Inhaltsverzeichnis Plenarprotokoll 18/15

Deutscher

Stenografischer Bericht

15. Sitzung

Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Inhalt:

Zusatztagesordnungspunkt 7: (CDU/CSU) ...... 1114 B Erste Beratung des von den Fraktionen der (DIE LINKE) ...... 1115 D CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Abge- Dr. Eva Högl (SPD) ...... 1116 C ordnetengesetzes und eines … Gesetzes zur Katja Keul (BÜNDNIS 90/

Änderung des Europaabgeordnetengesetzes DIE GRÜNEN) ...... 1117 D Drucksache 18/477 ...... 1107 B Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) . 1118 D in Verbindung mit Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 1120 A

Zusatztagesordnungspunkt 8: Erste Beratung des von den Fraktionen der Tagesordnungspunkt 14: CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- eines … Strafrechtsänderungsgesetzes – NEN: Die Demokratie verteidigen im digi- Erweiterung des Straftatbestandes der Ab- talen Zeitalter geordnetenbestechung Drucksache 18/182 ...... 1120 D Drucksache 18/476 ...... 1107 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 1121 A in Verbindung mit (CDU/CSU) ...... 1122 D

Zusatztagesordnungspunkt 9: Halina Wawzyniak (DIE LINKE) ...... 1124 C Erste Beratung des von der Fraktion BÜND- Matthias Schmidt () (SPD) ...... 1126 B NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Ent- Dr. (BÜNDNIS 90/ wurfs eines Gesetzes zum Übereinkommen DIE GRÜNEN) ...... 1128 A der Vereinten Nationen gegen Korruption Drucksache 18/478 ...... 1107 B (CDU/CSU) ...... 1129 A Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) ...... 1107 D Dr. (CDU/CSU) ...... 1130 A Dr. (DIE LINKE) ...... 1109 B (DIE LINKE) ...... 1131 B (SPD) ...... 1110 B Michelle Müntefering (SPD) ...... 1132 A Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (CDU/CSU) ...... 1133 C (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ...... 1112 B Gerold Reichenbach (SPD) ...... 1135 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 1113 C Halina Wawzyniak (DIE LINKE) ...... 1136 B II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ Tagesordnungspunkt 16: DIE GRÜNEN) ...... 1137 B Antrag der Abgeordneten , Gerold Reichenbach (SPD) ...... 1137 C Diana Golze, Dr. , weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: (CDU/CSU) ...... 1137 D BAföG-Reform zügig umsetzen Drucksache 18/479 ...... 1148 D Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) ...... 1139 A Nicole Gohlke (DIE LINKE) ...... 1148 D (CDU/CSU) ...... 1139 D Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) ...... 1150 B (BÜNDNIS 90/ Tagesordnungspunkt 15: DIE GRÜNEN) ...... 1152 A (SPD) ...... 1153 A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Nicole Gohlke (DIE LINKE) ...... 1154 A Erleichterung der Bewältigung von Kon- (CDU/CSU) ...... 1154 D zerninsolvenzen Drucksache 18/407 ...... 1141 B (SPD) ...... 1156 A (CDU/CSU) ...... 1156 D Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV ...... 1141 C Nächste Sitzung ...... 1158 C Richard Pitterle (DIE LINKE) ...... 1142 C

Dr. (CDU/CSU) ...... 1143 C Anlage 1 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 1159 A DIE GRÜNEN) ...... 1145 C

Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD) ...... 1146 C Anlage 2 Alexander Hoffmann (CDU/CSU) ...... 1147 C Amtliche Mitteilungen ...... 1160 A Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1107

(A) (C)

15. Sitzung

Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. : Drucksache 18/478 Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zur 15. Plenarsitzung des Bundestages. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache 60 Minuten vorgesehen. – Auch hierzu Ich möchte Sie gerne darauf aufmerksam machen, höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir so ver- dass interfraktionell vereinbart wurde, den Vorschlag des fahren. Rates über die Unterzeichnung – im Namen der Europäi- schen Union – eines Handelsabkommens zur Bekämp- Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem fung von Produkt- und Markenpiraterie auf Drucksache Kollegen Michael Grosse-Brömer für die CDU/CSU- 18/419 Nr. C.16 sowie einen Vorschlag für einen Be- Fraktion das Wort. schluss des Rates über den Abschluss des Handelsabkom- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (B) mens auf Drucksache 18/419 Nr. C.17 dem Ausschuss (D) Digitale Agenda zur Mitberatung zu überweisen. – So Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): richtig Unruhe kann ich nicht erkennen. Ich interpretiere Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und das als Zustimmung. Dann ist das so beschlossen. Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht verlangt von Ich rufe nun die Zusatzpunkte 7 bis 9 unserer Tages- uns allen hier im Deutschen Bundestag, dass wir unsere ordnung auf: Entschädigung, unsere Vergütung selbst festlegen. Das findet nicht jeder hier gut, aber diese Verpflichtung be- ZP 7 Erste Beratung des von den Fraktionen der steht, und deswegen müssen wir uns dieser Verpflich- CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs ei- tung auch stellen. nes … Gesetzes zur Änderung des Abgeord- netengesetzes und eines … Gesetzes zur Ände- In der öffentlichen Debatte geht die Tatsache, dass rung des Europaabgeordnetengesetzes wir immer selbst festlegen, was ein Bundestagsabgeord- neter und damit wir selbst verdienen, häufig mit dem Drucksache 18/477 Vorwurf einer Selbstbedienungsmentalität einher, was Überweisungsvorschlag: natürlich für das Ansehen des Parlamentes und auch für Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und die Stellung des Abgeordneten insgesamt nicht immer Geschäftsordnung (f) förderlich ist. Deswegen ist es richtig, dass man sich ein- Haushaltsauschuss mitberatend und gemäß § 96 der GO mal grundsätzlich Gedanken macht: Was ist eigentlich ZP 8 Erste Beratung des von den Fraktionen der eine angemessene Vergütung für die Abgeordnetenleis- CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs ei- tung, für den Umfang der Tätigkeit eines Abgeordneten? nes … Strafrechtsänderungsgesetzes – Erwei- Da gibt es seit 1995 eine klare Vorgabe, die bereits terung des Straftatbestandes der Abgeordne- seit dieser Zeit im Abgeordnetengesetz normiert ist, tenbestechung nämlich die Festlegung: Für unsere Arbeit hier im Deut- Drucksache 18/476 schen Bundestag ist der Vergleichsmaßstab sinnvoller- weise eine Tätigkeit auf Bundesebene, und zwar die Tä- Überweisungsvorschlag: tigkeit einer Person, die nicht weisungsabhängig ist, Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sondern die wie wir eine spezielle Rechtsstellung in An- ZP 9 Erste Beratung des von der Fraktion BÜND- spruch nehmen kann. Deswegen orientiert sich die NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs Frage: „Was ist eine angemessene Vergütung für Abge- eines Gesetzes zum Übereinkommen der Ver- ordnete?“, sinnvollerweise, wie ich finde, an dem Ver- einten Nationen gegen Korruption dienst eines Bundesrichters, der auf Bundesebene eine 1108 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Michael Grosse-Brömer (A) hohe Verantwortung hat, aber eben auch weisungsfrei einer Legislatur eine entsprechende Entscheidung treffen (C) entscheidet. müssen. Die Entschädigung orientiert sich dann an der Lohnentwicklung, wie sie in ganz Deutschland stattfin- Wir haben diese schon seit 1995 im Gesetz festge- det. Wir sind somit nichts Besonderes, sondern Teil der legte Vergütung nie erreicht, unter anderem auch des- Gemeinschaft. Wir nehmen an der Lohnentwicklung ge- halb, weil wir uns selbst in den letzten zehn Jahren sechs nauso teil wie die abhängig Beschäftigten in Deutsch- Nullrunden verordnet haben, sicherlich in den Einzelfäl- land. len immer berechtigterweise, weil die Gesamtsituation aus unserer Sicht nicht geeignet war, um die Diäten zu Das Ergebnis der Kommission beinhaltet auch die erhöhen. Aussage, dass die Altersversorgung des Abgeordneten zur Sicherung seiner Unabhängigkeit, im Übrigen auch Wir haben uns schon vor zwei Jahren darauf verstän- die seines Familienumfeldes, eine geeignete Maßnahme digt, eine unabhängige Sachverständigenkommission ist und dass das damit verbundene Verfahren gut ist. Es einzurichten, die sich grundsätzlich über die Rechtsstel- gab zwar unterschiedliche Auffassungen, gleichwohl lung des Abgeordneten Gedanken macht. Der Ab- waren die meisten der Meinung: Eine Umstellung des schlussbericht dieser Kommission, die sich aus ehemali- Systems würde nicht weniger Kosten verursachen. gen Ministern, aus Wirtschaftsvertretern, Vertretern der Gewerkschaften, Professoren und Professorinnen zu- Häufig wird argumentiert, dass wir üppig versorgt sammengesetzt hat, liegt seit März letzten Jahres vor. seien. Natürlich verdienen wir deutlich mehr als der Wir hatten ihn bereits in der letzten Legislaturperiode Durchschnitt der Bevölkerung. Aber lassen Sie mich da- anberaten und uns darauf verständigt, zu Beginn dieser ran erinnern: Wir verdienen deutlich weniger als Mana- Legislaturperiode die notwendigen Schlussfolgerungen ger oder andere Angestellte in der freien Wirtschaft, die daraus zu ziehen. Genau die diskutieren wir heute Mor- vielleicht auch nicht wesentlich mehr Verantwortung tra- gen zu bester Zeit, damit die Debatte öffentlich beachtet gen als wir. und verfolgt werden kann. Was die Altersversorgung betrifft, darf man auch da- Wer sich diese Schlussfolgerungen ansieht, wird fest- ran erinnern, dass die durchschnittliche Verweildauer ei- stellen, dass die Kommission eines wirklich gut gemacht nes Kollegen oder einer Kollegin im Deutschen Bundes- hat: Sie hat sich mit dem Leitbild des Abgeordneten be- tag rund zwei Legislaturperioden beträgt. Das sind acht schäftigt. Die Besonderheit ist, dass wir nicht weisungs- Jahre. Das ist bei weitem nicht ein komplettes Arbeitsle- abhängig sind, dass wir keine Amtsträger sind und dass ben. Er oder sie wird auch andere Rentenversorgungsan- wir daher nicht wie ein Beamter verpflichtet sind, neu- sprüche erworben haben und wird im Regelfall auch tral zu arbeiten und zu entscheiden. Wir sind bewusst In- nach der Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag weiter (B) teressenvertreter. Wir kümmern uns darum, was in in die Rentenversicherung einzahlen. (D) Deutschland vor sich geht. Wir vertreten unsere politi- schen Überzeugungen, aber wir sind natürlich auch Inte- Das, was wir als Altersversorgungsansprüche geltend ressenvertreter der Menschen unseres Wahlkreises. Dort machen, ist eben nur die Versorgung für einen über- werden wir gewählt, dort wollen wir Zustimmung haben. schaubaren, im Durchschnitt acht- bis neunjährigen Zeit- Das ist Teil der Demokratie. Deswegen liegen uns die raum, während dessen wir hier im deutschen Parlament Unternehmen und die Menschen in unserem Wahlkreis arbeiten dürfen; so darf man das ja sagen. Natürlich ist mit all ihren Problemen besonders am Herzen. es ein Privileg, Mitglied des Deutschen Bundestages zu sein. Jedenfalls empfinde ich das so, und ich weiß, dass Die Aufgabe eines Abgeordneten ist vielfältig. Wir viele Kollegen ebenso empfinden. Dennoch haben wir haben überlegt, welche Schlussfolgerungen wir daraus gesagt: Wir wollen bei der Altersversorgung Änderun- ziehen müssen. Die Kommission hat gesagt: Die Vergü- gen durchführen, und zwar Änderungen zu unseren Las- tung, wie sie seit 1995 im Gesetz festgelegt ist, ist rich- ten. Wir wollen den Höchstsatz von aktuell 67,5 Prozent tig. Deswegen schlagen wir heute in erster Lesung vor, auf 65 Prozent senken, den man natürlich erst nach vie- dass wir die derzeit bestehende Differenz in Höhe von len Jahren Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag er- rund 830 Euro ausgleichen. Wir wollen in zwei Schritten reicht. vorgehen, um dann das Niveau zu erreichen – es wurde bereits 1995 durch eine Kommission festgelegt –, das ei- Sehr wichtig ist, wie ich finde, auch Folgendes: Wir ner angemessenen Entschädigung für die Tätigkeit eines schaffen die Möglichkeit des vorgezogenen Bezuges der Abgeordneten entspricht. Altersversorgung ab, der es in Einzelfällen ermöglicht hätte, schon mit 57 Jahren Versorgungsansprüche gel- Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen wir au- tend zu machen. Das schaffen wir ab, weil wir denken, ßerdem einen wichtigen, sinnvollen und das System ein dass es angesichts der allgemeinen politischen und ge- Stück weit ändernden Schritt. Unser Vorschlag ist, dass sellschaftlichen Debatte über Demografie und die daraus wir die Abgeordnetenentschädigung, sobald sie das ent- resultierenden notwendigen politischen Reaktionen er- sprechende Niveau erreicht hat, an den Nominallohnin- forderlich ist, dass wir hier Änderungen für uns durch- dex koppeln. Das stellt uns nicht schlechter und nicht führen. Es kann nicht sein, dass wir die Rente mit 67 gut besser als jeden abhängig Beschäftigten in Deutschland. finden, aber bei uns keine Änderungen vornehmen. Wir schaffen jetzt zwar für die Arbeitnehmer die Möglich- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) keit, nach 45 Beitragsjahren vorzeitig in Ruhestand zu Das ist aus meiner Sicht ein sinnvoller Schritt. Wir wer- gehen, ansonsten ist ein vorzeitiger Ruhestand für sie den uns daran genau orientieren. Wir werden zu Beginn aber mit Abzügen verbunden. Genau so machen wir das Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1109

Michael Grosse-Brömer (A) jetzt auch bei uns: Wer eher gehen will, muss Abzüge in (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (C) Kauf nehmen. Das war vorher nicht so. Ich denke, wir neten der CDU/CSU und der SPD – Michael haben diesbezüglich eine sinnvolle Änderung vorge- Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!) schlagen. Bereits im antiken Griechenland wurden solche Diäten Wir werden auch die Strafen, die wir uns selbst aufer- eingeführt, um weniger wohlhabenden Schichten demo- legen, verdoppeln. Wer hier unentschuldigt fehlt, muss kratische Teilhabe zu sichern. Diese Funktion üben Diä- künftig pro Tag 200 Euro bezahlen. Ich finde, das ist an- ten im Grunde genommen immer noch aus. gemessen und sinnvoll. Wenn man entschuldigt fehlt, kostet das zwar auch noch Geld, aber nicht ganz so viel. Es ist schon etwas Besonderes, das Bundestagsman- dat als Vollzeitberuf ausfüllen zu können und dabei auf- Das alles wollen wir mit weiteren Änderungen kop- grund der Höhe der Diäten von weiteren Finanziers un- peln, auf die die Kolleginnen und Kollegen, die nach mir abhängig zu sein. Das gilt nicht für alle Abgeordneten. sprechen, vielleicht noch eingehen werden. Wichtig ist, Ich kann mich an Abgeordnete wie Herrn Merz erinnern, dass die Änderungen, die ich gerade beschrieben habe, der, glaube ich, in 23 Aufsichtsräten gesessen hat. mit notwendigen Änderungen in Bezug auf die Abgeord- netenbestechung gekoppelt werden. Dieses Feld ist neu (Zuruf von der CDU/CSU: Nur kein Neid!) zu regeln; es ist ein extrem schwieriges Feld. Das haben Wie auch immer, prinzipiell sind wir unabhängig. wir schon in der letzten Legislaturperiode festgestellt. Die Anhörung hat gezeigt, dass wir in vielerlei Hinsicht Die Ansprüche an unsere Arbeit, die Ansprüche an Schwierigkeiten haben, einen neuen Tatbestand zu die Mandatsausübung wachsen natürlich. Grüne und schaffen, der bestimmt genug ist und uns allen die Ge- Linke erfahren das ja jetzt gerade. Wir sollen sozusagen wissheit gibt, nicht zu Unrecht verfolgt zu werden. den GroKo-Fanten bändigen, obwohl uns die notwendi- gen Instrumente dafür noch fehlen. Eines ist klar: Für einen Abgeordneten, gegen den ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, hat – unabhän- Wer im Parlament, dem demokratischen Korrektiv gig vom Ausgang – allein die Tatsache, dass gegen ihn von Regierungsarbeit, sitzt, sollte wirtschaftlich unab- ermittelt wird, eine katastrophale Auswirkung auf seine hängig sein. Allerdings handeln wir nicht im luftleeren Wiederwahl, sofern er unter diesen Umständen über- Raum. Wir haben ein konkretes gesellschaftliches Um- haupt noch einmal kandidiert. Deswegen ist das schwie- feld. Dort erleben die Menschen seit Jahren eine Spal- rig. Wir stellen uns aber der Aufgabe, einen neuen Tatbe- tung der Gesellschaft: Zum einen gibt es eine große stand zu kreieren, der strafwürdiges Verhalten erfasst Masse von Beschäftigten, die sich immer wieder die – natürlich muss Bestechlichkeit strafbar sein; das ist sie Frage stellen, ob sie ihren Wohlstand auch morgen noch (B) in Teilen auch schon –, ohne dabei den Grundsatz des sichern können, mag er auch noch so bescheiden sein. (D) freien Mandats nebst Beachtung der Besonderheiten des Zum anderen gibt es eine relativ kleine Gruppe von sehr politischen Prozesses aufzugeben. Reichen, deren Einkommen und Vermögen in den letz- ten Jahren, insbesondere sogar nach der Krise, explodiert Angesichts dessen stehen wir vor einer schwierigen sind. Aufgabe. Ich bin davon überzeugt, dass die Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuss sich dieser Aufgabe Herr Grosse-Brömer, mein Amtskollege von der stellen werden und es schaffen, die beste Lösung zu erar- CDU, hat gerade gesagt: Wir Abgeordnete wollen nicht beiten. Das ist nicht einfach. Das ist eine große Heraus- schlechter und nicht besser gestellt werden als alle ande- forderung. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen ha- ren Beschäftigten auch außerhalb des Parlaments. – Dem ben die Sorge, dass es falsch geregelt wird. Wie das so kann ich erst einmal uneingeschränkt zustimmen. Aber ist: Das Verfahren geht seinen normalen Gang. Wir bera- wenn man es sich in der Praxis genau anschaut – deshalb ten im Ausschuss. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir habe ich vom gesellschaftlichen Umfeld gesprochen –, gute Lösungen finden, wie wir sie auch bezüglich der dann sieht man – auch wenn die Koalition versucht, uns Rechtsstellung des Abgeordneten gefunden haben. etwas anderes zu erzählen –, dass die Diäten seit 2000 von 6 623 Euro auf in diesem Jahr 8 252 Euro gestiegen Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. sind. Das ist immerhin ein Wachstum von 25 Prozent. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Die Bruttolöhne hingegen sind in dieser Zeit nur um 22 Prozent gestiegen. Nimmt man, insbesondere vor dem Hintergrund ansteigender Lohnnebenkosten, die Präsident Dr. Norbert Lammert: Nettogehälter zum Maßstab, sieht die Bilanz – auch sie Die Kollegin Petra Sitte erhält nun das Wort für die zeigt einen Vorteil der Bundestagsabgeordneten – noch Fraktion Die Linke. schlechter aus. (Beifall bei der LINKEN) Wir sind natürlich auch Profiteure der ungerechten Steuerreform. Viele Abgeordnete profitieren beispiels- Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): weise von der Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkünfte. Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und (Max Straubinger [CDU/CSU]: Da müssen Sie Kollegen! Um allen Missverständnissen vorzubeugen, aber welche haben!) sage ich es lieber gleich am Anfang: Die angemessene Entschädigung für Abgeordnete ist eine demokratische Abgeordnete profitieren beispielsweise durchaus auch Errungenschaft, und das bleibt sie auch. von der Absenkung des Spitzensteuersatzes. Das halten 1110 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Dr. Petra Sitte (A) wir für höchst problematisch. Auch das muss man hier möchte den Fokus in dieser Debatte doch auf das Ge- (C) thematisieren. samtpaket richten, das wir heute und in der nächsten Sit- zungswoche hier beraten. Ich möchte darum bitten, es (Beifall bei der LINKEN) genau so wahrzunehmen – als Gesamtpaket – und nicht Ganz dramatisch ist der Vergleich mit den unteren den Fokus allein auf einen Punkt zu richten, auch wenn Gehaltsklassen. Dazu gehört immerhin die überwie- dieser Punkt ein entscheidender Punkt ist. gende Zahl der Beschäftigten. Bei diesen hat es seit 2000 Reallohneinbußen gegeben. Angesichts der Zeitgleich- Niemand drückt sich davor, die Diskussion darüber heit dieser Vorgänge – Reallohneinbußen und Diäten- zu führen. Selbstverständlich gehört die Erhöhung der erhöhung – ist das Vorhaben, die Diäten in sieben Monaten Diäten mit zu diesem Paket; aber zu diesem Paket gehört um 830 Euro steigern zu wollen, höchst problematisch eben auch, dass wir bei der Altersversorgung für Abge- und diskussionswürdig. Ich finde, die Koalition hätte ru- ordnete deutliche Einschnitte vornehmen. Und es ist hig erst einmal damit anfangen können, ihre Hausaufga- auch richtig, dass wir endlich – nach zehn Jahren – ein ben aus dem Koalitionsvertrag zu machen, bevor sie die Gesetz gegen Abgeordnetenbestechung und -bestech- Diäten erhöht. lichkeit vorlegen. Dieses Gesamtpaket bitte ich Sie zu betrachten. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Die Regelung unserer Altersversorgung – Sie haben das Thema in Ihrem Beitrag erwähnt – steht im Wider- In dieser Debatte wird immer gefragt, ob die Anhe- spruch zu der der Beschäftigten oder anderer Bürgerin- bung der Diäten, die jetzt vorgenommen werden soll – in nen und Bürger. Sie sagen zwar, dass wir das Niveau der einer Dimension, die groß ist: 830 Euro insgesamt, über Altersversorgung jetzt von 67,5 auf 65 Prozent senken zwei Schritte gestreckt –, okay ist. Das ist zugegebener- – man darf in diesem Zusammenhang nicht vergessen, maßen richtig viel Geld. Aber jeder, der hier sitzt, wurde dass dem eine Diätenerhöhung vorausgeht –, allerdings nicht als Bundestagsabgeordneter geboren und bezog muten wir den Beschäftigten im Land langfristig zu, nicht von Anfang an eine Bundestagsdiät. Wir alle haben dass das Rentenniveau bis zum Jahr 2030 auf 43 Prozent eine Biografie, wir alle haben schon andere Summen abgesenkt wird. Nun frage ich nicht, ob die Altersversor- verdient und wissen deswegen sehr wohl, was diese Er- gung der Abgeordneten nicht auch auf 43 Prozent ge- höhung bedeutet. Ich musste mein Jurastudium finanzie- senkt werden sollte, aber ich frage Sie: Wenn für uns ren und habe am Anfang an einer Tankstelle kassiert, für 65 Prozent gelten sollen, wieso wird dann nicht auch das damals noch 7 D-Mark. Rentenniveau wieder angehoben? (Zuruf von der SPD: Ich war bei der Müll- (B) (Beifall bei der LINKEN) abfuhr!) (D) Ich habe in meinen Abgeordnetensprechstunden ge- Aber die Frage, die wir stellen müssen – und die wir nauso wie Sie durchaus Menschen – dazu zählen insbe- in der Diskussion auch stellen –, ist doch: Was verdient sondere altgeschiedene Frauen, die im Einigungsvertrag ein Bundestagsabgeordneter, was verdient eine Bundes- vollkommen vergessen wurden –, die im Monat eine tagsabgeordnete? Das ist natürlich eine Frage in doppel- Rente haben, die nicht einmal so hoch ist wie die jetzt ter Bedeutung; denn was wir bekommen, steht im Abge- geplante Steigerung der Diäten. Insofern denke ich, dass ordnetengesetz. Aber was ist denn ein gerechtes Entgelt da ein bisschen Demut, ein bisschen Bescheidenheit an- für diese Arbeit, was wäre richtig? Was ist unsere gesell- gebracht wäre. schaftliche Stellung, und mit welcher Berufsgruppe sind wir zu vergleichen? (Beifall bei der LINKEN) (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Genau!) Die geplante Anhebung der Diäten steht in keinem vernünftigen Verhältnis zur Lebensrealität der Men- Über diese Frage, glaube ich, sollten wir einmal ausführ- schen, die uns alle hier gewählt haben. Bei dieser Erhö- lich diskutieren. hung werden die falschen Prioritäten gesetzt. Aus die- Ja, wir bekommen viel Geld, auch jetzt schon, und sem Grund werden wir höchst kritisch in die Diskussion zum Normalverdiener ist der Abstand auch groß. Es ist gehen und diesem Teil des vorliegenden Gesetzentwurfs nun einfach und populär, zu sagen: Warum verdient ihr nicht zustimmen. beispielsweise im Vergleich zu einer Verkäuferin so (Beifall bei der LINKEN) viel? Aber ist der Vergleich mit der Verkäuferin richtig? Wie arbeiten wir denn? Wir arbeiten in der Regel – zu- Präsident Dr. Norbert Lammert: mindest derjenige, der seinen Job richtig macht – 60 bis Nächste Rednerin ist die Kollegin Christine 70 Stunden die Woche. Dazu kommen dann noch die Lambrecht für die SPD-Fraktion. Wochenenden. An den Wochenenden sind wir ebenfalls unterwegs: um die Entscheidungen, die wir hier treffen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten auch entsprechend zu begründen; da müssen wir Rede der CDU/CSU) und Antwort stehen. Das ist auch richtig und gut so. Wir besuchen darüber hinaus Vereinsjubiläen, um unsere Christine Lambrecht (SPD): Verbundenheit mit dem Ehrenamt zu zeigen. Das alles Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen kommt am Wochenende dazu. Außerdem müssen wir und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich auch noch in unseren jeweiligen Parteiorganisationen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1111

Christine Lambrecht (A) unsere Entscheidungen begründen; auch das ist nicht im- xes gekoppelt werden. Dieser kann nach oben gehen, (C) mer einfach. aber rein theoretisch auch nach unten, entsprechend dem Einkommen aller Beschäftigten. Damit kommen wir der (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Forderung „Hört endlich auf, selbst darüber zu entschei- Wir müssen jederzeit erreichbar sein; gerade in Zeiten den und euch selbst zu geben, was ihr für gerecht haltet“ von E-Mail und SMS steigert sich das Ganze auch noch nach. Mit der Kopplung unseres Einkommens an diesen gewaltig. Wenn eine Sondersitzung angesetzt wird, müs- Index wird die Forderung der Unabhängigen Kommis- sen Bundestagsabgeordnete präsent sein. Sie müssen sion erfüllt. sich für alles erklären, manchmal auch für Dinge, die sie (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der gar nicht selbst entschieden haben. CDU/CSU) ( [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden Ein- NEN]: Das ist unser Job! – Dr. Wolfgang schnitte auch in Bezug auf die Altersversorgung be- Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- schließen. Die öffentliche Diskussion ging nicht in die NEN]: Das ist unser Job, und wir machen das Richtung – zumindest nach meiner Wahrnehmung –, wir alle freiwillig!) würden zu viel verdienen und uns die Taschen füllen. Und sie stehen im Fokus der Medien, und das manchmal Dass Abgeordnete gut bezahlt werden, ist gesellschaft- nicht nur mit Blick auf ihr berufliches Tun, sondern auch lich durchaus akzeptiert. Wo es Kritik gab, und zwar zu auf ihre Privatsphäre. Recht, das war bei der Altersversorgung. Deswegen ge- hen wir auch an diesen Komplex heran. Wir werden das Warum habe ich das so ausgeführt? Weil es einfach Niveau von 67,5 Prozent auf 65 Prozent für alle absen- wichtig ist, einmal zu sehen, was wir machen, welche ken. Das ist zugegebenermaßen kein Einschnitt, ange- Verantwortung wir haben, in welchem Zusammenhang sichts dessen man sagen kann, dass da richtig eingegrif- unsere Arbeit steht. Das ist nicht zu vergleichen mit je- fen wurde. mandem, der 39, 40, 42 Stunden abhängig beschäftigt ist, sondern das ist etwas völlig anderes. Wo es aber einen richtigen Einschnitt geben wird, wo es richtig weh tun wird – das ist richtig so –, ist, dass es (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Andere haben in Zukunft keine Möglichkeit mehr geben soll, ab- auch zwei Jobs!) schlagsfrei in den sogenannten Vorruhestand zu gehen. Als etwas völlig anderes muss es dann eben auch behan- Bis jetzt kann man nach 18 Jahren Mitgliedschaft im delt werden. Deutschen Bundestag und bei Vorliegen von entspre- chenden Anrechnungszeiten mit 55 bzw. 57 Jahren, je (B) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) nachdem wo das persönliche Renteneintrittsalter liegt, (D) Wenn es etwas völlig anderes ist, bleibt die Frage: Mit abschlagsfrei in den Vorruhestand gehen. So etwas ist was ist es denn dann zu vergleichen? Wir sagen – ebenso aber nicht mehr zeitgemäß. Das ist nicht mehr vermittel- sagt es die Unabhängige Kommission –: Es ist in etwa bar. Deswegen streichen wir das. Es wird in Zukunft kei- zu vergleichen mit der Tätigkeit eines Richters an den nen abschlagsfreien Vorruhestand für Abgeordnete mehr obersten Gerichten. Auch er ist weisungsunabhängig geben. und trifft Entscheidungen, die bundesweit Gültigkeit ha- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ben. Das entspricht in etwa dem, was auch wir auf Bun- der CDU/CSU) desebene tun. Die obersten Richter erhalten Bezüge nach der Besoldungsgruppe R 6. Jeder, der hier sitzt, kann sich ausrechnen, ob es ihn betrifft; denn manchmal wird behauptet, es treffe kaum Nicht jeder kann etwas mit der Besoldungsgruppe R 6 jemanden. Es trifft all diejenigen, die in diesen Bundes- anfangen. Deswegen möchte ich einen Vergleich zu ei- tag neu hinzugekommen sind oder die in ihrer zweiten ner Berufsgruppe ziehen, deren Tätigkeit nach B 6 ver- Legislaturperiode hier sind. Für uns in der SPD-Fraktion gütet wird. Auch wenn diese Tätigkeit eine andere ist als bedeutet das: Von 193 Abgeordneten werden 109 Abge- unsere, nämlich die von Landräten und Bürgermeistern ordnete diese Möglichkeit nicht mehr in Anspruch neh- mittelgroßer Städte, möchte ich Sie fragen: Haben Sie men können. Das ist eine ordentliche Zahl. Wenn man im Ernst das Gefühl, Sie verdienen – im Sinne von: zu den gesamten Bundestag betrachtet, dann sieht man, Recht verdienen – weniger als ein Landrat? Angesichts dass circa die Hälfte der Abgeordneten in Zukunft diese der Tragweite der Entscheidungen, die wir zum Beispiel Möglichkeit nicht mehr in Anspruch nehmen kann. Auf zur Euro-Krise, zum Finanzmarkt, zu Auslandseinsätzen die Dauer gesehen wird das dann alle Abgeordneten be- der Bundeswehr, wo es um Leben und Tod geht, zu tref- treffen. Ich finde schon, dass ein solcher Einschnitt fen haben, finde ich, dass R 6 bzw. B 6 sehr wohl die durchaus gewürdigt werden sollte. Wir werden diesen richtige Bezugsgröße ist. Einschnitt vornehmen; denn er ist richtig. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Dies steht seit 1995 im Gesetz. Jetzt wollen wir die- Es gab in diesem Zusammenhang die Frage, warum sen Schritt gehen. Dies soll in zwei Stufen geschehen. wir das System der Altersversorgung nicht insgesamt Danach soll unser Einkommen – damit entsprechen wir umstellen, warum nicht jeder Abgeordnete einen be- wieder den Vorschlägen der Unabhängigen Kommis- stimmten Betrag zur Verfügung bekommt und für sich sion – jeweils an die Entwicklung des Nominallohninde- selbst vorsorgen muss. Auch das ist von der Kommis- 1112 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Christine Lambrecht (A) sion geprüft worden, auch darüber wurde ausdrücklich gesagt: Abgeordnete sollen in die gesetzliche Rentenver- (C) diskutiert. Die Mehrheit der Mitglieder der Kommission sicherung einzahlen. schlägt uns vor, es bei dem bestehenden System zu be- lassen. Christine Lambrecht (SPD): (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber auch Nein, nein. der Minderheit kann man folgen!) – Natürlich kann ich der Meinung einer Minderheit fol- Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ gen, wenn ich deren Meinung für richtig halte. Aber DIE GRÜNEN): wenn man den Bericht der Kommission, der übrigens Doch, ich kann es Ihnen vorlesen, wenn Sie gerne bereits seit letztem Jahr auf dem Tisch liegt, richtig möchten. Ich habe den Bericht hier vor mir liegen. – durchliest, dann erfährt man, dass eine völlige Umstel- Diese fünf plädieren also für ein Baukastenprinzip: ge- lung weder zu einem einfacheren Verfahren führen setzliche Rentenversicherung plus Zusatzversorgung, die würde und schon gar nicht für den Steuerzahler günsti- es im öffentlichen Dienst über die betriebliche Altersver- ger wäre. Damit würde ich etwas beschließen, was um- sorgung auch gibt, plus private Alterssicherung. Das ist ständlicher wäre und mehr Geld kosten würde. Deswe- das übliche Drei-Säulen-System, nach dem alle anderen gen haben wir uns entschieden, diesen Schritt nicht zu außerhalb des Bundestages in der Regel abgesichert gehen. sind. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Nun komme ich zu meiner Frage: Wir bekommen pro Jahr Mitgliedschaft im Bundestag einen Anspruch auf Präsident Dr. Norbert Lammert: monatliche Alterssicherung von gut 200 Euro. Wenn Frau Kollegin Lambrecht, lassen Sie eine Zwischen- man in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt und frage des Kollegen Strengmann-Kuhn zu? so viel verdient wie wir als Bundestagsabgeordnete, er- hält man einen Anspruch von knapp 60 Euro. Finden Sie es wirklich gerecht, dass es beim Rentenanspruch einen Christine Lambrecht (SPD): so großen Unterschied und eine so starke Besserstellung Na klar. für Bundestagsabgeordnete gegenüber denjenigen gibt, die gleich viel verdienen, eine ähnlich hohe Verantwor- Präsident Dr. Norbert Lammert: tung tragen und eine ähnliche Arbeitsbelastung haben? Bitte schön. Wäre es nicht viel gerechter, wenn wir alle – das haben viele in der SPD bei vielen Rentendiskussionen, die ich (B) Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ erlebt habe, vertreten – in die gesetzliche Rentenversi- (D) DIE GRÜNEN): cherung einzahlen würden? Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie die Zwischen- frage zulassen. – Ich bitte Sie, noch einmal in den Be- Christine Lambrecht (SPD): richt hineinzuschauen. Es ist nicht richtig, dass es eine Sie haben im Endeffekt schon die Begründung dafür Mehrheitsposition zur Alterssicherung gab. geliefert, warum dieses völlige Umschwenken in ein an- (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Richtig!) deres System für den Steuerzahler zumindest nicht güns- tiger, sondern im Gegenteil sogar teurer wäre. Christine Lambrecht (SPD): Wir haben uns in unserer Fraktion die Mühe gemacht, Fünf zu fünf zu eins. auch mit den Kommissionsmitgliedern zu diskutieren, (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE und wir haben das ausführlich beraten. Sie haben das an- LINKE]) dere System genau beschrieben. Diejenigen, die für die- ses Baukastensystem plädiert haben, sagen auch: Ja, die Anrechnung in der gesetzlichen Rentenversicherung Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ wäre geringer. Deswegen müsste dafür ein Ausgleich ge- DIE GRÜNEN): zahlt werden – wozu sie auch bereit wären. Fünf zu fünf, richtig, und die eine Person ist für eine komplette Privatisierung gewesen. (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie doch ein- Christine Lambrecht (SPD): mal genau nach!) Ja, genau. – Diskutieren Sie vielleicht einmal mit den Kommis- sionsmitgliedern. Dann erhalten Sie solche Hintergrund- Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ informationen. – Dadurch wäre die Alterssicherung ge- DIE GRÜNEN): nauso teuer. Das ist also ein ganz anderes Modell. Insofern gab es Das heißt, um bei dem Baukastensystem auf den jetzi- an der Stelle ein Patt. gen Altersversorgungsanspruch zu kommen, müsste es Fünf haben für Verbesserungen innerhalb des Sys- neben den Zahlungen in die gesetzliche Rentenversiche- tems plädiert; das ist das, was Sie beschrieben haben und rung noch etwas anderes geben, wodurch diese Differenz was im Gesetzentwurf steht. Die anderen fünf haben klar kompensiert wird. Das würde dieses System teurer ma- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1113

Christine Lambrecht (A) chen. Deswegen entschließen wir uns, bei dem bisheri- Präsident Dr. Norbert Lammert: (C) gen System zu bleiben. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun die Kollegin Britta Haßelmann. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Für einen Systemwechsel, der weder einfacher noch Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): günstiger für den Steuerzahler ist – jetzt einmal im Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen Ernst –, sind wir in der Großen Koalition nicht zu haben. und Kollegen! Sehr geehrter Herr Präsident! Wir reden Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich möchte heute in erster Lesung über eine Änderung des Abgeord- zum Schluss noch auf einen Punkt eingehen, um den es netengesetzes. Das Verfahren, das Sie wählen, ist formal hier neben der Diätenerhöhung und den Einschränkun- nicht zu beanstanden, um das von vornherein zu sagen. gen bei der Altersversorgung auch geht. Aber ich finde das Verfahren in der Sache nicht ange- Ich freue mich als Sozialdemokratin, die in der letzten messen. Die beiden Gesetzentwürfe, die heute erstmals Legislaturperiode gerade auch an der Erarbeitung des im Bundestag beraten werden – zum einen zur Änderung einen heute vorliegenden Gesetzentwurfes maßgeblich des Abgeordnetengesetzes und zum anderen zur Abge- beteiligt war, dass es uns nun endlich gelingt, die Be- ordnetenbestechung –, sollen am Montag in einer sehr kämpfung der Abgeordnetenbestechung und der -be- kurzfristig anberaumten Anhörung vertieft und schon stechlichkeit gesetzlich zu normieren. Seit 2003 waren nächsten Freitag in zweiter und dritter Lesung verab- wir aufgefordert, an dem bisherigen Zustand etwas zu schiedet werden. Ich halte es angesichts des Umfangs ändern; denn 2003 wurde die UN-Konvention gegen der beiden Gesetze und der inhaltlich wirklich komple- Korruption unterzeichnet – auch von der Bundesrepublik xen Fragen für politisch nicht in Ordnung, das so zu ma- chen. Deutschland. Bis heute ist nichts geschehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wir haben in der letzten Legislaturperiode – ich weiß und bei der LINKEN) gar nicht, in welchem Rhythmus; wahrscheinlich war es alle paar Wochen – häufig über dieses Thema diskutiert, Die Unabhängige Kommission, auf die hier mehrfach weil wir nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Bezug genommen wurde, wurde am 24. November 2011 Stein“ immer wieder versucht haben, gerade in den Rei- eingerichtet und hat sich bis zum 31. März 2013 mit fol- hen der Union, aber insbesondere auch der FDP um Un- genden Fragen befasst: Wie soll eigentlich die Abgeord- terstützung dafür zu werben. Es ist uns nicht gelungen, netenentschädigung, die Besoldung von Abgeordneten, immer mit dem Hinweis darauf, es sei so kompliziert. aussehen? Wie soll künftig die Altersversorgung ausse- hen? Wie ist die Kostenpauschale zu bewerten? Wie Es ist kompliziert, und die Umsetzung ist auch (B) sieht es mit der Ausstattung der Abgeordneten aus? (D) schwierig; aber ich glaube, wir Abgeordnete entscheiden Diese Fragen waren aus der Kritik hervorgegangen – das über noch viel schwierigere Sachverhalte. Deswegen wurde von außen an uns herangetragen –, dass wir als trauen wir uns auch zu, einen entsprechenden Straftatbe- Abgeordnete unsere Bezüge, die von einigen als zu hoch stand in § 108 e StGB zu normieren, sodass in Deutsch- empfunden werden, immer selbst festlegen und darüber land in Zukunft nicht nur der Stimmenkauf unter Strafe entscheiden. gestellt werden kann – das heißt das, was hier im Parla- ment rein theoretisch stattfinden könnte –, sondern auch Wir als Fraktion halten eine grundsätzliche Orientie- die Bestechung und die Bestechlichkeit von Abgeordne- rung an der Besoldungsgruppe R 6 für angemessen; das ten. haben wir auch in der Kommission immer vertreten. Ob man allerdings die Anhebung der Bezüge um 10 Prozent Endlich kommen wir damit aus einer Reihe von Staa- innerhalb eines halben Jahres in zwei Schritten machen ten heraus, die diese Konvention bisher noch nicht um- sollte, darüber hätten wir einmal in Ruhe diskutieren sol- gesetzt haben, wie Nordkorea, Syrien und andere, und len. Eine solche Anpassung hätten wir doch auch über mit denen man eigentlich nicht in einem Zusammenhang die Legislaturperiode strecken können. genannt werden will. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Es freut mich, dass unser Vorschlag trotz der Kritik, und bei der LINKEN) dass wir nicht weit genug gehen, immerhin von Verbän- den wie Transparency International oder LobbyControl Sie hätten mit den Fraktionen intensiv darüber reden wahrgenommen und begrüßt wird. Es wird anerkannt, können. dass sich in dieser Frage endlich etwas bewegt, dass sich Wir hätten sagen können: Eine grundsätzliche Orien- Deutschland wie auch andere Staaten endlich aufrafft, tierung an der Besoldungsstufe R 6 ist richtig. Denn es diese Konvention umzusetzen. gibt das unabhängige Mandat. Es gibt einen riesigen Wir unterbreiten Ihnen also auch diesen Vorschlag. Es Entscheidungsrahmen. Wir wirken an Gesetzen mit. Es geht um ein Gesamtpaket, bei dem wir der Meinung gibt das freie Mandat. Jeder und jede soll es ausüben sind: Es ist ausgewogen. Es geht in die richtige Rich- können, auch wenn er oder sie nicht sozial abgesichert tung. Es nimmt ganz viele Vorschläge aus einer von uns ist. Wir müssen unbestechlich sein. Es gibt viele Gründe für die Orientierung an der Besoldungsstufe R 6. Aber eingesetzten Unabhängigen Kommission auf. das Verfahren, das Sie jetzt dafür wählen, ist nicht in Vielen Dank. Ordnung. Das ist das Problem der heutigen Diskussion. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 1114 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Britta Haßelmann (A) Der weitaus wichtigere Punkt, der hier auch hätte dis- Deshalb, Frau Kollegin Sitte, sollte man keine fal- (C) kutiert werden müssen, gerade mit den neuen Abgeord- schen Zusammenhänge herstellen – ich werde später neten, ist der der Altersversorgung und der Altersent- noch darauf eingehen –, wie Sie es in der Diskussion ge- schädigung. Das ist im Kern unser Kritikpunkt, den wir macht haben. Denn es geht letztendlich darum, die in der Grünenfraktion diskutiert haben. Es gab kein Ein- Rechtsstellung des Abgeordneten zu sichern – das haben vernehmen in der Kommission. Das Votum fiel fünf zu Sie bejaht – und natürlich auch die die Unabhängigkeit fünf aus, was die Frage der Beibehaltung des jetzigen wahrende Abgeordnetenentschädigung nicht infrage zu Systems mit kleinen Änderungen oder des Schwenks in stellen. Die Kollegin Haßelmann findet die Vorschläge ein neues Baukastensystem auf der Grundlage der Ein- auch in der Höhe gerechtfertigt, und ich habe den Ein- beziehung in die gesetzliche Rentenversicherung angeht. druck, dass auch Sie sie in der Höhe gerechtfertigt fin- den. Somit haben wir eigentlich eine große Gemeinsam- Angesichts eines so knappen Ergebnisses muss man keit, die wir dann aber auch nach außen vertreten sollten. sagen: Die Abgeordneten des 18. Deutschen Bundesta- ges hatten noch in keinem Ausschuss, in keiner Rechts- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- stellungskommission die Gelegenheit, diese beiden Mo- neten der SPD) delle einmal in Ruhe zu bewerten; das ist das Problem. Von daher geht es darum, diese Unabhängigkeit und Denn wir müssen uns insbesondere mit dem Thema der die besondere Stellung des Abgeordneten nach außen zu Altersversorgung und Altersentschädigung der Abgeord- vertreten, aber auch zu sichern. Das wollen wir mit den neten beschäftigen. Es wird in der Öffentlichkeit als zu- beiden Gesetzentwürfen, die wir aufgrund der Ergeb- tiefst ungerecht empfunden, dass wir im Gegensatz zu nisse der Kommission, die in der letzten Legislatur- anderen in sehr kurzer Zeit sehr hohe Rentenbezüge er- periode eingesetzt worden ist, seit 2011 getagt hat und werben können. Das ist im Kern der kritische Punkt, 2013 ihre Ergebnisse vorgelegt hat, eingebracht haben. über den wir jetzt leider in der kurzen Zeit von einer Wo- Wir orientieren uns sehr eng an diesen Vorschlägen. Man che nicht diskutieren können. Das ist ein Problem. könnte sicherlich über viele Bereiche noch diskutieren. Aber, Frau Kollegin Haßelmann, wenn Sie schon fest- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellen, dass die Orientierung an R 6 bzw. das Äquiva- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) lent der Bezahlung eines Landrats oder Bürgermeisters Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die ganzen Fragen einer mittleren Stadt für die Entschädigung eines Abge- von Nebeneinkünften und Transparenz auch in diesem ordneten gerechtfertigt ist, dann muss man das auch um- Kontext mit diskutieren. Von daher hätten wir uns für setzen, statt zu sagen, der in dem Gesetzentwurf für die diese Reform mehr Zeit nehmen sollen. Was zum Bei- Anpassung angestrebte Zeitraum sei zu kurz. Wenn man (B) spiel die kurzfristig anberaumte Anhörung angeht, kann davon überzeugt ist, dass etwas richtig ist, dann gilt es, (D) es unser Experte aus der Kommission, der jahrelang da- dies auch umzusetzen, verehrte Kolleginnen und Kolle- ran mitgewirkt hat, nicht innerhalb einer Woche einrich- gen. ten, zu dieser Anhörung zu kommen. Das ist ein Pro- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) blem. Wenn wir uns jetzt über die Angemessenheit der Ab- Ich halte also fest: grundsätzliche Orientierung an R 6 geordnetenentschädigung einig sind, dann geht es um ja, aber keine so schnelle Anpassung von 10 Prozent in die weitere Frage der Angemessenheit einer Altersent- einem halben Jahr. Vor allen Dingen ist aber die Alters- schädigung. Ich glaube, dass wir trotz der unterschiedli- versorgung grundsätzlich neu zu regeln, damit sie ge- chen Auffassung in der Kommission einen guten Weg rechter wird. gefunden haben, darzustellen, dass die Abgeordnetentä- tigkeit nicht alleine damit endet, dass man eine, zwei (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN oder drei Legislaturperioden in diesem Hohen Haus Ver- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) antwortung getragen hat, sondern dass daraus auch eine Altersentschädigung abzuleiten ist, die dem damaligen Präsident Dr. Norbert Lammert: Stand als Abgeordneter gerecht wird. Max Straubinger ist der nächste Redner für die CDU/ CSU-Fraktion. In diesem Sinne bin ich überzeugt davon, dass das System, das wir derzeit haben und das sich vielleicht mit (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- dem der Beamten vergleichen lässt – auch wenn wir neten der SPD) keine Beamten sind –, richtigerweise anzuwenden ist. Das System der gesetzlichen Rentenversicherung, in das Max Straubinger (CDU/CSU): ein Arbeitnehmer einzahlt, kann deshalb nicht für uns Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! herangezogen werden. Wir diskutieren die beiden von den Fraktionen CDU/ Unter diesen Gesichtspunkten ist eine Regelung zu CSU und SPD eingebrachten Gesetzentwürfe zum einen finden, die berücksichtigt, dass wir Abgeordnete nicht zur Bezahlung der Abgeordneten und zum anderen zur früher abschlagsfrei in Rente gehen können als diejeni- Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbe- gen, die Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung stechung. Ich glaube, dass es sehr gute Vorschläge sind, sind – Frau Kollegin Lambrecht hat das ausdrücklich die es wert sind, dass in aller Sachlichkeit darüber disku- dargelegt –, und die gleichzeitig einen Bezug zur verant- tiert wird. wortungsvollen Tätigkeit des Abgeordneten herstellt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1115

Max Straubinger (A) Das bedeutet, dass eine gewisse Höhe der Abgeordne- Aber der Vorschlag der Kommission stellt nun einmal ei- (C) tenentschädigung letztendlich die Grundlage für eine nen Kompromiss dar. Diesen wollen wir umsetzen. entsprechende Altersentschädigung bildet. Das könnte Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, dass man in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht errei- der Gesetzentwurf zur Änderung des Abgeordnetenge- chen, Herr Kollege Strengmann-Kuhn. Wenn wir Ihrem setzes sehr ausgewogen ist. Ich bitte die Oppositions- Vorschlag folgen wollten, müssten wir zusätzliche pri- fraktionen von Linken und Grünen, sich durchzuringen, vate Vorsorge gewährleisten und die Abgeordneten ent- die positiven Aspekte zu sehen, damit wir gemeinsam sprechend in die Lage versetzen. Aufgrund der Höhe der der Verunglimpfung entgegenwirken können – dieser Diäten sind wir als Abgeordnete aber steuerlich stärker Eindruck wird besonders dann erweckt, wenn über eine belastet als der Durchschnitt der Bevölkerung; auch das Erhöhung der Diäten gesprochen wird –, Abgeordnete gehört zur Wahrheit. Darüber hinaus müssen entspre- seien Selbstbediener. Es geht darum, dass wir einen gu- chende Krankenversicherungsbeiträge abgeführt wer- ten Anpassungsmechanismus für die Diäten finden. Der den; das wird in der Regel vergessen. soll darin bestehen, dass der Durchschnitt der Lohnstei- Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass die gerung aller Lohnempfänger in diesem Lande zugrunde Altersentschädigung im nun vorliegenden Abgeordne- gelegt wird. Ich glaube, das ist gerechtfertigt. Damit tengesetz angemessen zu berücksichtigen ist. Ich bitte, werden künftige Diskussionen über die Steigerung der Diäten, die dem Ansehen der Abgeordneten abträglich dies nochmals zu bedenken und aufzunehmen. sind, vermieden. Werte Frau Kollegin Sitte, das Abgeordnetengesetz Frau Kollegin Sitte, ich habe gelesen, Sie würden die hat nicht zu berücksichtigen, ob einzelne Abgeordnete Steigerungsraten der Diäten am liebsten an die Steige- Kapitaleinkünfte haben. rungsraten des kommenden Mindestlohns koppeln. Las- (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Natürlich! Das sen Sie uns doch einmal die Gewerkschaftsforderungen gehört doch mit dazu!) bei Lohnverhandlungen betrachten. Dort wird darauf ge- achtet, dass die niedrigeren Einkommen etwas stärker Es geht einzig und allein darum, ob ein Abgeordneter als die höheren angehoben werden. Wir würden, wenn unabhängig tätig sein kann. Es gibt sparsame Abgeord- wir Ihrem Vorschlag folgen würden, eine höhere Diäten- nete, die später möglicherweise Kapitaleinkünfte haben. anpassung erzielen. Das würde jedoch nicht in Ihrem Es mag auch Abgeordnete geben, die vielleicht nicht Sinne sein, nehme ich an. ganz so sparsam sind und deshalb nicht über Kapitalein- künfte verfügen. Somit geht der Vergleich, den Sie gezo- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und gen haben, meines Erachtens fehl. der SPD – Zurufe von der LINKEN) (B) (D) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Unter diesem Gesichtspunkt ist der Anpassungsmecha- neten der SPD) nismus, den wir gewählt haben und der sich auf den Durchschnitt aller Lohnempfänger in Deutschland be- Festgestellt wurde auch, dass die Kostenpauschale in zieht, sicherlich das bessere System. der jetzigen Form richtig ist. Sie dient dazu, Einheitlich- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) keit herzustellen und die Abgeordneten im Hinblick auf ihre Arbeit und Aufwendungen zu unterstützen. Das al- In diesem Sinne bedanke ich mich sehr herzlich für les ist mittlerweile gerichtlich überprüft. Ich glaube, da- die Aufmerksamkeit und wünsche uns gute Beratungen. rüber brauchen wir uns nicht mehr zu streiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich bin sehr dankbar, dass die Kommission ein weite- res Thema aufgegriffen hat, nämlich den Fall, in dem ein Präsident Dr. Norbert Lammert: Abgeordneter bereits im Rentenalter ist und aufgrund Ich erteile das Wort nun der Kollegin Halina früherer beruflicher Tätigkeit Beiträge in die gesetzliche Wawzyniak für die Fraktion Die Linke. Rentenversicherung eingezahlt hat. Wir alle sind uns in diesem Haus einig, dass Anwartschaften in der gesetzli- (Beifall bei der LINKEN) chen Rentenversicherung Eigentumscharakter haben und Eigentumsschutz genießen. Deshalb sage ich ganz offen Halina Wawzyniak (DIE LINKE): – das haben mehrere Kolleginnen und Kollegen in der Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- vergangenen Legislaturperiode nicht verstanden –: Wenn ren! Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Sie im Rentenalter und zugleich aktiver Abgeordneter Erweiterung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbe- sind, wurden Ihnen bislang 80 Prozent Ihrer Renten- stechung scheint es so, als würde eine Never-ending anwartschaften zumindest während der Dauer der Abge- Story tatsächlich noch ein Ende finden. ordnetentätigkeit gestrichen. Die Kommission hat das (Beifall der Abg. Dr. Eva Högl [SPD]) aufgegriffen und schlägt vor, nur noch um 50 Prozent zu kürzen. Ich bin aufgrund meines Rechtsverständnisses In der letzten Legislaturperiode hatten die drei Oppo- der Meinung, dass überhaupt keine Kürzung erfolgen sitionsfraktionen jeweils einen Gesetzentwurf vorgelegt. sollte. Wenn Renten Eigentumscharakter haben, dürfte Mit dem damaligen Vorsitzenden des Rechtsausschus- ses, Siegfried Kauder, wurde sogar ein gemeinsamer eigentlich gar nicht gekürzt werden. Kompromissentwurf erarbeitet, der hier aber leider nicht (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) durchsetzungsfähig war. Insofern finde ich es schon et- 1116 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Halina Wawzyniak (A) was schade, dass bei dem vorliegenden Gesetzentwurf wie dessen zweite und dritte Lesung durchzuführen. Wir (C) nicht versucht worden ist, alle Fraktionen mit ins Boot haben nicht einmal die Chance, diese Anhörung ver- zu nehmen. Das wäre wahrscheinlich an dem Verdikt nünftig auszuwerten. Das geplante Vorgehen ist auch von Herrn Kauder gescheitert. nicht ganz sauber – um es einmal vorsichtig zu formulie- ren –; denn im Gesetzentwurf steht „Erweiterung des Diskussionswürdig ist Ihr Gesetzentwurf allemal; Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung“. Bisher denn er sieht die Bestrafung von Abgeordneten vor, die gibt es den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung einen rechtswidrigen Vorteil für sich selbst oder Dritte nicht. als Gegenleistung fordern, sich versprechen lassen oder annehmen. Das Wort „Gegenleistung“ macht schon Ich hoffe, wir finden genügend Zeit, das vernünftig deutlich: Es muss eine Handlung oder eine Unterlassung miteinander zu diskutieren, im Parlament im Zusammenhang mit dem Mandat erfol- gen, um diesen Tatbestand zu erfüllen. ( [SPD]: Wir haben jetzt zehn Jahre gewartet, Frau Kollegin! – Nun schreiben Sie im Gesetzentwurf, dass die Gegen- Christine Lambrecht [SPD]: Zehn Jahre haben leistung für den Vorteil eine Handlung oder Unterlas- wir das diskutiert!) sung „im Auftrag oder auf Weisung“ sein muss. Ich persönlich würde es besser finden, wenn wir die Formu- sodass Sie weitere Änderungsvorschläge aufnehmen, da- lierung „Handlung oder Unterlassung im Zusammen- mit die Never-ending Story nicht irgendein Ende findet, hang mit dem Mandat“ statt dieser Formulierung wählen sondern tatsächlich ein gutes. würden. Ich will aber auch deutlich darauf hinweisen, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- weil ich die Kritik an dem Ausdruck „im Auftrag oder neten der SPD) auf Weisung“ kenne, dass eine Gegenleistung, die ja Be- standteil dieser Regelung ist, irgendwie vereinbart sein Präsident Dr. Norbert Lammert: muss. Wenn man jetzt Auftrag und Weisung nicht klas- Eva Högl ist die nächste Rednerin für die SPD-Frak- sisch im rechtstechnischen Sinne versteht, ist es tatsäch- tion. lich so, dass das irgendwie verabredet sein muss. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Der Vorteil dieses Gesetzentwurfs ist, dass er den Ge- der CDU/CSU) setzentwurf der SPD aus der letzten Legislaturperiode um den zentralen Kritikpunkt bereinigt. Es ist nämlich nicht mehr davon die Rede, dass ein ungerechtfertigter Dr. Eva Högl (SPD): Vorteil dann vorliegt, wenn er den parlamentarischen Guten Morgen, sehr geehrter Herr Präsident! Liebe (B) Gepflogenheiten nicht entspricht, sondern es ist jetzt ge- Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! (D) regelt, dass kein ungerechtfertigter Vorteil vorliegt, Liebe Frau Wawzyniak, ich nehme Ihr Lob sehr gerne wenn die Annahme eines Vorteils im Einklang mit den an. Das gilt natürlich auch für die gesamte SPD-Fraktion für die Rechtsstellung des Mitgliedes maßgeblichen Vor- und für alle Kolleginnen und Kollegen, die sich dafür schriften steht. Das haben wir Linke immer gefordert. einsetzen, dass wir endlich einen Straftatbestand Abge- Sie haben von uns gelernt. Weiter so! ordnetenbestechung bekommen. Ich habe Ihre Rede so verstanden, dass Sie sich mit uns freuen, dass wir kurz (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- davor sind, endlich einen Straftatbestand Abgeordneten- neten der SPD) bestechung einzuführen. Herzlichen Dank für diese Der Vorschlag entspricht dem Prinzip der Normen- Übereinstimmung! klarheit und verhindert Richterrecht. Dass wir als Linke (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten durchaus Probleme mit der einen oder anderen Verhal- der CDU/CSU und der LINKEN) tensmaßregel haben, zum Beispiel, dass wir es nicht gut finden, dass Abgeordnete Spenden entgegennehmen Wir haben jetzt mehr als zehn Jahre lang diskutiert. können, steht auf einem anderen Blatt. Das können wir Am 9. Dezember 2003 hat Deutschland die UN-Konven- mit diesem Gesetz nicht regeln; das will ich sehr deutlich tion gegen Korruption unterzeichnet. sagen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Wir (Dr. [SPD]: So ist es!) nicht! Die Regierung!) Das müssen wir an anderer Stelle regeln. Aber noch ein- Natürlich sind die rechtlichen Detailfragen kompliziert. mal ein großes Lob an Sie von der SPD, dass Sie uns an Aber wir haben jetzt zehn Jahre lang intensiv diskutiert. dieser Stelle gefolgt sind und eine Klarstellung vorge- Wir hatten Anhörungen. Wir haben verschiedene Ge- nommen haben. setzentwürfe diskutiert. Wir haben alles ausführlich mit- einander besprochen. Deswegen ist es sehr richtig, dass (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- wir am Anfang dieser Legislaturperiode endlich diesen neten der SPD) Straftatbestand einführen. Die SPD-Fraktion hat sich Ich hoffe, wir können eine ernsthafte Debatte führen. lange dafür eingesetzt. Ich bin sehr froh, dass die Große Koalition das im Koalitionsvertrag vereinbart hat. Lassen Sie mich an dieser Stelle anmerken: Der Se- riosität des gesamten Vorhabens hilft es nicht, innerhalb ( [CDU/CSU]: Da sehen Sie einer Woche eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf so- mal, was alles möglich ist!) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1117

Dr. Eva Högl (A) Ganz am Anfang dieser Legislaturperiode ist diese Ver- für die Kolleginnen und Kollegen in den Landtagen und (C) einbarung ein Bestandteil dieses Gesamtpaketes. Sie ge- in den kommunalen Gebietskörperschaften. hört nämlich in dieses Paket, weil sie unsere Rechtsstel- Deswegen darf ich hier alle dazu auffordern: Lassen lung als Abgeordnete betrifft. Dies ist ein guter Tag, und Sie uns gemeinsam – gemeinsam! – diesen Gesetzent- es ist eine gute Nachricht, dass wir als Große Koalition wurf auf den Weg bringen! Ich darf das so sagen: Wir jetzt endlich handeln. haben als Große Koalition jetzt einen exzellenten Ge- (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der setzentwurf vorgelegt. Wir haben alle rechtlichen Un- CDU/CSU) klarheiten, so denke ich jedenfalls, beseitigt. Wir haben einen praktikablen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir können Worum geht es? Korruption ist ein ernstes Problem. das Unbehagen natürlich nicht gänzlich ausräumen, aber Sie führt zu wirtschaftlichem, politischem und gesell- es gibt selbstverständlich auch engagierte Staatsanwäl- schaftlichem Schaden, und sie führt – das betrifft uns tinnen und Staatsanwälte, die ganz genau hinschauen alle hier im Deutschen Bundestag – zu einem Verlust des werden. Vertrauens in staatliche Organe und zu einem Verlust des Vertrauens in das gesamte politische System. Es muss Die Regelungen, die wir jetzt schaffen werden – ich uns Abgeordnete alle miteinander sehr besorgen, wenn hoffe, dass sie so in Kraft treten –, sind auf jeden Fall die Bürgerinnen und Bürger uns nicht mehr vertrauen klar. Es sind klare Handlungsanweisungen. Wir haben und unseren demokratischen Institutionen mit diesem einen praktikablen Gesetzentwurf vorgelegt; daran müs- Misstrauen begegnen und damit letztlich unserer Demo- sen wir als Abgeordnete ein Interesse haben. Deswegen kratie schaden. spreche ich ganz gezielt noch einmal die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition an: Lassen Sie es uns Insofern ist es so wichtig, die Bestechung von Abge- doch schaffen, dass wir gemeinsam als Deutscher Bun- ordneten endlich unter Strafe zu stellen; wir haben uns destag ein Signal senden, die Bestechlichkeit und die lange dafür eingesetzt. Als SPD-Fraktion haben wir auch Bestechung von Abgeordneten unter Strafe stellen und weiter gehende Vorschläge gemacht, von denen ich der Korruption damit eine deutliche Absage erteilen! Es hoffe, dass sie hier irgendwann weiterverfolgt werden. wäre ein wirklich gutes Signal zu Beginn dieser Legisla- Ich denke zum Beispiel an die Einführung eines Lobby- turperiode, wenn uns das gelänge. Wir haben mit dem registers und die sogenannte legislative Fußspur. Gesetzentwurf einen guten Vorschlag gemacht. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Halina Herzlichen Dank. Wawzyniak [DIE LINKE]) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben heute Morgen hier darüber diskutiert, dass (B) (D) wir finanziell unabhängige Abgeordnete benötigen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dazu ist einiges gesagt worden. Wir haben auch darüber Nun erhält Katja Keul das Wort für die Fraktion gesprochen – das ist wichtig in diesem Zusammenhang –, Bündnis 90/Die Grünen. dass wir mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit Lobby- istinnen und Lobbyisten selbstverständlich im Austausch Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sind, dass wir auf Informationen und diesen Meinungs- Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und austausch angewiesen sind. Aber wir dürfen uns niemals Kollegen! Die Geschichte der Abgeordnetenbestechung von einzelnen Positionen abhängig machen, und wir dür- geht ganz langsam los und beschleunigt dann derart, fen uns niemals – deswegen haben wir das aufgegriffen, dass man regelrecht Angst vor einem Crash haben muss. Frau Wawzyniak – an Aufträge und Weisungen gebun- den fühlen. Das besagt Art. 38 unseres Grundgesetzes. Unter Rot-Grün wurde 2003 die Konvention der Ver- Genau so haben wir es in unseren Gesetzentwurf ge- einten Nationen gegen Korruption unterzeichnet. Seit- schrieben: dass wir uns an Aufträge und Weisungen dem werden wir jährlich gerügt, weil wir es anscheinend nicht gebunden fühlen und dass wir daran nicht gebun- nicht schaffen, die Abgeordnetenbestechung unter Strafe den sein dürfen. zu stellen. Von allen Unterzeichnerstaaten haben allein Saudi-Arabien, Sudan, Syrien, Myanmar und Deutsch- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) land die Konvention bis heute nicht ratifiziert – wirklich Unser Gesetzentwurf setzt eine ganz konkrete Un- nette Gesellschaft, in der wir uns da befinden! rechtsvereinbarung voraus: Der Vorteil muss für eine (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir haben auch Gegenleistung gewährt werden. – Bestraft wird nur, mit denen, die ratifiziert haben, eine nette Ge- wenn es eine konkrete Gegenleistung gibt und wenn sich sellschaft, wo es auch Korruption gibt!) daraus ein ungerechtfertigter Vorteil ableitet. Wir defi- nieren diesen ungerechtfertigten Vorteil; ich habe das 2011 lagen sowohl Entwürfe von uns Grünen als auch diesbezügliche Lob selbstverständlich schon entgegen- von der Linken vor. 2012 gab es dann auch einen Ent- genommen. Wir schaffen mit diesem Gesetzentwurf eine wurf von der SPD, von dem wir Teile heute wiederfin- klare Regelung, nämlich dass der Vorteil dann nicht un- den – aber leider genau die Formulierungen, die von den Experten bei der Anhörung als begrenzt tauglich qualifi- gerechtfertigt ist, wenn er im Einklang mit den Regelun- ziert worden sind. gen steht, die für Abgeordnete gelten. Für uns sind das selbstverständlich die Verhaltensregeln hier im Deut- Bei allen Entwürfen hat die Union stets behauptet, sie schen Bundestag. Das gilt aber in gleicher Weise auch seien zu ungenau, zu unpräzise, zu schwammig. Unse- 1118 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Katja Keul (A) rem grünen Entwurf wurde vorgehalten, er enthalte un- umgekehrt? Soll die Strafbarkeit der Abgeordnetenbe- (C) bestimmte Rechtsbegriffe, kurzum: die Materie sei be- stechung die Diätenerhöhung besser aussehen lassen? kanntermaßen so komplex und schwierig, dass man sie (Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!) leider, leider mal wieder nicht lösen könne. In der Eile ist Ihnen dann leider noch ein kleiner Feh- Und jetzt? Es liegt was vor, ja. – Da hat sich sogar die ler unterlaufen. Ging es nicht eigentlich darum, die UN- Union endlich bewegt, und das ist positiv. Konvention von 2004 zu ratifizieren? Ach ja, da war et- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) was. Gut, wenn man eine Opposition hat, die an alles denkt, auch wenn sie noch so klein ist. Ansonsten sehe ich jede Menge unbestimmte Rechtsbe- griffe: Wann ist zum Beispiel ein Vorteil ungerechtfer- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN tigt? Oder: Wann handelt ein Abgeordneter denn im sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Axel Auftrag oder auf Weisung? Genau genommen – das Schäfer [Bochum] [SPD]: Das haben aber die kann ich Ihnen sagen – nie; das sagt ja schon Art. 38 Wähler entschieden und nicht die Koalition!) Grundgesetz. Ein Abgeordneter ist an Aufträge und Wei- Wir haben Ihnen dankenswerterweise noch schnell sungen nicht gebunden. Dann ist ja gut: Er kann den den Gesetzentwurf zur Ratifizierung der Konvention Straftatbestand damit gar nicht erfüllen. Gute Idee! vorgelegt, damit Sie sich bei der nächsten Auslandsreise Und weil das alles noch nicht sicher genug ist, stellen nicht immer noch von Assad, Baschir und den anderen Sie noch einmal klar, dass alles das nicht strafbar ist, was netten Herren vorwerfen lassen müssen, wir seien in Sa- den Verhaltensregeln entspricht. Ich zitiere Ihre Geset- chen Korruption doch alle nicht besser als sie selbst. Sie zesbegründung: sehen also, wie sinnvoll es sein kann, auf die Opposition zu hören, statt Gesetzgebung im Blindflug zu betreiben. Mit dem Verweis … wird dem Umstand Rechnung getragen, dass für die von dem Tatbestand erfassten In diesem Sinne vielen Dank. Mandatsträger keine einheitlichen Regelungen gel- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ten und entsprechende Vorschriften von der jeweili- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) gen Vertretungskörperschaft innerhalb ihrer Auto- nomie und entsprechend den Gegebenheiten vor Ort festgelegt werden sollten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Toll, wie es Ihnen gelungen ist, dem Bestimmtheitsgebot die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker für die hier zu entsprechen! CDU/CSU-Fraktion. (B) (D) Und weil das jetzt angeblich alles so einfach ist, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- braucht man natürlich auch kein geordnetes Verfahren neten der SPD) mehr – geschweige denn eine vorbereitete Anhörung von Experten mit anschließender gründlicher Beratung. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): (Volker Kauder [CDU/CSU]: Haben wir alles Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen schon hinter uns!) und Kollegen! Wir diskutieren heute zwei Komplexe, Wie man das macht? Ganz einfach: Sie informieren am die mehr gemeinsam haben als den Wortbestandteil „Ab- Montagabend die Fraktionsspitzen der Opposition, dass geordneten“. Beide betreffen den Kern des freien Man- Sie einen Gesetzentwurf haben, den Sie auch gleich auf dats: in seiner Ausgestaltung und seinem Schutz. Bei die Tagesordnung für Freitag setzen. Um eine Aus- den Diäten geht es um die materielle Absicherung, bei schussanhörung für den nächsten Montag zu beschlie- der Frage der Bestechung um den inhaltlichen Schutz ßen, vor unzulässiger Beeinflussung. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Insofern, denke ich, müssen wir die Frage an den An- GRÜNEN]: Das geht ja gar nicht!) fang stellen: Was macht das freie Mandat aus? Was kennzeichnet es im Idealfall? Dabei sehe ich einen Ab- ist es dann leider zu spät. Das muss also am Mittwoch im geordneten vor mir, der sich wirklich kümmert, der an- Rechtsausschuss vorsorglich beschlossen werden, bevor sprechbar ist, der bei seinen Wählern ist, der Interessen der Gesetzentwurf überhaupt überwiesen ist. Da es aber aufnimmt, sich diese anhört, sich dann in Bewegung leider auch schon zu spät ist, die reguläre Tagesordnung setzt und sich zur Wahrung dieser Interessen einbringt, für den Rechtsausschuss zu ergänzen, wird mal eben der sich die notwendigen Informationen beschafft, der eine Sondersitzung einberufen: eine halbe Stunde vor seine Prioritäten so setzt, wie er es möchte, der durchaus der regulären Sitzung und mit dem einzigen Punkt: Vor- auch politisch-taktisch denkt, weil er weiß, dass er die sorgliche Vereinbarung einer Anhörung. Tolles Verfah- Dinge nicht allein bewegen kann, sondern Kompromisse ren! Das Praktische an der Sache: Die Opposition konnte machen muss und der bei alldem seinem eigenen Gewis- ihre eigenen Anträge gar nicht mehr einreichen, und etli- sen folgt, nicht an Aufträge und Weisungen gebunden che Experten sind bis Montag auch gar nicht verfügbar. ist. Es wird auch nicht besser, wenn man zeitgleich mit Daraus folgt zweierlei: Es ist erstens richtig, unter der Strafbarkeit der Bestechung auch noch schnell die Strafe zu stellen, wenn dieses freie Mandat käuflich ge- Diätenerhöhung vorbeiziehen lassen will. Oder ist es gar macht wird. Das darf nicht sein. Das ist auch nicht vom Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1119

Elisabeth Winkelmeier-Becker (A) Grundgesetz geschützt. Zweitens darf die Regelung, die ändert oder nicht, all das ist vom freien Mandat umfasst, (C) wir treffen, das freie Mandat nicht einschränken. Sie darf kann aber im Einzelfall auch auf einer Unrechtsverein- nicht dazu führen, dass gewünschtes, legitimes, erwarte- barung beruhen. tes Verhalten sich verändert, dass Abgeordnete sich zu- Interessenvertretung ist unser Kerngeschäft, für uns rückziehen, weniger ansprechbar sind, sich weniger für also etwas ganz Normales. Es gehört zu dem, was die die Interessen einsetzen, weil sie zu Recht oder zu Un- Bürger von uns erwarten und was jeder gute Abgeord- recht fürchten, Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen nete, der seinen Beruf ernst nimmt, tut. Im Einzelfall zu werden. kann sein Handeln trotzdem auf einer Unrechtsvereinba- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- rung beruhen. neten der SPD) Ein Merkmal ist der Vorteil. Unter Vorteil versteht je- Deshalb muss klar sein: Wer erkennbar nur eigener der etwas anderes. Wenn Sie mich zum Beispiel zum Überzeugung folgt, darf nicht dem Risiko strafrechtli- Fußballländerspiel in die VIP-Lounge von Bayern Mün- cher Ermittlungen unterliegen, sondern muss auf der si- chen einladen würden, würde ich sagen, ich sitze lieber cheren Seite sein, damit er auch weiter motiviert ist, zu Hause auf der Couch und habe meine Ruhe. diese Überzeugung einzubringen. (Heiterkeit und Beifall) Nun haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Aber viele andere würden das vielleicht als Vorteil be- bestehende Regelung zur Strafbarkeit von Abgeordne- zeichnen. tenbestechung in § 108 e StGB erweitert. Wir haben dies nicht deshalb getan, weil wir ein besonderes Korrup- tionsproblem in Deutschland hätten. Gerade in der letz- Präsident Dr. Norbert Lammert: ten Woche hat die EU-Kommission Deutschland in ih- Frau Kollegin, Sie sollten noch einmal überlegen, ob rem Korruptionsbericht ein sehr gutes Testat ausgestellt. Sie das wirklich im Protokoll für jeden nachlesbar haben Wir sind über Jahre hinweg beständig in der obersten wollen. Gruppe der europäischen Staaten gewesen und haben (Heiterkeit) kein gravierendes Korruptionsproblem. ( [CDU/CSU]: So ist es!) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Ich stehe zu meinem Wort. – Es gibt viele Beispiele: Trotzdem nehmen wir wahr, dass auch unser BGH Straf- Darf ich jetzt nicht mehr zu einem parlamentarischen barkeitslücken moniert, wo strafwürdiges Verhalten Abend gehen? Muss ich dann schon irgendetwas be- (B) nicht angemessen sanktioniert ist. Natürlich gefällt auch (D) fürchten? Klar ist: Das sind Dinge, die den Rahmen bil- uns nicht der Vergleich mit anderen Staaten, die die Kon- den für das, was von uns erwartet wird. Da finden die vention gezeichnet, aber nicht ratifiziert haben. Nord- Begegnung, die Kontaktaufnahme, die Information statt. korea hat es, glaube ich, jetzt sogar noch geschafft und Deshalb können Dinge wie Geschäftsessen, parlamenta- ist nicht mehr unter den Ländern, bei denen eine Ratifi- rische Abende, auch Reisen mit einem entsprechenden zierung noch aussteht. Das ist ein Vergleich, den wir uns informativen und dienstlich relevanten Programm von selber eigentlich nicht antun sollten. vornherein nicht zu den ungerechtfertigten Vorteilen ge- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der hören. SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) NEN) Jeder von uns braucht mindestens alle vier Jahre für Jetzt stehen wir also vor der nicht leichten Aufgabe, den Wahlkampf Spenden. Das sind handfeste finanzielle einerseits strafwürdiges Verhalten zu sanktionieren, an- Vorteile, ohne die das Ganze nicht zu bewältigen ist. All dererseits aber eben das freie Mandat nicht einzuschrän- das macht die Abgrenzung so schwierig. ken und darüber hinaus auch noch dem Bestimmtheits- gebot des Grundgesetzes gerade bei Strafnormen zu Deshalb müssen wir die Sorge der Kollegen in diesem genügen. Hause, aber auch die Sorge der Tausenden von Kollegen in den Landesparlamenten, den kommunalen Parlamen- Zentral ist die Frage der Unrechtsvereinbarung, das ten, der ehrenamtlich Tätigen ernst nehmen, dass auch synallagmatische Verhältnis zwischen dem versproche- ein Verhalten, das im besten Einklang mit dem Mandat nen Vorteil und der dafür geforderten Handlung. Wir steht, missverstanden werden und zu Ermittlungen füh- werden – das ist in der Praxis die Schwierigkeit – selten ren kann. Ein Ermittlungsverfahren ist für jeden unange- eine Vereinbarung finden, über der „Unrechtsvereinba- nehm, eine echte Belastung. Aber für Politiker ist es häu- rung“ steht nach dem Motto: Du machst das, und dafür fig der politische Tod. Da reicht es, dass die Immunität kriegst du das. – Vielmehr wird immer an Indizien an- aufgehoben wird, dass ermittelt wird. Welches Urteil am geknüpft werden. Da ist es sehr schwierig, objektive Ende im Einzelnen gefällt wird, interessiert dann keinen äußere Merkmale zu finden, die eine klare Beurteilung mehr. ermöglichen. Denn das freie Mandat umfasst alle Hand- lungsoptionen: Ob man eine Rede hält oder nicht, ob Deshalb müssen wir mit zwei Ansätzen in die Diskus- man dafür oder dagegen spricht, ob man seine Meinung sion gehen. 1120 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

(A) Präsident Dr. Norbert Lammert: wirklich auf krasse Weise am Bestimmtheitsgebot vor- (C) Frau Winkelmeier-Becker, darf der Kollege Ströbele bei. Das haben wir auch der Anhörung im Rechtsaus- Ihnen noch kurz vor Schluss eine Zwischenfrage stellen? schuss, die im Herbst 2012 stattgefunden hat, entnom- men. Der von uns heute vorgelegte Gesetzentwurf ist Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): dahin gehend eine deutliche Verbesserung. Aber gerne. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich komme zurück zu den zwei Ansätzen, mit denen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE wir Verbesserungen des Gesetzentwurfes erreichen wol- GRÜNEN): len. Zentral für eine richtige Bewertung von strafwürdi- Frau Kollegin, danke, dass Sie die Frage zulassen. – gem Verhalten einerseits und legitimer Ausübung des Wir haben – darauf ist hingewiesen worden – leider sehr freien Mandates andererseits ist die Kenntnis der parla- wenig Zeit, das Thema zu beraten. Auch im Rechtsaus- mentarischen Zusammenhänge und Abläufe. Die Frage schuss haben wir es nur anberaten können. Deshalb ist, ob das bei der Staatsanwaltschaft und bei den Ge- stelle ich Ihnen hier noch einmal die Frage, die ich schon richten bereits in dem Maße verankert ist, wie es nötig im Ausschuss gestellt habe. „Aufträge und Weisungen“, wäre. Deshalb plädiere ich dafür, sich einmal anzu- wie es im Grundgesetz heißt, haben ja zunächst nichts schauen, wie wir die Kenntnis, die im Parlament selbst mit Strafbarkeit zu tun. Sie haben dieses Merkmal jetzt vorhanden ist – beim Bundestagspräsidenten, den Gre- wieder in den Gesetzentwurf aufgenommen. Es stand mien, der Rechtsstellungskommission, dem 1. Ausschuss auch schon in früheren Gesetzentwürfen, sogar einmal in und dergleichen –, noch verbindlich in das Verfahren einem von uns; aber wir haben das nachher nicht mehr einbinden können, sowohl was einen Verfahrensschritt hineingenommen. Denn es gibt Fälle, bei denen es sich als auch die materielle Beurteilung angeht. Ich denke, ganz offensichtlich um Bestechung handelt, denen keine das könnte eine echte Qualitätsverbesserung bringen, die Aufträge oder Weisungen vorausgehen, zum Beispiel auch die Schwierigkeiten in Hinblick auf das Bestimmt- wenn der Abgeordnete oder die Abgeordnete selber zu heitsgebot ein Stück weit ausgleichen könnte. irgendeinem Unternehmer geht und sagt: Möchtest du nicht für mich diese oder jene Leistung erbringen, wenn Der andere Punkt ist, dass wir uns wirklich Gedanken ich mich so und so verhalte? – Da gibt es keinen Auftrag darüber machen sollten, ob wir die Zuständigkeit bei der und keine Weisung, sondern lediglich den Wunsch des Strafverfolgung konzentrieren, damit mit der Zeit die Abgeordneten selber. Sie wissen, dass das ein großes un- entsprechende Expertise entsteht. bestimmtes Feld ist, das sehr schwer zu regeln ist. Wie, (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- meinen Sie, können Sie dieses Problem lösen, wenn es neten der SPD) (B) bei Ihrer Formulierung bleibt? Wir haben ja eine andere (D) Formulierung vorgeschlagen, die unserer Ansicht nach Das hatten die Linken in ihrem Gesetzentwurf netter- besser ist. Darüber werden wir uns im Rechtsausschuss weise bereits vorgeschlagen. Daran könnte man even- unterhalten. Aber das ist doch ein ganz offensichtliches tuell anknüpfen. So ist auch im Prozessrecht für andere Problem. Bereiche eine Konzentration bei den OLGs geregelt. Unsere Aufgabe ist es jetzt, hier eine praktikable und Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): sachgerechte Regelung zu finden. Es ist dann Aufgabe Vielen Dank für die Frage. Die Formulierung „Auf- der Staatsanwaltschaften und Gerichte, diese Regelung träge und Weisungen“ ist ja Art. 38 Grundgesetz ent- mit Gespür für die parlamentarischen Besonderheiten nommen. Ich gehe nicht davon aus, dass Sie ein Problem und für das freie Mandat umzusetzen. Diesen Appell mit der Formulierung des Grundgesetzes haben. Wir richte ich ganz bewusst auch an die Medien, die manch- müssen uns Gedanken darüber machen, welche Tatbe- mal etwas vorschnell dabei sind, wenn irgendwo ermit- stände bzw. welche Sachverhalte darunterfallen sollen. telt wird. Denn dann und nur dann ist die Regelung ein Sie nennen ein Beispiel, das nach meiner Bewertung Gewinn für die Demokratie und für das freie Mandat. ganz klar unter „Aufträge und Weisungen“ fällt. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD und der Abg. Halina (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wawzyniak [DIE LINKE]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Denn man kann Aufträge und Weisungen auch einwer- Ich schließe die Aussprache. ben. Wer hingeht und sagt: „Ich würde für einen gewis- sen Vorteil dieses und jenes machen; wäre das nicht in Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Gesetzent- deinem Interesse?“, der lässt sich einen Auftrag bzw. würfe auf den Drucksachen 18/477, 18/476 und 18/478 eine Weisung geben, die an einen Vorteil geknüpft ist. an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu Das ist ein ganz klassischer Anwendungsfall der Vor- überweisen. Gibt es andere Vorschläge? – Das ist nicht schrift, die wir Ihnen zur Abstimmung vorlegen. der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. (Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Genau!) Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 auf: Im Gegensatz dazu ist das, was Gegenstand des Ent- Beratung des Antrags der Fraktion BÜND- wurfs der Grünen war, uferlos und wabernd und geht NIS 90/DIE GRÜNEN Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1121

Präsident Dr. Norbert Lammert (A) Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeit- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (C) alter sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) Drucksache 18/182 Überweisungsvorschlag: Wir haben diesen Appell – und das ist er im wahrsten Innenausschuss (f) Sinne des Wortes – zum Gegenstand unseres Antrags für Auswärtiger Ausschuss diese Debatte gemacht. Ich begrüße einige Unterzeich- Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz nerinnen und Unterzeichner heute hier im Plenum. Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union sowie der Abg. [Wetzlar] Ausschuss für Kultur und Medien [SPD] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]) Ausschuss Digitale Agenda Die Besorgnis der Bürgerinnen und Bürger ist im- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für mens. Es sind nicht nur einige wenige, die sagen: Wir diese Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Auch hierzu haben ein Problem. Zugleich ist es so, dass die Bundes- höre und sehe ich keinen Widerspruch. Also können wir regierung, dass die Bundeskanzlerin immer noch nicht so verfahren. aufgewacht sind und immer noch nichts tun, um die Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Grundrechte der Menschen in diesem Land, in dieser Kollegin Katrin Göring-Eckardt. Republik zu schützen und zu sichern. Das ist der Skan- dal, über den wir in diesem Parlament reden müssen. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN NEN): sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nein, es geht nicht darum, den Hashtag „#Neuland“ „Lass uns lieber spazieren gehen, das können wir hier in dieser Debatte fortzuführen, und zwar auch deswegen, drin nicht besprechen. Wir wissen nicht, ob es eine weil es überhaupt nichts mehr mit Ironie zu tun hat und Wanze gibt: in der Lampe oder im Telefon.“ – So war es weil es überhaupt nicht lustig ist. Wir erleben, wie atem- zu DDR-Zeiten. „Das sage ich Ihnen nicht am Telefon. beraubend leichtfertig, wie atemberaubend oberflächlich Lassen Sie uns mal lieber spazieren gehen“, schieb ges- mit Grundrechten von Individuen, der Bürgerinnen und tern ein Journalist über ein Telefonat mit einem Mitar- Bürger umgegangen wird, aber auch mit den Rechten beiter des Bundeskanzleramtes. Nein, natürlich sind der Unternehmen, der Wirtschaft, die sich heute fragen: diese beiden Dinge überhaupt nicht miteinander zu ver- Sind eigentlich unsere Daten, ist unsere Unternehmens- (B) gleichen. Natürlich ist es gut, dass wir nicht in einer Dik- kommunikation in irgendeiner Weise sicher? Wenn Sie (D) tatur, sondern in einer Demokratie leben, wo solche sich schon nicht für die Individuen interessieren, dann Dinge öffentlich werden und gesagt werden. vielleicht doch für die Unternehmen in diesem Land, die zutiefst verunsichert sind. Ja, meine Damen und Herren, die digitale Revolution hat unser Leben, hat unseren Alltag verändert wie viel- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) leicht keine andere Entwicklung. Wir leben, wir kommu- Was erleben wir? Wir sollen darauf vertrauen, dass nizieren, wir streiten online. Wir alle schätzen auf der ei- der ehemalige Kanzleramtsminister die Affäre für been- nen Seite diese Chancen, diese Freiräume, diese det erklärt hat. Pofalla beendet Dinge, das kennen wir Möglichkeiten, die uns das Netz bietet. Auf der anderen alle. Wir erleben erfolglose Reisen in die USA und hö- Seite sind wir seit mindestens einem Dreivierteljahr Zeu- ren, dass Geheimdienstler mit Geheimdienstlern Gehei- ginnen und Zeugen des größten Geheimdienstskandals, mes besprechen. Wir sind im Gegensatz zu Ihnen nicht den die westlichen Demokratien je erlebt haben. so überrascht, dass das No-Spy-Abkommen nicht zu- stande kommt. Dennoch war es das Einzige, was Sie als (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antwort vorweisen konnten. Wo sind wir denn, wenn sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE eine Bundesregierung es nicht für nötig hält, dafür zu LINKE]) kämpfen, dass die Grundrechte der Bürgerinnen und Die Ausmaße der Überwachung nehmen Dimensionen Bürger gegenüber ausländischen Geheimdiensten ge- an, die wir bisher nicht für möglich gehalten haben. Hier wahrt werden? wird die Axt direkt an die Wurzel unseres Rechtsstaates (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gelegt. Genau das ist die Katastrophe. sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Ausspähen von Freunden, das geht gar nicht.“ Deut- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- liche Worte immerhin. Hier ging es um das eigene KEN) Handy. Aber wenn es um die Handys, um die E-Mail- Postfächer, um die Verbindungsdaten und die digitalen Das kann und darf niemandem gleichgültig sein. Ge- Privaträume von Bürgerinnen und Bürgern geht, dann ist nau deswegen haben 562 Schriftstellerinnen und Schrift- Fehlanzeige. Ich finde das ignorant, ich finde das verant- steller weltweit ihre Stimme erhoben und fordern, die wortungslos, und ich finde, das verändert unseren Staat Demokratie im digitalen Zeitalter zu verteidigen. Um und unsere Gesellschaft. Wenn eine Bundesregierung nicht weniger geht es, meine Damen und Herren. nicht dafür eintritt, dass Bürgerinnen und Bürger Ge- 1122 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Katrin Göring-Eckardt (A) heimnisse haben dürfen, dass sie Geheimnisse haben Deswegen ist es gut, dass der Untersuchungsausschuss (C) dürfen sollen, wenn sie nicht dafür eintritt, zwischen endlich eingesetzt wird. Terrorismusbekämpfung, die natürlich notwendig ist, und massenhafter Ausspähung zu unterscheiden, dann Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass die Zi- verändert das unsere Gesellschaft auf eine Weise, die wir vilgesellschaft wach ist, dass sie den Schutz der Bürge- nicht zulassen wollen; denn hier muss die Demokratie rinnen und Bürger einfordert. Es liegt eine Klage beim im Kern verteidigt werden. Generalbundesanwalt gegen die Bundesregierung vor – so weit ist es schon gekommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Wenn es um den Grundrechtsschutz geht, sollte man wissen: Dann sind wir natürlich ganz schnell bei der europäi- schen Ebene. Sie hängen sich da nicht rein, Sie vermei- Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei … den sogar, das Thema auf EU-Ebene anzusprechen. Mit So steht es in dem Appell der Schriftstellerinnen und der EU-Datenschutzverordnung wäre eine grundlegende Schriftsteller. Ich kann nur sagen: Ja, genau so ist es. Veränderung auch zügig möglich gewesen. Doch stär- kere Reformen und Veränderungen sind eben gerade auf Man hat als Mensch das Recht, etwas zu verbergen, Treiben Deutschlands, der deutschen Bundesregierung man hat als Mensch das Recht, bestimmte Dinge unver- hin auf Eis gelegt worden – ein weiterer Skandal, ein fügbar zu halten. Wir wollen nicht, dass sich unser weiteres Nicht-hinsehen- und Nicht-handeln-Wollen, Schreiben und unser Reden, am Ende womöglich sogar meine Damen und Herren. Ein weiteres Mal sind hier die unsere Gedanken verändern, weil wir immer damit rech- Interessen der Bürgerinnen und Bürger nicht geschützt nen müssen, dass wir abgehört oder beobachtet werden. worden; sie sind zum Freiwild für Überwachung gewor- Das verändert uns als Individuen. Ich sage klar und deut- den. lich: Das können wir nicht zulassen; das wollen wir nicht zulassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mängel beim Grundrechtsschutz für 80 Millionen Bür- Ja, ich gehe sehr gern spazieren. Aber ich telefoniere gerinnen und Bürger und für Wirtschaftsunternehmen auch unheimlich gern mit meiner Freundin, und dann können und dürfen nicht ausgesessen werden. Hier muss tauschen wir Geheimnisse aus. Und darauf, verdammt man aktiv werden. noch mal, haben wir ein Recht. Dieses Recht muss ga- rantiert sein, nicht nur für mich, sondern für alle Bürge- Sie halten die anlasslose Massenüberwachung der Be- rinnen und Bürger. (B) völkerung weiterhin für ein geeignetes Instrument. Die (D) Vorratsdatenspeicherung soll in Deutschland kommen. Vielen Dank. Ich sage Ihnen ganz klar: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Erstens. Wir werden alles tun, damit es nicht ge- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) schieht. Zweitens sage ich an die Adresse von Herrn Maas: Präsident Dr. Norbert Lammert: Ihre Vorgängerin hat diese Sache ausgesessen. Das reicht Thomas Jarzombek erhält nun das Wort für die CDU/ jetzt nicht mehr. Jetzt muss man aktiv werden und dafür CSU-Fraktion. sorgen, dass das nicht passiert. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Er plant das Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich Gegenteil!) finde, das ist ein besonderer Augenblick. Wir haben ges- Wenn sich die Bundesregierung in diesem Skandal tern den neuen Ausschuss Digitale Agenda eingesetzt. der Wahrung der Grundrechte und der Menschenrechte Meine Kollegen von der Arbeitsgruppe Innen, vor allem der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet fühlt, dann gibt Clemens Binninger, haben sich spontan entschieden, als es doch nur eine wirkliche Antwort, und das ist in einem ersten Redner der Fraktion ein Mitglied unseres neuen ersten Schritt die umfassende Aufklärung ohne jedes Ausschusses, nämlich mich, zu wählen. Dafür bedanke Wenn und Aber sowie Schluss mit der Überwachung. ich mich. Ich sehe, dass Sie sich immer noch wegducken. Wer (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- musste denn den Untersuchungsausschuss beantragen? neten der SPD – Dr. Konstantin von Notz Das waren die Oppositionsfraktionen in diesem Haus. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mal abwar- Wer musste denn dafür sorgen, dass es einen umfassen- ten, was du sagst!) den Untersuchungsauftrag gibt? Das waren die Opposi- tionsfraktionen in diesem Haus. Ja, natürlich, wir wollen Ich finde, das ist ein tolles Signal. Ich denke, das könn- auch wissen, inwiefern die deutschen Dienste an diesem ten die anderen Fraktionen künftig gut in ähnlicher Überwachungsskandal beteiligt sind. Weise handhaben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wir ma- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) chen das von vornherein!) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1123

Thomas Jarzombek (A) Sie haben heute einen Antrag zum Thema „Demokra- aber der Einzeltransporter muss gesichert sein. Im Stra- (C) tie im digitalen Zeitalter“ eingebracht. Wir haben in der ßenverkehr ist das der Fall, im Internet allerdings nicht. Enquete-Kommission – ich sehe hier vorne Konstantin Deswegen müssen wir uns des Themas Verschlüsselung von Notz – lange über die Chancen des Digitalen für die annehmen. Demokratie geredet, über Formen der Bürgerbeteiligung, Man könnte sagen – in Anlehnung an ein Zitat von von mehr Transparenz, von mehr Teilhabe. Dass Sie das Ron Sommer zur CeBIT-Eröffnung –, dass es sich mit alles in Ihrem vorliegenden Antrag überhaupt nicht fo- dem Thema E-Mail-Verschlüsselung ähnlich verhält wie kussieren, finde ich schade. Die Risiken, die Sie betrach- mit dem Thema Teenagersex: Alle reden darüber, kaum ten, sind nur ein Ausschnitt des Themas. einer tut es, und diejenigen, die es machen, die haben Die Zielsetzung Ihres Antrags – das macht auch der meistens auch noch Schwierigkeiten damit. Appell der 562 Schriftsteller deutlich – ist richtig. Die (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frage ist nur, ob die Konsequenzen, die daraus gezogen [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE werden, die passenden sind. Denn eines muss man fest- GRÜNEN]: Was?) stellen: Wir wissen durch Edward Snowden viel darüber, was die USA und auch Großbritannien machen. Wir wis- Wir müssen erst einmal daran arbeiten, dass wir das sen aber sehr wenig darüber, was in Russland und in Thema E-Mail-Verschlüsselung einfacher machen. Wir China passiert. müssen es für die Menschen greifbarer machen. Wir müssen Anreize setzen. Wir müssen uns überlegen, ob (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE man das Thema nicht auch gesetzlich flankiert: Ich GRÜNEN]: Na ja! – Claudia Roth [Augsburg] meine damit eine Pflicht zur verschlüsselten Verbindung [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht es zwischen Clients und Servern, was einige Provider nicht besser!) schon einführen. Ich glaube, es ist naiv, anzunehmen, wir könnten durch Die Initiative „E-Mail made in Germany“ ist eine ein einziges Abkommen mit den USA die gesamte Pro- gute Initiative, weil sie dafür sorgt, dass sich die Menge blematik lösen. der verschlüsselten Daten insgesamt erhöht. Das muss (Beifall bei der CDU/CSU) ein wesentliches Ziel sein. Letztendlich können Sie heute alles knacken, aber diese Fähigkeit ist eine knappe Zu einem weiteren Thema, den Unternehmen. Ich Ressource, und je mehr verschlüsselte Verkehre es gibt, glaube, dass die Situation hier möglicherweise viel gra- umso knapper wird die Ressource, diese zu dechiffrie- vierender ist. Schon vor Jahren habe ich verschiedentlich ren. Insofern brauchen wir möglichst viel verschlüssel- darüber gebloggt und geschrieben, dass Google alle Ein- (B) ten Verkehr. Um den Verkehr zu verschlüsseln, brauchen (D) gaben personalisiert: die Suchanfragen der letzten neun wir mehr Algorithmen, für die andere Dienste oder Län- Monate, alle meine E-Mails, alle meine Kalenderein- der keinen Zweitschlüssel haben. Das ist ein ganz wich- träge. Das erlaubt einen Einblick in das persönliche Le- tiger Punkt. Wir müssen auf deutsche Forschung und ben, der schon ziemlich enorm ist, und wir haben es mit deutsche Algorithmen setzen. einem privaten Unternehmen zu tun, das von keiner öf- fentlichen Stelle in irgendeiner Art und Weise kontrol- Nicht zuletzt ist es so: Wenn Sie als Endanwender liert wird. Wir können auch nur Mutmaßungen darüber eine E-Mail verschlüsseln wollen, dann brauchen Sie ein anstellen, wie sicher die Daten dort sind und mit wem E-Mail-Zertifikat. Wenn Sie das kostenlos bekommen die Daten ausgetauscht werden. wollen, gehen Sie in der Regel zu einem amerikanischen Provider. Das ist dann wie bei der Haustür: Sie bekom- Appelle helfen hier nicht weiter; denn das konstitu- men zwar Ihren eigenen Schlüssel, aber wer noch eine tive Merkmal ist, dass die Menschen selbst ihre Daten Kopie davon hat, das wissen Sie nicht. Deshalb sollte eingeben. Das ist vielleicht auch der Unterschied zu den sich der Ausschuss als Erstes darauf fokussieren, durch Vorgängen im Unrechtsstaat DDR, Frau Göring-Eckardt, eine Initiative dafür zu sorgen, dass jeder Bürger unseres auf die Sie eben eingegangen sind. Die Daten werden Landes kostenfreie E-Mail-Zertifikate von einer deut- selbst eingestellt. schen Stelle – das kann die Bundesdruckerei oder eine Lassen Sie mich heute die Gelegenheit nutzen, drei Unternehmensinitiative sein – erhält. Das ist ein wichti- sehr konkrete Bereiche anzusprechen, die Schwerpunkte ges Ziel. der Arbeit des Ausschusses Digitale Agenda bilden wer- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- den. Es ist wichtig, dass wir insgesamt aufrüsten. neten der SPD) Erstens. Die Frage ist: Wie sicher sind unsere Daten Zum Zweiten ist es sehr wichtig – auch da müssen wir unterwegs? Kann ich als Einzelperson wie als Unterneh- konkret etwas machen –, dass sich die Plattformen ein men Privates privat halten? Als Stichworte sind hier „IT- Stück weit wieder stärker an den europäischen Gesetzen Airbus“ und „Schengen-Routing“ zu nennen. Doch diese und dem europäischen Verständnis orientieren. Was hel- allein werden das Problem nicht lösen können, dafür fen mir sichere Netze und Abkommen mit irgendwel- sind die Netze viel zu komplex. chen Staaten, wenn jeder seine intimsten Daten bei Vergleichen wir die Situation im Internet mit der Si- Google speichert oder sucht, wenn jeder seine privaten tuation im Straßenverkehr. Auf unseren Straßen fahren Dateien bei Dropbox hochlädt und bei Facebook seine durchaus auch Kriminelle, Terroristen und Bankräuber, gesamte soziale Kommunikation stattfinden lässt? 1124 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Thomas Jarzombek (A) Daran wird eine klare Schwäche des Standorts ich, ein wichtiges Thema, das wir gerade jetzt als Erstes (C) Deutschland deutlich: Hinter all diesen Plattformen ste- adressieren müssen. hen de facto keine europäischen Unternehmen. Selbst (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- die in Deutschland gegründeten Unternehmen sind mitt- neten der SPD) lerweile keine europäischen Unternehmen mehr. Ich ma- che das an einem ganz konkreten Beispiel deutlich: Es Ich freue mich, dass wir die Chancen, die sich durch gibt ein Unternehmen aus – ich mag es als Düsseldorfer unseren neuen Ausschuss ergeben, nutzen können. Wir kaum aussprechen – Köln. Diese Firma ist sehr erfolg- werden einen guten Dialog mit den Kollegen in den an- reich. Sie hat eine Menge Algorithmen entwickelt, um deren Ausschüssen, insbesondere im Innenausschuss, große Datenbestände – Big Data – untersuchbar zu ma- führen. Ich glaube, dass wir, wenn wir an diesen Themen chen. Diese Firma besitzt eine Reihe von Patenten. Sie arbeiten, einen substanziellen Sprung nach vorne ma- wurde in der ersten Stufe in Deutschland finanziert. Als chen werden. Was mich an der Diskussion stört, ist, dass dieses Unternehmen auf den Weltmarkt wollte – dieses wir zwar sehr lange über die Themen reden, bisher aber Unternehmen hat inzwischen eine Finanzierung von nur sehr wenig über konkrete Lösungen. Das möchten 13,6 Millionen Dollar –, bekam es Finanzierungsmittel wir gerne in Angriff nehmen. fast ausschließlich im Silicon Valley, weil es hier keine Vielen Dank. Investoren gibt. Die Entwicklungsabteilung dieses Un- ternehmens befindet sich zwar immer noch in Köln, aber (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- inzwischen hat es auch ein Büro mit 30 Mitarbeitern in neten der SPD) Palo Alto, und es gründet ein weiteres Büro in Boston. Was ist das jetzt für eine Firma? Ist das eine deutsche, Präsident Dr. Norbert Lammert: eine europäische oder eine amerikanische Firma? Wie Die Kollegin Wawzyniak hat nun das Wort für die verhält man sich in dieser Firma, wenn die NSA anklopft Fraktion Die Linke. und sagt: „Wir wollen gerne mit euch über Schnittstellen reden“? (Beifall bei der LINKEN)

Hier wird eine Schwäche ganz deutlich. Ich finde es Halina Wawzyniak (DIE LINKE): gut, dass Unternehmen aus Deutschland wachsen. Ich Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- finde es auch gut, dass sie den Sprung auf den amerika- ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linke unter- nischen Markt schaffen. Aber dass wir selbst kein stützt den vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Wachstumskapital zur Verfügung stellen können, ist eine Die Grünen in allen Punkten. eklatante Schwäche, ein Nachteil. Daran müssen wir ar- (B) (D) beiten. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das finden wir gut!) Beim dritten Punkt geht es um die Frage, welche schützenswerten Infrastrukturen und Technologien wir Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit, weil wir Frei- hier noch haben. Führen wir uns noch einmal die Dis- heit und Gerechtigkeit miteinander verbinden wollen. kussion über den IT-Airbus und das Problem, dass die (Beifall bei der LINKEN) Schnittstellen des Netzes, die Router, mittlerweile fast alle von amerikanischen und chinesischen Unternehmen Der Appell der Schriftstellerinnen und Schriftsteller kommen, vor Augen. Es gibt eine letzte Nische, in der es ist – das ist außerordentlich begrüßenswert – nicht der noch deutsche Anbieter gibt. Es geht um die Endgeräte, einzige Appell geblieben. Mittlerweile gibt es zum Bei- die Router, die bei Ihnen zu Hause stehen. Diese Geräte spiel auch einen Aufruf von Wissenschaftlerinnen und haben eine besondere Bedeutung, nicht nur, weil sie die Wissenschaftlern gegen Überwachung. Der Appell der erste und letzte Linie Ihrer Verteidigung sind, sondern Schriftstellerinnen und Schriftsteller hat aus unserer auch, weil diese Geräte bei Ihnen im Wohnzimmer ste- Sicht einen ganz zentralen Vorteil: Er macht deutlich, hen und weil sie die neue Schnittstelle für alles sind, was dass die Überwachung nicht allein auf das Handeln der in der Heimautomation stattfindet. Google hat nicht ganz NSA reduziert werden kann. Im Überwachungsboot ohne Grund gerade für Milliarden von Dollar die Firma sitzen Konzerne wie Staaten. Die Kapitäne im Überwa- Nest gekauft: um jetzt auf Ihre Thermostate und ich weiß chungsboot sind die Geheimdienste. Diese werden lo- nicht was sonst noch alles zugreifen zu können. gischerweise immer alle technischen Möglichkeiten nut- zen, um ihre Informationen zu bekommen. Das liegt im Wenn wir nicht auch noch diesen, wie ich finde, da- Wesen von Geheimdiensten. Dagegen helfen keine Ab- tenschutzrechtlich extrem sensiblen Bereich verlieren kommen oder gesetzlichen Regelungen, dagegen hilft wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass die beiden nur die Auflösung von Geheimdiensten. letzten deutschen mittelständischen Unternehmen, die Endgeräte liefern, zumindest nicht kaputtgemacht wer- (Beifall bei der LINKEN) den. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag klar festge- Der Aufruf der Schriftstellerinnen und Schriftsteller schrieben, dass wir uns auch gesetzlich für das Thema gibt uns als Parlament aber auch einen Auftrag mit. Ich Routerfreiheit starkmachen wollen. Wir wollen, dass bin davon überzeugt, dass allein der Aufruf an Staaten niemand, insbesondere keine Kommunikationsunterneh- und Konzerne, das Recht auf Privatsphäre, die Gedan- men, Kunden am Ende zwingen kann, amerikanische ken- und Meinungsfreiheit und die Unschuldsvermutung oder chinesische Endgeräte einzusetzen. Das ist, glaube zu respektieren, nicht zu einer Verhaltensänderung führt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1125

Halina Wawzyniak (A) Wir als Gesetzgeber müssen unserer Aufgabe nachkom- Demokratie im digitalen Zeitalter zu verteidigen, (C) men, Staaten und Konzerne mit gesetzlichen Regelungen heißt, Einwohnerinnen und Einwohnern überhaupt Zu- zu zwingen, diese genannten Rechte einzuhalten. gang zum digitalen Zeitalter zu ermöglichen. Demokra- tie hat auch immer etwas mit Informiertheit zu tun. Die (Beifall bei der LINKEN) Bereitschaft, etwas zu verteidigen, was man nicht kennt, Deshalb ist es vollkommen richtig und unterstützens- dürfte nicht sehr ausgeprägt sein. Da bleibt der Koali- wert, wenn die Grünen in ihrem Antrag fordern, Maß- tionsvertrag auf einer ziemlich abstrakten Ebene. nahmen zur Wiederherstellung der benannten Rechte zu (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE ergreifen. GRÜNEN]: Ja!) Im Übrigen – das kann nicht oft genug gesagt wer- Zwar wird noch erkannt, dass der Breitbandausbau total den –: Der Vorratsdatenspeicherung ist eine endgültige wichtig ist, aber die Große Koalition schreibt nicht, wie Absage zu erteilen. sie ihn realisieren will. Sie hat ja sogar die entsprechen- (Beifall bei der LINKEN) den Mittel aus dem Koalitionsvertrag gestrichen. Es fin- det sich kein Wort darüber, dass, wenn jede und jeder an Jetzt wird es für die Genossinnen und Genossen der So- der Möglichkeit des Internets teilhaben können soll, ein zialdemokratie interessant: Es ist ein wenig absurd, Computer notwendig ist und dass deshalb ein Computer wenn der Justizminister im Rechtsausschuss ankündigt, zum soziokulturellen Existenzminimum gehören muss; er werde, selbst wenn der EuGH die Richtlinie zur Vor- andernfalls schließt man Menschen von der Demokratie ratsdatenspeicherung für unzulässig erklärt, einen Ge- im digitalen Zeitalter aus. setzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung in Deutsch- land vorlegen und damit präventiv Druck für eine neue (Beifall bei der LINKEN) Richtlinie entfalten. – Demokratie bedeutet eben gerade Demokratie und Teilhabe am digitalen Zeitalter be- auch, dass es keinen Generalverdacht gibt und dass eine deuten auch, Netzneutralität gesetzlich festzuschreiben; Totalüberwachung der Kommunikation der Einwohne- denn nur die gesetzliche Festschreibung der Netzneutra- rinnen und Einwohner nicht stattfindet. Vorratsdaten- lität verhindert ein Zweiklasseninternet. Das, was gerade speicherung ist das Gegenteil von Demokratie im digita- auf europäischer Ebene verhandelt wird, lässt vermuten, len Zeitalter. dass dort, wo Netzneutralität drauf steht, am Ende nicht (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Netzneutralität drin ist. NIS 90/DIE GRÜNEN) Ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie ist Zur Verteidigung der Demokratie im digitalen Zeital- Klarheit der Rechtsnormen. Insofern sind klare, an das (B) (D) ter sind mehr Maßnahmen erforderlich als die im Antrag digitale Zeitalter angepasste Normen des Urheberrechts genannten, die sich weitgehend auf die Ausspähaffäre für alle von Nutzen. Denn durch klare Gesetzgebung ist konzentrieren. Das Recht auf Anonymität und damit die allen erkennbar, was erlaubt ist und was nicht. Das Urhe- Möglichkeit der anonymen Kommunikation darf nicht berrecht ist an das digitale Zeitalter anzupassen. Um Ur- infrage gestellt werden. Ein höchstmögliches Daten- heberrinnen und Urhebern zu ermöglichen, von ihrer Ar- schutzniveau in den Voreinstellungen technischer Geräte beit zu leben, und gleichzeitig den Zugang zu Wissen und sozialer Netzwerke muss Standard werden. und Kultur für Nutzerinnen und Nutzer zu ermöglichen, brauchen wir ein verändertes Urhebervertragsrecht. Ein Generalverdacht und ein in unseren Augen nicht zu rechtfertigender Eingriff in die Privatsphäre sowie die (Beifall bei der LINKEN) Kommunikationsfreiheit ist im Übrigen auch die nichtin- Wir Linke haben in der letzten Legislaturperiode einen dividualisierte Funkzellenabfrage. Auch dieses Überwa- umfangreichen Vorschlag zur Novellierung des Urheber- chungsinstrument gehört abgeschafft. vertragsrechts unterbreitet, der genau das gewährleisten (Beifall bei der LINKEN) würde. Wenn Sie mir zustimmen, dass zur Demokratie auch die Möglichkeit gehört, sich zu informieren, dann Demokratie im digitalen Zeitalter bedeutet aber auch, schaffen Sie endlich die Depublizierungspflicht im öf- dass Menschen verstehen, wie das Internet und Compu- fentlich-rechtlichen Fernsehen ab! Wir können es auf ter funktionieren. Nur wer versteht, wie etwas funktio- eine ganz einfache Formel bringen: Was mit öffentlichen niert, kann auch emanzipiert und selbstbestimmt damit Geldern finanziert wurde, soll auch für alle öffentlich umgehen. Wir brauchen also sowohl in Schulen als auch zugänglich sein. in der Aus- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern, Polizistinnen und Polizisten, Richterinnen und (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Medienbildung als integralen Bestandteil. Das müsste dann übrigens auch für die Gutachten des (Beifall bei der LINKEN) Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages gelten. Das eine oder andere Kopfschütteln hervorrufende Urteil Beim Aufruf der Schriftstellerinnen und Schriftsteller der vergangenen Tage wäre uns so möglicherweise er- gerät ein wenig aus dem Blick, dass es auch im Internet spart geblieben. um die Eigentumsfrage geht. Es sind nicht nur Staaten (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) und ihre Geheimdienste, die die Freiheit des Internets 1126 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Halina Wawzyniak (A) bedrohen, sondern auch Monopole, die sich ihre eigenen unterzeichnet haben. Dieser Aufruf hat völlig zu Recht (C) Gesetze machen und ihre marktbeherrschende Stellung großen Widerhall gefunden. Auch wir begrüßen den ausnutzen. Sie sammeln Daten und können ebenso Be- Aufruf, steht er doch in einer direkten Tradition mit wegungsprofile erstellen wie staatliche Behörden. Wir Willy Brandt, der schon vor fast fünf Jahrzehnten ange- müssen für eine rechtliche Einhegung der Monopole sor- fangen hat, mehr Demokratie zu wagen, und das auch gen. Deshalb fänden wir es gut, wenn genossenschaftli- umgesetzt hat. che und commonsbasierte Initiativen unterstützt würden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es wäre auch gut, wenn bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Stellen konsequent auf Open Source gesetzt Zu Zeiten Willy Brandts sah die Demokratie verständli- würde. cherweise völlig anders aus: Über ihr lag noch der lange Schatten des Nationalsozialismus. Willy Brandts Inten- Der Titel des Antrages der Grünen lautet: Die Demo- tion war es, Licht und Luft an die Demokratie heranzu- kratie verteidigen im digitalen Zeitalter. – Ich habe be- lassen. Er wollte Menschen zum Mitmachen bewegen, reits gesagt, dass wir diesen Antrag befürworten. Wenn die Vielfalt des Lebens zeigen und Freude an der Demo- wir es alle ernst meinen mit der Verteidigung der Demo- kratie wecken. Bei der Generation meiner Eltern hat er kratie auch im digitalen Zeitalter, dann sollten wir als dies in vorbildlicher Weise geschafft. Allererstes bei allen Gesetzen, die hier verabschiedet werden, eine Demokratievereinbarkeitsprüfung vorneh- (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Na ja!) men. Gerechtigkeit und Freiheit zusammenzudenken, ist Er hat es sogar bei meinen Eltern persönlich geschafft; eine lohnenswerte Aufgabe, der sich die Linke widmen sie haben sich nämlich auf dem Platz hier vor dem wird. Reichstag inmitten von 750 000 Menschen kennenge- lernt, als sie Willy Brandt zuhörten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜND- Präsident Dr. Norbert Lammert: NIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah! – Zuruf von der Ich erteile das Wort jetzt dem Kollegen Matthias CDU/CSU: Er ist das Groupiekind!) Schmidt für die SPD-Fraktion. Konrad Zuses Erfindung, den Computer, gab es da- (Beifall bei der SPD) mals schon sehr lange; trotzdem dauerte es bis in die 90er-Jahre, bis der Computer die Welt völlig veränderte. Heute haben wir scheinbar grenzenlose Möglichkeiten. Matthias Schmidt (Berlin) (SPD): (B) Was sich in den letzten Jahren getan hat, ist mit dem (D) Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Wort „rasant“ nur sehr unzureichend beschrieben. Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen An- Wir begreifen aber langsam: Datennutzung bedeutet trag der Grünen, der die Intention verfolgt, die Demokra- auch Datenverantwortung. Das richtet sich einerseits tie zu verteidigen. In Berlin sagen wir dazu: Das ist auch persönlich an uns als Nutzer, andererseits aber auch an gut so. den Staat, der den Auftrag hat, uns vor unlauteren Ma- chenschaften zu schützen. Der Aufruf der Schriftstelle- (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Nicht mehr rinnen und Schriftsteller führt uns vor Augen: Wenn uns lange!) dies nicht gelingt, ist am Ende sogar die Demokratie ge- fährdet. Gestatten Sie mir als neuem Abgeordneten, die letzten Wochen ein wenig Revue passieren zu lassen. Über die Demokratie und die Kernelemente, die sie ausmachen, könnten wir lange philosophieren. Im Zu- (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE sammenhang mit dem Aufruf sind besonders zu nennen: GRÜNEN]: Das wird turbulent!) die Meinungsfreiheit und der Schutz der Privatsphäre – Genau. – Ich habe den Eindruck, dass wir viele leb- und damit der Schutz der im Privaten geäußerten freien hafte Debatten hatten – heute Morgen im Übrigen Gedanken. Wenn der Kern dieser Elemente angetastet auch –; das spricht insgesamt dafür, dass die Demokratie wird, sind wir alle aufgefordert aufzubegehren. Hier im in unserem Land intakt ist. Rund sitzen 631 natürliche Verteidiger der Demokratie, die dies jeden Tag mit Leidenschaft tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Claudia Roth [Augsburg] [BÜND- „Die Demokratie verteidigen im digitalen Zeitalter“, wie NIS 90/DIE GRÜNEN]: Gerade nicht! – der Antrag der Grünen betitelt ist, gibt dem Thema jedoch Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE einen anderen Zungenschlag. Der Antrag der Grünen fußt GRÜNEN]: Na ja!) – Frau Kollegin Göring-Eckhardt hat das ausgeführt – auf einem Aufruf, den 562 namhafte Schriftstellerinnen und Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Schriftsteller dass wir die Intention Ihres Antrags teilen, möchte ich an drei Punkten festmachen. Der Fall Snowden hat uns zum (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE wiederholten Male, aber in völlig neuer Dimension vor GRÜNEN]: Über tausend!) Augen geführt, welche Konsequenzen Whistleblowing Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1127

Matthias Schmidt (Berlin) (A) für den Informanten nach sich zieht. Edward Snowden EU und den USA offenkundig groß ist. Wir brauchen da- (C) hat seine berufliche und private Perspektive in den Ver- her auf der einen Seite eine Vereinheitlichung nach EU- einigten Staaten verloren und damit einen sehr hohen Recht, auf der anderen Seite ein Abkommen, das bei der Preis für sein couragiertes Handeln bezahlt. Auch in Datenweitergabe Datensicherheit auf eben diesem ange- kleinerer Dimension wie beim Gammelfleischskandal strebten einheitlichen Niveau garantiert. oder der Anzeige von Insidergeschäften zeigte sich, dass Menschen ein hohes Risiko eingehen, wenn sie Miss- Allein mit der kurzen Darstellung dieser drei Hand- stände, Korruption oder Skandale anzeigen. Es ist egal, lungsfelder – Whistleblower-Schutz, EU-Datenschutz, wo sie dies tun: Ob in Unternehmen, Behörden oder in Safe-Harbor-Abkommen – wird deutlich: Hier greifen viele Institutionen, in allen Fällen verloren sie ihre Arbeits- verschiedene Rädchen ineinander und verzahnen sich. Das stellen oder waren anderen Repressalien ausgesetzt. ist ein komplexes Unterfangen, das sich nicht so einfach in Form einer Punkteliste abarbeiten lässt, so sehr wir ( [DIE LINKE]: Aufenthalt das Anliegen der Schriftstellerinnen und Schriftsteller für Snowden in Deutschland!) auch teilen und deren Engagement schätzen. Das lassen Diese Fälle machen deutlich: Die vorhandenen gesetz- Sie mich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. lichen Bestimmungen schützen Informanten nicht ausrei- Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von den chend vor Risiken und Benachteiligungen. Wir brauchen Grünen, trägt zwar in einigen Punkten auch unsere ein Gesetz, das diesen Schutz klar und umfassend regelt. Handschrift, Ihre Aufbereitung in dem Antrag wird der Unsere Initiative dazu fand in der letzten Wahlperiode Komplexität jedoch nicht gerecht. leider keine Mehrheit. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geht so! – Katrin Göring-Eckardt GRÜNEN]: Da sind wir gespannt, wie Sie das wieder einbringen!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er trägt die Handschrift der Schriftsteller! – Britta In der Sache halten wir diesen gesetzlichen Schutz je- Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: doch nach wie vor für dringend geboten und werden dies Wo ist Ihr Antrag?) entsprechend dem Koalitionsvertrag in Angriff nehmen. Wir brauchen eine verantwortungsbewusste, strategisch (Beifall bei der SPD) kluge und zielgerichtete Herangehensweise, die Verfah- Lassen Sie mich zu einem weiteren Punkt kommen, rensschritte mit politischen Ebenen und Kompetenzen der mit dem Fall Snowden in enger Verbindung steht, abstimmt. Das haben wir als SPD-Fraktion fest im Blick. dem Datenschutz. Wir brauchen einen Datenschutz, der Dafür haben wir uns in der Vergangenheit eingesetzt, (B) (D) den Erfordernissen einer digitalisierten Welt gerecht und das wird sich auch in unserem Regierungshandeln wird. Dazu gehört zum einen, dass die Datenbestände abbilden. von Unternehmen und Privatpersonen vor dem illegalen (Beifall bei der SPD) geheimdienstlichen Zugriff geschützt werden. Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zum Aufruf (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- der Schriftstellerinnen und Schriftsteller sagen: SES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben verstanden, dass das massenhafte Ausspä- Zum anderen gehört dazu aber auch, dass der Transfer per- hen privater Daten das Sicherheitsgefühl der Menschen sonenbezogener Daten EU-einheitlichen und wirksamen erschüttert. Wir haben verstanden, dass der Eingriff in Datenschutzrichtlinien unterliegt. Wir brauchen Transpa- die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger das Grund- renz hinsichtlich der Datenweitergabe an Drittstaaten, vertrauen in demokratische Strukturen zerstört. Wir ha- ausdrückliche Einwilligungsregelungen sowie angemes- sene Strafen bei Datenschutzverstößen. ben verstanden, dass die illegale Überwachung von Menschen einen inakzeptablen Bruch der Grundrechte (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten darstellt. Wir haben nicht zuletzt auch verstanden, dass des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der Schutz der Demokratie vor diesem Hintergrund Das beinhaltet auch, dass Daten wieder gelöscht wer- gebietet, alle notwendigen und möglichen Schritte zu den können, um das Selbstverfügungsrecht der Men- unternehmen, um dem unkontrollierten Zugriff auf die schen an ihren Daten zu sichern. Die Fortschritte bei den Privatsphäre des Menschen verbindliche Grenzen zu set- Verhandlungen auf EU-Ebene zu einer einheitlichen eu- zen. ropäischen Datenschutz-Grundverordnung weisen in die (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie richtige Richtung; Kollege Reichenbach wird später da- bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE ran anknüpfen. GRÜNEN) Diese EU-Datenschutz-Grundverordnung muss dann Das Recht, frei und unbeobachtet Gedanken und Mei- auch Grundlage der Verhandlungen über ein neues Safe- nungen zu äußern, ist eine tragende Säule unserer Ver- Harbor-Abkommen werden. Das Datenschutzniveau von fassung. Dem sind wir in unserem Tun als Abgeordnete nach dem Safe-Harbor-Verfahren zertifizierten Unter- verpflichtet. nehmen muss künftig den Standards einer EU-Daten- schutz-Grundverordnung entsprechen, da das Daten- (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE schutzgefälle zwischen einzelnen Mitgliedsländern der GRÜNEN]: Dann mal los!) 1128 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Matthias Schmidt (Berlin) (A) Seien Sie versichert, dass wir den Aufruf der Es geht hier nicht um die immer wieder bemühte Ab- (C) 562 Schriftstellerinnen und Schriftsteller sehr ernst neh- wägung zwischen Freiheit und Sicherheit. Es geht hier men und daraus einen Handlungsauftrag ableiten. Die um die anlasslose Massenüberwachung der Bürgerinnen SPD wird auch im 151. Jahr ihres Bestehens vehement und Bürger und die Frage, ob diese totalitären Überwa- und unverändert für unsere Demokratie eintreten. chungsmethoden in einem Rechtsstaat überhaupt zuläs- sig sein können. Wir sagen: Nein. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Jarzombek, in diesem Zusammenhang sage ich Ihnen: Verschlüsselungstechnologien usw. sind Lieber Kollege Schmidt, ich gratuliere Ihnen herzlich super interessant, aber bei diesem Antrag geht es heute zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag und wün- eben auch darum, welche Rolle die deutschen Geheim- sche Ihnen alles Gute für die weitere parlamentarische dienste spielen. Arbeit. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall) GRÜNEN]: Ja!) Nun erhält der Kollege Konstantin von Notz das Wort Deswegen sollte sich Ihre Fraktion endlich dazu beken- für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. nen, dass das für den PUA ein wichtiger Untersuchungs- auftrag ist. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Liebe Schriftstellerinnen und Schriftsteller auf der Tri- Die traurige Haltung der Union zu diesem Thema ins- büne, Ihr Appell kommt in einer Zeit, in der die Bürger- gesamt ist ja hinlänglich bekannt. Ich sage nur: „Super- rechte im Feuer stehen. Er ist ein wichtiges Zeichen ge- grundrecht“ Sicherheit statt Aufklärung und Verteidi- gen Ohnmacht und Gleichgültigkeit. gung der Bürgerrechte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Im Wahlkampf und in FA Z -Artikeln interessiert sich sowie bei Abgeordneten der LINKEN) die SPD für Aufklärung, Edward Snowden und die Netz- politik. Ich habe gehört, Sie wollen die neue Netzpartei Sie haben zu Recht erkannt: Massenhafte Überwa- werden. Ihr sozialdemokratischer Präsident des Europäi- (B) chung behandelt jeden einzelnen Bürger als Verdächti- schen Parlamentes, , schreibt dazu durch- (D) gen und zerstört rechtsstaatlich historische Errungen- aus zutreffende und erfreuliche Artikel. schaften wie die Unschuldsvermutung. Sie mahnen: (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ein Mensch unter Beobachtung ist niemals frei; und eine Gesellschaft unter … Beobachtung ist keine Er schreibt frei nach Adorno, die Verdinglichung des Demokratie mehr. Menschen müsse verhindert werden. – Recht hat der Mann. Aber das ist die Theorie in der SPD. In der Praxis So ist das. stimmen die sozialdemokratischen Abgeordneten im EP (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dann eben gegen einen sicheren Aufenthalt für Edward und bei der LINKEN) Snowden. Wenn wir die Bürgerrechte in der digitalen Welt ver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN lieren, verlieren wir sie in allen Lebensbereichen. Der sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Deutsche Bundestag ist deswegen in der Pflicht, das mit Sie streichen sämtliche diesbezüglichen Passagen aus aller Kraft zu verhindern. der Beschlussvorlage. Dieser Appell ist bei weitem nicht der einzige. Es gibt (Gerold Reichenbach [SPD]: Das stimmt über- unzählige Petitionen von Millionen Menschen, gerade haupt nicht!) auch von DDR-Bürgerrechtlerinnen und -Bürgerrecht- lern, Appelle von Hunderten internationalen Organisa- Dabei hat Herr Oppermann, der leider nicht da ist, ex- tionen, Zusammenschlüsse von Professorinnen und Pro- plizit mit Snowden im Wahlkampf im vergangenen Jahr fessoren, Initiativen von Kirchen und Gewerkschaften, geworben. Er hat ihm eine „hohe Glaubwürdigkeit“ be- Aufrufe von Verbänden und Berufsgeheimnisträgern, scheinigt und ihn einen „offenkundig wertvollen Zeu- Appelle von verschiedensten Wirtschaftsverbänden. Sie gen“ genannt. Das war im Wahlkampf. Solche Sätze hört alle haben eines gemeinsam: Sie zeigen, dass der Unmut man von Ihnen jetzt überhaupt nicht mehr. Der Kollege über die Untätigkeit dieser Bundesregierung, die heute Oppermann war es auch, der im Wahlkampf sagte, man hier übrigens nur sehr spärlich vertreten ist, immer grö- müsse neu und kritisch über die Vorratsdatenspeicherung ßer und die Debatte nicht nur hier im Parlament, sondern nachdenken, um anschließend die Einführung ebendie- auch gesellschaftlich immer breiter geführt wird. ser Vorratsdatenspeicherung in den schwarz-roten Koali- tionsvertrag hineinzuschreiben. So geht es nicht. Und so (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird es nix mit Ihren bürgerrechtlichen Ambitionen, sowie bei Abgeordneten der LINKEN) liebe Freundinnen und Freunde der SPD. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1129

Dr. Konstantin von Notz (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE (C) sowie bei Abgeordneten der LINKEN) GRÜNEN): Herr Kollege Binninger, vielen Dank für die Frage. – Im Jahr 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht Wir bieten anlassbezogen massenhaft Antworten auf die Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung der letzten dieses Problem. Großen Koalition für verfassungswidrig. Das Gericht entwickelte das Merkmal des „diffusen Gefühls des Be- ( [Altötting] [CDU/CSU]: obachtetseins“. Dieses Gefühl teilen nach dem NSA- Dann mal los!) Skandal Millionen von Menschen, wenn sie im Netz – Ja, ich habe verstanden. Sie fragen nach konkreten kommunizieren, sich informieren oder einfach nur ihr Antworten. – Wir haben Vorschläge ohne Ende gemacht, Handy dabei haben. wie man auf europäischer Ebene Druck erzeugen kann. Gestern bezeichnete der Präsident des Bundesverfas- Wir haben gesagt, dass man das SWIFT-Abkommen, das sungsgerichts, Voßkuhle, die NSA-Affäre als „sehr un- PNR-Abkommen, das Safe-Harbor-Abkommen aufkün- appetitlich“. Und man hört: Um sich zu schützen, neh- digen kann men die Richter in ihre Besprechungen schon seit (Zuruf von der CDU/CSU) längerem weder Handys noch Laptops mit. „Wir sitzen mit Papier und Stift da“, sagt ein Richter des Ersten Se- – natürlich können wir das –, um in eine vernünftige nats. Verhandlungsposition zu kommen. Ich hege den Ver- dacht – ich glaube, im Herzen tun Sie das auch –: Dass die Amerikaner mit einem solchen Schulterzucken auf Vizepräsident : unsere Vorwürfe reagieren, hat damit zu tun, dass wir Herr Kollege Dr. von Notz, gestatten Sie eine Zwi- selbst ein Rädchen in diesem System der anlasslosen schenfrage des Kollegen Binninger? massenhaften Überwachung sind.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE Wir wollen das aufklären. Dass wir hier in diesem GRÜNEN): Hohen Hause in den letzten Wochen dreimal zu diesem Selbstverständlich. Thema, wie Sie richtig sagten, gesprochen haben, liegt eben nicht an der Bundesregierung. Die Kanzlerin hat sich zu dieser größten Überwachungsaffäre überhaupt Clemens Binninger (CDU/CSU): noch nicht verhalten, außer zu sagen: Das geht so nicht. Herr Kollege von Notz, wir führen diese Debatte – wenn auch mit unterschiedlicher Betonung – nun in- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) nerhalb der letzten Wochen zum dritten Mal. Ich gebe sowie bei Abgeordneten der LINKEN) (D) Ihnen gerne recht, dass Sie die Probleme in ihrer Drama- Sie sind sprachlos. Sie klären nicht auf. Wir haben Vor- tik zutreffend beschreiben und dass die Auswirkungen schläge gebracht, und zwar eine Menge. Sie aber agieren für unsere Demokratie, für das Verhalten der Menschen nicht. Sie sind die Bundesregierung. Sie sind in der Ver- mehr als schwerwiegend sind und uns alle besorgt ma- antwortung. Und so geht es nicht. chen müssen. Ich glaube, da sind wir sehr nahe beieinan- der. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es gibt etwas, was mich stört. Ich habe vorhin Ihrer Kollegin Göring-Eckardt und jetzt auch Ihnen sehr ge- Noch einmal zum Bundesverfassungsgericht – dann nau zugehört. Da keine Redner mehr von Ihnen sprechen komme ich zum Ende –: Der Richter des Ersten Senats dürfen, sagt ferner, in Telefonaten werde darauf geachtet, keine Interna preiszugeben. Das zeigt: Selbst Verfassungsor- (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: gane, selbst unser höchstes Gericht lebt unter dem un- Leider!) mittelbaren, nicht nur diffusen, sondern sehr konkreten Gefühl des Beobachtetseins. Wenn das so ist, meine Da- muss ich jetzt meine Frage stellen. men und Herren, dann ist es allerhöchste Zeit, unsere Freiheit und unseren Rechtsstaat zu verteidigen. Danke Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE für diesen Appell! Dieses Parlament und diese Bundes- GRÜNEN): regierung sind in der Pflicht, endlich zu reagieren. Ich Ja, nur zu. freue mich sehr darauf, wenn Sie diese Debatte erneut auf die Tagesordnung setzen, Herr Binninger. Clemens Binninger (CDU/CSU): Ganz herzlichen Dank. Was ich bei allen Debatten vermisst habe: Neben der Problembeschreibung und der Zuweisung von Schuld an (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Bundesregierung oder wahlweise die SPD liefern Sie und bei der LINKEN) selber leider keinen einzigen konkreten Vorschlag, was zu ändern ist. Warum denn nicht? Haben Sie nichts zu Vizepräsident Johannes Singhammer: bieten, oder erschöpft es sich in Kritik? Nächster Redner ist der Kollege Dr. Tim Ostermann, CDU/CSU. Bitte sehr. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) 1130 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

(A) Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Daher sind konkrete Anweisungen der Bundesregierung (C) Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her- an Herrn Range wenig sinnvoll, weder in die eine noch ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von Mark Twain in die andere Richtung. ist das Zitat überliefert: Sie wollen die USA vor dem UN-Menschenrechts- Es ist töricht, sich im Kummer die Haare zu raufen. ausschuss mit einer Staatenbeschwerde belegen. Diese Noch nie ist Kahlköpfigkeit ein Mittel gegen Pro- Beschwerde ist, seit sie 1966 eingeführt wurde, noch von bleme gewesen. keinem Staat erhoben worden – nicht ein einziges Mal. Tagtäglich gibt es auf unserem Planeten schreckliche Wenn man in den letzten Monaten und gerade auch und grausame Menschenrechtsverletzungen. Und Sie heute die Beiträge aus der Opposition verfolgt hat, dann wollen dieser Verfahrensart ausgerechnet wegen Aus- kann man schon eine Vielzahl an lichten Häuptern er- spähaktivitäten zur Premiere verhelfen. Und dann auch kennen. Offensichtlich liegt das an der Haarerauferei, noch gegen die Vereinigten Staaten von Amerika. die seit Bekanntwerden der NSA-Affäre öffentlichkeits- wirksam betrieben wird. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Nicht gegen die Vereinigten Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die Empörung Staaten von Amerika!) ist nachvollziehbar. Auch ich war empört – und bin es immer noch –, als ich von der Massenüberwachung Auch das ist für mich ein klarer Fall von Empörungs- politik. Das ist kopfloser Aktionismus. durch amerikanische und britische Geheimdienste erfah- ren habe. Das Ausmaß hat mich fassungslos gemacht. Es (Beifall bei der CDU/CSU) kommt jedoch ein Punkt, an dem Empörung zu einem Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Hindernis wird. Empörung konzentriert sich nämlich nur Kollegen, wir sollten uns stattdessen auf Lösungen kon- auf das Problem. Mark Twain wollte uns mit seinem zentrieren. Ich sehe hier drei Ansätze: Sinnspruch dagegen mitteilen, dass man Lösungen fin- det, indem man das Problem versachlicht und indem Erstens. Wir müssen unseren Verbündeten weiterhin man vor allem eines an den Tag legt: Besonnenheit. mit aller Vehemenz klarmachen, dass auch sie sich auf deutschem Boden an deutsches Recht zu halten haben. Wir sind uns in dem Ziel einig: Die Ausspähungen Eines muss dabei aber auch klar sein: Tragfähige Lösun- müssen unterbleiben. Die Verletzung deutschen Rechts gen können wir nur mit den Amerikanern und Briten zu- muss aufhören. Über das Wie sind wir uns allerdings bis- sammen erreichen, aber nicht gegen sie. Das ist das Ein- lang nicht einig. Wir beraten heute einen Antrag der maleins der internationalen Beziehungstheorie. Grünen. Wenn ich den Antrag lese, komme ich zu dem (B) (D) Ergebnis, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen wenig Zweitens. Wir müssen auch auf Ebene der EU und der zielführend sind und nur ein weiteres Ventil der Empö- UN für unsere Vorstellung von Netzpolitik eintreten. rung darstellen. Entscheidend ist dabei die Frage: Für welche Netzpolitik stehen wir überhaupt? Sie ist aus meiner Sicht noch nicht (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. befriedigend beantwortet worden. Ebenfalls unbeant- Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) wortet ist die Frage nach der normativen Ausgestaltung Ich möchte dies an einigen Beispielen deutlich ma- der Netzpolitik. Wie genau sollen die Regeln aussehen, - chen: Sie wollen den Generalbundesanwalt anweisen die Freiheit und Sicherheit in der richtigen Balance hal ten? Aber selbst wenn wir Regeln aufstellen, bleibt im- lassen, ein förmliches Verfahren einzuleiten und geheim- mer noch die Frage, wie wir diese durchsetzen wollen. dienstliche Straftaten zu verfolgen. Derzeitiger Stand ist bekanntlich, dass der Generalbundesanwalt prüft, ob er Und dies führt mich zu meinem dritten Punkt, den ein formales Ermittlungsverfahren aufnimmt. Dem Ver- technologischen Kapazitäten. Mit ein Grund für die nehmen nach wird er in der nächsten Woche eine Ent- große Empörung über die Ausspähung ist doch der Um- scheidung verkünden. stand, dass wir von ihr kalt erwischt worden sind. Wir waren offensichtlich nicht vorbereitet. Die Ausspähakti- (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE vitäten haben uns vor Augen geführt, dass in Deutsch- GRÜNEN]: Das ist doch gut!) land technologisch ein Nachholbedarf besteht. Dass wir Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, wir soll- zum Aufholen in der Lage sind, steht für mich außer ten darauf vertrauen, dass der Generalbundesanwalt die Zweifel. Sie werden mir beipflichten, dass wir Deutsche richtige Entscheidung trifft, mit die besten Autos in der Welt bauen, ich meine sogar: die besten. Trotzdem müssen deutsche Autobauer auf (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Software und Betriebssysteme amerikanischer Firmen GRÜNEN]: Sowieso!) zurückgreifen. eine Entscheidung, die vor allem auf der Grundlage ju- (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE ristischer Überlegungen getroffen werden muss. GRÜNEN]: Das ist ja die Hölle!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Oder nehmen Sie das Beispiel Maschinenbau: Deutsche Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Firmen gehören zu den Weltmarktführern. Die wesentli- GRÜNEN] – Dr. Konstantin von Notz chen Komponenten für IT und Telekommunikation, die [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Exakt!) sie verwenden, kommen aber nahezu allesamt aus den Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1131

Dr. Tim Ostermann (A) USA, China oder Korea. Hier besteht ein Ungleichge- NSA-Datenskandals; meine Kollegin Halina Wawzyniak (C) wicht, das wir bisher ignoriert haben. hat es bereits gesagt. Deshalb unterstützt die Linke auch den vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Während wir mit unseren Partnern verhandeln, wer- Grünen. den andere Länder ihre Algorithmen und Trojaner nicht einmotten. Mit diesen Staaten sind Verhandlungen von (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- vornherein aussichtslos und zum Scheitern verurteilt. NIS 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen auf diese Bedrohung umgehend reagieren. Der NSA-Skandal ist der bislang größte Angriff auf Damit meine ich nicht, dass wir nun zur Gegenspionage Bürgerrechte und Demokratie in der Geschichte der ansetzen sollten – westlichen Zivilisation. Im Bundeskanzleramt müssten (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE eigentlich alle Alarmglocken schrillen. Aber da herrscht GRÜNEN]: Der Kollege Hartmann!) Grabesstille. Die Linke hat dafür überhaupt kein Ver- ständnis. oder überhaupt könnten. Aber eine gewisse Robustheit gegen Angriffe von außen darf und muss schon sein. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Den Ausbau unserer technologischen Abwehrfähig- Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE keit haben wir selbst in der Hand. Ich denke da etwa an GRÜNEN]: Wir auch nicht! – Dr. Konstantin die Stärkung des BSI – auch in finanzieller Hinsicht –, von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir die verstärkte Bereitstellung von Forschungsmitteln, auch nicht!) aber auch an die Formulierung einer neuen, an die He- rausforderungen der digitalen Welt angepassten Sicher- Dass massiv gegen verbriefte Bürgerrechte verstoßen heitsstrategie. wurde und wird, liegt auf der Hand. Dazu gehören das Postgeheimnis ebenso wie der Datenschutz. Ausgehöhlt Ich bin mir sicher, dass die digitale Agenda, die die werden zudem der Rechtsstaat, die Pressefreiheit und die Bundesregierung bis Sommer vorlegen wird, Antworten Schweigepflicht von Ärzten oder Geistlichen sowie an- geben wird. deres mehr. Das Grundgesetz wird nicht verteidigt, son- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Ich dern entwertet. Ich frage Sie: Kann es einen größeren auch!) Ernstfall geben? Ich glaube, kaum. Ebenso bin ich davon überzeugt, dass der Untersu- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten chungsausschuss, den wir einsetzen werden, Antworten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) formulieren wird. Erinnern wir uns: Im Volkszählungsurteil hatte das (B) Bundesverfassungsgericht das Grundrecht auf informa- (D) Ohne wildes Haareraufen und symbolische Empö- tionelle Selbstbestimmung und damit den Datenschutz rungspolitik, dafür sachlich und besonnen, so müssen begründet. Im Urteil hieß es sinngemäß: Bürgerinnen wir diese Aufgabe angehen. und Bürger, die nicht mehr wissen oder nicht mehr wis- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. sen können, wer was über sie weiß, sind als Mensch Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) nicht mehr souverän. Wer als Mensch nicht mehr souve- rän ist, kann auch als Bürger kein Souverän sein. Eine Vielleicht wird dann auch deutlicher, was sich hinter der Demokratie ohne Souveräne ist aber undenkbar. Spähaffäre aus meiner Sicht vor allem verbirgt: ein Weckruf an uns, ein Weckruf, der dazu führen muss, un- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten seren digitalen Rückstand aufzuholen. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vielen Dank. Niemand kann heute mehr wissen, wer was über sie oder ihn weiß. Um diese Dimension geht es hier, um die Be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- drohung der Demokratie. Das wiederum darf keine Par- neten der SPD) tei hier im Bundestag einfach aussitzen. Ich konstatiere: Das Internet und die Geheimdienste Vizepräsident Johannes Singhammer: sind zu einer unheiligen Allianz verkommen. Schon Herr Kollege Dr. Ostermann, das war Ihre erste Rede wird öffentlich über das Ende des Internets philoso- im Deutschen Bundestag. Ich beglückwünsche Sie dazu phiert. Die Freiheit des Internets und geheime Dienste und wünsche Ihnen viele weitere erfolgreiche Reden. widersprechen sich. Also muss man sich entscheiden. (Beifall) Die Linke sagt: für das Internet und gegen Geheim- dienste. Ich erteile jetzt das Wort der Kollegin Petra Pau, Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Denn das ist die zweite große Dimension des NSA- Skandals: die Freiheit des Internets als soziale, kulturelle und wirtschaftliche Grundlage der Zukunft. Ein gehei- Petra Pau (DIE LINKE): mes Antispionageabkommen zwischen Geheimdiensten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die ist dafür ein Witz ohne Lacher. Linke fordert seit Monaten eine zügige, umfassende und öffentliche Aufklärung aller Umstände des sogenannten (Beifall bei der LINKEN) 1132 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Petra Pau (A) Das taugt vielleicht für die nächste James-Bond-Folge, auch Wikipedia oder Siri; das ist die digitale Gesprächs- (C) aber nicht für das richtige Leben. partnerin aus dem iPhone. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜND- Aber Digitalisierung ist viel mehr. Sie verändert wirt- NIS 90/DIE GRÜNEN) schaftliche Zusammenhänge. Sie eröffnet neue Ge- schäftsmodelle, sie wirkt sich auf das staatliche Handeln Vizepräsident Johannes Singhammer: aus, und sie reicht auch tief in die Privatheit des Einzel- Nächste Rednerin ist die Kollegin Michelle nen. Wir sind in der Verantwortung dafür, ob wir unser Müntefering, der ich hiermit das Wort erteile. Wissen für ein selbstbestimmtes Leben und für den Fort- schritt nutzen, ob wir die Chancen erkennen und die Ri- (Beifall bei der SPD) siken in den Griff kriegen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Michelle Müntefering (SPD): der CDU/CSU und der LINKEN) Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorab: Ich bin gerade etwas mehr als Unsere Aufgabe ist es, wieder eine Balance zwischen 100 Tage hier, und das ist meine erste Rede an diesem Freiheit und Sicherheit zu finden. Das geht; das kann Pult. Ich habe mich aber im Plenarsaal umgesehen. In man hinkriegen. diesen kleinen Schubladen vor Ihnen kann man nicht nur Es ist offensichtlich: Der Missbrauch durch Geheim- gut Bonbonpapiere verschwinden lassen, sondern darin dienste, auch durch Unternehmen und staatliche Institu- findet sich auch das vielleicht stärkste Stück deutscher tionen hat zu großem Vertrauensverlust geführt. Wenn Demokratie. Darin liegt ein Buch, so groß wie eine Post- ich schon von Generationen spreche: Nicht nur meine karte, das Stück Papier, das nichts von seiner Kraft und Generation hat in den letzten Jahren einen tiefen Vertrau- von seiner Stärke eingebüßt hat seit dem Tag, an dem es ensverlust in Bezug auf demokratische Prozesse, rechts- von unseren Müttern und Vätern verabschiedet wurde; staatliches Handeln und den Primat der Politik erlitten. ich müsste wohl eher sagen: von unseren Großmüttern und Großvätern. Das Grundgesetz zu beschützen, dazu Doch gerade für die jungen Menschen im Land ist die haben wir uns gemeinsam verpflichtet. Um nichts weni- tiefe Bindung zwischen Deutschland und den USA ger geht es auch in dieser Debatte heute hier: die Demo- längst nicht mehr selbstverständlich, auch nicht selbst kratie verteidigen im digitalen Zeitalter. erlebt. Weil aber Amerika nicht nur in der Beziehung zu Deutschland ein besonderes Land ist, muss man es an- (Beifall bei der SPD) sprechen: Es gibt sie noch, die Hoffnung auf die Zukunft „Ungefährdet ist Demokratie nie“ – so formulierte es der Demokratie. Deswegen ist es fatal, wenn diese Hoff- (B) Heinz Westphal, ehemals Bundestagsvizepräsident und nung Risse bekommt. (D) Abgeordneter meiner Heimatstadt Herne. Er sprach aus Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat an den Erfahrungen einer anderen Zeit, einer Zeit fernab dieser Stelle ein Völkerrecht für das Internet gefordert. der Demokratie, die uns ewig Mahnung bleiben muss, Ich will einen Schritt weitergehen: Es braucht multilate- auch meiner Generation. Heute ist Demokratie in rale Verabredungen darüber, wie man miteinander um- Deutschland – bei allen Abstrichen – ein gelungener Teil geht, und darüber, was man nicht tut. unseres Zusammenlebens. Ungefährdet jedoch ist sie auch heute nicht, auch nicht in einer veränderten, in ei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ner digitalisierten Welt. Das gilt insbesondere mit Blick der CDU/CSU) auf Möglichkeiten der Überwachung, der Aufzeichnung, Eine Cyberrechtskonvention etwa müsste von Deutsch- Speicherung und Analyse durch die von Menschen ge- land aus in der Welt vorangetrieben werden. Sie könnte machten Maschinen. Das hat uns Edward Snowden von anderen Ländern – nicht nur in Europa – unterstützt schmerzvoll vor Augen geführt. und ratifiziert werden. Das wäre ein Schritt in die rich- Dass zahlreiche Schriftstellerinnen und Schriftsteller tige Richtung. jetzt aufschreien: „Ein Mensch unter Beobachtung ist Wir müssen darauf achten, dass sich in einer digitali- niemals frei; und eine Gesellschaft unter ständiger Be- sierten Welt ein Ideal nicht durchsetzt: „Je berechenba- obachtung ist keine Demokratie mehr“, muss uns zum rer, desto gesünder, effizienter und funktionsfähiger der Handeln bewegen. Aufklärung muss der erste Schritt Mensch“; denn das können unsere Großväter und Groß- sein. Für diese Aufklärung allerdings gilt der Satz einer mütter nicht gemeint haben mit „Die Würde des Men- deutschen Schriftstellerin, die diesen Aufruf nicht mehr schen ist unantastbar“. Das Grundgesetz verbietet es, unterzeichnen konnte, Ingeborg Bachmann: „Die Wahr- den Menschen zum Informationsobjekt zu machen. heit ist dem Menschen zumutbar.“ (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Als Parlamentarier brauchen wir den Mut, den Men- der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE schen nichts vorzumachen und uns selbst auch nicht. GRÜNEN) Meine Generation ist mitten in die digitale Revolution hineingeboren. Die Schallplattensammlung tragen wir Die Herausforderungen stammen aus der analogen täglich im Handy mit uns herum. Wir zoomen Bild- Welt; aber sie sind geblieben. Es gilt, sie zu übertragen. schirme per Fingerzeig, und wir fragen nicht nach dem Wir müssen darüber entscheiden, wie ein digitaler Markt Weg, sondern programmieren das Navigationssystem. auch ein demokratiekonformer Markt sein kann, wie der Wenn wir Fragen stellen, dann antworten manchmal Staat die Rechte der Bürger auch im weltweiten Netz ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1133

Michelle Müntefering (A) währleistet, wie Eingriffe in die Privatsphäre geahndet aber im Ausschuss noch im Detail darüber sprechen, mit (C) werden. Dann kann es gelingen, die Demokratie in der welchen Mitteln wir unsere Demokratie im digitalen digitalisierten Welt nicht bloß zu verteidigen, sondern sie Zeitalter verteidigen. Einen ersten Aufschlag hat die durch Mitbestimmung, Aufklärung und Bildung für eine GroKo gemacht. neue Generation, für eine digital mündige Generation zu Ich freue mich, dass ich mithelfen darf, bedanke mich stärken. für Ihre Aufmerksamkeit und schließe mit einem tradi- Deswegen noch ein paar Worte zu den Forderungen tionell analogen Gruß aus meiner Heimat, dem Berg- der Bündnisgrünen. Ja, wir müssen Menschen schützen, mannsgruß: Glück auf! die ihr Leben einsetzen, um Rechtsstaatlichkeit zu be- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) wahren. Diejenigen, die Grundrechte verletzen, müssen sich erklären und verantworten. Ein Parlament, das Grundrechte schützen soll, muss auch über Risiken infor- Vizepräsidentin Petra Pau: miert sein. Hier gilt es aber auch, unseren selbstgewählten Kollegin Müntefering, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Vertretern im Parlamentarischen Kontrollgremium zu ersten Rede im Deutschen Bundestag und wünsche Ih- vertrauen. Bezüglich der Vorratsdatenspeicherung kann nen viel Erfolg für Ihre weitere Arbeit. man Minister Maas nur unterstützen, die Unterscheidung (Beifall) des EuGH jetzt abzuwarten. Das Wort hat die Kollegin Andrea Lindholz für die Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Sie erwecken CDU/CSU-Fraktion. hier den Eindruck, als würden wir nichts oder das Fal- sche tun. Aber wir haben einen ersten Schritt gemacht (Beifall bei der CDU/CSU) – wir haben einen NSA-Untersuchungsausschuss einge- setzt –, und einen zweiten Schritt machen wir mit dem Andrea Lindholz (CDU/CSU): Einsetzen des Ausschusses Digitale Agenda. Einen drit- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen ten machen wir mit der Überführung der Stiftung Daten- und Herren! Im Kern dreht sich die heutige Debatte nicht schutz in die Stiftung Warentest, und einen vierten, in- nur um das völlig inakzeptable Vorgehen einiger Nach- dem wir auch Datenschutz und Bürgerrechte vor dem richtendienste, sondern um eine der zentralen Herausfor- Hintergrund eines Marktwächters „digitale Welt“ stär- derungen des 21. Jahrhunderts: Wie können wir unsere ken. nationalen Rechte in einer globalen Ordnung verankern Ich sage Ihnen auch, wo in Ihrem Antrag Verbesse- und sie gleichzeitig von der realen Welt in eine grenzen- rungsbedarf besteht: Auf dem verbraucherpolitischen lose und sich stetig weiterentwickelnde digitale Welt (B) Auge nämlich ist er blind. Der Bürger als Verbraucher übertragen? (D) wird in Ihrem Antrag kein einziges Mal erwähnt. Es sind Als Antwort auf diese komplexe Frage gibt unser Ko- aber die Verbraucher, die Bücher, Filme und Reisen im alitionsvertrag als Ziel ein „Völkerrecht des Netzes“ aus, Internet kaufen, die über das Netz private Beziehungen um den Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger auch pflegen und ihrem Computer sensible Daten anvertrauen. im grenzenlosen Internet Geltung zu verschaffen. Dieses Sie müssen wir vor Missbrauch schützen. Deswegen muss Ziel ist im Grundsatz absolut richtig. Natürlich brauchen es zukünftig auch eine gesetzliche Regelung dazu geben, wir auch im Internet verlässliche Regeln, die dem Ein- dass Unternehmen, die etwa im Scoringverfahren mit zelnen den Schutz seiner Grundrechte, den Schutz vor Daten handeln, verpflichtet werden, gegenüber einer Be- Kriminalität, staatlicher Willkür oder unternehmeri- hörde anzuzeigen, welche Daten sie verwenden. Hier ist schem Missbrauch sichern. In diesem Punkt herrscht Ei- der Gesetzgeber gefordert. nigkeit. Wir diskutieren heute also nicht über das Ziel, Klagen und Anklagen stellen nicht Vertrauen wieder sondern über den richtigen Weg dorthin. her. Verbraucherbildung, Verbraucherinformation und Wenn man den Maßnahmenkatalog des Antrags Verbraucheraufklärung kommen bei Ihnen jedoch über- durchliest, bekommt man den Eindruck, Deutschland haupt nicht vor. solle diesen schwierigen Weg unbedingt allein gehen. Es Techniken zum Schutz der Privatsphäre zu fördern, wird unter anderem gefordert, dass die USA sich vor kann ein richtiger Ansatz sein; ganz sicher werden der dem UN-Menschenrechtsausschuss verantworten sollen verstärkte Einsatz von Verschlüsselungstechniken, hohe und dass Großbritannien auf EU-Ebene mit einem Ver- Datenschutzstandards und eine Technikfolgenabschät- tragsverletzungsverfahren überzogen wird. Ich kann verste- zung für Infrastrukturen wichtiger. hen, dass man angesichts der schwerwiegenden Vorwürfe und des unannehmbaren Verhaltens hart durchgreifen Klare Regeln braucht es ebenfalls: Persönliche Daten möchte. Diese Maßnahmen sind langfristig aber nicht zu missbrauchen, muss ebenso bestraft werden, wie eine zielführend. Tonne mit Chemikalien in den Wald zu schmeißen. Ein „Völkerrecht des Netzes“, das diesen Namen ver- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten dient, werden wir niemals gegen die USA und Großbri- der CDU/CSU) tannien durchsetzen können, sondern nur gemeinsam mit ihnen. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es gibt viel zu tun im digitalen Zeitalter, auch wenn wir dem Antrag der (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Bündnisgrünen heute so nicht zustimmen. Wir werden Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) 1134 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Andrea Lindholz (A) Man darf nicht vergessen, dass Länder wie Russland setzen. Wir hoffen, damit neben Transparenz auch für (C) oder China dieses Thema ganz anders beurteilen. Aufklärung zu sorgen. Natürlich müssen wir Amerikanern und Briten klar- Ich möchte an dieser Stelle auf die grundsätzliche machen, dass der Rechtsstaat im digitalen Zeitalter nicht Notwendigkeit von handlungsfähigen Geheimdiensten an Landesgrenzen aufhört und dass wir die aktuellen hinweisen. Diese Meinung teilt im Übrigen auch Edward Vorkommnisse auf das Schärfste verurteilen. Das Inter- Snowden. Er hat in einem Internet-Chat geschrieben: net darf für niemanden ein rechtsfreier Raum sein. Nachrichtendienste müssen eine Rolle spielen. Die Die Bundesregierung lässt dem Generalbundesan- Leute auf der Arbeitsebene bei NSA, CIA oder je- walt zu Recht freie Hand bei der Entscheidung, ob ein dem anderen Mitglied der nachrichtendienstlichen Ermittlungsverfahren eröffnet wird. Allein mit deut- Gemeinschaft sind nicht unterwegs, um euch zu schem Strafrecht aber – das ist unabhängig vom Ergeb- kriegen. Es sind gute Leute, die versuchen, das nis seiner Prüfung – werden wir die Bürgerrechte im glo- Richtige zu tun. balen Netz nicht schützen. Ich plädiere daher dafür, die Diskussion über Bürger- Bereits in der Debatte im November wurden an dieser rechte im Netz auf eine strategische Weise zu führen. Stelle einige Aufgabenfelder für uns aufgezeigt. In Letztendlich bringt uns das beste Abkommen nichts, Deutschland muss das IT-Sicherheitsgesetz verabschie- wenn es nur bilateral geschlossen oder auf der Entschei- det werden und müssen Sicherheitslücken in unserer dungsebene ignoriert wird. IT-Infrastruktur konsequent geschlossen werden. Auf Rechtsstaatliche Werte müssen in einer Demokratie europäischer Ebene müssen wir die EU-Datenschutz- für Entscheidungsträger selbstverständliche Grundlage Grundverordnung gewissenhaft umsetzen. Innenminister ihres Handelns sein. Wir brauchen einen fundamentalen Friedrich hat erst in dieser Woche im Innenausschuss ge- Kulturwandel im Umgang mit dem Internet und unseren äußert: Sie muss sitzen. digitalen Möglichkeiten auf allen Ebenen. Wir müssen (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE auch erkennen: Je mehr Bereiche unseres Alltages wir in GRÜNEN]: Innenminister Friedrich?) das Internet verlagern, desto dringender werden natür- lich Fragen nach dem Verhältnis von Sicherheit und – Entschuldigung! Danke. Innenminister de Maizière. Freiheit im Netz. Wer die Vorratsdatenspeicherung nicht Die Rede von US-Präsident Obama zur NSA-Affäre einführen will – wir werden dazu in der nächsten Woche vom 17. Januar war kein Grund zum Jubeln. Obama hat sicherlich noch Diskussionen in diesem Hause führen –, aber öffentlich anerkannt, dass einer demokratischen Na- muss den Opfern und Angehörigen bei schweren Strafta- ten und Gefahr für Leib und Leben erklären, warum er (B) tion wie den USA die Bürgerrechte anderer Nationen (D) diese Vorratsdatenspeicherung ablehnt. nicht gleichgültig sein dürfen. Die US-Regierung sieht endlich Handlungsbedarf. Im Kongress und in der Be- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. völkerung wird die Kritik an den eigenen Diensten im- Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) mer lauter. Diesen Prozess des Umdenkens müssen wir Laut Polizeilicher Kriminalstatistik stieg die Internet- vorantreiben. Die bisherigen Interventionen der Bundes- kriminalität allein im Jahr 2012 um fast 8 Prozent. Die regierung haben dazu sicherlich beigetragen. Delikte aus dem Bereich „Datenveränderung, Compu- Wenn wir aber nun, wie im Antrag gefordert, die be- tersabotage“ nahmen um 134 Prozent zu. Die Dunkelzif- stehenden Abkommen mit den USA einseitig aufkündi- fer dürfte noch höher sein; denn bekanntermaßen werden gen, dann frieren wir den laufenden Dialog ein. viele Verbrechen im Internet, in der digitalen Welt gar nicht erst zur Anzeige gebracht. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) Freiheit und Sicherheit sind zwei Seiten derselben Medaille. Es gibt keine echte Freiheit im weltweiten Das seit 2010 diskutierte Datenschutzabkommen zwi- Netz, wenn dort das Recht des Stärkeren herrscht, egal schen der EU und den USA wäre dann endgültig hinfäl- ob es ein Geheimdienst, ein Wirtschaftsunternehmen lig. Die bestehenden Abkommen – darin sind wir uns oder ein einzelner krimineller Hacker ist. Nur gemein- doch einig – sollen reformiert und ausgebaut werden. sam können wir internationale Lösungen finden – nur Auch in den Beratungen zum Freihandelsabkommen mit miteinander, nicht gegeneinander –, um unsere bürgerli- den USA muss der Datenschutz neben vielen anderen chen Grundrechte, so wie es im Antrag gefordert wird, in Fragen, die dort zu klären sind, eine zentrale Rolle spie- der digitalen Welt zu verankern. len. Solche Verträge zwischen der EU und den USA sind doch der beste Ansatz, um unsere Standards in den USA (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- nachhaltig zu verankern. Würden wir den Forderungen neten der SPD) im Antrag folgen, gefährdeten wir die notwendigen Ver- handlungen. Deswegen ist dieser Antrag abzulehnen. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Gerold Reichenbach hat für die SPD- Der Antrag enthält aber auch obsolet gewordene For- Fraktion das Wort. derungen. Die Kontrolle der deutschen Geheimdienste obliegt dem Parlamentarischem Kontrollgremium. Zu- (Beifall bei der SPD – Claudia Roth [Augs- dem werden wir den NSA-Untersuchungsausschuss ein- burg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erste Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1135

Vizepräsidentin Petra Pau (A) Rede! – Dr. Konstantin von Notz [BÜND- und von der Zusammenarbeit zwischen beiden ausgeht. (C) NIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Präsidentin, das Um es grundlegend zu formulieren: Es geht um unser war ihre erste Rede!) Demokratieverständnis in einem digitalen Zeitalter. Es geht darum, wie wir den Anspruch des Grundgesetzes Es tut mir leid. Ich gratuliere Ihnen gern zu Ihrer ers- – die Kollegin Müntefering hat es formuliert – auch im ten Rede, wenn das so ist. Der Präsident hat mir leider digitalen Zeitalter umsetzen. keine entsprechende Nachricht hinterlassen. Dem Grundgedanken, dass der Staat die Bürgerinnen (Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Das war die und Bürger grundsätzlich schützen muss und dass umge- erste Rede für den Innenausschuss, aber meine kehrt der Bürger grundsätzlich vor der Übermacht des zweite Rede!) Staates geschützt werden muss, folgt jetzt die Erkennt- – Ich wurde gerade darauf aufmerksam gemacht. Dann nis, dass dies bei weitem nicht reicht, dass es auch um gratuliere ich zur zweiten Rede. den Schutz der Daten im privaten und im persönlichen Bereich geht. Dies gilt insbesondere im Verhältnis priva- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordne- ter Organisationen und Wirtschaftsunternehmen zum In- ten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) dividuum. Denn viele Daten, die die Nachrichtendienste Allerdings wollen wir das nicht zur Regel werden las- nutzen – ich habe es angesprochen –, haben sie gar nicht sen, weil wir sonst nicht mit der Tagesordnung durch- selbst erhoben. Vielmehr greifen die Dienste, teilweise kommen. sogar auf legalem Wege, auf Daten zurück, die private Wirtschaftsunternehmen en masse sammeln. Da ist es, Gerold Reichenbach hat das Wort. liebe Kollegen von der CDU, auch nicht damit getan, zu sagen, jeder wisse, welche Daten er ins Interstellt stellt. Gerold Reichenbach (SPD): Niemand wusste, welche Daten die berühmte App Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten „Angry Birds“, die man gerne benutzt hat, um zu spie- Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! len, auf dem Smartphone abgreift und wohin diese Daten Sehr geehrte Schriftsteller auf der Tribüne, Sie haben mit gehen. Niemand wollte diese Daten bewusst für andere Ihrem Apell auf ein grundlegendes Problem aufmerksam ins Netz stellen. Die Leute, die die App benutzt haben, gemacht, dem wir als Parlamentarier, als Staat und als wollten nur spielen; sie haben nicht mitbekommen, dass Gesellschaft beim Eintritt in dieses neue digitale Zeital- sie sowohl von dem App-Produzenten als auch von der ter gegenüberstehen. Auch der Präsident des Europäi- NSA bis ins letzte Detail ausspioniert worden sind. Da- schen Parlaments, unser Spitzenkandidat für die Europa- vor gilt es die Menschen in Zukunft zu schützen. wahl, Martin Schulz – das ist ja schon erwähnt worden –, (B) hat in dieser Woche in einem beeindruckenden Aufsatz (Beifall bei Abgeordneten der SPD) (D) das totalitäre Potenzial des Internets und der digitalen Die Intention der Wirtschaftsunternehmen für ihre Revolution deutlich gemacht. Er hat das treffend be- Datensammelwut ist die gleiche wie die der Nachrich- schrieben: Wir stehen vor großen Herausforderungen. – tendienste, nämlich die Kontrolle über das Individuum. Übrigens, lieber Herr Konstantin von Notz, bei allem Deswegen ist diese Agglomeration auch so gefährlich Bemühen, sich in der Opposition zu profilieren, sollten für unsere Demokratie. Bei den einen geht es um das In- Sie hier nicht wahrheitswidrig behaupten, die SPD-Ab- dividuum als Wirtschaftsobjekt, als Marktteilnehmer; geordneten hätten im Europaparlament gegen die sichere bei den anderen geht es um das Individuum als Staats- Aufnahme von Snowden gestimmt. Sie haben dafür ge- bürger und als potenzieller Gefährder. Das hat Konse- stimmt. quenzen weit über die Grenzen des Staates hinaus. Denn (Beifall bei Abgeordneten der SPD – die zunehmende Entgrenzung, die der digitalen Entwick- Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE lung zu eigen ist und die zum Teil auch ihre Vorteile aus- GRÜNEN]: Sie haben das rausgestrichen aus macht, ist gleichzeitig die neue Herausforderung. Daten- der Beschlussvorlage!) schutz ist heute nicht mehr nur eine Frage des Schutzes von Persönlichkeitsrechten, sondern auch eine Frage der Die Möglichkeiten und Vorteile dieser neuen, digita- nationalen Sicherheit und der nationalen Souveränität. len Ära, von der viele sagen, sie werde prägender sein als die industrielle Revolution, sind vielfältig. Sie betref- (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sehr fen den Wirtschaftsbereich, das Privatleben, die alltägli- gut!) che Lebensführung, und die Möglichkeiten werden noch Wenn Staaten die Fähigkeit verlieren, sich schützend vor immens steigen. Die Kehrseite dieser Medaille aber ist, ihre Bürger zu stellen, egal ob gegenüber dem Ausspio- dass wir die Netze und ihre Nutzer besser schützen müs- nieren durch fremde Mächte oder gegenüber dem An- sen; das ist eine wachsende Erkenntnis. Trotz dieser Er- spruch international agierender Konzerne, sich nicht kenntnis, die schon oft, zuletzt in der Enquete-Kommis- mehr an deutsches oder europäisches Recht halten zu sion „Internet und digitale Gesellschaft“, thematisiert müssen, dann verlieren sie langfristig ihre Legitimation. wurde, haben uns die Offenbarungen von Snowden ein Das ist die eigentliche Herausforderung, vor der wir ste- Stück weit erschreckt. Das ist unter anderem Anlass für hen. die heutige Debatte. Es geht um den Umgang mit Daten- kraken wie Google und Facebook, und es geht um die (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ Gefahr für unsere Demokratie, die von undurchsichtig CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- agierenden und unkontrollierten Nachrichtendiensten NEN) 1136 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Gerold Reichenbach (A) Wir alle wissen: Das den Staaten zur Verfügung ste- und zwar präventiv, bevor eine neue EU-Richtlinie vor- (C) hende Zoll- und Grenzregime ist in der digitalen Zeit liegt, um mit diesem Gesetz auf eine neue Richtlinie wirkungslos geworden. Wir müssen uns einmal an- Einfluss zu nehmen? Ich frage Sie: Wie wollen Sie das schauen, was die eigentliche Qualität dessen ist, was Recht auf informationelle Selbstbestimmung sicherstel- Snowden offenbart hat. Bei aller Schwere des Vorgangs len, wenn ohne EU-rechtliche Grundlage die Vorratsda- ist es dennoch nicht die Tatsache, dass das Handy der tenspeicherung in Deutschland eingeführt werden soll? Kanzlerin und die Handys von Regierungsmitgliedern (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE ausspioniert wurden. Solche Abhöraktionen kennen wir GRÜNEN]: Gute Frage!) schließlich aus den letzten Jahrhunderten.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE Gerold Reichenbach (SPD): GRÜNEN]: Aber nicht von Freunden!) Liebe Halina, die umständliche Art und Weise, wie du Die eigentlich neue Qualität ist, dass aufgrund der erho- deine Frage formulieren musstest, zeigt mir eigentlich benen Daten amerikanische Behörden in einer Art und in schon, dass du offensichtlich falsch verstan- einem Umfang Kontrolle über die Bürger der Bundes- den hast. republik Deutschland erlangt haben, wie dies früher (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aha!) noch nicht einmal möglich war, wenn man militärisch einmarschiert ist und das Land besetzt hat. Das ist die ei- Er hat nicht gesagt, dass er für den Fall, dass die Richtli- gentlich neue Qualität, der wir gegenüberstehen. Man nie für unzulässig erklärt wird, ein Gesetz vorbereiten könnte es sogar auf die Spitze treiben und sagen: Im di- wird. Das ist völliger Unsinn. gitalen Zeitalter verliert zum Teil sogar das Militärische (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE seine Schutzfunktion. GRÜNEN]: Aber was hat er denn gesagt?) Demokratie bedeutet für uns vor allem die Freiheit Wenn der Europäische Gerichtshof sagt, dass die Richtli- des Einzelnen. Sie kann aber nur fortbestehen, wenn wir nie als Ganze mit den europäischen Menschenrechten es als Staat schaffen, die Integrität der informationstech- nicht vereinbar ist, dann wird ein Rechtsstaat wie die nischen Systeme, die zum Teil Abbild der Persönlichkeit Bundesrepublik Deutschland nicht hingehen und sagen: und der eigenen persönlichen Ausdrücke, Empfindun- Aber wir machen trotzdem ein Gesetz, das auf dieser gen, Regungen und Beziehungen sind, zu schützen, was Richtlinie basiert. – Das wäre ja geradezu rechtswidrig. durch das Grundgesetz und die Urteile des Bundesver- Das steht gar nicht zur Debatte. fassungsgerichts zur Volkszählung, zur Vorratsdaten- speicherung und zu den sogenannten Bundestrojanern si- (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE (B) chergestellt werden soll. Das ist die eigentliche Aufgabe, GRÜNEN]: Das ist gut zu hören! – Halina (D) dir vor uns liegt. Ich sage auch – durchaus konform mit Wawzyniak [DIE LINKE]: Das werden wir se- kritischen Stimmen –: Das werden wir nicht schaffen, in- hen!) dem wir die Überwachung weiter ausdehnen. Wir dürfen Die Frage ist am Ende: Wie urteilt der Europäische nicht nur kritisieren, was andere an Kontrolle und Über- Gerichtshof? Welche Teile der Richtlinie werden aufge- wachung anstreben, sondern müssen auch zwischen der hoben? Welche Teile haben weiterhin Bestand? Gibt es Einengung der Freiheit und einer gebührend umfassen- weiterhin – und darum geht es im Koalitionsvertrag – den Sicherheit qualitativ abwägen. Mit dieser Abwägung eine Umsetzungspflicht? Oder: Ist durch das Urteil des werden wir uns jeden Tag befassen müssen. Das geht Europäischen Gerichtshofes die Umsetzungspflicht für nicht mit einem ideologischen Ja oder Nein. Dafür ist die Staaten, die die Richtlinie noch nicht umgesetzt ha- dieser Abwägungsgegenstand viel zu schwierig. ben, entfallen? Gibt es lediglich eine Übergangsfrist für (Beifall bei der SPD) die Staaten, die sie bereits umgesetzt haben, und zwar so lange, bis der europäische Gesetzgeber das Ganze neu Vizepräsidentin Petra Pau: geordnet und neu aufgesetzt hat? Darum geht es. Es geht Kollege Reichenbach, gestatten Sie eine Frage oder nicht darum, nach dem alten Motto zu verfahren: Bemerkung der Kollegin Wawzyniak? Schnurzegal, was die in Brüssel machen. Wir machen das schon. – Dieses Bild, das Sie von der Koalition aus CDU/CSU und SPD zu zeichnen versuchen, ist grundle- Gerold Reichenbach (SPD): gend falsch. Ja, klar. (Beifall bei der SPD) Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Lassen Sie mich zum Gegenstand zurückkommen. Kollege Reichenbach, ich möchte Sie direkt fragen. Die Frage ist am Ende: Wie können wir das durchset- Sie haben gerade über das Urteil des Bundesverfas- zen? Das wird nicht mit der Silver Bullet oder mit dem sungsgerichts gesprochen. Wie, denken Sie, soll das Grundsatz „one fits all“ geschehen können. Dazu brau- Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingehalten chen wir das Marktortprinzip, die Durchsetzung von Da- werden, wenn der Justizminister, wie im Rechtsaus- tenschutzanforderungen im Rahmen einer europäischen schuss angekündigt, selbst bei einer Unzulässigkeit der Datenschutzverordnung gegenüber dem privaten Be- Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ein deutsches reich, wonach Staaten von diesen Ansprüchen nicht ein- Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorlegen möchte, fach freigestellt werden und wonach jemand, der gesetz- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1137

Gerold Reichenbach (A) widrig Daten an Dritte preisgibt, ohne dass es ein Gerold Reichenbach (SPD): (C) Abkommen zur Weitergabe gibt – egal wie die Rechts- Lieber Konstantin von Notz, ich mag dich ganz gerne. lage im jeweiligen Land ist –, Strafe fürchten muss. Wir Wir haben in vielen Bereichen durchaus gut zusammen- brauchen aber nicht nur das Marktortprinzip, sondern gearbeitet. Ich denke, wir werden das auch in Zukunft auch das Prinzip der informierten Zustimmung. Dazu tun. gehört natürlich, dass wir die Daten, die wir in Europa schützen, nicht relativ unkontrolliert bzw. mit schwacher (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Kontrolle an Drittstaaten weitergeben oder weitergeben GRÜNEN]: Ja!) lassen. Das heißt, wir müssen die europäischen Abkom- Hinter deiner Frage steckt die alte Überheblichkeit, men auf den Prüfstand stellen. Ich begrüße durchaus, die wir im Parlament immer wieder erleben: Wenn die dass das Europäische Parlament die Kommission aufge- Grünen, manchmal auch die Linkspartei, in einem An- fordert hat, das Safe-Habor-Abkommen auf den Prüf- trag ein Thema oder eine Forderung formulieren, dann stand zu stellen und aufzukündigen. ist jeder, der diesem Antrag nicht zustimmt, ihrer Mei- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Edward Snowden nung nach zugleich gegen das Thema oder die Forde- gehört unser Dank, die Debatte angestoßen zu haben. rung. Genau das ist falsch. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der DIE GRÜNEN) CDU/CSU) Die Frage ist nicht, ob, sondern welche Konsequenzen So geht das in einer Demokratie, die auf eine differen- wir aus der NSA-Affäre ziehen müssen. Dazu kann der zierte Debatte angewiesen ist, nicht. Untersuchungsausschuss einen Beitrag leisten. Dem (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE sollten wir nicht mit dem, was die Grünen in der letzten GRÜNEN]: Aber wer hat denn jetzt Wahr- Legislaturperiode beantragt haben, vorgreifen. heitswidriges gesagt?) Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin, Das ist das Instrument der Schwarz-Weiß-Malerei, des- ich komme zum Schluss. Wir Sozialdemokratinnen und sen wir uns nicht bedienen sollten. Sozialdemokraten sehen es als Aufgabe an – das steht in der Tradition unserer 150-jährigen Geschichte –, dafür (Beifall bei der SPD) zu sorgen, dass das neue, digitale Zeitalter zu einem Die Wahrheit ist, dass wir dem Antrag der Grünen Zeitalter der Freiheit und des Wohlstandes der Bürger nicht zugestimmt, sondern eine Formulierung einge- und nicht zu einem Zeitalter des fremdbestimmten Indi- bracht haben, die auch den Schutz von Edward Snowden viduums durch Wirtschaftsinteressen und Kontrolleure (B) intendiert und besagt: Es muss im Detail geprüft werden, (D) wird. Dafür werden wir uns in dieser Legislaturperiode wie der Schutz vorzunehmen ist. – Wenn Ihnen Geheim- und in dieser Koalition einsetzen. dienstler sagen, dass die Forderung nach dem Schutz Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. von Edward Snowden zwar relativ leicht ausgesprochen ist, aber nur schwer realisiert werden kann, dann muss (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten man diese Warnung ernst nehmen. Man kann das nicht der CDU/CSU) proklamatorisch mit einem scharfen Satz in der Resolu- tion des Europäischen Parlaments wegfegen. Differen- Vizepräsidentin Petra Pau: ziertheit bedeutet nicht, dagegen zu sein, sondern offen- Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Konstantin bart im Gegenteil ernsthaftes Bemühen um die Sache. von Notz das Wort. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE Vizepräsidentin Petra Pau: GRÜNEN): Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Geschätzter Kollege Nina Warken das Wort. Reichenbach, weil Sie mich direkt angesprochen haben, möchte ich klarstellen: Ich habe nichts Wahrheitswidri- (Beifall bei der CDU/CSU) ges behauptet, sondern es ist so. Bei einer Abstimmung im Innenausschuss des EP in der letzten Woche haben Nina Warken (CDU/CSU): leider auch die SPD-Abgeordneten dem Antrag von Lin- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und ken und Grünen, Edward Snowden Schutz zu gewähren, Kollegen! Der Schutz der Bürgerinnen und Bürger muss nicht zugestimmt. Sie haben stattdessen die Vorlage ver- nach wie vor unser oberstes Ziel sein. Das betrifft zum ändert und daraus einen Prüfauftrag gemacht. Das zeigt einen den Schutz vor Terrorismus und Kriminalität, ob zum wiederholten Male: Wenn es in Bürgerrechtsfragen aus dem In- oder Ausland. Das betrifft zum anderen aber ernst wird, dann ist auf Sie leider kein Verlass. auch den Schutz vor Ausspähung und Überwachung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Diese beiden Seiten von Freiheit und Sicherheit bedin- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) gen sich gegenseitig. Sie miteinander in Einklang zu bringen, ist jedoch nicht immer einfach. Vizepräsidentin Petra Pau: Gemäß dem vorliegenden Antrag der Grünen soll der Sie haben das Wort zur Erwiderung. Bundestag einen Aufruf von zahlreichen Schriftstellerin- 1138 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Nina Warken (A) nen und Schriftstellern unterstützen, in dem das Verhal- Bei der Diskussion über die Sicherheit im digitalen (C) ten Deutschlands mit dem Fehlverhalten von anderen Zeitalter wäre es falsch, wenn wir uns nur auf die NSA- Staaten und Unternehmen auf eine Stufe gestellt wird. Affäre konzentrieren würden. Wir sollten nicht verges- Wenn wir dem folgen, billigen wir, dass unser Land als sen, welche Gefahr andere Staaten für unsere Unterneh- Überwachungsstaat beschrieben wird, der seine Bürger men in puncto Wirtschaftsspionage darstellen. Das Glei- – weil es ja technisch ganz einfach möglich ist –, wo es che gilt für Kriminelle, die die Daten unserer Bürger nur geht, bespitzelt und ihre persönlichen Daten stiehlt. stehlen, um sie für ihre Machenschaften zu missbrau- Dem kann ich nur ganz entschieden widersprechen. chen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wie der Fall der entdeckten Botnetze und der 16 Mil- neten der SPD) lionen gestohlenen Zugangsdaten zeigt, Es ist richtig: Die Privatsphäre der Bürgerinnen und (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Bürger muss geschützt werden; da gebe ich dem Aufruf GRÜNEN]: Das ist mal ein gutes Thema!) recht. Das Internet und die modernen Kommunikations- mittel machen das zu einer immer größeren Herausfor- fühlen sich die Menschen in Deutschland im Internet derung. Ebenso richtig ist, dass das systematische Aus- nicht mehr sicher. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen spähen unserer Bürger durch US-Geheimdienste wie der haben die Menschen ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, NSA in keinem Verhältnis zu berechtigten Sicherheitsin- dem wir gerecht werden müssen. Deshalb wehre ich teressen steht, schon gar nicht, wenn es um das Abhören mich dagegen, dass die Opposition diese Debatte jetzt von Regierungsmitgliedern geht. Zwischen befreundeten nutzen will, um unsere eigenen Sicherheitsbehörden zu Staaten ist das keine Art des Umgangs. schwächen. Das würde die Umsetzung der von ihr gefor- derten Maßnahmen nämlich bedeuten. Die Bundesregierung und wir Innenpolitiker sind hier, anders als von der Opposition behauptet, nicht ta- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin tenlos. von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was unternehmen Sie denn?) (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Terroristen und Kriminelle operieren global und hal- ten sich weder an Gesetze noch an internationale Ab- Der Dialog mit unseren amerikanischen Partnern wird kommen. Deshalb werden wir auch in Zukunft einen en- auf politischer Ebene konsequent weitergeführt und der gen Informationsaustausch mit unseren Verbündeten Druck auf sie erhöht. Nur so erreichen wir ein Umden- brauchen. Gleichzeitig sollten wir darauf hinarbeiten, ken auf amerikanischer Seite. Gleichzeitig müssen und technologisch unabhängiger zu werden. Das erreichen (B) werden wir in dieser Sache im Interesse unserer Bürge- wir, indem wir vermehrt auf IT-Lösungen made in Ger- (D) rinnen und Bürger für größtmögliche Aufklärung sorgen. many setzen und indem unsere Sicherheitsbehörden im IT-Bereich personell und technisch besser ausgestattet (Beifall bei der CDU/CSU) werden. Ebenso brauchen wir das geplante IT-Sicher- Trotzhaltungen und die Blockademaßnahmen, die die heitsgesetz. Dieses verpflichtet Anbieter, mehr für den Opposition in ihrem Maßnahmenkatalog fordert, würden Schutz ihrer Kunden zu tun. Gleichzeitig müssen Unter- diesen Prozess allerdings nur torpedieren und die Fron- nehmen Hackerangriffe künftig melden, damit gegen sie ten verhärten. wirksam vorgegangen werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin In Sachen Datenschutz ist Datensicherheit nach wie von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: vor die beste Lösung. Neben verbesserten Verschlüsse- Jetzt kommen Ihre Maßnahmen! Darauf lungsmöglichkeiten sollten wir anstreben, dass der in- freuen wir uns schon!) nerdeutsche Datenverkehr nur über Datenleitungen und Server in Deutschland verläuft. Dann wäre auch das Man darf außerdem nicht vergessen, dass dank der In- Bundesdatenschutzgesetz, das im internationalen Ver- formationen unserer amerikanischen Verbündeten bei gleich das höchste Schutzniveau bietet, voll anwendbar. uns in Deutschland bislang glücklicherweise jeder Ver- such eines Terroranschlages noch im Vorfeld vereitelt Bei allen erforderlichen staatlichen Maßnahmen ist werden konnte. Auch das vergisst der Aufruf der Schrift- aber auch jeder Einzelne selbst gefordert, etwas für seine stellerinnen und Schriftsteller. Sie schreiben, dass Men- Sicherheit zu tun und verantwortungsvoll mit seinen Da- schen unter Beobachtung niemals frei sind. ten umzugehen. Mit sicheren Passwörtern, Vorsicht beim Öffnen von E-Mail-Anhängen und einem kritischen Um- (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE gang mit Angeboten im Internet ist jedoch schon viel er- GRÜNEN]: Stimmt!) reicht. Dafür müssen wir die Bürgerinnen und Bürger Aber ein Mensch, der sich bedroht fühlen muss, ist auch noch mehr sensibilisieren. nicht frei. Unser Ziel muss es sein, ein ausgewogenes Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind die Maß- Maß zwischen Sicherheit und Freiheit herzustellen. Da- nahmen, die wir jetzt Schritt für Schritt umsetzen müs- für brauchen wir unsere Partner in Europa, in Amerika sen, um Freiheit und Sicherheit im digitalen Zeitalter zu und in der ganzen Welt. gewährleisten. Ich bin mir sicher, dass die Bundesregie- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. rung mit dem Bundesinnenminister das gemeinsam mit Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]) uns konsequent tun wird. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1139

Nina Warken (A) Vielen Dank. nämlich die Angst, die Angst vor der Zukunft, die Angst (C) vor der Politik und die Angst vor dem Leben. – Es ist un- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sere Aufgabe als Politiker, jetzt, in einer Situation, in der neten der SPD) Menschen Befürchtungen haben, in der Menschen viel- leicht besorgt sind und Ängste haben, diese Ängste zu Vizepräsidentin Petra Pau: nehmen, aber diese Ängste nicht in einem Antrag zu for- Kollegin Warken, das war Ihre erste Rede im Deut- mulieren, der keine Lösungen aufzeigt. schen Bundestag, dazu herzliche Glückwünsche. Ich hebe besonders hervor, dass Sie nicht nur in der Redezeit (Beifall bei der CDU/CSU) geblieben sind, sondern für Ihre Fraktion solidarisch so- Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die zi- gar noch Redezeit gespart haben. vilisatorischen Errungenschaften des Internets, die Ak- (Beifall) quise von Wissen, das Ausleben von Meinungsfreiheit, das Knüpfen von Kontakten und die Erleichterung des Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Ullrich für die täglichen Lebens, unter Berücksichtigung von Daten- Unionsfraktion. schutz und Schutz der Privatsphäre erhalten bleiben. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die De- (Beifall bei der CDU/CSU) mokratie im digitalen Zeitalter ähnlich gut funktioniert, wie die Demokratie im analogen Zeitalter funktioniert Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): hat. Lassen Sie uns gemeinsam die Demokratie im digi- Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und talen Zeitalter leben, eine Demokratie, welcher die Men- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Mo- schen vertrauen, weil sie den Rechtsstaat und unsere naten haben 562 Schriftsteller einen Appell zur Verteidi- Grundrechte schützt. gung der Demokratie im digitalen Zeitalter unterzeich- net. Sie sorgen sich um die Würde des Menschen, um (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- den Schutz unserer Daten und um die Folgen massenhaf- neten der SPD) ter Ausspähung. Diese Sorgen teilen wir. Vizepräsidentin Petra Pau: Unsere Befürchtungen und Sorgen gehen aber noch weiter. Wir fragen uns auch: Was können die Gegner un- Kollege Dr. Ullrich, das war Ihre erste Rede im Deut- serer Freiheit im Netz noch bewirken? Wie sieht es mit schen Bundestag. Ich wünsche Ihnen sehr viel Erfolg für Terrorismus aus, mit organisierter Kriminalität, mit Ihre weitere Tätigkeit und hebe hervor, weil das gar Netzwerken widerwärtiger Menschen, die das Wohl un- keine Selbstverständlichkeit ist, dass Sie mit Ihrer Rede- zeit sehr gut haushalten konnten. (B) serer Kinder bedrohen, oder mit Hackerangriffen gegen (D) unsere Versorgungsstrukturen? Das alles sind Angriffe (Beifall) auf unsere Freiheit. Wir sehen: Der Rechtsstaat kann nur so stark sein kann, wie er auch den Schutz unseres Ge- Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege meinwesens und dessen, was uns wichtig ist, gewährleis- Marian Wendt für die Unionsfraktion das Wort. tet. Es ist eben doch das alte Spiel zwischen Sicherheit (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) und Freiheit. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE Marian Wendt (CDU/CSU): GRÜNEN]: Eben nicht!) Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Debatte, die wir heute führen, wurden die Ein Minimum an Sicherheit kann niemals maximale Probleme und Chancen der digitalen Welt aufgeführt. Freiheit gewährleisten. Ich bin sehr dankbar, dass wir diese Debatte geführt ha- (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE ben. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir gerade GRÜNEN]: Umgekehrt auch nicht!) erst am Beginn des Weges zur Neuregelung des Internets und des Lebens und Wirkens darin stehen. Wir müssen Sicherheit und Freiheit nicht nur in die Ba- lance bringen, sondern auch darauf achten, dass die Si- Insofern danke ich den Grünen für den Antrag und die cherheit so groß ist, dass der Mensch frei leben kann. Möglichkeit einer Debatte. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall des Abg. Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir tragen gemeinsam Verantwortung für das, was jetzt zugunsten unserer Demokratie im digitalen Zeital- Das war es dann aber auch schon mit dem Lob; denn lei- ter geschieht. Deswegen sind Lösungen angebracht: Ge- der kann ich ansonsten kaum Positives über den Antrag setzentwürfe, Verordnungen. Das ist wesentlich wichti- berichten. ger als die Litanei der Empörung. Das ist auch (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE wesentlich wichtiger, als Befürchtungen und Angst zu GRÜNEN]: Jetzt haben Sie noch sechs Minu- schüren. In diesem Zusammenhang sei an eine Rede er- ten! Das wird ja eine traurige Zeit!) innert, die Ernst Wiechert vor annähernd 90 Jahren vor Abiturienten gehalten hat. Er hat damals so ähnlich for- – Sechs Minuten zwanzig. – Meine Vorredner haben die muliert: Ich weiß nicht, ob ich euch etwas gegeben habe, wesentlichen Kritikpunkte bereits benannt. Was mich aber ich hoffe, dass ich euch etwas genommen habe, insbesondere stört, ist die sehr unreflektierte Intonation 1140 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Marian Wendt (A) Ihrer Begründung. Wer Ihre Zeilen gelesen und Ihre De- Das fängt bei grundsätzlichen Fragen an wie: „Welche (C) battenbeiträge verfolgt hat, könnte glauben, die Bundes- Daten gebe ich im Netz von mir preis?“, „Was zahle ich republik sei ein autokratisches Entwicklungsland und als Nutzer für Dienste von E-Mail-Providern und Betrei- stünde erst am Beginn des demokratischen Zeitalters. bern von sozialen Netzwerken, die eigentlich kostenlos (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE sind?“. Hier sollte einerseits der Grundsatz gelten: so GRÜNEN]: Da haben Sie nicht gut gelesen!) wenig Persönliches wie möglich, so viel wie nötig. An- dererseits muss den Internetnutzern auch klar sein, dass – Ich habe hier sehr gut gelesen und der Debatte zuge- sie bei kostenlosen Angeboten im Internet oftmals mit hört. – In dem Antrag ist zum Beispiel davon die Rede, ihren persönlichen Daten zahlen. dass das Persönlichkeitsrecht und die Unverletzlichkeit des Individuums – ich zitiere – „inzwischen null und Wer das nicht möchte, kann auf viele Alternativanbie- nichtig“ seien. Mit welcher Leichtigkeit Sie hohe Verfas- ter zurückgreifen. Gerade in Deutschland und besonders sungsgüter unseres demokratischen Rechtsstaates ver- hier in Berlin gibt es beispielsweise viele E-Mail-Anbie- worfen sehen wollen, ist schon sehr bedenklich. ter, die hinsichtlich Datenschutz und Verschlüsselung sehr benutzerfreundliche Angebote machen. Wir können (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – mit den Unternehmen und gesellschaftlichen Initiativen Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Jede Wahr- noch mehr erreichen. Sicherheit muss eine Selbstver- heit braucht einen Mutigen, der sie aus- ständlichkeit für die Internetnutzer werden, für die jeder spricht!) etwas tun kann. Aspekte wie die Verschlüsselung und Das Recht der Opposition auf Kritik in allen Ehren, aber Anonymisierung der Daten im Netz dürfen keine Ni- ich finde, viele Ihrer Formulierungen sind maßlos über- schenthemen für IT-Begeisterte sein. trieben. Ihr Antrag ist pauschalisiert und greift insgesamt (Beifall bei der CDU/CSU) zu kurz. Sie müssen bei der breiten Mehrheit der Internetnut- Ich möchte deswegen die Möglichkeit nutzen, hier in der Debatte zwei Punkte zu betonen: erstens die Eigen- zer ankommen. Das Bundesamt für Sicherheit in der In- verantwortung der Bürgerinnen und Bürger bei der Si- formationstechnik, das in den letzten Monaten sehr oft cherheit im Internet und zweitens das Verhältnis von In- gerügt wurde, sendet hierfür wichtige Impulse, zum Bei- ternet und Demokratie, so wie es die Überschrift des spiel mit Initiativen wie „Deutschland sicher im Netz“ Antrages erahnen lässt. und dem „Safer Internet Day“. Insofern plädiere ich mit Nachdruck dafür, die Verunsicherung aufgrund der nach- Zum ersten Punkt möchte ich Folgendes sagen: Ei- richtendienstlichen Aktivitäten auch als Chance zu be- genverantwortung im Internet und im Umgang mit digi- (B) greifen. Durch verstärkte Information und Aufklärung (D) talen Medien spielt eine sehr wichtige Rolle. 80 Prozent können Internetnutzer befähigt werden, sich selbst im der Menschen in unserem Land nutzen das Internet zu- Netz zu schützen und sensibel mit persönlichen Daten mindest gelegentlich, die breite Mehrheit der Internet- umzugehen. nutzer hegt aber Misstrauen gegenüber dem Medium. Nach einer Umfrage des Verbandes BITKOM halten Zu meinem zweiten Gedanken, dem Verhältnis von 80 Prozent der Menschen in unserem Land ihre persönli- Internet und Demokratie. Das Internet ist als Medium für chen Daten im Internet für nicht sicher. eine demokratische Gesellschaft wichtig. Es kann dabei helfen, demokratische Verfahren zu vereinfachen und zu (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE verbessern. Damit kann das Internet für eine höhere Ak- GRÜNEN]: Na also!) zeptanz unseres demokratischen Miteinanders sorgen. Es ist natürlich richtig: Politik und Wirtschaft tragen Allerdings warne ich vor zu viel Träumerei. Denn De- Verantwortung für mehr technische und rechtliche Si- mokratie findet nicht nur online statt. Das mussten die cherheit im Netz – was auf diesen Feldern geleistet wird, Grünen leidvoll erfahren, als sich an ihrer Kandidaten- haben meine Vorredner angesprochen –, aber das ist kür für die Europawahlen im Netz nur 22 676 Menschen eben nur eine Seite der Medaille. Auf der anderen Seite beteiligten. sind ein größeres Sicherheitsbewusstsein und mehr Ei- genverantwortung der Internetnutzer notwendig. Das (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Thema Bildung, besonders bei jungen Menschen, spielt Wir trauen uns wenigstens so etwas!) dabei eine wichtige Rolle. Dem trägt die Koalition mit Wahlberechtigt waren 380 Millionen. Das ist eine Wahl- der Strategie „Digitales Lernen“ Rechnung. Gemeinsam beteiligung von 0,006 Prozent. mit den Ländern und Akteuren aus dem Bildungsbereich wollen wir die Chancen der neuen Medien für gute Bil- (Beifall bei der CDU/CSU – Claudia Roth dung entschlossen nutzen, entwickeln und umsetzen. Zu- [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: dem wollen wir zusammen mit den Ländern die Weichen Na ja! Immerhin!) für neue Profile im Fachbereich Informatik stellen, um Diese Zahlen zeigen, dass wir gerade außerhalb des das Zukunftsthema IT bei jungen Menschen noch stärker Internets mehr Menschen für unser demokratisches Sys- zu fördern und damit die Eigenverantwortung zu stär- tem begeistern müssen. Ein Beispiel dafür fand gestern ken. statt, als über 11 000 Menschen ein klares Zeichen für Allgemein gesprochen ist der Bereich Eigenverant- unsere Demokratie gesetzt haben. Sie haben eine Men- wortung natürlich ein breites Feld mit vielen Aspekten. schenkette für Freiheit, für Demokratie und für Rechts- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1141

Marian Wendt (A) staatlichkeit durch Dresden gebildet. Dieses gesell- Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bundes- (C) schaftliche Engagement der Menschen gestern hat mir minister der Justiz und für Verbraucherschutz: wieder einmal gezeigt, dass Demokratie eben mehr ist Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und als ein Klick auf den Gefällt-mir-Button. Herren! Weder das europäische noch das deutsche Insol- venzrecht enthält bisher Regelungen dafür, wie die In- Demokratie braucht den persönlichen Einsatz der solvenz eines gruppenangehörigen Unternehmens mit ei- Bürgerinnen und Bürger offline vor Ort. Das Medium nem für die Gläubiger möglichst optimalen Ertrag Internet kann nie eine hinreichende Bedingung für ein abgewickelt werden kann. demokratisches Gelingen sein. Dies ist, so meine ich, angesichts der gesamtwirt- (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE schaftlichen Bedeutung dieser Unternehmen zumindest GRÜNEN]: Das hat auch gar niemand be- bemerkenswert. So hat die Monopolkommission in ih- hauptet!) rem Hauptgutachten aus dem Jahr 2010 festgestellt, dass zwar nur 6,3 Prozent der in den Unternehmensregistern Selbst Bill Gates hat das erkannt. Er hat einmal gesagt: verzeichneten Unternehmen gruppenzugehörig sind, die „Die Informationstechnologie ist kein Allheilmittel. Das gruppenzugehörigen Unternehmen jedoch – das ist ge- ist natürlich eine Enttäuschung für all diejenigen, die waltig – einen Umsatzanteil von 70 Prozent und einen von PC und Internet die Lösung aller Menschheitspro- Beschäftigungsanteil von 53 Prozent auf sich vereinen. bleme erwarten.“ Ergänzend sei noch auf die Folgenabschätzung der EU- Kommission zur Novellierung der Europäischen Insol- Sie sehen: Wir stehen im Bereich der Netzpolitik und venzverordnung hingewiesen, wonach EU-weit 2 100 Un- der digitalen Agenda noch vor vielen Herausforderun- ternehmen pro Jahr von einer Insolvenz ihrer Unterneh- gen. Wir alle, Parlament und Gesellschaft, sind aufgefor- mensgruppe betroffen sind. dert, uns hier einzubringen und aktiv daran mitzuwirken. Der pauschale Antrag der Grünen greift hier leider zu Diesem Defizit wollen wir mit dem vorliegenden Ge- kurz. Deshalb können wir ihm nicht zustimmen. setzentwurf nun abhelfen. Dabei wollen es bei einem – wenn ich das einmal so ausdrücken darf – minimal- Vielen Dank. invasiven Eingriff belassen: Die haftungsrechtliche Un- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- abhängigkeit der einzelnen Gesellschaften soll auch in der Insolvenz nicht grundlegend durchbrochen werden. neten der SPD) Wir haben deshalb einer Konsolidierung der Haftungs- massen eine eindeutige Absage erteilt. Vizepräsidentin Petra Pau: (B) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (D) Ich schließe die Aussprache. Der Schwerpunkt des Gesetzentwurfes liegt vielmehr Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf auf einer Harmonisierung der einzelnen Verfahren über Drucksache 18/182 an die in der Tagesordnung aufge- die konzernangehörigen Gesellschaften. Über Gerichts- führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- stands- und Verweisungsregelungen wird eine abge- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung stimmte Durchführung der Verfahren angestrebt, um so so beschlossen. möglichst mehrere oder alle Verfahren über gruppenan- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: gehörige Schuldner bei einem Gericht bündeln zu kön- nen. Erste Beratung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Er- Eine wesentliche Schwachstelle des geltenden Rechts leichterung der Bewältigung von Konzern- besteht darin, dass für die einzelnen insolventen Gesell- schaften der Unternehmensgruppe mehrere Gerichte zu- insolvenzen ständig sein können, von denen unterschiedliche Insol- Drucksache 18/407 venzverwalter bestellt werden. Dies erfordert einen Überweisungsvorschlag: erheblichen Abstimmungsbedarf sowohl auf der Ebene Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) der Gerichte als auch auf der Ebene der Insolvenzver- Finanzausschuss walter. Um diesen Abstimmungsbedarf, der in den Ver- fahren zu Reibungsverlusten führen kann, möglichst ge- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für ring zu halten, sind im Entwurf mehrere Ansätze die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei - vorgesehen: nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Zum einen wird für insolvente Gesellschaften, die ei- Sobald die offensichtlich erforderlichen Umgruppie- nen Eigenantrag stellen, die Möglichkeit eröffnet, einen rungen in den Fraktionsreihen abgeschlossen sind, kann Gruppengerichtsstand zu begründen. An diesem Grup- ich auch die Aussprache eröffnen. – Ich eröffne die Aus- pengerichtsstand sollen die Insolvenzverfahren über sprache. weitere gruppenangehörige Gesellschaften geführt wer- Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär den können, sodass der Abstimmungsbedarf auf der Ebene der Insolvenzgerichte vollständig entfällt. Das Christian Lange. Gericht erhält nun die Möglichkeit, für alle bei ihm kon- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) zentrierten Verfahren einen einzigen Insolvenzverwalter 1142 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Parl. Staatssekretär Christian Lange (A) zu bestellen, sodass auch insofern kein Koordinierungs- beitnehmer ein weiterer wichtiger Schritt zur Rettung (C) bedarf mehr besteht. Dabei versteht es sich von selbst, angeschlagener, aber erhaltenswerter Unternehmen und dass das Gericht darauf zu achten hat, dass bei dieser damit hin zu einer besseren Sanierungskultur getan wird. Person keine unüberwindlichen Interessengegensätze Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. auftreten, die auch durch die Bestellung eines Sonder- insolvenzverwalters nicht ausgeräumt werden können. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wird kein Gruppengerichtsstand begründet und müs- sen deshalb die Insolvenzverfahren bei unterschiedli- Vizepräsidentin Petra Pau: chen Gerichten geführt werden, sieht der Gesetzentwurf Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle für die mehrere Regelungen vor, die die Zusammenarbeit zwi- Fraktion Die Linke. schen den Gerichten, aber auch zwischen den Gerichten (Beifall bei der LINKEN) und den Verwaltern gegenüber dem geltenden Recht ver- bessern. Richard Pitterle (DIE LINKE): Der für die Praxis bedeutsamste Bereich dürfte dabei Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle- die Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter sein. Nur ginnen und Kollegen! Wir reden heute über einen Ge- bei deren enger Kooperation kann es gelingen, im Inte- setzentwurf, der sich mit Insolvenzen in Konzernen be- resse der Gläubiger den Mehrwert zu heben, der in den schäftigt. Pleiten von Unternehmen gibt es leider immer konzernrechtlichen Verflechtungen angelegt sein kann. wieder. Im letzten Jahr waren insgesamt 26 300 Unter- Die Notwendigkeit einer Abstimmung ist insbesondere nehmen betroffen, im Jahr davor 28 720. Diese Pleiten dann unerlässlich, wenn die einzelnen Unternehmen der lösen bange Fragen bei den betroffenen Arbeitnehmerin- Gruppe so eng verwoben sind, dass sie ohne die Leistun- nen und Arbeitnehmern und ihren Familien aus. Sie fra- gen der anderen nicht überlebensfähig sind. gen sich: Wird es möglich sein, das Unternehmen zu sa- Aber nicht nur den Insolvenzgerichten und den Ver- nieren und die Arbeitsplätze zu erhalten? Findet sich ein waltern wird eine enge Kooperation vorgeschrieben; Investor für eine Fortführung des Unternehmens? – Aber vielmehr sollen auch die Gläubiger in den Abstim- auch viele Lieferanten, Handwerker und andere kleine mungsprozess einbezogen werden. Der Gesetzentwurf Selbstständige trifft eine Insolvenz nicht selten hart. sieht deshalb die Schaffung eines Gruppengläubigeraus- Die Baumärkte Praktiker und Max Bahr, der Herstel- schusses vor, in dem sich die Gläubigerausschüsse der ler von Socken und Strumpfwaren Kunert, der TV-Her- gruppenangehörigen Schuldner abstimmen können. steller Loewe, der Billigstromanbieter Flexstrom – alles Konzerne –, die Prokon-Gruppe – deren Konkurs (B) Besteht ein darüber hinausgehender Harmonisie- (D) rungsbedarf, dem nicht mit den eben geschilderten In- machte jüngst Schlagzeilen –, ihnen allen ist gemein, strumenten ausreichend Rechnung getragen werden dass sie nicht nur für die Muttergesellschaft, sondern kann, wird im Gesetzentwurf die Möglichkeit eröffnet, auch für jede einzelne Tochtergesellschaft separat Insol- ein besonderes Koordinationsverfahren einzuleiten. Die- venz anmelden mussten. Allein nach der Pleite des Ar- ses Verfahren ist weitgehend auf Konsens angewiesen candor-Konzerns mit den Tochtergesellschaften Karstadt und sieht als Schwerpunkt die Ausarbeitung eines Koor- und Quelle 2009 wurden 54 einzelne Insolvenzverfahren dinationsplans vor, mit dem die Einzelverfahren aufei- eröffnet. Dies ist mit der Einsetzung entsprechend vieler Insolvenzverwalter verbunden, die ausschließlich die In nander abgestimmt werden können. So kann der Plan - teressen der jeweiligen Tochtergesellschaft vertreten und etwa Vorschläge zur Wiederherstellung der wirtschaftli- das noch übrig gebliebene Vermögen einzeln verwerten. chen Leistungsfähigkeit und zur Beilegung gruppenin- terner Streitigkeiten enthalten. Ebenso können in ihm Das Gleiche gilt für die Insolvenzgerichte. Jedes Insol- Vereinbarungen zwischen den Insolvenzverwaltern an- venzverfahren wird isoliert abgewickelt – ohne Abstim- geregt werden. mung mit den Beteiligten der anderen Insolvenzverfahren. Dadurch werden die Verhandlungen zur Sanierung und In seiner Stellungnahme hat der Bundesrat die Bun- eine mögliche Rettung des Gesamtkonzerns erheblich desregierung um Prüfung zu drei Punkten gebeten. Diese erschwert, mit der Folge, dass die gesamte Insolvenz- betreffen die Schwellenwerte, bei deren Erreichung ein masse nicht optimal verwertet werden kann. Antrag auf Begründung eines Gruppengerichtsstandes gestellt werden kann, die gerichtsinterne Zuständigkeits- Das Ganze im Konzern ist mehr wert als die Summe verteilung bei diesem Gericht und die Kosten des Koor- seiner Einzelteile. Deshalb wird in der Krise und der In- dinationsverfahrens. Die Bundesregierung wird dieser solvenz zunächst meistens versucht, den Konzern als Bitte um Prüfung im weiteren Verlauf des Gesetzge- Unternehmensverbund weiter zu erhalten und entweder bungsverfahrens gerne nachkommen. gemeinschaftlich zu sanieren oder zu verwerten. Heute – das heißt mit dem bestehenden Insolvenzrecht – geht Lassen Sie mich abschließend festhalten, dass mit der Gesamtkonzern als Einheit und damit der eigentliche diesem Gesetzentwurf keine radikale Neuausrichtung Wert verloren. Das muss sich ändern. angestrebt wird; vielmehr sollen bereits vorhandene Lö- sungsansätze für eine Bewältigung von Gruppeninsol- Daher besteht Handlungsbedarf. Die Initiative für venzen maßvoll fortentwickelt werden. Ich bin zuver- eine gesetzliche Regelung geht aber wieder einmal nicht sichtlich, dass mit diesem Gesetzentwurf gerade auch im von der Bundesregierung aus, sondern kommt aus Eu- Interesse der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Ar- ropa. Bereits am 12. Dezember 2012 hat die EU-Kom- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1143

Richard Pitterle (A) mission dem Europäischen Rat und dem Europäischen Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (C) Parlament einen Vorschlag für eine Reform der Europäi- (Beifall bei der LINKEN) schen Insolvenzverordnung vorgelegt. Ziel ist die EU- weite Etablierung einer Rettungs- und Sanierungskultur für Unternehmen in der Krise. Vizepräsidentin Petra Pau: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege Es ist gut, zu wissen, dass sich wenigstens aufgrund Professor Dr. Heribert Hirte. der Aktivitäten auf europäischer Ebene in Deutschland etwas bewegt und weiter bewegen wird. Von dieser Bun- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- desregierung kommt bisher nichts, und es ist in dieser neten der SPD) Legislaturperiode – siehe Koalitionsvertrag – auch nicht viel zu erwarten. Dr. Heribert Hirte (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Dabei gibt es viel Handlungsbedarf. Der Abbau von Kollegen! Liebe Zuhörer! Das Bild des Bürgers vom Bürokratie ist seit vielen Jahren ein Topanliegen der mit- Unternehmen ist noch immer geprägt von der einzelnen telständischen Wirtschaft. Gesellschaft, meistens der GmbH oder der Aktiengesell- (Dr. [CDU/CSU]: Bestimmt schaft. Die wirtschaftliche Realität – wir haben es schon nicht von Ihnen!) gehört – ist aber eine völlig andere. Unternehmensgrup- pen, teilweise bestehend aus mehreren Hundert einzel- Die Menschen in Deutschland warten dringend auf einen nen Gesellschaften, bestimmen das Geschehen. Das gilt Abbau der kalten Progression und des sogenannten Mit- nicht nur für die bekannten Multis, sondern auch für telstandsbauchs viele Mittelständler und sogar Handwerker. (Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Stephan Harbarth Schon lange hat unsere Rechtsordnung auf dieses [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!) Phänomen reagiert. So verlangen die Offenlegungsvor- und fordern – gerade in diesen Wochen – die Bekämp- schriften des Bilanzrechts eine zusammengefasste Dar- fung von Steuerumgehung, Steuerbetrug und Steuerhin- stellung aller Konzernunternehmen, um ein den tatsächli- terziehung. chen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des – so ist es gemeint – gesam- (Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Dass Sie ten Konzerns zu vermitteln. sich zum Fürsprecher der Steuerzahler ma- chen!) Eine kleine Bemerkung am Rande mit Blick auf die ADAC-Diskussion: Für Vereine ist das bedauerlicher- (B) Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Erleichte- weise noch nicht so. (D) rung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen sollen unter anderem die Betrachtung des Konzerns in den Vor- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und dergrund gestellt und insbesondere Reibungs- und Wert- der SPD) verluste reduziert werden. Insofern beschreiten Sie mit Im Gesellschaftsrecht wird das Phänomen Konzern an dem Gesetzentwurf grundsätzlich den richtigen Weg. zahlreichen Stellen aufgegriffen. Es begründet unter hier Die Interessen der Beschäftigten werden aber wieder nicht weiter interessierenden Voraussetzungen Durch- nicht ausreichend berücksichtigt. Hierzu zähle ich nicht griffsmöglichkeiten, Haftung, Zurechnung usw. Auf der nur die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern Grenze zum Arbeitsrecht tragen schließlich der Kon- auch die Betriebsräte und Gewerkschaften. Wir wollen zernbetriebsrat und die konzernweite unternehmerische entsprechende Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte Mitbestimmung dem Vorliegen einer Unternehmens- für die Vertretungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbei- gruppe Rechnung. ter eingefügt sehen, Stiefmütterlich behandelt wird der Konzern aber noch (Beifall bei der LINKEN) immer im Insolvenzrecht. Hier steht die einzelne natürli- che oder juristische Person im Vordergrund, genauso wie zum Beispiel für den Konzernbetriebsrat. Darum wird im 19. Jahrhundert, als mit der Konkursordnung die Vor- sich die Linke im weiteren Beratungsprozess zum Ge- gängerin unserer heutigen Insolvenzordnung geschaffen setzentwurf ganz besonders kümmern. wurde. Das ist wenig überzeugend, wie wir schon gehört Wir werden darauf achten, dass auf jeden Fall die Ar- haben; denn dadurch werden die sogenannten Synergie- beitnehmerrechte gewahrt werden, die beim letzten Mal vorteile, wie wir das heute neumodisch nennen, die bei in den Beratungen über das Gesetz zur weiteren Erleich- der lebenden Großorganisation Konzern den Gesell- terung der Sanierung von Unternehmen – besser bekannt schaftern, Gläubigern und damit auch den Arbeitneh- unter dem Kürzel ESUG – am Ende doch noch dem neo- mern zugutekommen, in der Abwicklung vergeudet. liberalen Mainstream geopfert wurden. Das Insolvenzverfahren, etwa über die angehörigen Es gibt also noch einiges am Gesetzentwurf zu verän- Unternehmen einer Unternehmensgruppe, kann in Itze- hoe, Garmisch-Partenkirchen und Saalfeld mit jeweils dern. Hierbei bieten wir der Bundesregierung eine kon- unterschiedlichen Insolvenzverwaltern stattfinden. Die struktive Mitarbeit an. Praxis – dazu zählen auch die Insolvenzgerichte – hat (Dr. Stephan Harbarth [CDU/CSU]: Danke, hier im Wege von Auslegung und Vereinbarung zwar darauf können wir verzichten!) durchaus praktikable Lösungen entwickelt, beispiels- 1144 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Dr. Heribert Hirte (A) weise ein einheitliches Insolvenzverfahren in Köln. Das ten Eigenantrag gilt und Missbrauch in Form von Zu- (C) knüpft natürlich an die Bemerkung des Düsseldorfer ständigkeitserschleichungen auch noch durch andere Kollegen Jarzombek an, der Köln schon ins Spiel ge- Maßnahmen verhindert wird. bracht hat. Zweitens stellt er klar, dass in solchen Fällen ein ein- (Richard Pitterle [DIE LINKE]: Das ist immer heitlicher Insolvenzverwalter bestellt werden darf, dass gut!) also gerade nicht, wie bisher teilweise behauptet wurde, zwischen den einzelnen insolventen Gesellschaften so – Zustimmung von der Linken: Vielen Dank! – Für die starke Konflikte bestehen, dass immer – kostenintensiv – notwendige Rechtssicherheit reicht dies aber nicht aus, unterschiedliche Verwalter bestellt werden müssen. So- zumal wir uns hier in einer Konkurrenz vor allem mit weit das gleichwohl der Fall ist, sollen sie zur Zusam- England befinden. Es ist relativ leicht möglich, den so- menarbeit verpflichtet werden. genannten Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen eines Unternehmens nach England zu verlegen und dann Drittens will der Entwurf die Möglichkeit einer frei- doch das ganze Insolvenzverfahren über eine Unterneh- willigen Koordination durch ein besonderes neues Koor- mensgruppe einheitlich abzuwickeln. Handeln ist daher dinationsverfahren schaffen, also einen Masterplan. geboten. Zusammengefasst: Was das Gesellschaftsrecht zu- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sammengeführt hat, das soll das Insolvenzrecht nicht neten der SPD) scheiden. Wo konkret liegt das Problem? Fünf Fragenkreise las- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sen sich ausmachen: erstens die divergierende örtliche neten der SPD) Zuständigkeit der Insolvenzgerichte, wie gerade gehört; Das ist im Ansatz richtig und wichtig; denn die durch zweitens die Tatsache, dass dann noch unterschiedliche die Neuregelung klargestellte Möglichkeit, die Insolvenz- Insolvenzverwalter in den verschiedenen Verfahren tätig verfahren verschiedener konzernangehöriger Unterneh- sind; drittens, dass wir es mit unterschiedlichen Insol- men an einem Ort und in einer Hand abzuwickeln, spart venzmassen zu tun haben; viertens die Frage, wie das Kosten. Das ist gut für die Gläubiger, die Arbeitnehmer eine Verfahren auf das andere Verfahren einwirkt; und und damit für die Menschen in unserem Land. fünftens und letztens, ob man einen Masterplan machen kann, mit dem man das gesamte Unternehmen einheit- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- lich sanieren kann. neten der SPD) Der hier vorgelegte Regierungsentwurf, der im Sinne Was der Entwurf andererseits nicht vorschlägt: Weder (B) einer die parteilichen Alltagskonflikte durchaus positiv werden die Insolvenzverfahren der einzelnen konzernan- (D) überstrahlenden rechtspolitischen Kontinuität noch unter gehörigen Unternehmen als solche zusammengefasst, der früheren Bundesregierung erarbeitet wurde und des- noch – und erst recht nicht – werden die Vermögensmas- sen erste Vorarbeiten noch auf die letzte Große Koalition sen der einzelnen Gesellschaften zusammengefasst. Das zurückgehen und nicht etwa erst durch EU-Vorgaben be- entspricht der Selbstständigkeit juristischer Personen einflusst wurde, bildet den Abschluss – sicher nur vor- auch im Konzern. Würde man anders vorgehen – es gibt läufig – einer Novellierungstrias aus dem ESUG – dieser durchaus Stimmen, die das fordern –, würde die Mög- Begriff fiel eben schon –, also dem Gesetz zur weiteren lichkeit der Kreditvergabe an die einzelnen Gesellschaf- Erleichterung der Sanierung von Unternehmen, der ten nachhaltig beeinträchtigt. Denn als Gläubiger Restschuldbefreiung und schließlich der Konzerninsol- braucht man Berechenbarkeit, und das heißt auch: Man venz, die alle das Insolvenzrecht grundlegend moderni- muss vorher wissen, mit wem man nachher in einem sieren wollen. Sie teilen das Ziel einer Erhaltung von Boot sitzt, wenn die Mittel des Kreditnehmers nicht Werten und Arbeitsplätzen durch „Sanierung vor Zer- mehr reichen. schlagung“. Das ist ein richtiger Weg. Der Regierungsentwurf ist – ich sagte es bereits – (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) noch von der alten Bundesregierung erarbeitet worden. Naturgemäß kann er daher das nicht berücksichtigen, Der Entwurf adressiert positiv drei der genannten Fra- was wir als CDU/CSU mit der SPD im Koalitionsvertrag gestellungen und einen weiteren explizit negativ. Diese im Hinblick auf das Insolvenzrecht vereinbart haben – „Selbstbeschränkung“ – minimalinvasiv, wie wir das und da gibt es durchaus einiges. Wenn es aber zu Recht eben gehört haben – ist zunächst zu begrüßen; denn in darum geht, die Sanierungsmöglichkeiten von Unterneh- den streitigen Fragen, in denen noch keine endgültige men im Interesse von Gläubigern und Arbeitnehmern zu Klarheit besteht, sollte der Gesetzgeber nicht autoritativ verbessern, können wir diese Fragen nicht ausblenden. eingreifen. Sie sollten daher meines Erachtens in diesem Gesetzge- bungsverfahren mit abgehandelt werden. Als Erstes ermöglicht er eine einheitliche örtliche Zu- ständigkeit für das Insolvenzverfahren der verschiedenen Der Koalitionsvertrag spricht insoweit zum einen da- konzernangehörigen Unternehmen bzw. Gesellschaften. von, das Insolvenzanfechtungsrecht auf den Prüfstand zu Der Gesetzentwurf stellt für diesen Ort im Grundsatz auf stellen – im Interesse der Planungssicherheit des Geschäfts- das sogenannte Prioritätsprinzip ab, also den Ort, an dem verkehrs. Das betrifft vor allem die sogenannte Vorsatz- zuerst ein Insolvenzantrag gestellt wurde. Das erscheint anfechtung, die – das ist sicher richtig – durch die Recht- mir überzeugend, weil es nur für einen frühzeitig gestell- sprechung des Bundesgerichtshofs zu einem scharfen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1145

Dr. Heribert Hirte (A) Schwert ausgestaltet wurde. Jedenfalls gehört die lange Damit aber genug. Lassen Sie uns die Dinge gemein- (C) Frist von zehn Jahren auf den Prüfstand; denn irgend- sam anpacken, um Unternehmenssanierungen im Inte- wann einmal muss sich ein Unternehmer – das gilt im resse von Gläubigern und Arbeitnehmern zu verbessern. Übrigen auch im Steuerrecht – darauf verlassen können, Vielen Dank. dass er Unterlagen nicht mehr aufbewahren muss. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) (Beifall bei der CDU/CSU) Bei dieser Gelegenheit wird man wahrscheinlich auch Vizepräsidentin Petra Pau: auf mögliche Fehlsteuerungen durch die Vergütungs- Kollege Hirte, das war Ihre erste Rede im Deutschen regelungen für Insolvenzverwalter ein Auge werfen Bundestag. Herzlichen Glückwunsch dazu und alles müssen; denn sie sind möglicherweise auch ein Grund Gute für Ihre Arbeit! für die Klagen des Mittelstandes über zu weit gehende Insolvenzanfechtungen. (Beifall) Zweitens geht es um die Anfechtung von Lohnzah- Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Katja Keul das Wort. lungen, also um die Frage, ob ein Insolvenzverwalter vor der Insolvenz gezahlte Löhne von einem Arbeitnehmer zurückfordern darf. Hier hat die Rechtsprechung in der Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): jüngeren Zeit zwar durchaus schon mit Augenmaß ge- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und wisse Grenzen eingezogen. Eine Klarstellung durch den Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Konzern- Gesetzgeber könnte aber durchaus helfen. insolvenzrecht, das hört sich so an, als gäbe es kaum ein Thema, das weniger Menschen vor Spannung vom Ho- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der cker reißen könnte. Die wenigsten dürften Insolvenzver- SPD und der LINKEN) walter zu ihrem Bekanntenkreis zählen; und dann geht es Diese dürfte dann aber nicht zu einer sektoralen Aus- hier auch noch um Konzerninsolvenzverwalter. Ganz an- nahme werden, will man nicht den Grundsatz der Gläu- ders wirken dagegen folgende Zahlen: 2007 entfielen bigergleichbehandlung insgesamt infrage stellen. Ande- rund 70 Prozent des Umsatzes und 53 Prozent der Be- rerseits darf man nicht vergessen, dass die Anfechtung schäftigten aller Unternehmen in Deutschland auf kon- von Lohnzahlungen eine Antwort der Praxis auf die ge- zernverbundene Unternehmen. Das heißt, dass jeder setzlichen Neuregelungen war, mit denen vor einigen zweite privat Beschäftigte von einer Konzerninsolvenz Jahren die Anfechtung der Zahlung von Steuern und So- betroffen sein könnte – vielleicht doch ein Grund, sich genauer anzusehen, was hier geregelt werden soll. (B) zialversicherungsbeiträgen erschwert wurde. Die Dis- (D) kussion um diese Frage muss daher hier mit einbezogen Um was geht es also? Als Konzern bezeichnet man werden, wenn man nicht sogar durch andere Mittel wie den Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zu einer etwa Prozesskostenhilfe oder eine Insolvenzverwalter- wirtschaftlichen Einheit unter der Leitung eines herr- kostenversicherung sicherstellt, dass Insolvenzverfah- schenden Unternehmens. Rechtlich bleiben die Unter- ren gerade in den kritischen Fällen, also Fälle geringer nehmen selbstständige juristische Personen mit eigener Masse, eröffnet werden können bzw. zu einem frühen Buchführung und eigener Bilanz. Ihre wirtschaftliche Zeitpunkt ausreichende liquide Masse zur Unterneh- und finanzielle Unabhängigkeit haben sie allerdings zu- mensfortführung zur Verfügung gestellt wird. gunsten der gemeinsamen Konzernleitung abgegeben. Sie haften nicht füreinander, sondern jeder für sich. Die- Noch eine Bemerkung zum Steuerrecht: Hier gibt es ser Grundsatz der Haftungstrennung soll mit dem vorlie- im Schnittbereich zum Insolvenzrecht reihenweise Un- genden Gesetz nicht angetastet werden. Das lässt sich klarheiten, die wie Blei auf dem Erfolg einer Sanierung zwar durchaus begründen, gottgegeben ist dieses Gebot lasten. Wenn wir, wie die Bundesregierung das mit dem allerdings nicht. Man könnte schon auf die Idee kom- hier vorliegenden Gesetzentwurf zu Recht will, die men, einmal zu hinterfragen, warum Unternehmen, die Möglichkeiten einer Sanierung von Unternehmen ver- ihre wirtschaftliche und finanzielle Unabhängigkeit an bessern wollen, dann müssen wir diese steuerrechtlichen eine gemeinsame Leitung abgeben, nicht auch bei Feh- Fragen mit in den Blick nehmen. lern dieser Leitung gemeinsam den Schaden tragen sol- (Beifall bei der CDU/CSU) len. Ein letzter Punkt betrifft, wiederum mit Blick auf das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sanierungsziel, die Beseitigung von möglichen Fehlern Es ist auf der anderen Seite durchaus nachvollziehbar, beim schon angesprochenen ESUG, der ersten Stufe der dass bei einer Insolvenz eines Unternehmens nicht im- Insolvenzrechtsreform. Sehen wir von Kleinstfragen ab, mer gleich eine Insolvenz des ganzen Konzerns angeord- rückt hier vor allem der Fall Suhrkamp in den Blick. Er net werden soll. Schließlich treten die Einzelunterneh- hat deutlich gemacht, dass beim Insolvenzrecht heute men ja auch selbstständig gegenüber den Kunden und Möglichkeiten eröffnet werden, an die man früher nicht Banken auf. Die sollten sich schon auf die Solvenz des zu denken gewagt hätte. Ob das zu gesetzgeberischen jeweiligen Vertragspartners verlassen dürfen und nicht Maßnahmen führt, wird man zumindest zu diskutieren erst den ganzen Konzern unter die Lupe nehmen müs- haben. sen. 1146 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Katja Keul (A) Aus ähnlichen Gründen lässt sich auch nachvollzie- Vizepräsidentin Petra Pau: (C) hen, dass für jedes insolvente Unternehmen ein eigen- Der Kollege Dr. Karl-Heinz Brunner hat nun für die ständiges Verfahren vorgesehen ist. In der Praxis wurde SPD-Fraktion das Wort. allerdings schon bisher oft ein und derselbe Verwalter für die unterschiedlichen Verfahren eingesetzt. Die (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Frage war, ob dies zum Regelfall gemacht werden sollte. der CDU/CSU) Sie haben sich entschieden, dies dem Ermessen des Ge- richts zu überlassen. Aufgrund der zahlreichen denkba- Dr. Karl-Heinz Brunner (SPD): ren unterschiedlichen Fallkonstellationen finde ich auch Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten dies durchaus schlüssig. Kolleginnen und Kollegen! Auch an die Adresse der Zu- hörerinnen und Zuhörer sage ich: Heute Morgen hat in Ganz offensichtlich macht es aber in der Praxis Sinn, einer großen Debatte über die Fragen betreffend das Ab- die verschiedenen Insolvenzverfahren innerhalb eines geordnetenrecht und die Abgeordnetenbestechung der Konzerns an einem Gerichtsstand zu bündeln. Dann ver- Kollege Grosse-Brömer von einem Arbeitsparlament ge- stehe ich allerdings nicht, warum wir als Gesetzgeber sprochen. Deshalb sage ich Ihnen, die Sie heute als nicht auch eindeutig festlegen, welches Gericht das sein soll. Gerichtsstand am Konzernsitz – das wäre eine ein- Zuhörerinnen und Zuhörer sowie Vertreter des Hohen deutige und klare Regelung, die sich allen Versuchen des Hauses da sind: Herzlichen Dank, dass Sie zu dem Ta- Rosinenpickens und der Manipulation entziehen würde. gesordnungspunkt, der tatsächlich Arbeit in unserem Hause bedeutet, noch anwesend sind, bevor wir alle ins (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wochenende gehen dürfen! Hier sehe ich für die Zurückhaltung in Ihrem Entwurf (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie keinen wirklich überzeugenden Grund. des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE]) Noch mutloser wird es dann, wenn es um die Koordi- Meine sehr verehrten Damen und Herren, seien wir nation der unterschiedlichen Verfahren geht. Sie wollen doch ehrlich: Wenn wir das Wort Insolvenz hören, dann die Insolvenzverwalter verpflichten, das zu tun, was die geht es uns, soweit wir nicht von Berufs wegen schon im Sinne bestmöglicher Verwertung ohnehin tun sollten: damit zu tun haben, wie den meisten Menschen in die- kooperieren. Der künftige Koordinationsverwalter soll sem Land: Man denkt – der Kollege der Linken hat es aber nicht übergeordnet oder gar weisungsbefugt sein. schon gesagt – an das Wort Pleite, man denkt an das Un- Das hört sich für mich so an wie: Wasch mir den Pelz, ternehmensende, man denkt an den Verlust von Arbeits- aber mach mich nicht nass! plätzen, an mehr im Augenblick leider nicht. Jedoch an (B) (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt die Chancen für Unternehmen, an die Chancen für Gläu- (D) nicht! Das ist die sogenannte Trockenreini- biger, an die Chancen für Arbeitsplätze und an die Chan- gung!) cen für die betroffenen Menschen – daran denkt man nicht; nicht, weil es zu wenige Beispiele in unserem Entweder haben die Insolvenzverwalter auch bislang Land für sehr wohl gelungene Insolvenzen gibt, sondern schon aus purer Vernunft kooperiert – dann bräuchte es weil wir zu wenig über Erfolgsmodelle und Erfolge be- dafür keine gesetzliche Änderung –, oder sie haben es in richten. der Praxis gerade nicht so wirklich hinbekommen. Dann aber braucht es deutlich mehr als ein „Bitte! Bitte!“ ohne Weil es gerade im Rahmen unserer wirtschaftlichen jedwede Durchschlagskraft. Entwicklung stets neue Unternehmensgründungen, Unter- nehmenskonstruktionen, Holdings, Gesellschaften und (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gesellschaftsrechtliche Formen gibt – der Kollege von Die EU-Kommission war da mit ihrem Vorschlag wech- der Union hat es angesprochen –, von denen wir gestern selseitiger Mitwirkungsrechte deutlich mutiger. Wenn noch sagten, dass es sie nie geben wird, die aber schon Sie so etwas aus Angst vor Blockaden nicht wollen, kön- morgen auf dem Tablett sind, wird es immer schwieriger, nen Sie ja stattdessen den Weg über eine Stärkung des das zu verfolgen, was unser Ziel sein muss: Zerschla- Koordinationsverwalters gehen. gung verhindern, Sanierung ermöglichen. Verfahren wie bei Kirch, Babcock Borsig, BenQ, Arcandor/Quelle und Bevor Sie allerdings ein wirkungsloses Gesetz verab- anderen haben gezeigt, dass wechselseitige Blockade zu schieden, weil Ihnen nichts Besseres einfällt, sollten Sie Rechtsstreitigkeiten führt oder – ganz banal – auch nur lieber gar kein Gesetz machen. persönliche Eitelkeiten – wer ist der Beste, der Größte? – (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na!) zu einem Misserfolg führen können. Da ich beruflich viel als Auftragnehmer von Gläubigern an Gläubigerver- Denn letztlich, Herr Kauder, ist jede Rechtsänderung sammlungen teilgenommen habe, kann ich davon ein eine Belastung für die Praxis und sollte gut begründet Lied singen. Um echte Chancen bei Konzerninsolvenzen sein. Ihre Gesetzesbegründung enthält allerdings mehr zu eröffnen, sind für solche Verfahren eine klare Struktur Gründe, warum Sie alle möglichen Regelungen gerade und eine klare Zuständigkeit dringend erforderlich. nicht vornehmen. Noch haben Sie Gelegenheit, nachzu- bessern. Wir werden Sie dabei kritisch begleiten. Zugegeben, der Titel „Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen“ klingt sperrig Vielen Dank. und lässt auf den ersten Blick vermuten, dass nur Neure- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gelungen von Verfahrensabläufen geregelt sind. Jedoch, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1147

Dr. Karl-Heinz Brunner (A) es steckt mehr dahinter. Ich nehme es vorweg: Der (Beifall bei der CDU/CSU) (C) hierzu eingeschlagene Weg ist aus meiner Sicht und der der SPD-Fraktion gut. Alexander Hoffmann (CDU/CSU): (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kollegin- der CDU/CSU) nen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich meine erste Rede in die- Er ist gut, auch wenn mit dem Gesetz nur die Probleme sem Haus zu einem Thema halten darf, das auf den ers- der Vergangenheit und noch nicht die der Zukunft, die ten Blick durchaus sehr trocken, spröde und abstrakt he- wir noch nicht kennen, die uns aber täglich ereilen kön- rüberkommt. Aber schon beim zweiten Hinsehen nen, gelöst werden. Warum? Unsere Wirtschaftswelt hat merken wir, dass wir ganz schnell mitten im Leben an- sich geändert, das Insolvenzrecht hingegen hinkt noch kommen. Denn die Zielsetzung dieses Gesetzentwurfs hinterher. Wir versuchen nun, dieses nicht mehr zulasten ist die Vermeidung suboptimaler Verwertungsergebnisse, von Schuldnern und Gläubigern, von Gerichten und Ge- die Vermeidung eines Gegeneinanderarbeitens der ver- setzgeber zu modernisieren. Wir modernisieren viel- schiedenen Insolvenzverwalter mit unterschiedlichen mehr, indem wir einen bemerkenswerten Weg einschla- Verwertungsstrategien, die Vermeidung unproduktiver gen, nämlich ohne mit der bewährten Praxis und der Verfahrensverzögerungen. Das zeigt: Der Gläubiger- bewährten Rechtsprechung zu brechen. schutz steht im Mittelpunkt dieses Gesetzentwurfs und Anders als der Vorschlag der Europäischen Kommis- damit der Schutz von Unternehmen, von Handwerksbe- sion und anders als der Vorschlag der Kommission der trieben, aber vor allem auch von Arbeitnehmerinnen und Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht Arbeitnehmern. knüpft dieser Gesetzentwurf an die bestehende Rechts- Bisher ließen sich zentrale negative Auswirkungen lage, an die bestehende Rechtsprechung und an unsere durch dezentrale Insolvenzbewältigung in Konzernen ei- Rechtsliteratur an und schafft klare Bestimmungen, was gentlich nur dadurch einschränken, dass alle Beteiligten Regelungen für den Gerichtsstand betrifft. Er schafft bei guten Willens waren, zusammenzuarbeiten. Das hat al- Zuständigkeitskonzentrationen eine einheitliche Richter- lenfalls für eine Abmilderung gereicht; aber ausschlie- zuständigkeit. Er ermöglicht die Zusammenarbeit zwi- ßen konnte man negative Konsequenzen eigentlich nie. schen Verwaltern und Gerichten auf einer soliden Rechts- grundlage. Die Abstimmung der Einzelverfahren wird Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die Vorausset- durch ein neues Koordinierungsverfahren verbessert. zungen dafür schaffen, dass auch Konzerninsolvenzen Außerdem wird geregelt, dass ein einziger Verwalter künftig rechtssicher und effektiv bewältigt werden kön- nen. Dies ist umso wichtiger, als es gerade im Rahmen (B) verantwortlich für einen abgestimmten Koordinierungs- (D) plan ist. Letztendlich wird auch sichergestellt, dass alle von Konzerninsolvenzen oftmals um eine Vielzahl von Werte eines Konzerns im Verfahren berücksichtigt wer- Arbeitsplätzen geht und dort beträchtliche Vermögens- den und damit optimale Verwertungsergebnisse erzielbar werte auf dem Spiel stehen. sind. Dabei baut der Gesetzentwurf auf den Zielbestim- Aus meiner Sicht nimmt dieser Gesetzentwurf nicht mungen des geltenden Insolvenzrechts auf, insbesondere nur die Herausforderungen an, sondern er regelt auch mit auf § 1 Insolvenzordnung, und konkretisiert diese Ziel- Vernunft und Augenmaß das, was zu regeln ist. Genauso bestimmungen praxistauglich und gut orientiert. Es soll wichtig wird es aber sein, im weiteren Gesetzgebungsver- die Realisierung solcher Insolvenzbewältigungsstrate- fahren die Anregungen des Bundesrats ernsthaft zu prü- gien ermöglicht werden, die den Gesamterlös für alle fen, Kostenexplosionen bei den Verwaltervergütungen Gläubiger im Vergleich zum unkoordinierten Nebenein- zu vermeiden, den Ländern bei der Umsetzung die nöti- anderherlaufen der verschiedenen Verfahren – so will ich gen Spielräume zu geben, den Mitarbeitern das nötige es einmal nennen – verbessern, ohne dabei aber eine Handwerkszeug zu geben und, nicht zuletzt, unserer alt- Schlechterstellung von Gläubigern einzelner Konzern- bekannten guten Tante GmbH & Co. KG eine vernünf- teile zu verursachen. tige Rolle bei Konzerninsolvenzen zu geben. Dabei erliegt dieser Entwurf gerade nicht der Versu- Auf die öffentliche Anhörung und die weiteren Bera- chung – das ist ganz wichtig –, ein konsolidiertes Kon- tungen bin ich gespannt, nicht zuletzt aufgrund der An- zernverfahren einzuführen. Sie wissen, im Konzern- und regungen des Koalitionsvertrags. im Gesellschaftsrecht gelten die Grundsätze der rechtli- chen Trennung und der Selbstständigkeit. Diesen Grund- Eins weiß ich jedenfalls, meine Damen und Herren: sätzen würde eine Massekonsolidierung voll und ganz Mit dem Insolvenzrecht wird es uns auch in den nächs- widersprechen. Auch unter dem Gesichtspunkt der ten Wochen, Monaten und Jahren nicht langweilig. Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit im Geschäfts- Herzlichen Dank. verkehr wäre dies nicht zu vermitteln; denn sonst müsste sich zukünftig ein Gläubiger, zum Beispiel im Vorfeld (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) einer Kreditvergabeentscheidung, zunächst einmal da- rüber klar werden, in was für einer wirtschaftlichen, in Vizepräsidentin Petra Pau: was für einer finanziellen Situation der Konzern insge- Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Kollege samt und seine Teile sind, bevor er dann mit der entspre- Alexander Hoffmann. chenden Schuldnergesellschaft kontrahieren kann. 1148 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Alexander Hoffmann (A) Die flexiblen Koordinierungsmechanismen, die hier Blockieren, Gegeneinanderarbeiten oder sogar Prozes- (C) zum Einsatz kommen sollen – ich will es einmal das sieren der Insolvenzverwalter. Ich glaube, dass genau Handwerkszeug nennen –, wurden von meinen Vorred- dank dieser Zielrichtung erreicht wird, dass wir zukünf- nern schon dargestellt. Lassen Sie mich daher nur noch tig keine Explosion der Verfahrenskosten mehr in dem handverlesen auf Einzelheiten eingehen. bisher bekannten Maß erleben werden. Neben die allgemeine Gerichtsstandregelung, wie wir (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- sie kennen, in § 3 Insolvenzordnung tritt nun die Mög- neten der SPD) lichkeit eines Gruppengerichtsstands auf Antrag des In diesem Sinne, meine Damen, meine Herren, denke Schuldners. Dabei ist wichtig, dass das nicht als eine ich: Wir sind auf dem richtigen Weg. Gehen wir ihn wei- ausschließliche Gerichtsstandregelung ausgestaltet ist, ter! was eine flexible Handhabe ermöglicht. Denn es kann auch weiterhin Konstellationen geben, wo kein erhöhter Gestatten Sie mir ganz zum Schluss, dass ich Ihnen Koordinierungsbedarf gegeben ist; da erscheint die alte einen schönen Valentinstag wünsche. Im Interesse Ihrer Regelung durchaus praktikabel. Partnerinnen und Partner empfehle ich Ihnen: Machen Sie was daraus! Die Voraussetzungen für den Gruppengerichtsstand stellen für mich einen praxistauglichen Ansatz dar. Al- Vielen Dank. lerdings möchte ich schon anregen, einmal den Versuch (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) zu unternehmen, diese Voraussetzungen positiv zu for- mulieren. Das ist besser, als über eine Negativformulie- rung im Ausschlussverfahren quasi das Pferd von hinten Vizepräsidentin Petra Pau: aufzuzäumen und so den Anwendungsbereich zu eröff- Kollege Hoffmann, das war Ihre erste Rede im Deut- nen. Im Zusammenhang mit einer Negativformulierung schen Bundestag. Ich gratuliere Ihnen im Namen des ge- erschweren nämlich Formulierungen wie „nicht offen- samten Hauses. sichtlich“ und „in der Regel“ in meinen Augen eher die (Beifall) Bestimmtheit. Das war auch die letzte Rede im Rahmen dieses Ta- Der hier zu beratende Entwurf – das ist vorhin schon gesordnungspunktes. Ich schließe die Aussprache. angesprochen worden – greift die Vorschläge der EU- Kommission gerade nicht auf. In den Vorschlägen – Sie Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf kennen sie – war die Rede davon, dass die einzelnen In- Drucksache 18/407 an die in der Tagesordnung aufge- solvenzverwalter der gruppenangehörigen Unternehmen führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- (B) in den jeweils anderen Verfahren bestimmte Mitwir- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung (D) kungsrechte eingeräumt bekommen sollen, zum Beispiel so beschlossen. das Recht auf Teilnahme an einer Gläubigerversamm- lung oder auch das Vorschlagsrecht bezüglich eines Re- Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: organisationsplans. Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicole Gohlke, Diana Golze, Dr. Rosemarie Hein, wei Stattdessen soll nach dem vorliegenden Gesetzent- - wurf das Koordinationsverfahren eingeführt werden, das terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE als wesentliches Kernelement die Bestellung eines Koor- BAföG-Reform zügig umsetzen dinationsverwalters zum Gegenstand hat. Das ist, meine Damen, meine Herren, der bessere Ansatz, weil er fol- Drucksache 18/479 gende Vorteile auf sich vereint: Das Koordinationsver- Überweisungsvorschlag: fahren ist funktionaler, es ist weniger missbrauchsanfäl- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) lig – Mitwirkungsrechte können nämlich immer wieder Haushaltsauschuss dazu verwendet werden, zu blockieren –, und es ist vor allem verbindlicher; das ist ein ganz wichtiger Punkt, an- Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für sonsten wäre der Koordinationsverwalter – die Kollegin die Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei- Keul hat es vorhin schon angesprochen – auf ein „Bitte! nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Bitte!“ angewiesen. Genau das ist hier nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle- Über die allgemeine Haftungsnorm des § 60 Abs. 1 In- gin Nicole Gohlke für die Fraktion Die Linke. solvenzordnung entsteht ja quasi eine faktische Bindung der Verwalter an die Vorschläge aus dem Koordinations- (Beifall bei der LINKEN) verfahren. Daher ist es richtig, das Gesetz einfach einmal mit einem begleitenden Blick – so will ich es nennen – Nicole Gohlke (DIE LINKE): der Praxis zu überlassen, ohne konkrete Durchsetzungs- Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Das mechanismen vorzusehen. Thema BAföG zeigt wie so viele andere Themen – Vor- Lassen Sie mich abschließend, meine Damen, meine ratsdatenspeicherung, Energiewende oder Zuwande- Herren, noch ganz kurz etwas zum Kostenrecht sagen, rung –, wie tief die Gräben in der Großen Koalition sind. weil immer wieder Vorschläge laut werden, dass man Wenn man sich die Schärfe der Auseinandersetzung und parallel ein Kostenrecht schaffen müsse. Ich rate davon die gegensätzlichen Positionen von SPD und Union an- ab, den vorliegenden Entwurf unnötig aufzublasen. Er hört, dann wird auch klar, warum das Thema BAföG im zielt doch ab auf die Vermeidung von gegenseitigem Koalitionsvertrag – angeblich – vergessen wurde. Sie Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1149

Nicole Gohlke (A) mussten es offenbar ausklammern, damit die Koalition ( [CDU/CSU]: Für den Bund (C) überhaupt zustande kommt. gilt auch eine Schuldenbremse!) ( [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!) Da beißt die SPD bei ihrem Koalitionspartner aber auf Granit. Die Union weist die SPD-Vorschläge rüde zu- Jetzt haben SPD und Union zwar einen Koalitionsver- rück. Ministerin Wanka erklärt, die SPD wolle sich aus trag; den Preis dafür zahlen aber die Studierenden. Für die steigen seit Jahren die Lebenshaltungskosten, seit der Verantwortung ziehen. Jahren explodieren die Mieten, und seit Jahren decken (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Sie reden die BAföG-Sätze das nicht mehr ab. doch von Kooperation! Das ist gelebte Koope- (Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Das ration!) stimmt gar nicht! – Albert Rupprecht [CDU/ Und Sie, Herr Rupprecht, sagen, es gebe für eine andere CSU]: Sie kennen den BAföG-Bericht nicht!) Aufteilung keinen Grund, weil die Schuldenbremse Die 20. Sozialerhebung des Studentenwerks hat dazu ja schließlich auch für den Bund gelte. die aktuellen Zahlen geliefert. 54 Hochschulstädte wur- (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Genau so ist den betrachtet. Nur in Chemnitz lagen die Wohnkosten es!) unterhalb der Pauschale von 224 Euro, die im BAföG- Satz dafür vorgesehen ist. Überall sonst sind die Ausga- Herr Rupprecht, die Schuldenbremse ist ja nicht vom ben für Miete und Nebenkosten höher, und Wohnheim- Himmel gefallen. plätze sind absolute Mangelware. Die 448 Euro, die die (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Stuss!) BAföG-Geförderten im Durchschnitt bekommen, rei- chen also offensichtlich vorne und hinten nicht aus. Das Die haben Sie mit den Stimmen aller Parteien mit Aus- muss sich dringend ändern. nahme der Linken eingeführt. (Beifall bei der LINKEN) (Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Eine histori- sche Leistung! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ Ich finde, es ist einfach skandalös, dass es die Bun- DIE GRÜNEN]: Die Grünen haben auch nicht desregierung in so einer Situation und bei so einer Fak- zugestimmt!) tenlage fertigbringt, die Ergebnisse des aktuellen BAföG-Berichts dann auch noch als Erfolg zu verkau- Sie entpuppt sich immer mehr als eine soziale Bremse fen. Da feiert sich das Ministerium doch ernsthaft dafür und als eine Bildungsbremse. – „abfeiern“ müsste man eigentlich sagen –, dass die (Beifall bei der LINKEN) (B) Zahl der BAföG-Empfänger auf dem höchsten Stand seit (D) 30 Jahren ist, vergisst dabei aber zu erwähnen, dass auch Es ist schon krass, wie Sie einfach über die katastro- die Zahl der Studierenden wegen doppelter Abiturjahr- phale Situation der Länderhaushalte hinweggehen. Ge- gänge, geburtenstarker Jahrgänge und gestiegener Stu- rade hat Sachsen-Anhalt die Zuschüsse für die Studen- dierneigung auf einem Höchststand ist. Das ist aber bei- tenwerke mehr als halbiert. Die Konsequenzen tragen leibe nicht das Verdienst dieser Regierung. natürlich wieder die Studierenden. Die zahlen jetzt hö- (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Kai here Semesterbeiträge und mehr für Wohnheim und Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Mensaessen. Der Bund hätte im Gegensatz zu den Län- dern ja auch die Möglichkeit, die Einnahmen zu erhö- Mit irgendwelchen Tricks machen Sie dann aus weni- hen. Er könnte Steuern erhöhen und damit zur Abwechs- ger mehr. Mit irgendwelchen Tricks machen Sie aus lung auch einmal die Reichen treffen. einer eigentlich sinkenden Gefördertenquote eine stei- gende. Fakt ist aber doch, dass 2012 von den knapp (Beifall bei der LINKEN) 2,4 Millionen Studierenden gerade einmal 440 000 BAföG Das war ja auch die Forderung der SPD – vor der Wahl bezogen haben. Das sind die Zahlen. Eine einfache natürlich –, weil sie weiß, dass man substanzielle Ver- Rechnung genügt, um festzustellen: Das sind mickrige besserungen ohne Steuergerechtigkeit nicht finanziert 18,7 Prozent. Wenn die Regierung jetzt auf 28 Prozent bekommt. Da kann ich nur sagen: Augen auf bei der kommt, ist das schlicht Rechentricks geschuldet. Damit Wahl des Koalitionspartners! machen Sie vielleicht Ihre Statistiken schöner, aber eben nicht die Wirklichkeit. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Kolleginnen und Kollegen, das BAföG ist unbestrit- ten die zentrale Säule der Studienfinanzierung. Deswe- Zu Recht wird jetzt schon fast einmütig eine BAföG- gen hat die Linke einen Antrag für eine umfassende und Erhöhung gefordert. Sogar Frau Wanka wird ja nicht zügige Reform des BAföG eingebracht. Lassen Sie uns müde, zu wiederholen, dass eine BAföG-Reform kom- das unsoziale Stipendienprogramm, das Deutschlandsti- men werde. Man fragt sich eben nur: Wann und wie? Die pendium, das es in diesen Koalitionsvertrag geschafft SPD fordert völlig richtig, die Lastenverteilung beim hat, endlich zu den Akten legen. BAföG so zu ändern, dass der Bund die gesamten Kos- ten trägt, weil sonst eine Erhöhung wohl angesichts der (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – kommenden Schuldenbremsen an den klammen Länder- Dr. [CDU/CSU]: Das ist ein sehr haushalten scheitern könnte. gutes Programm!) 1150 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Nicole Gohlke (A) Von diesem Deutschlandstipendium profitieren bislang Linken, Frau Gohlke, enthält enttäuschenderweise nichts (C) nicht einmal 0,6 Prozent der Studierenden. Neues. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie können (Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das zeigt nur, sich doch auch mal beteiligen!) wie lange Sie schon nichts machen!) Es wird ja mittlerweile auch vom Bundesrechnungshof Ich bin davon ausgegangen, dass Sie als nunmehr größte kritisiert, weil gerade einmal 60 Prozent der Gelder tat- Oppositionspartei im Bundestag die Politik der Bundes- sächlich bei den Studierenden ankommen, während der regierung etwas seriöser und konstruktiver begleiten. Rest für Werbung, PR und Verwaltung rausgeschmissen Aber weit gefehlt. Es wird nur gefordert: Erhöhung der wird. Fördersätze, massive Ausweitung des Berechtigtenkrei- ses (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Stimmt doch gar nicht!) (Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Dann machen Sie es doch! Dann müssen wir es nicht noch Die Linke fordert stattdessen eine Erhöhung der einmal einbringen!) BAföG-Sätze und Freibeträge um mindestens 10 Pro- zent. Das würde endlich den gestiegenen Lebenshal- bis hin zur Forderung nach einem rückzahlungsfreien tungskosten der Studierenden Rechnung tragen, und es Vollzuschuss für alle BAföG-Empfänger. Und wer soll würde den Kreis der BAföG-Empfängerinnen und -Emp- das Ganze bezahlen, Frau Gohlke? Natürlich der Bund. fänger ausweiten. Sie fordern alles, und der Bund soll zahlen. So einfach kann man sich Oppositionsarbeit natürlich auch machen. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Wir wollen, dass das BAföG wieder in einen Vollzu- schuss umgewandelt wird, damit sich junge Menschen Wie sagte schon Konrad Adenauer? Alles, was die nicht durch das Studium verschulden müssen. Das Sozialisten von Geld verstehen, ist die Tatsache, dass sie BAföG muss endlich an die veränderten Studienbedin- es von anderen haben wollen. gungen im Bologna-System angepasst werden. Master- (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) studiengänge müssen uneingeschränkt gefördert werden können, und die Altersgrenzen müssen abgeschafft wer- Anhand von drei Punkten möchte ich heute einen den. konstruktiven Aufschlag machen: (Beifall bei der LINKEN) Erstens. Die Bundesregierung hat – es wurde schon angesprochen – am 29. Januar dieses Jahres den aktuel- (B) (D) Kolleginnen und Kollegen, die Studierenden, die üb- len BAföG-Bericht beschlossen. Noch nie gab Deutsch- rigens heute hier von einer Delegation des studentischen land so viel Geld für BAföG aus. Um rund eine halbe Dachverbandes fzs, deren Mitglieder ich an dieser Stelle Milliarde Euro ist die Fördersumme im Berichtszeitraum ganz herzlich grüßen möchte, vertreten werden, erwarten 2010 bis 2012 auf insgesamt 3,34 Milliarden Euro ange- von Ihnen ein schnelles Handeln, das ihre Situation sub- stiegen. Auch das sollten Sie bitte zur Kenntnis nehmen, stanziell verbessert. Muten Sie den Studierenden nicht Frau Kollegin. eine weitere Hängepartie mit ewigen Verhandlungen (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Mir kommen gleich die Tränen!) Insofern können die Weiterentwicklungen unter der CDU/CSU-geführten Bundesregierung in der Vergan- zwischen Bund und Ländern oder jetzt zwischen den genheit ja nicht so gering gewesen sein. Ich erinnere nur Koalitionspartnern Union und SPD zu! Sie haben hier an die 2008 mit der SPD gemeinsam beschlossene große die Chance, schnell und unbürokratisch unserem Antrag BAföG-Reform. Im Zuge dieser Reform haben wir die zuzustimmen. Damit könnten Sie jetzt nachholen, was Bedarfssätze um 10 Prozent und die Freibeträge um Sie in den Koalitionsverhandlungen so sträflich ver- 8 Prozent angehoben. Außerdem haben wir im Jahre säumt haben. 2010 die 23. BAföG-Novelle verabschiedet – mit einer Vielen Dank. weiteren Anhebung der Bedarfssätze um 2 Prozent und der Freibeträge um 3 Prozent. Wir haben die Alters- (Beifall bei der LINKEN) grenze für das Masterstudium auf 35 Jahre angehoben; (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sehr richtig!) Vizepräsidentin : Liebe Kolleginnen und Kollegen, als nächster Redner auch das sollten Sie, Frau Gohlke, bitte zur Kenntnis hat Dr. Stefan Kaufmann das Wort. nehmen. Wir haben die Auslandsförderung ausgeweitet. Wir haben den Höchstsatz auf 670 Euro pro Monat ange- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- hoben und vieles mehr. neten der SPD) Nun kann man natürlich immer sagen, das sei nicht genug. Aber kleinzureden brauchen wir diese BaföG- Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): Reformen auch nicht, meine Damen und Herren. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der (Beifall bei der CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1151

Dr. Stefan Kaufmann (A) Noch einmal zurück zum aktuellen BAföG-Bericht, zeptieren, dass der Bund über diese Gelder auch nur mit- (C) der ganz klar feststellt: Die Entwicklung der Bedarfs- entscheiden kann. sätze ist immer noch oberhalb des Preisindexes, und die (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Unglaublich!) Freibeträge sind stärker gestiegen als die Preise und die Einkommen. Auch das mögen Sie bitte zur Kenntnis Wie kann man denn als gewählter Bundestagsabgeord- nehmen. neter eine solche Haltung unterstützen? Das kann ich (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist es!) wirklich nicht verstehen. Doch kann es aus meiner Sicht nicht immer nur da- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- rum gehen, dass wir die Sätze und Freibeträge anheben. neten der SPD) Wir müssen zu strukturellen Weiterentwicklungen beim Viele Länder haben die politische Entscheidung ge- BAföG kommen. troffen, dass sie für Studierende kein Geld übrighaben; (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: als Beispiel wurde Sachsen-Anhalt genannt. Das geht Aha! Welchen?) nicht. Ich habe mir einmal die Finanzen der Länder an- geschaut. Nach dem aktuellen Monatsbericht des Bun- Ich denke dabei beispielsweise an eine bessere Verein- desfinanzministeriums haben die Länderhaushalte im barkeit des BAföG mit dem zweistufigen Studiensystem Jahr 2013 mit einem nahezu ausgeglichenen Ergebnis aus Bachelor und Master. abgeschlossen, und zwar mit einem Finanzierungsdefizit (Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Steht doch alles von 0,5 Milliarden Euro. Der Bund hingegen hat 22 Mil- drin!) liarden Euro Schulden gemacht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch für uns im Bund gilt die Schulden- Darin sind wir uns vielleicht sogar einig. Auch über eine bremse. Das wird immer wieder gern vergessen. Wie bessere Absicherung von Studierenden mit Kindern wollen wir denn je einen ausgeglichenen Haushalt errei- müssen wir diskutieren. chen, wenn wir hier bedingungslos dem Verlangen der (Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Steht auch Länder nach mehr Geld nachgehen? drin!) Beim BAföG ist es besonders wichtig, dass Bund und Zudem sind Verbesserungen bei der BAföG-Vorauszah- Länder gemeinsam in der finanziellen Verantwortung lung notwendig. bleiben. Das hat sich seit der Entstehung des BAföG in der Hochzeit der sozialliberalen Koalition von Willy Der zweite Punkt. Die Bundesregierung will eine Brandt auch bewährt. Daran sollten wir nicht rütteln. (B) BAföG-Reform. Man kann weder der aktuellen noch der (D) Vorgängerregierung vorwerfen, hier nichts getan zu ha- (Beifall bei der CDU/CSU) ben. Bereits nach Vorlage des letzten BAföG-Berichtes Es ist wichtig, dass die Länder dabei bleiben. Bitte den- 2012 hat die Bundesregierung den Ländern Gespräche ken sie auch darüber noch einmal nach. über mögliche Anpassungen und auch über eine inhaltli- che Fortentwicklung des BAföG angeboten. In vielen Abschließend möchte ich meine Punkte zusammen- Gesprächen und Treffen auf Ministerebene bis hin zur fassen. Erstens. Das BAföG ist die tragende Säule der Abteilungsleiterebene verständigte man sich zwar auf in- Studienfinanzierung. Es ist erfolgreich, aber es gibt Re- haltliche Änderungen; eine Novelle scheiterte aber an formbedarf. Zweitens. Die Bundesregierung ist beim der fehlenden Finanzierungszusage der Länder. BAföG engagiert und versucht mit Nachdruck, Verbes- serungen für die Studierenden zu erreichen. Drittens. Die Auch die Anfang 2013 eingesetzte Staatssekretärsar- Bundesländer müssen sich ihrer finanziellen Verantwor- beitsgruppe konnte hier keine Einigung erzielen, was tung für die Studierenden in Deutschland stellen und ih- ebenfalls an der fehlenden Bereitschaft der Länder, den ren Beitrag leisten, zumindest aber die vereinbarten gesetzlich vorgeschriebenen Finanzierungsanteil zu leis- 35 Prozent beim BAföG zahlen. ten, lag. Bekanntlich hat diese Finanzierungsverweige- rung der Länder auch dazu geführt, dass im Koalitions- Zusammenfassend: Wenn die Länder zu ihrer finan- vertrag keine konkrete Zusage einer BAföG-Reform ziellen Verantwortung stehen, dann können wir uns hier festgeschrieben werden konnte, obwohl wir diese doch im Bundestag schnell über Weiterentwicklungen beim alle hier als Bildungspolitiker wollen. BAföG verständigen. Das muss unser parteiübergreifen- Ich komme zu meinem dritten Punkt: der Verantwor- des, gemeinsames Ziel sein. Die Studierenden haben das tung der Länder. Dass jetzt nicht nur die Linkspartei, verdient. Wir als Gesetzgeber werden auch daran gemes- sondern auch andere Mitglieder dieses Hauses die Bun- sen, ob wir gerade bei diesem wichtigen Zukunftsthema desländer in ihrer Verweigerungshaltung unterstützen, vorankommen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns gemein- bedauere ich sehr. Ich bitte Sie alle, liebe Kolleginnen sam konstruktiv daran arbeiten! und Kollegen, als Bildungspolitiker darüber noch einmal Danke sehr. nachzudenken. Wo sind wir denn hier eigentlich? Ich denke da zum Beispiel an die Aussage des grünen Minis- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) terpräsidenten Kretschmann, der sagte, dass der Bund den Ländern das Geld einfach überlassen solle, es ihm Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: aber – ich zitiere – „so fern wie der Mond“ liege, zu ak- Als Nächster spricht der Kollege Kai Gehring. 1152 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

(A) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das BAföG ist ein Bundesgesetz. Deswegen sind (C) Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundesregierung und Koalitionsfraktionen an der Reihe, Ach, Herr Kaufmann, ich bin nach Ihrer Rede eigentlich endlich einen konkreten Gesetzentwurf auf den Tisch zu nicht viel schlauer. Mir ist noch immer nicht klar, was legen. Nur über einen ganz konkreten Gesetzentwurf die Bundesregierung bzw. die 80-Prozent-Mehrheit des können wir dann im Bundestag beraten und mit den Län- Deutschen Bundestages in Bezug auf das BAföG will. dern und in den Ländern debattieren. Die Koalitionskon- Sie haben viel in die Vergangenheit geblickt, aber nicht troverse zwischen CDU, CSU und SPD um die Finanzie- nach vorn. Das ist gerade zu Beginn einer Legislatur rung des BAföG ist eine Regierungsselbstblockade echt schlecht. zulasten der Studierenden in unserem Land. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und bei der LINKEN) Im Wahlkampf haben Union und SPD eine zügige Re- Die Freude über mehr Geförderte und Höchststände form des BAföG versprochen. Im Koalitionsvertrag fin- bei den BAföG-Ausgaben von Bund und Ländern kann det sich dazu kein einziges Wort. Trotzdem verkündet dem wachsenden Reformdruck beim Bundesausbil- Ministerin Wanka, die übrigens der Debatte heute leider dungsförderungsgesetz nicht vernebeln. Stark gestiegene nicht beiwohnt, wacker: Das BAföG wird erhöht. – Pas- Studierendenzahlen führen logischerweise zu höheren siert ist danach aber nichts. BAföG-Ausgaben. Aber schauen wir doch etwas tiefer in den neuen BAföG-Bericht: Die Förderbeträge sind im Ähnlich verlief es beim BAföG-Bericht. Im ersten letzten Jahr gesunken. Es sinkt die Gefördertenquote. Es Entwurf sollte es noch eine „substanzielle Erhöhung“ sinkt der Anteil der Studierenden, die eine maximale und „strukturelle Weiterentwicklung“ des BAföG geben. Förderung erhalten. Nicht einmal ein Fünftel der Studie- Am Morgen der Kabinettsbefassung war das Wort „sub- renden bezieht BAföG-Leistungen, aber fast zwei Drittel stanziell“ verschwunden. Zwei Stunden später war von müssen neben dem Studium jobben. All das sind Warn- einer BAföG-„Erhöhung“ überhaupt keine Rede mehr. zeichen. Das BAföG verliert an Attraktivität. Anstatt am Von wegen schnelle BAföG-Reform! Nichts von den In- unsinnigen Deutschlandstipendium festzuhalten, brau- terviewankündigungen der Ministerin ist bisher einge- chen wir endlich eine mutige BAföG-Reform. löst. Nichts ist angegangen worden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Diese Niederlage am Kabinettstisch haben Sie – das er- und bei der LINKEN) kennt man, wenn man Zeitung liest und zuhört – Finanz- minister Schäuble und Vizekanzler Gabriel zu verdan- Das BAföG als Bildungsgerechtigkeitsgesetz und So- ken. Aber es kommt noch besser: Wenige Tage nach zialleistung mit Rechtsanspruch braucht eine Frischzel- (B) seinem Nein am Kabinettstisch fordert Gabriel in seiner (D) lenkur. Wir als Grüne wollen den Empfängerkreis ver- Rolle als SPD-Chef lautstark eine zügige BAföG-Erhö- größern und das Mittelschichtsloch verkleinern. Wir hung. Sorry, liebe SPD, aber das ist an Doppelzüngigkeit wollen das BAföG familienfreundlicher machen und auf vielfältigere Studierendenschaften ausrichten. Wir wol- nicht zu überbieten. len auch, dass die Ausbildungsfinanzierung durch ein (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Weiterbildungs-BAföG fit gemacht wird für das lebens- und bei der LINKEN) lange Lernen. Perspektivisch wollen wir das BAföG zum Zwei-Säulen-Modell erweitern; denn für mehr Bil- Sie müssen sich fragen lassen: Warum sind 250 Millio- dungsaufstieg und Teilhabe braucht es eine beherzte Er- nen Euro für eine BAföG-Novelle neuerdings eine Provo- neuerung. kation für die Länder? Vor einem halben Jahr hat die SPD im Wahlkampf landauf, landab versprochen, pro Jahr zu- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) sätzlich 10 Milliarden Euro für Bildung auszugeben. Ein Statt über solch konkrete Inhalte einer BAföG-No- Vierzigstel davon für eine BAföG-Novelle zu investieren, velle zu reden, streiten Union und SPD darüber, ob der muss dank sprudelnder Steuereinnahmen möglich sein. Bund künftig einen größeren Finanzierungsanteil beim Keinesfalls darf das BAföG Ihrem 160-Milliarden-Ren- BAföG schultert. Doch was bringt ein anderer Finanzie- tenpaket zum Opfer fallen. Die Studierenden brauchen rungsschlüssel den Studierenden? Diese Frage muss die eine Perspektive. SPD beantworten. Den Schlüssel für die Finanzminister (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Länder zu ändern, macht keinen Sinn. Für uns ist und bei der LINKEN) entscheidend, was bei Schülern und Studierenden an- kommt. Diese Perspektive wird seit vier Jahren vermisst. Seit vier Jahren warten Schüler und Studierende auf eine bes- Das BAföG kostet Geld, aber es zahlt sich aus: sozial-, sere Ausbildungs- und Studienfinanzierung. Die Förder- bildungs- und wirtschaftspolitisch; denn es ist für viele systematik und die Lebensrealität der Studierenden driften junge Menschen gerade aus einkommensärmeren Arbei- immer weiter auseinander. Alle, die aus Altersgründen terfamilien die zentrale Geldquelle, um überhaupt stu- aufgrund ihres Bildungsweges oder ihres Aufenthaltssta- dieren zu können. Bei unserem Bildungskastensystem tus nicht gefördert werden, sind ein unverantwortlicher können wir uns Stillstand beim BAföG nicht erlauben. Verlust für eine echte Bildungsrepublik. Also nehmen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sie die Analyse des BAföG-Berichtes endlich ernst! Be- und bei der LINKEN) enden Sie die Selbstblockade! Legen Sie eine BAföG- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1153

Kai Gehring (A) Reform vor! Noch 2014 muss es ein höheres und besse- wegen geht es hier um eine besondere Gerechtigkeits- (C) res BAföG geben. frage, mit der wir uns auseinandersetzen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Beifall des Abg. Dr. und bei der LINKEN) [SPD]) Auch die Familiensituation muss berücksichtigt wer- Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: den. Familien mit ein oder zwei Kindern und einem Als nächster Redner spricht der Kollege Oliver Facharbeitergehalt sind heute nicht in der Lage, ohne Kaczmarek. BAföG ein Studium zu finanzieren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr rich- der CDU/CSU) tig!) Deswegen ist die Freibetragsregelung aus unserer Sicht Oliver Kaczmarek (SPD): eine wichtige Regelung, weil sie den Kreis der Geförder- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn ten erweitert und auf der anderen Seite dazu beiträgt, man einmal in den BAföG-Bericht schaut, dann sieht dass mehr von dem, was an BAföG ausgezahlt werden man, dass sich darin die besondere Bedeutung des kann, bei den Studierenden ankommt. BAföG auch 43 Jahre nach seiner Einführung dokumen- tiert. 3,4 Milliarden Euro geben Bund und Länder ge- Uns allen ist aber auch klar: Chancengleichheit und meinsam für das BAföG aus. 440 000 Studierende wer- Bildungsgerechtigkeit kosten Geld. Aber das ist gut an- den gefördert. Ich gebe zu, Frau Gohlke, dass die Quote gelegtes Geld. Denn der Staat ermöglicht mit dieser För- der Geförderten stagniert. Indem Sie aber so tun, als ob derung, dass Studierende aus allen sozialen Schichten alle Studierenden BAföG-berechtigt seien, rechnen Sie bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erlangen. Da- die Quote der Geförderten herunter und schmälern damit durch bekommt der Staat die bereitgestellten Mittel über den Erfolg des BAföG. Ich finde es nicht ehrlich, wie erhöhte Einnahmen aus Steuern und Sozialversiche- Sie an der Stelle argumentieren. rungsbeiträgen zurück. Insofern ist das BAföG eine vo- rausschauende und nachhaltige Investition. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Über die Hälfte aller Studierenden aus einem bil- der CDU/CSU) dungsfernen Haushalt, die es überhaupt an eine Hoch- schule geschafft haben, erhalten BAföG. Das zeigt: Mit Es macht aber keinen Sinn, meine Damen und Her- keinem anderen Finanzierungsinstrument sind wir in ren, jetzt hier einen fiktiven Wunschzettel zum politi- (B) ähnlicher Weise in der Lage, soziale Verantwortung für schen Programm zu erheben. (D) die Studienfinanzierung zu übernehmen. Das BAföG ist (Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE]) deshalb – im Gegensatz zu allen anderen Finanzierungs- modellen, die wir hier auch kontrovers diskutiert haben – Da möchte ich eine Anmerkung zum Antrag der Linken ein Erfolgsmodell der Studienfinanzierung, und das machen. Ich werde jetzt nicht alles in Grund und Boden muss auch in den nächsten Jahren so bleiben. reden; denn viele der Forderungen, die Sie erheben, sind fraktionsübergreifend diskutiert worden. Aber Sie blei- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ben an vielen Stellen unklar. Sie verzichten auf jede der CDU/CSU) Aussage zur Finanzierung. Das finde ich, offen gesagt, Es ist aber auch völlig klar: Das BAföG muss mit der unehrlich. Sie suggerieren den Studierenden: Schreibt Zeit gehen. Das heißt, es muss das Leben der Studieren- auf, was ihr braucht; wir machen das, und um die Finan- den und die veränderten Studienbedingungen aufnehmen zierung kümmern wir uns später. – Das finde ich unehr- und ihnen, so gut es geht, gerecht werden. Unbestritten lich. Ich unterstelle, dass das nicht dem entspricht, was ist dies bei den gestuften Studiengängen am deutlichsten Studierende tatsächlich erwarten können. sichtbar; das ist hier in der Debatte schon gesagt worden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Über die einzelnen Maßnahmen müssen wir dann disku- der CDU/CSU) tieren. Was aus Sicht der Studierenden wirklich Sinn macht, ist Das BAföG muss aber auch die Veränderungen im eine BAföG-Novelle, die substanziell ist und tatsächlich Leben der Studierenden und deren Eltern aufgreifen. umgesetzt wird, also nicht auf der Ebene des politischen Studierende kommen heute auf unterschiedlichen Wegen Wunschdenkens verharrt. in die Hochschule, sind teilweise älter, studieren mit Fa- milie, machen Teilzeitstudiengänge. All diese Dinge (Zuruf des Abg. [DIE müssen wir berücksichtigen. LINKE]) Ich will eine Anmerkung zu den Teilzeitstudiengän- Eine kurze Anmerkung zu einem Punkt des Antrags, gen machen. Es ist uns ein besonderes Anliegen, Studie- den ich richtig finde; das möchte ich betonen. Sie haben rende zu fördern, die sich in einem Teilzeitstudium, ei- die Förderung von Studierenden mit Behinderung ange- nem dualen Studium oder einem berufsbegleitenden sprochen. Ich finde das richtig. Ich glaube nur, dass wir Studium befinden, weil drei Viertel dieser Studierenden das weniger in der BAföG-Debatte berücksichtigen soll- Erststudierende sind, also diejenigen, die als Erste aus ten als bei der Reform der Eingliederungshilfe, die sich ihrer Familie überhaupt eine Hochschule besuchen. Des- die Große Koalition auf die Fahnen geschrieben hat, 1154 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Oliver Kaczmarek (A) weil es hierbei um bedarfsgerechte Assistenzen usw. Novelle dann zustimmen werden, wenn sie ihrer Mei- (C) geht. An der Stelle bin ich mit Ihnen einer Meinung; ich nung nach auch zustimmungsfähig ist. Das ist keine glaube nur, dass wir das an anderer Stelle diskutieren Hexerei, sondern das ist das kleine politische Einmal- müssen. eins. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Es ist auch eine Binsenweisheit, dass wir frühzeitig CDU/CSU) über eine mit den Bundesländern gemeinsam getragene Novelle sprechen müssen. Partnerschaft in Bezug auf Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: BAföG muss in diesem Sinne heißen, dass keiner der Herr Kollege Kaczmarek, gestatten Sie eine Zwi- beiden Partner den anderen in finanzielle Bedrängnis schenfrage der Kollegin Gohlke? bringt und die finanziellen Forderungen überzieht. Wir müssen eine faire finanzielle Lösung zwischen Bund und Ländern finden. Das ist selbstverständlich und auch ein Oliver Kaczmarek (SPD): Gebot der politischen Rationalität. Wir sollten das un- Gerne. aufgeregt angehen. Ich bin zuversichtlich, dass Bund und Länder das gemeinsam hinbekommen. Nicole Gohlke (DIE LINKE): (Beifall bei der SPD) Danke für die Möglichkeit zur Zwischenfrage. – Ich habe mich jetzt natürlich angesprochen gefühlt, weil Sie Die gute Botschaft dieser Debatte ist: Das BAföG sagten, wir stellten Forderungen auf und suggerierten, wird modernisiert und verbessert werden. Die zweite dass man sie einfach so umsetzen könne. Sie haben ja gute Nachricht ist: Das wird von niemandem mehr in- selber gerade zugestanden, dass viele unserer Forderun- frage gestellt. gen zum Beispiel in Ihrem Wahlprogramm standen oder in der letzten Legislaturperiode auch von Ihnen, von der (Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann SPD, aufgestellt wurden. [SPD]) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Im Gegenteil: Diejenigen, die noch vor einigen Jahren das BAföG als alten Karren oder als Auslaufmodell be- Sie haben in Ihrem Wahlprogramm ziemlich deutlich ge- zeichnet haben, macht, wie Sie diese Sachen finanzieren wollen, zum Beispiel über Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: wie Erhöhung der Einkommensteuer und Einführung ei- Gabriel! Schäuble!) ner Millionärsteuer. sind einem dramatischen Irrtum unterlegen und befinden (B) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) sich derzeit Gott sei Dank auf dem Weg der Besserung. (D) Heute geht es darum, das BAföG noch besser und zeit- Sie haben aber davon Abstand genommen. Deswegen gemäßer zu machen. Wir sollten uns damit nicht allzu frage ich: Wer suggeriert hier was? Haben Sie nicht viel- viel Zeit lassen. leicht vor der Wahl falsche Wahlziele suggeriert, weil sie bei den Studierenden oder in der Bevölkerung ganz gut Herzlichen Dank. ankommen, und sind jetzt nicht mehr bereit, dazu zu ste- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) hen? (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Als nächste Rednerin hat die Kollegin Katrin Oliver Kaczmarek (SPD): Albsteiger das Wort. Nein, das muss ich zurückweisen. Die Ursache dafür, (Beifall bei der CDU/CSU) dass wir das nicht umsetzen können, sind nicht falsche Versprechungen, sondern es ist ein schlechtes Wahler- Katrin Albsteiger (CDU/CSU): gebnis. Wir bilden eine Koalitionsregierung und haben uns darauf geeinigt, dass wir ohne finanzielle Mehraus- Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol- gaben und Steuererhöhungen versuchen, die Vorhaben legen! Meine Damen und Herren! Das BAföG ist eine umzusetzen. Erfolgsgeschichte. Das BAföG ist ein systemrelevanter Teil unserer Gesellschaft. Das BAföG ist gelebte Verant- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] wortung gegenüber der jungen Generation. 160 Milliarden für die Rente!) (Beifall bei der CDU/CSU) Sie werden sehen, dass wir finanzielle Spielräume für die BAföG-Novelle eröffnen. Das ist kein Wunschden- Ihr Antrag hingegen ist genau das Gegenteil davon. Er ken. ist ein Schnellschuss, frei nach dem Motto „Wir fordern jetzt einfach mal das Maximum“, also die schöne heile (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Welt. Es geht Ihnen nur um den Effekt und nicht darum, der CDU/CSU) ein nachhaltiges Konzept vorzulegen. Wir hingegen ha- ben immer betont, dass Bildungspolitik auch generatio- Eine Anmerkung zum Schluss. Natürlich ist das nengerecht sein muss. BAföG eine Aufgabe von Bund und Ländern, die beide gemeinsam wahrnehmen. Wer eins und eins zusammen- Die Ausgangslage ist gut. Die Bundesregierung gibt zählen kann, weiß doch, dass die Länder einer BAföG- so viel Geld für Bildung und Forschung aus wie nie zu- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1155

Katrin Albsteiger (A) vor. Schon in den Jahren 2010 bis 2013 haben wir in die- (Beifall bei der CDU/CSU) (C) sem Bereich 13 Milliarden Euro mehr investiert. Andere Instrumente wie beispielsweise das Deutsch- (Beifall bei der CDU/CSU) landstipendium erklären Sie unerklärlicherweise für ge- scheitert. Gleichzeitig haben wir uns auf den Weg gemacht, die Haushalte zu konsolidieren. Das ist in Bezug auf Gene- (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: rationengerechtigkeit ein ganz wichtiger Punkt. Genau Ist es!) diesen Weg wollen wir jetzt konsequent weitergehen, in- Dabei ist auch das eine Erfolgsgeschichte: 14 000 Sti- dem wir weitere 9 Milliarden Euro in den Bereich Bil- pendiaten wurden Ende 2012 gefördert. Das sind immer- dung und Forschung investieren. hin 9 000 mehr als im Jahr davor. Zusammen mit dem (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Ausbau der Begabtenförderungswerke haben wir es seit neten der SPD) 2005 geschafft, die Anzahl der Stipendien fast zu ver- dreifachen. Wir haben die Anzahl der Stipendien von Das darf ich an dieser Stelle auch einmal sagen: In Zei- 16 400 auf 48 000 erhöht. ten solch großer Rentenpakete ist das ein richtiges und wichtiges Signal an die junge Generation. (Zuruf von der CDU/CSU: Eine tolle Sache!) (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutschland muss zugegebenermaßen – auch das will Viel zu wenig!) ich sagen – im Bereich der Stipendien noch einiges tun. Da gibt es noch ein bisschen aufzuholen. Wir als CDU/CSU-Fraktion haben innerhalb des Bud- gets vor, die BAföG-Bedarfssätze und auch die Freibe- (Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- träge zu erhöhen. Aber das muss man erst einmal anstän- NEN]: Hört! Hört!) dig durchrechnen. Hier darf es keinen Schnellschuss Dabei setzen wir aber nicht, wie Sie es so gerne tun, al- geben. lein auf den Staat, sondern auch auf private Träger, auf Sie haben sich immerhin die Mühe gemacht, einen Förderer aus der Wirtschaft. Auch das ist wichtig. Die- hübschen Forderungskatalog aufzustellen. Dort finden sen Weg wollen wir als CDU/CSU-Fraktion konstruktiv sich Forderungen wieder wie die nach einer Erhöhung begleiten. der Bedarfssätze um mindestens 10 Prozent, dem rück- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. zahlungsfreien Vollzuschuss oder der elternabhängigen Oliver Kaczmarek [SPD]) Förderung. Das ist keine Initiative, sondern „Wünsch dir (B) was“ und sonst gar nichts. Noch ein Wort zum Bürokratieabbau: Ein Ansatz- (D) punkt für die BAföG-Reform muss sein, die kompli- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- zierte Antragstellung praxisnäher und stärker am Stu- neten der SPD) denten orientiert zu gestalten. Das ist wichtig, damit der Am Ende packen Sie ihre linke Agenda wie die For- Vergabeprozess beschleunigt werden kann und das Geld derung nach Erhöhung der Einkommen-, Vermögen- und schneller dort ankommt, wo es wirklich gebraucht wird, Erbschaftsteuer in Ihren BAföG-Antrag. Ich frage mich nämlich bei den Studenten. ernsthaft: Was hat das darin verloren? Absolut gar (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. nichts! Oliver Kaczmarek [SPD]) (Zurufe der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE] Zusammengefasst heißt das: Wir brauchen keinen und Dr. Rosemarie Hein [DIE LINKE]) Schnellschuss, sondern ein solides Konzept. Wir wollen Liebe Kolleginnen und Kollegen, statt pauschal das bei der Weiterentwicklung des BAföG den Anforderun- Maximum zu fordern, wollen wir es anständig durch- gen der Studenten Rechnung tragen; dafür setzen wir uns rechnen. Die junge Generation hat auf lange Sicht über- ein. Wir wollen daneben die Auswirkungen des Bolo- haupt nichts davon, wenn man einfach imposante Pakete gna-Prozesses im Blick behalten. Das alles muss basie- schnürt, das Umsetzungskonzept aber offen bleibt. Es ren auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Das sind wir der wäre ja geradezu absurd und völlig abwegig – das muss jungen Generation schuldig. man sich einmal vorstellen –, wenn wir jetzt das Geld, Vielen Dank. das Sie im Rahmen Ihrer großen Reform ins BAföG ste- cken wollen, durch Steuererhöhungen und Aufnahme (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neuer Schulden finanzieren würden, und das im selben neten der SPD) Umfang. Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Oder eine andere Idee: Wäre es vielleicht toll, wenn Dies war die erste Rede der Kollegin. Herzlichen wir das Geld einfach aus anderen wichtigen und richti- Glückwunsch! gen Bildungs- und Forschungsinitiativen nehmen wür- den? Das ist das Prinzip „rechte Tasche – linke Tasche“. (Beifall) Das bringt uns überhaupt gar nichts. Das ist nicht gene- Jetzt hat die Kollegin Saskia Esken das Wort. rationengerecht und aus dem Grund auch nicht mit uns zu machen. (Beifall bei der SPD) 1156 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

(A) Saskia Esken (SPD): raussetzung für den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt ange- (C) Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle- sehen. Die vergleichsweise geringen Zahlen arbeitsloser gen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bun- Fachkräfte und Akademiker zeigen ja auch, dass das desausbildungsförderungsgesetz, das BAföG, steht für nicht ganz falsch ist. ein zentrales gesellschaftliches Versprechen. Es steht für den Aufstieg durch Bildung und Leistung. Es steht für Deshalb ist der Wunsch nach der bestmöglichen Bil- Eltern, die sich eine bessere Zukunft für ihre Kinder dung und Ausbildung in diesem Zusammenhang zentral. wünschen, und es steht für die Unterstützung junger Ob „bestmöglich“ dann eher mit einem Hochschulstu- Menschen, die sich weiterentwickeln möchten. dium oder einer Facharbeiterausbildung zu verwirkli- chen ist, ist eine Frage der persönlichen Neigung und Das Versprechen des Aufstiegs durch Bildung und Sichtweise. In der Sorge aber, ob diese bestmögliche Bil- Leistung ist das Kernthema der Sozialdemokraten seit dung und Ausbildung der Kinder auch finanziell leistbar mehr als 150 Jahren. So kann es nicht verwundern, dass ist, stellt das BAföG gerade für die Eltern eine große eine SPD-geführte Regierung das BAföG erfunden und Entlastung dar. eingeführt hat. Alle bedeutenden Reformen und Weiter- entwicklungen des BAföG wurden von Regierungen auf Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Ver- den Weg gebracht, an denen die SPD beteiligt war. sprechen des Aufstiegs durch Bildung und Leistung war und ist für uns Sozialdemokraten – darauf will ich gerne (Beifall bei der SPD) noch einmal zurückkommen – die Grundlage für das Wir können deshalb versichern: Auch bei der jetzigen BAföG als soziales Leistungsgesetz. Hierauf wird die Regierung können sich die jungen Menschen und ihre SPD auch in Zukunft ein besonderes Augenmerk legen Eltern auf die SPD verlassen. Wir werden gemeinsam und dies in die Regierungsarbeit mit einfließen lassen. mit dem Koalitionspartner dafür sorgen, dass gestiegene Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Lebenshaltungskosten und Einkommen ebenso berück- sichtigt werden wie der Wandel von Lebens- und Stu- (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) dienbedingungen. Über die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: sind wir uns nicht nur in der Regierungskoalition durch- Auch Ihnen, liebe Kollegin Esken, ganz herzlichen aus einig. Ich bin deshalb zuversichtlich, liebe Kollegen Glückwunsch zu Ihrer ersten Rede! von der Linken, dass wir für die Ausgestaltung und die (Beifall) Finanzierung einer BAföG-Reform mit Substanz einen Als nächste Rednerin hat die Kollegin Cemile (B) gemeinsamen Weg finden werden. (D) Giousouf das Wort. Auch wenn die Zahl der Studienanfänger und mit ihr die Zahl der BAföG-Empfänger immer weiter ansteigt (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- und wir damit die Erfolgsgeschichte des BAföG erzäh- neten der SPD) len können, müssen wir feststellen: Bei der Frage der Bildungsgerechtigkeit liegt immer noch ein weiter Weg Cemile Giousouf (CDU/CSU): vor uns. Eines zeigt uns die Bildungsberichterstattung, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! zum Beispiel der Ländervergleich des IQB oder auch der Meine Damen und Herren! Liebe Besucher! Hätte die letzte PISA-Bericht, bei allen positiven Entwicklungen Linksfraktion einen Blick in den 20. BAföG-Bericht und immer wieder deutlich auf: Weiterhin ist in Deutschland in die Presse geworfen, hätte sie sich diesen Antrag die soziale Herkunft sehr bestimmend für den Bildungs- sparen können. Ich bin der Auffassung: Auch Ihre erfolg und damit auch für den Hochschulzugang. Wählerinnen und Wähler verdienen es, dass wir in die- Es überrascht deshalb nicht, dass auch weiterhin sem Hohen Haus substanziell über Studienfinanzierung hauptsächlich der Nachwuchs von Akademikern den debattieren statt über Scheinanträge. Der hier vorlie- Weg an die Hochschulen findet. Drei Viertel der Kinder, gende Antrag verzerrt die Realitäten und impliziert, die bei denen ein Elternteil oder beide Elternteile einen Regierung würde die Studierenden und Schüler dieses Hochschulabschluss haben, nehmen später selbst ein Landes im Stich lassen. Er bietet auch keine einzige rea- Studium auf. Bei Facharbeiterfamilien beträgt dieser An- listische Finanzierungsgrundlage. teil nur 25 Prozent. Soziale Gerechtigkeit und Chancen- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- gleichheit dürfen aber nicht nur auf dem Papier stehen. neten der SPD) Diese hehren Ziele müssen mit Leben gefüllt werden. Das BAföG bildet hierfür eine wichtige Basis. Konkret fordern Sie, Frau Gohlke, fordert die Linke, den Darlehensanteil des BAföG zu streichen. Stattdessen (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Stefan soll ein Vollzuschuss ausgezahlt werden. Als ehemalige Kaufmann [CDU/CSU]) BAföG-Empfängerin möchte ich einem Steuerzahler Alle Eltern – hier in diesem Hause und darüber hi- nicht vermitteln müssen, warum ein in der Regel gut ver- naus – wünschen sich eine gute Zukunft für ihre Kinder. dienender Akademiker seine Ausbildung in voller Höhe Dieser Wunsch bezieht sich nicht nur auf das persönliche staatlich bezuschusst bekommen soll. Die heutige Rege- Leben, sondern auch auf den Erfolg am Arbeitsmarkt. Da- lung, dass die Hälfte der BAföG-Zahlung als zinsloses bei wird die Qualität der Bildung und Ausbildung als Vo- Darlehen ausgezahlt wird, ist fair. Schüler und Auszubil- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1157

Cemile Giousouf (A) dende bekommen diese Leistung ohnehin als darlehens- Neben dem BAföG wurden im Jahr 2012 175 Millio- (C) freien Vollzuschuss. nen Euro in die Förderung von besonders begabten Stu- dierenden investiert. Was für die Kollegen der Linkspar- Weiterhin fordern Sie in Ihrem Antrag, die Bedarfs- tei eine Elitenförderung darstellt, ist eine Anerkennung sätze drastisch zu erhöhen und die Altersgrenzen abzu- von gesellschaftlichem Engagement, das nicht weniger schaffen. Im Jahr 2008 wurde das BAföG um 10 Prozent zählt als gute Noten; denn ein Land, das seine besten und im Jahr 2010 das Höchstalter auf 35 Jahre erhöht. Köpfe nicht fördert, ist nicht zukunftsfähig. (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sehr gut!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Aber Sie wollen das BAföG zu einer statischen Rund- neten der SPD) umversorgung degradieren: nach dem Prinzip Gieß- Das Drei-Säulen-Modell unserer Studienfinanzierung kanne ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle. – BAföG, Begabtenförderung und Studiendarlehen – hat sich bewährt. Immer mehr junge Menschen können un- (Beifall bei der CDU/CSU) abhängig von sozialen und nationalen Hürden in unse- Ihre Maximalforderungen aus dem linken Wünsch-dir- rem Land erfolgreich ihre Ausbildung machen. Ich bin was-Katalog wollen Sie durch neue Schulden und hö- aber überzeugt, dass wir die Studienfinanzierung noch here Steuern finanzieren. Mit Verlaub: Das kann wirk- verbessern können: indem wir, wie meine Kolleginnen lich kein Mensch ernst nehmen. und Kollegen schon gesagt haben, die Übergänge zwi- schen den Abschlüssen erleichtern, indem wir junge El- (Beifall bei der CDU/CSU) tern, die in Teilzeit studieren, unterstützen und indem Die Forderung, das Deutschlandstipendium abzu- wir die BAföG-Anträge flächendeckend online zugäng- schaffen, gehört inzwischen offenbar zu einer Art An- lich machen. tragsfolklore der Opposition. Das BAföG, liebe Kollegen von der Linksfraktion, wird weiterentwickelt; unsere Bildungsministerin, Frau (Heiterkeit des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/ Wanka, hat das klar und deutlich gesagt. Der Bund hat CSU]) die Arme weit geöffnet. Um es noch einmal klarzustellen: Das Stipendium ist (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) keine Alternative zum BAföG. Etwa ein Viertel der Sti- pendiaten erhielten dieses zusätzlich zu ihrem BAföG. Es ist nur konsequent, dass Bund und Länder auf diesem Gebiet weiter zusammenarbeiten, wie sie es seit über (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: So ist es!) 40 Jahren tun. (B) Wenn man die freiwerdenden Mittel aus dem Deutsch- (Beifall bei der CDU/CSU) (D) landstipendium den BAföG-Empfängern auszahlen würde, käme man auf eine Summe von 1,50 Euro. Ich Es wird bei der Lastenverteilung bleiben, dass der Bund kann mir nicht vorstellen, dass das eine ernsthafte Forde- 65 Prozent und die Länder 35 Prozent tragen. Wir sehen rung von Ihnen sein kann. da auch ein wenig unsere Fürsorgepflicht gegenüber den Ländern. Wir wollen, dass auch die Länder sagen kön- (Beifall bei der CDU/CSU) nen: Liebe Studierende, wir unterstützen euch und tra- gen Verantwortung für eure Ausbildung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist die Bildungsrepublik in Europa. Wir haben die niedrigste (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jugendarbeitslosigkeit, und unser Ziel ist es, jedes Kind Dr. [DIE LINKE]: Und nach seinen Begabungen zu fördern. Unsere Bilanz ist so wenn sie nicht gestorben sind …!) gut wie seit Jahren nicht mehr. Auch das können Sie Ich würde mir wünschen, dass Sie, liebe Kolleginnen nicht schlechtreden, auch wenn Sie sich noch so viel und Kollegen von der Linken, auf Ihre Parteikollegen Mühe geben; die Ergebnisse des BAföG-Berichts bestä- einwirken; denn während Sie hier mit fadenscheinigen tigen das. Bund und Länder haben 2012 insgesamt Anträgen fordern, dass das BAföG verbessert wird, fal- 3,3 Milliarden Euro und damit 18 Prozent mehr für len unter der rot-roten Landesregierung in Brandenburg BAföG ausgegeben als noch 2010. Die Zahl der Geför- jährlich 450 000 Unterrichtsstunden aus. derten betrug 2012 im Jahresdurchschnitt 630 000. Das waren 45 000 Studierende und Schüler mehr als noch (Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Unglaublich!) vor drei Jahren. Die Förderbeiträge für Studierende und Das wäre doch einmal ein Punkt, wo sich Einsatz richtig für Schüler sind angestiegen: Schüler bekommen heute lohnen würde. - 50 Euro mehr im Monat. Wir konnten 54 000 Studieren (Beifall bei der CDU/CSU) den eine Ausbildung im Ausland ermöglichen; so etwas ist sonst – da gebe ich der Kollegin aus der SPD recht – privilegierten Familien vorbehalten. 67 000 Geförderte Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Das ist ein Auch Ihnen, Kollegin Giousouf, herzlichen Glück- Zeichen dafür, dass unser Bildungssystem und unser wunsch zu Ihrer ersten Rede! Fördersystem durchlässiger geworden sind. (Beifall) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist die De- neten der SPD) batte beendet. Ich schließe die Aussprache. 1158 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn (A) Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und gute (C) Drucksache 18/479 an die in der Tagesordnung aufge- Arbeit. führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein- Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung tages auf Mittwoch, den 19. Februar 2014, 13 Uhr, ein. so beschlossen. Die Sitzung ist geschlossen. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung angekommen. (Schluss: 13.39 Uhr)

(B) (D) Anlagen

Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014 1159

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten

entschuldigt bis entschuldigt bis Abgeordnete(r) einschließlich Abgeordnete(r) einschließlich

Aken, Jan van DIE LINKE 14.02.2014 Maisch, Nicole BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 DIE GRÜNEN Alpers, Agnes DIE LINKE 14.02.2014 Mattfeldt, Andreas CDU/CSU 14.02.2014 Bätzing-Lichtenthäler, SPD 14.02.2014 Sabine Movassat, Niema DIE LINKE 14.02.2014

Beckmeyer, Uwe SPD 14.02.2014 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 DIE GRÜNEN Brantner, Dr. Franziska BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 DIE GRÜNEN Rabanus, Martin SPD 14.02.2014

Brase, Willi SPD 14.02.2014 Rüthrich, Susann SPD 14.02.2014

Durz, Hansjörg CDU/CSU 14.02.2014 Schieder (Schwandorf), SPD 14.02.2014 Marianne Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 DIE GRÜNEN Schlecht, Michael DIE LINKE 14.02.2014

Ernst, Klaus DIE LINKE 14.02.2014 Schmidt (Fürth), CDU/CSU 14.02.2014 Christian Fischer (Hamburg), Dirk CDU/CSU 14.02.2014 (B) Schmidt (Wetzlar), SPD 14.02.2014 (D) Dr. Gauweiler, Peter CDU/CSU 14.02.2014 Dagmar

Golze, Diana DIE LINKE 14.02.2014 Schulte-Drüggelte, CDU/CSU 14.02.2014 Bernhard Grindel, Reinhard CDU/CSU 14.02.2014 Dr. Steinmeier, Frank- SPD 14.02.2014 Heller, Uda CDU/CSU 14.02.2014 Walter

Höger, Inge DIE LINKE 14.02.2014 Stritzl, Thomas CDU/CSU 14.02.2014

Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 Strothmann, Lena CDU/CSU 14.02.2014 DIE GRÜNEN Dr. Terpe, Harald BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 Holzenkamp, Franz- CDU/CSU 14.02.2014 DIE GRÜNEN Josef Thönnes, Franz SPD 14.02.2014 Ilgen, Matthias SPD 14.02.2014 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 14.02.2014 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 14.02.2014 Walter-Rosenheimer, BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 Jelpke, Ulla DIE LINKE 14.02.2014 Beate DIE GRÜNEN

Juratovic, Josip SPD 14.02.2014 Weber, Gabi SPD 14.02.2014

Korte, Jan DIE LINKE 14.02.2014 Dr. Wilms, Valerie BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 DIE GRÜNEN Krellmann, Jutta DIE LINKE 14.02.2014 Zdebel, Hubertus DIE LINKE 14.02.2014 Künast, Renate BÜNDNIS 90/ 14.02.2014 DIE GRÜNEN Zimmermann, DIE LINKE 14.02.2014 Pia Lischka, Burkhard SPD 14.02.2014 1160 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15. Sitzung. Berlin, Freitag, den 14. Februar 2014

(A) Anlage 2 Haushaltsführung 2013 (C) Mitteilung gemäß § 37 Absatz 4 der Bundeshaushalts- Amtliche Mitteilungen ordnung über die Einwilligung in eine überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 30 02 Titel 632 50 – BAföG – Schü- Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- lerinnen und Schüler – bis zur Höhe von 83 Mio. Euro geteilt, dass sie den Antrag Änderung der Geschäfts- Drucksachen 18/327, 18/413 Nr. 1.2 ordnung des Deutschen Bundestages zwecks Siche- rung der Minderheitenrechte der Opposition im 18. Deutschen Bundestag auf Drucksache 18/183 zu- Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben rückzieht. mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Unionsdokumente zur Kenntnis genommen oder von ei- Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat mit- ner Beratung abgesehen hat. geteilt, dass sie den Entwurf eines Gesetzes zur Siche- rung der Oppositionsrechte in der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestages auf Drucksache 18/184 Auswärtiger Ausschuss zurückzieht. Drucksache 18/419 Nr. A.4 EP P7_TA-PROV(2013)0333 Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie Drucksache 18/419 Nr. A.5 gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von EP P7_TA-PROV(2013)0378 einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen Drucksache 18/419 Nr. A.6 absehen: EP P7_TA-PROV(2013)0379 Drucksache 18/419 Nr. A.11 EP P7_TA-PROV(2013)0453 Auswärtiger Ausschuss Drucksache 18/419 Nr. A.15 – Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Inter- Ratsdokument 11482/13 parlamentarischen Union Drucksache 18/419 Nr. A.17 128. Versammlung der Interparlamentarischen Union Ratsdokument 14042/13 vom 22. bis 27. März 2013 in Quito, Ecuador Drucksachen 18/81, 18/305 Nr. 1 Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft Drucksache 18/419 Nr. A.95 – Unterrichtung durch die Delegation des Deutschen Bundes- Ratsdokument 13834/13 tages in der Ostseeparlamentarierkonferenz Drucksache 18/419 Nr. A.96 22. Jahrestagung der Ostseeparlamentarierkonferenz Ratsdokument 16120/13 (B) vom 25. bis 27. August 2013 in Pärnu, Estland (D) Drucksache 18/419 Nr. A.97 Drucksachen 18/158, 18/305 Nr. 10 Ratsdokument 18152/13 Drucksache 18/419 Nr. A.98 Haushaltsausschuss Ratsdokument 18153/13 Drucksache 18/419 Nr. A.99 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Ratsdokument 18171/13

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