusammenhängender von Natur und Landschaft. Waldflächen als geschlossene Lebensräume (B 2.2.7.4). FFH-Managementpläne In den deutschen Alpen wurden bislang nur für ein kleines Almgebiet im Allgäu und ein weiteres Fachprogramme des Naturschutzes kleineres Almgebiet in Oberbayern FFH-Manage- mentpläne aufgestellt. Arten- und Biotopschutzprogramm Das bayerische Arten- und Biotopschutzpro- Förderprogramme gramm (ABSP) ist ein Fachprogramm des Natur- Zentrale Förderprogramme zur Erhaltung und schutzes. Es hat keine Rechtsverbindlichkeit, Pflege naturschutzfachlich bedeutsamer Lebens- stellt aber den Gesamtrahmen aller für den Arten- räume und Arten sind das Vertragsnaturschutz- und Biotopschutz erforderlichen Maßnahmen des programm, der sog. Erschwernisausgleich für Naturschutzes und der Landschaftspflege dar. Für Feuchtflächen und das Landschaftspflegepro- jeden Landkreis Bayerns wurde ein ABSP mit gramm.

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Vertragsnaturschutzprogramm chen, in dem 2003 über 1,5 Mio. € Fördergelder Im Vertragsnaturschutzprogramm werden mit den ausbezahlt wurden. An 2. Stelle liegt der Land- Nutzungsberechtigten Verträge mit einer Laufzeit kreis Weilheim-Schongau mit 1,1 Mio. €, gefolgt von fünf Jahren zur besonders naturschonenden vom Landkreis Oberallgäu mit knapp 1 Mio. €. Die Nutzung ökologisch wertvoller Lebensräume ab- geringste Fördersumme erhielt der Landkreis geschlossen. Für Bewirtschaftungs- oder Pflege- Miesbach, mit rund 118.000 € (StMUGV, 2004). leistungen wird ein Entgelt bezahlt, dessen Höhe mit dem Umfang der Nutzungsbeschränkung kor- Landschaftspflegeprogramm reliert. Das Programm bietet große Varianz bei Im Gegensatz zu den beiden oben genannten flä- der Vereinbarung der Maßnahmen. Beispiele für chenbezogenen Programmen, erfolgt die Förde- förderfähige Maßnahmen sind: rung nach den Landschaftspflegerichtlinien nicht flächen-, sondern maßnahmenbezogen, wobei 1. Verzicht auf Mineraldünger: i.d.R. bis maximal 70% der förderfähigen Kosten 103 € pro ha und Jahr (Kommunen maximal 50%) erstattet werden. Die 2. Verzicht auf jegliche Düngung Palette der förderfähigen Aktivitäten ist groß. Sie und chemischen Pflanzenschutz: umfasst sowohl Maßnahmen zur Erhaltung des 256 € – 358 € pro ha und Jahr charakteristischen Landschaftsbildes, als auch 3. Erhöhter Arbeits- und Maschinenaufwand auf Maßnahmen zur Erholungslenkung oder zur Er- Wiesen (z.B. aufgrund von starker Hangnei- haltung geschützter Pflanzen- und Tierarten. gung): 26 € – 461 € pro ha und Jahr Allerdings wurden als Sparmaßnahme des Haus- 4. Extensive Weidenutzung: halts 2004, die Zuschüsse vom Freistaat Bayern bis 250 € pro ha und Jahr. radikal gestrichen. Eine Förderung ist seit 2004 nur noch für sog. investive Maßnahmen, d.h. im Erschwernisausgleich für Feuchtflächen wesentlichen Biotopneuanlagen möglich. Im Erschwernisausgleich werden Ausgleichszah- lungen für die biotoperhaltende Pflege der nach In einigen Alpenlandkreisen lag der Schwerpunkt Art. 13 d BayNatSchG geschützten Feuchtflächen der Förderung bislang auf den nicht-investiven geleistet. Diese beinhaltet vor allem die einmali- Fördermaßnahmen, im wesentlichen besonders ge Mahd von Streuwiesen sowie seggen- und bin- aufwändiger und schwieriger Biotoppflege. Die senreichen Nass- und Feuchtwiesen, unter Ver- vom Bund Naturschutz und anderen Naturschutz- zicht auf Düngereinsatz und einschließlich des organisationen befürchteten negativen Folgen Abräumens von Mähgut. Die Ausgleichszahlun- sind im folgenden Kap. 2.7.4 skizziert. gen betragen, je nach Erschwernis der Mahd, bis zu 461 € pro ha und Jahr. 2.7.4 Handlungs- Vertragsnaturschutz- und Erschwernisprogramm empfehlungen sind zentrale Säulen des kooperativen Natur- schutzes in den deutschen Alpen. 2003 flossen Landschaftliche Vorranggebiete in den Alpen 5,8 Mio. € – das entspricht 26% des gesamtbaye- ie Raumordnung bietet die Möglichkeit auf risches Etats– in die Alpenlandkreise. Da die Bio- DLandes- und Regionsebene, Vorbehalts- und topausstattung der Alpenlandkreise schwankt, Vorranggebiete für verschiedene Nutzungen aus- gibt es auch sehr große Unterschiede bei den För- zuweisen. In Vorbehaltsgebieten kommt dem dermitteln. Spitzenreiter sowohl beim Vertragsna- jeweiligen Belang bei raumbedeutsamen Planun- turschutzprogramm, als auch beim Erschwernis- gen und Maßnahmen besonderes Gewicht zu. In ausgleich ist der Landkreis Garmisch-Partenkir- Vorranggebieten hat die jeweilige Nutzung/ Ziel- setzung Vorrang. Während landesweit für die Rohstoffgewinnung und Flughafenentwicklung Vorranggebiete ausgewiesen sind, fehlen solche für Natur und Landschaft. Hier sind bislang ledig- lich landschaftliche Vorbehaltsgebiete ausgewie- sen, die bei der Abwägung zu Maßnahmen und Planungen bei weitem nicht die Durchsetzungs- kraft wie Vorrangflächen haben. Um die Bedeu- tung der deutschen Alpen für den Naturschutz

Foto: Wessely Foto: und die Landschaftspflege auch raumordnerisch Solch artenreiche Feuchtwiesen können nur erhalten werden, anzuerkennen, sollten in der Landesplanung wenn genug Fördergelder für die Weiterführung der extensiven großräumige landschaftliche Vorranggebiete fest- Nutzung bereit gestellt werden. gesetzt werden.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 125 Naturschutz

Keine Genehmigung von Projekten, die Natur da der Höchstsatz dafür nicht ausreicht. und Landschaft massiv beeinträchtigen Zudem handelt es sich oft um witterungsbe- Die vielfältigen politischen Aussagen zur Wah- dingt jährlich wechselnde Flächengrößen und rung der Natur in den Alpen müssen endlich auch um viele Teilflächen von Grundstücken, was Maßstab für die Beurteilung von Projekten wer- in den jeweils 5 Jahre gültigen starren Vorga- den. Um das wichtigste Kapital der deutschen Al- ben der Verträge zum Erschwernisausgleich pen, die Natur, langfristig zu erhalten, müssen die nicht umgesetzt werden kann. Durch den zu Zielaussagen der Alpenkonvention, der Natur- erwartenden Wertverlust der Biotope wird schutzgesetze, des Landesentwicklungsprogramms das ohnehin oft löchrige Biotopverbund- und der vielen fachlichen Grundlagen nicht nur system aus offenen, extensiv gepflegten Bio- auf Papier fixiert, sondern auch in der Verwal- topflächen noch lückiger werden. Dies steht tungspraxis berücksichtigt und umgesetzt werden. in Gegensatz zu den Zielen und Grundsätzen des Bayerischen Naturschutzgesetzes. Nach Verlässliche und ausreichende Bereitstellung Art. 1, 6 BayNatSchG sind für den Biotopver- von Fördergeldern bund geeignete Teile von Natur und Land- Die hohe Bedeutung der Alpen für den Natur- schaft zu erhalten, zu entwickeln oder in ge- schutz und die Landschaftspflege fußt auch auf eigneter Weise zu sichern. der Vielzahl extensiv genutzter Flächen, wie z.B. • Das gerade in den Alpen vergleichsweise Magerwiesen, -weiden und Streuwiesen, deren dichte Netz aus extensiv genutzten Lebens- Biotopwert nur erhalten werden kann, wenn die räumen, ist für die Naherholung und den extensive landwirtschaftliche Nutzung fortgeführt naturnahen Tourismus besonders wichtig. wird. Da diese jedoch nicht kostendeckend arbei- Die meisten Erholungssuchenden bevorzugen ten kann, wird sie dauerhaft nur aufrecht erhalten Gebiete, in denen sich bewaldete und exten- werden können, wenn Fördermittel dafür zur Ver- siv genutzte offene Landschaftsbereiche fügung stehen. Obwohl es sich dabei um ver- abwechseln und durchdringen. Die hohe tou- gleichsweise geringe Ausgabetitel des Landes- ristische Wertschätzung vieler in den Voral- haushalts handelt1, wurde der Rotstift der Bayeri- pen gelegenen Gebiete beruht zu einem er- schen Staatsregierung hier massiv zu Lasten der heblichen Teil auf der Erlebbarkeit abwechs- dauerhaften Lebensqualität in Bayern angesetzt. lungsreicher naturnaher, extensiv gepflegter Die Mittel im Bereich der Landschaftspflege wur- Offenlandbereiche. den 2004 im Vergleich zum Vorjahr um 50% • Viele Bauern haben sich Spezialgeräte für die gekürzt. Kaum ein anderes staatliches Förderpro- Pflege angeschafft und erwirtschaften einen gramm wurde so stark beschnitten. Da weniger erheblichen Teil ihrer Einnahmen aus Land- Gelder zur Verfügung stehen, muss die Pflege schaftspflegetätigkeiten. Es ist ein Vertrau- erheblich zurückgefahren werden. Als Konse- ensbruch gerade gegenüber diesen, dem quenz wird die Pflege auf einer Reihe von Flä- Naturschutz aufgeschlossenen Landwirten, chen, die bislang mit Mitteln des Landschaftspfle- die Fördermittel kurzfristig überproportional geprogramms erhalten worden sind, eingestellt zu kürzen. Das über die Jahre allmählich werden müssen. Die geringe monetäre Einspa- gewachsene Vertrauensverhältnis zwischen rung führt zu gewaltigen Verlusten an Natursub- Landwirten und dem Naturschutz wird hier- stanz, Erholungsqualität und belastet die Zusam- durch stark belastet. Es ist damit zu rechnen, menarbeit von Naturschutz und Landwirtschaft. dass auch andere Kooperationsformen zwi- schen Landwirtschaft und Naturschutz hier- Folgende Entwicklungen können prognostiziert durch bereits diskreditiert worden sind oder werden: künftig belastet werden. • Durch den Wegfall der Pflege wird sich der naturschutzfachliche Wert der betroffenen Wegen der fatalen Auswirkungen der Einsparun- Flächen verschlechtern. Betroffen davon wer- gen auf den Naturschutz, die Erholung und die den insbesondere sehr nasse Streuwiesen Berglandwirtschaft, fordert der Bund Natur- und Hangquellmoore sein, die vielfach be- schutz, dass die Höhe der Fördermittel im Haus- sonders seltene Arten beherbergen. Eine halt für 2005 zumindest wieder auf den Stand von Überführung der Pflege in den Erschwernis- 2003 zurückgeführt werden. Auch sollten ausrei- ausgleich ist für diese Flächen kaum möglich, chend Mittel bereit gestellt werden, um alle Land- wirte, die am Vertragsnaturschutz- oder Er- schwernisausgleichsprogramm teilnehmen wol- 1 2003 flossen bayernweit 21,9 Mio. € in den Vertragsnaturschutz len und geeignete Flächen bewirtschaften oder inkl. Erschwernisausgleich. Allein die Schlachtprämien für Großrin- der und Kälber umfassten 106 Mio. € und waren somit vierfach so besitzen, in das Programm aufnehmen zu können. hoch wie die Ausgaben für den Biotoperhalt (StMLF, 2004).

126 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz

Die Kürzungen im Landschaftspflegeprogramm lichen Kontakt wird Natur und Naturschutz ver- sind umgehend zurückzunehmen. ständlich und direkt vermittelt. Zukünftig sollten auch in anderen großen Schutzgebieten oder Die bestehenden Naturschutz-Förderprogramme naturschutzfachlich wertvollen Gebieten mit sind für einige, besonders hoch gefährdete Le- besonderen Fragestellungen Gebietsbetreuer bensräume nicht ausreichend, um die erforder- tätig werden. lichen, oft sehr arbeitsaufwändigen Pflegemaß- Neben der Betreuung einzelner Gebiete ist gene- nahmen und Nutzungsformen durchführen zu rell das Monitoring zu verstärken, insbesondere können. Dies gilt insbesondere für die Mahd von in Zusammenhang mit der Umsetzung der FFH- Steilhangwiesen, die floristisch und faunistisch Richtlinie und der Wasser-Rahmen-Richtlinie besonders reichhaltig und Lebensraum zahlrei- sowie im Kontext mit dem Aufbau einer ökosyste- cher nach der Roten Liste gefährdeter Arten sind. maren Umweltbeobachtung. Folglich fallen immer mehr dieser Wiesen brach. Wegen des vergleichsweise hohen Anteils an Weiterführung begonnener und Start neuer Steilhangwiesen, ist davon insbesondere das All- Naturschutzprojekte gäu betroffen. In den deutschen Alpen wurde eine Reihe erfolg- Die Gemeinde Oberammergau, in der große und reicher Umsetzungsprojekte initiiert. Einige die- teilweise sehr steile Wiesmahdflächen liegen, hat ser Projekte laufen im Rahmen der landwirt- zur Beibehaltung der Mahd ein eigenes kommu- schaftlichen Nutzung mittlerweile ohne spezielle nales Förderprogramm aufgelegt, um ausreichend naturschutzfachliche Projektbetreuung. Dazu finanziellen Anreiz für die Weiterbewirtschaftung/ zählt z.B. das Streuobstvermarktungskonzept von Pflege bieten zu können. Aus diesem kommuna- Bad Feilnbach, das zentraler Teil der Umsetzung len Fördertopf werden zusätzlich zum Vertragsna- des Landschaftsplans war. Dort ist es gelungen, turschutzprogramm bis zu 153,39 € pro ha und rund 90 % der ca. 200 ha Streuobstwiesen durch Jahr für die Wiesmahd bezahlt (HOCH, 2004). Da eine Bewirtschaftungsvereinbarungen zu erhalten und kommunale Förderung angesichts der schlechten den früheren Trend, Obstbäume zu roden, zu bre- Finanzlage der meisten Kommunen nur in Aus- chen. Mittlerweile wurden sogar wieder neue nahmefällen möglich ist, sollten die Fördersätze Streuobstwiesen gepflanzt, so dass dieses einzi- des Vertragsnaturschutzprogramms des Landes ge größere Streuobstgebiet in den deutschen für die Steilhangwiesenmahd angehoben werden. Alpen vorerst gesichert ist. Weit gediehen sind auch Renaturierungsmaßnahmen in einigen Moo- Gerade für die deutschen Alpen mit ihrem über- ren, z.B. im Werdensteiner Moos. durchschnittlich hohen Anteil an FFH-Gebieten ist es äußerst wichtig, dass die FFH-Prämie auch in Werdensteiner Moos, Landkreis Oberallgäu Bayern ausbezahlt wird. Diese, von der EU cofi- Das Werdensteiner Moos zählt mit 85 ha zu den nanzierte Prämie, kann eine angepasste Nutzung größten Hochmooren im Landkreis Oberallgäu. speziell in NATURA 2000-Gebieten dann fördern, wenn die Erhaltungsziele für das Gebiet oder Er- haltungsmaßnahmen des Managementplans besondere Nutzungsformen erfordern. In Bayern waren hierfür bereits im Rahmen der deutschen Programmplanung zur Umsetzung der europäi- schen EAGFL-Verordnung Mittel eingeplant, die aber derzeit von den Landwirten nicht angefor- dert werden können. Grund ist, dass die erforder- lichen Ausführungsbestimmungen bislang nicht erlassen wurden.

Gebietsbetreuung Nur für zwei Gebiete in den deutschen Alpen wer- den derzeit Mittel für Gebietsbetreuung bereit ge- stellt, die teilweise von der EU kofinanziert sind. Die Trägerschaft haben teilweise Naturschutzver-

bände, wie z.B. in den Allgäuer Hochalpen. Die Stadelmann Foto: Gebietsbetreuung ist eine wichtige Ergänzung zu Die Hochmoorrenaturierung im Werdensteiner Moos hat die weitere Verhei- den Naturschutzbehörden und trägt wesentlich dung und Verwaldung des Moores gestoppt. Davon profitiert u.a. der Hoch- zur Vermeidung von Konflikten und zur Umwelt- moor-Gelbling, der seine Eier nur in niedrigwüchsige Bestände der Rausch- beere ablegt. bildung bei. Durch Aufklärung und den persön-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 127 Naturschutz

Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhun- derts wurde das Moor durch Torfabbau intensiv genutzt. Das »wertlose Ödland« sollte in land- wirtschaftliche Flächen umgewandelt werden. Deshalb wurde ein Entwässerungsnetz angelegt. Schließlich stellte man die landwirtschaftlichen Kultivierungsversuche ein und forstete weite Bereiche mit Fichten und Kiefern auf. Das Wer-

densteiner Moos hatte dadurch seinen ursprüng- Rosenheim BN, Kreisgruppe Foto: lichen Moorcharakter weitgehend verloren. Seit vielen Jahren mähen ehrenamtliche Aktive der BN Kreis- Charakteristische Tier- und Pflanzenarten wurden gruppe Rosenheim besonders nasse Streuwiesen am Samer- auf kleine Moorinseln zurückgedrängt oder waren berg. Ein Traktor würde hier versinken. ganz verschwunden. In den 80er Jahren begann die Bund Naturschutz-Kreisgruppe Kempten/ Neben der Bereitstellung von Fördermitteln für Oberallgäu, in Zusammenarbeit mit dem Land- die Weiterführung begonnener Projekte, ist es kreis und dem Forstamt Kempten mit der Renatu- auch notwendig, Fördermittel für neue Projekte rierung. Zahlreiche Entwässerungsgräben wurden zur Umsetzung der Fachkonzepte zur Verfügung in Handarbeit aufgestaut, um den Moorwasser- zu stellen. So enthält z.B. das Moorentwicklungs- spiegel zu heben und das Gebiet zu vernässen. konzept eine Prioritätenliste von Mooren mit nöti- 10 Lehmdämme wurden errichtet, die den Wasser- gen Maßnahmen und verschiedene Handlungsan- abfluss aus den großen Sammelgräben verhin- leitungen. Hierfür erforderliche Mittel sollten um- dern. Fichtenwald wurde eingeschlagen, um gehend eingestellt werden. moortypischen Tier- und Pflanzenarten neuen Lebensraum zu bieten und die offenen Moorflä- Schaffung von Ruhezonen und chen zu vergrößern und zu verbinden. Das Projekt Wildnis-Flächen ist sehr erfolgreich. Das Werdensteiner Moos ist von einem degradierten Waldmoor wieder zu ei- nem Hochmoor geworden. Das standorttypische Artenspektrum an moortypischen Tagfaltern, z.B. dem Hochmoor-Gelbling und an Libellen und Heu- schrecken ist nahezu vollständig vertreten. Auch haben sich auf den Renaturierungsflächen stark gefährdete und vom Aussterben bedrohte Arten, wie etwa die Arkti- sche Smaragdlibelle, wieder eta- bliert. Als heute zentraler Trittstein der Allgäuer Moorlandschaft hat sich das Werdensteiner Moos den Status eines FFH-Gebiets erwor-

ben (BN-KREISGRUPPE KEMPTEN-OBERALL- Wessely Foto:

Foto: BN, Kreisgruppe Oberallgäu BN, Kreisgruppe Foto: GÄU, 2001). In den deutschen Alpen gibt es bislang nur wenige Bereiche, Neue Staudämme halten Was- in denen die sommerliche Erholungsnutzung zum Schutz em- ser zurück, damit sich Moor Während bei Hochmoorrenaturierungsprojekten pfindlicher Tier- und Pflanzenarten, gezielt gelenkt wird. neu bilden kann. in der Regel nach einer 1. Bau- und Pflegephase keine weiteren Maßnahmen nötig sind, bedürfen Die deutschen Alpen werden fast flächendeckend Projekte, bei denen extensive Nutzungsformen, genutzt. Störempfindliche Tierarten und Arten, wie etwa die Streuwiesenmahd im Vordergrund die an wirtschaftsbedingt selten gewordene Pha- stehen, einer dauerhaften Fortführung und Mittel- sen im natürlichen Entwickungszyklus des Berg- ausstattung, um die erzielten Erfolge nicht wieder waldes (z.B. Zerfallsphase) gebunden sind, finden zu gefährden. Die radikale Einschränkung des immer weniger geeigneten Lebensraum. In allen Landschaftspflegeprogramms und die Kappung Gebirgsstöcken sollten deshalb Ruhe- und Wild- des Vertragsnaturschutzprogramms (s.o.) bergen niszonen ausgewiesen werden. Die Fachplanun- deshalb ein beträchtliches Risiko für eine Reihe gen und -programme enthalten dazu zahlreiche, begonnener Projekte von hoher naturschutzfach- fachlich abgesicherte Vorschläge. So liegt z.B. licher Bedeutung, wie z.B. die Maßnahmen in den schon seit Jahren das auf Beschluss des Bayeri- südlichen Chiemseemooren oder in den Hang- schen Landtags von 1994 erstellte Gesamtkon- quellmooren des Samerbergs. zept zum Schutz des Ober- und Mittellaufs der Ammer (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) vor,

128 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Naturschutz das eine Reihe von Vorschlägen zur Schaffung von mit der Ratifizierung des Naturschutzprotokolls Ruhezonen für hier lebende, hoch bedrohte Vo- der Alpenkonvention dazu verpflichtet, die Wie- gelarten (z.B. Flussuferläufer) enthält. Bislang deransiedlung von Tierarten zu unterstützen (Art. sind die Maßnahmen nur rudimentär umgesetzt. 16). Bislang gibt es außer generellen positiven Das gleiche gilt für das Fachgutachten über Frei- Äußerungen zur Wiederkehr von Luchs und Bär zeit und Erholung im Karwendel. Fachgutachten aber keine Konzepte dazu. Deutschland hat sich liegen auch zu bevorzugt zu schaffenden Wildnis- bei einem Ausschuss der Berner Konvention Ende flächen vor. Insbesondere in den Schutzgebieten 2003 positiv zur Wiederansiedlung des Luchses sollte für natürliche Lebensräume und störemp- geäußert. Nötig sind nun entsprechende Konse- findliche Arten ein Netz von Kernflächen ausge- quenzen, wie z.B. Gesamtkonzepte und eine posi- wiesen werden, in denen keine Nutzung und statt tive Öffentlichkeitsarbeit. Die Erfahrungen aus Das im Januar 2002 er- dessen freie Naturentwicklung erfolgt. Bevorzugt der Schweiz und dem Bayerischen Wald zeigen, schienene Konzept »Frei- eignen sich hierzu die hochalpinen Zonen sowie wie dringend nötig eine positive Aufklärung über zeit und Erholung im Kar- die Wälder und Flüsse. Wildnis kann auf verschie- den Luchs ist, um dem Widerstand einiger Bevöl- wendel« enthält umfang- denen Ebenen und in verschiedenen Dimensionen kerungsgruppen gegen eine Wiederansiedlung reiche fundierte Vorschläge stattfinden, vom großen Nationalpark bis zur klei- von Luchs, Bär und Wolf entgegenzuwirken. Eine zur Lösung von Konflikten nen Wildnis-Parzelle. Bislang fehlt es jedoch am natürliche Wiederansiedlung von Luchs und Bär in zwischen Natursport und politischen Willen und auch an der gesellschaft- den deutschen Alpen, kann nur dann erfolgreich Naturschutz. Da die Vor- lichen Akzeptanz. verlaufen, wenn vorher eine breit angelegte Ima- schläge bislang kaum in gekampagne für diese Tiere erfolgt und die Rück- die Praxis umgesetzt wur- Image-Kampagne für Luchs und Bär kehr dieser Tiere als Gewinn für die Bevölkerung den, sollte dies ab 2005 und nicht als Schaden verstanden wird. Der Bund zügig und umfassend erfol- Naturschutz spricht sich dabei für die natürliche gen. Wiedereinwanderung aus. Auf eine gezielte Aus- wilderung sollte nach Ansicht des BN zumindest solange verzichtet werden, wie gute Erfolgsaus- sichten für eine natürliche Wiederbesiedelung bestehen.

Gründung weiterer Landschaftspflege- verbände Landschaftspflegeverbände sind gemeinnützige Vereine, deren Vorstände zu gleichen Teilen mit Vertretern aus Landwirtschaft, Naturschutz und Kommunalpolitik besetzt sind. Auf Wunsch der Grundstückseigentümer übernehmen sie sämtli- che organisatorische Aufgaben, von der ersten fachlichen Beratung auf der Fläche, über die Ab- stimmung mit den zuständigen Fachbehörden

Foto: Zellner Foto: und die Vermittlung von Fördergeldern, bis zur Die Chancen für eine natürliche Rückkehr des Luchses in die praktischen Durchführung von Maßnahmen. Die deutschen Alpen stehen nicht schlecht, vorausgesetzt der praktischen Arbeiten auf den Biotopflächen wer- Luchs wird von Jägern und Landwirten akzeptiert. den hauptsächlich von ortsansässigen Landwir- ten ausgeführt. Die Landwirte finden dadurch Luchs und Bär waren bis in das 19. Jahrhundert in eine zusätzliche Einkommensquelle im Natur- den deutschen Alpen beheimatet, sind aber bis- schutz. lang nicht zurückgekehrt. In umliegenden Ge- bieten haben sich die Bestände inzwischen wie- Aktuell gibt es nur in 3 der 10 Alpenlandkreise der etwas erholt. In der Schweiz leben aktuell Landschaftspflegeverbände (Ostallgäu, Oberall- rund 100 – 120 Luchse. Im Bayerischen Wald und gäu, Traunstein). Da sich die Struktur der Land- Böhmerwald hat sich der Luchsbestand durch Zu- schaftspflegeverbände bewährt hatte, sollte auch wanderungen aus Tschechien auf niedrigem Ni- in allen anderen Alpenlandkreisen die Gründung veau stabilisiert (WWF SCHWEIZ, 2004). Trotz dieses von Landschaftspflegeverbänden unterstützt und positiven Trends, sind die Teilpopulationen bis- vorangetrieben werden. lang alle klein und gefährdet. Die deutschen Alpen liegen zwischen diesen beiden Ausbrei- tungsgebieten und haben deshalb hohe Bedeu- tung für deren Vernetzung. Deutschland hat sich

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 129 Naturschutz

2.7.5 Quellennachweis

ABDS, 2001: Ergänzende landschaftspflegerische Unterlagen, Textteil zur ergänzenden Planfeststellung der A 7, Neubau von Gemarkungsgrenze Nesselwang/ bis Bundesgrenze bei Füssen, aufgestellt: 30.3.2001, unveröff. ALPENINSTITUT, 1993: Zustandserfassung mit Pflegehinweisen Östliche Chiemgauer Alpen, Gutachten im Auftrag der Regierung von Oberbayern, unveröff. BfN, 2004: Landschaftsplanverzeichnis für Bayern; http://www.bfn.de/03/by_lp.pdf BfN, 2002: Daten zur Natur 2002, 284 S., Landwirtschaftsverlag, Münster BfN, 2000: Verzeichnis und Rote Liste der Pflanzengesellschaften Deutschlands; Schriftenreihe für Vegetationskunde, Heft 35, 800 S. BfN, 1998 a: Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands, 434 S., Landwirtschaftsverlag, Münster BfN, 1998 b: Das europäische Schutzgebietssystem NATURA 2000, Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz des Bundesamts für Naturschutz, Heft 53 BfN, 1996: Rote Liste gefährdeter Pflanzen Deutschlands; Schriftenreihe für Vegetationskunde, Heft 28, 744 S. BfN, 1994: Rote Liste der gefährdeten Biotoptypen der Bundesrepublik Deutschland, 184 S., Kilda-Verlag, Greven BN KREISGRUPPE KEMPTEN/ OBERALLGÄU, 2001: Das Werdensteiner Moos – ein Renaturierung von landesweiter Bedeutung, Folder BRENDEL, U., 1998: Vögel der Alpen, Eugen-Ulmer-Verlag, Stuttgart CBD, Convention on Biological Diversity, 2004 a: Conference of the Parties – COP – Seventh Meeting, Document 20, Mountain Biological Diversity. http://www.biodiv.org/doc/meetings/cop/cop-07/official/cop-07-14-en.pdf (aufgeru- fen am 17.09.2004) CBD, Convention on Biological Diversity, 2004 b: Conference of the Parties – COP – Seventh Meeting, Document 21, Protected Areas. http://www.biodiv.org/doc/meetings/cop/cop-07/official/cop-07-15-en.pdf (aufgerufen am 17.09.2004) DAV, 2004: Ergebnisprotokolle zu den Gebietsbetreuertreffen Geigelstein (24.6.2004) und Miesbach (19.4.2004), unveröff. DAV, 2001: Kritische Hinterfragung der Sportart Canyoning aus ökologischer Sicht im Bayerischen und Tiroler Alpenraum, Schlussbericht HAUBNER, E., 2002: Klimawandel und Alpen - alpMedia Hintergrundbericht März 2002 HOCH, A., 2004: Grandioses Grasgeflüster, Artikel in der SZ vom 6.8.2004 HOHENWALLNER, D. 2002: Einflüsse der Klimaveränderung auf Flora und Vegetation der Hochalpen, Vortrag beim Seminar »Naturschutzforschung in Südbayern« der Öko-Station Wartaweil am 30.11.2002 in Seefeld/ Pilsensee KIRCHNER, J., 2001: Das Geschiebe der Wildflüsse, in: Vogelschutz 2/ 2001, S. 15-17 KRAUSS, S., 2002: Beschneiungsanlagen in Bayern – naturschutzfachliche Anforderungen an die Genehmigungspraxis, Diplomarbeit am Lehrstuhl für Landschaftsökologie und –planung der TU München Freising-Weihenstephan KROMP-KOLB, H., 2003: Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Tierwelt – derzeitiger Wissensstand, fokussiert auf den Alpenraum und Österreich LfU, 2004 a: website des Bayerischen Landesamts für Umweltschutz unter www.lfu.bayern.de LfU, 2004 b: Auswertung des Schutzgebietsarchivs, LfU-Außenstelle Kulmbach LfU, 2003 a: Rote Liste gefährdeter Gefäßpflanzen Bayerns mit regionalisierter Florenliste, Schriftenreihe, Heft 165 LfU, 2003 b: Rote Liste gefährdeter Tiere Bayerns; Schriftenreihe, Heft 166 LRA OBERALLGÄU, 2003: Schreiben des Landratsamts vom 4.6.2003, unveröff. ÖAV, 2001: Die Alpenkonvention, Fachbeiträge, Serie: Alpine Raumordnung, Nr. 17 PAN-PARTNERSCHAFT, 2004: website www.pan-partnerschaft.de REGIERUNG VON OBERBAYERN, 1995: Landesplanerische Abstimmung auf andere Weise für den Bau eines Alm- und Forstweges von der Oswaldhütte zur Moosenalm (AZ 800-8223-1/90 vom 20.9.1995), unveröff. SCHÖDL, M., 2002: Schnarrschrecke & Kiesbank-Grashüpfer, in: Vogelschutz 2/ 2002, S. 26-27 StMLF, 2004: Bayerischer Agrarbericht 2004 StMUGV, 2004: Fördermittel des Naturschutzes in den Landkreisen der Bayerischen Alpen 2003, unveröff. StMLU, 2003: Landesentwicklungsprogramm Bayern StMLU, 2001 a: Schreiben an das BMU vom 5.11.2001 sowie vom 26.10.2001 (Az 56-4443.3-2001/ 2), unveröff. StMLU, 2001 b: Nationalpark für uns alle, Pressemitteilung vom 24.7.2001 StMLU, 1994: Arten- und Biotopschutzprogramm, Band I SZ, 2003: Peinliche Klemme – Mitarbeiter des Miesbacher Jugendamts in Bergnot; Artikel in der Ausgabe Holzkirchen der SZ vom 21.8.2003 WWF DEUTSCHLAND, 2004: Die Alpen: das einzigartige Naturerbe; Broschüre WWF SCHWEIZ, 2004: Natura 2000 – Alpen im Übersicht, unveröff. Entwurfsfassung

130 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Fachübergreifende Empfehlungen

3 Fachübergreifende Empfehlungen zur Sicherung und Stärkung des Alpenschutzes

3.1 Weiterentwicklung von Zielvorgaben und Abbau von Zielkonflikten am Beispiel der Alpenkonvention

3.1.1 Einleitung

Aufgrund der Vielzahl bestehender Zielvorgaben in internationalen, nationalen und regionalen Ver- einbarungen, Gesetzen, Plänen und Programmen

für den deutschen Alpenraum (vgl. Kap. 2), ist ei- Wessely Foto: ne umfassende systematische Analyse aller Ziel- Die Alpenkonvention ist auf vorgaben im Rahmen der vorliegenden Studie ratifiziert. Der Schweizer Ständerat hat im Sep- dem richtigen Weg, doch das nicht möglich. Daher beschränken sich die Aussa- tember 2004 die Ratifikation der Protokolle Ziel einer nachhaltigen Ent- wicklung im gesamten Alpen- gen in diesem Kapitel auf die Alpenkonvention Raumplanung und nachhaltige Entwicklung, Ver- gebiet ist noch weit. und ihre Protokolle sowie die Umsetzung der Ziel- kehr und Bodenschutz beschlossen. aussagen der Alpenkonvention (ÖAV, 2001) in natio- nales Recht, Landesrecht und regionale Festle- Folgende Hindernisse und Vorbehalte verhindern gungen. Die Bedeutung der Alpenkonvention liegt derzeit die noch ausstehende zügige Ratifizie- darin begründet, dass sie als verbindliche Verein- rung: barung aller Alpenstaaten einen international • In Italien gibt es Vorbehalte gegen das Ver- abgestimmten Rahmen zur nachhaltigen Entwick- kehrsprotokoll, das der staatlichen und regio- lung im gesamten Alpengebiet bietet, der integra- nalen Verkehrspolitik offenbar entgegen- tiv alle wesentlichen Themenfelder der Nachhal- steht. tigkeit behandelt. In vielen Bereichen gehen aller- • In der Schweiz gibt es grundsätzliche Beden- dings nationale und regionale Regelungen erheb- ken hinsichtlich der Einflussnahme auf die lich über die Zielaussagen der Alpenkonvention nationale Souveränität und die kantonale hinaus. Entwicklung, obwohl der Schweizer Bundes- rat bereits am 19.12.2001 festgestellt hat, Um den Anspruch der Nachhaltigkeit im Alpen- dass die Protokolle der Alpenkonvention raum wirksam umzusetzen und rechtlich zu veran- nicht über bestehendes nationales Recht hin- kern, ist die Ratifizierung aller Durchführungspro- ausgehen und daher bei einer Ratifikation tokolle durch alle Vertragspartner erforderlich. keine Gesetzesänderungen notwendig wer- Zu Beginn des Internationalen Jahrs der Berge den würden (CIPRA INTERNATIONAL, 2004). 2002 war es erklärtes Ziel aller Alpenstaaten, alle • Die Europäische Union hat bisher lediglich Protokolle in diesem Jahr zu ratifizieren. Bis heute die Protokolle Naturschutz und Landschafts- Die Internationale Alpen- (Stand: 20.09.2004) haben Österreich, Liechten- pflege, Berglandwirtschaft und nachhaltige schutzkommission CIPRA, stein, Slowenien und Deutschland alle Protokolle Entwicklung gezeichnet. Derzeit prüft die Dachorganisation von ratifiziert. In diesen Ländern sind die Vereinbarun- Europäische Kommission, inwiefern die Pro- mehr als 100 Natur- und gen in Kraft getreten. In Frankreich wurden im tokolle mit der gesamteuropäischen Entwick- Umweltschutzverbänden, Sommer 2004 die Vorbereitungen zur Ratifizie- lung kompatibel sind und ob eine Zeichnung hat maßgeblich zur Ent- rung aller Protokolle noch vor der VIII. Alpenkon- und Ratifizierung in Frage kommen kann. stehung der Alpenkonven- ferenz im November 2004 in Garmisch-Partenkir- Unter niederländischer Präsidentschaft soll tion beigetragen. chen getroffen, so dass davon auszugehen ist, 2004 die Alpenkonvention wieder in das dass 2005 die Alpenkonvention auch in Frank- Arbeitsprogramm der EU aufgenommen wer- reich in Kraft tritt. In Italien wurden alle Protokol- den (STADT INNSBRUCK/ ÖAV, 2004). le außer dem Verkehrsprotokoll im Frühjahr 2004

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 131 Fachübergreifende Empfehlungen

Deutschland sollte mit allen zur Verfügung ste- 3.1.3 Handlungsempfehlungen henden Mitteln die Ratifizierung der Alpenkon- ventionsprotokolle durch alle Vertragsparteien, Konkretisierung der Zielaussagen der auch über die im November 2004 zu Ende gehen- Alpenkonvention de deutsche Vorsitzzeit der Alpenkonferenz hin- Wie oben erläutert, sind Qualitätsziele und -stan- aus, unterstützen. dards auf der Ebene der Schutzgüter in den Ziel- aussagen der Alpenkonvention kaum zu finden. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollten jedoch ökolo- 3.1.2 Analyse der Zielaussagen der gische Belastbarkeitsgrenzen ermittelt werden, Alpenkonvention die nicht überschritten werden dürfen. Daher wird empfohlen, künftig vermehrt möglichst konkreti- Die Zielaussagen der Alpenkonvention und ihrer sierte Belastungsgrenzen als Qualitätsstandards Protokolle wurden für den 2. Bericht der Arbeits- in neue oder überarbeitete Alpenkonventionspro- gruppe »Bergspezifische Umweltqualitätsziele« tokolle und die entsprechenden Durchführungs- der Alpenkonvention systematisch analysiert bestimmungen aufzunehmen. Wo dies aufgrund (BMU, 2002). Die 286 Ziele der Alpenkonvention wur- internationaler Abstimmungsprobleme nicht mög- den mit Ursache-Wirkungsfeldern verglichen, die lich ist, sollten die Vertragspartner aufgefordert durch Literaturauswertungen zu den einzelnen, werden, die Qualitätsziele der Alpenkonvention für die nachhaltige Entwicklung des Alpenraums und ihrer Protokolle entsprechend national zu wichtigen Themenfeldern entwickelt wurden. Mit konkretisieren. dem Vergleich konnte belegt werden, dass die Alpenkonvention grundsätzlich eine große thema- Erarbeitung weiterer Protokolle tische Breite abdeckt und zahlreiche Einzelthe- Die in der Rahmenkonvention vorgesehenen Pro- Einen kompakten Über- men der nachhaltigen Entwicklung in den Alpen tokolle zu den Themenbereichen Bevölkerung blick über die Alpenkon- aufgreift. Die Arbeitsgruppe stellte jedoch auch und Kultur, Wasserhaushalt, Luft und Abfall soll- vention bietet das handli- fest, dass die thematische Breite der Alpenkon- ten baldmöglichst erarbeitet werden. che Vademecum von ÖAV vention nicht zuletzt dadurch erreicht wird, »dass und Österreichischem zahlreiche Zielsetzungen in der Alpenkonvention Bevölkerung und Kultur Lebensministerium. sehr allgemein formuliert sind. Es werden durch Das Leitbild der Nachhaltigkeit fordert, dass die Alpenkonvention viele Einzelaspekte themati- neben den Umweltthemen die sozialen Aspekte siert, ohne diese mit speziellen quantitativen Ziel- gleichwertig behandelt werden sollen. Daher setzungen oder gar Standards (z. B. Emissions- kommt dem Themenbereich Bevölkerung und Kul- oder Immissionsgrenzwerte, Mindestflächen oder tur eine vorrangige Bedeutung zu. Eine Arbeits- -abstände) zu konkretisieren« (ebd., S. 41). gruppe der Alpenkonvention unter italienischem Vorsitz beschäftigt sich mit möglichen Inhalten Die meisten Ziele der Alpenkonvention und ihrer für eine Konkretisierung des Themenfeldes in der Protokolle sind Handlungsziele, die an den Ein- Alpenkonvention, ohne bisher aussagekräftige flussfaktoren und Aktivitäten des Menschen Ergebnisse präsentiert zu haben. Noch ist nicht ansetzen oder sich auf die Maßnahmenebene geklärt, ob hierzu ein verbindliches Protokoll er- beziehen. Qualitätsziele und -standards auf der arbeitet werden soll. Zu den inhaltlichen Schwer- Ebene der Schutzgüter sind hingegen unterreprä- punkten eines Protokolls »Bevölkerung und Kul- sentiert. tur« liegen sowohl durch die Studie von BÄTZING (2002) als auch durch CIPRA INTERNATIONAL Die Analyse der Ziele der Alpenkonvention ergab (2001) bereits Vorschläge vor. weiter, dass das Themenfeld der stofflichen Ein- wirkungen gegenüber strukturellen Umweltverän- Prof. Bätzing beschreibt in einer Studie, die im derungen unterrepräsentiert ist. Thematische Auftrag des Umweltbundesamts Berlin erarbeitet Lücken gibt es insbesondere bei den Schutzgü- wurde, als zentrales Problem der Alpenregionen, tern Luft und Wasser und im Handlungsbereich dass sie zunehmend zu Einzugsgebieten der be- Abfallwirtschaft, für die Protokolle im Rahmenab- nachbarten außeralpinen Großstädte geworden kommen zwar vorgesehen, bislang jedoch nicht und dadurch zergliedert sind (BÄTZING, 2002). Hier- erarbeitet worden sind. durch schwinden die Möglichkeiten einer alpen- spezifischen Umweltpolitik und der Sicherung der Alpen als Lebens- und Wirtschaftsraum. Als Leit- idee zur Lösung dieser Problematik schlägt Bät- zing das Konzept der »ausgewogenen Doppelnut- zung« vor, bei der sich die Alpen weder von Euro- pa abschotten, noch von außeralpinen Nutzern

132 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Fachübergreifende Empfehlungen dominiert werden. Vielmehr verstehen sich die Al- biete vieler Fließgewässer der Alpen auf mehrere pen als eigenständiger und eigenverantwortlicher Staaten erstrecken, können Probleme nur grenz- Raum, der eine regional auszudifferenzierende übergreifend gelöst werden. Die CIPRA hat des- Balance zwischen exogenen und endogenen In- halb den Prozess für die Ausarbeitung eines ent- teressen realisiert. Dies wäre die Grundlage dafür, sprechenden Protokolls angestoßen und einen konkrete Nutzungsformen nachhaltig ausgestal- Vorschlag dazu erarbeitet (CIPRA-INTERNATIONAL, 2003). ten zu können. Seine Analyse ergibt, dass ein Pro- CIPRA konnte damit erreichen, dass das Thema in tokoll »Bevölkerung und Kultur« aus der Logik den mehrjährigen Arbeitsplan der Alpenkonven- der Alpenkonvention und ihrer Zielsetzung heraus tion aufgenommen werden soll, um alpenspezifi- unverzichtbar ist. Bätzing stellt Handlungsziele sche Aspekte zu identifizieren und einen Hand- für zwölf Themenbereiche vor, die er anschlie- lungsbedarf zu entwickeln. ßend regionenspezifisch ausdifferenziert: räumli- che Gerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit, indivi- duelle Chancengleichheit, Sicherheit, Gesundheit, Bildung/Ausbildung, geistig-kulturelle Ausein- andersetzung, sprachliche Vielfalt, Bauwerke und Vereine. Er empfiehlt ferner, Beteiligungsverfah- ren zur Stärkung der räumlichen Identität und der Lebensraumverantwortung der Betroffenen. Um die Bedeutung der Alpen als was- CIPRA-INTERNATIONAL (2001) schlägt als Zielvor- serreichste Region gaben für das zu entwickelnde Protokoll u. a. fol- Mitteleuropas zu gende, weiter differenzierte Themenfelder vor: sichern, fordern • Förderung und Entwicklung regionaler Wirt- Natur- und Um- weltschutzverbän- schaftskreisläufe de ein Protokoll

• Partizipation Wessely Foto: »Wasser«. • Gleichstellung der Geschlechter • Generationendialog Die Vorschläge der CIPRA zum Wasserprotokoll • Qualifizierte Erwerbsmöglichkeiten zielen unter anderem auf: • Bildung / Weiterbildung • Schutz, Erhaltung, Verbesserung und Nut- • Funktionierende Nahversorgung zung der Wasservorkommen, der Wassersy- • Wohnen steme und der aquatischen Ökosysteme im • Materielle Sicherheit für alle Alpenraum nach den Grundsätzen der nach- • Altersversorgung – Gesundheitsversorgung haltigen Entwicklung, • Kulturelle Grundversorgung • Abwendung jeder Art von Beeinträchtigung • Mobilität der Einheimischen (in 2. Priorität der Wasservorkommen und aquatischen Öko- auch der BesucherInnen) systeme nach dem Stand von Wissenschaft • Freizeit und Technik, • Kulturdialog • Management der Fließgewässer von der • Ethnische und linguistische Gemeinschaften Quelle bis zur Mündung nach ökologischen • »Identität« Grundsätzen, • Kultur-Know-How • Sicherstellen der ökologischen Funktionsfähig- • Architektur keit bei Wasserkraftanlagen (z.B. Durchgän- • Ess- und Trinkkultur. gigkeit für die Fauna, festgelegte Restwasser- mengen und Maßnahmen, welche die einge- Obwohl sich zahlreiche Organisationen für die Er- schränkte natürliche Gewässerdynamik durch stellung eines Protokolls »Bevölkerung und Kul- gesteuerte Prozesse teilweise nachbilden), tur« ausgesprochen haben und auch der Ständige • Einheitlichen Schutz der Gletscher, ein- Ausschuss der Alpenkonvention sich dieser Auf- schließlich Erschließungsstopp, fassung bisher nicht verschlossen hat, ist dieses • Abgestimmte Maßnahmen zum Hochwasser- bislang nicht vorangekommen. Dies ist aus Sicht schutz, der NGOs sehr zu bedauern (ALPENKONVENTIONSBÜRO, • Länderübergreifende Projekte zum schonen- 2004). den Umgang mit Trinkwasser und den Gewäs- sern, Wasserhaushalt • Umsetzung alpenspezifischer Zielaussagen Als »Wasserschloss Europas« haben die Alpen wie die Beschränkung der Wasserentnahme größte Bedeutung auch für den Wasserhaushalt für die künstliche Beschneiung. in außeralpinen Gebieten. Da sich die Einzugsge-

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 133 Fachübergreifende Empfehlungen

Der Ständige Ausschuss der Alpenkonvention regionalen Zielaussagen den Zielsetzungen der zeigte sich bislang bei diesem Protokoll sehr zu- Alpenkonvention widersprechen oder diese nur rückhaltend. Im Februar 2004 wurde ein mehrjäh- unzureichend wiederspiegeln. riger Arbeitsplan aufgestellt. Im Rahmen der Dis- kussionen hierzu wird geprüft, inwieweit eine Teilweise wird festgestellt, dass die nationalen Notwendigkeit für ein Wasserprotokoll besteht. Zielsetzungen zur Erfüllung der Alpenkonven- Angesichts der enormen Bedeutung des Wassers tionsvorgaben unzureichend sind. Dabei beste- in den Alpen und weit über sie hinaus, wird diese hen folgende Defizite: zögerliche Haltung der Politik von den NGOs kriti- • Nicht ausreichende Berücksichtigung von siert (ALPENKONVENTIONSBÜRO, 2004). Vorgaben • Fehlende Durchgängigkeit durch alle Ebenen Italien hat angeregt, das Thema »Sport in den von Raumordnung und Landesplanung Alpen« in der Alpenkonvention zu bearbeiten. • Konträre Aussagen (Zielkonflikte). Das Thema wurde in das mehrjährige Arbeitspro- gramm übernommen (ALPENKONVENTIONSBÜRO, 2004). Dazu im folgenden einige Beispiele: Aufgrund der großen Bedeutung des Sports in den Alpen erscheint nach Auffassung des BN die Nicht ausreichende Berücksichtigung von Ausarbeitung eines entsprechenden Protokolls Vorgaben grundsätzlich sinnvoll. Insbesondere beim Verkehr sind die Vorgaben der Alpenkonvention teilweise nur stark abge- Berücksichtigung der Ziele der Alpenkonven- schwächt in die nationale Politik übernommen tion in nationalen Zielvorgaben worden. Dies zeigen die folgenden Beispiele zur Damit die Ziele der Alpenkonvention vor Ort präzi- Berücksichtigung des Prinzips der Kostenwahr- se berücksichtigt werden können, ist es wichtig, heit und des Vorrangs des öffentlichen Verkehrs dass sie mit Zielvorgaben des Bundes, der Länder bei Neuerschließungen. und der Gemeinden in Einklang stehen. Im Zuge des Verfahrens zur Ratifizierung der Alpenkonven- Kostenwahrheit und Verursacherprinzip tion in Deutschland wurde der Anpassungsbedarf Laut Verkehrsprotokoll (Art. 14) der Alpenkonven- nationaler Gesetze auf die Vorgaben der Alpen- tion haben die Vertragsparteien vereinbart, das konvention geprüft. Dabei wurde nur wenig Hand- Verursacherprinzip im Verkehr umzusetzen und lungsbedarf gesehen, so dass im Gesetzentwurf Systeme zur Ermittlung der externen Kosten von der Bundesregierung zur Ratifizierung der Proto- Verkehrsmitteln zu entwickeln. Bezüglich der Um- kolle der Alpenkonvention zu lesen war: Die Rati- setzung verweist die Bundesregierung auf die fizierung der Alpenkonventionsprotokolle »belas- Ökosteuerreform, die Einführung der LKW-Maut, tet Bund, Länder und Gemeinden voraussichtlich emissionsabhängige Landeentgelte für Flugzeuge nicht mit zusätzlichen Kosten. Dies liegt daran, und emissionsbezogene Kfz-Besteuerung. Diese dass die sich aus den Protokollen ergebenden Ansätze gehen zwar grundsätzlich in die richtige Pflichten für die Bundesrepublik Deutschland be- Richtung, erfüllen aber bei weitem nicht die Ziel- reits durch spezialgesetzliche Regelungen einge- vorgabe der Kostenwahrheit. Zudem wird die führt sind oder ihre Erfüllung auf andere Weise, LKW-Maut in Deutschland aufgrund von Proble- zum Beispiel durch Programme der Bundesregie- men des Toll-Collect- Konsortiums stark verzögert rung bzw. der bayerischen Staatsregierung, mög- eingeführt und bleibt auf Autobahnen begrenzt. lich ist« (BUNDESREGIERUNG, 2002). Die Höhe der Maut wird von der Kostenwahrheit noch weiter entfernt sein, als es die ursprüngliche Für den zweiten Bericht der Arbeitsgruppe »Berg- Planung zur Ökosteuer, die aus politischen Grün- spezifische Umweltqualitätsziele« der Alpenkon- den nicht weiterentwickelt wurde, vorsah. Die vention veröffentlichte das Umweltbundesamt Öko-Steuer dient zudem nicht der Deckung der eine Zusammenstellung der bundesdeutschen, externen Verkehrkosten (insbesondere Unfälle, bayerischen und exemplarisch regionalen und Umwelt- und Gesundheitsschäden), sondern zur kommunalen (Oberammergau) Umweltziele für Mitfinanzierung des Sozialsystems. den deutschen Alpenraum (UBA, 2002). In dieser Studie wurden insgesamt 1.274 Ziele zusammen- Vorrang öffentlichen Verkehrs bei touristischen getragen. Dennoch musste die im Arbeitsauftrag Neuerschließungen vorgesehene Schwachstellenanalyse zunächst Im Verkehrsprotokoll (Art. 13) wird der Vorrang unterbleiben, weil die Recherche der Ziele auf al- öffentlichen Verkehrs bei touristischen Neuer- len Ebenen in ihrer Vollständigkeit nicht möglich schließungen ohne Einschränkung festgeschrie- war. Bis heute wurde demnach nicht vollständig ben. Der Alpenplan des Landesentwicklungspro- systematisch analysiert, welche nationalen und gramm Bayern untersagt zwar generell die touris-

134 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Fachübergreifende Empfehlungen tische Erschließung in der Tabuzone (Zone C) des Konträre Aussagen (Zielkonflikte) Alpenraums. In den anderen Zonen (A und B) ist Einigen Zielsetzungen der Alpenkonvention ste- Zwischen den Vorgaben der uneingeschränkte Vorrang des öffentlichen hen nationale Zielsetzungen entgegen. Teilweise der Alpenkonvention und Verkehrs bei touristischen Neuerschließungen je- beinhalten die nationalen Zielsetzungen in sich nationalen Zielsetzungen doch nicht festgelegt. bereits Zielkonflikte, so dass die Zielaussagen der bestehen teilweise Wider- Im Regionalplan der Region 16 (Allgäu) wird zwar Alpenkonvention durch eine Aussage gestützt, sprüche. erkannt, dass der öffentliche Personennahverkehr durch andere Aussagen konterkariert werden. im Interesse der Konkurrenzfähigkeit gegenüber Dieser Dissens zeigt sich z.B. beim Thema Schad- dem motorisierten Individualverkehr grundlegend stoffreduzierungen: gestärkt werden muss. Gleichzeitig wird jedoch der (massive) Ausbau der Bundesfernstraßen als Im Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention ver- unerlässlich angesehen. Nach dem Regionalplan pflichten sich die Vertragsparteien zu einer Redu- ist der Straßenbau auch deshalb wichtig, weil ei- zierung der Belastungen aus dem Verkehr auf ein ne »besondere Berücksichtigung« des durch Tou- für Menschen, Pflanzen und Tiere und deren Le- rismus entstehenden Verkehrs notwendig ist. Die bensräume verträgliches Maß. Nach dem Berg- Anreise mit dem PKW soll demnach attraktiver ge- waldprotokoll muss die Luftschadstoffbelastung macht werden. Beispielsweise ist im Regionalplan auf ein für Waldökosysteme unschädliches Maß der 4-spurige Ausbau der B 19 zwischen Kempten reduziert werden. und Immenstadt vorgesehen. Vielversprechende Im Landesentwicklungsprogramm Bayern findet Pläne für eine S-Bahn-artige Regionalbahn auf sich diese Zielaussage im Kapitel zur Luftreinhal- der selben Strecke sind dort jedoch nicht veran- tung (B V 5.1) wieder. Danach sollen insbesondere kert. die Stickoxidemissionen aus dem Verkehr verrin- gert werden. Allerdings bleibt offen durch welche Defizite bestehen jedoch nicht nur beim Verkehr, Maßnahmen dies erreicht werden soll. Im Ver- sondern u.a. auch beim Naturschutz. Nach Art. 6 kehrskapitel steht dem beispielsweise die Zielset- des Naturschutzprotokolls der Alpenkonvention zung der Schaffung eines leistungsfähigen Stra- verpflichten sich die Vertragsparteien, innerhalb ßennetzes im Hinblick auf die zu erwartende Ver- von drei Jahren nach Inkrafttreten des Protokolls kehrszunahme entgegen (B V 1.4.1). Trotz Bestre- (im deutschen Alpenraum also bis Dezember bungen zur Verlagerung des Verkehrszuwachses 2005), eine Bestandsaufnahme vorzulegen, die (also nicht etwa eines möglichst großen Anteils u.a. Verbreitungsatlanten geschützter Tier- und am Gesamtverkehr) (B V 1.2.1) auf öffentliche Ver- Pflanzenarten sowie Verzeichnisse ökologisch kehrsmittel wird eine steigende Belastung die wertvoller Biotope, Inventare schützenswerter Folge sein. Natur- und Kulturlandschaften und Probleme mit Nutzungen (Landwirtschaft, Forst, Jagd, Fischerei) Zielkonflikte gibt es auch bei Aussagen zur Förde- enthalten soll. Deutschland kommt diesen ambi- rung der extensiven Berglandwirtschaft. Nach tionierten Ansprüchen bislang nur teilweise nach. Art. 9 des Protokolls Berglandwirtschaft der Al- So spart die Alpenbiotopkartierung weiterhin alle penkonvention verpflichten sich die Vertragspar- Wälder auf Normalstandorten aus, obwohl große teien, die Anwendung und Verbreitung von exten- Flächen hohe Bedeutung für den Arten- und Bio- siven, naturgemäßen und gebietscharakteristi- topschutz haben. Erfasst werden in der Alpenbio- schen Bewirtschaftungsmethoden in den Bergge- topkartierung nur Wälder auf Sonderstandorten, bieten zu begünstigen. Im Landesentwicklungs- die aber nur marginalen Anteil an der Gesamt- programm Bayern wird lediglich eine »sachgemä- waldfläche haben. ße Landbewirtschaftung« als Ziel genannt. Wie diese erreicht werden soll, wird jedoch nur für Fehlende Durchgängigkeit durch alle Ebenen der einzelne Bereiche, z.B. durch schonende Bewirt- Raumordnung und Landesplanung schaftungsformen im Umkreis von Biotopen ge- Bislang fehlt eine konsequente Analyse, ob die nannt. Nach dem Regionalplan der Region 18 soll Bestimmungen der Alpenkonvention durchgängig die Landwirtschaft »in ihrer Leistungsfähigkeit« in allen betroffenen Regelungen auf allen Ebenen gestärkt werden, ohne dass auf Umweltbelange (EU, Bund, Bayern, Region, Landkreis, Gemeinde) eingegangen wird. Die Stärkung der Leistungsfä- ausreichend berücksichtigt werden. Dies wurde higkeit kann in Widerspruch mit der von der Al- bislang nur für ausgewählte Themenbereiche penkonvention vorgesehenen Förderung einer exemplarisch in einer Studie zur Umsetzung der extensiven Landbewirtschaftung stehen. Alpenkonvention im Berchtesgadener Land doku- mentiert, wobei die Autoren auf Lücken, insbeson- Um sicherzustellen, dass die Vorgaben der Alpen- dere im Landesentwicklungsprogramm Bayern und konvention mit den nationalen Vorgaben in Ein- im dortigen Regionalplan hinweisen (GRAB et al., 2004). klang stehen, sollten alle relevanten nationalen,

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 135 Fachübergreifende Empfehlungen

bayerischen (insbesondere Landesentwicklungs- 3.2 Stärkere Verankerung des programm) und regionalen (insbesondere Regio- Alpenschutzes in fachüber- nalpläne der Regionen 16 – 18) Zielaussagen im Hinblick auf die Umsetzung der Alpenkonvention greifenden Programmen, überprüft werden. Plänen und Projekten

ür eine nachhaltige Entwicklung des (deut- Fschen) Alpenraums sind grundsätzlich zwei Wege von Bedeutung: • Zum einen ist es notwendig, die Politikfelder, die für die nachhaltige Entwicklung von Be- deutung sind, alpenweit (und global) zu har- monisieren und geeignete Rahmenbedingun- gen für eine nachhaltige regionale Entwick- lung zu schaffen. Der Alpenkonvention als In- strument zur alpenweiten Abstimmung der (umweltrelevanten) Politik kommt hierbei be- sondere Bedeutung zu. Weitere Beispiele, die sich auf die Rahmenbedingungen der Regio- nalentwicklung positiv oder auch negativ

Foto: Wessely Foto: auswirken, sind die Europäische Umwelt- Zielkonflikt Straßenverkehr: Während die Alpenkonvention Maßnahmen zu Verkehrsvermeidung und Agrarpolitik, globale Übereinkommen und -verringerung einfordert, setzen nationale Vorgaben, wie das Landesentwicklungsprogramm (z.B. Klimarahmenkonvention, Konvention zur und der Bundesverkehrswegeplan immer noch einen starken Akzent auf den weiteren Ausbau der Biologischen Vielfalt), nationale Bestimmun- Straßen. gen (z.B. Bundesverkehrswegeplan, Bundes- naturschutzgesetz) und die Landesplanung. Entwicklung eines alpenweit einheitlichen Auf einzelne Politikfelder ist in dieser Studie Indikatorsystems in Kap. 2 näher eingegangen, auf die Weiter- Um die Fortschritte bezüglich der Umsetzung der entwicklung von Zielaussagen bezüglich der Alpenkonvention messen zu können, kommt der Alpenkonvention in Kap. 3.1. Entwicklung eines alpenweit abgestimmten Indi- katorsystems große Bedeutung zu. Dazu wurde • Zum zweiten, ist es erforderlich, das Konzept von der Alpenkonferenz die Arbeitsgruppe »Al- der nachhaltigen Regionalentwicklung unter penbeobachtung« eingesetzt, die geeignete Da- Beachtung der überregionalen Zielvorgaben ten systematisieren und ein alpenspezifisches »von unten« umzusetzen. Da auf internatio- Indikatorensystem entwickeln soll (ABIS). Bislang naler Ebene aufgrund des großen Abstim- liegen von der Arbeitsgruppe allerdings nur erste mungsbedarfs und der schleppenden Ratifi- Entwürfe für Indikatorensets zu den Themen zierung der Alpenkonventionsprotokolle bei Sozio-Ökonomie, Wald, Natur, Klimaveränderung mehreren Vertragspartnern realistischer- und Wasser vor (BMU, 2002). weise kurzfristig nicht mit großen Fortschrit- ten gerechnet werden kann, ist eine Umset- Aufbauend und ergänzend zu ABIS wurde im Ab- zung »von unten« um so wichtiger. Aufgrund schlussbericht der Arbeitsgruppe »Bergspezifi- der Kleinräumigkeit des Alpenraums sind sche Umweltqualitätsziele« der Alpenkonvention dafür jeweils unterschiedliche, an die herr- (2. Mandatsphase) ein weitergehender Vorschlag schenden spezifischen Gegebenheiten ange- mit 105 Indikatoren erstellt (BMU, 2002). In einer passte Strategien notwendig. Nach Ansicht dritten Mandatsphase wird die in »Umweltziele von LORCH et al. (1995) ist die Gemeinde für und Indikatoren« umbenannte AG zur VIII. Alpen- eine Umsetzung des Konzepts der nachhalti- konferenz 2004 ein abgestimmtes Indikatoren- gen Entwicklung eine zu kleine Einheit, da system und ein Konzept für einen Alpenzustands- exogene Faktoren stärker zu gewichten sind bericht vorlegen, der auf den Indikatoren basie- als die endogenen Entwicklungsmöglichkei- ren soll. ten. LORCH et al. sehen daher eine überge- Sollte es gelingen, ein wirklich aussagekräftiges ordnete Ebene als geeigneter an. Im deut- Indikatorensystem zu entwickeln, wird die Umset- schen Alpenraum haben insbesondere die zung der Alpenkonvention ein gutes Stück voran- Landkreise (mit besonderer Beteiligung der gebracht werden. Gemeinden im engeren Alpenraum), die Eure- giones und die Regionen besondere Verant-

136 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Fachübergreifende Empfehlungen

wortung für die nachhaltige Regionalentwick- sollte ausgeweitet werden, u.a. sollten alle NATU- lung. Aufgrund der ausgeprägten kommuna- RA 2000-Gebiete in der Zone C berücksichtigt len Selbstverwaltung und der größeren Parti- werden. zipationsmöglichkeiten sind im deutschen Weiterhin gibt das Landesentwicklungsprogramm Alpenraum jedoch auch die Gemeinden von vor, dass die ökologische Tragfähigkeit im Sinne großer Bedeutung. Die Umsetzung der Alpen- einer nachhaltigen Regionalentwicklung Basis für konvention erfolgt hier durch die Schaffung die Entwicklung ausgewogener Lebens- und Ar- geeigneter Rahmenbedingungen auf regiona- beitsbedingungen sein sollte. Damit werden öko- ler sowie kommunaler Ebene (z.B. bei Flä- logische Belastbarkeitsgrenzen als Grundlage für chennutzungsplanungen) und die Durchfüh- die Regionalplanung genannt. Die Regionalpla- rung konkreter Projekte. nung hat allerdings weder die nötigen Ressour- cen, noch die Kompetenzen, um diesen hohen An- spruch in Bayern in Form von quantifizierten Stan- 3.2.1 Stärkung von Raum- und Regional- dards und Zielen tatsächlich umzusetzen. Das planung wichtige integrative Instrument der Regionalpla- nung wird seinem Anspruch nicht gerecht. »Die Ausfüllung des Konzeptes der nachhaltigen Entwicklung »von unten« ist die eigentliche Auf- gabe der Landes- und Regionalplanung. Diese 3.2.2 Umsetzung der Alpenkonvention in muss das Ziel haben, die Raum- und Ressourcen- regionalen Modellprojekten beanspruchung so zu gestalten, dass eine Über- einstimmung mit den internationalen Umweltzie- Bislang wurden aufgrund fehlender Förderinstru- len erreicht werden kann« (LORCH et al., 1995). mente kaum Projekte zur regionalen Umsetzung Die Landes- und Regionalplanung ist demnach ein der Alpenkonvention initiiert. Doch nur durch zentrales Umsetzungsinstrument der Alpenkon- regionale Umsetzungsprojekte kann die Alpen- vention. Eine ähnliche Ansicht vertritt die Arbeits- konvention für die Bevölkerung mit Leben gefüllt gruppe »Bergspezifische Umweltqualitätsziele« und als positives Instrument erlebt werden. In ei- der Alpenkonvention. Sie sieht die Agenda 21-Pro- nem vom Umweltbundesamt geförderten Modell- zesse und Raumordnungsverfahren als »heraus- projekt im Landkreis Berchtesgadener Land wur- ragend geeignet«, um die Zielsetzungen und den erste Ansätze zur regionalen Umsetzung der Inhalte der Alpenkonvention und ihrer Protokolle Alpenkonvention entwickelt (GRAB et al., 2004). Wich- umzusetzen (BMU, 2002). Die Bedeutung der Raum- tigstes Element des Projekts war die regional spe- planung für die nachhaltige Entwicklung liegt zifizierte Öffentlichkeitsarbeit zur Alpenkonven- dabei insbesondere darin, dass die Raumplanung tion, insbesondere die Produktion des Films »Die durch die Abwägung verschiedenster Ansprüche Zukunft der Alpen selbst bestimmen – Die Umset- zwangsläufig eine ganzheitliche Sichtweise prägt. zung der Alpenkonvention im Berchtesgadener Über den Regionalplan als behördlich verbindli- Land« (UBA, 2003), in dem beispielhafte Projekte ches Instrument können ansonsten unverbindli- und Initiativen zur Umsetzung der Alpenkonven- che Ziele aufgewertet werden. Er bildet somit ei- tion im Berchtesgadener Land vorgestellt werden. ne Integrationsplattform für nicht behördenver- Konkrete weitere Umsetzungsprojekte sollen bindliche Planungen und Zielaussagen wie die hierdurch ermutigt und angestoßen werden. Agenda 21 und ist eine wichtige Ebene für eine Aufbauend auf diesen ersten Erfahrungen sollten Die Alpenkonvention ist bei regionale Konkretisierung der Alpenkonvention. weitergehende Projekte zur regionalen Umset- der Alpenbevölkerung viel- Das Landesentwicklungsprogramm Bayern gibt zung der Alpenkonvention initiiert werden. In ei- fach noch wenig bekannt. den Rahmen für die Regionalplanung der einzel- ner Pilotregion könnte dabei ein Modellprojekt Der 10-minütige Film »Die nen Planungsregionen vor. Ende 2003 wurde die nach folgendem Vorgehen entwickelt werden: Zukunft der Alpen selbst Zuständigkeit für die Landesplanung vom Bayeri- bestimmen« informiert schen Umwelt- in das Wirtschaftsministerium ver- In einem ersten Schritt sollte systematisch analy- über die Alpenkonvention lagert. Begründet wurde dies mit der gesunkenen siert werden, in wie weit bestehende regionale und ihre Chancen im Berch- Bedeutung von Umweltaspekten gegenüber öko- Zielsetzungen (Regionalplan, ggf. Leitbilder, tesgadener Land. nomischen Aspekten. Aus Sicht des Bund Natur- regionale/lokale Verordnungen) die Zielvorgaben schutz ist es sehr wichtig, dass die Kernaussagen der Alpenkonvention unterstützen, wo Zielvorga- zum Alpenschutz bei der von der Bayerischen ben der Alpenkonvention an relevanter Stelle in Staatsregierung angekündigten erneuten Novel- regionalen Zielaussagen fehlen und wo regiona- lierung des Landesentwicklungsprogramms be- len Zielaussagen die Bestimmungen der Alpen- stehen bleiben. Der Alpenplan muss als Instru- konvention entgegenstehen. ment erhalten bleiben. Die Alpenplan-Zone C (Ta- buzone für Neuerschließungen des Tourismus)

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 137 Fachübergreifende Empfehlungen

Um die Alpenkonvention Parallel ist es dringend nötig, die Öffentlichkeits- Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen der bekannter zu machen und arbeit zur Alpenkonvention mit einem deutlich re- größten deutschen Konferenz zum Internationa- mit Leben zu füllen, ist gionalen Bezug zu intensivieren. Wesentlich da- len Jahr der Berge 20021 war die Bedeutung kon- breit angelegte Öffentlich- bei ist, dass die Chancen für die Region durch die kreter regionaler Umsetzungsprojekte, um der keitsarbeit über einen län- Umsetzung der Alpenkonvention deutlich werden. Bevölkerung internationale Kooperationen, wie geren Zeitraum dringend die Alpenkonvention, nahe zu bringen und sie mit erforderlich. Weiterhin sollte eine regionale Arbeitsgruppe zur Leben zu füllen. Bereits während der – wie im Fal- Umsetzung der Alpenkonvention gegründet wer- le der Alpenkonvention langwierigen – Erarbei- den, in der – ähnlich bestehender AGENDA 21-Ini- tung einer regionalen Kooperation sollte mit sol- tiativen – Personen aus dem Landkreis, den Kom- chen Projekten begonnen werden. Ein wichtiger munen, Verbänden und der regionalen Wirtschaft Grund für die Unbekanntheit der Alpenkonvention vertreten sind. Ziel dieser Arbeitsgruppe wäre, die in weiten Teilen der alpinen Bevölkerung ist, dass regionale Relevanz der Alpenkonvention heraus- bis heute keine Mittel bereit gestellt werden, um zuarbeiten und konkrete Initiativen zur Umset- regionale Umsetzungsprojekte zu finanzieren. zung einzuleiten. Die Arbeitsgruppe sollte dabei In einer Studie des Umweltbundesamt (LORCH et al., von externen Moderatoren unterstützt werden. 1995) wird dazu aufgefordert, die Umsetzung der Zur Entwicklung konkreter Projekte ist es günstig, Alpenkonvention, die bisher »punktuell und sek- wenn Arbeitsgruppen gebildet und ggf. externe toral orientiert« ist, »ganzheitlich und grenzüber- Sachverständige einbezogen werden. Entschei- schreitend« weiterzuentwickeln. dend für die Erfolge der Arbeitsgruppe ist einer- Inzwischen läuft das EU-Förderprogramm Interreg seits die regionale politische und gesellschaftli- III B, das gemeinsam mit ähnlichen Programmen che Verankerung und Akzeptanz, andererseits der Schweiz und Liechtensteins, ein Förderpro- auch die (zumindest in der Pilotregion erforderli- gramm für den Alpenraum beinhaltet (bis 2006). che) externe Unterstützung. Die Umsetzung ent- Das Programm soll auch zur Umsetzung der Alpen- wickelter Projektideen könnte z.B. durch einen konvention dienen und eignet sich hierfür durch Fonds zur Förderung regionaler Umsetzungspro- den integrativen und internationalen Ansatz prin- jekte der Alpenkonvention unterstützt werden zipiell sehr gut. Allerdings zeigen die bisherigen (vgl. Kap. 3.3). Erfahrungen, dass mit dem Programm ein sehr hoher Verwaltungsaufwand verbunden ist. Zudem Mittelfristig sollte, aufbauend auf den Erfahrun- scheint der Prüfung von Projektinhalten bei der gen, eine flächenhafte Strategie zur regionalen Bewilligung weniger Gewicht beigemessen zu Umsetzung der Alpenkonvention im deutschen werden, als der internationalen Ausgewogenheit, Alpenraum entwickelt werden. Dazu wären An- der Zahl und Bekanntheit der Partner, etc.. Bereits sprechpartner für Koordinierung, Unterstützung die Struktur des 65 Seiten umfassenden Antrags- und Vernetzung der regionalen Umsetzungsinitia- formulars lässt nur wenig Raum zur Erläuterung tiven Ansprechpartner auf Landesebene hilfreich. der Projektinhalte. Das Volumen der meisten ein- zelnen Projekte liegt zwischen 500 000 € und 2 Mio. €. Da mindestens 50% der Gelder aus 3.3 Umgestaltung von nationalen Quellen cofinanziert werden müssen, Förderprogrammen stoßen weniger finanzkräftige Institutionen, wie Kommunen und Nichtregierungsorganisationen schnell an Grenzen. Gemeinden als auch Nichtre- örderprogramme beeinflussen zunehmend die gierungsorganisationen sind dementsprechend FEntwicklungsmöglichkeiten einer Region. Sie bislang als Projektträger unterrepräsentiert. Doch sind daher wichtige Steuerungsinstrumente auch gerade diese Institutionen zeichnen sich durch für die nachhaltige Entwicklung des Deutschen eine zumeist sehr effiziente Verwendung von Gel- Alpenraums. Sektorale Förderinstrumente (z. B. dern aus. Trotz eines beachtlichen Programmvolu- landwirtschaftliche Förderprogramme, Förderung mens von über 120 Mio. € (inkl. nationaler Cofi- von Infrastruktur für Wintersportgroßveranstal- nanzierung und Schweiz), drohen die Ergebnisse tungen) werden bei den einzelnen Fachkapiteln für die nachhaltige Entwicklung der Alpen be- (Kap. 2) angeschnitten. Das folgende Kapitel be- scheiden zu bleiben. Ob das Programm nach 2006 zieht sich ausschließlich auf fachübergreifende Förderprogramme. 1 »Der Alpenprozess – ein Beispiel für andere Bergregionen?« Internationale Fachtagung mit Teilnehmern aus 32 Staaten über Prozesse zur regionalen Kooperation in Bergregionen, veranstaltet von CIPRA Deutschland, UNEP, BMVEL, BMU, GTZ, Nationalpark Berchtesgaden vom 26.- 29.06.20o2 in Berchtesgaden; Abschluss- erklärung (»Berchtesgadener Erklärung«) veröffentlicht unter www.cipra.de/berchtesgaden.

138 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Fachübergreifende Empfehlungen fortgeführt wird oder den wachsenden Aufgaben 3.4.1 Angebote zur Umweltbildung und der EU im Osten (EU-Osterweiterung) zum Opfer -information für Erwachsene fällt, ist unklar. Wichtig ist eine Ergänzung des Programms um Urlauber und Tagesgäste Förderprogramme zur regionalen Umsetzung der Wirkungsvoll sind Informationsmaßnahmen dann, Alpenkonvention, die möglichst unbürokratisch wenn sie einen Bezug zu persönlichen Erfahrun- der untersten Verwaltungsebene zugeordnet wer- gen der Touristen schaffen. Umweltbewusstes den. Für den deutschen Alpenraum könnte ein Verhalten sollte nicht als Einschränkung erlebt solches Förderprogramm in Form eines Alpen- werden, sondern als positive Erweiterung des fonds beim Bayerischen Umweltministerium an- Handlungsspektrums. Mahnungen zu umweltbe- gesiedelt werden, wobei sich der Bund an der Fi- wusstem Verhalten »mit nanzierung beteiligen sollte. Ziel sollte sein, die dem Zeigefinger« blei- Umsetzung der Alpenkonvention »von unten«, ben weitgehend wir- also durch Initiativen der Gemeinden, Landkreise, kungslos. In Kap. 2.3 ist lokaler und regionaler Vereine und Zusammen- ein Überblick über schlüsse (z. B. Agenda 21-Gruppen) sowie von aktuelle Angebote zur kleinen und mittleren Unternehmen im Rahmen Umweltbildung und -in- von Klein- und Kleinstprojekten zu fördern (vgl. formation für Touristen Kap. 3.2). Aufgrund der zu erwartenden hohen und Tagesgäste enthal- Effektivität der Mittelverwendung sind auch mit ten und werden zahlrei- relativ geringer Finanzausstattung erhebliche che Hinweise zur Opti- Erfolge möglich. mierung gegeben. Foto: Wessely Foto: Alpenbewohner Die geführten Wanderungen 3.4 Ausweitung von Umwelt- Umweltbildung und -information sollte bei den des Nationalparks Berchtesga- Alpenbewohnern auf mehreren Ebenen ansetzen. den verbinden Naturerfahrung information und -bildung und Wanderspaß vorbildlich Zum einen ist es wichtig das »Alpenbewusstsein« und sind daher sehr beliebt. zu fördern. Zum zweiten erscheint eine umfassen- 2003 fanden fast 500 Exkursio- eeignete Umweltinformations- und -bildungs- de Informationsarbeit über die Alpenkonvention nen und Wanderungen mit rund 10.000 Teilnehmern statt. Gmaßnahmen sind wichtig, um die Bereitschaft dringend erforderlich. Dafür soll insbesondere zu fördern, sich für den Schutz und die nachhalti- das Gemeindenetzwerk »Allianz in den Alpen« ge Entwicklung der Alpen zu engagieren. Zudem gestärkt werden. kann über geeignete Informationsarbeit das Know-how der Alpenbewohner zu Instrumenten Stärkung des »Alpenbewusstseins« des Alpenschutzes und zu eigenem umweltbe- Die Alpen werden immer mehr zu Einzugsgebie- wussten Verhalten gefördert werden. ten benachbarter außeralpiner Großstädte. Viele Alpenbewohner pendeln zudem in außeralpine Umweltbildungsarbeit sollte im Sinne einer Bil- Städte zur Arbeit. Wirtschaftliche Beziehungen dung für nachhaltige Entwicklung über klassische bestehen zunehmend weniger innerhalb der Al- Naturpädagogik hinaus erweitert werden. We- pen als zu außeralpinen Wirtschaftsräumen. Die sentliche Aspekte dabei sind: Folge dieser Entwicklung ist, dass die regionale • Förderung von Kompetenzen, um komplexe Identität schwindet und eine alpenspezifische ökologische, soziale und ökonomische Umweltpolitik und die Sicherung der Alpen als Zusammenhänge zu verstehen Lebens- und Wirtschaftsraum erschwert werden • Förderung und Erlebnis persönlicher Hand- (BÄTZING, 2002). Die Stärkung der regionalen Iden- lungskompetenzen tität ist angesichts dieser Entwicklung eine zen- • Reflexion des eigenen Lebensstils trale Herausforderung für die Informationsarbeit. • Konstruktivistischer Ansatz: Gelernt wird, Sie sollte nicht bei der Förderung von Brauchtum was für die Lernenden passend ist und Bezug und traditionellen Wirtschaftsweisen stehen blei- zu Alltag und Handeln hat ben. Vielmehr sollten, gemeinsam mit den Be- • Förderung aktiver Beteiligung (Partizipation) wohnern, Perspektiven einer nachhaltigen Regio- • Ganzheitlich: Lernen mit allen Sinnen, mit nalentwicklung erarbeitet und abgestimmt wer- Kopf, Herz und Hand. den, die auf den Besonderheiten der Region auf- bauen und diese fördern. Im Sinne des Konzepts Umweltbildung im Alpenraum sollte mehr auf einer »ausgewogenen Doppelnutzung« (BÄTZING, zielgruppenspezifische Schwerpunkte ausgerich- 2002) sollten die Alpen als eigenständiger und ei- tet sein: genverantwortlicher Raum gestärkt werden, in dem exogene Einflüsse (insbesondere durch die

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 139 Fachübergreifende Empfehlungen

außeralpinen Städte und Wirtschaftsräume) und Umsetzung der Alpenkonvention in ihrer Region endogene Interessen ausbalanciert sind. Die Stär- erarbeiten. Zur kontinuierlichen Unterstützung kung des Bewusstseins der Bevölkerung für die und Vernetzung dieser Prozesse sollte eine über- Alpen als verbundener Raum ist hierzu wesent- regionale Institution (z. B. auf Landesebene) ein- lich. Dafür sollten Netzwerke und Dachorganisa- gerichtet werden. tionen wie das Gemeindenetzwerk »Allianz in den Alpen«, Alpenstadt des Jahres, Da dem Gemeindenetzwerk »Allianz in den Al- Netzwerk alpiner Schutzgebiete, pen« eine wichtige Bedeutung zur Umsetzung der CIPRA gestärkt werden. Partizipati- Alpenkonvention auf lokaler Ebene zukommt, ve Prozesse, die zu einer gemeinsa- sollte die zielgerichtete Information kommunaler men Lebensraumverantwortung Entscheidungsträger im deutschen Alpenkonven- führen, sollen auf allen politischen tionsraum über dieses Gemeindenetzwerk inten- Ebenen (Gemeinde, Region, natio- siviert werden. Zum Bearbeitungszeitpunkt waren naler Alpenteilraum, Alpen) geför- von den 283 Gemeinden des deutschen Alpen-

Foto: Leeb Foto: dert werden. raums nach Abgrenzung der Alpenkonvention Jedes Jahr Mitte August orga- (neben zwei baden-württembergischen Gemein- nisiert die Internationale Informationsarbeit zur Alpenkonvention den) nur fünf Gemeinden in den deutschen Alpen Alpenschutzkommission CIPRA Bestehende Instrumente zum Alpenschutz sollten Mitglied: Bad Reichenhall, Großweil, Oberammer- zu einem aktuellen Thema der Alpenpolitik den Aktionstag von der Bevölkerung akzeptiert und umgesetzt gau, Schliersee und Oberstaufen. Im Gegensatz »Feuer in den Alpen«. werden. Hierzu müssen die Ziele und Handlungs- zu anderen Alpenstaaten, in denen die Mitglieder- 2004 loderten mehr als möglichkeiten dieser Instrumente kommuniziert zahl stark steigt, ging die Zahl der Mitglieder in 100 Feuer. werden. In besonderem Maße gilt dies für die Al- Deutschland in den letzten Jahren durch den penkonvention, die in der Alpenbevölkerung bis Austritt der Gemeinde Mittenwald zurück. Durch heute weitgehend unbekannt ist. Selbst innerhalb eine Intensivierung der Betreuung der Mitglieds- der Fachverwaltungen bestehen Informationsdefi- gemeinden und verstärkter Informationsarbeit bei zite über die Alpenkonvention, wie eine Befra- allen Gemeinden des deutschen Alpenraums soll- gung von Mitarbeitern der bayerischer Alpenland- te das Gemeindenetzwerk auch im deutschen kreisverwaltungen ergab. Bislang wurden in kei- Alpenraum gestärkt werden. nem Landkreis des deutschen Alpenraums spezi- fische Projekte zur Umsetzung der Alpenkonven- tion durchgeführt (GRAB et al., 2004). 3.4.2 Angebote zur Umweltbildung und Die Alpenkonvention kann für die Alpenbewohner -information für Kinder und Jugendliche greifbarer werden, wenn sie mit konkreten Umset- zungsbeispielen verknüpft und kommuniziert Jährlich halten sich bei Urlaub und Ausflügen wird. Derzeit erarbeitet das Bundesumweltminis- Millionen Kinder und Jugendliche in den deut- terium eine Broschüre zu Schwerpunktthemen schen Alpen auf. Nur ein relativ kleiner Anteil der der Alpenkonvention, die bestehende Informa- Kinder erfährt dabei näheres über Natur und Um- tionsbroschüren aus der Schweiz und Österreich welt. Verstärkt nehmen v.a. Jugendliche an oft von ergänzen soll. Es ist zu hoffen, dass diese Mate- kommerziellen Firmen organisierten spektakulä- rialien bald durch einen stark erweiterten Inter- ren Aktivitäten und Events teil. Trotz jahrzehnte- netauftritt des Ständigen Sekretariats der Alpen- langer Bestrebungen von Natur- und Umwelt- konvention ergänzt werden, in dem auch alpenre- schutzverbänden und vielen Eltern(gruppen), fin- levante Daten und Indikatoren zur Überprüfung den auch weiterhin Schulskikurse statt, bei denen der Zielerreichung der Alpenkonvention darge- die Alpen vorwiegend als Kulisse zum Skifahren stellt sind. genutzt werden.

Von zentraler Bedeutung für die Informationsar- Die Alpen sind ein ökologisch höchst wertvoller beit zur Alpenkonvention sind regionale Veran- und sensibler Raum, der auch durch das noch kei- staltungen (z. B. auf Landkreisebene oder auf neswegs immer umweltschonende Verhalten von Ebene der Euregiones) für Entscheidungsträger, Urlaubern gefährdet ist. Umweltbildung ist dem- lokale Organisationen und engagierte Einzelper- entsprechend wichtig. Die Alpen bieten dafür sehr Das Gemeindenetzwerk sonen, in denen Ziele und Inhalte der Alpenkon- gute Voraussetzungen: »Allianz in den Alpen« ist vention im Hinblick auf die konkrete Bedeutung • Naturnahe, ökologische Vielfalt und »Wildnis« ein Zusammenschluss von und die sich ergebenden Entwicklungsmöglich- bieten hervorragende Möglichkeiten zur Ver- aktuell 190 Gemeinden, die keiten für die Region vorgestellt und diskutiert mittlung intensiver Naturerlebnisse und zum sich besonders für die werden. In einem professionell moderierten Pro- Erkennen ökologischer Zusammenhänge. Umsetzung der Alpenkon- zess sollten die Teilnehmer in anschließenden vention einsetzen. Workshops eine Strategie und konkrete Pläne zur

140 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Fachübergreifende Empfehlungen

• Durch die ökologische Sensibilität der Alpen der Jugendbildungsstätte des Deutschen Alpen- werden Zusammenhänge zwischen menschli- vereins in Bad Hindelang. Die v.a. erlebnispäda- chem Handeln und Umweltschäden oft sehr gogisch ausgerichteten Angebote sollten ver- eindrucksvoll sichtbar: Beispielsweise sind stärkt durch Komponenten der Umweltbildung im Sommer Schäden durch übernutzte Skipis- ergänzt werden. ten sehr schnell zu erkennen. Anschaulich lässt sich in den Alpen auch das Problem der Zwar fehlt derzeit angesichts knapper Kassen der hohen Stickstoffbelastung der Luft und die politische Wille zur Neueinrichtung fester Um- dadurch mitbedingten Waldschäden und Ero- weltstationen. Um so wichtiger wäre die dauer- sionsprobleme darstellen und erleben. hafte Etablierung mobiler Umweltbildungseinrich- • Persönliche Handlungskompetenzen lassen tungen in verschiedenen Regionen der deutschen sich bei erlebnispädagogischen Aktivitäten Alpen. Ohne hohe Infrastrukturkosten könnten sehr gut erleben und fördern. solche mobilen Stationen in Kooperation mit be- • Intensive (Natur-)Erlebnisse fördern die stehenden Einrichtungen (Tourismusverbände, Bereitschaft, den eigenen Lebensstil zu Jugendherbergen, Schullandheime, regionale reflektieren. Schulen und Kindergärten, Ferienprogramme der • Pädagogische Angebote können meist an Gemeinden etc.) Umweltbildungsangebote für eine vorhandene grundlegende Begeisterung Alpenbesucher und -bewohner anbieten, die ideal für die Alpen anknüpfen. auf die auch ortsgebundenen Bedürfnisse (z.B. umweltpädagogisches Angebot direkt ab Schu- Das hohe Potenzial der Alpen für die Umweltbil- le/Kindergarten oder Berücksichtigung lokaler dung von Kindern und Jugendlichen wird derzeit aktueller Brennpunkte und Themenschwerpunk- nur an wenigen Orten vertieft genutzt. V.a. der te) zugeschnitten sind. Nationalpark Berchtesgaden und das Walderleb- niszentrum in Füssen bieten Exkursionen und Neben Bildungsangeboten durch feste und mobi- Spiele zur Naturerfahrung. Des weiteren werden le außerschulische Einrichtungen, bietet auch die einzelne Veranstaltungen, etwa von regionalen schulische Umweltbildung vor Ort hervorragende Umweltverbänden (z.B. das Umweltmobil der BN Chancen. Um Lehrer zu motivieren, vermehrt mit Kreisgruppe Kempten/Oberallgäu), Tourismusver- ihren Schülern in die Berge zu gehen und dort Andreas Güthler, Steffi Kreuzinger, Wolfgang Kubutsch Erlebnis bänden oder Schullandheimen angeboten. Natur zu erfahren, hat CIPRA Deutschland ver- AlpenAktionstipps für LehrerInnen schiedene Materialien zusammengestellt: und Umwelt- Im Großteil der deutschen Alpen bestehen nur • die Broschüre: Erlebnis Alpen – Aktionstipps pädagogInnen marginale Umweltbildungsangebote für Kinder für LehrerInnen und UmweltpädagogInnen

Deutschland und Jugendliche. Das Deutsche Jugendherbergs- (GÜTHLER et al., 2003), werk unterhält zwar in den deutschen Alpen eine • eine Alpenkiste: Materialiensammlung, die Die Broschüre »Erlebnis Reihe von Jugendherbergen, doch ist bislang kei- von Schulklassen für Projekttage ausgeliehen Alpen« von CIPRA Deutsch- ne speziell auf das Thema »Alpen und Natur/Um- werden kann, land bietet eine Fülle von welt« ausgerichtet. Erfreulicherweise wird sich dies • unter www.erlebnis-alpen.de sind u. a. Anregungen für Kinderfrei- ab 2005 deutlich verbessern. Dann wird an den Hintergrundinformationen und praktische zeiten und Klassenfahrten Jugendherbergen in Oberammergau, Garmisch- Informationen für umweltpädagogische Akti- in den Alpen. Partenkirchen und Mittenwald ein breites Pro- vitäten in den Alpen zusammengefasst (u.a. gramm über Natur in den Alpen angeboten wer- auch bezüglich Bergwaldpro- den (MURBÖCK, 2004). Das Jugendherbergswerk be- jektwochen, Umweltbaustel- treibt bereits jetzt zwei sog. Umweltstudienplätze len etc.). direkt am Alpenrand in den Jugendherbergen Prien und Benediktbeuern. Diese sind bislang Viele Schüler aus alpenfernen sehr stark auf Moore und Gewässer als Fachthe- Schulen kommen im Rahmen von men ausgerichtet. Es wäre günstig, wenn auch in Schulfreizeiten erstmals in die Al- diesen Jugendherbergen in Zukunft Alpenthemen pen. Die Schulfreizeit kann Schlüs- verstärkt behandelt werden könnten. selfunktion für die künftige Ur- Gute infrastrukturelle Voraussetzungen für eine laubsgestaltung haben. Deshalb verstärkte Umweltbildung von Jugendlichen und sollten für Schulfreizeiten, insbe- Kindern über die Alpen bietet auch das Zentrum sondere im Winter, verstärkt um-

für Umwelt und Kultur am Kloster Benediktbeu- weltfreundliche Programmange- Murböck Foto: ern, das sich in der Bildungsarbeit derzeit auf bote entwickelt werden. Insbeson- Viele erprobte Konzepte bieten Moore und Feuchtwiesen im Alpenvorland kon- dere sollten keine Schulskikurse mehr angebo- Ideen zur Gestaltung von schö- zentriert. Hervorragende Bedingungen für das ten, sondern Winterfreizeiten naturverträglich nen Winterfreizeiten ohne Abfahrtsski. Forcieren der Umweltbildung bestehen auch an gestaltet werden.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 141 Fachübergreifende Empfehlungen

3.5 Quellennachweis

ALPENKONVENTIONSBÜRO, 2004: Ergebnisse der 27. Sitzung des Ständigen Ausschusses, Hrsg:. Alpenkonventionsbüro der CIPRA ÖSTERREICH, Frühjahr 2004 BÄTZING, W., 2002: Ökologische und sozioökonomische Anforderungen an das Schwerpunktthema der Alpenkonvention »Bevölkerung und Kultur«. Umweltbundesamt (Hrsg.), UBA-Texte 61/02, Berlin BMU, 2002: Umweltziele im Alpenraum und Ansätze zu einem Monitoring durch Indikatoren; Abschlussbericht der Arbeitsgruppe »Bergspezifische Umweltqualitätsziele« der Alpenkonvention (2. Mandatsphase), Berlin BUNDESREGIERUNG, 2002: Gesetzentwurf der Bundesregierung. Entwurf eines Gesetzes zu den Protokollen zum Übereinkommen vom 7. November 1991 zum Schutz der Alpen (Alpenkonvention), unveröffentlicht CIPRA-INTERNATIONAL, 2004: Medienmitteilung »Bergaufwärts mit der Alpenkonvention« vom 21.4.2004 CIPRA-INTERNATIONAL, 2003: Protokoll »Wasser« – Ein Vorschlag der Internationalen Alpenschutzkommission CIPRA CIPRA-INTERNATIONAL, 2001: Forderung nach einem Protokoll »Bevölkerung und Kultur«. veröffentlicht unter: http://www.cipra.org/d/positionen/sonstige_stellungnahmen/2000_CIPRA_vorschlag_protokoll_bevoelkerung_kul- tur_d.pdf GRAB, J., EBERHARD, R., D’OLEIRE-OLTMANNS, W., BRENDEL, U., OELJEKLAUS, C., KÖPPEL, J., 2004: Regionale Umsetzung von Umweltqualitätszielen im Alpenraum durch Pilotprojekte in unterschiedlichen Regionstypen. Abschlussbericht F+E-Vorhaben des Umweltbundesamtes 201 13 203, Berlin, bisher unveröffentlicht GÜTHLER, A., KREUZINGER, S., KUBUTSCH, W. (2003): Erlebnis Alpen – Aktionstipps für LehrerInnen und Umwelt- pädagogInnen; Hrsg: CIPRA Deutschland, Kempten, http://www.cipra.org/d/alpenkonvention/offizielle_texte/Proto- kollvorschlag_d_Wasser.pdf LORCH, J. EGGENSBERGER, P, BAUSCH, T. ORTNER, S.,1995: Nachhaltige Entwicklung im Alpenraum. Umweltbundesamt (Hrsg.), UBA-Texte 15/95, Berlin MURBÖCK, J., 2004: mdl. Mitteilung (8.10.2004) ÖAV, 2001: Die Alpenkonvention, Fachbeiträge, Serie: Alpine Raumordnung, Nr. 17 REGIONALER PLANUNGSVERBAND REGION ALLGÄU (16), 2002: Regionalplan Region Allgäu (16). http://region.allgaeu.org/ STADT INNSBRUCK, ÖAV (Hrsg.) 2004: Alpenkonvention: Innsbruck-News Nr. 2/2004, Innsbruck StMLU, 2003: Landesentwicklungsprogramm Bayern UBA (Hrsg.) 2003: Die Zukunft der Alpen selbst bestimmen; Die Umsetzung der Alpenkonvention im Berchtesgadener Land; Berlin (DVD-Video).

142 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Vision

4 Zukunftsfähige Deutsche Alpen 2020 – eine Vision

Bislang wurden in dieser Studie Einzelaspekte, durchschnittliche Aufenthaltsdauer steigt: statt bestehende Zielsetzungen und integrative Instru- mehrerer Kurzurlaube ist ein erholsamer mehrwö- mente zum Alpenschutz analysiert und möglichst chiger Urlaub wieder gefragt. In den Städten im konkrete Handlungsempfehlungen zu den jeweili- Alpenvorland einschließlich der Großstädte Mün- gen Punkten gegeben. Solche Betrachtungen sind chen, Augsburg, Ulm und Stuttgart hat sich der notwendig und sinnvoll, um Umweltqualitätziele Autoverkehr drastisch verringert, das Wohnum- und -standards ableiten und den dringlichsten feld wurde aufgewertet. Die deutschen Alpen wer- Handlungsbedarf verdeutlichen zu können. Aller- den daher nicht mehr an jedem Wochenende von dings wirken solche Analysen wenig motivierend endlosen Verkehrsströmen fliehender Stadtbe- und geben keine Antwort auf die Frage, warum wohner heimgesucht. Tourismus wird zu einem die Gesellschaft den Wandel wollen sollte. Auf wichtigen Faktor für die nachhaltige regionale den Punkt bringt dies Fjodor Dostojewski: »Was Wertschöpfung. Da die meisten Urlauber mit ist denn das für ein Vergnügen, nach einer Tabelle öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, werden die zu wollen?« (Fjodor Dostojewski in BUND, MISEREOR, 1996). am Urlaubsort zur Verfügung gestellten vielfälti- gen Verkehrsmittel (Fahrräder, Elektroroller, -fahr- Um ein zukunftsfähiges Deutschland und damit räder, Kutschen) rege genutzt und ein gutes auch zukunftsfähige deutsche Alpen Realität wer- ÖPNV-Netz hervorragend ausgelastet. Gesund- den zu lassen, ist ein Wandel nötig, der nicht al- heits- und Wellness-Tourismus ohne übertriebe- lein vom Staat getragen werden kann, sondern nen Luxus und landschaftsorientierter Tourismus bei dem die Bürger als Marktteilnehmer, als Pro- werden zu den wichtigsten Tourismussegmenten. fessionelle, als Privatleute, als gesellschaftlich Umweltschädigende Subventionen (z.B. für Win- Tätige und als Verbündete gewonnen werden. tersportinfrastruktur) wurden hingegen einge- Um die Bürger zur Mitarbeit zu gewinnen, entwar- stellt. Zweitwohnungen gibt es in den deutschen fen die Autoren der Studie »Zukunftsfähiges Alpen so gut wie keine mehr, da einerseits die Deutschland« Leitbilder, die acht unterschiedliche Vorteile des gemeinsamen Nutzens erkannt wur- Gestaltungsfelder sozialer Erneuerung qualitativ den, zum anderen die Städte selbst so attraktiv skizzieren. Diese Vorlage wurde in dem hier vor- geworden sind, dass eine regelmäßige Wochen- liegenden Bericht aufgegriffen. Die unten formu- endflucht nicht mehr nötig ist. Auch der Winter- lierten Leitbilder versuchen, die positiven Konse- tourismus hat sich stark verändert: Da der Klima- quenzen einer nachhaltigen Entwicklung des wandel trotz sehr starker Senkung der Treibhaus- deutschen Alpenraums visionär erlebbar und gase nicht mehr aufzuhalten war (das Klima rea- greifbar zu machen. giert auf Treibhausgasemissionen mit einer Verzö- gerung von etwa drei Jahrzehnten), sind schnee- Szenario: Die Deutschen Alpen im Jahr 2020 reiche Winter in tiefen Lagen die Ausnahme. Alpi- ner Skitourismus beschränkt sich daher auf weni- Leitbild 1: Tourismus ge besonders hoch gelegene Gebiete, z.B. in den Die Urlaubsorte sind wie- Berchtesgadener Alpen, auf dem Zugspitzplatt der attraktiv, statt schnell und in Oberstdorf. Da die Wintersportorte recht- erreichbar. Die Zeiten, in zeitig attraktive Alternativangebote geplant denen Urlauber immer wei- haben und die Urlauber mehr Wert auf Authenti- ter fuhren, um letztlich an zität und Naturgenuss legen, bereitet diese Ent- immer weniger lohnenden wicklung aus touristischer Sicht keine Probleme. Zielen anzukommen, sind Die Urlauber können aus einer Vielzahl von Erleb- vorbei. Zwar verkleinert nisangeboten zu regionalen Besonderheiten jeder

Foto: Wessely Foto: sich das Einzugsgebiet der Urlaubsregion wählen. Wellnessangebote boo- Tourismusregionen, jedoch verbringen mehr men auch im Winter, meist in Verbindung mit Urlauber aus diesem verkleinerten Einzugsgebiet Naturerlebnissen, Winterwanderungen, Nordic im deutschen Alpenraum ihre Ferien, so dass die walking und vielem mehr. Touristen insgesamt nicht weniger werden. Die

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 143 Vision

Leitbild 2: te Futtermittel ein, wodurch sie einen Wettbe- Verkehr werbsvorteil gegenüber Agro-Gentechnik-Anwen- Die Verkehrspla- dern haben. Gerechter Milchpreis, höhere Erlöse nung richtet sich für Bioprodukte und Entlohnung der gesellschaft- nach den geän- lichen Leistungen der Berglandwirtschaft zusam- derten Mobili- men, machen die Berglandwirtschaft, allen voran

Foto: Wessely Foto: tätsbedürfnissen. extensive Grünlandwirtschaft, lohnend. Urlaub Dementsprechend werden in den deutschen auf dem Bauernhof, als Urlaubsform, die dem ver- Alpen keine Straßen neu gebaut bzw. ausgebaut. breiteten Denken einer »Eleganz der Einfachheit« Ein durch Sammeltaxisysteme ergänztes flächen- am Besten entspricht, bildet ein weiteres wichti- deckendes Bahn- und Busnetz bildet eine attrak- ges Standbein vieler Betriebe. Das »Höfesterben« tive Alternative zum Auto. Da fast alle Fahrten mit ist ein Phänomen der Vergangenheit. Bei der Aus- diesen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden, ist weisung und Bewirtschaftung von Naturschutz- das Netz so gut ausgebaut, dass die regionale und NATURA 2000-Gebieten arbeiten Naturschüt- Mobilität auch ohne Auto gewährleistet ist. Auto zer, Landwirte und Touristiker eng zusammen. fahren ist teuer geworden, da der Verkehr für sei- Land- und Forstwirte werden für ihre Leistungen ne volkswirtschaftlichen Kosten aufkommen zum Erhalt von Natur und Landschaft angemessen muss. Viele Bewohner der deutschen Alpen sind entlohnt. Naturschutzgebiete und NATURA 2000- an Car-Sharing beteiligt, anstelle ein eigenes Auto Gebiete gelten als Garanten einer attraktiven le- zu unterhalten. Daher kommt es auch auf den benswerten Landschaft, deren naturschonende Straßen trotz des Verzichts auf den Ausbau zu Bewirtschaftung bzw. Pflege entsprechend hono- keinen Engpässen mehr. Auch die Täler an den riert wird. Da dies den betroffenen Landwirten ein Zulaufstrecken für den Gütertransitverkehr über gutes Zusatzeinkommen sichert, haben die Land- die Alpen werden wieder lebenswert, da Güter wirte einen zusätzlichen Anreiz, die von ihnen be- vorrangig mit der Bahn transportiert werden und wirtschafteten Flächen unter Naturschutz stellen Güter nur noch dann transportiert werden, wenn zu lassen. dies auch volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Zudem wurden aktive Lärmschutzmaßnahmen eingerich- Der Bergwald wird wegen seiner wichtigen Funk- tet, so dass auch die Belastung durch den Schie- tionen für Wasser-, Boden- und Lawinenschutz nen-Güterverkehr abgenommen hat. und seiner hohen Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz naturverträglich genutzt und ge- Leitbild 3: schützt. Da die Holzproduktion nicht im Vorder- Berglandwirt- grund steht, entwickeln sich mit der Zeit naturnä- schaft und Berg- here Bergwälder, die einen guten Schutz gegen waldbewirt- Lawinen, Hochwasser und Muren bieten. Holz ist schaftung als umweltfreundlicher Brenn -und Baustoff Subventionen längst wiederentdeckt.

Foto: Wessely Foto: für die landwirt- schaftliche Produktion werden schrittweise durch Leitbild 4: gezielte Finanzierung der gesellschaftlichen Leis- Natur- und Artenschutz tungen der Berglandwirtschaft ersetzt. Bergbau- Natur ist allgemein als ern erhalten eine gerechte Entlohnung für Land- zentrales Kapital der schaftspflegemaßnahmen und Naturschutzbeiträ- deutschen Alpen aner- ge. Da die Entlohnung dieser Leistungen an die kannt und die Artenviel- Erreichung der Zielsetzungen geknüpft ist, gibt es falt weitgehend erhalten keine kontraproduktive Subventionierung mehr. worden. Naturunverträg- Auch der Bau neuer Almerschließungsstraßen liche Maßnahmen und

wird nicht mehr gefördert, sondern nur noch al- Bibelriether Foto: Projekte werden nicht ternative Transportmöglichkeiten, wie Material- mehr realisiert. Durch die Extensivierung der seilbahnen oder Tragtiere. Da sich großräumige Land- und Forstwirtschaft und die naturverträgli- Transporte nicht mehr lohnen, bleibt der Milch- che Ausgestaltung von Freizeit und Erholung hat preis trotz Abbau der Milchquote stabil und steigt sich die Natur deutlich erholt. Die Flüsse sind so auf ein Niveau, das der Arbeit der Bergbauern an- weit wie möglich renaturiert worden und wieder gemessen ist. Der ökologische Landbau ist stark zu Lebensadern geworden. Dadurch können sie gestiegen und es werden immer mehr biologisch nicht nur die Entstehung von Hochwässern abmil- erzeugte Produkte nachgefragt. Auch die konven- dern, sondern bieten auch wieder Lebensraum für tionellen Landwirte setzen weder gentechnisch viele ehemals bedrohte Tier- und Pflanzenarten. verändertes Saatgut noch gentechnisch veränder-

144 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Vision

Tiere mit großen Raumansprüchen wie der Luchs Leitbild 7: Bevölkerung finden in den deutschen Alpen wieder einen ge- Die Nahversorgung mit Ein- eigneten Lebensraum. Die Bevölkerung begrüßt kaufsmöglichkeiten, Bil- die Rückkehr der Luchse und anderer einst durch dungs-, Kultur- und Freizeit- Verfolgung in Bedrängnis geratener Tiere. einrichtungen hat sich maßgeblich verbessert, Leitbild 5: seitdem wahre Preise für Wirtschaft Verkehr und Energie bei-

Regionale Wirt- Wessely Foto: spielsweise dafür sorgen, schaftskreisläufe dass ein Einkaufspendeln zum nächsten Discoun- werden gestärkt, ter nicht mehr lohnt. Immaterielle Werte, wie da sinnlose Fern- Gesundheit, Freizeit und Ästhetik werden wichti-

Foto: Wessely Foto: transporte unter- ger, während Besitz an Bedeutung verliert. Güter bleiben. Die kleinstrukturierte Wirtschaft im Al- werden bevorzugt geliehen, wenn sie gebraucht penraum mit ihren ungünstigen Ausgangsbedin- werden. Die Nachbarschaftshilfe wird gestärkt. gungen für einen globalen Wettbewerb profitiert Frei werdende Wohnhäuser werden neu bezogen. hiervon. Ebenso lassen sich in der kleinstruktu- Weitere Wohnbauflächen sind überflüssig, da rierten Wirtschaft besonders effektiv regionale wegen des allgemeinen Bevölkerungsrückgangs Stoff-Kreisläufe etablieren. Weitere Gewerbege- in Deutschland dafür kein Bedarf mehr besteht. biete auf freier Flur haben sich dadurch erübrigt. Die Bereitstellung von Energie wird nicht länger Leitbild 8: Globale subventioniert, auch die externen Kosten müssen Nachbarschaft bezahlt werden. Da gleichzeitig die Lohnneben- Die deutschen kosten sinken, lohnt sich die Reparatur langlebi- Alpen geben ihre ger Produkte mehr als früher. Telearbeit vermin- Erfahrungen des dert die Pendlerströme aus den ländlichen Regio- nachhaltigen Le- nen der Deutschen Alpen in die Städte des Voral- bensstils weiter. Deutschland wirkt in der Alpen- penlandes und lässt den Bewohnern mehr Frei- konvention als Vorreiter für eine alpenweite nach- zeit. Da der deutsche Alpenraum Vorreiter einer haltige Entwicklung. Das Bewusstsein für die Vor- nachhaltigen Entwicklung ist, werden viele inno- teile der Zusammenarbeit der Alpenländer ver- vative Ideen und Konzepte zunehmend auch in stärkt sich. Kirchturmdenken und gegenseitige andere Regionen exportiert, was entsprechende Konkurrenz haben sich in ein gemeinsames Be- Lizenzgebühren und Beratungshonorare ein- wusstsein um den Wert der Alpen gewandelt. bringt. Eine Vielzahl neuer regionaler Arbeitsplät- Gleichzeitig werden außeralpine Bergregionen in ze entsteht im naturverträglichen Tourismus, in ihrer eigenständigen nachhaltigen Entwicklung Naturschutz und Landschaftspflege und durch die unterstützt. dezentrale Energieversorgung aus naturverträg- lichen regenerativen Quellen. Diese Visionen mögen dazu beitragen, dass die Menschen im Bayerischen Alpenraum ihre Zu- Leitbild 6: kunft selbst in die Hand nehmen und Strategien Luftschadstoffe für eine lebenswerte Zukunft entwickeln und Da die Stickoxid- umsetzen. Gemäß Antoine de Saint Exupéry: emissionen aus dem Verkehr »Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle überregional nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen,

Foto: Wessely Foto: rapide abgenom- Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, men haben, gibt es Waldschäden nur noch auf sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach den Standorten, deren Böden durch die langfris- dem weiten endlosen Meer.« tig nachwirkenden Immissionen der letzten Jahr- zehnte belastet sind. Man kann sich im Sommer wieder bedenkenlos im Freien aufhalten, weil die Konzentration an bodennahem Ozon wieder un- bedenklich ist.

Quellennachweis BUND, MISEREOR (Hrsg.) 1996: Zukunftsfähiges Deutschland: Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung. Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie GmbH, 4. Auflage; Berlin

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 145

Anhang

des Jahrs der Berge nicht belegbar beantwortet werden. Die Antwort setzt sich vielmehr aus den Eindrücken und Äußerungen Beteiligter zusam- men. Nach Einschätzung vieler Personen hat das Jahr der Berge zu einer stärkeren Auseinanderset- zung von politischen Entscheidungsträgern und Verbandsvertretern mit der speziellen Situation in Gebirgen wesentlich beigetragen.

Anhang 1: Unterzeichnung der Alpenkonvention Resümée aus dem Internationalen Jahr der Ein politischer Meilenstein des Jahrs war die Berge 2002 Unterzeichnung der Alpenkonvention durch Deutschland, Österreich und das Fürstentum Das Jahr 2002 wurde von der UNO auf Initiative Liechtenstein, mit der die Alpenkonvention in Kirgistans zum »Internationalen Jahr der Berge« allen diesen drei Ländern rechtskräftig wurde. erklärt. Berge müssen nachhaltig entwickelt und geschützt werden, so die Botschaft. Sie beherber- Breite Bewusstseinsbildung gen eine hohe Vielfalt an Tier- und Pflanzenarten, Das Internationale Jahr der Berge wurde sehr gut sind unverzichtbar als Wasser- und Energiespei- von den Medien aufgegriffen und stieß auf reges cher und dienen immer mehr gestressten Städ- öffentliches Interesse. Es wurde weit häufiger tern als Erholungsraum. Was auf den höchsten über entsprechende Themen berichtet als dies bei Gipfeln geschieht, hat Auswirkungen auf das Le- anderen internationalen Themenjahren erreicht ben im entfernten Flachland. Doch durch die Glo- werden konnte. Durch Ausstellungen, Exkursio- balisierung werden abgelegene Bergregionen nen, Vorträge, umweltpädagogische Aktivitäten wegen ihrer schwierigen Erreichbarkeit und be- und Materialien für Jugendliche und Schulen, Kul- grenzten Nutzbarkeit benachteiligt. Weltweit fan- turveranstaltungen und Seminare konnte zudem den 2002 Tausende von Veranstaltungen statt eine spezifisch interessierte Zielgruppe mit wei- und eine Reihe von Projekten wurde gestartet. tergehenden Informationen und teilweise Hand- lungsanregungen erreicht werden. Es kann dem- In Deutschland wurden die Aktivitäten zum Inter- nach davon ausgegangen werden, dass das Anlie- Der Bund Naturschutz gab nationalen Jahr der Berge federführend vom Bun- gen einer nachhaltigen Entwicklung der Bergre- zum Internationalen Jahr der desverbraucherschutzministerium koordiniert. gionen gut kommuniziert werden konnte. Berge 2002 das Programm Bergwelten mit 83 geführten Eine weiteren wichtigen Part nahm das Bundes- Bergwanderungen, zahlreichen umweltschutzministerium und das nachgeordne- Weiterentwicklung der politischen Vorträgen, 7 Seminaren und te Umweltbundesamt bei der Betreuung von Ver- Meinungsbildung 15 Studienreisen heraus. anstaltungen und Aktivitäten ein. Eine Durchsicht Auf zahlreichen Fachtagungen wurde eine nach- der 110 im Resümée zum Jahr der Berge (FAA, 2002) haltige Entwicklung von Bergregionen aus ver- zusammengestellten Aktivitäten zeigt, dass über- schiedenen Perspektiven erörtert. wiegend Veranstaltungen in Form von Tagungen, Ausstellungen, Vorträgen und Exkursionen durch- geführt wurden. Ergänzend wurden, z.T. aus Ei- genmitteln von Verbänden, z.T. durch Fördermittel des Umweltbundesamts aus dem Zuschlagerlös der Sonderbriefmarke zum Internationalen Jahr der Berge von insgesamt über 500.000 Euro welt- weit 13 Projekte gestartet. 7 Projekte bezogen sich auf die Gebirge in Deutschland. Eines dieser 7 Projekte ist die vorliegende Studie (BMU, 2003).

Der Schwerpunkt der Aktivitäten in Deutschland lag insbesondere bei verschiedenen Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und Weiterentwicklung der politischen Meinungsbildung. Konkrete Um- setzungsprojekte speziell zum Jahr der Berge tra-

ten dem gegenüber stark zurück. Da der Erfolg BN Archiv Foto: von Projekten und Initiativen, die vorrangig auf Der Landesvorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern, Prof. Dr. Hubert bestimmte Einstellungen zielen, kaum zu be- Weiger, leitete die Deutsche Auftakt-Fachtagung »Schützen durch Nutzen ?« werten ist, kann auch die Frage nach dem Erfolg zum Internationalen Jahr der Berge am 16./17.2002 in Feldafing.

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 147 Anhang

Im Auftrag des koordinierenden Bundesverbrau- Wenngleich sich diese Studie auf den deutschen cherschutzministerium stellte die Forschungsge- Alpenraum konzentriert, soll kurz auf einen von sellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie die hier ausgehenden internationalen Erfolg einge- wichtigsten Ergebnisse der Einzelveranstaltungen gangen werden. Ende Juni 2002 fand in Berchtes- für die Abschlussveranstaltung zum Jahr der Ber- gaden die von CIPRA Deutschland koordinierte ge in Quedlinburg unter dem Titel Gipfeltreffen Fachtagung »Der Alpenprozess – ein Beispiel für Zukunft 2002 zusammen (FAA, 2002). Die Bedeutung andere Bergregionen?« statt, an der Personen aus des erstellten Resümées liegt weniger in der Iden- über 30 Staaten teilnahmen. Das Bundesumwelt- tifizierung neuer Punkte, sondern vorwiegend ministerium als einer der Mitveranstalter geht darin, dass über den aufgelisteten Handlungsbe- davon aus, dass die Konferenz wesentlich zur För- darf weitgehender Konsens unter allen beteilig- derung regionaler Kooperationsprozesse nach ten gesellschaftlichen Gruppen besteht. Ein wich- dem Beispiel der Alpenkonvention in anderen tiger Punkt aus dem Resümée ist die Forderung Bergregionen (Karpaten, Kaukasus, Zentralasien) nach »Bergverträglichkeitsprüfungen« auf Grund- beigetragen hat. lage von bergspezifischen Indikatoren und Quali- tätszielen. Weiterhin wird gefordert, die Ziele und Initialwirkung für weitere Aktivitäten zum Schutz Inhalte der Alpenkonvention und ihrer Protokolle von Gebirgen in nachgeordneten Plänen und Protokollen (z.B. Das Internationale Jahr der Berge hat einen deut- Bundesverkehrswegeplan) zu berücksichtigen lichen Impuls gegeben, sich auch in den Folgejah- und mit Modellprojekten und spezifischen Förder- ren stärker mit der besonderen Situation in Berg- programmen umzusetzen. Allerdings bleiben die gebieten zu beschäftigen. So findet z.B. seit 2002 zusammengestellten Thesen unverbindlich und jedes Jahr am 11.12. ein Internationaler Tag der wurden nicht weiter verfolgt. Berge statt. Auch ist der auf der 7. Vertragsstaa- tenkonferenz zum Biodiversitätsprotokoll im Der Deutsche Naturschutzring hat in einem Pro- Februar 2004 in Kuala Lumpur gefasste Beschluss jekt »Nachhaltig aktiv für die Berge« zentrale For- und das dort verabschiedete Arbeitsprogramm derungen eines breiten Spektrums von Nichtre- zur biologischen Vielfalt in Bergregionen mit auf gierungsorganisationen zur nachhaltigen Ent- das gestiegene Bewusstsein durch das Internatio- wicklung der deutschen Mittelgebirge und der nale Jahr der Berge zurückzuführen. Bayerischen Alpen zusammengetragen. Die Punk- te gehen über die Thesen der FAA deutlich hinaus und beschreiben alle essentiellen Bereiche mit sehr konkreten Handlungsempfehlungen. Durch dieses Projekt konnte auch die Vernetzung der Organisationen gefördert werden.

Auch die vorliegende Studie wurde im Internatio- Eine Fülle von Anregungen und nalen Jahr der Berge initiiert. Wir hoffen, damit ei- beispielhaften Initiativen zum nen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Entwick- Schutz der Berggebiete enthält lung der deutschen Alpen leisten zu können. der Projektbericht »Nachhaltig aktiv für die Berge« des Deut- schen Naturschutzrings.

Quellennachweis

BMU, 2003: Sonderbriefmarkenserie »Für den Umweltschutz«, unveröff. Broschüre, 58 S. FAA, 2002: Gipfeltreffen Zukunft 2002: Internationales Jahr der Berge 2002. Resümée. Für eine zukunftsfähige Entwicklung der Mittelgebirge und der Alpen in Deutschland, http://www.berge2002.de/dokumente/resuemee.pdf

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Anhang 2: Abkürzungsverzeichnis

ABDS Autobahndirektion Südbayern ABIS Alpenbeobachtungs- und Informationssystem ABSP Arten- und Biotopschutzprogramm Bayern ARE Bundesamt für Raumentwicklung Schweiz ARGEALP Arbeitsgemeinschaft Alpenländer AVA Alpwirtschaftlicher Verein Allgäu AVO Almwirtschaftlicher Verein Oberbayern BayNatSchG Bayerisches Naturschutzgesetz BBV Bayerischer Bauernverband BfN Bundesamt für Naturschutz BMU Bundesumweltministerium BMVBW Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen BN Bund Naturschutz in Bayern BOB Bayerische Oberlandbahn CIPRA Internationale Alpenschutzkommission DAV Deutscher Alpenverein DBV Deutscher Bauernverband DHV Deutscher Hängegleiterverband DLE Direktion für ländliche Entwicklung DNR Deutscher Naturschutzring DTV Deutscher Tourismusverband DWD Deutscher Wetterdienst EEG Erneuerbare-Energien-Gesetz ERP Förderprogramm der KfW-Bankengruppe (ERP = European Recovery Programm) FAA Forschungsgesellschaft für Agrarpolitik und Agrarsoziologie FFH Fauna-Flora-Habitat-(Richtlinie) der EU GTZ Gesellschaft für technische Zusammenarbeit IUCN The World Conservation Union (vormals International Union of Conservation of Nature and Natural Resources) INTERREG EU-Förderprogramm KfW KfW-Bankengruppe (hervorgegangen aus der früheren Kreditanstalt für Wiederaufbau) LBV Landesbund für Vogelschutz LEP Landesentwicklungsprogramm Bayern LfL Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft LfStaD Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung LfU Bayerisches Landesamt für Umweltschutz LFV Landesfischereiverband Bayern LfW Bayerisches Landesamt für Wasserwirtschaft LN Landwirtschaftliche Nutzfläche LRA Landratsamt LSG Landschaftsschutzgebiet LSVA Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe LWF Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft NGO Nichtregierungsorganisation (non-government-organisation) NSG Naturschutzgebiet ÖAV Österreichischer Alpenverein ÖIR Österreichisches Institut für Raumordnung ÖPNV öffentlicher Personennahverkehr ÖSTAT Österreichisches Statisches Bundesamt RL Gefährdungsstatus nach Roter Liste SBA Straßenbauamt SPA special protected area (Vogelschutzgebiet) StMELF Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten StMLF Bayerisches Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten StMLU Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen StMUGV Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz StMWVT Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie SZ Süddeutsche Zeitung TA Technische Anleitung (Lärm/ Luft) UBA Umweltbundesamt UNEP United Nations Environment Programme UVP Umweltverträglichkeitsprüfung VCÖ Verkehrsclub Österreich WHG Wasserhaushaltsgesetz

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 149 Anhang

Anhang 3: Gemeinden und kreisfreie Städte in den Alpenlandkreisen

1. Gemeinden

Landkreis Gemeinde Alpen- Landkreis Gemeinde Alpen- gemeinde gemeinde

Bad-Tölz-Wolfratshausen Bad Heilbrunn x Miesbach Bad Wiessee x Bad Tölz x Bayrischzell x Benediktbeuern x Fischbachau x Bichl x Gmund am Tegernsee x Gaißach x Hausham x Greiling x Holzkirchen – Jachenau x Irschenberg x Kochel am See x Kreuth x Lenggries x Miesbach x Münsing – Otterfing – Reichersbeuern x Rottach-Egern x Sachsenkam – Schliersee x Schlehdorf x Tegernsee x Wackersberg x Valley – Wolfratshausen – Waakirchen x Warngau x Berchtesgadener Land Ainring – Weyarn – Anger x Bad Reichenhall x Oberallgäu Altusried – Bayerisch Gmain x Balderschwang x Berchtesgaden x Betzigau – Bischofswiesen x Blaichach x Freilassing – Bolsterlang x Laufen – Buchenberg – Marktschellenberg x Burgberg im Allgäu x Piding x Dietmannsried – Ramsau bei Berchtesgaden x Durach – Saaldorf-Surheim – Fischen im Allgäu x Schneizlreuth x Haldenwang – Schönau am Königssee x Hindelang x Teisendorf x Immenstadt im Allgäu x Lauben – Garmisch-Partenkirchen Bad Bayersoien – Missen-Wilhams – Bad Kohlgrub x Obermaiselstein x Eschenlohe x Oberstaufen x Ettal x Oberstdorf x Farchant x Ofterschwang x Garmisch-Partenkirchen x Oy-Mittelberg – Grainau x Rettenberg x Großweil x Sonthofen x Krün x Sulzberg – Mittenwald x Waltenhofen – Murnau am Staffelsee x Weitnau – Oberammergau x Wertach x Oberau x Wiggensbach – Ohlstadt x Wildpoldsried – Riegsee – Saulgrub x Ostallgäu – Schwaigen x – Seehausen a. Staffelsee – – Spatzenhausen – – Uffing a. Staffelsee – – Unterammergau x – Wallgau x Eisenberg – – Lindau Gestratz – Füssen x Grünenbach – – Heimenkirch – Görisried – Hergatz – Günzach – Hergensweiler – x Lindau (Bodensee) – – Lindenberg i. Allgäu – – Maierhöfen – – Nonnenhorn – Kaltental – Oberreute x – Opfenbach – – Röthenbach (Allgäu) – – Scheidegg x – Sigmarszell – – Stiefenhofen – – Wasserburg (Bodensee) – Nesselwang x Weiler-Simmerberg x Obergünzburg – Weißensberg –

150 Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 Anhang

Landkreis Gemeinde Alpen- Landkreis Gemeinde Alpen- gemeinde gemeinde

Pforzen – Palling – Pfronten x Petting – Rettenbach a. Auerberg – Pittenhart – Rieden – Reit im Winkl x – Ruhpolding x – Schleching x Roßhaupten – Schnaitsee – – Seeon-Seebruck – Rückholz – Siegsdorf x x Staudach-Egerndach x Seeg – Surberg – Stötten a. Auerberg – Tacherting – Stöttwang – Taching a.See – – Tittmoning – – Traunreut – Waal – Traunstein – Wald – Trostberg – – Übersee – Unterwössen x Rosenheim Albaching – Vachendorf x Amerang – Waging a.See – Aschau im Chiemgau x Wonneberg – Babensham – Bad Aibling – Weilheim-Schongau Altenstadt – Bad Endorf – Antdorf – Bad Feilnbach x Bernbeuren – Bernau am Chiemsee x Bernried – Brannenburg x Böbing – Breitbrunn a. Chiemsee – Burggen – Bruckmühl – Eberfing – Chiemsee – Eglfing – Edling – Habach – Eggstätt – Hohenfurch – Eiselfing – Hohenpeißenberg – Feldkirchen-Westerham – Huglfing – Flintsbach am Inn x Iffeldorf – Frasdorf x Ingenried – Griesstätt – Oberhausen – Großkarolinenfeld – Obersöchering – Gstadt a. Chiemsee – Pähl – Halfing – Peißenberg – Höslwang – Peiting – Kiefersfelden x Penzberg – Kolbermoor – Polling – Neubeuern x Prem – Nußdorf am Inn x Raisting – Oberaudorf x Rottenbuch – Pfaffing – Schongau – Prien a. Chiemsee – Schwabbruck – Prutting – Schwabsoien – Ramerberg – Seeshaupt – Raubling x Sindelsdorf – Riedering – Steingaden x Rimsting – Weilheim i.OB – Rohrdorf x Wessobrunn – Rott a. Inn – Wielenbach – Samerberg x Wildsteig x Schechen – Schonstett – Söchtenau – Soyen – Stephanskirchen – Tuntenhausen – 2. Kreisfreie Städte Vogtareuth – Wasserburg a. Inn –

Alpen- Traunstein Altenmarkt a.d. Alz – gemeinde Bergen x Chieming – Rosenheim – Engelsberg – Kaufbeuren – Fridolfing – Grabenstätt – Kempten – Grassau x Inzell x Kienberg – Kirchanschöring – Marquartstein x Nußdorf – Obing –

Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität/Bund Naturschutz in Bayern, 2004 151

Bund Naturschutz Forschung ist eine wissenschaftliche Publikationsreihe des Bund Naturschutz in Bayern e.V. (BN), die über modellhafte Projekte der BN-Kreis- und Ortsgruppen, der Umweltstationen des BN und des Landesverbandes infor- miert. Naturschutzfachliche Konzepte, Originalarbeiten, Kartie- rungsergebnisse, Gutachten, Forschungsvorhaben und Fach- tagungen zu den Modellprojekten des BN werden in dieser Reihe dokumentiert und einem breiten Fachpublikum innerhalb des Verbandes, Fachleuten aus Naturschutzbehörden, Planungs- büros, Parteien, Medien, Universitäten und Forschungseinrich- tungen sowie allen am Naturschutz Interessierten zur Verfügung gestellt.

Bisher sind erschienen: Nr.1: Lebensraum oder Flächenreserve? Wieviel Brache braucht die Stadt? (77 S., 24 Farbfotos auf Tafeln, div. Abbildungen und Tabellen) Nr. 2: Schichten einer Landschaft. Die Hersbrucker Alb. Entstehung einer Kulturlandschaft (64 S., div. Abbildungen und Tabellen) Nr. 3: Netz des Lebens Vorschläge des Bundes Naturschutz zum europäischen Biotopverbund (FFH-Gebietsliste) in Bayern (194 S., 11 Schwarzweißfotos und div. Tabellen, Karte und CD-Rom) Nr. 4: Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen im Landkreis Bad Kissingen (433 S., 6 Seiten Farbfotos und div. Schwarzweiß-Karten) Nr. 5: Die Bienen und Wespen Frankens (324 S., div. Abbildungen und Farbfotos) Nr. 6: Mit Hochgeschwindigkeit in die Bahnpleite Dokumentation zum Bau der ICE-Strecke Nürnberg-Ingolstadt-München (257 S., div. Abbildungen und Fotos) Nr. 7: Schwarzbuch Gewerbegebiete Bayern (93 S., zahlreiche Abbildungen und Farbfotos)

Die Hefte sind erhältlich bei: Bund Naturschutz Service GmbH Eckertstraße 2 (Bahnhof Lauf), 91207 Lauf a.d. Pegnitz Telefon: 09123/9 99 57-20, Fax: 09123/9 99 57-99 Email: [email protected] www.service.bund-naturschutz.de