Freitag, 19. Oktober 2018 POPKULTUR Nummer 242 13

POP-NEWS Pink geht auf Sofa statt See: Der Super-Serienherbst Deutschland-Tour Auf dem Weg in die kalte Jahreszeit dürfen sich Vielglotzer nicht nur auf spannende deutsche Produktionen freuen US-Sängerin Pink Eben lagen wir noch barfuß am auf RTL lief. „Deutschland86“ geht nach sechs See, bald lümmeln wir in Wollso- (19. Oktober) setzt die Geschichte Jahren erstmals cken auf dem Sofa. Langweilig des Doppelagenten Martin Rauch wieder auf Kon- wird es aber nicht. Denn der (Jonas Nay) drei Jahre später fort – zertreise durch Herbst verspricht einige Serien- nicht an der deutsch-deutschen Deutschland. „Ich Highlights. Grenze, sondern in Afrika. kann es nicht er- Die gerade bei Netflix angelau- Das ZDF wartet in Kooperation warten, all eure fene erste Staffel des Highschool- mit Netflix mit einer Serien-Versi- hübschen Gesichter zu sehen“, Dramas „Élite“ dreht sich um die on vom „Parfum“ auf, frei nach schrieb die Musikerin am Diens- ungleichen Schüler einer Privat- dem Bestseller von Patrick Süs- tag auf Twitter. Die 39-Jährige schule in Madrid, an der intrigan- kind. Die Handlung wurde vom macht auf ihrer Stadion-Tour im te Machenschaften durch einen Paris des 18. Jahrhunderts in ein Sommer (5. bis 27. Juli) Station in Mord, der die Teenager in Aufruhr moderne niederrheinische Klein- Köln, Hamburg, Stuttgart, Han- versetzt, verhindert werden. Der stadt verlegt, in der Wotan Wilke nover, Berlin, Frankfurt am Main Zusammenprall von Arm und Möhring ab 14. November bei und am 26. und 27. Juli gleich dop- Reich erinnert an „Gossip Girl“. ZDFneo einen Mörder jagt. pelt in München. Die Pop-Rock- sängerin war zuletzt 2013 auf Tour in Deutschland. Die mehrfache Neue Serien Europäische Grammy-Gewinnerin wurde mit made in Germany Vielfalt Hits wie „Get The Party Started“, „Just Like A Pill“ und „Family Heranwachsende und ihre Pro- Auch aus anderen europäi- Portrait“ bekannt. − dpa/F.: dpa bleme sind bei Netflix beliebt. Die schen Ländern kommen span- Coming-of-Age-Serie „Baby“ (30. nende Serien. Der Verschwö- Spotify: Musik hören November) handelt von einer rungsthriller „1983“ (30. Novem- in Zukunft erst ab 16 Gruppe unangepasster Teenager ber), die erste polnische Netflix- in Rom und ihrer rastlosen Identi- Original-Serie, spielt in einer Zündstoff birgt die tätssuche. Und auch die junge Welt, in der der Eiserne Vorhang Änderung der Halbhexe Sabrina Spellman, ge- niemals gefallen ist. In der Netflix- Nutzungsbedin- spielt von der aus „Mad Men“ be- Produktion „Luna Nera“ steht ei- gungen von Spoti- kannten Kiernan Shipka, hat in ne Hebamme im Fokus, die im Ita- fy, dem größten „Chilling Adventures Of Sabri- lien des 17. Jahrhunderts der He- Musik-Streaming- na“ mit typischen Pubertätsprob- xerei beschuldigt wird. Und in der dienst der Welt. Vor allem Teen- lemen zu kämpfen. Darüber hin- französischen Science-Fiction- agern dürften die Neuerungen aus muss sich die 16-Jährige (26. Serie „Osmosis“ findet im Paris nicht schmecken, denn Spotify Oktober) mit Dämonen, Hexen der nahen Zukunft eine Dating- hebt das Mindestalter von 14 auf und anderen finsteren Kreaturen App Partner für Singles, indem sie 16 Jahre an. Derzeit werden Kun- herumschlagen. deren Hirndaten analysiert. den per Mail auf die Änderungen Gruselig sind auch die zehn Aus Großbritannien kommt ei- aufmerksam gemacht, wer bis Episoden von „Spuk in Hill ne sechsteilige Mini-Serie über die zum 10. November nicht explizit House“ (seit 12. Oktober). Die Bullen mit Hund: Mit „Dogs Of Berlin“ startet am 7. Dezember die zweite deutsche Netflix-Serie. − F.:Netflix Anfänge des modernen Fußballs. widerspricht, hat die Regeln im- erste Netflix-Horror-Serie ist eine „The English Game“ dürfte ein plizit akezeptiert. Spotify hebt das Neuinterpretation von Shirley coms schuf, schrieb für Netflix die „Dark“ die zweite deutsche Origi- ber) erschüttert eine Reihe bizar- ebenso rührender wie witziger Se- Mindestalter „aufgrund geänder- Jacksons gleichnamigem Gothic- neue Comedy-Serie „The Komin- nal-Serie auf Netflix. Fahri Yar- rer Mordfälle die Berliner Club- rienspaß werden, denn dahinter ter Datenschutzgesetze“ an, wie Horror-Roman aus dem Jahr sky Method“ (16. November). Os- dim und Kurt Grimmer spielen szene. Jannis Niewöhner und Ka- steckt Julian Fellowes, der Schöp- auf einer Übersichtsseite zu den 1959. Regisseur Mike Flanagan in- car-Preisträger Michael Douglas zwei Polizisten, die sich in zehn roline Herfurth sind zwischen fer der britischen Historien-Soap neuen Bedingungen zu lesen ist. szeniert das Familiendrama als spielt einen abgehalfterten Star, Folgen durch den Sumpf der Ber- Sex, Drogen und Techno dem Or- „Downtown Abbey“. Weiterhin gilt, dass Nutzer unter düsteres Märchen. der sich als Schauspielcoach liner Unterwelt kämpfen. ganhandel auf der Spur. Jede Menge Stoff also für lange 18 Jahren das Einverständnis ihrer Natürlich darf auch gelacht durchschlägt. Die deutsche Hauptstadt ist Zudem zeigt der Amazon- Serienabende. Dass der Super- Eltern benötigen. In deren Händel werden: Chuck Lorre, der mit Doch es muss nicht immer aus auch Handlungsort der neuen Streaming-Dienst den Nachfolger sommer vorbei ist, ist doch gar liegt es dann, das Alter der Kinder „Two And A Half Men“ und „The Amerika sein: Am 7. Dezember deutschen Original-Serie von zum Überraschungserfolg nicht so schlimm, oder? anzugeben . . . − tsch/F.: tsch Big Bang Theory“ zwei Kult-Sit- startet mit „Dogs Of Berlin“ nach Amazon. In „Beat“ (9. Novem- „Deutschland83“, der letztes Jahr Renzo Wellinger Hans Söllner hat „genug“ Metal mit mächtigen Muckis Sein neues Album handelt von Rassisten, Flüchtlingen und Schwermut Auf „Evolution“ gelingt Disturbed die perfekte Mischung Ist es vielleicht jetzt so weit? fi“ amourös vergnügt. Da blitzt er und seine Jungs komponiert, da wird nicht viel sonders die mitreißende Live-Ver- Muss er jetzt aufstehen, noch durch, der Schalk, der Söllner von Disturbed sind eine Band, die dem Zufall überlassen. Das kann sion von „“ deutlicher Haltung zeigen, seine auch mit 62 Jahren noch im Na- vor allem in ihrer US-amerikani- man natürlich als glattpoliert be- zu erwähnen. Vor allem deswe- Meinung noch lauter in die Welt cken sitzt. Aber man merkt deut- schen Heimat ein absoluter Mega- mäkeln – man kann sich aber auch gen, weil hier mit Myles Kennedy hinausrufen? Ist es jetzt „genug“? lich, dass er ruhiger geworden ist, Act sind. Abgesehen vom Debüt einfach darüber freuen. Denn es (Alter Bridge, Slash) ein grandio- Wenn man Han Söllners neues Al- etwa bei der melancholischen Be- „Sickness“ (2000), das auf Platz macht viel Spaß, wenn in Songs ser Duett-Partner mit an Bord ist. Und dann kommt es quasi im bum anhört, immerhin das 25. in trachtung der Einsamkeit eines al- 29 der Billboard-Charts schon wie „In Another Time“ oder dem Breitwandformat aus den Boxen, der langen Karriere des einst als ten Mannes, der am „21. Dezem- recht weit oben landete, konnten Melodien-Traum „Stronger On sie bislang jedes weitere Album das verletzliche und zugleich stol- „Drecksau von Reichenhall“ ver- ber“ erstmals einen Christbaum Your Own“, die einzelnen Song- auf dem Siegertreppchen ganz ze Pathos, das eine Band wie Dis- schrienen Liedermachers, könnte im Wald schlägt. Oder das Liebes- Fragmente wie mit einem Pfund lied an die kleine „Lotta“, der er oben positionieren. Mit der hoch turbed bei aller Stärke immer mit- man ganz schnell zu genau diesem Butter geschmiert ineinander flut- ein wundervolles Leben wünscht. emotionalen – wenngleich rockig begleitet. Schluss kommen. Nicht musika- schen. Das ist professionelles Dass sein Herz für die Unterprivi- brav interpretierten – Coverversi- Typisch USA? Ganz schnell lisch, nein, da bewegt Söllner sich Songwriting in Tradition der ho- legierten der Gesellschaft schlägt, on von Simon & Garfunkels „The wird das ja zu klebrigem Kitsch, in gewohnt simplen Strukturen, hen Alternative-Metal-Schule. wie man aus zahllosen Holly- zeigt er im schwermütigen „Stras- Sound Of Silence“ von der bislang „Evolution“ hat den großen singt seine Texte zur lakonisch ge- wood-Schinken weiß. Im Falle senmädchen“ – „I schaug di o und jüngsten Scheibe „Immortalized“ Vorteil, dass sämtliche Songs zupften Blues-Folk-Gitarre, die von „Evolution“ gibt es indes gar seh’ Schönheit in dir . . . i dreh mei (2015) schnupperte das Alternati- punkten, perfekt reinlaufen und mit zunehmendem Alter ihres ve-Metal-Quartett auch hierzu- nichts zu entschuldigen. Denn die Gsicht weg und i rear“, singt er da, auch nach mehrfachem Anhören Spielers mehr und mehr an Bob lande Charts-Höhenluft. Heute richtige Dosierung macht es und im nächsten Augenblick er- nicht langweilig werden. Und den Dylan erinnert. erscheint das siebte Album „Evo- schließlich. Und die stimmt auf klingt das traurige Lied einer gleichzeitig großen Nachteil, dass „Evolution“ perfekt. Wohl aber textlich. Da ist Söll- lution“ – und die zehn Songs plus Mundharmonika. es recht schnell rum ist. Wie gut, Wolfgang Weitzdörfer ner sauer. Stinksauer, um genau vier Bonustracks könnten dafür Söllner ist aber beileibe nicht dass es noch vier Songs als Zuga- sorgen, dass sich Disturbed dort zu sein. Und bringt das unmissver- nur einer, der mit Worten zu be obendrauf gibt. Dabei ist be- Reprise, CD ca. 18 Euro ständlich auf den Punkt, wenn er kämpfen vermag. Er lässt den oben auch in Deutschland künftig gleich im ersten Satz des ersten Worten auch Taten folgen – was öfter einrichten können. Lieds „Rassist“ in Richtung all je- auch auf „Genug“ zu hören ist. Die knapp 45 Minuten der regu- ner braungefärbten Alt- und Denn als Bonus-Song kommt der lären CD beginnen mit „Are You Ready“ wie mit Hummeln im Hin- Neunazis schnoddert: „Du erste Song „Rassist“ zum Schluss tern. Ein treibender Electro-Beat, Scheißrassist, schau dass di noch mit einer besonderen Live- darüber das kalt-tönende Stakka- schleichst, des i mei Heimat und Version zu weiteren Ehren. Ge- to-Gitarrenriff und schließlich „Genug“ heißt Hans Söllners 25. meinsam mit der „Banda Interna- ned dei Reich.“ Das ist stark, das der Gesang von Draiman, der im- hat Nachdruck und das ist heut- Album. − Foto: Stefan Wiebel tionale“ aus Dresden, der Stadt Erich Kästners, in der Pegida nach mer ein bisschen zwischen Prolet zutage so nötig wie kaum je zuvor. und Heldentenor schwankt, aber Schließlich hetzen und wüten die mit Flüchtlingen, Intoleranz, wie vor ihr Unwesen treibt, singt er diesen Satz, mit dem das Album vor allem stets grandiose Melodi- Pegidisten und Wutbürger land- Hass, Hetze und neuen Nazis. Da- beginnt, auf dem Afrika-Karibik- en transportiert, die meist in ei- auf, landab in selten gehörter bei geht Söllner, wie schon gese- nem mehrheitsfähigen Ohrwurm- Festival in Wassertrüdingen. Weil Maß- und Respektlosigkeit gegen- hen, nicht subtil zu Werke. Den- Refrain münden. die Bläser und das Schlagzeug aus über allem und jedem, was nicht noch sind die Geschichten, die er dem wütenden Lied einen schun- „No More“ hat ein bisschen was in ihr Weltbild passt. Viel zu lange in „Flucht“, „Macht euch schön“ kelfreundlichen Gassenhauer ma- von Marylin Manson, ohne des- wurde geschwiegen, wurde hinge- oder dem Titellied erzählt, nach- chen, fühlt sich die Wut gegen alle sen kalkulierten Wahnsinn zu imi- denkliche, poetische und unter nommen, wurde stillschweigend rassistischen Umtriebe mit einem tieren. Und auch hier regieren die die Haut gehende Texte, die zei- weggesehen, wenn die neue Rech- Mal gleich noch viel besser an. dicken Metal-Muckis. Die dürfen te marschiert. gen, wie wortgewaltig Söllner Der Text dazu: „Die Nationalität is dann auf der Balladen-Ebene mit Doch jetzt ist „genug“. Man über die Jahrzehnte geworden ist. wurscht – a Drecksau wead oiwei dem tollen „A Reason To Fight“ könnte Söllners neues Album fast Auf der anderen Seite sind da bloß a Drecksau sei!“ zwar kurz pausieren, wobei der schon als Konzeptalbum bezeich- dann die schelmischen Schäkerei- Wolfgang Weitzdörfer Song an sich aber ebenfalls stark nen, denn etwa die Hälfte der ins- en eines Don Juan, der sich mit wie zehn Wrestling-Profis ist. Mit Pathos, ohne Kitsch: Der Charterfolg scheint für das siebte Album gesamt 13 Lieder beschäftigt sich der Polizistengattin von „McMör- Trikont, CD ca. 15 Euro Die Songs sind präzise durch- von Disturbed vorprogrammiert. − Foto: Travis Shinn