Zulassungsantrag der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH für das Fernsehspartenprogramm n-tv

Aktenzeichen: KEK 755

Beschluss

In der Rundfunkangelegenheit

der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Hans Demmel, Picassoplatz 1, 50679 Köln, – Antragstellerin –

w e g e n

Zulassung zur bundesweiten Veranstaltung des Fernsehspartenprogramms n-tv hat die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) auf Vorlage der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) vom 13.08.2013 in der Sitzung am 08.10.2013 unter Mitwirkung ihrer Mitglieder Prof. Dr. Müller-Terpitz (stv. Vorsitzender), Dr. Bauer, Prof. Dr. Dörr, Fuchs, Prof. Dr. Gounalakis, Dr. Hege, Langheinrich, Dr. Lübbert, Sagurna, Prof. Dr. Schwarz, Prof. Thaenert und Wagner entschieden:

Der von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH mit Schreiben vom 16.07.2013 bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) beantragten Zulassung zur Veran- staltung des bundesweit verbreiteten Fernsehspartenprogramms n-tv stehen Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt im Fernsehen nicht entgegen. 2

Begründung

I Sachverhalt

1 Zulassungsantrag

1.1 Die n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH hat mit Schreiben vom 16.07.2013 bei der mabb die Verlängerung der mit Bescheid vom 15.11.2006 erteilten und bis zum 29.11.2013 befristeten Zulassung für das Fernsehspartenprogramm n-tv um den längst möglichen Zeitraum, beginnend ab dem 30.11.2013, beantragt. Der längst- mögliche Zulassungszeitraum beträgt gemäß § 28 Abs. 4 Satz 1 des Staatsvertrags über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rund- funks sieben Jahre. Die mabb hat der KEK den Antrag mit Schreiben vom 13.08.2013 zur medienkonzentrationsrechtlichen Prüfung vorgelegt.

1.2 Werbefenster für die Schweiz und Österreich

Die bestehende Zulassung umfasst die Berechtigung zur Verbreitung des Pro- gramms n-tv mit der Einfügung von Fernsehwerbung für Zuschauer in der Schweiz und Österreich.

2 Programmstruktur und Verbreitung

2.1 Die Antragstellerin veranstaltet das Programm n-tv seit dem 30.11.1992 als bun- desweites Informationsspartenprogramm. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der Berichterstattung über Politik und Wirtschaftsthemen.

2.2 Die Verbreitung des Programms n-tv erfolgt frei empfangbar (Ausnahme: Zattoo, s.u.) über Satellit (Astra), die Kabelnetze der Kabel Deutschland Vertrieb und Ser- vice GmbH („KDG“), der Unitymedia NRW GmbH und der Unitymedia Hessen GmbH & Co. KG (zusammen „Unitymedia“), der Kabel Baden-Württemberg GmbH („Kabel BW“), der PrimaCom Berlin GmbH („PrimaCom“), der Tele Columbus GmbH („Tele Columbus“) sowie im Rahmen des „KabelKiosk“-Angebots der Eutelsat visA- vision GmbH („Eutelsat“). Zudem wird n-tv über die IPTV-Plattformen der Deutschen Telekom AG („Telekom“) und der Vodafone D2 GmbH („Vodafone“) verbreitet. Im Internet kann das Programm n-tv als Livestream auf der Internetseite www.n- tv.de/live sowie über die Internet-TV-Plattform der Zattoo Europa AG („Zattoo“) ab- 3

gerufen werden. Das Programm ist darüber hinaus im Raum Berlin/Brandenburg terrestrisch (DVB-T) zu empfangen.

2.3 Plattformverträge

2.3.1 Bereits im Rahmen des Prüfverfahrens i. S. RTL, Beschluss vom 13.11.2012, Az.: KEK 711, wurden Plattformverträge vorgelegt, die auch die Verbreitung des Pro- gramms n-tv mitumfassen. Die Prüfung der Plattformverträge ergab dabei keine An- haltspunkte für eine Zurechnung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RStV (vgl. Punkt III 2.3 des vorgenannten Beschlusses).

Hinsichtlich der ausgelaufenen Verträge mit Unitymedia, Kabel BW und der Tele- kom hat die Antragstellerin nunmehr aktuelle Fassungen vorgelegt. Zudem hat die Antragstellerin einen neu abgeschlossenen Vertrag hinsichtlich der Verbreitung von n-tv und weiterer RTL-Programme über die Internet-TV-Plattform Zattoo vorgelegt.

2.3.2 XXX…

3 Antragstellerin und Beteiligte

3.1 Gesellschaftszweck der Antragstellerin ist nach deren Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 20.11.2006 u.a. „der Erwerb von Erlaubnissen und Nutzungsgeneh- migungen für die Tätigkeit als Programmveranstalter für Kabelfernseh-Systeme, Sa- tellitenfernsehen, terrestrisches Fernsehen und sonstiges nicht drahtgebundenes Fernsehen XXX… und die Tätigkeit als Programmveranstalter in diesem Sinne, d. h. insbesondere die Zusammenstellung und Ausstrahlung von Informations- Fernsehprogrammen für allgemeine Nachrichten und Wirtschaftsnachrichten ein- schließlich der Durchführung des sendetechnischen Ablaufes. Die Erstellung und Ausstrahlung von nicht informationsbezogenen Sendungen und Sendeteilen (länge- re Sportübertragungen, Unterhaltungssendungen, Spielfilme, Serien usw.) ist aus- geschlossen XXX.... Unternehmensgegenstand ist auch die Beschaffung und Ver- wertung von Fernsehprogrammrechten und -material, der Verkauf von Werbezeit und die Produktion von Nachrichtensendungen und -sendeteilen im Dienstleis- tungsverhältnis für andere Fernsehsender XXX… 4

3.2 Die Antragstellerin ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der RTL Television GmbH. XXX…

Die RTL Television GmbH veranstaltet die Programme RTL Television, RTL Crime, RTL Living und RTL NITRO und hält über ihre Tochtergesellschaft VOX Holding GmbH 99,7 % der Geschäftsanteile der Veranstalterin des Programms VOX, der VOX Television GmbH. Des Weiteren hält die RTL Television GmbH 50,4 % der Passion GmbH, die das Programm Passion veranstaltet. Die übrigen 49,6 % der Anteile der Passion GmbH werden mittelbar durch die RTL Group S.A. über die CLT-UFA S.A. und deren 100%ige Tochtergesellschaften gehalten.

3.3 Die RTL Television GmbH ist mittelbar über die UFA Film und Fernseh GmbH, die RTL Group Deutschland GmbH und die RTL Group S.A. eine 100%ige Tochter der CLT-UFA S.A. An dieser hält die RTL Group S.A. 99,72 % der Anteile. Die RTL Group S.A. wird ihrerseits von der SE & Co. KGaA („Bertels- mann“) kontrolliert, die über die Bertelsmann Capital Holding GmbH 76,4 % der An- teile hält. An Bertelsmann halten die Bertelsmann Stiftung 77,6 %, die Familie Mohn 19,1 % und die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH 3,3 % der Kapitalanteile.

Neben den bereits genannten Veranstalterbeteiligungen hält Bertelsmann über die RTL Group S.A. und deren Tochtergesellschaften Beteiligungen in Höhe von 50 % an der RTL DISNEY Fernsehen GmbH & Co. KG, die das Programm SUPER RTL veranstaltet, sowie 35,9 % an der RTL 2 GmbH & Co. KG, der Veranstalterin des Programms RTL II. Bertelsmann ist zudem über die Beteiligung an der Gruner + Jahr AG & Co. KG („Gruner + Jahr“; 73,4 % unmittelbar sowie eine weitere mittelba- re Beteiligung über die Komplementärin Druck- und Verlagshaus Gruner + Jahr AG) mittelbar mehrheitlich (59,9 %) an der Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG („Mo- tor Presse“) beteiligt. Diese hält ihrerseits 10 % der Anteile der Motor Presse TV GmbH, welche das Programm Channel veranstaltet.

4.3.2 Auf frühere Ausführungen zu den genannten Programmveranstaltern wird Bezug genommen (vgl. Beschlüsse der KEK vom 22.02.2012/17.04.2012 i. S. RTL Crime, RTL Living und RTL Highlights, Az.: KEK 683-1 bis -3; vom 08.06.2010 i. S. VOX, Az.: KEK 616; Beschluss der KEK vom 08.12.2009 i. S. Super RTL, Az.: KEK 591/592, I 3; vom 14.09.2010 i. S. auto motor und sport Channel, Az.: KEK 633, I 4.1; vom 06.03.2007 i. S. Passion, Az.: KEK 391, I 3.1, sowie vom 06.02.2007 i. S. n-tv, Az.: KEK 382, I 3.1). 5

Hinsichtlich der Beteiligungsstrukturen bei der Antragstellerin und Bertelsmann wird im Übrigen auf das nachfolgende Schaubild verwiesen.

Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH Gesellschafter: Prof. Dr. Dieter Vogel, Prof. Dr. Jürgen Strube, Prof. Dr. Werner Bauer und drei Vertreter der Familie Mohn (Elisabeth Mohn, Dr. Brigitte Mohn, Christoph Mohn) sowie die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft Stiftung Reinhard Mohn Stiftung Bertelsmann Management SE 100 3,3* (Z) (Komplementärin) 77,6* Bertelsmann Stiftung (Z) Druck- und Verlagshaus Familie Jahr Bertelsmann SE 74,9 Gruner + Jahr AG 25,1 100 (Z) & Co. KGaA (geschäftsführende Komplementärin ) Familie Mohn 19,1* Constanze-Verlag (Z) 100 2 GmbH & Co. KG Bertelsmann Capital Gruner + Jahr AG 24,6 Holding GmbH & Co. KG 15 Dr. Hermann 73,4 Dietrich-Troeltsch 76,4 59,9 12,55 Motor Presse Dr. Patricia Scholten Stuttgart GmbH & Streubesitz RTL Group S.A. Co. KG 12,55 Peter-Paul Pietsch 22,84 (Eigenbesitz 0,76 %) 10 99,72

RTL Group auto motor und Streubesitz CLT-UFA S.A. sport Channel 100 Germany S.A. 0,28 Motor Presse TV 100 GmbH RTL Group 90 Deutschland GmbH Jörg Schütte 100 UFA Film und UFA Film & TV Fernseh GmbH Produktion GmbH 100 100 50 27,3 8,6 RTL Television 49,6 Super RTL RTL II RTL Crime Passion RTL DISNEY Fernse- RTL2 Fernsehen RTL Living hen GmbH & Co. KG Passion GmbH GmbH & Co. KG RTL NITRO 50,4 50 RTL Television GmbH BVI Television KG Heinrich Bauer 31,5 100 Investments, Inc. Verlag 100 VOX 100 (Z) n-tv VOX Holding GmbH VOX Television Walt Disney 50 Tele-München50 (Z) 31,5 n-tv Nachrichten- 99,7 Company, Fernseh-GmbH & Co. fernsehen GmbH GmbH Delaware/USA (Z) Medienbeteiligung KG 0,3 Burda GmbH 1,1 DCTP Entwicklungsgesellschaft für TV-Programm mbH

*: vereinfachte Darstellung mit durchgerechneter Kapitalbeteiligung, sämtliche Stimmrechte werden von der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft mbH kontrolliert (Z): Zwischengesellschaften ausgeklammert Veranstalter, dessen Programm der RTL Group S.A. und der Bertelsmann SE & Co. KGaA zuzurechnen ist

II Verfahren 6

Die Vollständigkeitserklärung der Antragstellerin liegt vor. Der mabb wurde Gele- genheit zur Stellungnahme gegeben.

III Medienkonzentrationsrechtliche Beurteilung

1 Bestätigungsvorbehalt der KEK

Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV bedürfen private Rundfunkveranstalter einer Zulas- sung. Fragestellungen der Sicherung der Meinungsvielfalt werden von der KEK nach Vorlage durch die zuständige Landesmedienanstalt gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 RStV beurteilt.

2 Zurechnung von Programmen

2.1 Der Antragstellerin ist zunächst das von ihr selbst veranstaltete Programm n-tv ge- mäß § 28 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. RStV zuzurechnen. Darüber hinaus werden ihr die nachfolgend unter 2.2 genannten, ihren Ober- und Schwestergesellschaften zuzu- rechnenden Programme zugerechnet, arg. e §§ 28 Abs. 1 Satz 3, 29 Satz 2 RStV.

2.2 Der RTL Television GmbH werden die von ihr veranstalteten Programme RTL Tele- vision, RTL Crime, RTL Living und RTL Nitro gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. RStV zuzurechnen. Darüber hinaus werden ihr die Programme n-tv und Passion gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. RStV sowie das Programm VOX gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 RStV i. V. m. §§ 16, 17 AktG zugerechnet.

Den Obergesellschaften der RTL Television GmbH, der CLT-UFA S.A., der RTL Group und Bertelsmann, sind gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 RStV die Programme RTL II, RTL Television, RTL Crime, RTL Living, RTL Nitro, n-tv, Passion, VOX, SUPER RTL und der auto motor und sport Channel zuzurechnen. Diese Pro- gramme sind damit auch insgesamt sämtlichen Veranstaltern der genannten Pro- gramme zuzurechnen, arg. e §§ 28 Abs. 1 Satz 3, 29 Satz 2 RStV (vgl. zuletzt Be- schluss vom 13.11.2012 i. S. RTL, Az.: KEK 711, III 2).

7

2.3 Keine Zurechnung gegenüber Plattformbetreibern

Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 RStV steht einer Beteiligung nach § 28 Abs. 1 RStV gleich, wenn ein Unternehmen auf einen Veranstalter einen „vergleichbaren Ein- fluss“ ausüben kann. Ein solcher kann sich gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RStV ergeben, wenn das Unternehmen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen eine Stel- lung innehat, die wesentliche Entscheidungen des Veranstalters über die Pro- grammgestaltung von seiner Zustimmung abhängig macht.

Die von der Antragstellerin vorgelegten Plattformverträge begründen keine Zurech- nung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RStV. Keiner der Verträge enthält Regelun- gen, die den Plattformbetreibern eine inhaltliche Einflussnahme auf das Programm n-tv unmittelbar oder mittelbar ermöglichen. Ein Programmschema oder spezielle auf den Programminhalt bezogene Sonderkündigungsrechte wurden in keinem Fall vereinbart.

3 Vorherrschende Meinungsmacht

3.1 Zuschaueranteile

Bei der Bestimmung des Zuschaueranteils des jeweiligen Programms sind gemäß § 27 RStV alle deutschsprachigen Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und des bundesweit empfangbaren privaten Rundfunks zu berücksichtigen. Die KEK legt bei der Ermittlung der Zuschaueranteile gemäß der fortgeltenden Über- gangsvorschrift des § 34 RStV vor allem die Daten der AGF/GfK-Fernsehforschung zugrunde.

Mit Schreiben vom 16.07.2013 hat die Antragstellerin die Zuschaueranteile für die der RTL Group S.A. und der Bertelsmann SE & Co. KGaA zuzurechnenden Pro- gramme RTL Television, RTL II, SUPER RTL, VOX, n-tv, RTL NITRO, RTL Cri- me, RTL Living, Passion und auto motor und sport channel für die maßgebliche Referenzperiode von Juli 2012 bis Juni 2013 sowie für den Monat Juli 2013 vorge- legt. Danach betragen die Zuschaueranteile im Referenzzeitraum insgesamt 25,3 % sowie 24,4 % im Juli 2013.

Zuschaueranteile in % 8

Juli 2012 bis Juli Juni 2013 2013 RTL Television 11,7 10,8 RTL II 4,2 4,3 SUPER RTL 2,0 2,0 VOX 5,8 5,5 n-tv 1,0 1,0 RTL NITRO 0,5 0,7 RTL Crime 0,1 0,1 RTL Living 0,0 0,0 Passion 0,0 0,0 auto motor und sport Chan- 0,0 0,0 nel ∑ RTL Group S.A. / Bertelsmann SE & Co. 25,3 24,4 KGaA

Quelle: Schreiben der Antragstellerin vom 16.07.2013; AGF/GfK-Fernsehforschung, TV Scope, Fern- sehpanel D+EU, Zuschauer ab drei Jahren.

3.2 § 26 RStV

Zu prüfen ist, ob durch die beantragte Zulassung des Spartenprogramms n-tv vor- herrschende Meinungsmacht nach Maßgabe des § 26 RStV besteht oder entsteht. § 26 Abs. 1 RStV bildet dabei den Grundtatbestand. Zur Konkretisierung des Merk- mals der vorherrschenden Meinungsmacht verweist § 26 Abs. 1 RStV auf die „nach- folgenden Bestimmungen“, d. h. vor allem auf den Vermutungstatbestand des § 26 Abs. 2 RStV, der offene Konkretisierungstatbestände zu widerleglichen Vermu- tungsregeln erhoben hat. Die Vermutungsregeln sollen den Nachweis vorherr- schender Meinungsmacht erleichtern und sind deshalb vorrangig zu prüfen. Greift keine der Vermutungsregeln, kann sich die Prüfung des Grundtatbestands an- schließen (zur Bedeutung des § 26 Abs. 1 RStV als Grundtatbestand und zum Re- gelbeispielcharakter des § 26 Abs. 2 RStV vgl. Urteil des Bundesverwaltungsge- richts vom 24.11.2010 – BVerwG 6 C 16.09. sowie nachfolgend unter III 3.2.2).

3.2.1 Vermutungstatbestände des § 26 Abs. 2 RStV

3.2.1.1 Vorherrschende Meinungsmacht wird gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 RStV vermutet, wenn die einem Unternehmen zurechenbaren Programme im Durchschnitt eines Jahres einen Zuschaueranteil von 30 vom Hundert erreichen. Diese Schwelle wird 9

von den der RTL Group S.A. und den Bertelsmann zurechenbaren Programmen im Referenzzeitraum nicht erreicht.

3.2.1.2 Vorherrschende Meinungsmacht wird gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2, 1. Alternative RStV ferner bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 % vermutet, sofern das Unternehmen auf einem anderen medienrelevanten verwandten Markt eine markt- beherrschende Stellung hat. Die der RTL Group S.A. und Bertelsmann zuzurech- nenden Zuschaueranteile überschreiten mit 25,3 % die zur weiteren Prüfung erfor- derliche Aufgreifschwelle.

Eine marktbeherrschende Stellung hat die RTL Group S.A. auf dem für die Zielset- zungen der Vielfaltsicherung beachtlichen Fernsehwerbemarkt inne. Die RTL Group S.A. hat auf dem Fernsehwerbemarkt einen Marktanteil von rund 40 % und zusam- men mit der ProSiebenSat.1 Media AG einen Marktanteil von über 80 %. Damit sind die Vermutungsregeln des § 19 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 GWB erfüllt (vgl. da- zu ausführlich Beschluss der KEK vom 13.11.2012 i. S. RTL, Az.: KEK 711, III 3.2.1.2).

Brutto-Werbeumsätze

2010 2011 2012

in Mio. in Mio. in Mio. in % in % in % EUR EUR EUR

RTL Television 2.539,5 23,3 2.543,5 22,9 2.572 22,7

RTL II 624,4 5,7 623,6 5,6 624 5,5

Super RTL 260 2,4 282,8 2,5 283 2,5

VOX 877,2 8,0 891,6 8,0 968 8,5

n-tv 88,4 0,8 100,1 0,9 107 0,9

Σ RTL Group 4.389,5 40,2 4.441,6 40,0 4.554 40,2

ProSieben 1.854,7 17,0 1.943,0 17,5 2107 18,6

Sat.1 1.960,0 18,0 1.974,3 17,8 1963 17,3

726,1 6,7 783,4 7,1 781 6,9

Σ ProSieben- 4.540,8 41,6 4.700,7 42,3 4.851 42,8 Sat.1 10

Σ TV-Rest 1.981,1 18,2 1.967 17,7 1.931 17

Σ TV -Gesamt 10.911,4 100 11.109,3 100 11.336 100

Quellen: Media Perspektiven Heft 6/2012, S. 303, und Heft 6/2013, S. 317, dort angegebene Quelle: Nielsen Media Research.

Aufgrund der anzurechnenden Bonuspunkte im Umfang von 5 % für die Aufnahme von Regional- und Drittfensterprogrammen im Programm von RTL Television entfällt jedoch letztlich die Vermutung für vorherrschende Meinungsmacht der RTL Group nach der 1. Alternative von Satz 2 des § 26 Abs. 2 RStV trotz des Bestehens der marktbeherrschenden Stellung auf dem Fernsehwerbemarkt (vgl. ausführlich Be- schluss der KEK vom 13.11.2012 i. S. RTL Television, Az.: KEK 711, sowie zuletzt Beschluss vom 11.12.2012 i. S. RTL II, Az.: KEK 732, jeweils unter III 3.2.1.2).

Derzeit werden im Rahmen des Hauptprogramms RTL in der Zeit montags bis frei- tags zwischen 18:00 Uhr und 18:30 Uhr in den Ländern Hamburg und Schleswig- Holstein, Niedersachsen und Bremen, Hessen, Baden-Württemberg und Rhein- land-Pfalz (Großraum Mannheim/Ludwigshafen) sowie Nordrhein-Westfalen Regio- nalfensterprogramme gesendet. In Bayern werden zudem lokale Fensterprogram- me ausgestrahlt. Die KEK hat im Rahmen der Benehmensherstellung zur Zulas- sung der Regionalfensterveranstalter im Hauptprogramm RTL festgestellt, dass die Voraussetzungen der Anrechenbarkeit i. S. v. § 25 Abs. 4 Satz 2 ff. RStV in Hes- sen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg/Rheinland-Pfalz erfüllt sind (vgl. Beschlüsse der KEK vom 04.06.2013 i. S. RTL Hessen, Az.: KEK 739, vom 12.02.2013 i. S. TELE WEST, Az.: KEK 733, sowie vom 11.07.2006 und 08.12.2009 i. S. RNF Life, Az.: KEK 329-1 und -2, KEK 583-1 und -2). Diese Fest- stellung konnte auf die Regionalfenster in Bremen, Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein erstreckt werden (vgl. zuletzt Beschluss der KEK i. S. RTL Nord vom 14.06.2011, Az.: KEK 662). Demnach sind für die Regionalfensterprogramme im Hauptprogramm RTL Television gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV zwei Prozent- punkte als Bonus anzuerkennen.

Gleichzeitig wird im Programm RTL Television Sendezeit für unabhängige Dritte gemäß den §§ 26 Abs. 5 und 31 RStV eingeräumt. Die KEK hat im Verfahren zur Zulassung von Drittsendezeit-Veranstaltern im Programm RTL Television das Be- nehmen hergestellt (vgl. zuletzt Beschlüsse der KEK i. S. RTL-Drittsendezeiten vom 07.05.2013, Az.: KEK 700-3 und -4). Damit sind gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 RStV weitere drei Prozentpunkte als Bonus anzuerkennen. 11

Nach dem Abzug der auf den im Fernsehen erzielten Zuschaueranteil von 25,3 % anzurechnenden Bonuspunkte im Umfang von 5 % ein Wert von weniger als 25 % Zuschaueranteil. Die Vermutung für vorherrschende Meinungsmacht der RTL Group nach der 1. Alternative von Satz 2 des § 26 Abs. 2 RStV besteht demnach auch in Anbetracht der marktbeherrschenden Stellung auf dem Fernsehwerbemarkt nicht.

3.2.1.3 Vorherrschende Meinungsmacht wird gemäß § 26 Abs. 2 Satz 2, 2. Alternative RStV ferner vermutet, wenn bei Erreichen eines Zuschaueranteils von 25 % eine Gesamtbeurteilung der Aktivitäten des Unternehmens im Fernsehen und auf medi- enrelevanten verwandten Märkten ergibt, dass der dadurch erzielte Meinungsein- fluss dem eines Unternehmens mit einem Zuschaueranteil von 30 % entspricht.

Die in der Spitze allesamt der Bertelsmann zurechenbaren Aktivitäten auf medienre- levanten verwandten Märkten hat die KEK zuletzt im Rahmen ihres Beschlusses vom 13.11.2012 i. S. RTL Television, Az.: KEK 711, umfassend unter medienkon- zentrationsrechtlichen Gesichtspunkten geprüft. Unter Berücksichtigung der durch die KEK in vorausgegangenen Verfahren (Beschlüsse der KEK vom 11.07.2006 i. S. RTL Group, Az.: KEK 341, III 3.2.2 und I 2; vom 08.05.2006 i. S. n-tv, Az.: KEK 309, I 3.2, III 3.2.1 und III 3.2.3.3; vom 08.12.2009 i. S. SUPER RTL, Az.: KEK 591/592; vom 08.06.2010 i. S. VOX, Az.: KEK 616 und vom 17.04.2012 i. S. RTL Crime, RTL Living und RTL Highlights, Az.: KEK 683) erfolgten Beurteilungen des potenziellen Meinungseinflusses von Bertelsmann aufgrund der Stellung auf medi- enrelevanten verwandten Märkten wurden dabei für die Bereiche Hörfunk 3 %, Pub- likumszeitschriften 1 % und Onlineaktivitäten insgesamt etwa 3,4 % bis 4,1 % äqui- valente Zuschaueranteile in Ansatz gebracht. Den der Bertelsmann und der RTL Group S.A. zuzurechnenden Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten hat die KEK damit insgesamt zuletzt ein Gewicht beigemessen, das in etwa 7,4 % bis 8,1 % Zuschaueranteilen im Fernsehen entspricht. Auf die Feststellungen in den genannten Beschlüssen wird Bezug genommen. Der mit den Aktivitäten auf medien- relevanten verwandten Märkten verbundene Meinungsbildungseinfluss von Ber- telsmann und der RTL Group hat sich seit der letzten Beurteilung nicht verstärkt. Die Einstellung der von Gruner + Jahr publizierten und damit Bertelsmann bislang zugerechneten Tageszeitung Financial Times Deutschland hat vielmehr zu einer Einflussreduzierung in den Bereichen Print und – aufgrund des Onlineangebotes der Financial Times Deutschland – auch im Bereich der Onlineaktivitäten geführt.

12

Unter Beibehaltung einer Hinzurechnung von gleichwohl 7,4 bis 8,1 Prozentpunkten für die Aktivitäten auf medienrelevanten verwandten Märkten auf den tatsächlich er- zielten Zuschaueranteil von gegenwärtig 25,3 % ergibt sich für den von der RTL Group S.A./Bertelsmann erzielten Meinungseinflusses entsprechend eines Zu- schaueranteils von zwischen 32,7 % und 33,4 %. Dieser Wert verringert sich um 5 % aufgrund der anrechenbaren Bonuspunkte für Regional- und Drittfensterpro- gramme im Programm von RTL Television (vgl. Punkt III 3.2.1.2) und beträgt da- nach zwischen 27,7 % und höchstens 28,4 %.

Die nach der 2. Alternative des § 26 Abs. 2 Satz 2 RStV für die Vermutung vorherr- schender Meinungsmacht maßgebliche Schwelle von 30 % wird somit auch weiter- hin unterschritten.

3.2.2 Grundtatbestand des § 26 Abs. 1 RStV

3.2.2.1 Den Tatbestand des § 26 Abs. 1 RStV überprüft die KEK in ständiger Praxis im Hin- blick auf die RTL Group S.A. und Bertelsmann wegen deren starker Stellung im bundesweiten Fernsehen und ihrer weitreichenden sonstigen Aktivitäten im Medi- enbereich auch außerhalb der konkretisierenden Vermutungstatbestände (zuletzt Beschlüsse der KEK vom 13.11.2012 i. S. RTL Television, Az.: KEK 711, vom 17.04.2012 i. S. RTL Crime, RTL Living und RTL Highlights, Az.: KEK 683, vom 08.06.2010 i. S. VOX, Az.: KEK 616, vom 08.12.2009 i. S. SUPER RTL, Az.: KEK 591/592 (jeweils Punkt III 3.2.2) und vom 08.01.2008 i. S. RTL, Az.: KEK 460, III 3.2 mit Verweis auf die vorangegangenen Beschlüsse, vom 11.12.2007 i. S. RTL II, Az.: KEK 451, III 3.2.2, und vom 27.11.2007 i. S. VOX, Az.: KEK 450, III 3.2.2, zudem Beschlüsse vom 06.03.2007 i. S. Passion, Az.: KEK 391, III 3.3, i. S. n-tv vom 06.02.2007, Az.: KEK 382, III 3.3, vom 10.10.2006, Az.: KEK 354, III 3.3, und vom 08.05.2006, Az.: KEK 309, III 3.2.1, sowie i. S. RTL Group vom 11.07.2006, Az.: KEK 341, III 2, und vom 13.06.2006, Az.: KEK 289, III 3.2.1).

3.2.2.2 Für die Einschätzung der Meinungsmacht im bundesweiten Fernsehen kommt den Zuschaueranteilen die entscheidende Bedeutung zu. Der Gesamtzuschaueranteil der unter dem kontrollierenden Einfluss der Bertelsmann stehenden Mediengruppe lag im Referenzzeitraum bei 25,3 %.

Dazu sind dann auch für eine Prüfung nach den Vorgaben des Grundtatbestandes die Zuschaueranteilsgewichte der durch § 26 Abs. 2 RStV vorgeschriebenen Re- 13

gelbeispiele entsprechend zu berücksichtigen. Diese führen, wie vorstehend unter 3.2.1 gezeigt, nicht zu einer Vermutungswirkung. Dieses Ergebnis ist als die vom Gesetzgeber getroffene Wertung zu beachten und hinzunehmen, solange sich nicht der Einzelfall auf Grund individueller Besonderheiten vom Normalfall so deutlich ab- hebt, dass ein Festhalten an der regelmäßig vorgesehenen Rechtsfolge, dass kein Eingriff gegen vorherrschende Meinungsmacht geboten ist, unangemessen er- scheint (BVerwG vom 24.11.2010 – BVerwG 6 C 16.09. Tz. 44). Die KEK ist gehal- ten, die vom Gesetzgeber getroffene Wertung, dass zurechenbare Zuschauerantei- le, die nach Berücksichtigung von Bonuspunkten unter 30 % bleiben, im Regelfall kein Eingreifen gegen das Entstehen vorherrschender Meinungsmacht nahe legen, zu beachten. Nur wenn dieses Ergebnis im Lichte der Ziele der Meinungsvielfalt- sicherung unangemessen erscheint, kann § 26 Abs. 1 RStV im Rahmen einer Ge- samtabwägung auch bei einer Unterschreitung der Schwellenwerte für die Vermu- tungstatbestände des als Leitbild dienenden § 26 Abs. 2 RStV Anwendung finden.

Solche gewichtigen Sonderumstände, die es unangemessen erscheinen lassen, die Zulassung des Vollprogramms n-tv zu gestatten, weil dadurch vorherrschende Mei- nungsmacht entstehen könnte, sind nicht erkennbar.

3.3 Abschließende Feststellung

3.3.1 Nach dem dargelegten Sachverhalt gibt es keine Anhaltspunkte für die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht. Der Zulassung des Programms n-tv stehen daher Gründe der Sicherung der Meinungsvielfalt nicht entgegen. 14

3.3.2 Die Werbefenster für die Schweiz und Österreich in dem Programm der Antragstel- lerin betreffen keine Angelegenheit zur Beurteilung von Fragestellungen der Siche- rung der Meinungsvielfalt im Zusammenhang mit der bundesweiten Veranstaltung von Fernsehprogrammen. Sie bleiben ohne Einfluss auf den Beschluss.

(gez.) Müller-Terpitz Bauer Dörr Fuchs Gounalakis Hege Langheinrich Lübbert Sagurna Schwarz Thaenert Wagner