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SPIXIANA 30 1 99–101 München, 1. Mai 2007 ISSN 0341–8391

Zur Kenntnis der -Weibchen mit verdickter Tibia IV

(Arachnida, Araneae, Theraphosidae)

Günter Schmidt

Schmidt, G. (2007): Contribution to the knowledge of Theraphosinae females with enlarged Tibia IV (Arachnida, Araneae, Theraphosidae). – Spixiana 30/1: 99- 101 There are 4 genera containing species with thickened tibia IV among about 52 genera and 430 species of theraphosinae. A dichotomous key is introduced to spare the time needed for determinations making possible a fast identifi cation of such females. Determination of the type of urticating hairs, the presence or absence of a pad of feathered hairs retrolaterally on femur IV, the presence or absence of thorns ventrally and ventro-laterally on coxae of leg II-IV and the shape of receptacula seminis is necessary only. Günter Schmidt, Von-Kleist-Weg 4, D-21407 Deutsch Evern

Einleitung Femur IV ein Polster aus Fiederhaaren und auf dem Opisthosoma Reizhaare von Typ I, aber auch einige Anlaß der folgenden kleinen Arbeit war die Bestim- wenige Reizhaare von Typ III. Bei Eupalaestrus cam- mung des Weibchens von Crassicrus lamanai Reich- pestratus (Simon, 1891) haben die Weibchen Reiz- ling & West, 1996 anhand der Exuvie einer Spezies, haare von Typ I und III, während bei E. spinosissimus die in Lüneburg als Aphonopelma stoicum (Chamber- Mello-Leitao, 1923 nur Typ I vorhanden ist. Hier lin, 1925), eine mexikanischen Art, verkauft worden fi nden sich zusätzlich ein verdickter Metatarsus IV war. Dem Käufer der Spinne war jedoch eine stark und zahlreiche schwarze Dornen prolateral an Coxa verdickte Tibia IV aufgefallen, ein Charakteristikum, IV sowie retrolateral an Coxa II und III. Polster aus das bei Aphonopelma stoicum fehlt. Versuche einer Fiederhaaren sind retrolateral an Femur IV vorhan- Identifi zierung mittels des Bestimmungsschlüssels den. Leider geht Bertani nicht auf die fünf Jahre vor von Schmidt (2003) scheiterten zunächst, da darin dem Erscheinen seiner Arbeit beschriebene Spezies zwar die Gattungen Crassicrus, Eupalaestrus Pocock, Crassicrus lamanai ein. Bei ihr fehlt das Polster aus 1901 und die Art lucasae Bertani, 2001 als Fiederhaaren an Femur IV. Auch fi ndet sich hier Vogelspinnen mit verdickter Tibia IV genannt sind, lediglich Reizhaartyp I, und die Coxen und Femora nicht jedoch Proshapalopus amazonicus Bertani, 2001, II-IV tragen schwarze dornartige Borsten. Die Sper- der ebenfalls eine verdickte Tibia IV aufweist. Au- matheken aller dieser Arten sind einander sehr ßerdem war die dort abgebildete Spermathek eines ähnlich. Doch bestehen innerhalb einer Art (aus Exemplars von Crassicrus lamanai aus Belize deutlich verschiedenen Gegenden?) recht große Unterschie- anders als die des vorliegenden Exemplars aus de. Das gilt übrigens bei C. lamanai auch für die Mexiko. Daraufhin wurde die Arbeit von Bertani Proportionen der Augen. Während diese Spezies (2001) zu Rate gezogen, in der es heißt, daß Prosha- recht aggressiv ist, gehören Angehörige der Gattung palopus retrolateral an Femur IV ein Polster aus Eupalaestrus zu den “zahmsten” Arten. Lediglich Fiederhaaren und daß P. amazonicus im Gegensatz Crassicrus lamanai kommt in Mittelamerika (Belize, zu den beiden anderen Proshapalopus-Arten im Guatemala, Mexiko) vor, während alle übrigen weiblichen Geschlecht lediglich Reizhaare von Typ Arten südamerikanisch sind. I besitzt. Auch Vitalius lucasae hat retrolateral an

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2 78 Abb. 1, 2. Crassicrus lamanai Reichling & West. 1. Spermathek des Holotyps aus Belize (nach Reichling). 2. Sperma- thek eines Weibchens aus Mexiko (nach Vol). Abb. 3, 4. Eupalaestrus spinosissimus Mello-Leitao. 3. Tibia und Metatarsus IV (nach Bertani). 4. Spermathek (nach Bertani). Abb. 5. Proshapalopus amazonicus Bertani, Spermathek (nach Bertani). Abb. 6. Vitalius lucasae Bertani. Spermathek (nach Bertani). Abb. 7, 8. Eupalaestrus campestratus (Simon). 7. Tibia IV (nach Bertani). 8. Spermathek (nach Bertani).

Material und Methoden re von Typ I. Borsten ventral und ventro-prola- teral an Coxen und Femora II-IV. Spermathek Crassicrus lamanai: Ein Weibchen und seine Exuvie, s. Abb.1, 2. Vordermittelaugen kleiner oder Mexiko ohne nähere Angabe. Das Tier wurde mittels größer als Vorderseitenaugen. Vorkommen: Stereolupe bei 30facher Vergrößerung untersucht, Belize, Guatemala, Mexiko ...... seine Spermathek präpariert, in Polyvinyllaktophe- ...... Crassicrus lamanai Reichling & West nol eingebettet und mit Spermathekabbildungen – Tibia IV nicht tonnenartig verdickt. Polster aus dieser Art von Reichling & West sowie Vol vergli- Fiederhaaren retrolateral an Femur IV, Reizhaa- chen. Außerdem wurden die Abbildungen der re von Typ I bzw. Typ I und III vorhanden. Spermatheken von Eupalaestrus campestratus, E. spi- Vorkommen: Südamerika ...... 2. nosissimus, Proshapalopus amazonicus sowie Vitalius lucasae in der Arbeit von Bertani zum Vergleich 2. Nur Reizhaare von Typ I vorhanden ...... 3. herangezogen. Die Reizhaare wurden unter dem – Auch Reizhaare von Typ III vorhanden ...... 4. Mikroskop bei 105facher Vergrößerung untersucht. Die Spinne wurde mit Fotos dieser Art und mit 3. Metatarsus IV ebenfalls verdickt (Abb. 3), schwar- denen von Eupalaestrus campestratus, E. spinosissimus ze Dornen prolateral an Coxa IV und retrolateral und Proshapalopus amazonicus verglichen. Die Arten an Coxa II und III, Spermathek s. Abb. 4 ...... Eupalaestrus campestratus und Crassicrus lamanai sind ...... Eupalaestrus spinosissimus Mello-Leitao dem Autor von früheren Bestimmungen her be- – Metatarsus IV nicht verdickt, Spermathek s. kannt. Abb. 5 ...... Proshapalopus amazonicus Bertani 4. Tibia IV nur wenig verdickt, Reizhaare von Typ III nur spärlich vorhanden, Spermathek s. Schlüssel zum Bestimmen der Weibchen Abb. 6 ...... Vitalius lucasae Bertani von Theraphosinae mit verdickter Tibia IV – Tibia IV stark verdickt (Abb. 7), Reizhaare von 1. Tibia IV tonnenartig verdickt. Kein Polster aus Typ III reichlich vorhanden, Spermathek s. Fiederhaaren retrolateral an Femur IV, Reizhaa- Abb. 8 ...... Eupalaestrus campestratus (Simon)

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Diskussion Danksagung

Die Spermathek des untersuchten Exemplars von Ich danke den Herren Dr. Klaus Baumgarten und Tho- Crassicrus lamanai entspricht in allen Einzelheiten mas Schröder, Lüneburg, für die Exuvie eines Weib- derjenigen, die Vol von einem Weibchen aus Mexi- chens von Crassicrus lamanai und Herrn Fabian Vol, ko abbildet. Sie unterscheidet sich von derjenigen, Saint-Germain en Laye/Frankreich, für seine Auskünf- die Reichling von einem aus Belize stammenden Tier te über diese Art. angefertigt hat, durch weiter voneinander entfernte Receptacula seminis. Weiterhin hat das Tier Vorder- seitenaugen (VSA), die größer als die Vordermittel- Literatur augen (VMA) sind, während in der Originalbeschrei- Bertani, R. (2001). Revision, cladistic analysis, and zoo- bung die VMA größer als die VSA sein sollen. Leider geography of Vitalius, Nhandu, and Proshapalopus; konnten noch keine Männchen aus unterschiedlichen with notes on other Theraphosine genera (Araneae, Gegenden des Verbreitungsgebiets miteinander Theraphosidae). – Arquivos de Zoologia, Sao Pau- verglichen werden. Vol (persönliche Mitteilung) lo 36 (3): 265-356 meint, daß die unterschiedlichen Proportionen der Reichling, S. B. & R. C. West (1996). A new and Receptacula seminis im Rahmen der üblichen Vari- species of Theraphosid from Belize (Arane- ationsbreite bei dieser Art liegen. ae, Theraphosidae). – The Journal of Arachnology 24: 254-261 Schmidt, G. & J.-P. Rudloff (2003). Die Vogelspinnen. – Westarp Wissenschaften, Die Neue Brehm-Büche- rei Bd. 641: 1-383; Hohenwarsleben Vol, F. (2000). Catalogue des spermathèques des Thera- phosidae. – Editions Arachnides, supplement au numero 47 d’Arachnides

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Buchbesprechungen

12. De Maddalena, A. & H. Bänsch: Haie im Mittelmeer. geregter, sehr informativer Weise. Die zahlreichen, guten Alle 49 Arten. Kosmosnaturführer. – Franckh-Kos- Lebendfotos tun ein Übriges, uns die Haie als schöne mos-Verlags-Gmbh & Co KG, Stuttgart, 2005. 239 S., und schützenswerte Tiere ans Herz zu legen. zahlr. Zeichnungen und Farbfotos. ISBN 3-440-10458-3 M. Baehr Der Titel dieses Buches mag reißerisch klingen, denn wer denkt nicht bei Haien gleich an die anscheinend großen 13. Wachmann, E., A. Melber & J. Deckert: Wanzen 1, Gefahren, die von diesen Tieren ausgehen. Aber das Dipsocomorpha, Nepomorpha, Gerromorpha, Lepto- Gegenteil ist der Fall: Das Buch versucht, streng wissen- podomorpha, Cimicomorpha. Die Tierwelt Deutsch- schaftlich, ein Kompendium der im Mittelmeer vorkom- lands 77. – Goecke & Evers, Keltern, 2006. 263 S. ISBN menden Haie zu geben und, ohne die gelegentliche 3-931374-49-1. Gefahr für den Menschen zu beschönigen, den Haien Das Gesamtwerk über die Wanzen in Deutschland ist Gerechtigkeit zukommen zu lassen. Nehmen wir gleich auf 4 Bände konzipiert. Davon ist der Band 2 mit den ein wichtiges Anliegen der beiden Autoren heraus: In Microphysidae (Flechtenwanzen) und Miridae (Weich- Wahrheit sind die Haie viel mehr durch den Menschen wanzen) bereits erschienen. Zwei weitere Bände dieser gefährdet als umgekehrt und die allermeisten Arten Buchreihe und ein Bestimmungswerk für die einheimi- bedürfen eines weit größeren Schutzes, als es bisher der schen Wanzen im gleichen Verlag sind in Vorbereitung. Fall ist. Das gilt für das Mittelmeer, aber natürlich nicht Der hier zu besprechende Band behandelt die folgenden nur dort. Familien Ceratocombidae, Dipsocoridae, Nepidae (Skor- Das Buch bringt eine ausführliche, mit zahlreichen pionswanzen), Corixidae (Ruderwanzen), Naucoridae Abbildungen versehene allgemeine Einleitung in Mor- (Schwimmwanzen), Aphelocheiridae (Grundwanzen), phologie, Biologie, Ökologie und Verhalten der Haie. Notonectidae (Rückenschwimmer), Pleidae (Zwergrü- Eine Erörterung der Gefahren, die von Haien ausgehen, ckenschwimmer), Mesoveliidae (Hüftwasserläufer), He- der belegten Haiunfälle (sehr wenige im Mittelmeer!) bridae (Zwergwasserläufer), Hydrometridae (Teichläu- und der potentiell gefährlichen Arten fehlt nicht, ist aber fer), Veliidae (Bachläufer), Gerridae (Wasserläufer), dazu angetan, die allgemein verbreitete Haiangst zu Saldidae (Springwanzen), Leptopodidae, Tingidae (Netz- vermindern und ein eher gelassenes Verhältnis zu diesen wanzen), Nabidae (Sichelwanzen), Anthocoridae, Cimi- Tieren zu entwickeln. Die Situation der Haie im Mittel- cidae (Bettwanzen) und Reduviidae (Raubwanzen). Die meer wird dargestellt, Schutzmaßnahmen werden erör- große Anzahl an Familien, die in diesem Band behandelt tert und die Haiforschung im Mittelmeer wird behandelt. werden, entspricht einer enormen Formenfülle: kräftige Offenbar gibt es noch eine Menge zu erforschen, insbe- rot-schwarz gefärbte Raubwanzen, zarte Springwanzen sondere an den kleineren, weniger bekannten Arten, mit seitlich herausquellenden Augen, torpedoförmige sowie an den Tiefenformen und natürlich an den allmäh- Ruderwanzen und die schlanke Wassernadel (Ranatra), lich einwandernden tropischen Arten, die anzeigen, daß um wenigstens einige Beispiele zu nennen. Neben der sich auch im Mittelmeer die allgemeine Erwärmung der morphologischen Vielgestaltigkeit ist natürlich auch die Meere bemerkbar macht. ökologische Spezialisierung in die verschiedensten Le- Die allgemeine Klassifi kation sowie ein morpholo- bensräume faszinierend. Die dargestellten Wanzen leben gischer Bestimmungsschlüssel aller 49 im Mittelmeer im Wasser, am Gewässergrund, auf der Wasseroberfl äche, vorkommenden Haiarten eröffnen den systematischen in Bodenstreu, Moos, Trockenstandorten und Saumbio- Teil. In diesem werden die Haiarten in systematischer topen und zum Beispiel auch in den Wochenstuben von Reihenfolge ausführlich dargestellt, sowohl in ihrer äu- Fledermäusen. Diese faszinierende bunte Vielfalt wird ßeren Morphologie, wie in Verbreitung, Lebensweise, in dem vorliegenden Band hervorragend dargestellt. Die Verhalten, wirtschaftlicher Bedeutung und natürlich auch Verbreitung und Biologie der Arten wird in Bild und potentieller Gefährlichkeit – und Gefährdung. Dieser Teil Text vorgestellt. Der Text ist kompetent, umfassend und ist reich bebildert, sowohl mit Habitus- und Detailzeich- klar. Die vielen Abbildungen sind in jeder Hinsicht von nungen, wie mit Lebendaufnahmen, und er enthält sehr hervorragender Qualität. ausführliche Informationen zu den Arten. Ein herrliches Buch, das zeigt, wie interessant und Ein Vordruck zur Meldung von Haifängen für Sport- vielgestaltig die Wanzen trotz ihres immer noch schlech- angler, eine Liste der mit der Haiforschung im Mittelmeer ten Rufes und mangelnder Bekanntheit sind. Gerade im befaßten Institute, sowie eine recht ausführliche Biblio- Jahr 2007, da eine Wanze (Lygaeus equestris, die Ritter- graphie beschließen das Buch. Der interessierte Laie, ob wanze) Insekt des Jahres ist, ist dieses herrliche Werk ein Leser oder Fernsehzuschauer, verbindet im allgemeinen weiterer Grund, sich mit der bunten Welt der Wanzen eher tropische Meere mit Haien und ist sich vielleicht besser vertraut zu machen. Wir wünschen diesem Werk nicht bewußt, wie viele Arten im Mittelmeer vorkommen weite Verbreitung. Man darf gespannt auf die weiteren und daß sie dort wichtige Glieder der Lebensgemeinschaft Bände der Serie hoffen. bilden. Um so schöner, daß es nun ein Buch gibt, das T. Kothe & K. Schönitzer dieser mangelnden Kenntnis abhilft und dies in unauf-

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