ULRICH KUDER

Das Kunsthistorische Institut der Christian-Albrechts- Universität im Nationalsozialismus*

Bis in die Jahre des Zweiten Weltkriegs hatte die 1909 fertiggestellte Kunsthalle, Düsternbrooker Weg 1, Raum geboten nicht nur für die Kunstsammlung beziehungsweise für das Museum, sondern auch für das Kunsthistorische und für das Archäologische Institut mit seiner Gipsabgusssammlung. Nachdem jedoch am 22.05.1944 die Kunsthalle das erste Mal von einer Fliegerbombe getroffen wurde und die großen Angriffe auf am 26.08.1944 ihre weitgehende Zerstörung zur Folge hatten, kam es zu der heute noch wirksamen räumlichen Trennung des Kunsthistorischen Instituts von der Kunsthalle. Doch blieb es noch bis gegen Ende der 60er Jahre bei der von fünf Lehrstuhlinhabern, Carl Neumann, Georg Graf Vitzthum, Arthur Haseloff, Richard Sedlmaier und Hans Tintelnot über sechs Jahrzehnte, von 1907 bis 1967, praktizierten Personalunion: Der Ordinarius für Kunstgeschichte war zugleich Erster Vorsitzender des Schleswig- Holsteinischen Kunstvereins und der von selbigem verwalteten Kunstsammlung der Universität. Die Personaldecke für diese vielfältigen Aufgaben war äußerst schmal. Zwischen 1933-45 gab es nur einen Ordinarius, erst Arthur Haseloff, dann Richard Sedlmaier, und zunächst nur eine Assistentenstelle, ab 1939 eine zweite.1

* Für wertvolle Auskünfte und die Erlaubnis zur Einsichtnahme in unpublizierte Akten danke ich Frau Dr. Klára Erdei (Universitätsbibliothek [UB] Kiel, Nachlässe Lilli Martius und Arthur Haseloff), Herrn Dr. Peter Thurmann (Kunsthalle zu Kiel, Archiv des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins), Frau Dr. Dagmar Bickelmann und Herrn Sven Schoen (Landesarchiv Schleswig-Holstein [LASH], Schleswig, Universitätsarchiv und Entnazifizierungsakten), Frau Dr. Kornelia Küchmeister und Herrn Dr. Jens Ahlers (Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek Kiel, Teile des Nachlasses Richard Sedlmaier und Landesgeschichtliche Sammlung), Herrn Süncke Paulsen (Halebüll- Schobüll bei Husum, Nachlass Ingwer Paulsen), Herrn Prof. Dr. Jörg Schlee, Oldenburg, für die Bereitstellung eines Fotos, Frau Dr. Bärbel Manitz für die fruchtbaren Gespräche, die ich mit ihr als einer hervorragenden Kennerin der schleswig- holsteinischen Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts führen durfte, sowie, für seine stetige Hilfe, zahlreiche Informationen und die sorgfältige kritische Durchsicht des Manuskripts, Herrn Egbert Manthey, Kiel. 1 Lilli Martius, Erlebtes den Verwandten und Freunden erzählt, Kiel 1970, S. 105. 234 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Kunsthalle der Universität Kiel, um 1946/47 [Hermann Nafzger, Kiel; Stadtarchiv Kiel]

Zur Geschichte der miteinander verzahnten Institutionen Kunsthistorisches Institut, Kunstverein und Kunstsammlung gibt es verschiedene Publikationen. 1984 organisierte das Institut die Ausstellung »›Auf gut deutsch…‹. Kunst in Kiel in der Diktatur« und gab dazu ein Begleitheft mit mehreren Aufsätzen 2 heraus. Ernst Schlee (1910-1994), ehemals Direktor des Schleswig- Holsteinischen Landesmuseums Schloß Gottorf (1949-1975), sah sich dadurch herausgefordert, persönliche Eindrücke aus den Jahren 1920-37 publik zu machen.3 1993 folgte die Aufsatzsammlung »KuNSt ohne Museum. Beiträge 4 zur Kunst in Schleswig-Holstein 1933-1945«, gleichzeitig der Band zum 150. Jubliäum des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins mit neuen

2 ›Auf gut deutsch…‹ Kunst in Kiel in der Diktatur, Kieler Stadtmuseum, Warleberger Hof, Kiel 1984. 3 Ernst Schlee, Persönliche Eindrücke aus dem Kunstleben in der Provinz 1920-1937. Ein Beitrag auch zur Lage der bildenden Kunst im Dritten Reich, in: Nordelbingen 53, 1984, S. 169-196. Zu Schlee siehe Harm-Peer Zimmermann, Vom Schlaf der Vernunft. Deutsche Volkskunde an der Kieler Universität 1935 bis 1945, in: Hans-Werner Prahl (Hg.), UNI-Formierung des Geistes. Universität Kiel im Nationalsozialismus, Bd. 1, Brodersdorf 1995, S. 171-274, bes. S. 194-201 und Thomas Scheck, Grundzüge nationalsozialistischer Kulturpolitik in Schleswig-Holstein, in: Informationen zur Schleswig-Holsteinischen Zeitgeschichte 30 (Kiel, Dez. 1996), S. 3-25, bes. S. 14, 21. 4 Bärbel Manitz / Thomas Al. Greifeld (Hg.), KuNSt ohne Museum. Beiträge zur Kunst in Schleswig-Holstein 1933-1945, Heide 1993. 235 ULRICH KUDER

Forschungsergebnissen auch zu den 1930er und 40er Jahren.5 Im Jahr darauf folgte die Publikation zum 100. Jubiläum des Kunsthistorischen Instituts mit Beiträgen zu Arthur Haseloff, Änne Liebreich, Lilli Martius, Richard Sedlmaier6 sowie die grundlegende Dissertation von Elisabeth Vorderwülbecke »Heimat – Region – Nation. Kunst im Nationalsozialismus am Beispiel Schleswig-Holstein«.7

1. Die Ära Haseloff 1933-39

a) Haseloff und seine Mitarbeiter

Arthur Haseloff (1872-1955)8, seit 1920 auf dem Kunsthistorischen Lehrstuhl, war zum Zeitpunkt der »Machtergreifung« 60 Jahre alt. Die Jahre seiner bahnbrechenden Studien zur Buchmalerei und sein Werk über »Die Bauten der Hohenstaufen in Unteritalien« (Leipzig 1920), ebenfalls eine Pionierleistung,9 lagen hinter ihm. Von 1905 bis 1915 war er als Sekretär der kunstgeschichtlichen Abteilung des Preußischen Historischen Instituts in Rom gewesen und hatte von dort aus Italien, vor allem Süditalien durchforscht. Bereits 1891 wegen Untauglichkeit vom Militärdienst zurückgestellt, nahm er am Ersten Weltkrieg nicht als Soldat teil.10

5 Johann Schlick, Der Schleswig-Holsteinische Kunstverein 1843-1970, in: Hans-Werner Schmidt (Hg.), Das Jubiläum. Schleswig-Holsteinischer Kunstverein 1843-1993, Neumünster 1993, S. 3-157. 6 Kunstgeschichte in Kiel. 100 Jahre Kunsthistorisches Institut der Christian-Albrechts- Universität. Redaktion: Hans-Dieter Nägelke, Kiel 1994. 7 Elisabeth Vorderwülbecke, Heimat – Region – Nation. Kunst im Nationalsozialismus am Beispiel Schleswig-Holstein, Diss. phil. masch. [auch als Mikrofiche-Edition], 3 Bde., Kiel 1994. 8 Karen David-Sirocko / Henrik Karge / Christiane Möller, Arthur Haseloff (1872-1955). Italien im Norden, in: Kunstgeschichte in Kiel, 1994, S. 38-44 (mit weiterer Literatur zu Haseloff). 9 Siehe dazu Uwe Albrecht in Zusammenarbeit mit Annette Henning und Astrid Wehser (Hg.), Arthur Haseloff und Martin Wackernagel. Mit Maultier und Kamera durch Unteritalien, Kiel 2005. 10 LASH, Abt. 460, Nr. 4478, Angabe Haseloffs in dem von ihm am 31.8.1945 ausgefüllten Fragebogen des ›Military Government of Germany‹. 236 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Arthur Haseloff (1872-1955) [Erika Haendler-Krah; Stadtarchiv Kiel]

Ästhetische Werturteile lagen seiner Methode vergleichender Bildanalyse fern. Sein Ziel war es, stilistische Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erfassen und auf dieser Grundlage die Kunstwerke in Gruppen zu ordnen. Wie nicht wenige andere deutsche Kunsthistoriker war er von Émile Mâles »Études sur l’Art allemand« (1916),11 in denen dieser der deutschen Kunst jede Originaliät absprach (»Dans la domaine de l’art, l’Allemagne n'a rien inventé«), als Wissenschaftler und als Deutscher schmerzlich getroffen. Er nannte Mâles Ausführungen eine »Schmähschrift gegen die deutsche Kunst«,12 beteiligte sich gemeinsam mit neun anderen Kunsthistorikern an einer Antwortaktion zu Mâles Artikel13 und versäumte nicht, in Vorträgen zum Thema »Deutsche Kunst der Vergangenheit«14 kritisch auf Mâle einzugehen. Einer der Mitstreiter, Kurt Gerstenberg (1886-1972), der aufgrund seiner 1912 eingereichten Dissertation über »Deutsche Sondergotik«15 zu einer Antwort an

11 Mâles Artikel erschien seit dem 15.7.1916 in Lieferungen in der ›Revue de Paris‹ (deutsche Übersetzung: Émile Mâle, Studien über die deutsche Kunst, in: Monatshefte für Kunstwissenschaft 9, 1916, S. 387-403, 429-447 und 10, 1917, S. 43-64). 12 Arthur Haseloff, Die vorkarolingische Buchmalerei im Lichte der grossen Veröffentlichung des Deutschen Vereins, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 42, 1920, S. 164-220, hier S. 184. 13 Antworten auf Emile Mâles »Studien über die deutsche Kunst«, in: Monatshefte für Kunstwissenschaft 10, 1917, S. 127-173, darunter Haseloffs Beitrag auf S. 168-171; Richard Sedlmaier, Professor Dr. Arthur Haseloff zum 70. Geburtstag, in: Kieler Blätter, 1943, S. 57-64, hier S. 59 erinnert mit kriegsbedingter Schärfe an Haseloffs damaliges Engagement. 14 Vortragsmanuskript in der UB Kiel, Nachlass Arthur Haseloff, AM 19 (ausführliches Mâle-Zitat auf S. 2 des Vortrags). Aus dem Vortrag ergibt sich, dass er nicht lange nach dem 1. Weltkrieg konzipiert wurde. 15 Kurt Gerstenberg, Deutsche Sondergotik. Eine Untersuchung über das Wesen der deutschen Baukunst im späten Mittelalter, 1. Aufl., München 1913, 2. Aufl. Darmstadt 1969; siehe auch ders., in: Antworten auf Émile Mâle, 1917, S. 132-133. 237 ULRICH KUDER

Mâle geeignet schien, sollte später, im Sommersemester 1932 sowie in den WS 1932/33 und 1933/34, Haseloffs Kieler Lehrstuhl vertreten.16 Haseloff wandte sich in Kiel als Forscher der Sammlung der Kunsthalle und der älteren und neueren Kunst Schleswig-Holsteins zu, wie dies seinen Aufgaben als Vorsitzender des Kunstvereins und als Kunsthallendirektor entsprach. In seiner Lehre dominieren deutsche Themen, zum Beispiel »Die großen Meister der deutschen Kunst im 15. und 16. Jahrhundert« (SoSe 1934)17, »Albrecht Dürer und die Kunst seiner Zeit«, »Die deutsche Stadtbaukunst« (beide WS 1936/37)18, aber auch »Geschichte der Kunst in Norddeutschland« (SoSe 1936, SoSe 1937)19 sowie »Kunstgeschichte der nordischen Länder« (WS 1938/39)20. Italien wird mit »Die Kunst in Florenz u. den toskanischen Städten« (WS 1935/36)21 und »Geschichte der italienischen Kunst« (WS 1937/38, SoSe 1938)22 nicht vernachlässigt. Solche Ausflüge in den Süden waren bei Haseloffs Mitarbeitern nicht vorgesehen. Dr. Ernst Schlee ist vom Sommersemester 1937 bis zum Sommersemester 1938 mit den Lehrveranstaltungen »Das deutsche Bauernhaus« (SoSe 1937)23, »Deutsche Volkskunst in ausgewählten Kapiteln« (WS 1937/38)24 und »Die Volkskunst der skandinavischen Länder« (SoSe 1938)25 verzeichnet. Sein zweifellos politisch motivierter Lehrauftrag war, laut Vorlesungsverzeichnis, klar umgrenzt; er hatte »die Volkskunst mit besonderer Berücksichtigung Schleswig-Holsteins und seiner Beziehung zum Norden in Vorlesungen und Übungen zu vertreten«26. Seine Entnazifizierungsakte ist im Landesarchiv Schleswig-Holstein nicht vorhanden. Der Weg von Lilli Martius (1885-1976) führte über die künstlerische Praxis zur Kunstgeschichte. In Kiel und hatte sie Privatunterricht im Malen und Zeichnen. Am 1.1.23 übernahm sie, erst probeweise, die Verwaltung des Kupferstichkabinetts des Kunstvereins.27 Haseloff drängte sie daraufhin, Kunstgeschichte zu studieren. Im Alter von 41 Jahren begann sie, zunächst ohne Lateinkenntnisse, mit dem Studium, das sie drei Jahre später mit der

16 In den Vorlesungsverzeichnissen erscheint Kurt Gerstenberg nur zweimal im Namensverzeichnis der Universitätslehrer, so dass die Themen seiner Lehrveranstaltungen auf diesem Wege nicht nachgewiesen werden können; Christian- Albrechts-Universität Kiel. Personal-Verzeichnis Sommersemester 1933 und Vorlesungs-Verzeichnis Wintersemester 1933/34, S. 51 und ebd., Sommersemester 1934, S. 53. 17 Vorlesungs-Verzeichnis Sommersemester 1934, S. 44. 18 Vorlesungs-Verzeichnis Wintersemester 1936/37, S. 55. 19 Vorlesungs-Verzeichnis Sommersemester 1936, S. 55 und Sommersemester 1937, S. 55. 20 Vorlesungs-Verzeichnis Wintersemester 1938/39, S. 54. 21 Vorlesungs-Verzeichnis Wintersemester 1935/36, S. 49. 22 Vorlesungs-Verzeichnis Wintersemester 1937/38, S. 55. 23 Vorlesungs-Verzeichnis Sommersemester 1937, S. 55. 24 Vorlesungs-Verzeichnis Wintersemester 1937/38, S. 54. 25 Vorlesungs-Verzeichnis Sommersemester 1938, S. 55. 26 Vorlesungs-Verzeichnis Sommersemester 1937, S. 21, Wintersemester 1937/38, S. 21, Sommersemester 1938, S. 21, Wintersemester 1938/39, S. 21. 27 Martius, Erlebtes, S. 85. 238 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Doktorprüfung abschloss.28 Als promovierte Kunsthistorikerin erhielt sie dann im Winter 1932/33 vom Kultusminsterium die Genehmigung, in der Graphischen Sammlung der Kunsthalle für die Studierenden Kurse über die 29 Technik der Künste zu halten. Dass sie sich vor allem der schleswig- holsteinischen Kunst widmete, ergab sich aus den Beständen der Kunsthalle und insbesondere der Graphischen Sammlung.

Lilli Martius (1885-1976), 1960 [Ilse Burscher, Molfsee; Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek]

Die Assistentenstelle hatte damals Änne Liebreich (1899-1939/1940)30, jüdischer Herkunft, inne. Sie war 1926/27 Volontärin am Wallraf-Richartz- Museum in Köln gewesen. Haseloff stellte sie zum Sommersemester 1927 als Volontärsassistentin beziehungsweise zum 1.10.1927 als Assistentin ein. Im Personal-Verzeichnis der CAU des WS 1932/33 ist sie noch verzeichnet, mit einem Stern, um ihre außerplanmäßige Anstellung zu markieren,31 in dem des

28 Ebd., S. 89. 29 Ebd., S. 94. Im Vorlesungsverzeichnis erscheint Lilli Martius jedoch erstmals zum WS 33/34 mit einer Übung (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Personal-Verzeichnis Sommersemester 1933 und Vorlesungs-Verzeichis Wintersemester 1933/34, Kiel 1933, S. 42: »Entwicklung der Maltechnik Dr. L. Martius«). 30 Über Änne Liebreich siehe Barbara Lange, Aenne Liebreich (1899-1939/40). Dr. phil. – Habilitation unerwünscht, in: Kunstgeschichte in Kiel, 1994, S. 45-51; ebd., S. 50 Anm. 1; Ulrike Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler, Teil 2: L-Z, München 1999, S. 424-426: Liebreich, Aenne, hier S. 426 der Hinweis auf Abschriften von Zeugnissen, Gutachten und Briefen, die Änne Liebreich den ›Archives of the Society for the Protection for Science and Learning‹ übergeben hatte und die sich in Oxford, Bodleian Library, Department of Western Manuscripts, SPSL MS-Akte 190/1 befinden; Barbara Lange, Aenne Liebreich. Facetten einer Hochschulkarriere in den zwanziger und dreißiger Jahren, in: Kritische Berichte 22, 4/1994, S. 22-34. 31 Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Personal-Verzeichnis Wintersemester 1932/33 und Vorlesungsverzeichnis Sommersemester 1933, Kiel 1933, S. 18. 239 ULRICH KUDER

Sommersemesters 1933 aber findet sich statt ihrer die Assist(entin) i(n) V(ertretung) Dr. Güdesen, Annemarie.32 Änne Liebreichs Habilitationsvorhaben – ihre Arbeit über Claus Sluter lag zur Jahreswende 1932/33 abgeschlossen vor – dürfte Haseloff schon früh als unrealisierbar angesehen haben.33 Aufgrund des Gesetzes vom 7.4.33 zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, das Jüdinnen und Juden die Tätigkeit an Universitäten untersagte, wurde Änne Liebreich am 30.4. zunächst beurlaubt und dann mit Bescheid vom 13.5. zum 30.6. entlassen.34

Gratulanten zur Feier von Arthur Haseloffs 60. Geburtstag (28.11.1932): Mitarbeiter und Doktoranden des Kunsthistorischen Instituts. Oben v.l.n.r.: Änne Liebreich, Lu Fischer, Lilli Martius, Gertrud Göttsche; unten v.l.n.r.: Max Bührmann, Annemarie Güdesen, Ernst Schlee, Ellen Redlefsen und ein weiterer Doktorand (Karl Storck oder Bruno Thomas?) [Jörg Schlee, Oldenburg]

Sie emigrierte nach Frankreich. Zeitweilig konnte sie an der Sorbonne am Institut d’Art et d’Archéologie als Assistentin unterkommen, wo sie Henri Focillon als Schülerin annahm. Ihre Sluter-Arbeit erschien 1936 in französischer Sprache, gewidmet »en témoignage de gratitude émue« René Schneider, Directeur de l’Institut d’Art et d’Archéologie de la Sorbonne, und Henri Focillon, Professeur à la Sorbonne.35 Doch versäumt es die Autorin nicht, im Vorwort auch Arthur Haseloff ihren Dank dafür auszusprechen, dass er sie 1931 für ein Jahr zur Anfertigung dieser Arbeit beurlaubt hatte.36

32 Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Personal-Verzeichnis Sommersemester 1933 und Vorlesungs-Verzeichnis Wintersemester 1933/34, Kiel 1933, S. 19. 33 Siehe dazu die Andeutungen bei Martius, Erlebtes, S. 100. 34 Vorderwülbecke, Heimat – Region – Nation I, S. 91. 35 Aenne Liebreich, Claus Sluter, Brüssel 1936. 36 Ebd., S. 9: »Je tiens aussi à témoigner ma sincère gratitude à Monsieur Arthur Haseloff, directeur de l’Institut d’histoire de l’art de l’Université de Kiel qui, en 1931, m’a généreusement accordé un congé d’un an pour préparer ce travail, […]«. 240 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Diese Habilitationsschrift ist zweifellos die bedeutendste wissenschaftliche Leistung, die aus unserem Institut in den 1930er und 1940er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hervorgegangen ist. Sie zeichnet sich durch sorgfältiges Quellenstudium zur Kartause von Champmol und zu deren Stifter, Herzog Philipp dem Kühnen von Burgund, aus. Die Autorin erfasst außerdem die künstlerische Eigenart Claus Sluters nach Indizien und grenzt ihn von der gleichzeitigen Kunst des Internationalen Schönen Stils ab. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich nahm sich Änne Liebreich im Winter 1939/40 das Leben; das genaue Datum ihres Todes ist unbekannt. Haseloff, zu Beginn des Sommersemesters 1933 aus Florenz zurückgekehrt, hatte sich gegen die Entlassung seiner Assistentin nicht zur Wehr gesetzt. Am 18.5.1933, also fünf Tage nach der Ausstellung des Entlassungsbescheids, schrieb er Carl Georg Heise, dem Direktor des Museums für Kunst- und Kulturgeschichte in Lübeck,37 der seinerseits noch im selben Jahr aus dem Amt entfernt werden sollte:38

»[…] Zu der Frage der Neubesetzung der Assistentenstelle hier kann ich bis jetzt sehr wenig Positives sagen. Ich weiss noch nicht einmal, wann die Stelle überhaupt frei wird, will nur hoffen, dass ich sie retten kann, nachdem einmal die von mir seit längerer Zeit bereits gewünschte Neubesetzung jetzt durchgeführt werden muss.”39

Demnach wollte Haseloff bereits seit längerer Zeit seiner Assistentin kündigen und die Stelle anders besetzen. Über seine Motive wissen wir jedoch nichts. Vom Sommer 1932 bis zum Frühjahr 1934 war er immer wieder monatelang nicht in Kiel. Im Sommer 1932 hielt er in New York auf Einladung der Universität eine Vorlesung über mittelalterliche Buchmalerei. Vor allem aber machte sein Amt als kommissarischer Direktor des Kunsthistorischen Instituts in Florenz 1932-35 seine häufige Anwesenheit in der Arnostadt erforderlich.40 Dort setzte er 1933 die Besichtigung der Monumente deutscher

37 Über Heise (1890-1979), der sich für expressionistische Kunst eingesetzt hatte, siehe Jörg Traeger, Carl Georg Heise, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 43, 1980, S. 113- 115; Peter Betthausen, Heise, Carl Georg, in: Metzler Kunsthistoriker Lexikon, Stuttgart / Weimar 1999, S. 166-169. 38 Auf der Grundlage des »Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« erhielt Heise am 27.9.1933 die Kündigung zum 31.12.1933, die mit seinem lebhaften »Eintreten für umstrittene neuere deutsche Kunst – Nolde, Barlach u.a.« begründet wurde; Vorderwülbecke, Heimat – Region – Nation 1, S. 116. 39 Archiv der Kunsthalle zu Kiel, Korrespondenz H: maschinenschriftlicher, mit ›H‹ gezeichneter Durchschlag eines Briefes von Haseloff an Heise. 40 Hans W. Hubert, Das Kunsthistorische Institut in Florenz von der Gründung bis zum hundertjährigen Jubiläum (1897-1997), Florenz 1997, S. 55: »Die Wahl des Kieler Professors wurde laut einem Bericht des Konsuls Stiller [vom 14.9.1932; U.K.] in der deutschen Kolonie und bei den italienischen Gelehrten besonders begrüßt. Obwohl Haseloff […] sogar einen Lehrauftrag an der Universität von Florenz erhielt, verlegte er seinen ständigen Wohnsitz nicht an den Arno.« Lilli Martius, Haseloff, Arthur Erich Georg, in: NDB 8, 1969, S. 23-24, hier S. 23: »Seit 1926 beteiligte er sich regelmäßig an den von ihm mitangeregten Exkursionskursen für deutsche Studierende am

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Kultur auf italienischem Boden aufs Programm des jährlich stattfindenden Sommerkurses – gemeint waren die staufischen Burgen Süditaliens, die er schon ein Vierteljahrhundert zuvor erforscht hatte. Außerdem besuchte er mit dem Kurs die große faschistische Ausstellung in Rom.41 Nachdem er angefangen hatte, an der Universität Florenz zu lesen, wäre er gerne dort geblieben und wollte sich dafür beurlauben lassen, wobei er einflocht, dass er eine Dürer-Vorlesung zu halten gedenke.42 Sein Gesuch wurde vom Reichsminister für Wissenschaft, Bildung und Volkserziehung abgelehnt. Haseloff las zwar in Florenz über Dürer, musste aber zum Sommersemester 1934 wieder auf seinen Kieler Lehrstuhl zurückkehren. Zum Ablehnungsbescheid hatte wohl auch eine Eingabe seines Vertreters Kurt Gerstenberg an den Rektor vom 23.11.1933 beigetragen, der die ständige Abwesenheit Haseloffs und die sich daraus für die Studierenden ergebenden Nachteile beklagt hatte.43 In Florenz gab es schon vor 1933 eine NSDAP-Ortsgruppe. Als Ende 1933 mit Moritz Hellwig ein neuer, konservativ eingestellter Konsul nach Florenz kam, der den Beitritt zur NSDAP hartnäckig ablehnte, wollte die NSDAP- Ortsgruppe mit einer Unterschriftenaktion seine Absetzung erreichen. Auch Haseloff unterschrieb.44 Manches an seinem Verhalten ist unklar, doch verdienen einige Fakten festgehalten zu werden. Er war nicht Parteimitglied,45 ebensowenig wie seine Mitarbeiterinnen Lilli Martius46 und Ellen Redlefsen.47 In dem von ihm am 31.8.1945 ausgefüllten Fragebogen des »Military Government of Germany« beantwortete er sämtliche Fragen nach seiner Zugehörigkeit zu NS-nahen

Kunsthistorischen Institut in Florenz, dessen kommissarischer Direktor er in den WS 1932-34 war.« S. auch dies., Erlebtes, 1970, S. 101: »Mit dem Semesterende [des WS 32/33; U.K.] fuhr Professor Haseloff zu einem Ferienkurs nach Florenz […]« und ebd., S. 103: » […] und ich war glücklich, als zum Semesteranfang [des Sommersemesters 33; U.K.] Professor Haseloff zurück kam«. 41 Hubert, Das Kunsthistorische Institut in Florenz, S. 56. Über die Ausstellung zum 10. Jahrestag des Marschs auf Rom ›Anno X – La Mostra della Rivoluzione Fascista, MRF‹ in Rom, Palazzo delle Esposizioni, Oktober 1932 – Oktober 1934 siehe Jeffrey T. Schnapp, Mostre, in: Hans-Jörg Czech / Nikola Doll (Hg.), Propaganda im Streit der Nationen 1930-1945. Deutsches Historisches Museum Berlin 26.1.-29.4.2007, Dresden 2007, S. 78-87. 42 Schreiben Haseloffs an den Rektor vom 19.12.33; LASH, Abt. 47, Nr. 1842, Bl. 15. 43 LASH, Abt. 47, Nr. 1842. 44 Hubert, Das Kunsthistorische Institut in Florenz, S. 56. 45 Von Arthur Haseloff am 31.8.45 ausgefüllter Fragebogen des »Military Government of Germany« im LASH, Abt. 460, Nr. 4478 (vom 31.8.1945; versehen mit der Bemerkung: »no objection to appointment or retention«). 46 LASH, Abt. 460, Nr. 4270 (Entnazifizierungsakte). Der Fragebogen wurde von Lilli Martius am 11.2.1947 unterschrieben. Bestätigung des Entnazifizierungsgremiums: »M[artius] was only member of the NSV [Nationalsozialistische Volkswohlfahrt; U.K.] since 1942 and of the Reichskulturkammer since 1938, no office and no rank. There are no objections to her. 12.3.47«. 47 LASH, Abt. 460.19, Nr. 714 (Entnazifizierungsakte). Ellen Redlefsen (1909-80) war 1937-43 wissenschaftliche Assistentin am Kieler Kunsthistorischen Institut, 1962-74 Direktorin des Städtischen Museums Flensburg; Rudolf Zöllner, Dr. Ellen Redlefsen zum Gedächtnis, in: Nordelbingen 50, 1981, S. 9-13. 242 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Organisationen mit »nein«.48 Als Rektor 1927/28 und als Prorektor 1928/29 hatte er Ärger mit der am 1.2.1927 gegründeten Kieler Ortsgruppe des National-Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB), deren »Ankündigung über den Hittler-Vortrag« [sic!] er »wegen unehrerbietiger Äußerung gegen den Freistaat Preußen« am 8.12.1927 »vom Brett des National-Sozialistischen Studentenbundes« entfernen ließ.49 In seiner Eigenschaft als Kunstwart der Universität konnte Haseloff im Mai 1935 mit geschickter Argumentation den Ankauf und die Aufstellung einer Hitlerbüste in der Aula der Universität verhindern.50

b) Haseloff als Direktor der Kunsthalle und Vorsitzender des Schleswig- Holsteinischen Kunstvereins

In Schleswig-Holstein, seiner zweiten Heimat, formierte sich schon in den 1920er Jahren mancher Widerstand gegen Haseloff, besonders in der Künstlerschaft. Sein Dilemma war, dass er sich, indem er in Ausstellungen große Kunst präsentierte, den Forderungen der in der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft (SHKG) organisierten Künstler aussetzte, die ihre Arbeiten in der Kunsthalle zu zeigen beabsichtigten. Die Künstler wollten die Kunstpflege nicht einem Historiker überlassen, »besonders, wenn er Nichtschleswigholsteiner ist«51 – Haseloff war gebürtiger Berliner. Mit seinem Ausstellungsprogramm unzufrieden, das Künstler wie Nolde, Barlach, Rohlfs und Feddersen favorisierte, gründeten der Schleswiger Regierungs- und Schulrat Dr. Peter Ingwersen und der Heikendorfer Maler Heinrich Blunck 1929 den Bund »Kunst für Schule und Volk«52, um mit staatlicher Unterstützung die Wanderausstellungen der SHKG fortsetzen zu können. Haseloff näherte sich jedoch im Lauf der Jahre in Wortwahl und Museumspraxis diesen Vertretern einer schleswig-holsteinischen Heimatkunst an. Die Kunsthalle zu Kiel betrachtete er als die »Galerie einer Grenzprovinz«, weshalb er vor allem Kunstwerke ankaufte, von denen er annahm, dass sie in der Lage wären, diese Galerie »dem Norden gegenüber« zu einem »Ausdruck deutschen künstlerischen Wesens« zu machen.53 Die weitaus meisten seiner

48 SIEHE o. Anm. 45. 49 LASH, Abt. 47, Nr. 1092, Blatt 13; s. auch ebd., Blatt 63 vom 2.8.1929 (gezeichnet: i.V. H[aseloff]). 50 LASH, Abt. 47, Nr. 1811. 51 (Anonym), Über die bildene Kunst in Schleswig-Holstein, in: Der Schleswigholsteiner, 8. Jg. (1927), H. 1, S. 1; zitiert bei Schlick, Der Schleswig-Holsteinische Kunstverein, S. 89 und bei Bärbel Manitz, Geschichte und Bedeutung der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft, in: Sabine Behrens / Bärbel Manitz, Schleswig-Holstein Bildumschlungen. Georg Burmester und die Schleswig-Holsteinische Kunstgenossenschaft, Kiel 2005, S. 85-160, hier S. 135. 52 Ebd.; Bärbel Manitz, Heinrich Blunck. Der Weg eines Künstlers, Husum 2007, S. 69- 72. Dr. Peter Ingwersen war NSDAP-Mitglied seit 1.5.1933; LASH, Abt. 460.12, Nr. 258. 53 Dass die Sammlung der Kunsthalle dennoch auch damals schon von mehr als nur regionaler Bedeutung war, ist im wesentlichen Stiftungen und Vermächtnissen zu

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Ankäufe stammten von schleswig-holsteinischen Künstlern. Das Bild jedoch, das Haseloff an erster Stelle nennt, um zu belegen, dass mit seiner »Erwerbung ein vielversprechender Anfang zur Ausdehnung der Galerie auf die hervorragenden deutschen Künstler der Gegenwart gemacht« werde, ist nicht allein der Darstellung, vielmehr vor allem des Dargestellten wegen, das Porträt »des Fürsten Bismarck von Franz von Lenbach« (1895, erworben 1924).54 Die »Heimatverbundenheit« der schleswig-holsteinischen Künstler aber diente ihm als Argument, wenn es darum ging, ihre Kunst einem dankbaren Publikum zu vermitteln. Obwohl er den hohen künstlerischen Rang Hans Peter Feddersens richtig erkannt hatte, stellte er ihn als Heimatkünstler dar. Im Vorwort zum Katalog der Hans Peter Feddersen-Jubiläums-Ausstellung (November-Dezember 1928) kommentierte er den Umstand, dass der Maler 1885 in den Kleiseerkoog zurückgekehrt und seitdem dort sesshaft geblieben war, mit den Worten:

»Wenn Hans Peter Feddersen auch seit seiner frühesten malerischen Tätigkeit immer wieder Heimatmotive zum Gegenstand seiner Darstellung genommen hat, so setzt doch erst nach dem Jahre 1885 die entscheidende Wandlung ein, die ihn im eigentlichen Sinne zum Heimatkünstler macht.«55

verdanken. Arthur Haseloff, Die Neuerwerbungen der Kunstsammlungen des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins, in: Schleswig-Holsteinisches Jahrbuch 19, 1930/31, S. 71-82, hier S. 71: »Ein leitender Gedanke ist bei den Ankäufen der früheren Zeit nicht zu bemerken, und vor allem müssen wir heute bedauern, daß man damals auch nicht im leisesten an den Aufbau einer Sammlung gedacht hat, die ein Bild des künstlerischen Schaffens der engeren Heimat in Vergangenheit und Gegenwart festhalten wollte. Eine Wandlung trat erst ein, als gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts die Heimatbewegung in Deutschland erstarkte, und als man sich zu besinnen begann, daß auch das künstlerische Schaffen die Eigenart der Länder und Volksstämme zum Ausdruck brächte. Etwa mit dem Jahre 1895 begann mit bewußter Zielsetzung der Ankauf von Werken einheimischer Künstler. […] Die Kieler Gemäldegalerie ist die Galerie einer Grenzprovinz. Errichtet an einer Stelle, wo der deutsche und der nordische Kunstkreis sich berühren und überschneiden, wird und muß eine Galerie in Kiel dem Norden gegenüber der Ausdruck deutschen künstlerischen Wesens sein. Im engeren Sinne ist sie die Galerie Schleswig-Holsteins und soll das heimische Kunstschaffen dem allgemein deutschen, wie dem nordischen gegenüber in seiner Eigenart und seinem Reichtum auf das nachdrücklichste vor Augen stellen.« Ähnlich ders., in: Schleswig-Holsteinischer Kunstverein (Hg.), Führer durch die Gemälde-Sammlung. Kunsthalle. Kiel 1938, S. 3. 1930 war noch von drei Aufgaben der Kieler Kunsthalle die Rede: Ders., Die Kieler Kunsthalle, in: Museum der Gegenwart 1, H. 2, Berlin 1930, S. 62-70, hier S. 65: »Zunächst darf nicht übersehen werden, daß die Kieler Kunsthalle eines der am weitesten nach Norden vorgeschobenen deutschen Museen ist, wo, wie in jedem Grenzmuseum, die deutsche Kunst besonders gut vertreten sein sollte. Zum zweiten handelt es sich um die Förderung der im engeren Sinne einheimischen Kunst, und endlich um die Aufrechterhaltung und Ausgestaltung der Beziehungen zur Kunst der benachbarten nordischen Länder.« Dieses letztere Ziel ist in Haseloffs oben aufgeführten Darlegungen von 1930/31 und 1938 in Wegfall geraten. 54 Haseloff, Neuerwerbungen, 1930/31, S. 72-73. 55 Arthur Haseloff, Vorwort, in: Schleswig-Holsteinischer Kunstverein. Hans Peter Feddersen. Kleiseer-Koog. Jubiläums-Ausstellung November-Dezember 1928, Kunsthalle Kiel 1928, S. 3-12, hier S. 8-9. 244 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Ähnlich betonte Haseloff zehn Jahre später in seiner Rede zur Eröffnung der Feddersen-Ausstellung in der »die Eigenart d[es] Verbundenseins m[it] d[er] Heimatscholle u[nd] d[as] Herauswachsen z[um] berufenen Künstler d[er] Heimat«.56 Aus der Sicht Haseloffs sollte die Kieler Kunsthalle ein Grenzmuseum sein, so wie er die Universität als eine Grenzlanduniversität betrachtete. Im Rückblick auf sein Rektoratsjahr sagte er am 5.3.1928 bei der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Jellinek zu Beginn seiner Rede:

»Ich darf an dieser Stelle vielleicht gleich das Ereignis herausheben, das in unserer aller Erinnerung einen besonderen Platz einnimmt […]: ich meine den Besuch unseres hochverehrten und allgeliebten Herrn Reichspräsidenten, des Generalfeldmarschalls von Hindenburg. Noch klingen die Posaunentöne, die seinen Eintritt in die Aula begleiteten, noch klingen die jubelnden Hochrufe der Studentenschaft und der ganzen Bevölkerung in uns nach und mit Stolz werden wir von Generation zu Generation die Erinnerung vererben, daß wir solchen Mann in unserer Mitte, in dieser Aula empfangen durften. Der Besuch des Herrn Reichspräsidenten beweist, welch hohe Bedeutung die Reichsregierung dem deutschen akademischen Geistesleben und unserer Grenzland- Universität im besonderen beilegt«.57

56 Handschriftliches Redemanuskript in der UB Kiel, Nachlass Arthur Haseloff, AM 19. SIEHE auch den dort aufbewahrten Zeitungsbericht über Haseloffs Eröffnungsvortrag im »Hamburger Fremdenblatt« vom Dienstag, 17.1.1939, Abendausgabe, Nr. 17, S. 3, Sp. 4-5, gezeichnet ›es‹ [Dr. Ernst Sander]: »Haseloffs Ausführungen über Leben und Werk Feddersens […] wußten den allgemeinen Begriff der Heimatverbundenheit zu vertiefen und in bezug auf Feddersen auf eine ganz besondere Weise abzuwandeln.« 57 LASH, Abt. 47, Nr. 1284, darin: Verwaltungsbericht des Rektors für das Rektoratsjahr 1927/28 [gedruckt], S. 58; siehe auch ebd.: Bericht des Rektors und Senats über ihre Verwaltungstätigkeit im Rektoratsjahre 1927/28 [masch.], S. 8. Die Festrede beim Besuch Paul von Hindenburgs hielt der Inhaber des Lehrstuhls für Landesgeschichte, Otto Scheel, der dann später für kurze Zeit, vom 5.3. bis zum 27.4.1933, seinerseits Rektor werden sollte. 245 ULRICH KUDER

Abfahrt des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg vor dem Universitätsgebäude am 30.5.1927, links Rektor Haseloff (mit Barett und Amtskette) und die beiden Prorektoren [Arthur Renard (Foto Renard), Kiel; Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek]

Langwierige Auseinandersetzungen hatte Haseloff dann ab 1933 als Vorsitzender des Kunstvereins und als Direktor der Kunsthalle auszustehen. Ein Rundschreiben des Deutschen Museumsbundes, in dem dieser um eine Stellungnahme zu der durch die »Machtergreifung« entstandenen neuen Situation gebeten hatte, wurde von Lilli Martius am 4.4.1933 wie folgt beantwortet:

»Schwierigkeiten erwarten wir zunächst nicht, da wir annehmen, dass unser seit Jahren verfolgtes Programm absolut in der Richtung, die gewünscht wird, liegt.«58

Mit dieser Einschätzung täuschte sie sich. Denn der Schleswig-Holsteinische Kunstverein, dessen Vorstand das Programm bestimmte, wurde gleichgeschaltet.59 In Abwesenheit Haseloffs, der in Florenz war, beschloss eine Mitgliederversammlung am 8.11.1933 eine neue Satzung, mit der der Kunstverein »in den Dienst der Kultur- und Kunstbestrebungen des nationalsozialistischen Staates« gestellt und nach dem Führerprinzip organisiert

58 Archiv der Kunsthalle zu Kiel, Akte Korrespondenz H, 1930-1940, Brief von Lilli Martius an Carl Georg Heise vom 2.5.1933, in dem sie ihr eigenes Schreiben an den Deutschen Museumsbund vom 4.4.1933 zitiert; Vorderwülbecke, Heimat – Region – Nation I, S. 90 Anm. 1. 59 Zur Gleichschaltung des Kunstvereins siehe Schlick, Der Schleswig-Holsteinische Kunstverein, 1993, S. 99-102. 246 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT wurde.60 Außerdem wurde der Kunstverein zur Mitgliedschaft in der Fachgruppe »Kunstvereine« der »Reichskammer der bildenden Künste« gezwungen und von deren Landesstellenleiter, der seinen Sitz in Kiel hatte, kontrolliert.61 Alle Ausstellungen mussten über ihn der Reichskammer im voraus angezeigt und genehmigt werden.62 Eine Schlüsselfigur der Umwälzungen in Kunstverein und Kunsthalle war der außerordentliche Professor der Philosophie Ferdinand Weinhandl (1896- 1973), der am 10.5.33 in der Aula der Universität zum Auftakt der Bücherverbrennung eine Rede zum Thema »Undeutscher Geist – Deutscher Geist« gehalten und anschließend auf dem Wilhelmsplatz, »an der Richtstätte des undeutschen Geistes«, vor (oder nach) dem Anzünden des Holzstoßes gesprochen hatte.63 Lilli Martius zufolge hat Haseloff Weinhandl »sehr bald in den Vorstand des Kunstvereins genommen, was sich in den nächsten Jahren durch seine Vermittlertätigkeit bewährte«.64 Haseloff brauchte diesen Vermittler, weil seine eigene Position höchst gefährdet war. Dass nicht nur seine Absetzung als 1. Vorsitzender des Kunstvereins und seine Ersetzung durch den Schleswiger Regierungspräsidenten Dr. Peter Ingwersen, sondern sogar seine Versetzung an eine andere Universität im Gespräch war, geht aus der folgenden Passage eines Briefs von Ingwersen an den Maler und Radierer Ingwer Paulsen vom 11.7.33 hervor:65

60 Kerstin Dronske, Kultur und Politik in Kiel 1933-1937 (Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 69, H. 7/8), Kiel 1984, S. 142-176, hier S. 154. 61 Ebd., S. 156. 62 Ebd. 63 Carsten Mish / Christoph Cornelißen, Kiel. 10. Mai 1933 auf dem Wilhelmsplatz, in: Julius H. Schoeps / Werner Treß (Hg.), Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933, Hildesheim / Zürich / New York 2008, S. 527-543, S. 527; Dronske, Kultur und Politik, 1984, S. 148. Eine Kurzfassung der Rede Weinhandls anläßlich der Bücherverbrennung erschien in »Student der Nordmark«; siehe den Abdruck bei Zimmermann, Vom Schlaf der Vernunft, 1995, S. 199; ebd., S. 198 ein Porträtphoto Weinhandls. 64 Martius, Erlebtes, S. 101: »Wie es gekommen ist, dass die wenigen Parteizugehörigen an der Kieler Universität sogleich eine so starke Umwälzung hervorrufen konnten, ist schwer einzusehen. Ich habe leider aus Zeitmangel versäumt, in den Semestern vor 1933 die philosophischen Vorlesungen von Professor Weinhandl zu hören, der einen großen, immer zunehmenden Hörerkreis hatte – er las in der Kunsthalle – und der sich dann trotz seiner weichen und leicht anpassenden Natur als einer der wenigen radikalen Nationalsozialisten entpuppte, der sich zum Beispiel aktiv an der Bücherverbrennung beteiligte. Professor Haseloff, der verschiedentlich in pädagogischen Fragen seinen Rat in Anspruch genommen hatte, hat ihn sehr bald in den Vorstand des Kunstvereins genommen, was sich in den nächsten Jahren durch seine Vermittlertätigkeit bewährte.« 65 Ingwer Paulsen (1883-1943) lebte seit 1919 in Halebüll bei Husum. Er hatte am 1.1.1933 anstelle von Heinrich Blunck die Leitung der Ausstellungen des Bundes »Kunst für Schule und Volk« übernommen; Nachlass Ingwer Paulsen, Halebüll- Schobüll, Mappe Bund »Kunst für Schule und Volk« 1930-31. Zu Paulsen siehe Berend Harke Feddersen, Schleswig-Holsteinisches Künstler-Lexikon, Bredstedt 1984, S. 134- 135. Adolf Möller, Ingwer Paulsen. Der Radierer Nordfrieslands, Husum 1984 und Claudia Bertling Biaggini, Ingwer Paulsen. Akt – Figur – Bewegung, Husum 2008 gehen auf Paulsens kunstpolitische Aktivitäten in den 20er und 30er Jahren nicht ein. 247 ULRICH KUDER

»Lieber Herr Paulsen! […] Die Situation ist folgende: Ich wurde am Sonnabend (oder Freitag?) aufgefordert, Blunck [den Maler und Lithographen Heinrich Blunck in Heikendorf bei Kiel; U.K.]66 anzurufen, abends. Als ich das tat, war Bl[unck] noch nicht da, aber Frau Bl[unck]67 fragte mich, ob ich den Kunstverein übernehmen wolle, Haseloff wackele (vertraulich.) Ich sagte: ›Ja, Pflicht sei Pflicht.‹ Am Sonnabend rief Bl[unck] an, er habe mit dem Rektor der Universität [Karl Lothar Wolf; U.K.]68 u[nd] Dr. Nordmann69 verhandelt, irgend eine Lösung bezüglich Has[eloff] stehe bevor (vielleicht Versetzung.)70 Ich müsse den Kunstverein übernehmen, ein Künstler könne das ja nicht, es würde genügen, wenn ich alle 14 Tage rüber führe, im übrigen wäre er ja in Kiel (!) Er würde am Abend spät noch mit Dr. N[ordmann] zu mir kommen. Er kam aber nicht, dagegen ein Telegramm, daß er dringend verhindert seie. Wir müssen doch wohl alle drei die Sache besprechen, damit Klarheit herrscht. Ich bin also, wie ich auch Ihnen sagen kann, bereit u[nd] würde mich auf die Zusammenarbeit freuen. Dann könnten wir endlich etwas nach unserm Kopf machen. Wie wäre aber die Schwierigkeit zu beheben, daß wir beide nicht in Kiel wohnen? […] Besten Gruß Ihr Peter Ingwersen«71

Dass Haseloff trotz dieser Intrigen dem Kunstverein als Vorsitzender erhalten blieb – und dies, obwohl Kurt Gerstenberg wenig später mit der erwähnten, gegen ihn gerichteten Beschwerde vom 23.11.33 seine Stellung an der Universität nicht eben stärkte – hat er gewiss nicht zuletzt der Loyalität Weinhandls, seines Stellvertreters im Vorsitz des Kunstvereins zu verdanken, des Philosophieprofessors, der die Bücherverbrennung ideologisch verbrämte und der im Kunstverein die Gleichstellungsmaßnahmen durchführte. Weinhandl trat alsbald persönlich an die kulturpolitisch engagierten Nationalsozialisten Dr. Peter Ingwersen, Dr. Arthur Nordmann, Willi

66 Heinrich Blunck (1891-1963) war 1929-52 Vorsitzender der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft. Zu Blunck siehe Feddersen, Künstler-Lexikon, 1984, S. 25; Manitz, Blunck, S. 74-114 geht auf Bluncks Verhalten in der Nazizeit, auf seinen Einsatz für die Unabhängigkeit der Schleswig-Holsteinischen Kunstgenossenschaft (SHKG) und auf seine persönlichen Konflikte ein. 67 Käte Blunck, geb. Thede (1901-91). 68 Zum Rektorat Wolf siehe den Beitrag von Carsten Mish in diesem Band. 69 Magistratsrat Arthur Nordmann (1895-1945), seit 1929 Mitglied der NSDAP, wurde 1930 in Erlangen zum Dr.jur. promoviert. Vom 22.3. bis 31.12.1933 war er kommissarischer Bürgermeister von Preetz. Am 1.7.33 wurde er zum Leiter der Fachgruppe Musik des Kampfbundes für deutsche Kultur, Ortsgruppe Kiel ernannt, wodurch er auch Vorsitzender des Vereins der Musikfreunde wurde. Weitere Ämter und Funktionen: Musikbeauftragter der Stadt Kiel, Beisitzer im Schleswig-Holsteinischen Kunstverein, Theaterdezernent in der Kieler Stadtverwaltung. Zu Nordmann siehe Wolfgang Schmöe (Hg.), Selke Harten-Strehk / Oliver Kopf / Karl-Heinz Reinfandt, Verein der Musikfreunde. Ein Kieler Konzertleben, Kiel 2001, S. 184. 70 Streng vertraulich! (von P. Ingwersen hier nachträglich eingefügt). 71 Nachlass Ingwer Paulsen, Halebüll-Schobüll, Mappe Bund »Kunst für Schule und Volk« 1930-31; Hinweis auf diesen Brief bei Vorderwülbecke, Heimat – Region – Nation 1, 1994, S. 91 Anm. 9. 248 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Ziegenbein und Friedrich Knolle heran, um sie zum Eintritt in den Vorstand des Kunstvereins zu bewegen und mit ihnen gemeinsam am 8.11.1933 die neue Satzung zu verabschieden.72 In der ersten Februarhälfte 1933 wurde in der Kunsthalle eine Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes mit Aquarellen und Zeichnungen von Schmidt- Rottluff, Kandinsky, Jawlensky, Klee, Barlach, Käthe Kollwitz, Erich Heckel und anderen gezeigt,73 im April 1933 waren in einer Ausstellung der »Brücke«- Maler sämtliche Lithographien zum Zigeunerleben von Otto Mueller zu sehen,74 ferner Ende 1934 aus Anlass des 85. Geburtstags von Christian Rohlfs 24 Aquarelle des Künstlers.75 Trotz der vollzogenen Gleichschaltung war in den ersten Jahren des NS-Regimes noch nicht klar, welcher Art Kunst im Sinne des Regimes zu befürworten und welche als Verfallskunst zu brandmarken war. Engste Mitarbeiter Hitlers wie Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg bekämpften sich in dieser Frage.76 Aufgrund einer bis in die Zeit vor dem Erster Weltkrieg zurückreichenden Zuschreibung wurde der Expressionismus von vielen als volksnah, mittelalterlich, »gotisch« und als »Ausdruck deutschen Geistes« betrachtet, wodurch sich erklärt,

»daß sich 1933 eine ganze Reihe von Künstlern und Kunstschriftstellern in der Hoffnung wiegten, der Expressionismus könne jetzt zu späten Ehren kommen oder doch wenigstens von Verfolgungen verschont bleiben. «77

Bald aber sah man sich auch in Kiel veranlasst, das »nicht geeignet Scheinende« schon im Vorfeld auszuschließen.78 Der Druck der Kieler

72 Dronske, Kultur und Politik, S. 154. 73 Ebd., S. 150-151; siehe auch die Zusammenstellung bei Johann Schlick, Ausstellungen 1843 bis 1984, in: Kunsthalle zu Kiel. Christian-Albrechts-Universität. Sammlungen und Baugeschichte 1854 bis 1986, 1986, S. 113-135, hier S. 125. 74 Dronske, Kultur und Politik, S. 151. 75 Schlick, Ausstellungen, S. 126. S. auch Dronske, Kultur und Politik, S. 141-176, bes. S. 150-151: Ausstellungen in der Kieler Kunsthalle. 76 Zu dem oft erwähnten Kultur- bzw. Machtkampf zwischen Goebbels und Rosenberg siehe Hildegard Brenner, Die Kunst im politischen Machtkampf der Jahre 1933/34, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 10, 1962, S. 17-42; Dies., Kunstpolitik des Nationalsozialismus, 1963, S. 45-74; Dronske, Kultur und Politik, S. 152-153; Stefan Germer, Kunst der Nation. Zu einem Versuch, die Avantgarde zu nationalisieren, in: Bazon Brock / Achim Preiß (Mitverf.), Kunst auf Befehl? Dreiunddreißig bis Fünfundvierzig, München 1990, S. 21-40, bes. S. 22-24; Andreas Zeising, Revision der Kunstbetrachtung, in: Ruth Heftrig / Olaf Peters / Barbara Schellewald (Hg.), Kunstgeschichte im »Dritten Reich«. Theorien, Methoden, Praktiken, Berlin 2008, S. 171-186, hier S. 180; Susen Krüger Saß, »Nordische Kunst«. Die Bedeutung des Begriffes während des Nationalsozialismus, in: Ebd., S. 224-244, hier S. 239. 77 Magdalena Bushart, Der Expressionismus, ein deutscher Nationalstil?, in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken 45, 1991, S. 455-462, hier S. 460. 78 So wurde bereits bei der Ausstellung der »Brücke«-Maler im April 1933 verfahren; Martius, Erlebtes, S. 102: »Mit Vorsicht haben wir aber diese an sich wertvolle Ausstellung doch durchführen können, bei der zum Beispiel Otto Müllers Folge großer Steindrucke mit Darstellungen des Zigeunerlebens vollständig gezeigt worden ist. Ich hatte vorher Schmidt-Rottluff in Berlin aufgesucht, sein volles Verständnis für die

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Ortsgruppe des »Kampfbundes für deutsche Kultur« beziehungsweise der aus diesem hervorgegangenen »NS-Kulturgemeinde« unter der Leitung des Buchhändlers und (seit 1.3.1934) Gaukulturwarts der NSDAP Friedrich Knolle – desselben, der sich schon bei der Bücherverbrennung79 hervorgetan hatte – wurde spürbar. Mit der Gleichschaltung des Kunstvereins war die Gefahr seiner Auflösung keineswegs ein für allemal gebannt. In jahrelang sich hinziehenden Bemühungen, die sich in einer enormen Produktion von Eingaben und Denkschriften niederschlugen, gelang es Haseloff sicherzustellen, dass im Falle der Auflösung des Kunstvereins dessen Kunstbesitz nicht der Reichskammer der Bildenden Künste, sondern der Universität Kiel zufallen müsse. Lilli Martius bewertet diesen Erfolg Haseloffs so hoch, dass sie ihn bei einer Würdigung seiner Lebensleistung im »Schleswig-Holsteinischen Biographischen Lexikon«80 nicht unerwähnt lassen wollte; gedruckt wurde dieser Passus jedoch nicht:

»Haseloff hat sich viele Jahre bemüht, die Sammlung an die Universität zu binden, um bei etwaiger Auflösung des Kunstvereins einen Anschluss an die Reichskammer zu vermeiden. So ergab sich die Grundlage für das heute noch bestehende Universitäts-Museum, […]«81

Diese Bindung der Sammlung an die Universität hat auch in Kiel die Beschlagnahmung so genannter »entarteter Kunst« nicht verhindert.82 Am 14.7.1937 erschienen der Ur- und Frühgeschichtler und Zeichenlehrer Walter Hansen (1903-88)83 und, zu einer Nachlese, am 16.8.1937 der Präsident der

heikle Lage gefunden und Vollmacht erhalten, das uns nicht geeignet Scheinende auszuscheiden. Das hat der Ausstellung sehr gut getan.« 79 Mish / Cornelißen, Kiel. 1. Mai 1933, S. 533. Zu Knolle siehe auch Scheck, Grundzüge nationalsozialistischer Kulturpolitik, S. 7, 8 Abb. 2, 9, 12-19, 20 Abb. 6, 21. Knolle verließ Kiel im September 1937 und »wechselte zum Sicherheitsdienst (SD) der SS. Von 1940 bis 1944 fungierte er unter anderem als Stellvertreter des Befehlshabers der Sipo und des SD in den besetzten niederländischen Gebieten. Akten des Berlin Document Center (BCD), Personalakte Friedrich Knolle«; Scheck, ebd., S. 24Anm. 51. Das Amt des Gaukulturwarts übernahm am 6.9.1937 Willi Ziegenbein; ebd. S. 16. 80 Lilli Martius, Haseloff, Arthur Erich Georg, in: Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon 4, 1976, S. 84-86. 81 Lilli Martius, Entwurf des Artikels »Haseloff, Arthur« für das Schleswig-Holsteinische Biographische Lexikon in ihrem Nachlass (UB Kiel). Die Entwürfe der Eingaben Haseloffs sind in seinem Nachlass (UB Kiel, AM 18-21), seine Korrespondenz in dieser Sache im LASH, Abt. 47, Nr. 1855. 82 Lilli Martius, 125 Jahre Schleswig-Holsteinischer Kunstverein 1843-1968, Neumünster 1968, S. 56-57; Mechtild Weyhe, Nationalsozialistische Kunstpolitik am Beispiel der Kieler Kunsthalle. Examensarbeit zur Ersten Prüfung für das Lehramt an Realschulen in Schleswig-Holstein, Kiel 1974 (masch.); Ulrike Wolff-Thomsen, Die Beschlagnahmung »entarteter« Kunst in schleswig-holsteinischen Museen, in: Nordelbingen 77 (2008), S. 191-205. Diese Darstellungen erlauben mir, mich hier kurz zu fassen. 83 Zu Walter Hansen siehe Wolff-Thomsen, Beschlagnahmung «entarteter» Kunst, 2008, S. 200-201 Anm. 6. Martius, Erlebtes, 1970, S. 104 zu Hansens Beschlagnahmungsaktion vom 14.7.37: »Es war dann sehr schnell klar, daß dieser Herr Hansen zusammen mit einem bekannten schleswig-holsteinischen Künstler schon lange Zeit Material für eine

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Reichskammer der Bildenden Künste Adolf Ziegler (1892-1959) in der Kunsthalle. Die verlangten Werke wurden ihnen ausgehändigt. Unschlüssig, wie er auf die Aktion reagieren sollte, holte sich Haseloff in Berlin Rat bei Klaus Graf Baudissin (1891-1961), der von 1924 bis Februar 1925 sein Assistent am Kunsthistorischen Institut gewesen war. Inzwischen war Graf Baudissin zum Chef des Amtes für Kunstinstitute im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung unter Reichsminister Bernhard Rust arriviert. Er hatte diese Stelle von Juli 1937 bis März 1938 inne, wurde dann beurlaubt, im Oktober 1938 entlassen; schließlich wurde »1939 ein Disziplinarverfahren gegen ihn angestrengt, weil er in Kunstfragen gegen die Parteirichtlinien verstoßen habe«84. Die Unterredung zwischen Haseloff und Graf Baudissin ist nicht genau datiert. Da in Haseloffs während des Gesprächs gemachten Notizen85 bestimmte Termine im September, unter anderem der 10.9.37, als in der Zukunft liegend betrachtet werden, muss es zuvor, möglicherweise noch vor dem 16.8, Adolf Zieglers Besuch in der Kunsthalle, stattgefunden haben. Graf Baudissin empfahl Haseloff »Mut, zu dem zu stehen, was m(an) getan u(nd) gelassen hat« und warnte ihn »vor den 150%igen«. Doch konnte er ihm nicht wieder zu den beschlagnahmten Bildern verhelfen, da die Aktion ›Entartete Kunst‹ Sache Zieglers, des Präsidenten der Reichskammer der Bildenden Künste, war, die ihrerseits dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels unterstand. Haseloff protestierte schriftlich am 27.8.37 beim Oberpräsidium zu Händen von Herrn Vizepräsidenten Dr. Schow86 und am 15.10.37 beim Landeshauptmann der

Gegenaktion gegen alles Moderne gesammelt hatte, […].« Zu Unrecht vermutet Wolff- Thomsen, aaO, S. 191, der schleswig-holsteinische Künstler, dessen Namen Lilli Martius hier verschweigt, sei Ingwer Paulsen gewesen. Denn Haseloff nennt in einem Schreiben an den Herrn Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung [also Bernhard Rust] zu Händen von Klaus Graf Baudissin vom 25.4.37 »die Herren Hansen und Willers« als die beiden an der ersten Kieler Beschlagnahmungsaktion Beteiligten, die Adolf Ziegler, der Präsident der Reichskammer der Bildenden Künste, hinfort »nicht mehr zu den Kommissionsarbeiten« heranziehen will (Durchschlag des Schreibens in der Kunsthalle zu Kiel, Archiv des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins, Mappe ›Enteignung‹; zitiert auch bei Weyhe, Nationalsozialistische Kunstpolitik, 1974, S. 78). Hinter ›Herrn Willers‹ verbirgt sich der Kieler Maler Bruno Willer (1912-45) und nicht etwa, wie Weyhe, ebd., S. 78 Anm. 23 meint, Wolfgang Willrich (1897-1948), der Verfechter nationalsozialistischer Kunstpolitik und Mitorganisator der Münchener Ausstellung ›Entartete Kunst‹ 1937. Zu Bruno Willer siehe Lilli Martius, Unseren toten Künstlern zum Gedächtnis, in: Kunst in Schleswig-Holstein 2 (1952), S. 67-91, bes. S. 89-91, Feddersen, Schleswig-Holsteinisches Künstler-Lexikon, 1984, S. 187 und Gabriele Bremer, Schleswig-Holsteinisches Künstlerlexikon des 20. Jahrhunderts 2, Egelsbach 1996, S. 807. 84 Wolff-Thomsen, Beschlagnahmung «entarteter» Kunst, S. 201 Anm. 10; zu Klaus Graf Baudissin siehe ebd., S. 191 mit Anm. 10 (dort verschiedene Nachweise). 85 Kunsthalle zu Kiel, Archiv des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins, Mappe ›Enteignung‹. Auf der Kladde mit den Gesprächsnotizen steht, von der Hand von Lilli Martius: «Notizen Haseloffs von einem Gespräch mit Graf Baudissin, Nov 1937(?)». Diese bereits von Lilli Martius mit einem Fragezeichen versehene Datumsangabe muss korrigiert werden. 86 Dr. Wilhelm Carl Ernst Schow (*1896) war Vizepräsident bzw. Stellvertreter des Gauleiters und Oberpräsidenten der Provinz Schleswig-Holstein Hinrich Lohse, ehe er am 1.9.1938 den in Pension gegangenen Landeshauptmann der Provinz Schleswig-

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Provinz Schleswig-Holstein87 gegen die Enteignung, unter anderem mit den Argumenten, dass die beschlagnahmten Bilder »aus Mitteln der Provinzialverwaltung angeschafft worden« waren und, dass Professor Ziegler selbst die von Walter Hansen getroffene Auswahl als eine »vom Hass und von Voreingenommenheit« bestimmte bezeichnet habe. Diese und andere Eingaben Haseloffs blieben jedoch erfolglos. Obwohl 1937 emeritiert, hielt Haseloff noch bis zum WS 1938/39 in gewohnter Weise seine Lehrveranstaltungen ab, die er sogar nach dem Krieg, einsetzend mit dem WS 1945/46, in reduziertem Umfang fortsetzte.88

2. Die Ära Sedlmaier 1939-45

Haseloffs Nachfolger Richard Sedlmaier (1890-1963)89 war zuvor, 1927-39, Ordinarius in Rostock gewesen. Am Ersten Weltkrieg hatte er teilgenommen. Er war am 20.5.1915 als Freiwilliger beim II. Königlich Bayerischen Feldartillerie-Regiment Würzburg eingetreten, doch schon am 25.06.1915 wegen Erkrankung als dienstuntauglich entlassen und zum Landsturm zurückgesetzt worden.90 Im Zweiten Weltkrieg vom Militärdienst zurückgestellt, wurde er 1943-45 am Küstenschutz beteiligt (Marine-Festungs- Pionier Bataillon 311).91 Er war nicht Mitglied der NSDAP, doch seit 1934 (beziehungsweise 1935-44) der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) seit der Eingliederung der Hochschullehrer in diese Gliederung und des Reichsluftschutzbundes (RLB) seit 1934. Sedlmaier hat gemäß einer ministeriellen Verfügung vom 28.4.1938 gegenüber dem Kuratorium der Universität Rostock am 27.5.1938 über seine Zugehörigkeit zu den Gliederungen der NSDAP schriftlich Auskunft gegeben;92 verschiedene dort gemachte Angaben weichen von denen seiner

Holstein Otto Röer ablöste. Hermann A. L. Degener, Wer ist’s?, 10. Aufl., Berlin 1935, S. 1438; Scheck, Grundzüge nationalsozialistischer Kulturpolitik, S. 17 u. passim. Ein Durchschlag des Schreibens von Haseloff an Schow liegt in der Kunsthalle zu Kiel, Archiv des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins, Mappe ›Enteignung‹. 87 Landeshauptmann war seit 1932 Otto Röer (* 1881), der im August 1938 pensioniert wurde. Degener, Wer ists’s?, S. 1315; Scheck, Grundzüge nationalsozialistischer Kulturpolitik, S. 17 u. passim. Ein Durchschlag von Haseloffs Schreiben an ihn liegt in der Kunsthalle zu Kiel, Archiv des Schleswig-Holsteinischen Kunstvereins, Mappe ›Enteignung‹. 88 1937 ist als Jahr der Emeritierung Haseloffs angegeben bei Friedrich Volbehr / Richard Weyl, Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665-1954, 6. Aufl., Kiel 1956, S. 161 und bei Martius, Haseloff, Arthur, in: NDB 8, S. 23. Zu Haseloffs Lehrtätigkeit nach seiner Entpflichtung siehe David-Sirocko / Karge / Möller, Arthur Haseloff, S. 39. 89 Zu Sedlmaier siehe Maren Hasenpath, Richard Sedlmaier (1890-1963). Kriegsjahre und Wiederaufbauphase, in: Kunstgeschichte in Kiel, 1994, S. 56-62. 90 LASH, Abt. 47, Nr. 6958. 91 LASH, Abt. 460.19, Nr. 864 (Entnazifizierungsakte). 92 LASH, Abt. 47, Nr. 6958, Bl. 51. 252 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Entnazifizierungsakte vom 24.9.1946 ab.93 Zum Beispiel gab er in der Entnazifizierungsakte an, nicht im Reichsluftschutzbund gewesen zu sein, laut seiner Auskunft von 1938 gehörte er jedoch dem RLB seit 1934 an. Seine Frau (seit 1920) beziehungsweise auch er waren Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes. Im November 1932 und im März 1933 stimmte er für die Deutsche Volkspartei.94

Richard Sedlmaier (1890-1963), um 1950 [Kunsthistorisches Institut, Universität Kiel]

Schon in seinem ersten Kieler Semester, zugleich dem ersten Semester des Zweiten Weltkriegs, lenkte er mit dem Thema: »Der Anteil der Ostmark am Kunstschaffen der Deutschen« (WS 1939/40)95 den Blick der Kunstgeschichte nach dem Osten, in den gleichzeitig die Wehrmacht vordrang. 1941/42 las er zwei Semester lang über »Die Kunst des italienischen Barock«, im WS 1941/42 ergänzt durch »Übungen über die Probleme des Manierismus«.96 Dann allerdings beschränkte er sich bis zum Kriegsende auf Lehrveranstaltungen zur deutschen Kunst und Architektur.97

93 LASH, Abt. 460.19, Nr. 864. 94 Ebd. 95 Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Personal- und Vorlesungsverzeichnis Wintersemester 1939/40, Kiel 1936, S. 56. 96 Personal- und Vorlesungsverzeichnis Sommersemester 1941, S. 55; Personal- und Vorlesungsverzeichnis Wintersemester 1941/42, S. 53. 97 Personal- und Vorlesungsverzeichnis Sommersemester 1942, S. 47; Personal- und Vorlesungsverzeichnis Wintersemester 1942/43, S. 40: Die deutsche Kunst des Barock und Rokoko; Sommersemester 1943, S. 43: Die deutsche Baukunst der Gotik, Übungen zur Geschichte des deutschen Barock; Wintersemester 1943/44, S. 43: Geschichte der deutschen Backsteingotik; Sommersemester 1944, S. 36-37: Die großen Bildhauer des deutschen Mittelalters, Geschichte der norddeutschen Backsteinbaukunst; Wintersemester 1944/45, S. 37: Die großen Bildhauer der deutschen Spätgotik, Übungen über die Bildwerke von Bamberg bis Naumburg. 253 ULRICH KUDER

Überregionale Bedeutung erlangte Sedlmaier im Zuge des Kriegseinsatzes der Deutschen Geisteswissenschaften, der sogenannten »Aktion Ritterbusch«,98 die der Rektor der Universität, Paul Ritterbusch, vom Frühjahr 1940 an organisierte. Dieser betrachtete den Krieg als »eine höchste Steigerung des geschichtlichen Lebenskampfes, in der alle Kräfte, aufs höchste konzentriert, eingesetzt werden«99 und »die geistige Auseinandersetzung mit der geistigen und Wertwelt des Gegners« als die »erste und vordringlichste Aufgabe« der Geisteswissenschaften.100 Anfang 1941 zog er dafür seinen Kieler Kollegen Sedlmaier heran, der dann gemeinsam mit Wilhelm Pinder die Kunstgeschichtliche Arbeitsgemeinschaft dieses »Gemeinschaftswerks« leitete. Alle Zuschriften sollten an Sedlmaier, Kiel, Düsternbrook 1, in die Kunsthalle geschickt werden.101 Der Gesamtplan sah für die Kunstgeschichte zwei große Reihen vor: I: Ausstrahlungen der deutschen Kunst, II: Sonderleistungen deutscher Kunst. Hier wurde nicht nur ein grandioser Gegenentwurf zu Mâles Thesen konzipiert, es ging auch darum, das Kriegsziel einer Expansion des Deutschen Reichs in die östlich angrenzenden Länder hinein mit dem Argument zu legitimieren, die Kunst dieser Länder, zumal die qualitätvolle, sei deutsch. Die Realisierung allerdings blieb bei weitem hinter den Plänen zurück. Alle erschienenen Bände der Buchreihe tragen als Signet eine Opferschale mit drei Flammen und der Umschrift DEUTSCHE GEISTESWISSENSCHAFT. Die Liste der als Autoren vorgesehenen Namen liest sich wie ein »Who is who« der deutschen und österreichischen Kunsthistoriker. Dass jedoch Haseloffs Name bei diesem Kieler Projekt fehlt, ist auffallend.

98 Frank-Rutger Hausmann, »Deutsche Geisteswissenschaft« im Zweiten Weltkrieg. Die »Aktion Ritterbusch« (1940-1945), 3. Aufl., Heidelberg 2007; Hans H. Aurenhammer, Neues Quellenmaterial zum Kunstgeschichte-Programm im »Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften« (1941), in: Jutta Held / Martin Papenbrock (Hg.), Schwerpunkt: Kunstgeschichte an den Universitäten im Nationalsozialismus (Kunst und Politik 5/2003), Göttingen 2003, S. 231-242. 99 Paul Ritterbusch, Wissenschaft im Kampf um Reich und Lebensraum, in: Ders., Raumforschung und Raumordnung. Monatsschrift der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung 1942, H. 6, S. 3-8, hier S. 6. 100 Ebd., S. 7. 101 Aurenhammer, Neues Quellenmaterial, S. 239. 254 DAS KUNSTHISTORISCHE INSTITUT DER CHRISTIAN-ALBRECHTS-UNIVERSITÄT

Das Signet der Buchreihe DEUTSCHE GEISTESWISSENSCHAFT. Gemeinschaftsarbeit deutscher Hochschullehrer im Kriegseinsatz [aus: Bruno Thomas, Deutsche Plattnerkunst (Sonderleistungen der deutschen Kunst. Gemeinschaftsarbeit deutscher Kunsthistoriker, hrsg. von Wilhelm Pinder und Ernst Sedlmaier), München 1944, Titelseite, Ausschnitt]

3. Schlusswort

Eine Bilanz kann nach diesen eher schlaglichtartigen Einblicken in die Institutsgeschichte allenfalls skizziert werden. Durch eine jahrelange bewusste und unbewusste Anpassung an die Kultur- und Wissenschaftspolitik des »Dritten Reiches« unterscheidet sich das Kieler Kunsthistorische Institut nicht von anderen deutschen Instituten zur Zeit der NS-Herrschaft. Wie jüdische Kunsthistorikerinnen und Kunsthistoriker überall in Deutschland ihre Stellungen verloren, zur Emigration gezwungen und in den Tod getrieben wurden, so erging es in Kiel Änne Liebreich. Nicht Widerstand gegen die Zumutungen des Regimes war im Kieler Institut die Maxime, allenfalls ein Handeln im Bewusstsein, das geringere Übel zu wählen. Haseloff, der seine eigene Position als Erster Vorsitzender des Kunstvereins gefährdet sah und der als Universitätsprofessor mit seiner Strafversetzung rechnen musste, zog es vor, den Bücherverbrenner Ferdinand Weinhandl als Zweiten Vorsitzenden in den Vorstand zu holen. Die Position seines Nachfolgers Richard Sedlmaier allerdings war nie ernsthaft gefährdet, weder vor noch nach 1945.

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