Landtag Von Baden-Württemberg 92

Plenarprotokoll 16 / 92 16.05.2019

Landtag von Baden-Württemberg 92. Sitzung 16. Wahlperiode

Stuttgart, Donnerstag, 16. Mai 2019 • Haus des Landtags

Beginn: 9:32 Uhr Mittagspause: 13:44 bis 14:45 Uhr Schluss: 18:38 Uhr

INHALT

Eröffnung – Mitteilungen der Präsidentin �� 5559 3. Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der AfD – Gesetz zur Einführung des neuen neun- Begrüßung der 7. Waldkönigin, Frau Johanna Eich �� 5583 jährigen Gymnasiums in Baden-Württemberg (Gesetz zur Änderung des Schulgesetzes für Ba- Absetzung von Tagesordnungspunkt 8 �� 5605, 5647 den-Württemberg) – Drucksache 16/5979 �� 5617 Abg. Dr. Rainer Balzer AfD �� 5617, 5623 1. Aktuelle Debatte – Von der Komplementärkoali- Abg. Sandra Boser GRÜNE �� 5618 tion zur Blockadekoalition – wie bei der grün- Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU �� 5619 schwarzen Landesregierung die Zukunft auf Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD �� 5620 der Strecke bleibt – beantragt von der Fraktion Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP �� 5621 der FDP/DVP �� 5559 Ministerin Dr. Susanne Eisenmann �� 5622 Abg. Dr. Wolfgang Gedeon (fraktionslos) �� 5624 Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP �� 5559, 5579 Abg. Andreas Schwarz GRÜNE �� 5561, 5583 Beschluss �� 5625 Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU �� 5564, 5584 Abg. Bernd Gögel AfD �� 5566, 5574 4. Fragestunde – Drucksache 16/6055 Abg. Andreas Stoch SPD �� 5568, 5577 4.1 Mündliche Anfrage des Abg. Daniel Born SPD – Ministerpräsident Winfried Kretschmann �� 5570 Ausbildungsabbrüche in der praxisintegrierten Minister Thomas Strobl �� 5588 Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher �� 5605 Abg. Dr. Heinrich Fiechtner (fraktionslos) �� 5591 Abg. Dr. Wolfgang Gedeon (fraktionslos) �� 5591 Abg. Daniel Born SPD �� 5605, 5606 Ministerin Dr. Susanne Eisenmann �� 5606

2. Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und der 4.2 Mündliche Anfrage des Abg. Daniel Born SPD Fraktion der CDU und Antwort der Landesregie- – Abrechnung von Reisekosten der Lehrkräf- rung – Fit für die Zukunft − Städte und Ge- te bei Klassenfahrten �� 5606 meinden in Baden-Württemberg – Drucksache Abg. Daniel Born SPD �� 5606 16/4782 �� 5592 Ministerin Dr. Susanne Eisenmann �� 5606, 5607 Abg. Andreas Schwarz GRÜNE �� 5592 Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP �� 5607 Abg. Karl Klein CDU �� 5593 Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD �� 5595 4.3 Mündliche Anfrage des Abg. Dr. Erik Schwei- ckert FDP/DVP – Verkehrsgefährdung und Abg. Peter Hofelich SPD �� 5597, 5604 Nadelöhrsituation durch den Diebkreisel im Abg. Stephen Brauer FDP/DVP �� 5599, 5605 Heckengäu �� 5607 Ministerin Edith Sitzmann �� 5601 Abg. Dr. Ute Leidig GRÜNE �� 5603 Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP �� 5607, 5608 Abg. Ulli Hockenberger CDU �� 5604 Staatssekretärin Dr. Gisela Splett �� 5607, 5608

Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeich- abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente net mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“. I Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

4.4 Mündliche Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg Abg. Barbara Saebel GRÜNE �� 5625 AfD – Erhalt der Wirtschaftskraft in der Re- Abg. Isabell Huber CDU �� 5626 gion Schwarzwald-Baar-Heuberg im Rah- Abg. Emil Sänze AfD �� 5627 men von zunehmender Digitalisierung und Abg. Peter Hofelich SPD �� 5628 Elektromobilität �� 5609 Abg. Daniel Karrais FDP/DVP �� 5629 Minister Guido Wolf �� 5630 Abg. Lars Patrick Berg AfD �� 5609, 5610 Abg. Dr. Heinrich Fiechtner (fraktionslos) �� 5633 Staatssekretärin Katrin Schütz �� 5609, 5610, 5611 Abg. Klaus Dürr AfD �� 5610 Beschluss �� 5633 Abg. Anton Baron AfD �� 5611 6. Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion 4.5 Mündliche Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg der AfD – Gesetz zur Einführung der doppelten AfD – Sekundärmigration aus der Schweiz Buchführung in der Landesverwaltung Baden- nach Baden-Württemberg �� 5611 Württemberg (Gesetz zur Änderung der Lan- deshaushaltsordnung für Baden-Württemberg Abg. Lars Patrick Berg AfD �� 5611, 5612 [LHO]) – Drucksache 16/6080 �� 5634 Minister Thomas Strobl �� 5611, 5612 Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD �� 5634, 5639 4.6 Mündliche Anfrage des Abg. Dr. Heiner Merz Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE �� 5635 AfD – Investitionen in das Feuerwehrwesen �� 5612 Abg. Tobias Wald CDU �� 5636 Abg. Rainer Stickelberger SPD �� 5637 Abg. Dr. Heiner Merz AfD �� 5612, 5613 Abg. Daniel Karrais FDP/DVP �� 5637 Minister Thomas Strobl �� 5613 Staatssekretärin Dr. Gisela Splett �� 5638 Beschluss �� 5640 4.7 Mündliche Anfrage der Abg. Gabi Rolland SPD – Bauvorhaben für Kinderbetreuungsein- 7. Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme richtungen an Universitäten �� 5613 des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Woh- Abg. Gabi Rolland SPD �� 5613, 5614 nungsbau – Evaluation des Bildungszeitgeset- Ministerin Theresia Bauer �� 5613, 5614 zes – Drucksache 16/2152 �� 5640 Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD �� 5640, 5647 4.8 Mündliche Anfrage des Abg. Ulli Hockenber- Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE �� 5641 ger CDU – Sonderprogramm zur Stärkung Abg. Claus Paal CDU �� 5642 der biologischen Vielfalt �� 5614 Abg. Carola Wolle AfD �� 5643 Abg. Ulli Hockenberger CDU �� 5614 Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP �� 5644 Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch �� 5614 Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut �� 5646 Beschluss �� 5647 4.9 Mündliche Anfrage des Abg. Daniel Karrais FDP/DVP – Einsatz ehrenamtlicher Ret- 8. Antrag der Fraktion GRÜNE und Stellungnahme tungshundestaffeln bei der Suche nach ver- des Ministeriums für Ländlichen Raum und Ver- missten oder verunglückten Personen �� 5615 braucherschutz – Verwendung regionaler bzw. Schriftliche Antwort des Ministeriums für Inneres, ökologischer Rohstoffe in Landeskantinen und Digitalisierung und Migration �� 5616 Modellvorhaben „Große Küche – Gutes Es- sen“ – Drucksache 16/2116 �� abgesetzt (5605, 5647)

4.10 Mündliche Anfrage des Abg. Dr. Erik Schwei- 9. Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen ckert FDP/DVP – Umsetzung des Digitalpakts Ausschusses zu der Mitteilung der Landesregie- in Baden-Württemberg �� 5616 rung vom 27. März 2019 – Berichte des SWR Schriftliche Antwort des Ministeriums für Kultus, und des ZDF über die Finanz-, Haushalts- und Jugend und Sport �� 5616 Personalkostenentwicklung in den Jahren 2017 bis 2020 – Drucksachen 16/6004, 16/6110

5. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- 10. Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen ses für Europa und Internationales zu Ausschusses zu der Mitteilung des Rundfunkbe- a) der Mitteilung des Ministeriums der Justiz und auftragten für den Datenschutz vom 1. Februar für Europa vom 5. Februar 2019 2019 – 11. Tätigkeitsbericht des Rundfunkbe- auftragten für den Datenschutz des Südwest- b) der Mitteilung des Ministeriums der Justiz und rundfunks für das Jahr 2018 – Drucksachen für Europa vom 30. April 2019 16/6070, 16/6111 �� 5648 – Bericht über aktuelle europapolitische Themen Gemeinsamer Beschluss zu den Tagesordnungspunk- Drucksachen 16/5700, 16/6193, 16/6232 �� 5625 ten 9 und 10 �� 5648

II Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

11. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus- 13. Beschlussempfehlungen und Berichte des Petiti- ses für Europa und Internationales zu der Mittei- onsausschusses zu verschiedenen Eingaben – lung des Ministeriums für Inneres, Digitalisie- Drucksachen 16/6172, 16/6173, 16/6174, 16/6175, rung und Migration vom 27. März 2019 – Unter- 16/6176, 16/6177, 16/6178 richtung des Landtags in EU-Angelegenhei- ten; hier: Katastrophenschutzverfahren der Union – Drucksachen 16/6010, 16/6106 �� 5648 14. Beschlussempfehlungen und Berichte der Fach- ausschüsse zu Anträgen von Fraktionen und von Beschluss �� 5648 Abgeordneten – Drucksache 16/6139 �� 5648 12. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Europa und Internationales zu der Mitteilung Gemeinsamer Beschluss zu den Tagesordnungspunk- des Ministeriums für Finanzen vom 4. April 2019 – ten 13 und 14 �� 5648 Unterrichtung des Landtags in EU-Angelegen- heiten; hier: Auf dem Weg zu einer effizienteren und demokratischeren Beschlussfassung in der 15. Kleine Anfragen �� 5648 EU-Steuerpolitik – Drucksachen 16/6060, 16/6107 5648 Beschluss �� 5648 Nächste Sitzung �� 5648

III Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Protokoll

über die 92. Sitzung vom 16. Mai 2019 Beginn: 9:32 Uhr

Präsidentin Muhterem Aras: Guten Morgen, meine Damen Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Frau Präsidentin, und Herren! Ich eröffne die 92. Sitzung des 16. Landtags von liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2016 ist eine soge- Baden-Württemberg. nannte – man könnte auch sagen: selbst ernannte – Komple- mentärkoalition an den Start gegangen. Wer nicht so genau Von der Teilnahmepflicht befreit sind Herr Abg. Nemeth so- wusste, was darunter zu verstehen sei, dem wurde mitgeteilt, wie Frau Abg. Zimmer. man teile sich die Kompetenzen auf, je nachdem, wer das be- treffende Ministerium besetze. Dort werde dann harmonisch Aus dienstlichen Gründen entschuldigt haben sich ganztägig und ohne Streit regiert. Herr Minister Lucha sowie Herr Staatssekretär Schebesta, ab 13:30 Uhr Herr Minister Hermann und ab 14:15 Uhr Herr Mi- Was aus dieser Komplementärkoalition geworden ist, nisterpräsident Kretschmann. (Abg. Andreas Stoch SPD: Es war einmal!) Außerdem ganztägig entschuldigt ist Frau Staatsrätin Erler. haben wir gestern anschaulich erlebt, Wir treten in die Tagesordnung ein. (Heiterkeit des Abg. Anton Baron AfD) Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf. als sich der Verkehrsminister und die Kollegin Razavi bei einem Thema aus der Verkehrspolitik mal wieder so richtig lieb (Heiterkeit des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU) hatten. – Es scheint sehr lustig zu sein, Herr Kollege. (Abg. Andreas Stoch SPD: Um den Hals gefallen sind! – Vereinzelt Heiterkeit) (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Entschuldigung! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Noch nicht!) – Ja, sie sind sich fast um den Hals gefallen. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD – Abg. Andreas Stoch SPD: Mit den Händen voraus!) Aktuelle Debatte – Von der Komplementärkoalition zur Blockadekoalition – wie bei der grün-schwarzen Landes- – Mit den Händen voraus; sie hätten sich vielleicht erwürgt. regierung die Zukunft auf der Strecke bleibt – beantragt Wir hätten also, wenn sie sich um den Hals gefallen wären, von der Fraktion der FDP/DVP wahrscheinlich so eine Art grün-schwarze Laokoon-Gruppe erlebt, meine Damen und Herren. Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Aktuel- le Debatte eine Gesamtredezeit von 50 Minuten festgelegt. (Heiterkeit) Darauf wird die Redezeit der Regierung nicht angerechnet. Sie merken schon: Es ist längst vorbei mit dieser Komplemen- Für die Aussprache steht eine Redezeit von zehn Minuten je tärkoalition. Frei nach Heinz Erhardt könnte man sagen: So- Fraktion zur Verfügung. Wie immer darf ich an dieser Stelle lange es Haare gibt, liegt sich diese Koalition in denselben. die Mitglieder der Landesregierung bitten, sich ebenfalls an Das ist aus dieser Komplementärkoalition geworden. den vorgegebenen Redezeitrahmen zu halten. (Beifall bei der FDP/DVP) Ich gehe davon aus, dass die Debatte möglicherweise sehr zu- gespitzt zugehen kann, aber ich bitte Sie insgesamt alle um Sie blockiert sich derartig, dass aus der Komplementärkoali- etwas mehr Ruhe, damit man jeweils dem Redner oder der tion eine Blockadekoalition geworden ist. Rednerin gut zuhören kann. (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dann ist der Ver- (Abg. Thomas Blenke CDU: Wir sind halt gut drauf!) kehrsminister friedlich!)

Vielen Dank schon einmal im Voraus. – Es geht nicht nur um den Verkehrsminister; der ist im Mo- ment noch friedlich. Auch der Innenminister und stellvertre- Für die FDP/DVP erteile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsit- tende Ministerpräsident scheint es mit der Harmonie nicht so zenden Dr. Rülke. zu haben. Denn er hat auf sechs Seiten mal aufgestellt, wo es

5559 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Hans-Ulrich Rülke)

überall hakt. 17 Projekte hat der Innenminister zu Papier ge- solle doch möglichst die jungen Männerhorden in die Pampa bracht: 16 davon CDU-Projekte, die von den Grünen blockiert schicken. Als Sie dann erklären sollten, was Sie unter „Pam- werden, und ein einziges Projekt der Grünen, das von der pa“ verstehen, Herr Ministerpräsident, haben Sie erklärt: „Na CDU blockiert wird. Der Spielstand für Trainer Thomas Strobl ja, da habe ich halt ein bisschen Blödsinn erzählt.“ ist bei Halbzeit 1 : 16. Meine Damen und Herren, man kann sich die Frage stellen: (Abg. Andreas Stoch SPD: Nicht Trainer, sondern Was ist das Leitmotiv dieser Koalition? Manche Koalitionen Balljunge!) haben ja Leitmotive. Wir erinnern uns an Willy Brandt: „Mehr Demokratie wagen!“ Aber ich glaube, meine Damen und Her- Beim Fußball kämen Sie so, wie Ihre Bilanz aussieht, Herr ren, das Leitmotiv dieser Koalition und dessen, was der Herr Strobl, gar nicht mehr aus der Kabine – nicht mal bei Hanno- Ministerpräsident gelegentlich vom Stapel lässt, lässt sich eher ver 96, meine Damen und Herren. mit Robert Musil formulieren. Er hat nämlich einmal gesagt: (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der Es ist das Sicherste, einen Unsinn zu sagen: Irgendwann SPD) geschieht er! Sie merken es in Ihrem eigenen Ressort: Bei Ihrem Gesetz zur Das ist genau das, was in dieser Koalition für das Leitmotiv besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht kann sich die CDU als Überschrift steht. nicht gegen die Grünen durchsetzen. Deshalb wird in diesem Land zu wenig abgeschoben. Diese Koalition ist in der Innen- (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der politik ein Sicherheitsrisiko, meine Damen und Herren. SPD) (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD Es geht weiter in der Wirtschaftspolitik: Evaluation des Bil- – Abg. Thomas Blenke CDU: Ach komm! – Oh-Ru- dungszeitgesetzes. Dieses Gesetz kennt nur jeder Dritte, hat fe von der CDU) die Evaluation ergeben. Es hat nur zu einer marginalen Erhö- hung der Weiterbildung geführt, hat die Evaluation ergeben. So geht es auch in anderen Bereichen weiter. Es gelingt nicht, Und es wird häufig als Mitnahmeeffekt genutzt, hat die Eva- abzuschieben. Über 60 % der Abschiebungen scheitern, weil luation ergeben. Sie sich in dieser Koalition nicht durchsetzen können. Sie hö- ren das nicht gern – ich weiß das –, so wenig, wie Sie gern le- Was hat sich geändert? Nichts hat sich geändert – wie immer sen, was Ihre Parteifreunde auf Parteitagen über Sie sagen. in dieser Koalition. Konsequenz: keine. Aber es ist so, Herr Minister. (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des In der Wirtschaftspolitik ist es genauso. Es wird nur blockiert. Abg. Hans Peter Stauch AfD) Seit drei Jahren gibt es ein Gezerre um die Landesbauordnung. Das Ganze wird dann nur noch getoppt durch eine skurrile Im Landtagswahlkampf gab es keine CDU-Wahlveranstaltung Fehde zwischen der Wirtschaftsministerin und dem Umwelt- ohne den Schenkelklopfer mit den überdachten Fahrradstell- minister im Bereich des Arbeitsschutzes. plätzen und dem Efeu auf dem Dach. Was hat sich in diesen drei Jahren geändert? Es geht weiter: Ländlicher Raum, Landwirtschaft – der nächs- te Bauernkrieg in dieser Koalition. Wenn es um die Frage geht, (Abg. Andreas Stoch SPD: Nichts!) ob man Wolf und Biber ins Jagdrecht aufnimmt – was eigent- Nichts hat sich geändert, meine Damen und Herren. lich logisch wäre –, genauso wie Luchs und Auerwild, dann setzt sich die grüne Wolfsromantik durch. (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD) (Zuruf des Ministers Franz Untersteller) – Der getroffene Hund bellt schon wieder. – Es ist so. Ja, es Der Ministerpräsident verteidigt sie nach wie vor. Ich darf Sie ist ein Bauernkrieg in dieser Koalition, reine Wolfsromantik zitieren, Herr Ministerpräsident: Es handle sich um – so wört- beim Umweltminister. Und die CDU setzt sich dort, wo es ei- lich – „keine grünen Hirnfürze“. Doch, Herr Ministerpräsi- gentlich sinnvoll wäre, nicht durch. dent, das sind grüne Hirnfürze, was da in der Landesbauord- nung steht. (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP) (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD Dasselbe: Gestüt Marbach auf der einen Seite, Nationalpark – Abg. Anton Baron AfD: Oh ja! – Abg. Hans-Ulrich auf der anderen Seite. Das Gestüt Marbach hat jährlich über Sckerl GRÜNE: Das kann man sagen, wenn man im 500 000 Besucher. Es ist ein touristischer Leuchtturm des Lan- Jahr 1960 ist!) des Baden-Württemberg. Das war eine bemerkenswerte Formulierung. Gestern oder (Zuruf: Genau!) vorgestern kam auch eine bemerkenswerte Formulierung, nämlich dass es im Land Baden-Württemberg kein Bäderpro- Aber den Grünen sind 40 Millionen € zu viel. Sie sagen: gramm geben solle, verbunden mit der Empfehlung, die Kin- „Nein, das wollen wir nicht ausgeben.“ Aber beim Besucher- der sollten das Schwimmen doch in der Donau lernen; Sie hät- zentrum des Nationalparks liegen wir schon bei über 50 Mil- ten es dort auch gelernt. Für diesen Ratschlag werden sich si- lionen €. Das ist dann nicht zu viel, obwohl die Zahl der Be- cher viele genauso bedanken wie für Ihre Formulierung, man sucher nur 100 000 beträgt, also ein Fünftel. So funktioniert 5560 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Hans-Ulrich Rülke) diese Komplementärkoalition dort, wo die CDU Verantwor- Wie geht es jetzt weiter in dieser Koalition? Die Haushaltsbe- tung trägt, meine Damen und Herren. Das ist keine zukunft- ratungen stehen an. Der Ministerpräsident hat erklärt, er er- weisende Politik für das Land Baden-Württemberg. warte „harte Auseinandersetzungen um den Haushalt“.

(Beifall bei der FDP/DVP) (Zuruf von der CDU: Na und?)

Gar nicht zu reden von den Zuständigkeiten beim Verkehr, bei Das muss man sich jetzt mal auf der Zunge zergehen lassen. der Dieselkrise. Ich traue mich jetzt fast nicht, diesen Bereich Bei dem, was diese Koalition in den letzten Monaten aufge- zu berühren, weil die Distanz zwischen Herrn Hermann und führt hat, erklärt der Ministerpräsident: „In Zukunft wird es Frau Razavi gar nicht einmal so unüberwindlich ist, aber ich aber hart.“ Da können wir gespannt sein, was für das Land versuche es trotzdem. Die Landtagspräsidentin hat ja einen Baden-Württemberg noch an zukunftsfähiger Politik möglich Friedensappell ausgesprochen. Ich nehme an, Frau Präsiden- ist, wenn die Auseinandersetzungen in dieser Koalition noch tin, das war hauptsächlich an die beiden Koalitionspartner ge- härter werden, meine Damen und Herren. Die „heute-show“ richtet. wird sich freuen – die Bevölkerung von Baden-Württemberg aber nicht. Präsidentin Muhterem Aras: Das war an uns alle gerichtet. (Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hans Peter Stauch AfD) Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wollen wir einmal hoffen, dass dieser Friedensappell nutzt. Bilanzierend kann man feststellen: Diese grün-schwarze Kom- plementärkoalition – – Ich habe mal gehört, man habe sich Herr Ministerpräsident, Sie haben gebetsmühlenartig erzählt, nicht gesucht, aber gefunden. man müsse Urteile akzeptieren. Es gebe Fahrverbote, weil Ge- richte geurteilt haben. Sie haben immer wieder Respekt vor (Lachen des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions- dem Rechtsstaat angemahnt. los])

(Lachen des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions- Ja, das passiert bei manchen Ehen, dass man sich zwar nicht los]) sucht, aber findet.

Als ich einmal die Stirn hatte, einen Richter zu kritisieren, hat (Vereinzelt Heiterkeit) mich der Kollege Schwarz zu einer Gefahr für den Rechts- Aber ich vermute mal: Für diese Koalition, für diese Ehe gilt, staat und die Demokratie stilisiert. (Zuruf von der AfD) (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sehr richtig!) was Oscar Wilde einmal so umschrieben hat: Was macht jetzt der Herr Ministerpräsident hinsichtlich des letzten Dieselurteils? Er erklärt: „Dann gehen wir einmal in Die Ehe ist ein Versuch, zu zweit wenigstens halb so Berufung und warten ab.“ Zeitspiel! Früher haben Sie immer glücklich zu werden, wie man allein gewesen ist. erklärt: „Das, was Gerichte entscheiden, gilt.“ Jetzt spielen (Vereinzelt Heiterkeit) Sie auf Zeit, jetzt wollen Sie diese Urteile nicht wahrhaben, nur um Ruhe in Ihre angebliche Komplementärkoalition zu Das, meine Damen und Herren, ist die Zustandsbeschreibung bekommen, meine Damen und Herren. dieser grün-schwarzen Zwangsehe. (Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hans Peter (Zurufe) Stauch AfD) Das Land Baden-Württemberg wird durch diese Koalition, Und die CDU, Herr Strobl, erklärt: „Mit uns wird es keine flä- durch diese Blockadekoalition, nicht vorangebracht. Meine chendeckenden Fahrverbote für Euro-5-Diesel geben.“ Das Damen und Herren, es ist höchste Zeit, dass es mit dieser hat er erklärt. Die SPD und wir haben das dann im Landtag grün-schwarzen Koalition im Sinne des Landes Baden-Würt- zur Abstimmung gestellt, und Sie haben dagegen gestimmt. temberg und seiner Menschen ein Ende hat.

(Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Ja!) (Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hans Peter Stauch AfD – Abg. Winfried Mack CDU: Mau! – Nach außen behaupten Sie immer: Das ist unsere Politik. Abg. Thomas Blenke CDU: Ein starker Auftritt! – Gegenruf von der CDU – Gegenruf des Abg. Thomas Vorher haben Sie erklärt, die Abwendung von Fahrverboten Blenke CDU: Das war ironisch gemeint!) für Euro-4-Diesel gehe nicht, dem stünden der Luftreinhalte- Präsidentin Muhterem Aras: Für die Fraktion GRÜNE er- plan und Gerichtsurteile entgegen. Also, man kann diese Fahr- teile ich das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Schwarz. verbote politisch nicht abwenden. Bei den Euro-5-Dieseln können Sie das plötzlich. Meine Damen und Herren, wenn Sie Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Frau Präsidentin, liebe Kol- Fahrverbote für die Euro-5-Diesel politisch verhindern kön- leginnen und Kollegen! Der Kollege Rülke hat eine mehr oder nen, dann haben Sie auch die Pflicht, die Fahrverbote für Eu- weniger launige Rede gehalten, ro-4-Diesel politisch aufzuheben. (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Die war noch nicht (Beifall bei der FDP/DVP) mal launig!)

5561 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Schwarz) aber außer Überschriften war nichts dabei; das muss ich ganz (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) klar feststellen. Politik hat eben einen Sinn, und es geht um mehr als um Kla- (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU mauk, Herr Kollege Rülke. Es geht darum, dass wir in Baden- – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Es ging ja Württemberg, egal, wo wir herkommen, friedlich und sicher um Ihre Politik!) zusammenleben – für ein gut bestelltes Gemeinwesen, für gute Arbeit und Wohlstand. Wir verbinden Ökologie und sozia- Einen Vorschlag dazu, was die FDP in Baden-Württemberg len Zusammenhalt. eigentlich möchte, haben Sie in Ihrer Rede nicht vorgetragen – eine komplette Leerstelle, Herr Kollege Rülke. Ich bin ja viel im Land unterwegs. Wenn ich mich umschaue, sehe ich: Es sprießt und grünt überall. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das ist im Ich möchte Ihnen gern ein realistisches Bild von Baden-Würt- Frühjahr meistens so!) temberg präsentieren; Ich sehe ein waches Land – (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Von Baden- Württemberg oder von der Regierung?) (Unruhe) denn Baden-Württemberg ist für die Zukunft gut aufgestellt. ein waches Land, das etwas bewegen will. Ich sehe viele Men- Die Projekte der Landesregierung kommen gut voran, und die schen, die aufstehen und anpacken. Frisches, frühlingshaftes Bürgerinnen und Bürger in unserem Land genießen die hohe Grün, das ist die Farbe der Zukunft, denn die Politik der grü- Lebensqualität. nen Landtagsfraktion ist immer in die Zukunft gerichtet. Ich verstehe ja, Herr Rülke, dass Ihnen dazu außer Überschrif- (Beifall bei den Grünen) ten nicht viel einfällt. Dann melden Sie mal wieder eine Ak- tuelle Debatte an – von Ihnen hatten wir das mal, vom Kolle- Ich muss hier niemandem erklären, was Nachhaltigkeit be- gen Stoch hatten wir das mal –; aber die Vorwürfe, die Sie ge- deutet. gen die Koalition erheben, bleiben jedes Mal substanzlos und ohne Mehrwert. (Abg. Stefan Herre AfD: Eine Verbotspartei seid ihr!) (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU Uns geht es darum, die Möglichkeiten und die Freiheit unse- – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD) rer Kinder und Enkel zu bewahren und zu vergrößern. Das ist der Punkt, an dem wir politisch denken: die Freiheit unserer Um dieses realistische Bild von Baden-Württemberg zu un- Kinder und Enkel zu vergrößern. termauern, will ich Ihnen aus den letzten Umfragen zwei Zah- len zitieren: Drei Viertel der Bevölkerung von Baden-Würt- (Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions- temberg sind mit der Arbeit des Ministerpräsidenten zufrie- los]) den oder sehr zufrieden. Deswegen setzen wir klare Prioritäten, damit es den Menschen (Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions- in Baden-Württemberg morgen besser geht. los]) Präsidentin Muhterem Aras: Herr Abg. Schwarz, warten Sie Zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land bitte. – Die Herren da hinten, Herr Abg. Dr. Fiechtner und sind mit der Arbeit der Landesregierung zufrieden oder sehr Herr Abg. Dr. Merz, unterhalten sich so laut, dass es hier vorn zufrieden. Das sind enorm hohe Zustimmungswerte! Ihre Kri- stört. tik fruchtet nicht, Herr Kollege Rülke. (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Wir un- (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) terhalten uns nicht!) Denn Baden-Württemberg geht es gut. Die wirtschaftliche La- Ich bitte Sie um etwas mehr Ruhe. – Danke. ge ist stark, und die Menschen blicken mit Zuversicht in die Zukunft. Es wäre vermessen, zu behaupten, dies sei allein das (Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Das sind Zwischenru- Verdienst des Landtags oder der Landesregierung. Aber ich fe!) sage Ihnen auch: Es macht einen Unterschied, wer regiert Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Wenn wir an die Freiheit (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das kann unserer Kinder und Enkel denken, geht es uns darum, klare man wohl sagen!) Prioritäten zu setzen: erstens für Innovation und Bildung. Denn wie sonst können in einer sich rasch verändernden Welt und wie wir regieren. Das macht den Unterschied. Uns geht Wohlstand und Arbeit geschaffen werden? Die Schulen in un- es jeden Tag darum, Baden-Württemberg und das komplette serem Land sind auf einem guten Weg. Die Realschulen und Land die Gemeinschaftsschulen bieten gerade für das Handwerk und für die duale Ausbildung eine sehr wichtige Grundlage. (Abg. Reinhold Gall SPD: „Besser zu machen“!) (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU voranzubringen. – Zuruf des Abg. Stefan Herre AfD) 5562 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Schwarz)

Mit dem Bildungsplan haben wir zeitgemäß auf die Heraus- (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU forderungen der Zukunft reagiert: Medienbildung, Wirtschaft – Abg. Andreas Stoch SPD: Ihr musstet tilgen! Die und Informatik. Wir haben in den letzten acht Jahren 1 Milli- Landeshaushaltsordnung zwingt euch!) arde € zusätzlich in die Bildung investiert. Das sind gute Grundlagen für morgen. – Ihr Zwischenruf, Herr Stoch, passt wunderbar, denn ich habe noch gut Ihre Rufe im Kopf. Sie wollten das Geld mit vol- (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) len Händen ausgeben. Wir gestalten den digitalen Wandel. Das Cyber Valley ist in (Abg. Reinhold Gall SPD: Völlig falsch! – Abg. An- kurzer Zeit zum Leuchtturm geworden, der international aus- dreas Stoch SPD: Sie sind doch gezwungen, Schul- strahlt. Aber ein Leuchtturm allein reicht uns nicht. Der digi- den zu tilgen!) tale Wandel betrifft den Mittelständler im Schwarzwaldtal genauso wie das Start-up am Neckar. Allein für das gebührenfreie Kindergartenjahr wollen Sie eine halbe Milliarde Euro strukturell ausgeben. Nichts von Ih- Wir nehmen diese Herausforderung zur Innovation an. Der nen über eine nachhaltige Finanzpolitik. Davon haben Sie, Strategiedialog Automobilwirtschaft ist unsere Antwort auf Herr Kollege Stoch, wohl nie etwas gehört. den Strukturwandel der Zukunft. Da sitzen alle am Tisch: Ver- treter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft besprechen ge- (Beifall bei den Grünen und der CDU) meinsam, wie wir diesen Transformationsprozess gestalten können. So geht Zukunft, so bringen wir Baden-Württemberg Weil Sie den Wohnungsbau angesprochen haben: Wir haben voran. uns in der Koalition darauf verständigt, eine neue Landesbau- ordnung in das Parlament einzubringen, (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Zuruf von den Grünen: Richtig!) (Abg. Reinhold Gall SPD: Seit drei Jahren wollen Sie das! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wann Uns geht es um die Umwelt. Herr Rülke, Sie sprechen ja oft kommt die?) von Freiheit. Das ist doch ein ganz wesentlicher Punkt, wenn wir über die Freiheit von Kindern und Enkeln und kommen- die das Bauen vereinfacht und die das Bauen qualitativ wei- den Generationen sprechen. Wie sonst soll es denn unseren ter voranbringt. Unsere Wirtschaftsministerin hat mit dem Kindern und Enkeln gelingen, in Freiheit und Wohlstand zu neuen Wohnraumfonds, mit diesen neuen, attraktiven Pro- leben, wenn wir heute nicht umsteuern? grammen, einem Grundstücksfonds, den sie entwickelt hat, ein passgenaues Programm für Baden-Württemberg aufge- (Beifall bei Abgeordneten der Grünen) stellt. Wir wissen, dass die Klimakrise es notwendig macht, jetzt zu (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wo das Geld handeln. Wir sorgen uns um die bedrohte Vielfalt der Arten. nicht abfließt!) Deswegen treiben wir die Energiewende voran, deswegen steuern wir um in Richtung nachhaltige Mobilität, deswegen Das ist der nächste Schritt, um mehr bezahlbares Wohnen im fördern wir ökologische Landwirtschaft, und deswegen wer- Land zu fördern. Da haben wir die Hausaufgaben gemacht, den wir gemeinsam ein neues Klimaschutzgesetz in den Land- liebe Kolleginnen und Kollegen. tag einbringen. (Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Rein- Ich freue mich, dass immer mehr Menschen diese ökologi- hold Gall SPD: Nirgendwo!) schen Herausforderungen erkennen. Erst kürzlich hat ein CSU-Bundesminister ein Verbot von Plastiktüten gefordert. Eine Koalition ist keine Fusion, Herr Kollege Rülke. Grüne Darüber freue ich mich. Hier müssen wir gemeinsam anpa- und CDU waren 2016 zwei verschiedene Parteien, und Grü- cken. ne und CDU sind auch – – (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP/DVP CDU) sowie der Abg. Dr. Heinrich Fiechtner und Dr. Wolf- Zu einer Politik für die Zukunft, für die Freiheit unserer Kin- gang Gedeon [fraktionslos] – Zurufe von der SPD, der und Enkel gehört ein sorgsamer Umgang mit dem Geld u. a. Abg. Gabi Rolland: Waren!) der Steuerzahler. – Ja, hören Sie zu. – CDU und Grüne waren 2016 zwei unter- (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja!) schiedliche Parteien, und Grüne und CDU sind auch 2019 zwei verschiedene Parteien. Das ist auch gar nicht schlimm. Nur so bleibt der Staat handlungsfähig und kann auch morgen das gute Zusammenleben gestalten. Es war diese Koalition (Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Reinhold aus Grünen und CDU, die dafür gesorgt hat, dass wir zum ers- Gall SPD: Finde ich auch!) ten Mal in der Geschichte des Landes Schulden zurückzah- len. Denn uns eint die Gemeinsamkeit: Wir wollen das Beste für Baden-Württemberg, und dafür legen wir uns jeden Tag mit (Lachen des Abg. Andreas Stoch SPD) voller Kraft ins Zeug. Das haben wir hinbekommen – Sie nicht, Herr Kollege Rül- (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ihr legt euch ke. jeden Tag an!)

5563 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Schwarz)

Wir arbeiten verlässlich und gut zum Wohle des Landes und – Ja, das wollen wir zugestehen. Denn ich sehe schon, dass seiner Menschen zusammen, liebe Kolleginnen und Kollegen. bei der FDP/DVP sogar eine „unruhige Hand“ geherrscht hat, als sie das Thema Blockade ausgewählt hat. Allerdings kommt (Beifall bei den Grünen und der CDU) es ja immer auf das Timing an. Herr Rülke sprach von 16 : 1. Wenn Sie glauben, Politik würde einfach so federleicht da- (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja!) hingleiten, dann sind Sie im falschen Geschäft. Zunächst einmal muss man wissen: Trainer Klopp hat mit ei- (Lachen des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP) nem 4 : 0 im Rückspiel des Halbfinales der Champions League Politik bedeutet – vom Bohren dicker Bretter bis zu den Mü- mit seiner Mannschaft noch das Finale erreicht. hen der Ebene –, gemeinsam Kompromisse zu finden, sich (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aber nicht von konträren Ausgangspositionen zu einer guten Lösung für mit 16 : 1! – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner das Land durchzuringen. Dieser Ausgleich von Interessen [fraktionslos]) kann manchmal anstrengend sein. Doch Politik hat Sinn. Des- wegen machen wir das. Deswegen freue ich mich jeden Tag, Deshalb muss ich Ihnen auch sagen: Wichtig ist: Auch das an einem guten Baden-Württemberg, an der Schaffung guter Unterlassen der Offenbarung der Wahrheit ist eine Täuschung. Grundlagen für die Zukunft mitwirken zu können. Ich kann Und Sie haben damit getäuscht, denn 16 : 1 stimmt nicht mehr. mit vollem Stolz sagen: Diese Koalition ist handlungsfähig und zukunftstauglich, und zwar in jeder Hinsicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Hans- Ulrich Rülke FDP/DVP übergibt dem Redner einige (Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf von Blätter. – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU) den Grünen: Genau!) – Ja, genau. Wenn wir uns dieses Papier vor Augen halten, Präsidentin Muhterem Aras: Für die CDU erteile ich Herrn dann sehen wir: Das stimmt eben nicht mehr. Denn Sie haben Fraktionsvorsitzenden Dr. Reinhart das Wort. etwas Wesentliches vergessen. (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Jetzt (Der Redner legt die Blätter auf einem Stuhl neben kommt Grün 1.2!) sich ab. – Heiterkeit) Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es ja gehört: Kol- Ich kenne dieses Papier. Deshalb: Realität ist, dass immer das lege Rülke würde gern in der „heute-schau“ erscheinen. richtige Timing wichtig ist. Da ist natürlich vergessen worden, dass allein in dieser Woche in der Koalition reihenweise (Zurufe: Show!) Durchbrüche gelungen sind. – Show. – Deshalb ist es ihm natürlich wichtig, hier mit ei- (Abg. Andreas Stoch SPD: Wie der Blinddarmdurch- nem kleinen Amateurkabarett und einigen hübschen Pointen bruch!) zu eröffnen. Dazu wurde kein Wort gesagt. Was meine ich damit? Von Blo- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen ckade kann keine Rede sein; im Gegenteil: Es läuft – Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD) (Zuruf von der FDP/DVP: Und läuft, und läuft!) Aber der Punkt ist natürlich, dass wir jetzt in den zehn Minu- ten seiner Redezeit keinen einzigen Satz zur eigenen Gestal- in dieser Woche wie geschmiert. tung durch die FDP/DVP für dieses Land gehört haben – keinen einzigen Satz! (Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP) (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen Ich erwähne: Gestern haben wir hier im Plenum die große – Abg. Nicole Razavi CDU: So ist es!) Forstreform verabschiedet. Da fiel mir ein bedeutender Liberaler in der Geschichte (Beifall bei der CDU und den Grünen – Abg. Dr. Deutschlands ein. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: 15!) (Abg. Nicole Razavi CDU: Die gab es! – Zuruf: Den – Ja, 15. – Dann haben wir die Landesstrategie Bioökonomie gab’s mal! Ja! – Gegenruf des Abg. Hans-Ulrich freigegeben – 14. Sckerl GRÜNE: Lange her!) (Beifall bei der CDU und den Grünen – Abg. Dr. – Den gab es. – Er hat mal gesagt: Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das steht da nicht drauf!) Den guten Lotsen erkennt man an der ruhigen Hand und nicht an der lautesten Stimme. Dann haben wir in dieser Woche die Landesbauordnung verabschiedet, haben sie, damit sie umgesetzt werden kann, frei- Das war Hans-Dietrich Genscher. Ich hoffe, er ist weiterhin gegeben. ein gutes Vorbild. (Beifall bei der CDU und den Grünen – Abg. Andre- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen as Stoch SPD: „Verabschiedet“!) – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Er hat aber „ruhige Hand“ gesagt, nicht „eingeschlafene Hand“!) – Ja, natürlich. 13. 5564 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Wolfgang Reinhart)

Wir haben uns über die Eckpunkte zum Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg nutzen, und zwar umfassend und im gan- geeinigt, die jetzt stehen – 12. zen Land.

(Beifall bei der CDU und den Grünen – Lachen bei (Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Insbesondere bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. Dr. Hans- „ella“!) Ulrich Rülke FDP/DVP) Seit 2016 hat der Digitalisierungsminister 1 700 kommunale Wir haben den kommunalen Wohnungsbau freigegeben für Breitbandprojekte gefördert. Ich will wiederholen, dass von die Wirtschaftsministerin – 11. 2011 bis 2016 in diesem Land entsprechende Projekte mit einem Volumen von 53 Millionen € gefördert wurden. Wir sind (Heiterkeit und Beifall bei der CDU und Abgeordne- schon jetzt, nach drei Jahren, mit 400 Millionen € beim Acht- ten der Grünen) fachen. Damit investieren wir in die Zukunft dieses Landes. Ich kann diese Reihe weiterführen (Beifall bei der CDU und den Grünen) (Lebhafte Heiterkeit – Abg. Andreas Stoch SPD: Könnte! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wer es zusammenfassen will: Das ist Heimat und Hightech. Ja?) Das ist unsere Politik. Wir setzen auf die Technologien der Zukunft, damit Baden-Württemberg Innovationsregion Num- mit der inneren Sicherheit, aber jetzt muss natürlich einmal mer 1 in Europa bleibt. der Einschub kommen: Wie steht es eigentlich mit der liberalen Partei? Wo will sie Zukunft gestalten? Ich sage nur eines: Ich erwähne die künstliche Intelligenz, eines der wichtigsten Wer nur von der Ersatzbank zuruft und nicht im Spielfeld ist, strategischen Themen überhaupt, bei dem wir das Land her- sich bei Jamaika-Verhandlungen aber vom Acker macht, hat vorragend aufgestellt haben. Herr Kollege Schwarz hat zu alle Einwände verwirkt – alle Einwände. Recht das Thema „Cyber Valley“ angesprochen. Das, was hier entsteht, ist ein einmaliger Leuchtturm mit weltweiter Strahl- (Lebhafter Beifall bei der CDU und den Grünen – kraft. Jetzt steht fest: Das wird ein spektakulärer Erfolg. Zuruf des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP) (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Pfeifen Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir handeln, wir lösen im Wald!) Probleme, wir gestalten die Zukunft. Insoweit laufen Sie, indem Sie heute keinen einzigen Vorschlag gemacht haben, nur Damit gehen wir übrigens auch in der Mobilität voran. Dazu missgünstig hinterher. So wird in der Politik nicht gestaltet. will ich etwas sagen: Sie sagen, die Koalition würde sich mit dem Verkehrsminister in den Haaren liegen. Kann mir jemand (Beifall bei der CDU und den Grünen) erklären, wie das möglich sein soll?

Als die FDP im Bund noch in Koalitionen war, z. B. als Kanz- (Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Abg. Reinhold Gall ler Schmidt vorn stand, hat dieser einmal den schönen Satz SPD: Eben! Geht ja gar nicht!) gesagt: „Wer zum Kompromiss nicht fähig ist, der ist für die Demokratie ungeeignet.“ Aber ich will schon hinzufügen: Wir haben eine Initiative gestartet für die Batteriezellenforschung, ein 2 000-Ladesäulen- (Abg. Gernot Gruber SPD: Friedrich Ebert!) Programm, Engagement für Wasserstoff, E-Fuels. Das alles sind Zukunftsfragen für das Autoland. Es ist wichtig, dass wir Das wissen wir von ihm. Sein Nachfolgekanzler sagte: „Ent- uns mit diesen Zukunftsfragen beschäftigen, denn die Trans- scheidend ist, was hinten rauskommt.“ formation ist stärker als in den letzten 100 Jahren überhaupt. (Lachen des Abg. Peter Hofelich SPD) Das sind die Zukunftsthemen, mit denen wir uns befassen müssen. Eines ist immer zu sehen: Jede Koalition muss unterwegs ringen. Das ist kein Streit, sondern das Suchen nach der besten (Beifall bei der CDU und den Grünen) Lösung. Nehmen wir die Bildungspolitik: Hier hat diese Koalition ei- (Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Sie suchen und su- ne echte Kurswende für eine beste Bildungsqualität, für den chen und suchen! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich bestmöglichen Bildungserfolg der Kinder durchgesetzt. Wir Rülke FDP/DVP) haben den Lehrerstellenabbau gestoppt, die Realschule ge- stärkt, die Grundschulempfehlung wieder aufgewertet. Wir Zum Schluss brauchen wir den Kompromiss. Natürlich haben fördern Lesen, Schreiben, Rechnen in der Grundschule – ein wir immer wieder Differenzen, aber entscheidend ist: Bei den umfassendes Qualitätskonzept. Nun steht endlich wieder gu- Ergebnissen und Erfolgen kann sich diese Koalition sehen las- ter Unterricht im Mittelpunkt. Das ist doch wichtig für die Zu- sen. Der Koalitionsvertrag ist in großen Teilen abgearbeitet. kunft der Kinder in diesem Land. Wir gehen die Zukunftsthemen mutig und tatkräftig an. (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen Jetzt will ich noch einige weitere Punkte nennen. Nehmen Sie – Zuruf des Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU) die Digitalisierungsstrategie. Wir investieren sogar das Drei- fache dessen, was im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist. Natürlich werden dann noch einige Themen auf der Agenda Wir sorgen dafür, dass wir die Chancen der Digitalisierung in stehen, aber auch diese werden noch weiter behandelt. Ich

5565 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Wolfgang Reinhart) nenne aber ein Thema, zu dem Sie kein Wort gesagt haben: Abg. Bernd Gögel AfD: Frau Präsidentin, meine Damen und Das sind die Finanzen. Wann hat es in der Geschichte des Lan- Herren! Bei dem, was wir von Herrn Schwarz und Herrn Rein- des Baden-Württemberg schon einmal eine Zeit gegeben, hart hier in den letzten Minuten gehört haben, würde sich die Debatte eigentlich erübrigen, (Abg. Bernd Gögel AfD: Gab es schon mal mehr Steuereinnahmen? – Abg. Anton Baron AfD: Weil Sie (Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Dann kön- von der Niedrigzinsphase profitieren!) nen Sie sich ja setzen!) innerhalb der – wie von dieser Koalition – in den ersten drei wenn hier alles so rosig und blumig wäre, wie es dargestellt Jahren 6,3 Milliarden € implizite und explizite Schulden ab- wurde. gebaut worden sind? (Zuruf von der CDU: So ist es auch!) (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Zurufe von der AfD) Ich möchte vielleicht in diesem satirischen Bereich noch einmal beim Fußball bleiben. Ich sage Ihnen: Das, was Sie in die- Ich kann Ihnen nur sagen: Wären Sie am Montag mal zum Be- ser Legislaturperiode an Leistungen hier abliefern, erinnert amtenbund mitgegangen; Kollege Schwarz war dabei. Der öf- mich an meinen Lieblingsverein, den VfB Stuttgart. Er meint fentliche Dienst mit über 250 000 Beschäftigten ist im Mo- auch, er habe die Weichen richtig gestellt und die richtigen ment beruhigt. Er sagt: „Diese Regierung tut was für die Zu- Ergebnisse, die richtigen Leistungen erbracht, und steht im kunft des öffentlichen Dienstes.“ Wir haben die Absenkung Moment – dahin hat er sich gerettet, so, wie Sie auch – auf ei- der Eingangsbesoldung nicht erst nach Jahren, sondern sofort nem Relegationsplatz. Ob der VfB in der ersten Liga verblei- abgeschafft und die Gehälter für junge Beamte wieder auf den ben wird, werden wir in den nächsten Wochen sehen. Ob Sie ursprünglichen Stand gebracht. Die Reduzierung ist aufgeho- das Land Baden-Württemberg in der ersten Liga halten kön- ben worden. nen, daran haben wir die größten Zweifel, meine Damen und Herren. Wir haben vor allem jetzt eine Vereinbarung, nach der der öf- fentliche Dienst in diesem Land ab 1. Januar 2021 8 % mehr (Beifall bei der AfD) Gehalt beziehen wird. Und ich kann hinzufügen: Wir haben Es nützt nichts, einen beliebten Trainer zu haben, der mit Me- Konzepte bis zu Lebensarbeitszeitkonten für einen attraktiven thoden, die vielleicht früher hilfreich und erfolgreich waren, öffentlichen Dienst. das Team führt. Ich denke, Sie müssen in dieser Regierung und in dieser Koalition mehr als den Trainer auswechseln, um Ich will hinzufügen: Nehmen Sie die Kommunen. Wir wer- wieder auf die Erfolgspur zurückzukommen. den nachher unter TOP 2 über die kommunale Selbstverwal- tung sprechen. Wann hat es in der Geschichte dieses Landes (Beifall bei der AfD) schon mal einen kommunalen Sanierungsfonds mit einem Vo- lumen von sage und schreibe 600 Millionen € gegeben? Erst Herr Schwarz, Sie heben hier immer die Erfolge der Koaliti- in diesen drei Jahren unserer Koalition. Das ist doch ein Pri- on hervor; das haben Sie schon vor Monaten und auch heute vileg. wieder getan. Aber dann können Sie sie nicht im Einzelnen aufklären. Was meinen Sie, wo die Erfolge sind? Meinen Sie (Beifall bei der CDU und den Grünen sowie des Abg. die Wahltaktiken, die Sie jedes Mal anzuwenden versuchen? Dr. Rainer Balzer AfD) Ich erinnere nur an die neueste Wahltaktik – das möchte ich Wir haben in dieser Regierung auch ein Leitbild für Europa noch einmal ins Gedächtnis rufen –, an den Windatlas. Der entwickelt, bei dem wir übereinstimmend feststellen: Stutt- Windatlas liegt seit Februar im Ministerium in der Schublade gart ist die Heimat, Baden-Württemberg unser Vaterland, aber und wird von Ihnen bewusst nicht an die Öffentlichkeit ge- die Zukunft wird nur in Europa zu gestalten sein. Hierzu hat bracht, weil er für Unruhe in den Kommunen sorgen würde. die Regierung ein wegweisendes Leitbild auf den Weg ge- Denn bei den Standorten und den Wunschgebieten, die in die- bracht. sem Windatlas stehen, können Sie sich vorstellen, welche Un- ruhen 14 Tage oder vier Wochen vor den Kommunalwahlen (Beifall bei Abgeordneten der CDU und der Grünen) entstehen. Das könnte Ihre tollen Ergebnisse dort gefährden. Deshalb wird das – man höre und staune – am 29. Mai be- Kurzum: Dies alles dient der Zukunft unseres Landes. Unse- kannt gegeben. So ein Zufall, drei Tage nach den Wahlen. re Kommunen stehen sehr gut da. Wir sichern mit unserer Po- litik Chancen auf den Wohlstand von morgen. Wir investie- Wahltaktiken sind kurzsichtig und führen vielleicht auch kurz- ren in die Zukunftsfähigkeit Baden-Württembergs, und wir fristig zu Erfolg. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht. Bei stellen damit die Weichen, damit unser Land weiterhin die dieser Koalition, meine Damen und Herren, wussten wir schon Topregion, die Nummer 1 in Europa bleibt. Darum geht es vor drei Jahren: Was nicht zusammenpasst, was nicht kompa- und nicht um Kritik. tibel ist, das wird auch dauerhaft nicht zusammenfinden. (Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei Ab- (Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Gilt das geordneten der Grünen – Bravo-Rufe von der CDU) auch für Ihren Fraktionsvorstand?) Präsidentin Muhterem Aras: Das Wort für die AfD erteile Das wird dauerhaft nicht passen. Das wird auch nach dem En- ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Gögel. de dieser Legislaturperiode, wenn die Koalition denn bis 2021 5566 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Bernd Gögel) hält, nicht passen. Es war ein Experiment. Ich denke, alle kon- rung und zum Abbau der Arbeitsplätze in unserem Land füh- servativen Menschen in diesem Land hoffen, dass sich solche ren werden. Experimente in diesem Land nicht wiederholen. (Minister Winfried Hermann: „Deindustrialisierung“!) (Beifall bei der AfD) Damit komme ich wieder zu dem sicheren Abstieg in die zwei- Wir haben vor einigen Tagen bei einer Podiumsdiskussion hier te Liga zurück. im Plenum zwischen Europaabgeordneten und Schülern Ihre Ansichten zu Ihren Versprechungen gehört. Dort wurde Ihrem (Beifall bei der AfD) Europakandidaten die Frage gestellt, warum Mottos, die auf Die Grünen möchten gern eine CO2-Steuer einführen. War- den Wahlplakaten stehen, nicht umgesetzt werden. Er sagte: um? Das sollte jedem Bürger klar sein: um ebendiese Projek- Auf Wahlplakaten kann man viel versprechen, bis der Tag lang te voranzubringen und den Verbrennungsmotor zu verbieten, ist. zu vernichten. Der CDU-Landesvorsitzende Strobl ist hinge- gen der Meinung, dass man bessere Instrumente als die CO - War Ihr Koalitionsvertrag auch nur ein Wahlplakatverspre- 2 chen? Denn bis heute haben Sie davon nicht viel umgesetzt. Steuer finden sollte. Recht hat er, aber er hat noch keine Es war auch nur ein Hochglanzprospekt. Denn über Neben- Ideen dazu geliefert. abreden, die nicht in dem Vertrag standen, haben wir hier im (Heiterkeit des Abg. Anton Baron AfD) Parlament schon viel diskutiert. Vielleicht haben wir auch noch gar nicht alle gehört. Doch wenn ich solche Aussagen Man weiß das im Moment nicht so ganz genau. Aber was ver- über Wahlplakate höre, dann kann ich mir auch den Gehalt birgt sich denn hinter der CO2-Steuer, meine Damen und Her- dieses Koalitionsvertrags ungefähr vorstellen. ren? Hier muss die AfD auch wieder für Aufklärung sorgen. (Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE) (Lachen bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP) Ihre neuesten Dissensthemen haben wir gestern hier wieder selbst erlebt. Das ist nicht das Neueste. Die unterschiedlichen Die CO2-Steuer – das sagen Sie doch Ihren Bürgern nicht –, Vorstellungen und Ansichten über Infrastruktur und Verkehrs- die mittlerweile als „gretaische Klimawandelphobiesteuer“ zu politik ziehen sich schon eine ganze Zeit hin. bezeichnen ist,

Zu Ihrer nachhaltigen Finanzpolitik kann ich Ihnen sagen: Vor (Heiterkeit und Beifall bei der AfD) einigen Tagen wurde die Volkswagen-Tochter Porsche zu einer Strafe von 535 Millionen € verurteilt, die sie an das Land ist nichts anderes als eine erhebliche Zusatzbelastung der Bür- zu bezahlen hat. Das Papier, auf dem das Urteil steht, war ger beim Kauf von Benzin, Heizöl, Gas und Strom, meine Da- noch nicht einmal trocken, da haben die Grünen schon erklärt, men und Herren. Das können Sie auch – wenn Sie sich ehr- dass sie das Geld hier sofort in Maßnahmen für den Ausbau lich machen – mit einer allgemeinen Steuererhöhung errei- der E-Mobilität und Ähnliches vervespern – so war dann auch chen; da brauchen Sie nicht diese Klimasteuer einzuführen. der Vorwurf der CDU – wollen. Im Koalitionsvertrag steht etwas ganz anderes. Dort steht, Sie Die CDU hat hier noch restkonservative Ansichten geäußert, möchten den Bürgern über diese Legislaturperiode Energie indem sie gesagt hat: „Wir wollen dieses Geld zunächst ein- preisgünstig anbieten. Was Sie unter preisgünstig verstehen, mal zurückhalten, und vielleicht haben wir in diesem Jahr ja sehen wir aktuell auch an den Kilowattstrompreisen. auch – das wäre eine große Überraschung – deutlich geringe- Die Unglaubwürdigkeit in Ihren Grundaussagen kennt keine re Steuereinnahmen als prognostiziert und als sie sich im Grenzen mehr, meine Damen und Herren. Die Dieselfahrver- Haushalt niedergeschlagen haben.“ Das waren tatsächlich bote, die zurzeit sicher alle Menschen im Land bewegen, sind noch konservative Anschauungen von Herrn Mack. Ich möch- ein Dauerthema. Nur seltsam: Die CDU protestiert seit Mo- te ihn hier auch loben. naten in Stuttgart gegen diese Fahrverbote, und die Grünen wollen die wohlfälligen Gerichtsurteile umsetzen, die sie (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Karriere- selbst mit Ihrer Vorfeldorganisation DUH, der schon längst schub!) die Gemeinnützigkeit hätte abgesprochen werden müssen, he- Denn sofort solche Strafzahlungen zu nehmen und damit raufbeschworen haben. Haushaltslöcher zu stopfen ist die typisch links-grün orien- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) tierte Politik. Das Zweckbündnis hält; die Gründe dafür müssen Sie hier Die Entwicklung der E-Mobilität hierzulande mit Einnahmen selbst vortragen. Wir sehen keine Gründe, warum dieses aus Bußgeldern voranzubringen und mit dem quasi erpress- Bündnis weiter zusammenhalten sollte. ten Geld die sogenannte Zu-Fuß-Mobilität (Beifall bei Abgeordneten der AfD) (Heiterkeit des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD) Denn zum Wohle der Bürger ist dieses Bündnis nicht zusam- mit Busspuren, X2-Bussen und Ähnlichem zu finanzieren, das mengekommen und hat auch nichts bewirkt. sind tatsächlich Ihre nachhaltigen und zukunftweisenden Vor- stellungen für Baden-Württemberg, die zur Deindustrialisie- (Lachen des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE)

5567 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Bernd Gögel)

Sie halten mit aller Mühe – damit komme ich zum Schluss me, es sei möglich, sich das politische Feld ein bisschen nach und schließe den Bogen – diesen Relegationsplatz. In einigen politischen Präferenzen aufzuteilen, jeder der beiden Partner Bereichen sind Sie schon abgestiegen, wie z. B. im Bereich könne sein „Wiesle“ bearbeiten, und danach würde das Land der Bildung. strahlen. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Ich kann Ihnen sagen, sowohl bei Herrn Kollegen Schwarz von den Grünen als auch bei Herrn Kollegen Reinhart von der In anderen Bereichen, bei Ihrem Zukunftsprojekt Umwelt und CDU wurde eines deutlich: Mehr als heiße Luft und Phrasen bei der Verminderung des CO2-Ausstoßes, sind Sie bereits in kommen bei dieser Komplementärkoalition nicht heraus, lie- der dritten Liga. Da sind Sie selbst in Deutschland Schluss- be Kolleginnen, liebe Kollegen. licht – entgegen Ihren hier vorgebrachten nachhaltigen und zukunftsfähigen Reformen, die Sie hier umsetzen möchten. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP/ DVP sowie Abgeordneten der AfD) Ich sage Ihnen: Machen Sie Schluss, verzichten Sie freiwillig auf den weiteren Verbleib in der ersten Liga. Steigen Sie frei- Wenn sich der Kollege Schwarz hier darüber freut, dass drau- willig ab, und kommen Sie mit neuen Trainern und neuen ßen alles grünt, dann muss ich Ihnen, Herr Schwarz, bedau- Spielern wieder zurück in die erste Liga. erlicherweise sagen: Es würde auch grünen, wenn es keine Grünen gäbe. Es ist nämlich schlicht Frühling. Danke. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP/ (Beifall bei der AfD) DVP sowie Abgeordneten der AfD) Präsidentin Muhterem Aras: Für die SPD erteile ich Herrn Herr Kollege Reinhart, Sie haben sich so unglaublich über die Fraktionsvorsitzenden Stoch das Wort. Leistung der Landesregierung gefreut, was das Schuldentil- gen angeht. Wenn Sie sich die Entwicklung der Einnahmen Abg. Andreas Stoch SPD: Frau Präsidentin, liebe Kollegin- der öffentlichen Kassen, auch des Landes anschauen und wenn nen, liebe Kollegen! Eigentlich müsste eine Debatte über den Sie sich dann noch anschauen, was in der Landeshaushalts- Zustand dieser Regierungskoalition ein Fest für die Opposi- ordnung steht – das ist ein Gesetz, an das sich auch diese Re- tion sein. Ich sage Ihnen aber ganz ehrlich: Allmählich ist mir gierung halten sollte –, dann sehen Sie: Da steht nichts ande- nicht mehr zum Feiern zumute. res, als dass diese Landesregierung zur Schuldentilgung ge- Ich möchte mit einem Bild beginnen, das vielleicht illustriert, zwungen ist. Stellen Sie doch nicht Leistungen der Menschen wie diese Landesregierung arbeitet und was sie für dieses im Land als Ihre Leistungen dar, liebe Kolleginnen, liebe Kol- legen. Land leistet oder, vielleicht doch besser, nicht leistet. Der eine oder andere von uns, insbesondere aus den Reihen der Lan- (Beifall bei der SPD und der FDP/DVP) desregierung, war in den letzten Tagen auf dem Frühlingsfest. Dort stehen viele Fahrgeschäfte. Da blinkt und blitzt es, Ich kann es mir eigentlich sparen, all diese Punkte noch ein- manchmal gibt es auch künstlichen Rauch, es scheppert, und mal aufzuzählen, dann geht es rauf und runter und hin und her. Es gibt auch viel Geschrei – wie gestern Abend hier im Plenarsaal zwischen (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Genau! Sparen Sie CDU und Grünen. Am Ende hält dieses Fahrgeschäft wieder es sich doch!) an, und man steigt genau da aus, wo man eingestiegen ist. Man ist bei all dem Rummel keinen einzigen Meter vorangekom- bei denen sich diese Regierung eben nicht einig ist, nicht grün men. oder auch schwarz sieht. Es werden sogar schon Listen ge- führt – eine liegt bereits hier. Diese Koalition streitet z. B. in (Abg. Nicole Razavi CDU: Die SPD wäre froh, wenn der Bildung um Ganztagsbetreuung, um Ganztagsschulen. sie dort aussteigt, wo sie eingestiegen ist!) Nicht allein um die bessere Vergütung von Schulleiterinnen und Schulleitern findet man keine Einigung. Die Schulverwal- Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist auf dem Volksfest in tungsreform oder das Debakel um die Bildungsplattform der Ordnung, aber für eine Landesregierung ist das furchtbar. Kultusministerin, all das sind Bankrotterklärungen für eine Landesregierung. (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP) (Beifall bei der SPD und der FDP/DVP – Zuruf: Es ist auch Ihre Plattform!) Das mag auf dem Volksfest in Ordnung sein – Das Weitere und Schlimme – Sie haben gefordert, dass hier (Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP) auch Vorschläge gemacht werden –: oder im Bierzelt, wo Sie auch gern sind. Aber für eine Lan- (Zuruf von der CDU) desregierung ist das als Bilanz eben nur Geschrei, und am En- de ist man genau dort, wo man vorher war. Hier wurde das Thema Fahrverbote angesprochen. Dieses Thema ist für viele Menschen in diesem Land höchst relevant, Das Grundproblem dieser Koalition – Herr Kollege Rülke hat und zwar für die Menschen, die Fahrzeuge besitzen und auf es einleitend angesprochen – ist schon der Konstruktionsfeh- ihre Fahrzeuge angewiesen sind, ler, nämlich – wie es der Ministerpräsident tat – von einer Komplementärkoalition zu sprechen, also der irrigen Annah- (Zuruf von der AfD: Ja!) 5568 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Stoch) aber auch für viele Menschen, die in der Fahrzeugproduktion (Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU) ihr Geld verdienen. Jetzt schauen wir uns das Ergebnis der Po- litik dieser Landesregierung an. – Blöken Sie nicht rein. – Über Jahrzehnte hat die CDU ver- hindert, dass sozialer Wohnraum in Baden-Württemberg ent- (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Sehr gut! stehen konnte. Dieser Wohnraum fehlt heute in Baden-Würt- Genau!) temberg.

Die Menschen sind in höchstem Maß verunsichert, weil die- (Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU, u. a. se Landesregierung zu keiner klaren Linie fähig ist, um die- Abg. Karl-Wilhelm Röhm: Schmid war der Woh- sen Menschen z. B. durch eine Hardwarenachrüstung eine Per- nungsminister!) spektive zu geben. Gleichzeitig fallen die Absatzzahlen im Kfz-Bereich. Das heißt, die Automobilindustrie in Baden- Eine Detailfrage wie die Novellierung – – Württemberg verkauft weniger Fahrzeuge, weil beispielswei- (Unruhe) se ein Ministerpräsident ständig vom „dreckigen Diesel“ fa- buliert. Präsidentin Muhterem Aras: Moment, Herr Abg. Stoch! – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Abg. Stoch hat das Meine sehr geehrten Damen und Herren, wer das tut, bringt Wort. dieses Land in eine Schieflage und nicht nach vorn. (Abg. Nicole Razavi CDU: Der schreit ja so!) (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ DVP) Ich bitte Sie um mehr Ruhe.

Dahinter bleibt dann ein wichtiger Punkt leider zurück. In der (Unruhe) Hakelei um Dieselfahrverbote – lege ich Rechtsmittel gegen Gerichtsentscheidungen ein oder nicht? – wird vergessen, dass Wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, melden Sie sich, die Zukunft der Mobilität eines der wichtigsten Zukunftsthe- und dann entscheidet Herr Abg. Stoch, ob die Zwischenfrage men in diesem Land ist. Leider hat jedoch diese Landesregie- zugelassen wird oder nicht. – Danke. rung – und so funktioniert keine Komplementärkoalition, Herr Abg. Andreas Stoch SPD: Über eine Detailfrage wie die No- Ministerpräsident – aus Grünen und CDU keinen Kompass. vellierung der Landesbauordnung geht der Streit jetzt über Wir brauchen nämlich Antworten für die Menschen in der Zu- drei Jahre. Gleichzeitig wissen wir, dass wir bis zum Jahr 2025 kunft, und zwar in 15, 20 Jahren. In Ballungsräumen wie in Baden-Württemberg 500 000 neue Wohnungen haben müs- Stuttgart wird wahrscheinlich nicht der Individualverkehr die sen. Lösung aller Probleme sein. Gleichzeitig haben wir aber länd- liche Räume, in denen die Menschen noch lange Zeit genau (Zuruf des Abg. Raimund Haser CDU) darauf angewiesen sind. Von dieser Landesregierung habe ich noch keinen einzigen (Vereinzelt Beifall bei der AfD und der FDP/DVP) Vorschlag gehört, der den Menschen die Perspektive gibt, in Baden-Württemberg Wohnungen zu finden oder gar bezahl- Wir brauchen ein in sich schlüssiges Mobilitätskonzept. Sie baren Wohnraum zu finden. haben gegensätzliche Ideologien; Sie werden nie zu gemeinsamen Lösungen für dieses Land Baden-Württemberg kom- (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Das stimmt doch men. überhaupt nicht!)

(Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der AfD Sie ignorieren die Probleme und Nöte der Menschen in die- und der FDP/DVP – Zurufe der Abg. Nicole Razavi sem Land, meine sehr geehrten Damen und Herren. CDU und Carola Wolle AfD) (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ Man kann natürlich auch auf Fragen der inneren Sicherheit DVP) eingehen: Polizeigesetzänderung, Blockade einer weiteren Präsidentin Muhterem Aras: Herr Abg. Stoch, lassen Sie ei- Änderung, Verlängerung des vorbeugenden Polizeigewahr- ne Zwischenfrage der Frau Abg. Wolle ... sams, Einsatz von Bodycams, Streit um Drogenkonsumräu- me. Wie sieht es mit Aufenthaltsrechten abgelehnter Asylbe- Abg. Andreas Stoch SPD: Nein. werber aus? Keinerlei Schnittmengen zwischen diesen Part- nern. Präsidentin Muhterem Aras: ... und danach eine Zwischen- frage des Herrn Abg. Dr. Fiechtner zu? (Abg. Thomas Blenke CDU: Hä? – Zuruf des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE) Abg. Andreas Stoch SPD: Nein. – Wie diese Koalition miteinander umgeht, ist aber auch eine Stilfrage. Beispiel Lan- Aber das Schlimme ist auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, desbauordnung: Letzten Mittwoch sollte wohl offensichtlich dass Sie in der Art, wie sich diese Landesregierung präsen- von der Wirtschaftsministerin, die ja auch für das Thema Woh- tiert, eigentlich jeder Beschreibung spotten. Schauen Sie sich nungsbau zuständig sein soll, ein Pressestatement abgegeben mal die Diskussion um die Landesbauordnung an. Wir haben werden. Dieses Pressestatement musste aber auf Intervention in Baden-Württemberg ein akutes Problem, was das Thema des Staatsministeriums kurzfristig abgesagt werden, weil of- Wohnraum, vor allem bezahlbaren Wohnraum, angeht. fensichtlich das grüne Staatsministerium dem schwarzen Woh-

5569 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Stoch) nungsbauministerium diesen Erfolg nicht gönnen wollte. Wer Aber wenn Sie in dieses Land schauen, sehen Sie einen gan- derart foul spielt, der kann doch die Menschen im Land nicht zen Berg von Aufgaben, und diese Aufgaben wollen bearbei- glauben machen, dass diese Regierung funktioniert, liebe Kol- tet und erledigt werden. Baden-Württemberg muss vorankom- leginnen und Kollegen. men. Also bauen Sie endlich Ihre Fahrgeschäfte ab, lassen Sie das grün-schwarze Preisboxen sein, und wenn Sie nicht mehr (Beifall bei der SPD und der FDP/DVP) können, als sich im Kreis zu drehen, dann sind Sie fehl am Platz, dann gehören Sie nicht in die Regierung, sondern aufs Natürlich darf man in einer Partei diskutieren und um den Volksfest. richtigen Weg ringen. Man darf sich natürlich auch offen streiten. Wenn es aber um das Finden von Lösungen geht, dann ist Herzlichen Dank. es doch sehr erstaunlich, wenn Mitglieder der einen Regie- rungspartei ein Mitglied der anderen Regierungspartei gar ins (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP Kittchen wünschen, wenn Mitglieder der einen Partei die an- – Abg. Thomas Blenke CDU: Opposition ist Ihre dere Partei als „Ökostalinisten“ beschimpfen und wenn die Kernkompetenz!) Regierung selbst bei einer Einigung dann noch über die eigenen Füße stolpert, wie gerade bei der Landesbauordnung be- Präsidentin Muhterem Aras: Für die Landesregierung er- schrieben. Man sucht Professionalität, doch man findet nur teile ich das Wort Herrn Ministerpräsident Kretschmann. Profilneurosen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Frau Präsiden- (Zuruf des Abg. Karl Klein CDU) tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Rülke, Sie haben Musil zitiert: Da geht es in dieser Koalition eben nicht um die Sache, sondern nur noch um Reizworte. Da gibt man sich die Hand nur Es ist das Sicherste, einen Unsinn zu sagen: Irgendwann noch, um sofort zum Armdrücken anzusetzen. geschieht er! (Heiterkeit des Abg. Andreas Glück FDP/DVP) Jetzt lese ich Ihnen einmal ein paar Überschriften der Aktuel- len Debatten vor, die die Opposition hier beantragt hat. Herr Kollege Reinhart, wenn Sie hier erzählen, dass das alles so wunderbar und gut laufe, dann wünsche ich Ihnen für die SPD: „Die Finten der Ministerin – wie Frau Eisenmann mit nächsten zwei Jahre in dieser Harmoniekoalition noch ganz unseren Lehrkräften umgeht“, „Minister Strobls Halbzeitbi- viel Spaß. lanz: Pleiten, Pech und Pannen – Freiburg ist nur die Spitze des Eisbergs“, „Der grün-schwarze Stuhlkreis – therapieren (Heiterkeit der Abg. Winfried Mack und Dr. Wolf- statt regieren“, „Der grüne Verkehrsminister – Bremsklotz für gang Reinhart CDU) die Zukunft unseres Landes“, „Grün-schwarze Chaostage“, Ich sehe nicht, dass die CDU in diesem Team mit den Grünen (Abg. Rainer Stickelberger SPD: Stimmt alles!) irgendein Problem dieses Landes lösen wird; ebenso sehe ich bei den Grünen nicht, wie sie, wenn sie ihre ideologischen Po- und gestern wurde der von der SPD eingebrachte Antrag sitionen behalten, irgendein Thema mit der CDU gemeinsam „Grün-schwarze Landesregierung: Endstation direkte Demo- lösen wollen. kratie“ beraten. Draußen demonstrieren Schülerinnen und Schüler z. B. für ei- (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ist so! – Abg. Gabi ne Rettung des Klimas. Darauf sollte man als Landesregie- Rolland SPD: Ja! Genau so!) rung vielleicht reagieren. Die CDU lädt die Teilnehmer zum Gespräch und bleibt mutterseelenallein vor dem Haus der Ab- FDP/DVP: „Falsches Spiel von Minister Hermann? – Mit Sa- geordneten. lamitaktik zu Dieselfahrverboten“, (Abg. Nicole Razavi CDU: Stimmt doch nicht!) (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, genau!) Die Grünen haben nichts Besseres zu tun, als dies über die so- „Ist der Innenminister ein offenes Sicherheitsrisiko?“ zialen Medien zu posten und sich in den sozialen Medien über (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja! – Bei- ihren eigenen Koalitionspartner lustig zu machen. fall des Abg. Daniel Rottmann AfD) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wieder hat’s ein biss- usw. usf. chen geraucht, wieder hat’s ein bisschen gescheppert. Für den Klimaschutz hat’s wieder überhaupt nichts gebracht. Also, Musil hat gesagt: (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ Es ist das Sicherste, einen Unsinn zu sagen: Irgendwann DVP) geschieht er! Dieses Land braucht eben eine Regierung, die handelt, die Dieses Zitat geht wie folgt weiter: Probleme löst, die regiert und sich nicht abreagiert. Für Grundsatzkritik ist die Opposition zuständig. Wenn Ihnen die- Es genügt, eine Dummheit auf den Markt zu werfen. se Rolle lieber ist, dann gehen Sie doch in die Opposition. (Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. (Abg. Thomas Blenke CDU: Das können Sie besser!) Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, ja!) 5570 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Ministerpräsident Winfried Kretschmann)

So weit zu Musil. Wir haben gerade erläutert, dass das der Fall ist.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Was wollen (Beifall bei den Grünen und der CDU) Sie jetzt damit sagen? – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD) Koalitionen sind zuweilen schwierig. Das kann man nicht bestreiten. Der Grund ist ganz einfach: Es koalieren dummer- – Ich will damit sagen: Irgendwann sollte man von einer Op- weise unterschiedliche und verschiedene Parteien, Herr Rül- position mehr erwarten als nur solche Überschriften. ke.

(Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, ja, das Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Als von der Regie- hat man gemerkt!) rung! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wenn uns die Re- gierung hierzu Gelegenheit gibt, machen wir das Das ist der Grund dafür. Wenn man das aber gar nicht will und gern!) wenn man keine Verantwortung übernehmen möchte, wie Sie und Lindner das gemacht haben, dann kommt man natürlich Die beiden Vorsitzenden der Regierungsfraktionen haben in auch gar nicht in diese Situation. Dann kann man es sich in überzeugender Weise dargelegt, was diese Koalition auf den der Opposition nett einrichten und starke Sprüche von sich Weg gebracht hat, seit sie regiert – geben. Das haben Sie heute wieder umfänglich gemacht.

(Abg. Gerhard Kleinböck SPD: Mich hat es nicht (Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. überzeugt!) Timm Kern FDP/DVP: Aber Sie kennen schon die Situation in Rheinland-Pfalz und Schleswig-Hol- getragen von den beiden Regierungsfraktionen. Herzlichen stein?) Dank dafür. Ich kann das im Kern eigentlich nur wiederholen. (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Aha! – Zu- Ich möchte aber auch mal sagen: ruf des Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU) (Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Die Inhalte müssen Diese Koalition arbeitet erfolgreich. Sie hatte einen schwie- halt stimmen!) rigen Start. Alles, was hier geschieht, kann doch gar nicht so schlecht sein, (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Und hat wie Sie es darstellen. Es könnte doch gar nicht sein, stark nachgelassen!) (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Fakten!) Es war wirklich so, dass wir uns nicht gesucht haben und finden mussten. Sie, Herr Rülke, waren noch nicht einmal dazu dass die Regierung in der Bevölkerung solche Zustimmungs- bereit, Sondierungsgespräche zu führen. werte hinsichtlich der Zufriedenheit bekommt, wenn das, was Sie hier erzählen, auch nur im Ansatz stimmen würde. Das (Beifall bei den Grünen und der Staatssekretärin kann überhaupt nicht sein. Wenn es aber so wäre, hätten Sie Friedlinde Gurr-Hirsch – Zuruf von den Grünen: So als Opposition kläglich versagt. Denn dann wäre es Ihnen of- ist es! – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: fensichtlich nicht gelungen, das in der Bevölkerung bekannt Doch, dazu waren wir bereit! – Abg. Dr. Timm Kern zu machen. FDP/DVP: Doch!) (Beifall bei den Grünen und der CDU) – Nein. Sie haben damals ausdrücklich betont, dass es keine Sondierungsgespräche sind, sondern nur Gespräche über die Schauen wir die Kennzahlen in diesem Land einmal nüchtern Situation im Land. Sie gehören in der FDP halt zu denen, die an – diese sprechen eine eindeutige Sprache –: Die Zahl der „lindnern“. Das ist inzwischen ein geflügeltes Wort. Beschäftigten im Land ist so hoch wie noch nie in der Ge- schichte von Baden-Württemberg. Wir haben so wenige Ar- (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen und Abgeord- beitslose wie seit über einem Vierteljahrhundert nicht mehr. neten der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiecht ner [fraktionslos]) (Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP) Wir haben diese Verantwortung übernommen. Wir mussten In kaum einem anderen Bundesland ist das Pro-Kopf-Einkom- eigene Befindlichkeiten zurückstellen, um Verantwortung für men so hoch wie bei uns. Baden-Württemberg ist Innovations dieses Land zu übernehmen. Das haben wir gemacht. Wahlen europameister, und hier besteht das geringste Armutsrisiko in sind für uns kein Spiel. Der Kompromiss ist für uns keine De- der Republik. Nirgendwo in Deutschland sind so viele Men- mütigung, weil wir uns um das Land kümmern. schen ehrenamtlich tätig wie bei uns. Natürlich gibt es in einer Koalition Konflikte. Man muss auch Da kann doch keine Spur von Blockade sein. Es gibt offen- Durststrecken überwinden – wir hatten eine zwischen Weih- sichtlich jede Menge Dynamik. Hier bewegt sich richtig was. nachten und Ostern. Das wird niemand bestreiten. Es gibt auch Das zeigt doch, dass die Landesregierung offensichtlich nicht Blockaden. Entscheidend ist aber, ob man die Blockaden auf- alles falsch gemacht haben kann. Das zeigt die nüchterne Ana- lösen will und aufgelöst bekommt. lyse des Istzustands. (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, ja!) (Beifall bei den Grünen und der CDU)

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Jetzt schauen wir uns die zentralen Zukunftsfragen an. Ers- Die Digitalisierung soll den Menschen dienen, soll unser Le- tens: Die digitale Revolution und der rasante technologische ben verbessern. Sie ist für uns eine Gestaltungsaufgabe und Wandel kein Schicksal, das uns einfach überkommt. Gerade in diesem Kernbereich arbeitet die Koalition hervorragend zusammen, (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Haben wir alles verschlafen!) (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Hoffen wir!) fordern unsere wirtschaftliche Stärke heraus. Zweitens: Kli- mawandel und Artensterben bedrohen unseren Planeten. und ich bin wirklich froh und glücklich darüber. Ich kann es nicht anders als mit diesem Pathos sagen. (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Angst- szenarien!) (Beifall bei den Grünen und der CDU) Drittens: Der Zusammenhalt der Gesellschaft bröckelt. Ge- Das Gleiche gilt für die Zeitenwende beim Auto. Wir tun al- nau diese Zukunftsaufgaben stehen im Mittelpunkt unserer les dafür, dass das Auto der Zukunft in Untertürkheim, Zuf- Arbeit. Das ist unsere Systematik: Zusammenhalt, Innovati- fenhausen und Sindelfingen vom Band rollt. on und Nachhaltigkeit. Das treibt uns um. (Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD) (Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Dr. Deshalb haben wir alle Beteiligten an einen Tisch geholt und Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Zu spät und Angst!) einen Strategiedialog gestartet – ein Format, das es noch nie gab, das jetzt alle kopieren, z. B. in Bayern und Niedersach- Beim Thema Innovation erleben wir nämlich nichts anderes sen. Auch für den Bund hat es Andrea Nahles gefordert. Das als die Neuvermessung der Welt – rasend schnelle Innovati- zeigt: Wir sind in dieser wichtigen Zukunftsfrage Vorreiter. onszyklen, das Umpflügen ganzer Wirtschaftsbereiche. Und Wir treiben die Schlüsseltechnologien voran: 2 000 neue da sitzen wir, die Landesregierung, weiß Gott nicht hinter dem Stromtankstellen, alle 10 km eine Ladesäule – das ist einzig- Ofen. Als europäischer Innovationsführer wissen wir genau, artig in Deutschland –, Testfeld Autonomes Fahren in Karls- was in einer solchen Situation von uns erwartet und gefordert ruhe, Offensive bei der Batterietechnologie. wird. Während andere bei der Digitalisierung die Zügel schlei- fen lassen, sind wir hellwach und bringen die Dinge voran. Zum Stichwort Handlungsfähigkeit: Selbst in den Osterferi- en, in denen das Kabinett gar nicht tagt, haben wir im Um- (Beifall bei den Grünen und der CDU – Zuruf von laufverfahren den Grünen: Bravo!) (Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist eine Leistung!) Wir sind die erste Landesregierung mit einer umfassenden Di- gitalisierungsstrategie. Ende letzten Jahres kam noch eine zu den 100 Millionen €, die wir im Nachtrag schon beschlos- Strategie für künstliche Intelligenz dazu, die Minister Strobl sen haben, noch einmal 80 Millionen € freigestellt, damit wir, und ich der Bundeskanzlerin vorgetragen haben. Sie war wenn der Bund mit den Vorschlägen kommt, sofort handlungs- durchaus davon beeindruckt. Wir haben vereinbart, dass da- fähig sind, in die Startlöcher gehen können und die Kofinan- zu Mitte Januar ein Gespräch stattfindet. Leider hat es noch zierung aufbringen können. Daran sieht man, dass diese Ko- nicht stattgefunden. An uns liegt es aber wahrlich nicht. Wir alition hochgradig handlungsfähig ist, wenn es um sehr wich- sind bestens aufgestellt. tige und zeitlich eilige Dinge geht. Das hat sie damit ganz klar bewiesen. Minister Strobl investiert Jahr für Jahr 100 Millionen € in das Glasfasernetz. Erfolg: 83 % der Haushalte in unserem Land (Beifall bei den Grünen und der CDU) haben inzwischen ein schnelles Internet. Mit dem Cyber Val- ley haben wir den führenden Forschungsverbund für künstli- Das ist also konkrete Zukunftspolitik. che Intelligenz in Europa geschaffen. Wir haben Informatik- (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Meine unterricht an allen weiterführenden Schulen eingeführt, eine Güte!) Weiterbildungsoffensive für die digitale Arbeitswelt gestartet, und in Stuttgart und Ulm sitzt der europäische Hotspot der Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren, wenn wir unseren Kin- Quantentechnologie, die nicht morgen, aber übermorgen zu dern und Enkeln einen lebenswerten Planeten hinterlassen einer neuen technologischen Revolution führen wird. wollen. Deshalb handeln wir entschlossen, und noch nie hat eine Landesregierung so viel für die ökologische Modernisie- Also, Herr Rülke, mit poppigen Slogans wie „Digital first. Be- rung, den Klimaschutz und die biologische Vielfalt getan. Wir denken second.“ kommt man bei der digitalen Revolution schreiben ja das Klimaschutzgesetz fort. Das gibt es schon. nicht weit. Es braucht entschlossenes Handeln und eine klare Haltung. (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Dem haben wir alle zugestimmt!) (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) Das möchte ich noch einmal betonen: Wir schreiben es fort. Präsidentin Muhterem Aras: Herr Ministerpräsident, lassen Wir bauen die erneuerbaren Energien aus – mit dreimal so viel Sie eine Zwischenfrage des Abg. Karrais zu? Strom aus Windkraft wie zu Beginn des Jahrzehnts. Bei der Energieeffizienz sind wir Spitzenreiter in Deutschland. Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Nein, jetzt rede ich erst einmal noch im Zusammenhang. (Zuruf des Abg. Andreas Glück FDP/DVP) 5572 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Ministerpräsident Winfried Kretschmann)

Darauf dürfen wir besonders stolz sein, denn das zeigt, dass Wir achten Gesetze und Urteile, und wir tun alles, um für sau- die Wirtschaft im Land bei diesem wichtigen Thema mitzieht. bere Luft zu sorgen und gleichzeitig weitere Fahrverbote zu vermeiden. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das tun Wir treiben mit unserem neuen Thinktank zur Ressourcenef- Sie doch gerade nicht!) fizienz, einem außerordentlich erfolgreichen Projekt, die öko- logische Modernisierung der Wirtschaft voran. Mit dieser Linie fahren wir gut. Die Luft in Stuttgart wird immer sauberer. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir um International übernehmen wir Verantwortung mit der „Under2 flächendeckende Fahrverbote für Euro-5-Diesel herumkom- Coalition“, einem weltumspannenden Bündnis für Klima- men. schutz – über 220 Regionen, die 1,3 Milliarden Einwohner re- präsentieren, mit einem Drittel der weltweiten Wirtschafts- Was es mit dieser Koalition allerdings nicht geben wird, Herr kraft. Wir denken dabei auch an die zweite große ökologische Rülke: Wir achten den Rechtsstaat, und wir halten uns auch Krise, nämlich das Artensterben. Wir haben ein bundesweit an Urteile, die uns nicht passen. Das muss wirklich klar sein; einmaliges Programm für den Erhalt der biologischen Vielfalt alles andere würde den Rechtsstaat infrage stellen. Ich kann auf den Weg gebracht. nur noch einmal Gerhart Baum zitieren:

Auch die nachhaltige Mobilität treiben wir entschlossen vor- Wer die Gewaltenteilung für einen kurzfristigen politi- an, beispielsweise mit dem neuen bwtarif, der im Dezember schen Vorteil im Dieselstreit aufs Spiel setzt, der gefähr- an den Start ging. Damit fahren Sie mit nur einem Ticket det den Rechtsstaat. durch ganz Baden-Württemberg, durch 22 Verkehrsverbünde, und zwar für weniger Geld – minus 25 %. Das hört sich alles (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU einfach an – aber setzen Sie so etwas erst mal durch! Es hat – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Wir ha- in der Tat lange gedauert, weil viele Partner mit am Tisch sa- ben doch gar keine Gewaltenteilung!) ßen, aber es ist am Ende gut gelungen, und wir haben es durchgesetzt, für die Fahrgäste und für den Klimaschutz. Wir haben dann einen Knopf drangemacht

(Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) (Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions- Wenn ich das hinzunehme, was die beiden Vorsitzenden der los]) Regierungsfraktionen bereits dargelegt haben, dann sieht je- und sind jetzt in der Umsetzungsphase. der: Wir haben in diesen drei Jahren richtig viel auf die Ket- te bekommen. Wir hatten, wie gesagt, eine Durststrecke; das Wir haben daneben weitere wichtige Projekte auf den Weg ge- will ich nicht verhehlen. Man muss sehen: Das Thema Luft- bracht – ich wiederhole die Stichworte noch einmal –: das Eu- reinhaltung war auch eine enorme Belastungsprobe für die ropaleitbild, Grundsätze der Einigung für den islamischen Re- Koalition. In einem solchen Konflikt geht es um ganz wichti- ligionsunterricht, Forstreform, Einigung bei der Luftreinhal- ge Güter: saubere Luft, Schutz der Gesundheit, freie Mobili- tung, Exzellenzgymnasium Bad Saulgau – das ist gestern be- tät der Menschen, soziale Fragen, Wohlstand und Arbeitsplät- schlossen worden; ze. Zudem geht es um die Entscheidungen der Gerichte. (Abg. Gabi Rolland SPD: Na ja! – Zuruf der Abg. Sa- Da muss man schwierige Abwägungen treffen, um einen ver- bine Wölfle SPD) nünftigen Ausgleich hinzubekommen, und man muss sich noch einmal bewusst machen, was für Kräfte auf so eine Ko- das ist immerhin ein Investitionsvolumen von 80 Millionen €, alition einwirken: An der CDU zerren alle, die sich Sorgen und die laufenden Kosten werden dann ca. 6 Millionen € be- machen, dass sie mit ihrem Diesel bald nicht mehr in die Stadt tragen. Das sind unglaublich wichtige Initiativen für die Wirt- kommen, obwohl der Wagen gerade einmal ein paar Jahre alt schaft in unserem Land, damit sie die Exzellenz bekommt, die ist. An den Grünen zerren die, die sich um die Luftqualität und sie benötigt. die Gesundheit ihrer Kinder sorgen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Konrad Epp- (Oh-Rufe von der AfD) le und Karl-Wilhelm Röhm CDU) Da geht es natürlich immer ans Eingemachte. Weitere Stichworte sind: ein Impulsprogramm für den gesell- (Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP) schaftlichen Zusammenhalt, die Bewerbung für die Batterie- zellenforschungsfabrik, neues Psychisch-Kranken-Hilfe-Ge- Jeder kann sich an seinen fünf Fingern abzählen, warum die setz, Maßnahmenpaket für die künstliche Intelligenz, Eini- unterschiedlichen Gruppen am jeweiligen Koalitionspartner gung bei der LBO und Eckpunkte für das neue Klimaschutz- zerren. Was muss die Koalition machen? Sie muss trotzdem gesetz. Kompromisse finden und etwas auf die Reihe bekommen – das hat sie getan –, und sie muss sich vor allem an Gerichts- Ich meine, man sieht, wir liefern jetzt Woche für Woche. Das urteile halten. sind einfach die simplen Fakten, und von Stillstand und Blo- ckade kann überhaupt keine Rede sein. (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU) (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU)

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Ich darf mich deshalb bei allen Beteiligten nochmals bedan- mit auch innovative Ideen an die Gelder kommen. Genau so ken: bei den Kollegen Andreas Schwarz und Professor Wolf- stellen wir uns auf. gang Reinhart, natürlich auch bei meinem Stellvertreter Tho- mas Strobl. Wir sind da immer in schwierigen Gewässern und Das hat nun in der Tat länger gedauert, aber dabei ist jetzt auch finden immer wieder heraus, und das ist das Entscheidende. etwas Belastbares, Gutes und Vorwärtsweisendes herausge- So werden wir es auch weiter machen. kommen. Dafür darf ich allen an diesen schwierigen Verhand- lungen Beteiligten recht herzlich danken. Ich möchte nochmals mit dem Wohnungsbau ein Beispiel geben. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) (Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD) Kritik ja, Skandalisierung nein; für Letzteres gibt es überhaupt keinen Grund. Das muss ich einfach nochmals sagen. Streit Natürlich entwickelt sich die Frage nach bezahlbarem Wohn- und Kompromisse sind der Normalmodus in der Politik. raum zur wichtigsten sozialen Frage im Land, aber wohl nicht Kollege Reinhart hat Bundeskanzler Schmidt zitiert. Ich will nur in unserem Land. In praktisch allen Großstädten aller In- die jetzige Kanzlerin aus ihrer gestrigen Rede zitieren, dustrienationen besteht dieses Problem – selbst im „Volks- heim Schweden“, wie wir gestern in der „Stuttgarter Zeitung“ (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Verbunden lesen konnten. Es ist schon ziemlich dreist, dieses Wohnungs- mit einem Gebet! – Abg. Reinhold Gall SPD: Wen bauproblem einfach bei Grün-Schwarz abladen zu wollen. auch sonst? Entweder zitiert er Teufel oder Merkel!) (Zuruf der Abg. Sabine Wölfle SPD) die sie in Ravensburg gehalten hat. Sie sagte in dieser Rede, es müsse sorgenvoll stimmen, wie jeder Kompromiss heute Man sieht: Das ist ein weltweites, gravierendes Problem, über als fauler Kompromiss verhöhnt werde. Weiter hieß es: das alle intensiv diskutieren – Ohne Kompromisse sind wir politisch nicht handlungsfä- (Zuruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP) hig. Man kann den Zusammenhalt einer Gesellschaft nie- mit manchmal guten und manchmal abseitigen Vorschlägen. mals hinbekommen, wenn man nicht kompromissfähig ist. Wir tun das, was in unseren Möglichkeiten steht. Auf dieser Grundlage arbeitet diese Koalition. Sie schaut, dass sie Konsense erreicht – das ist in vielen wichtigen Fragen wie (Zuruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP) der Digitalisierung Gott sei Dank sehr gut gelungen – und dass Wir haben von Beginn an eine Wohnraum-Allianz gegründet, sie dort, wo sie unterschiedliche Auffassungen hat, zu guten die die Wirtschaftsministerin offenkundig kraftvoll anführt. Kompromissen für das Land kommt. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Das ist das Entscheidende, woran wir uns messen lassen und messen lassen müssen. Und ich verspreche Ihnen: Wir wer- Wir stecken pro Jahr eine Viertelmilliarde Euro in die Wohn- den für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, für den wirt- raumförderung. Das ist fünfmal mehr als zu Beginn des Jahr- schaftlichen Erfolg von morgen, für den Schutz unseres Pla- zehnts. neten und für eine gute Zukunft unseres Landes weiter hart daran arbeiten. (Beifall der Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE) Herzlichen Dank. Als die SPD den Wohnungsbau verantwortet hat, war es die Hälfte. Das will ich hier sagen. (Anhaltender Beifall bei den Grünen – Beifall bei der CDU) (Beifall bei den Grünen und der CDU – Abg. Karl- Wilhelm Röhm CDU: Die Wohnungen werden ge- Präsidentin Muhterem Aras: Meine Damen und Herren, braucht!) nachdem Herr Ministerpräsident Kretschmann das Wort ergriffen hat, löst dies die sogenannte Fraktionsvorsitzenden- Wohl sind nicht alle Gelder abgeflossen. Daran sieht man: Das runde aus. ist ein lernendes System. Und da muss man fragen: Woran liegt das, und welche Maßnahmen muss man ergreifen, damit Für die AfD erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Gögel das weiter in die richtige Richtung geht? Das haben wir nun das Wort. mit großer Sorgfalt und Intensität gemacht. Denn – ich sage (Zuruf von den Grünen: Es ist doch alles gesagt!) es nochmals – man baut für die nächsten 50 Jahre. Da muss man schon wissen, worauf man sich einlässt und worauf nicht, Abg. Bernd Gögel AfD: Vielen Dank. – Frau Präsidentin, welche Weichen man stellt und welche nicht. Das haben wir meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Ministerpräsi- nun getan. dent! Ich möchte hier eingangs nur einmal zwei euphorische Aussagen aus dem Jahr 2016, nach dem Ende der Koalitions- Das werden wir in der nächsten Woche vorstellen, und da wird verhandlungen, zum Besten geben. Der Ministerpräsident hat man sehen, dass wir uns da weiter richtig angestrengt haben, sich euphorisch geäußert: „Ja, es ist halt eine vom Wähler er- um dafür zu sorgen, dass die Mittel auch dort landen, wo sie zwungene Konstellation.“ Und Herr Strobl äußerte sich eu- hingehören: in mehr gemeinnützigen Wohnungsbau, das heißt phorisch: „Ja, die schwierigsten Geburten bringen häufig die in die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften. Dafür wird schönsten Kinder.“ eine eigene Institution geschaffen, die das in Wohnungsbau- gesellschaften, in Konzeptförderung beschleunigen kann, da- (Zuruf des Ministers Thomas Strobl) 5574 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Bernd Gögel)

Wenn es danach geht, Herr Strobl, müssten daraus im Laufe (Zurufe von den Grünen und der CDU) der Jahre lauter Misses Universum und Mister Universum entstehen. Aber wir haben heute Morgen ja gehört, dass es nicht Sie kommen auch ohne Quoten in Positionen in der Wirt- so ist oder, von Ihrer Seite aus, dass es so ist. schaft. Man sieht die Beispiele. Dazu brauchen wir keinen Zwang. Ich möchte Ihnen noch einmal zwei, drei erhebliche Tiefpunk- te, die es in der Amtszeit dieser Landesregierung, die es im (Beifall bei der AfD) Verlauf dieser Legislaturperiode bisher gab, vor Augen füh- ren. Auch hier hat die CDU-Fraktion aus unserer Sicht dann Weit- sicht bewiesen und hat das Projekt gestoppt. Sprechen wir einmal von einem demokratischen Tiefpunkt, meine Damen und Herren. Ein demokratischer Tiefpunkt für Ich komme zum Ministerpräsidenten. dieses Haus war sicherlich die Verweigerung des Postens ei- (Abg. Anton Baron AfD: Oje!) nes stellvertretenden Präsidenten im Landtagspräsidium für die AfD. Er möchte, dass die Fahrzeuge auch zukünftig hier in Sindel- (Beifall bei der AfD) fingen vom Band laufen. Da gebe ich ihm recht; ich bin davon überzeugt, dass auch zukünftig Fahrzeuge in Sindelfin- Ein Dissenspunkt – und bei einer Koalition nicht nachvoll- gen vom Band laufen – allerdings vom Förderband der Gü- ziehbar – ist, dass die allseits geschätzte und beliebte stellver- terzüge: mit Importen aus chinesischen Seehäfen, aus Asien. tretende Präsidentin, Frau Kurtz, in diesem Haus einen zwei- Die werden wir sicher auch künftig in Sindelfingen entladen. ten Wahlgang benötigt hat, um in diese Position gewählt zu Wir werden sie in Sindelfingen aber weder produzieren noch werden. Schon zu dieser Zeit hat man bereits den Zustand der erforschen. Motorentechnologie wird abgebaut. 6 % weniger Koalition erkennen können. Fahrzeuge hat Daimler im ersten Quartal 2019 produziert. Ich halte es auch für bedenklich, dass es die Abgeordneten (Abg. Daniel Rottmann AfD: Bravo, Herr Kretsch- mehrheitlich abgelehnt haben, einen Abgeordneten der AfD, mann!) der intern in der Fraktion oder auch in seiner Partei vielleicht in der Kritik steht, zu einem der Schriftführer in diesem Haus Diese Tatsachen sollten Sie nicht unterschätzen, sondern sich zu wählen – ein Amt, für das er vorgeschlagen wurde. Auch wirklich einmal ideologiefrei mit Wirtschaftsthemen ausein- das spricht nicht unbedingt für Ihr Demokratieverständnis. andersetzen. (Abg. Sascha Binder SPD: Es gibt eine große Weit- (Beifall bei der AfD – Lachen des Ministers Winfried sicht des Parlaments!) Hermann – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜNE: Und das aus Ihrem Munde!) Denn in einer Demokratie muss man sich auch mit unbeque- men Menschen auseinandersetzen. Sie haben gesagt, dass Sie zwischenzeitlich Krisen hatten, von Weihnachten bis Ostern. Ja, von Weihnachten 2016 bis Os- (Zurufe von der SPD) tern 2019 – das war eine Dauerkrise. Das waren Ihre schwierigen Zeiten. Man muss diskutieren und debattieren können. Diese Fähig- keit scheint Ihnen in manchen Feldern und an manchen Punk- (Beifall bei der AfD – Abg. Daniel Rottmann AfD: ten verloren gegangen zu sein. Das sind für mich Tiefpunkte So ist es!) in diesem Haus. Batterieproduktion in Baden-Württemberg: Sie haben eine (Beifall bei Abgeordneten der AfD) große Summe für Forschung und Entwicklung an ein hiesiges Die Reform des Landtagswahlrechts war ein Tiefpunkt in Ih- Unternehmen gegeben, zum einen wohl auch, um dieses Un- rer Koalition. Die Grünen hatten das schon in der zweiten Le- ternehmen wirtschaftlich zu stützen – dazu hat man im Vor- gislatur auf dem Zettel und sind davon überzeugt gewesen, feld nicht nur Positives gehört. Zum anderen geschah das si- dass es mit der Umsetzung der Vorstellung, man könne damit cherlich aufgrund Ihrer Hoffnung, dass Baden-Württemberg den Frauenanteil im Parlament erhöhen, dieses Mal auch funk- mit der Batterieproduktion am Weltmarkt standhalten kann. tioniert. Leider können wir uns heute nicht über die Ergebnisse aus- (Lachen des Abg. Anton Baron AfD) tauschen. Ich hoffe aber, dass uns beiden das Leben so wohl- gesonnen sein wird, dass wir uns vielleicht in zehn oder 15 Ja, das kann man, wenn man bei Aufstellungsversammlungen Jahren darüber unterhalten können, was aus der Batteriepro- undemokratisch vorgeht und sagt: Platz 1 ein Mann, Platz 2 duktion in Baden-Württemberg geworden ist. eine Frau, Platz 3 ein Mann, Platz 4 eine Frau. Das hat aus unserer Sicht mit Demokratie nichts zu tun. (Heiterkeit des Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD – Abg. Winfried Mack CDU: Sie haben keine Ahnung! – (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Weitere Zurufe von den Grünen und der CDU) Das ist eine vorgestrige Betrachtung des politischen Systems. – Es kommen immer Menschen, die erzählen, wir hätten kei- Frauen, die Kompetenz haben und den Willen, in der Politik ne Ahnung. mitzuarbeiten – davon gibt es sehr viele; das sieht man auch hier im Haus –, kommen auch ohne Quote in die Politik. (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Das stimmt ja auch!)

5575 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Bernd Gögel)

Ich sage Ihnen: Im Gegensatz zu den Parteien, die schon über (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Haben Sie denn Ihr Jahrzehnte in ihrer Struktur verharren, befinden sich in der Auto wieder bekommen, Herr Gögel? Ihre Fraktion AfD Menschen, die aktuell aus dem Leben kommen: aus Be- hat doch Ihr Auto zurückgezogen!) rufen, aus Schulen, aus Praxen und Arztpraxen, vom Fließ- band, – Nein. Auch als Fußgänger kann man telefonieren. (Lachen der Abg. Sabine Wölfle SPD) (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Haben Sie das wieder? Ihre Fraktion hat das Auto doch zurückgezogen!) egal, von woher. Bürger aus der Gesellschaft sind in die Par- – Ich hatte in meinem Leben immer ein Auto. Ich war seit mei- lamente eingezogen. Zu jenen sagen Sie pauschal, sie hätten nem 18. Lebensjahr noch nie ohne Auto. Stellen Sie sich das keine Ahnung. einmal vor. (Abg. Winfried Mack CDU: Nein! Das sage ich be- (Abg. Stefan Räpple AfD: Fragen Sie mal Herrn Kat- zogen darauf, was Sie gerade gesagt haben! Weil ich zenstein!) von Ihnen erwarte, dass Sie sich mit dem Thema auseinandersetzen! Das haben Sie offensichtlich nicht Aber ich habe im Moment keinen Dienstwagen, und ich getan!) möchte ihn auch nicht mehr, solange ich hier Fraktionsvorsit- zender bin. Sie sagen, sie hätten keine Ahnung. – Herr Mack, ich habe mich mit diesen Themen auseinandergesetzt; glauben Sie mir (Beifall bei der AfD – Abg. Andreas Schwarz GRÜ- das. NE: Da klatschen die! – Abg. Reinhold Gall SPD: Man hat Ihnen den weggenommen! – Abg. Sascha Herr Reinhart: Explizite Schulden und eine tolle finanzielle Binder SPD: Das ist nicht eine Frage des Wollens!) Situation, das hat auch der Ministerpräsident bestätigt. Ich glaube, die Steuereinnahmen in den vergangenen Jahren wa- Ich brauche keine Statussymbole, um Politik zu machen. Das ren exorbitant – sie wurden in dieser Höhe noch nie verbucht. überlasse ich Ihnen von den Altparteien. Ich denke, dann ist es schon ein bisschen schwach, wenn man Digitalisierungspakt Schule: Sie haben in ein Programm, das damit prahlen muss, explizite Schulden abgebaut zu haben. Sie „ella“ getauft haben, ca. 47 Millionen € investiert, und am Das sind Investitionen, die Sie getätigt haben. Wir betrachten Ende des Tages musste man feststellen, dass die Software das nicht als Schuldenabbau. nicht flächendeckend einsatzfähig war, und musste das Pro- Deshalb verlangen wir auch die Doppik als Buchhaltungssys- jekt einstampfen. tem für das Land, damit das Thema „Was sind Schulden, was (Abg. Sandra Boser GRÜNE: Sie verwechseln was! sind Investitionen?“ endlich real an die Bevölkerung gebracht – Weitere Zurufe) werden kann. Das ist ein wesentliches Thema der AfD. Wir werden das hier auch weiterhin betreiben, damit diese Mär- Der Steuerzahler hat – – Es ist noch nicht ganz eingestampft. chen endlich aufhören. Vielleicht setzen wir auch noch einmal etwas Neues auf. Aber vielleicht können wir uns auch an Projekten orientieren, die (Beifall bei der AfD) bereits im Einsatz sind und funktionsfähig sind. Schulden abbauen: Das wird schwierig. Wir warten schon auf (Abg. Sascha Binder SPD: Das hat doch nichts mit Ihre großen Verhandlungen zum Haushaltsplan 2020/2021 bei „ella“ zu tun!) sich abschwächender Konjunktur und schlechteren Vorhersa- gen. Bereits für dieses Jahr sind wir gespannt, durch welche In Bayern hatte man zu der Zeit schon ein solches System, Maßnahmen Sie die Schuldenbremse einhalten wollen und wie sich Ihr Verhältnis untereinander in der Koalition verbes- (Abg. Sandra Boser GRÜNE: Nein!) sern soll, wenn die einzelnen Ressorts mit ihren Wünschen und man hätte sich das anschauen können. aufeinander zugehen. (Abg. Sandra Boser GRÜNE: Nein! – Gegenruf des Zum Digitalisierungspakt möchte ich noch kommen. Diesen Abg. Anton Baron AfD: Selbstverständlich! – Abg. hat der Herr Ministerpräsident hier auch noch einmal hervor- Sandra Boser GRÜNE: Sie reden nicht von „ella“! gehoben. Zunächst einmal zur Breitbandverkabelung und Ih- Sie reden von ASV-BW! Sie sollten die Rede viel- rer Aussage, 83 % der Haushalte in unserem Land verfügten leicht einmal korrigieren! – Gegenruf des Abg. An- inzwischen über ein schnelles Internet. Ich gebe Ihnen recht: ton Baron AfD: Ja, ja, ja!) Da wohne ich vielleicht in einer schlechten Zone, im Gürtel von Stuttgart. Vielleicht erreicht mich das auch irgendwann. – Da können Sie aus dem Fachbereich, dem Fachressort den Wenn ich aber diese 30 km nach Stuttgart in die Innenstadt Steuerzahlern erklären, warum Sie bei diesem Projekt 10 Mil- fahre, dann habe ich, wenn ich telefoniere, fünf Unterbrechun- lionen bis 20 Millionen € an Steuergeldern in den Sand gegen, weil das Netz nicht zur Verfügung steht. setzt haben. (Abg. Sabine Wölfle SPD: Was fährt er eigentlich? (Abg. Anton Baron AfD zu den Grünen: Vergleichen Die Straßenbahn?) Sie sich bloß nicht mit Bayern! Sie wissen ja, wo Bayern steht! – Gegenruf des Abg. Daniel Andreas Und wir träumen von 5G! Wir haben hier noch bei 3G große Lede Abal GRÜNE: Sie wissen doch gar nicht, wor- Lücken. Hier muss man vielleicht erst einmal die Hausaufga- um es geht! Halten Sie doch einfach die Klappe! – ben machen, bevor man jede Woche Träume formuliert. Unruhe bei der AfD) 5576 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Präsidentin Muhterem Aras: Moment, Moment! und Sie müssen Vermögen versteuern. Wir leben in einer So- lidargemeinschaft, und da muss der Stärkere stärker belastet Abg. Bernd Gögel AfD: Sie können sich – – werden als der Schwächere. Das ist ein Grundthema, und es ist auch eine Grundüberzeugung innerhalb der AfD. Präsidentin Muhterem Aras: Moment, Herr Abg. Gögel. – Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um mehr Ruhe, damit (Beifall bei der AfD) Herr Abg. Gögel die Möglichkeit hat, seine Rede rüberzubrin- gen. – Vielen Dank. Insgesamt – damit möchte ich zum Schluss kommen – habe ich nichts über den neuen Windatlas gehört. Ich möchte es Abg. Bernd Gögel AfD: Sie können sich gern in Ihren Fach- noch einmal betonen. Ich hätte gern eine Antwort gehört, wa- ressorts damit auseinandersetzen. Dass diese Millionen ver- rum das noch in den Schubladen liegt. Wir wissen, warum, loren sind, werden Sie nicht bestreiten können. aber die Menschen im Land wird es vielleicht auch interessieren, wenn man vielleicht noch vor der Kommunalwahl nach Soziale Fragen hat der Herr Ministerpräsident angesprochen. außen geben könnte, wo jetzt diese tollen „Vogelschredder- Wohnungsbauprobleme: Die Wohnungsnot und die Woh- maschinen“ erstellt werden sollen. nungsknappheit in Ballungszentren sind kein neues Thema. Das haben wir seit vielen Jahren. Das gab es sicherlich auch (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Sabine schon zu Zeiten der alten Koalition. Nur: Es wird immer viel Wölfle SPD: So ein Blödsinn!) geredet, es gibt Vorschläge und Vorstellungen. Die einen wol- Ja, das ist so. Ich bleibe bei meinem Urteil, und ich denke, da len Verdichtung, die anderen die Ausweisung von neuem Bau- stimmt mir meine Fraktion zu. land. Aber da müssen auch zwei unterschiedliche Parteien zu Ergebnissen kommen. Ergebnisse, Kompromisse müssen er- (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Sind Sie sich da si- zielt werden. Die Wohnungsnot ist eines der drängendsten cher, Herr Gögel?) Probleme. Mit dieser Koalition bleiben wir nicht in der ersten Liga. Das gilt genauso für die Rente. Da können Sie hier in Baden- (Beifall bei der AfD) Württemberg nicht viel dazu beitragen, Präsidentin Muhterem Aras: Für die SPD erteile ich das (Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP) Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Stoch. außer im Bundesrat noch einmal zu intervenieren. Abg. Andreas Stoch SPD: Frau Präsidentin, liebe Kollegin- nen, liebe Kollegen! Nachdem das Ganze teilweise fast wie Bezahlbarer Wohnraum hängt auch mit der Landesbauord- ein Literaturseminar klang, darf auch ich noch in Richtung der nung zusammen. Solange Sie ideologische Themen wie über- Regierungsbank, insbesondere des Herrn Ministerpräsiden- dachte Fahrradabstellplätze, ten, mit einem Musil-Zitat glänzen. (Abg. Beate Böhlen GRÜNE: Ja!) (Zuruf: Oh!) Dachbegrünungen, Begrünungen der Fassaden und Hauswän- Von Musil ist auch das Zitat überliefert: de, solange Sie solche verteuernden Maßnahmen in der Lan- desbauordnung festgeschrieben haben, wird es nicht viel wer- Bekanntlich weist man Vorwürfe umso heftiger zurück, je den. stärker man selbst zwischen Schuld und Unschuld gespannt ist. Ein Vorschlag der AfD war zunächst einmal, den Grunder- werbsteuersatz auf den alten Stand zurückzufahren. Da gab (Abg. Andreas Kenner SPD: Ah!) es sicherlich bei einem der Koalitionspartner ein Kopfnicken, Lieber Herr Ministerpräsident, Sie haben hier am Pult ein Bild aber auch keine Durchsetzungsbereitschaft. Das wäre eine dieser Regierung gezeichnet, das mit der Realität nun mal re- Maßnahme zu diesem Thema gewesen. lativ wenig zu tun hat. Ein weiterer Vorschlag, der erst dieser Tage von uns gemacht (Beifall bei der SPD) wurde, war die Abschaffung der Grundsteuer, wenn man schon reformiert. Auch da wurde sofort abgelehnt, ohne dass Um noch einmal ganz grundsätzlich zu werden: Kein Mensch, man überhaupt die Vorschläge aufnimmt, die dahinterstehen, jedenfalls nicht aus meiner Fraktion, wird in Zweifel ziehen, was die Kommunen als Ersatz bekommen sollen. dass Kompromisse letztlich zwingend sind, um eine Koaliti- on aus unterschiedlichen Parteien überhaupt möglich zu ma- (Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Was sollen sie chen. Das Problem bei Ihrer Regierung ist – das war auch der denn bekommen?) Ansatz, den die FDP/DVP durch den Begriff „Blockade“ im Titel der Aktuellen Debatte zum Ausdruck gebracht hat –: – Darüber können wir uns in einer Debatte auseinandersetzen. Wenn man sich in inhaltlichen Positionen an vielen, vor allem Es muss aus allgemeinen Steuern finanziert werden. Herr wichtigen Stellen so unversöhnlich, weil ideologisch vonein- Reinhart, das Steuersystem in Deutschland muss reformiert ander entfernt hat, dass Kompromisse nicht mehr möglich werden. Sie müssen Einkommen haben, das versteuert wird, sind, dann werden keine Ergebnisse produziert. Das ist für ein Sie müssen Erträge versteuern, das heißt, Sie müssen Wert- Land wie Baden-Württemberg schlicht und einfach zu wenig, schöpfungen versteuern, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Abg. Karl Klein CDU: Das gibt es doch jetzt schon!) (Beifall bei der SPD und der FDP/DVP)

5577 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Stoch)

Das zweite Problem ist nicht nur, dass Sie zu wichtigen The- Bezüglich des Verhältnisses dieser Landesregierung zur kommen – ich nenne gleich welche – die Lösungen nicht finden, munalen Ebene höre ich vom Ministerpräsidenten und der Fi- sondern sind dann angebliche Kompromisse, die letztlich die nanzministerin immer: „Die Kommunen profitieren, wie Land Tinte nicht wert sind, mit der sie geschrieben sind, weil sie und Bund auch, von der hervorragenden Einnahmesituation.“ nämlich als Kompromiss nicht geeignet sind, um das Problem Diese Landesregierung hat es vor dem letzten Doppelhaushalt zu lösen. aber nicht geschafft, mit den Kommunen im Rahmen der Ge- meinsamen Finanzkommission eine Einigung zu erzielen, und Das ist ein grundsätzliches Problem, und in dieser Unterschei- zwar trotz bester Kassenlage. Somit konnten die Kommunen dung würde ich Sie mal auffordern, Ihre eigene Politik zu re- an ganz vielen Stellen die wichtigen Themen, die anstanden, flektieren. Denn das, was Sie heute hier gesagt haben, war eben nicht bearbeiten, die da heißen: „Mobilität in der Zukunft“, doch zu erwarten. Das, was Sie gesagt haben, waren die glei- „Wohnen für alle Menschen“ und vor allem „Bildungschancen chen Stichworte wie immer. Es waren die angeblich großen für alle Menschen“. Sie haben die Kommunen schlicht und ein- Leistungen im Bereich der Digitalisierung, es war das „be- fach im Regen stehen lassen, Kolleginnen und Kollegen! rühmte“ Cyber Valley, es war die KI-Strategie der Landesre- gierung. (Beifall bei der SPD) (Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD) Aus diesem Grund, glaube ich, ist es falsch, hier immer nur die gleichen Überschriften zu nennen, Herr Ministerpräsident. Ich sage Ihnen: Wenn das Land all diese Themen nicht bearbeiten würde, wäre diese Landesregierung komplett fehl am Ich finde, beim Thema Wohnen wird es besonders dramatisch. Sie haben gesagt: „Das Problem ist nicht nur in den letzten Platz. Sie müssen diese Themen als Zukunftsthemen bearbei- Jahren entstanden, und wir brauchen an dieser Stelle grund- ten. Entscheidend ist jedoch, ob die von Ihnen gewählten An- sätzliche Lösungen.“ Ich sage Ihnen: Das Problem in Baden- sätze geeignet sind, die Themen auch für eine gute Zukunft Württemberg stellt sich noch ein bisschen anders dar als in des Landes Baden-Württemberg einer Lösung zuzuführen. anderen Ländern. (Zuruf des Abg. Andreas Deuschle CDU) Sie haben die anderen Länder, auch den europäischen Kon- Da reichen Überschriften eben nicht, Herr Ministerpräsident. text, große Städte und Ballungsräume genannt. In Baden- Württemberg ist bezahlbarer Wohnraum nicht mehr nur ein (Beifall bei der SPD) Thema der Ballungsräume. In Baden-Württemberg ist bezahlbarer Wohnraum inzwischen flächendeckend ein Thema. Aus Jetzt nehmen wir einmal ein Thema wie „Digitale Transfor- diesem Grund brauchen wir für Baden-Württemberg Antwor- mation“. Die digitale Transformation umfasst verschiedene ten, die vielleicht auch ein bisschen anders sind als die Ant- Bereiche, die die Politik im Blick haben muss, die aber die worten, die wir an anderer Stelle zu diesem Thema geben. Politik nicht in gleichem Maß auch beeinflussen kann. Vieles von dem, was im Bereich der digitalen Transformation pas- Wenn Sie dann sagen: „Sozialer Wohnraum muss entstehen“, siert, sind Vorgänge, die in der Wirtschaft passieren – Unter- sage ich Ihnen: Ja, Politik ist einem Irrtum aufgesessen. Sta- nehmen, die auf diese veränderten Möglichkeiten reagieren, tistiker haben uns gesagt: „Wir werden älter, und wir werden entweder Unternehmen, die ihre Unternehmensstrategie ver- weniger.“ Die Gesellschaft wird älter. Dadurch verändern sich ändern, oder neue Unternehmen, die entstehen und diese Wohnbedürfnisse von Menschen, und diese Wohnbedürfnis- Chancen nutzen. Da kann Politik beispielsweise durch eine se müssen wir für die Zukunft auch im Blick haben. Aber der entsprechende Start-up-Förderung und durch flankierende zweite Satz: „Wir werden weniger“ war schlicht und einfach Maßnahmen unterstützen. grottenfalsch. Aber Baden-Württemberg war schon immer ein Innovations- (Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Warum?) standort. Deswegen: Machen Sie es sich bitte an dieser Stel- Wir haben in Baden-Württemberg, einem starken Wirtschafts- le nicht zu leicht. Die Tatsache, dass wir in Baden-Württem- land, einen hoch attraktiven Arbeitsmarkt. Die Kehrseite ist: berg so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigte wie Wir brauchen Menschen, die aus anderen Bundesländern, aus noch nie haben, dass wir die niedrigste Arbeitslosenquote oder anderen Ländern zu uns kommen, um den Fachkräftemangel auch das geringste Armutsrisiko haben, geht auf die Produk- in den Griff zu bekommen. Das heißt, die Wirtschaftskraft un- tivität und die Kreativität der Menschen in diesem Land und seres Landes hängt originär davon ab, dass wir für diese Men- eben nicht auf die Politik dieser Landesregierung zurück. schen Wohnraum schaffen. Nur, Herr Ministerpräsident: Da reicht es nicht, hier zu sagen: „Das Problem haben aber alle (Beifall bei der SPD und des Abg. Stephen Brauer Länder.“ Wir haben in Baden-Württemberg ein besonders star- FDP/DVP – Zuruf des Abg. Karl Zimmermann CDU) kes Problem. Lösen Sie es endlich! Die Landesebene ist auch nicht die einzige Ebene der Politik, (Beifall bei der SPD und des Abg. Stephen Brauer die die Lebensrealität der Menschen beeinflusst. Da gibt es FDP/DVP) immer noch die Bundespolitik, die, wie ich glaube, in der letzten Zeit wichtige und richtige Entscheidungen getroffen hat, Da merkt man eben, dass Sie extrem weit voneinander entfernt sind. Die CDU hat bis 2011 dafür gesorgt, dass in Ba- (Zuruf von den Grünen: Ach!) den-Württemberg die Landesförderung von Wohnraum auf null heruntergefahren wurde. und da gibt es vor allem die kommunale Ebene. Die kommunale Ebene ist nämlich die Ebene, wo die Lebenswirklichkeit (Zurufe der Abg. Winfried Mack und Andreas von Menschen tatsächlich entsteht. Deuschle CDU) 5578 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Stoch)

Wir hatten die Förderung in der gemeinsamen Regierungszeit Seien Sie ehrlich zueinander, schauen Sie sich in die Augen, wieder deutlich erhöht. Übrigens sind Sie damals nicht damit und machen Sie sich eines klar: aufgefallen, sich besonders für das Thema Wohnen interessiert zu haben. (Abg. Thomas Blenke CDU: In Ihre Gesichter blicken wir schon gar nicht mehr! Bei Ihnen schauen (Beifall bei der SPD) wir gar nicht mehr hin! – Anhaltende Unruhe)

Sie wissen auch, dass es eine andere Haushaltslage in diesem Jede zweite Ehe in Deutschland scheitert. Ich halte das für ein Land gab, aber wenn wir an dieser Stelle eine so große Bri- trauriges Ergebnis. Aber diese Ehe schadet dem Land Baden- sanz haben, dann müssen wir auch mit großen Lösungen ant- Württemberg. worten. Da reicht es nicht, ein Töpfle aufzustellen und einen Herzlichen Dank. Topf zu haben, der Kommunalfonds oder wie auch immer heißt – mit nicht abgerufenen Mitteln. Das ist schlicht und ein- (Beifall bei der SPD und der FDP/DVP – Abg. Karl fach eine Umetikettierung. Zimmermann CDU: Dabei sind Sie so weit hinten! – Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE) Wir brauchen starke kommunale Wohnungsbaugesellschaf- ten, wir brauchen starke Genossenschaften. Aber wir haben Präsidentin Muhterem Aras: Für die FDP/DVP erteile ich sie an vielen Stellen nicht, und deswegen braucht das Land das Wort Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Rülke. dringend eine Landeswohnungsbaugesellschaft, die dieses Land im Wohnungsbau nach vorn bringt, liebe Kolleginnen, (Abg. Karl Zimmermann CDU: Uijuijui! – Unruhe) liebe Kollegen. Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Frau Präsidentin, (Beifall bei der SPD) liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich beim Kollegen Zimmermann für den zustimmenden Zwi- Das sind Beispiele, die zeigen: Diese Landesregierung ver- schenruf bedanken – hakt sich im Klein-Klein und produziert Überschriften, von denen letztlich niemand etwas hat. Denn wenn Sie Arbeitneh- (Abg. Sascha Binder SPD: Für den Beifall aus den merinnen und Arbeitnehmer in der Automobilindustrie fragen, Reihen der CDU-Fraktion!) dann werden sie Ihnen sagen, dass sie große Angst um ihren was zu beweisen war. Arbeitsplatz haben. Diese große Angst um den Arbeitsplatz verschwindet nicht einfach, weil die Landesregierung einen Herr Ministerpräsident, ich fand Ihren Auftritt am heutigen Transformationsbeirat einrichtet. Es geht darum, dass ein sol- Tag aber schon bemerkenswert. Die kleine Oppositionsfrak- cher Transformationsbeirat auch Lösungen produziert, die den tion FDP/DVP beantragt wie jeden Monat eine Aktuelle De- Menschen in diesem Land Baden-Württemberg Perspektiven batte. Der Regierungschef spricht zu dieser Aktuellen Debat- geben. te und erklärt, er habe nichts von Relevanz gehört. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie von einer (Heiterkeit des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP) Weiterbildungsoffensive reden, dann will ich schon wissen, wie Ihre Weiterbildungsoffensive funktioniert. Die großen Fir- Herr Ministerpräsident, da stellt sich die Frage: Wenn Sie men wie Daimler, Audi und Porsche bekommen das für ihre nichts von Relevanz gehört haben, warum sprechen Sie dann Beschäftigten ganz gut hin. Sie haben nur das strategische als Ministerpräsident überhaupt zu dieser Debatte? Problem, auf welche Antriebsart sie setzen sollen. Aber die vielen Beschäftigten in den kleinen und mittleren Betrieben (Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Ministerpräsi- mit 50, 100 oder 400 Mitarbeitern sind meilenweit von einer denten Winfried Kretschmann) Vorbereitung auf die digitale Transformation entfernt. Wo ist denn die Weiterbildungsoffensive der Landesregierung? Das Haben Sie sich vielleicht vorgenommen, künftig zu jeder Ak- sind die Probleme der digitalen Transformation. Diese Lan- tuellen Debatte zu reden? Herr Ministerpräsident, offensicht- desregierung hat dafür jedenfalls keine Lösungen. lich gibt es nicht nur Rauch in dieser Koalition, sondern auch Feuer, sonst wären Sie am heutigen Tag gar nicht ans Rede- (Beifall bei der SPD und des Abg. Jochen Haußmann pult gegangen. FDP/DVP) (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der SPD) Herr Ministerpräsident, nehmen Sie deswegen zur Kenntnis: Wenn wir in die Gesichter blicken, wenn hier Vertreter der Herr Ministerpräsident, Sie haben als Nachweis des Erfolgs beiden Regierungsfraktionen sprechen – wenn jemand von dieser Koalition über Zustimmungswerte geredet, über Um- den Grünen redet und ich in die Gesichter der CDU-Abgeord- frageergebnisse. neten blicke und wenn jemand von der CDU redet und ich in die Gesichter der grünen Abgeordneten blicke –: Mehr Abnei- (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Genau!) gung im politischen Geschäft zwischen zwei Parteien, die vermeintlich miteinander regieren, geht nicht. Haben Sie, als Sie über Zustimmungswerte und Umfrageer- gebnisse geredet haben, einmal nach rechts geguckt, zu Ihrem (Beifall des Abg. Sascha Binder SPD – Oh-Rufe von Stellvertreter, z. B. bei der Frage, wie zufrieden dieser mit der CDU – Unruhe bei der CDU) Umfrageergebnissen in Baden-Württemberg ist? Oder haben

5579 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Hans-Ulrich Rülke)

Sie in diese Fraktion hineingeblickt? Also, ich habe keine La- Herr Ministerpräsident, Ihre Erfolgsbilanz, die Sie am heuti- Ola-Wellen in der CDU-Fraktion gesehen, als von Umfrage- gen Vormittag hier vorgetragen haben, hat mich schon relativ ergebnissen die Rede gewesen ist. stark an die letzten Amtsjahre von Erwin Teufel erinnert. Er hat auch immer aufgezählt, was im Land Baden-Württemberg (Heiterkeit des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP) alles so toll sei. Sie sprachen von Wohlstand. Glauben Sie im 23 bis 27 % – ist das die Benchmark für die CDU? Ist Ihr Ko- Ernst, der Wohlstand in Baden-Württemberg sei eine Folge alitionspartner damit zufrieden? Oder, Herr Strobl: Bei einer Ihres Regierungshandelns? Sie sprachen von geringer Arbeits- forsa-Umfrage wurde kürzlich die Frage gestellt, wie viele losigkeit. Glauben Sie im Ernst, Herr Ministerpräsident, die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger Sie geringe Arbeitslosigkeit in Baden-Württemberg sei das Ergeb- als Ministerpräsidenten haben wollen. Wissen Sie, was her- nis Ihres Regierungshandelns? Sie sprachen auch von einem ausgekommen ist? hohen Pro-Kopf-Einkommen. Glauben Sie im Ernst, das Pro- Kopf-Einkommen in Baden-Württemberg hänge an Ihrer Re- (Zuruf des Ministers Thomas Strobl) gierungstätigkeit?

Ich bin sicher, Sie wissen, was herausgekommen ist: 5 % der Ich sage Ihnen: Dem Land Baden-Württemberg geht es noch Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger wol- gut, aber nicht wegen, sondern trotz der von Ihnen geführten len Sie als Ministerpräsidenten. Koalition.

(Abg. Andreas Stoch SPD: Bei der CDU zwei! – Ver- (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der einzelt Heiterkeit) SPD) Da erzählt Herr Ministerpräsident Kretschmann etwas von Umfrageergebnissen. In der vergangenen Woche gab es die Wie wenig Sie auf dem Laufenden sind, hat sich ja an der Be- letzte bisher bekannte Umfrage. Da lag die Linke bei 6 %. hauptung festmachen lassen, Baden-Württemberg sei Innova- tionseuropameister. Schauen Sie sich nur einmal die Entwick- (Lachen der Abg. Dr. Christina Baum AfD) lung bei den Patentanmeldungen der letzten Jahre an. Wenn Sie wirklich der Meinung sind, die wirtschaftliche Entwick- Herr Strobl, in Baden-Württemberg ist die Linkspartei belieb- lung in Baden-Württemberg habe mit Ihrer Regierungstätig- ter als Sie. keit zu tun, dann schauen Sie einmal auf diese Entwicklung. Da erzählt Ministerpräsident Kretschmann etwas von Umfra- Dann müssten Sie sich diesen Schuh auch anziehen, und dann gen, die zu dem Ergebnis führen, diese Koalition könne zu- können Sie nicht mehr vom Innovationseuropameister reden. frieden sein. (Beifall bei der FDP/DVP) (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und der SPD) Sie behaupten, Sie würden Krisen auflösen. Also, die Diesel- krise haben Sie nicht aufgelöst, meine Damen und Herren. Nein, meine Damen und Herren, diese Koalition kann nicht zufrieden sein, und Ihre Rhetorik, Herr Ministerpräsident war (Zuruf von der AfD: Aber herbeigeführt!) ja verräterisch. Ich darf nur ein paar Begriffe zitieren, die Sie in Ihrer Rede am heutigen Vormittag im Zusammenhang mit Die heutige Debatte hat auch nicht mehr Licht ins Dunkel ge- der von Ihnen geführten Koalition verwendet haben. Da war bracht. Sie haben darüber gejammert, in dieser Dieselkrise die Rede von Belastungsproben, da war die Rede von Kon- würden alle zerren: Die Dieselfahrer zerren an der CDU, der flikten, da war die Rede von „schwierig“, da war die Rede von eigene CDU-Kreisverband in Stuttgart zerrt an der CDU; die Durststrecken, da war die Rede von Blockaden – alles Begrif- demonstrieren nämlich jeden Monat gegen die eigene Lan- fe, die Sie im Zusammenhang mit Ihrer eigenen Koalition ver- desregierung. wendet haben. (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Genau! Dann kamen Sie zu dem Ergebnis, das sei jetzt aber alles vor- Nur ein Bezirksverband!) bei – wie ein Unwetter: es ist vorbei, es hat sich entladen –, und jetzt werde es schon besser. Wir haben gestern erlebt – Dann haben Sie erklärt, diejenigen, die saubere Luft haben das wurde vorhin zitiert –, wie Kollegin Razavi und der Ver- wollen, zerren an den Grünen, und Gerichtsurteile würden ein- kehrsminister sich in den Haaren lagen, gehalten. Und es gebe Kompromisse. Wie sieht denn der Kompromiss bei der Euronorm 5 aus? Es steht nach wie vor (Zurufe der Abg. Karl Zimmermann CDU und Wil- der Satz von Herrn Strobl, es werde nicht zu flächendecken- helm Halder GRÜNE – Vereinzelt Heiterkeit) den Fahrverboten kommen. Sie haben am heutigen Tag er- und in einer solchen Situation erklären Sie, das sei vorbei. – klärt: Gerichtsurteile werden eingehalten. Bitte, Herr Kollege Zimmermann? Meine Damen und Herren, was passiert denn, wenn Sie auch (Abg. Karl Zimmermann CDU: Doch nicht in den in der Berufung verlieren? Was passiert denn, wenn auch die Haaren! – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Berufungsinstanz Fahrverbote für Euro-5-Diesel verlangt? Da Frau Razavi hat am Bart gezogen!) fehlt noch immer die Antwort. In dieser Frage gibt es eben keinen Kompromiss; da stehen Sie sich nach wie vor unver- – Ja, doch! Wenn man sich nicht in den Haaren liegen kann, söhnlich gegenüber, meine Damen und Herren. kann man sich zumindest um den Bart gehen. Das ist immerhin möglich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP/DVP) 5580 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Hans-Ulrich Rülke)

Dann war von bezahlbarem Wohnraum die Rede, das sei die Das ist zum einen das Thema Klimawandel. Herr Minister- wichtigste soziale Frage unserer Zeit. Wohlgemerkt, Herr Mi- präsident, Sie haben behauptet, noch nie habe eine Landesre- nisterpräsident: Sie haben behauptet, Sie hätten Krisen und gierung zum Thema Klimawandel so viel auf den Weg ge- Konflikte aufgelöst. Was haben Sie denn beim Wohnraumpro- bracht. Es ist noch gar nicht lange her, da wurde hier in die- blem aufgelöst, meine Damen und Herren? Überhaupt nichts sem Landtag von Baden-Württemberg auf Antrag der CDU- haben Sie aufgelöst. Fraktion eine Aktuelle Debatte zum Thema Klimawandel ge- führt. Es war ein bemerkenswertes Schauspiel innerkoalitio- Die Wirtschaftsministerin – wir haben es gehört – durfte nicht närer Zerfleischung, das Sie da vorgeführt haben. verkünden, dass man bei der Änderung der Landesbauord- nung ein Stück weitergekommen ist, geschweige denn, dass Jetzt behaupten Sie, Sie hätten nach drei Jahren das Problem irgendetwas in den parlamentarischen Gang eingespeist wur- gelöst, der Koalitionsvertrag sei abgearbeitet. Das wurde be- de, geschweige denn, dass es wirklich Entscheidungen gibt. hauptet. Das Einzige, worauf Sie sich verständigt haben, sind Eckpunkte. Noch nicht einmal ein Gesetzentwurf hat das Licht Dann loben Sie sich immer selbst dafür, dass Sie irgendwel- der Welt erblickt. Das verkaufen Sie als großen, tiefgreifen- che Palaverkreise gründen. Das ist dann die große Lösung. den Erfolg. „Noch nie hat eine Landesregierung beim Klima- wandel so viel geleistet.“ Sie haben in diesen drei Jahren (Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD) nichts geleistet, weil Sie sich in dieser Koalition bis zum heutigen Tag nicht einig sind, meine Damen und Herren. Sie holen alle Beteiligten an den Tisch, unterhalten sich einen halben Tag lang, laden dann die Presse ein und erklären: „Wir (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der waren uns einig“ oder „Wir waren uns einig, dass wir uns SPD) nicht einig sind“, und das war es dann. Aber wirkliches Re- Sie sprachen vom Zusammenhalt der Gesellschaft. Das sei Ihr gierungshandeln und eine klare Linie Ihrer Politik sind doch großes Thema. In Ihrer ersten Amtszeit war immer die Rede nicht zu erkennen. von der „Politik des Gehörtwerdens“. Die meisten Menschen Sie haben in keiner Weise aufgezeigt, wie Sie das Wohnraum- haben „Politik des Gehörtwerdens“ so verstanden, dass die problem in Baden-Württemberg lösen können. Von Ihnen, Bevölkerung mitreden darf, dass es mehr Mitwirkungsmög- Herr Ministerpräsident, stammt der Satz – den ich schon lichkeiten für die Bevölkerung gibt. Sie haben dann irgend- mehrfach gelobt habe –, dass man ohne privates Kapital das wann einmal gemerkt, dass sich „Politik des Gehörtwerdens“ Wohnraumproblem nicht lösen kann. Das haben Sie hier an zwar in der Opposition gut anhört, in der Regierungsverant- dieser Stelle einmal gesagt, Herr Ministerpräsident. wortung aber unter Umständen unbequem wird. Dann haben Sie aus der „Politik des Gehörtwerdens“ schnell eine Politik Wenn das so ist, dann vermisse ich aber eine Antwort auf die gemacht, von der Sie sagten: „Gehört werden heißt nicht er- Frage, wie wir dieses private Kapital auch in die Wohnungs- hört werden.“ baupolitik des Landes Baden-Württemberg hineinbekommen. Das heißt mit anderen Worten: Die Bevölkerung darf sagen, Dafür müssen Sie nämlich Anreize setzen. Da müssen Sie da- was sie will, aber die Regierenden entscheiden. Den Nach- für sorgen, dass der Grunderwerbsteuersatz wieder sinkt. Da weis erbringen Sie in den letzten Wochen aufs Nachhaltigste. brauchen wir eine Lösung beim Thema Grundsteuerreform – Die Grünen als eine Partei, die angeblich immer für Bürger- dazu war auch nur zu hören, dass Sie sich zwischen Grünen beteiligung und Bürgerentscheide gewesen ist, lehnt im Wo- und CDU nicht einig sind. Da müssen wir uns die Frage stel- chentakt Initiativen ab, die genau das zum Ziel haben. len, welche Anreize man bei der energetischen Sanierung setzt, beispielsweise bei der steuerlichen Absetzungsfähigkeit. In der vergangenen Woche wurde die Einführung der Volks- Da müssen wir uns die Frage stellen, wie wir das Mietrecht abstimmung auf Landkreisebene von den Grünen abgelehnt. entrümpeln – dazu könnten Sie beispielsweise eine Bundes- Gestern haben Sie, meine Damen und Herren, einen bemer- ratsinitiative auf den Weg bringen. kenswerten Eiertanz aufgeführt, um zu begründen, warum Sie die von der SPD gewünschte Volksabstimmung zum Thema Anreize für privates Kapital sehen wir bei dieser Landesre- „Gebührenfreie Kitaplätze“ nicht wollen. Offensichtlich ha- gierung nicht. Es wird immer nur über staatliche Zwangsmaß- ben Sie Angst vor dem Ergebnis. nahmen geredet, wie beispielsweise Fehlbelegungsabgaben und Mietpreisbremsen, aber für einen wirklichen Anreiz, der Wohlgemerkt, meine Damen und Herren: Wir, die FDP/DVP- notwendig ist, die Lösung der Bremsen machen Sie keine Vor- Fraktion, sind nicht für gebührenfreie Kitaplätze. Wir sind da- schläge. für, das Geld in die Qualität zu investieren, und wir sind da- für, dass die Kommunen vor Ort entscheiden. Aber es muss (Beifall des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP) doch möglich sein, die Bevölkerung zu diesem Thema zu fragen und dies als Grüne nicht abzuwürgen, meine Damen und Im Gegenteil: Aus Ihrer eigenen Partei kommen dann noch Herren. Enteignungsfantasien. Das ist das Gegenteil dessen, was not- (Beifall bei der FDP/DVP und der SPD) wendig ist, um privates Kapital zu mobilisieren. So kann der Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht funktio- (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP) nieren. Auch bei diesem Thema kommen nur Lippenbekennt- nisse, Herr Ministerpräsident. Wenn es aber ernst wird, haben Sie sprachen ferner von drei großen Zukunftsaufgaben, von Sie nichts auf der Pfanne. Dann wollen Sie alles abwürgen drei großen Feldern, auf denen Sie die Zukunftsaufgaben des und von oben her entscheiden. Landes Baden-Württemberg lösen wollen. Gut, schauen wir uns diese drei Felder einmal an: (Abg. Daniel Renkonen GRÜNE: Heiße Luft!)

5581 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Hans-Ulrich Rülke)

Das dritte Thema, meine Damen und Herren, ist die Digitali- (Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der sierung. Da haben Sie die Koalition auch gelobt. Sie haben SPD) gesagt – ich zitiere –: Abschließend, Herr Ministerpräsident, zur Frage der Koaliti- ... bei der Digitalisierung ... sind wir hellwach ... on: Sie haben erklärt, ich würde „lindnern“. Das heißt, die FDP laufe vor der Verantwortung davon. Angesichts der Funklöcher in Baden-Württemberg müssen Sie das auch sein. Da muss man hellwach sein. Niemand an- (Abg. Daniel Renkonen GRÜNE: Das machen Sie ders als Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat vor nicht auch!) allzu langer Zeit – – Herr Strobl, Sie brauchen nicht den Kopf Ich bin mittlerweile gut 30 Jahre Mitglied dieser Partei, und zu schütteln. Sie wissen ja noch gar nicht, was ich sagen wer- 30 Jahre lang hat man mir immer vorgeworfen, die FDP sei de. Da schüttelt er jetzt schon den Kopf. eine Partei, die unbedingt mitregieren wolle, egal, ob sie et- (Abg. Reinhold Gall SPD: Der schüttelt immer den was durchsetzt oder nicht. Jetzt ist es umgekehrt. Kopf, entweder von links nach rechts oder von oben (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Und jetzt ist es nach unten!) auch nicht recht, gell?) Präsidentin Muhterem Aras: Moment. – Herr Minister – Jetzt ist es auch wieder nicht recht, Herr Kollege Schwarz. Strobl, ich bitte Sie, von der Regierungsbank aus von Äuße- Jetzt heißt es, die FDP laufe vor der Verantwortung davon. rungen abzusehen. – Danke. (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: So ist es!) Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Er hat ja nichts gesagt. Mit dem Kopf wackeln darf er. – So ist es, ja. – Lange musste ich mit dem Vorwurf „Dienst- wagen vor Inhalte“ leben. Jetzt lautet der Vorwurf: „Inhalte vor (Vereinzelt Heiterkeit) Dienstwagen“. Dieser ist mir lieber, Herr Kollege Schwarz; das muss ich sehr deutlich sagen. Nichtsdestotrotz ist es schon bemerkenswert, dass er mit dem Kopf wackelt, bevor jemand etwas sagt. (Beifall bei der FDP/DVP) Und es ist eben nicht falsch, Herr Strobl, dass der Minister- Es stimmt ja auch nicht. Die FDP ist in Rheinland-Pfalz in ei- präsident kürzlich bei einer Regierungspressekonferenz über ne Koalition gegangen, die FDP ist in Schleswig-Holstein in die Funklöcher in Stuttgart gejammert hat. Da haben Sie, Herr eine Koalition gegangen, die FDP ist in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident, gesagt: in eine Koalition gegangen. In Baden-Württemberg und im Bund sind wir nicht in eine Koalition gegangen, weil die In- Wenn ich durch Stuttgart fahre: immer die gleichen Funk- halte nicht gestimmt haben. löcher. Und was mich am meisten deprimiert, ist: Jetzt bin ich acht Jahre Ministerpräsident, und es gibt immer noch (Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Eben! So ist es!) die gleichen Funklöcher. Herr Ministerpräsident, ich habe Ihnen Anfang 2016 vor der Wahl die Möglichkeit gegeben, zu den Inhalten der FDP Stel- Das verstehen Sie als Digitalisierungserfolge. lung zu nehmen. Wir haben gesagt, wir seien bereit, mit je- (Heiterkeit bei der FDP/DVP) dem zu koalieren, der bereit ist, unsere Inhalte mit uns umzusetzen. Ihre Antwort war: „Eine Partei mit einem Stimmenan- Sie sagen: „Wir sind hellwach.“ Nein, Sie haben acht Jahre teil von 5 % darf sich nicht einbilden, die Regierungspolitik lang geschlafen, wenn Sie acht Jahre das Land regieren und zu bestimmen.“ Typisch für die Abgehobenheit und Arroganz in Stuttgart noch immer dieselben Funklöcher erkennen. der Macht. (Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Dr. Heinrich (Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Timm Kern Fiechtner [fraktionslos]) FDP/DVP: Genau so war es!) Die Leuchttürme, die Sie im Bereich der Digitalisierung ha- Dann haben wir gesagt: „Wenn es so ist, meine Damen und ben, sind wahrlich auch kein Ruhmesblatt. Bei „ella“ haben Herren, dann können Sie regieren, mit wem Sie wollen.“ Dann Sie eine zweistellige Millionensumme verbrannt, haben alles haben Sie sich halt Herrn Strobl eingefangen. auf null gestellt und wieder neu angefangen. Ist das das Hell- (Vereinzelt Heiterkeit bei der AfD) wache Ihrer Digitalisierungspolitik? So kann es gehen in der Politik, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Der zweite Schuss muss sitzen!) Eines ist klar: Die FDP läuft vor der Verantwortung nicht davon, weder im Bund noch im Land Baden-Württemberg. Wir Oder: Bei ASV-BW haben Sie inzwischen 47 Millionen € auf sind zur Übernahme der Verantwortung bereit, aber nur dann, den Weg gebracht – mit äußerst dürftigem Ergebnis. Heißt wenn wir vernünftige Politik machen können, Inhalte durch- das, in der Digitalisierungspolitik hellwach zu sein? setzen können und uns nicht an einem solchen Gewürge be- teiligen müssen, wie es diese grün-schwarze Koalition in Ba- Nein, meine Damen und Herren, Sie erzählen von drei gro- den-Württemberg aufführt. ßen Themen – Klimawandel, Zusammenhalt der Gesellschaft, Digitalisierung –, und in keinem dieser Bereiche haben Sie (Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Hans Peter wirklich etwas zustande gebracht. Stauch AfD) 5582 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Präsidentin Muhterem Aras: Meine Damen und Herren, auf (Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD) der Besuchertribüne begrüße ich jetzt sehr herzlich die 7. Ba- den-Württembergische Waldkönigin, Frau Johanna Eich. Am Bodensee wie im Neckartal erleben wir eine Automobil- industrie, die längst begriffen hat, dass sich die Welt ändert. (Beifall bei allen Fraktionen) Wir reagieren darauf. In Ulm wollen wir eine Forschungsfa- brik Batterien erstellen. Dafür bewerben wir uns. Frau Johanna Eich aus Sulzfeld im Kraichgau ist die neue Waldkönigin für die Jahre 2019 und 2020. Sie ist somit Bot- Nachhaltigkeit und Innovationsfreude, das gehört bei Grünen schafterin des baden-württembergischen Waldes. Krone und und CDU zusammen, und deswegen ist es gut, dass wir ge- Zepter hat sie auf Burg Hohenzollern am 23. April 2019 von meinsam regieren. Ihrer Vorgängerin Ramona Rauch übernommen. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) Frau Johanna Eich wird sich nachher zu einem Gespräch mit Frau Kollegin Vizepräsidentin Kurtz treffen. Herr Rülke hätte die Chance gehabt – er sitzt ja gern auf der Ersatzbank, wie er noch einmal deutlich gemacht hat –, hier Sehr geehrte, liebe Frau Eich, ich heiße Sie in der Plenarsit- mindestens eine Bewerbung vorzutragen. Aber die Chance, zung des Landtags von Baden-Württemberg nochmals sehr allein eine Bewerbung vorzutragen, haben Sie vermasselt und herzlich willkommen und wünsche Ihnen einen informativen verpasst. Tag bei uns im Haus. (Vereinzelt Beifall) Vielen Dank. Der Ministerpräsident hat es korrekt ausgeführt: Sie haben (Beifall bei allen Fraktionen) sich mehrere Male vom Acker gemacht. Nun erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Herrn Frak- tionsvorsitzenden Schwarz. (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Mehrere Male?) (Zuruf: Jetzt kommt der Waldkönig!) Verantwortung haben Sie nicht übernommen. Ich erinnere an Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Frau Präsidentin, liebe Kol- die Koalitionsgespräche und an die Novellierung des Polizei- leginnen und Kollegen! An die Adresse des Kollegen Stoch gesetzes. Wir hatten Ihnen angeboten, mitzuwirken. Die SPD kann man nur sagen: Machen Sie den Menschen in Baden- war dabei. Hier haben Sie keinerlei Verantwortung für den Württemberg nichts vor. Sie stimmen ja mit mir überein, Herr Rechtsstaat übernommen, Herr Kollege Rülke. Stoch, dass wir eine gute ökonomische Situation, eine hohe Lebensqualität haben. Aber Sie machen den Fehler, das allein (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) Entscheidungen der Bundesregierung oder Entscheidungen In der zweiten Runde der heutigen Aktuellen Debatte gab es der Kommunen zuzuschreiben. keinerlei konstruktive Vorschläge von Ihnen. (Widerspruch des Abg. Andreas Stoch SPD) (Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD) Diese Einschätzung, Herr Stoch, ist nicht richtig. Das muss ich Ihnen ganz klar sagen. Das Maximale von Ihnen war, zu sagen: Machen Sie doch eine Bundesratsinitiative! Das war der einzige Vorschlag, den (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der Sie gebracht haben. Ansonsten gab es hier keinen konstrukti- CDU) ven Beitrag von Ihrer Seite. Wir kommen ja bei Tagesordnungspunkt 2 noch dazu: War- Dann haben Sie die Auslegung der Landesverfassung ange- um stehen denn die Kommunen in Baden-Württemberg so gut sprochen. Mit Verlaub, Herr Rülke: Wer hat denn in der letz- da? Dazu muss ich sagen: Es gibt einen Unterschied zwischen ten Legislaturperiode eine interfraktionelle Arbeitsgruppe ins Grün-Rot in der letzten Legislaturperiode und Grün-Schwarz Leben gerufen? Das waren wir Grünen. Der Kollege Sckerl in dieser. Was haben wir denn neu aufgelegt? Kollege Wolf- hat sich maßgeblich dafür engagiert, dass wir interfraktionell gang Reinhart hat es angesprochen: ein kommunaler Sanie- eine Einigung für mehr direkte Demokratie hinbekommen. Ihr rungsfonds mit mehr als einer halben Milliarde Euro. Da ge- Vorwurf läuft also ins Leere, Herr Kollege Rülke. ben wir Steuereinnahmen des Landes freiwillig an die kommunale Seite weiter. Erst im Sommer letzten Jahres haben wir (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der ein 1,4 Milliarden € schweres Investitionspaket für die kom- CDU) munale Seite zusammengestellt. Das kann sich sehen lassen. Und man muss einfach sagen: Ein Blick ins Gesetzbuch er- (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der leichtert die Rechtsfindung. In Artikel 59 steht nun einmal, CDU) dass über Abgabengesetze keine Initiativen zulässig sind. Das ist der Vorwurf an den Gesetzentwurf der SPD, dass damit Die Landesregierung hat darüber hinaus in vielen anderen Be- dieses Verbot umgangen werden soll. Deswegen hat der In- reichen die Weichen richtig gestellt. Über das Cyber Valley nenminister dies im Rahmen seiner Zuständigkeit abgelehnt. habe ich bereits gesprochen. In Karlsruhe erproben wir das – Also, Herr Kollege, da geht Ihr Vorwurf ins Leere. autonome Fahren im Realbetrieb. In Mannheim finden Pop- musik und Digitalwirtschaft zusammen. In Ludwigsburg wer- (Beifall bei Abgeordneten der Grünen – Vereinzelt den die digitalen Welten der Hollywood-Blockbuster erschaf- Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ul- fen. rich Rülke FDP/DVP)

5583 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Schwarz)

Sie sprechen ja gern von der Freiheit. Das stolze Wort „Frei- Entwurf in Kürze hier in den Landtag einbringen, und ich heit“ taucht im Nahmen Ihrer Partei auf. Sie verkennen dabei glaube, da haben wir etwas richtig Gutes hinbekommen. Wir aber, dass es bei der Freiheit immer auch um die Freiheit der sehen dabei auch das Bauen mit Holz vor. Bauen mit Holz Kinder und der Enkel gehen muss. Zukunftsfähig kann nur ei- schont Ressourcen; es wird mit nachwachsenden Rohstoffen ne Politik sein, die den Möglichkeitsraum erweitert. Ihr Frei- gebaut – gut für das Klima und gut für die lokale Wertschöp- heitsbegriff ist ein alter Freiheitsbegriff. Ich habe immer den fung in Baden-Württemberg, liebe Kolleginnen und Kollegen. Eindruck, das ist bei Ihnen eindimensional auf die Freiheit des Autofahrers gerichtet. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU – Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]): Wie in (Beifall des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE) der Steinzeit!) Aber wir müssen doch viel weiter denken. Faktenbasierte Po- Ich muss noch einmal daran erinnern, Herr Rülke: Als Sie re- litik bedeutet, die großen Herausforderungen in ihrer Ganz- giert haben, hatten wir eine Wohnraumförderung im Umfang heit zu sehen. Wir wissen nicht, wie die Zukunft unserer Kin- von gerade einmal 48 Millionen €. Diesen Betrag haben Grü- der und Enkel aussieht, ne und CDU auf 250 Millionen € verfünffacht. (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Im grü- (Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) nen Gefängnis!) Da gehen wir richtig in die Vollen. Der Vorschlag der Wirt- aber was wir wissen, ist, dass der Klimawandel voranschrei- schaftsministerin, einen Grundstücksfonds aufzulegen, ist ei- tet, und zwar in einem Tempo, das vor Kurzem noch als ne zielführende Idee, um sehr zügig für mehr bezahlbaren Schwarzmalerei galt, inzwischen aber Realität ist. Und mit Wohnraum in Baden-Württemberg zu sorgen. Tornados oder schmelzenden Eisbergen lässt sich nun einmal nicht diskutieren, Herr Kollege. (Beifall bei den Grünen – Abg. Andreas Stoch SPD: Sie haben doch keinen blassen Schimmer!) (Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) Grüne und CDU – das ist konstruktive Zusammenarbeit zum Deswegen müssen wir jetzt handeln – sonst war es das näm- Wohle des Landes. Wir bringen an entscheidender Stelle Ba- lich mit der Freiheit von morgen. den-Württemberg voran – für das Land, für unsere Kinder und (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU unsere Enkel. – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) Herzlichen Dank. Auch hier stellen wir fest: Wirtschaft und Industrie sind doch (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU längst viel weiter als die FDP. Volkmar Denner von Bosch hat – Abg. Andreas Stoch SPD: Oje!) angekündigt, dass die Produktion der Bosch-Gruppe vom nächsten Jahr an CO2-neutral sein wird. Eine super Sache! Der Präsidentin Muhterem Aras: Für die CDU-Fraktion erteile hat es erkannt. ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Dr. Reinhart das Wort. (Abg. Anton Baron AfD: Wahnsinn!) Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mehrfach wurde von den Daimler hat ebenfalls die CO2-neutrale Produktion sowie den verstärkten Absatz von Elektromobilen für die nächsten Jah- Vorrednern, u. a. auch intensiv vom Kollegen Stoch, die Woh- re angekündigt. Die haben es erkannt! Aber wer hat es nicht nungssituation in diesem Land angesprochen. Es ist wahr: Wir erkannt? Wer weiß es? brauchen bezahlbaren Wohnraum. Der Ministerpräsident hat zu Recht darauf hingewiesen, dass in den urbanen Zentren (Zuruf: Die FDP!) mittlerweile Wohnen für viele unbezahlbar geworden ist und das Wohnproblem damit eine ganz entscheidende soziale Fra- Die FDP hat es nicht erkannt, liebe Kolleginnen und Kolle- ge darstellt. gen. (Abg. Anton Baron AfD: Wie kommt denn das?) (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) Nun wird von Ihnen, Kollege Stoch, und auch von anderen Jetzt haben Sie den Wohnungsbau angesprochen. Ja haben Sie betont, die Landesregierung mal angeschaut, was wir hier planen? Wir haben lange um die Änderung der Landesbauordnung gerungen; das gebe ich zu. (Abg. Anton Baron AfD: Blockiert!) (Abg. Anton Baron AfD: Sie blockieren doch stän- sei hier nicht aktiv; wenn man eine Landesentwicklungsge- dig, Grün-Schwarz!) sellschaft hätte, Und wir haben uns verständigt. Im Ziel sind wir uns einig. (Abg. Anton Baron AfD: Oh Gott!) Wir entbürokratisieren, wir vereinfachen. Klar ist doch: Wenn dann wären alle Probleme gelöst. ich heute baue, dann baue ich für die nächsten Jahrzehnte. Deswegen ist es richtig, dass Leerrohre, Elektromobilität und (Abg. Andreas Stoch SPD: Das sagt doch niemand! ein barrierefreier Zugang vorgesehen werden. Das ist eine mo- Aber das ist ein wichtiges Lösungsmittel für das The- derne Landesbauordnung. Die Wirtschaftsministerin wird den ma!) 5584 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Wolfgang Reinhart)

– Also dann nehmen wir es als ein wichtiges Lösungsmittel, (Abg. Reinhold Gall SPD: Warum erwähnen Sie es wie Sie es bezeichnen. dann?)

(Abg. Anton Baron AfD: Nein, das ist kein Lösungs- Sie haben in einem Zug, der schon auf das Gleis gesetzt war mittel!) – die Kultusministerin hieß Warminski-Leitheußer –, im Grun- de genommen eine Bildungspolitik mit einem begonnenen Dieses wichtige Lösungsmittel will ich Ihnen einmal darstel- Abbaupfad von 11 000 Lehrern übernehmen müssen, len. Erstens: Auch mit einer LEG ist keine einzige neue Wohnung (Abg. Reinhold Gall SPD: Und waren die Grünen da geschaffen, auf dem Feld?) (Abg. Anton Baron AfD: So ist es!) wo Sie wenig korrigieren konnten. Ich werfe es Ihnen doch gar nicht vor. Ich will Sie doch entlasten. Ich bin Ihr Verteidi- sondern wir brauchen vor allem Bauland. Erst dann, wenn ge- ger. nug Wohnungen gebaut werden, wird sich auch der Markt ent- spannen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU)

(Abg. Andreas Stoch SPD: Es gibt Landesflächen, auf Ex post ist man klüger als ex ante. Das ist keine Frage. Aber denen können 10 000 Wohnungen gebaut werden! – ich will Ihnen nur sagen, wo überall Ihr Phantomschmerz Abg. Anton Baron AfD: Und da machen die Grünen liegt. Dieser Phantomschmerz liegt in einem zweiten Punkt. nicht mit!) Lieber Kollege Gall, seien Sie doch einmal ehrlich. Die gan- Jetzt komme ich zu Ihnen. Das ist eine Preisfrage. Herr Stoch, ze Frage, was Bevölkerungsentwicklung etc. angeht: Wir Ihnen werfe ich das ja gar nicht vor. Aber Sie haben natürlich übernehmen bei der inneren Sicherheit eine demografisch be- eine Folgeverantwortung für die Tätigkeit des für Wohnungs- dingte Entwicklung der Abgänge der Polizeibeamten, die be- bau zuständigen Wirtschafts- und Finanzministers der letzten kannt und voraussehbar war. Der Kollege Hofelich ist hier und Wahlperiode, der Ihrer Partei angehört. Jetzt frage ich hier die kennt die Zahlen. Bürgerinnen und Bürger in Baden-Württemberg und die Kol- leginnen und Kollegen in diesem Saal: Wer hat in diesem Land (Abg. Peter Hofelich SPD: Danke!) 21 000 Wohnungen der LEG verkauft? Wer war das? Ihr konntet 2011 mit Steuereinnahmen von 24,8 Milliarden € (Abg. Nicole Razavi CDU: Der kleine Nils! – Abg. starten, und 2016 lagen die Einnahmen bei 34,5 Milliarden €. Reinhold Gall SPD: Und wer hätte sie kaufen kön- Das ist doch ein Punkt. Und in der gleichen Zeit hat Ihr Fi- nen? Ihr Parteifreund Föll hätte sie kaufen können, nanzminister – trotz der Zunahme der Steuereinnahmen um natürlich!) 10 Milliarden € – per saldo, Abschluss 2016, noch 3 Milliar- Ich will Ihnen die Antwort geben: Der Mann hieß Nils Schmid den € neue Schulden aufgebaut. und war damals Landesvorsitzender der SPD. Er hat 21 000 Wohnungen verkauft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU) (Beifall bei der CDU – Abg. Nicole Razavi CDU: So Wenn ich in dieser Fraktion gewesen wäre und müsste rück- ist es! – Abg. Reinhold Gall SPD: Föll hätte sie kau- blickend, ex post 2016 bilanzieren, hätte ich auch diesen Phan- fen können und hat sie nicht gekauft! Sie wissen doch tomschmerz. auch, warum sie verkauft werden mussten! – Abg. Andreas Stoch SPD: Sie sind Jurist! Obacht!) (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU) – Herr Kollege Gall, ich will Ihnen eines sagen: Denn ich würde fragen: „Verdammt noch mal, was haben wir da gemacht?“ Das ist doch logisch. (Abg. Stefan Herre AfD: Das tut weh, liebe SPD, aber es ist so! – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: (Abg. Andreas Stoch SPD: Das ist unglaublich!) Sie haben ja keinen Plan! – Gegenruf des Abg. Ste- fan Herre AfD: Doch, ich habe da einen Plan!) Insoweit muss man einfach sehen – – Ich werfe es Ihnen, Kol- lege Stoch, nicht vor. Wenn ein Zug fährt, dann ist es schwie- Wenn man eine Operation hinter sich hat, gibt es in der Fol- rig, noch zu wenden. Aber wenn man selbst 21 000 Wohnun- gewirkung den berühmten Phantomschmerz. gen verkauft hat, sollte man nicht so tun, als hätte diese Re- gierung für die Wohnungssituation die Verantwortung, (Abg. Reinhold Gall SPD: Ich habe heute sogar einen leichten!) (Beifall bei der CDU – Abg. Nicole Razavi CDU: So Ich will Ihnen sagen: Ich kann Ihren Schmerz verstehen. ist es! – Abg. Georg Nelius SPD: Die sind ja nicht vom Markt verschwunden!) (Vereinzelt Beifall bei der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Hochmut kommt vor dem Fall!) Dieser Einwand ist verwirkt. – Nein, im Gegenteil. Ich werfe es Ihnen doch gar nicht vor, (Abg. Andreas Stoch SPD: Ihr habt doch bis 2011 Kollege Stoch. nichts gemacht! – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD)

5585 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Wolfgang Reinhart)

Herr Kollege, jetzt muss ich natürlich schon etwas zu dem Deshalb will ich Ihnen sagen: Die Kommunen des Landes Ba- Vorschlag sagen, die Grundsteuer einfach abzuschaffen. Ich den-Württemberg stehen unter den Kommunen aller 16 Län- weiß nicht, ob die Vertreter der Kommunen, die nachher bei der finanziell am besten da. TOP 2 betroffen sind, schon da sind. Aber so kann man – – (Beifall bei Abgeordneten der CDU) (Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) Das hat etwas mit der Politik der letzten 70 Jahre zu tun, und – Ja, Sie wollen einen Ersatz durch Einkommensteuer und darauf können wir stolz sein. Wir haben immer daran festge- Lohnsteuer. Ich muss schon einmal sagen: halten – übrigens selbst im Gegensatz zu Bayern, das seine pauschalen Steuerzuweisungen nicht bei 23 % beließ, (Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD) (Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD) Frau Wolle, den Kommunen würden bei einer Abschaffung der sondern auf 12,8 % reduziert hat; Niedersachsen hat sie auf Grundsteuer 1,8 Milliarden € fehlen. Die Grundsteuer ist eine 18 % gesenkt etc. –, die Kommunen bei den pauschalen Steu- der wichtigsten Einnahmequellen der kommunalen Selbstver- erzuweisungen gut auszustatten. waltung. Damit komme ich zu einem anderen Punkt, der hier mehrfach (Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) angesprochen wurde: LHO. Herr Kollege Stoch, von wegen Zwang. Jetzt müssen Sie mir erklären – Sie sind Jurist –, wo- Wenn Sie sagen: „Diese Steuer streichen wir einfach“, legen rin ein Zwang für diese Mehrheitsfraktionen von Grünen und Sie die Axt an die Kommunen. CDU oder für diese Regierung bestand, einen Sanierungs- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) fonds im Umfang von 600 Millionen € aufzulegen? Einen solchen Fonds hat es 70 Jahre lang gar nicht gegeben. Aus wel- Das ist nicht möglich. Kein Land – – cher Anspruchsgrundlage leiten Sie das ab? (Abg. Andreas Stoch SPD: Sie sind zur Schuldentil- Präsidentin Muhterem Aras: Herr Abg. Dr. Reinhart, ... gung verpflichtet!) Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ja, bitte. Da gibt es keinen Zwang. Das war politische Gestaltungskraft für die kommunale Selbstverwaltung. Präsidentin Muhterem Aras: ... lassen Sie eine Zwischen- frage des Herrn Abg. Klos zu? (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen – Abg. Peter Hofelich SPD: Es geht doch darum, Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Lasse ich zu, ja. Schulden zu tilgen! – Gegenruf des Abg. Andreas Stoch SPD: So ist es!) Abg. Rüdiger Klos AfD: Vielen Dank, Herr Professor Rein- hart, für das Zulassen der Zwischenfrage. – Sie haben eben zu – Ja, das haben wir. Recht darauf abgehoben, dass die 1,8 Milliarden € eine Haupt- finanzierungsquelle der Kommunen sind. (Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD)

Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ja. Vielen Dank, Herr Kollege Hofelich. Das kann ich Ihnen beantworten. Abg. Rüdiger Klos AfD: Aber das ist ja eine Argumentation rein nach dem Selbstzweck, nach dem Motto: „Wir brauchen (Abg. Reinhold Gall SPD: Das war gar keine Frage!) das Geld, also machen wir es.“ Der Grundsatz muss doch sein: Wir nutzen – – Ich habe es vorhin nur kurz ansprechen können: Die Frage nach der Tilgung von Schulden ist ganz einfach zu beantwor- Präsidentin Muhterem Aras: Die Frage! Herr Abg. Klos, ten: Diese Koalition hat allein in diesen drei Jahren die Schul- die Frage! den implizit und explizit um 6,3 Milliarden € reduziert. Das ist eine Leistung, die es früher nie gegeben hat. Wir haben ei- Abg. Rüdiger Klos AfD: Ich frage: Lautet der Grundsatz ne Trendumkehr. Wir sind heruntergekommen vom Schulden- nicht, dass wir Steuern – Tabaksteuer und dergleichen – erhe- berg, wir haben einen Abbaupfad. Insoweit wird die Situati- ben, um ein gewünschtes Verhalten zu bewirken? on jetzt natürlich schwieriger.

(Zurufe, u. a. Abg. Reinhold Gall SPD: Nein!) (Abg. Peter Hofelich SPD: Herr Kollege, das nennt man Rabulistik!) Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Ich will Ihnen sagen: – Bitte? Erstens ist ja nun vor Ort bei den Kommunen – – Die Frage der Wohnfläche und der Grundstücksfläche hat etwas mit der (Abg. Peter Hofelich SPD: Man nennt das Rabulis- Infrastrukturversorgung zu tun. Das geht bis zu Straßen, bis tik! Darum geht es gerade gar nicht!) zu Infrastruktur, aber auch bis zu Kindergärten, Schulen und vielem mehr. – Doch. Es geht schlichtweg um Zahlen. (Zuruf des Abg. Stefan Räpple AfD) (Lachen bei Abgeordneten der SPD) 5586 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Wolfgang Reinhart)

Schon Franz Josef Strauß hat gesagt: Zahlen kann man nicht (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Vor wem denn? – befehlen, sondern sie sind real. Das wissen Sie am allerbes- Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) ten. Deshalb müssen Sie anerkennen, dass wir Schulden reduziert haben. – Ja, die CDU sei beim KSG, dem Klimaschutzgesetz, „eingeknickt“. (Beifall bei der CDU und des Abg. Andreas Schwarz GRÜNE) (Zuruf von der CDU: Vor wem eingeknickt?)

Dann sollte man eines nicht tun, Herr Kollege Rülke – der Mi- – Genau das ist der Punkt. nisterpräsident hat darauf hingewiesen –: Nicht nur in den De- batten, auch bei den Oppositionsbeiträgen sollte man dieses Jetzt muss ich Ihnen sagen: Diese CDU-Fraktion hat 13 wich- Land nicht schlechtreden. tige Bereiche angesprochen. In allen 13 Bereichen, die zu- nächst streitig waren, haben wir uns geeinigt. Insoweit will (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen ich Ihnen schon sagen: Sowohl beim Artenschutz wie beim – Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Oh!) Klimaschutz und bei der Biodiversität haben wir viel auf die Reihe gebracht. Vorschläge bis hin zur Klimastiftung liegen – Ja. auf dem Tisch.

(Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nicht das Das will ich hier deutlich unterstreichen. Wir müssen uns da- Land, die Regierung!) rüber unterhalten, wie wir diese Herausforderungen der Zu- kunft gut angehen und gestalten können. Denn die Behauptung, bei Problemen wie z. B. Technologi- en, Diesel etc. habe zwar die Landesregierung, die Landespo- (Abg. Anton Baron AfD: Was ist mit dem Bienen- litik die Verantwortung, aber der Wohlstand habe mit Politik geld, Herr Reinhart?) überhaupt nichts zu tun, ist eine steile These. Deshalb kann ich Ihnen sagen: Wir lassen uns „Prima Klima“ Ich will Ihnen schon sagen: Wenn dieses Land hier nicht nur nicht mit negativem Gerede kaputt machen, in diesem Punkt die Innovationsregion Nummer 1 in Europa ist – was Gott sei schon gar nicht. Dank immer noch der Fall ist, vor Bayern und vor der Ile-de- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen France im Pariser Becken –, wenn wir die niedrigste Arbeits- – Abg. Anton Baron AfD: Herr Reinhart, Bienen- losenrate haben – zusammen mit den Freunden in Bayern –, geld?) wenn wir außerdem die niedrigste Armutsrate haben und da- rüber hinaus die höchste Ehrenamtsrate, Vor diesem Hintergrund hat natürlich auch der Wohlstand etwas mit den Erfolgen in diesem Land zu tun. (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Alles Grün- Schwarz!) Ich habe gestern gesehen, dass die FDP in der Tat irgendwo einen inhaltlichen Vorschlag gemacht hat, nämlich dass man wie im Beitrag des Ministerpräsidenten angesprochen, dann Hundezäune anlegen solle – müssen wir darauf stolz sein. Vor allem hat das mit den Rah- menbedingungen der letzten Jahrzehnte und somit auch mit (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Anton Politik zu tun. Baron AfD: Was, die FDP? – Abg. Nicole Razavi CDU: Das sind die wichtigen Themen der FDP!) (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Jahrzehnte, darauf können wir uns einigen!) sicherlich sehr weitgehend, aber das ist hier in Stuttgart pla- katiert. Denn im Grunde genommen macht die Politik, nicht nur z. B. die Bildungspolitik, sondern auch die Wirtschaftspolitik, in (Zurufe von der CDU) diesem Land gerade auch mit den Projekten der letzten drei Jahre Politik für den Mittelstand. – Ich habe es nicht hier, sondern leider irgendwo anders liegen. Egal, ich wollte nur darauf hinweisen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU) Ich glaube, es ist wichtig, dass wir uns konstruktiv darüber Ich habe hier oft gesagt: Der Mittelstand ist der Joker im auseinandersetzen, wie wir die Zukunft in diesem Land ge- Standortpoker. Wir sind stolz auf den starken Mittelstand in stalten. unserem Land. Dann wurden bei den vom Kollegen Stoch genannten Punk- Wir haben uns dieser Tage geeinigt. Herr Kollege Glück ist ten noch die Drogenkonsumräume angesprochen, über die gerade nicht da. Er sagte in einem Kommentar – darüber wur- man gestritten habe. Ja, man hat sich darüber unterhalten, aber de groß geschrieben –, beim KSG sei die CDU man hat eine Lösung gefunden, und zwar zusammen mit dem Justizminister, dem Innenminister und den Kollegen aus den (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Die CDU!) Fraktionen.

„eingeknickt“. Mit solchen Kommentaren wird er in Europa (Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions- keinen Erfolg haben los])

5587 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Wolfgang Reinhart)

Es ist jetzt eben so, dass diese Frage für die Stadt Stuttgart, Sie würden sich abwenden, umdrehen, manche rotieren, man- für Städte mit mehr als 300 000 Einwohnern gelöst ist und che würden sich mit Grauen abwenden. dass damit begonnen wird. Wir haben auch diesbezüglich Lö- sungen herbeigeführt und nicht weiter gestritten. (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ich bin immer noch beliebter in meiner Partei als Sie in Ihrer!) Insoweit will ich schon darauf hinweisen, dass wir überall auf gutem Wege sind. In der Tat: Kompromisse sind nötig. Das Es geht, Herr Rülke, in einer Demokratie nicht um Lautstär- ist auch keine Demütigung, sondern wir haben in vielen Be- ke, es geht um Lauterkeit. Es geht auch nicht um Redselig- reichen zukunftsträchtige Entscheidungen getroffen. keit, es geht um Redlichkeit. Es geht auch darum, sich zu behaupten. Es geht aber auf gar keinen Fall darum, einfach im- Dies gilt natürlich auch für die Mobilität – eine große Heraus- mer nur irgendetwas zu behaupten. Und was Sie heute wieder forderung. Sicherlich müssen wir bei einem solchen wahnsin- alles unter dem Stichwort Blockadekoalition von sich gege- nigen Umbruch in der Automobillandschaft, aber auch gene- ben haben, rell bei diesen radikalen Schnelligkeiten der Umbrüche die Zukunft neu gestalten. (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Alles, was Sie aufgeschrieben haben! 17 Punkte! Das haben Sie Wir müssen dieses Bild „Baden-Württemberg 2030“ malen. alles selber aufgeschrieben!) Aber dazu gehört auch, dass Schritte getan wurden, dass wir uns geeinigt haben. Selbst bei schwierigen Fragen der Luft- entspricht einfach nicht den Tatsachen. reinhaltung haben wir uns geeinigt. Dabei sind um 25 % nied- Schauen Sie mal: Forstreformgesetz: Ministerrat am 26. März. rigere Tarife für den ÖPNV, und zwar nicht nur im mittleren Wildtierbericht: Ministerrat am 9. April. Neckarraum, sondern vom Bodensee bis zum Main, bis Wert- heim, herausgekommen. Davon profitieren alle Bürgerinnen (Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist Alltagsgeschäft!) und Bürger in diesem Land, und für diesen Wohlstand werden wir weiter kämpfen. Landesbauordnung: am 21. Mai im Kabinett. Wohnraumof- fensive, Kommunalfonds: nächste Woche im Kabinett mit Ka- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen binettsbeschluss. – Abg. Martin Grath GRÜNE: Richtig!) (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Seit wann Präsidentin Muhterem Aras: Für die Landesregierung er- macht das Kabinett Gesetze?) teile ich das Wort Herrn Minister Strobl. – Wir bringen die Gesetze auf den Weg, ins Parlament. Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Tho- mas Strobl: Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Dann ma- Herren Abgeordnete! Es war einmal eine FDP in Baden-Würt- chen Sie doch mal!) temberg, die Ideen entwickelt hat und um deren Umsetzung gerungen hat. Es war einmal eine FDP, die den demokrati- Wir sind uns einig in der Koalition. schen Wettstreit ernsthaft gepflegt und befördert hat. Es war einmal eine verlässliche und vernünftige FDP, die regierungs- (Abg. Reinhold Gall SPD: Ganz klar Handwerk, willig und auch regierungsfähig gewesen war. Es war einmal sonst gar nichts bislang!) eine FDP, die zum Kompromiss fähig war und den Kompro- Datenschutz für Justiz und Bußgeldbehörden: am 26. März miss nicht diskreditiert hat, sondern selbst in Landes- und erledigt im Ministerrat. Am Dienstag dieser Woche geeint – Bundesregierungen täglich erfolgreich Kompromisse gemacht Kollege Reinhart hat darauf hingewiesen – das Klimaschutz- hat. gesetz auf den Weg gebracht. Und am gestrigen Mittwoch wurde im Landtag das Gesetz zur Umsetzung der Neuorgani- Wenn man Herrn Rülke hier reden hört, glaubt man es kaum: sation der Forstverwaltung verabschiedet. Doch, es gab sie tatsächlich, Es flutscht. Es flutscht wie beim Brezelbacken in dieser Koa- (Zuruf des Abg. Thomas Marwein GRÜNE) lition. diese FDP, die einstmals stolze FDP von Reinhold Maier, (Abg. Reinhold Gall SPD: Beim Brezelbacken flutscht Theodor Heuss, Wolfgang Haußmann, die FDP von Ulrich gar nichts!) Noll, Walter Döring, Wir liefern. Wir stellen mehr junge Menschen bei der Polizei (Abg. Reinhold Gall SPD: Oh! – Abg. Andreas ein als je zuvor. Schwarz GRÜNE: FlowTex!) (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, ja!) Ernst Pfister – unterschiedliche Persönlichkeiten –, Birgit Homburger, Klaus Kinkel – kürzlich verstorben –, Richard Wir stemmen uns mit aller Kraft gegen die Pensionierungs- Drautz – mir unvergessen. Was würden diese honorigen Per- welle. 1 500 Stellen wird es bei der baden-württembergischen sonen und Staatsmänner über einen solchen Auftritt wie den Polizei zusätzlich geben – von Herrn Rülke heute denken? (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Wann? – (Abg. Brigitte Lösch GRÜNE: Sich schämen!) Abg. Reinhold Gall SPD: Oje, oje!) 5588 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Minister Thomas Strobl) wie versprochen. Wir liefern. Wir haben sie bereits in der Aus- der Polizistinnen und Polizisten. So schützen wir diejenigen, bildung – 900 für den Streifendienst und 600 für den Nicht- die uns jeden Tag schützen. Das ist der Unterschied zu Ihnen, vollzugsdienst. die Sie nur reden. Wir handeln ganz konkret. Wann? Die 600 Stellen für den Nichtvollzug haben wir bis (Beifall bei der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Tol- 2021 versprochen und im Doppelhaushalt 2018/2019 gehal- les Beispiel! Lag ja an der SPD!) ten. Mehr gehalten als versprochen – es unterscheidet uns von Ihnen, lieber Herr Rülke, dass wir mehr halten, als wir in Aus- Wir, diese Koalition aus Grünen und CDU, haben die intelli- sicht stellen. gente Videoüberwachung in Mannheim auf den Weg gebracht, Stadionallianzen zur Verbesserung der Sicherheit bei Fußball- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen spielen und zur Entlastung der Beamtinnen und Beamten ge- – Zuruf des Abg. Andreas Stoch SPD) gründet, den „Sonderstab gefährliche Ausländer“ – bundesweit einmalig – eingerichtet, um nur einige Verbesserungen Herr Stoch, noch einmal zu Ihnen von der SPD. Wir haben in der Sicherheitspolitik zu nennen. Das alles sind Maßnah- von Ihnen 2016 im Mittel 2 500 auszubildende Polizistinnen men, die Sie nicht auf die Kette gebracht haben. und Polizisten übernommen, und wir haben jetzt 2 000 mehr. Das ist der Unterschied. Sie haben Polizeischulen geschlos- Wir, diese Koalition aus Grünen und CDU, sen. (Abg. Andreas Stoch SPD: Und zwar in dieser Rei- (Abg. Reinhold Gall SPD: Wir haben überhaupt kei- henfolge!) ne Polizeischulen geschlossen! Durch Wiederholen wird es nicht wahrer! – Gegenruf des Abg. Thomas haben das Eingangsamt A 7 faktisch abgeschafft. Das ist ein Blenke CDU: Sie haben drei zugemacht!) weiterer Meilenstein für unsere Polizistinnen und Polizisten. Wir haben diejenigen, die Samstagfrüh und Sonntagfrüh um Sie haben Lehrer weggeschickt. Wir bauen diese fehlenden 3 Uhr morgens im Streifendienst tätig sind, im Blick. Wir wer- Kapazitäten in einem einzigen Kraftakt mühsam wieder auf. den A 7 faktisch abschaffen. Es unterscheidet uns von Ihnen, dass Sie nur davon geredet haben, während wir es im Interes- (Abg. Reinhold Gall SPD: Märchen! – Abg. Andre- se unserer Polizistinnen und Polizisten umsetzen. as Stoch SPD: Sie erzählen hier die Unwahrheit!) (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU Sie hatten sich massiv verkalkuliert. Trotz angespannter Si- – Abg. Reinhold Gall SPD: Und auch da sagen Sie cherheitslage, trotz nahender Pensionierungswelle hatten Sie nicht die Wahrheit!) lediglich mit 700, 800 Einstellungen pro Jahr geplant. Wir stellen jetzt jeweils 1 800 in den Jahren 2018 und 2019 ein. Wir haben das Polizeigesetz in einer ersten Novelle in vielen Punkten reformiert, und wir werden auch eine zweite Novel- (Abg. Sascha Binder SPD: Ich bin mal gespannt, ob le hinbekommen. es 1 800 sind!) (Abg. Andreas Stoch SPD: Wissen das auch die Grü- Das sind exakt 1 000 mehr pro Jahr. Das ist der Unterschied. nen?) Wir handeln, wir setzen es konkret um, und wir tun etwas für die baden-württembergischen Polizistinnen und Polizisten. Wir, diese Koalition aus Grünen und CDU, haben die dringend notwendigen Stellen in der Justiz geschaffen, die die (Beifall bei den Grünen und der CDU) SPD immer blockiert hat. Wir, diese Koalition aus Grünen und CDU, haben massiv den Breitbandausbau vorangebracht. Herr Kollege Gall, ich würde es nicht sagen, wenn Sie nicht dazwischenrufen würden: Sie hatten maximal zwei, drei Nun zu dem, was Sie, Herr Kollege Stoch, zum Thema „Wirt- Standorte in der Ausbildung für ausreichend gehalten. Sie hat- schaft und Digitalisierung“ gesagt haben. Es ist dem Grunde ten 15 % der Lehrkräfte für verzichtbar gehalten. Das war ei- nach richtig, dass natürlich vor allem in der Wirtschaft Digi- ne eklatante Fehlentscheidung, die wir jetzt mühselig wieder talisierung stattfindet. Aber der Staat hat schon die Aufgabe, korrigieren. beispielsweise Rahmenbedingungen zu setzen und die Wirt- schaft in unserem Land in bestimmten Bereichen zu unterstüt- (Beifall bei der CDU – Abg. Reinhold Gall SPD: Wir zen. haben Ausbildungsplätze ausgebaut! Nur zur Kennt- nis! Alles andere sind Märchen!) Wir hatten gestern – Herr Kollege Stickelberger kann leider im Augenblick nicht hier sein – in der Fragestunde eine inte- Sie haben es in fünf Jahren nicht annähernd geschafft, die Bo- ressante Debatte über das Thema „Cybersicherheit bei Unter- dycam einzuführen. Wir haben nicht lange geredet, wir haben nehmen“. In Baden-Württemberg gibt es die Cyberwehr, da- es inzwischen getan. mit wir die mittelständischen Unternehmen in unserem Land, die Familienbetriebe, Handwerksbetriebe, Gewerbetreibende (Lachen bei der SPD) konkret bei der Digitalisierung unterstützen. Demnächst werden Sie in Baden-Württemberg keine Streife Oder aber, Herr Kollege Stoch, wenn Sie sagen, das sei alles mehr finden, die keine Bodycam hat – mehr Bodycams als in eine Frage der Wirtschaft: allen anderen Ländern. Wir speichern im Übrigen nicht bei Amazon, sondern auf polizeieigenen Servern. Wir haben es (Abg. Andreas Stoch SPD: Das habe ich doch gar getan; die Bodycam ist da, sie ist inzwischen an der Uniform nicht gesagt!)

5589 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Minister Thomas Strobl)

Was macht denn der Betrieb im Schwarzwald? Der braucht (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen schnelles Internet. Deswegen helfen wir ihm. Es gab einmal – Abg. Willi Stächele CDU: Bravo!) einen SPD-Wirtschaftsminister, der davon geredet hat, es sei egal, ob im Schwarzwald ein Tal zuwächst. Meine Damen und Herren von der FDP, es ist keine Helden- tat, immer von der Seitenlinie gute Zurufe zu geben und die (Abg. Winfried Mack CDU: Der sitzt inzwischen im Koalitionsverhandlungen auf der Bundesebene mit einem Bundestag!) Hashtag abzublasen. Personalityshow, lieber Herr Rülke, ist nicht Politikersatz. Es gilt der Satz von Erwin Teufel, den ich Wir investieren eine halbe Milliarde Euro für digitale Breit- Ihnen in aller Ernsthaftigkeit sagen möchte: Erst das Land, bandinfrastruktur, vor allem, damit wir im Schwarzwald das dann die Partei und ganz zum Schluss die Person. Vielleicht schnelle Internet hinbekommen; denken Sie ab und zu über diesen klugen Satz nach.

(Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD) (Abg. Andreas Stoch SPD: Das sollte auch die CDU 500 Maßnahmen für 135 Millionen € im vergangenen Jahr. tun!) Das ist der Unterschied. Sie haben so gut wie nichts auf die Dieses Schaufenstergebaren schadet unserer Demokratie; es Kette gekriegt. schadet im Übrigen der Politik, dieses trumpsche Prinzip, zu- (Abg. Andreas Stoch SPD: Haben wir denn allein re- erst Dinge zu behaupten, die man dann irgendwann einmal giert?) hinterher korrigiert. Wir handeln und machen es. (Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD) (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen Das ist in einer Demokratie auch gefährlich, und solche De- – Abg. Andreas Stoch SPD: Was ist bis 2011 passiert? batten, wie Sie sie heute geführt haben, sorgen dafür, dass sich Mann, Mann! – Weitere Zurufe von der SPD) Bürgerinnen und Bürger enttäuscht von der Politik abwenden. So einen Zirkus braucht in Wahrheit niemand. Es kann für ei- – Ja, das tut Ihnen weh. Wenn Sie es nicht angesprochen hät- nen hart arbeitenden Menschen auch nur Hohn und Spott sein, ten – – wenn er mit anschauen muss, was Sie hier mit einem breiten Grinsen so alles von sich geben, während andere mit harter (Unruhe) Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen.

Aber es ist halt so. Das ist eine konkrete Förderung für die (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Sie meinen ländlichen Räume und für die Unternehmen in unserem Land, aber nicht sich!) insbesondere für die Familienunternehmen, die mittelständi- sche Wirtschaft. Ich lade Sie ein, sich über jedes Politikfeld ernsthaft auszu- tauschen. (Zuruf des Abg. Georg Nelius SPD) Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Minister, lassen Sie (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Das geht eine Zwischenfrage zu? aber mit Ihnen nicht!) Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Tho- Nur: Das, was Sie in der Substanz heute vorgebracht haben, mas Strobl: Nein, ich würde das gern im Zusammenhang aus- war nahe null, führen. – Diese Koalition aus Grünen und CDU hat eine res- sortübergreifende Digitalisierungsstrategie erarbeitet, die uns (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Ja, ja!) in diesem Zukunftsfeld entscheidend positioniert hat und die bundesweit ihresgleichen sucht. Nichts haben Sie in der ver- oder es war einfach schlichtweg falsch, oder es war Klamauk. gangenen Wahlperiode auf die Kette gekriegt. Aber packen Sie doch die Klamaukklamotten in die Kiste für den nächsten Karneval – allerdings hat die schwäbisch-ale- (Abg. Sascha Binder SPD: Reden Sie doch mal mit mannische Fasnet bessere Kalauer verdient. Bis dahin arbei- Ihrer Fraktion! – Weitere Zurufe von der SPD) ten wir in dieser grün-schwarzen Koalition weiter verlässlich, stabil, mit aller Ernsthaftigkeit an der Zukunft für die Men- Wir haben wieder Ruhe in die Bildungspolitik gebracht, bei schen in diesem schönen Land Baden-Württemberg. der es endlich wieder um Qualität und nicht um Strukturen geht. Wir haben die Wirtschaftspolitik aus dem Gefrierfach Herzlichen Dank. geholt (Anhaltender Beifall bei der CDU – Beifall bei Ab- (Lachen bei der SPD – Abg. Reinhold Gall SPD: Oh geordneten der Grünen – Abg. Andreas Stoch SPD: mein Gott! Alles Parteitagsrhetorik!) Gut! Viel Spaß!) und das Teilzeitwirtschaftsministertum abgeschafft, und wir Präsidentin Muhterem Aras: Nun erteile ich das Wort Herrn haben mit Nicole Hoffmeister-Kraut eine tatkräftige, aner- Abg. Dr. Fiechtner. kannte und höchst kompetente Wirtschaftsministerin. Das ist gut für die Unternehmen, für das Handwerk und für den Mit- (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Noch eine telstand in Baden-Württemberg. Steigerung! – Zuruf des Abg. Willi Stächele CDU) 5590 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Abg. Dr. Heinrich Fiechtner (fraktionslos): Ihre Majestät, hat ihr ganzes freiheitliches und bürgerliches Porzellan ver- Königin des Waldes, der Elfen und Trolle, scherbelt. Nicht umsonst hörte Professor Reinhart beim Countdown bei der symbolischen Zahl 13 auf. Das ist ganz (Heiterkeit bei der AfD) offensichtlich die Unglückszahl. verehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte (Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Das stimmt Herren! nicht! – Zuruf des Abg. Winfried Mack CDU) Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Wie weit wollen Sie sich denn eigentlich noch verbiegen? Macht- und Postenerhalt um jeden Preis – hier um den Preis Dieser Satz von Christian Lindner war ein kluger Satz; er war von Sicherheit und Wohlstand unseres Volkes? konsequent, und er war korrekt. (Abg. Winfried Mack CDU: Sie haben ab 13 nicht (Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU zur FDP/DVP: mehr zugehört!) Habt ihr ein Aufnahmeformular da?) Damit bei der nächsten Wahl die Mehrheitsverhältnisse an- Natürlich hat die FDP recht, dass die sinnvollste Regierung ders aussehen, sollten Sie das ändern. Wie es nicht geht, hat aus Parteien besteht, die sich gegenseitig ergänzen und in die die FDP erfolgreich bei der „Strategie 18“ bewiesen. Viel- gleiche Richtung ziehen. CDU und Grüne, das passt nicht zu- leicht haben Sie beim nächsten Mal mehr Glück, gern auf sammen – sollte man meinen. Doch so verwässert, so ange- Kosten der Grünen. schimmelt grün, wie das Profil der CDU mittlerweile ist – Ich zitiere zum Schluss Herrn Lindner heute vor dem Bundes- (Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD) tag: mit IM Erika und dem grünen Ministerpräsidenten Günther Weimar ist nicht gescheitert an seiner Verfassung, son- in Schleswig-Holstein –, ist selbst das möglich, obwohl man dern am Fehlen einer liberalen Gesellschaft, die für ihre während der Wahl noch großmundig versprochen hat, nicht Werte eintritt. mit den Grünen zu koalieren. Dennoch muss ich ehrlich zu- Lassen Sie uns für die Werte der Freiheit eintreten! geben, dass diese zwei Parteien dafür, dass sie anscheinend etwas anderes wollen, doch erstaunlich gut miteinander klar- (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Nicole Ra- kommen. zavi CDU: Dann machen Sie mal mit!) Die CDU hat sich praktisch vollständig – das erwarten wir – Ich bin immer dabei, aber Sie nicht, Frau Razavi. von den Flüchtlingen – in die grüne Partei integriert und as- similiert. (Abg. Nicole Razavi CDU: Oh, oh!) (Heiterkeit und Beifall bei der AfD) Präsidentin Muhterem Aras: Nun erteile ich das Wort Herrn Abg. Dr. Gedeon. Das, was sie mit der SPD versucht und sie damit politisch ver- (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Noch eine schluckt hat, scheint umgekehrt in die Hose zu gehen. Steigerung! – Unruhe) (Heiterkeit der Abg. Dr. Christina Baum AfD) Abg. Dr. Wolfgang Gedeon (fraktionslos): Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wenn ich auf die Uhr schaue, dann Vielleicht haben ein paar von Ihnen mitbekommen, dass ich muss ich sagen: Das war heute von den Fraktionsvorsitzen- kein großer Fan der grünen Bevormundungs- und – ich zitie- den ein Missbrauch des Rederechts. re Herrn Rülke – „Hirnfurz“-Politik bin. (Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Oh!) (Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke FDP/DVP: Nein, nein! Das war der Ministerpräsident! – Heiterkeit bei Ab- Es wäre in der halben oder, ich würde sagen, im Viertel der geordneten der CDU und der AfD) Zeit genauso gut gegangen. Ich rauche schließlich auch keine psychotropen Drogen. (Abg. Reinhold Gall SPD: Ohne Sie geht es auf jeden Fall!) Die Frage lautet: Was wäre die Alternative? Eine Minderheits- regierung? Das könnte man durchaus einmal andenken. War- Am Anfang will ich darauf eingehen: Was war da? Da denke um eigentlich nicht, CDU? ich an den Spruch, den Sie kennen: (Abg. Anton Baron AfD: Genau!) (Unruhe) Was uns bei einer Koalition zwischen SPD und CDU blüht, – Hören Sie bitte erst einmal hin. sieht man doch auf Bundesebene. Wer wirklich ein Ende die- (Abg. Reinhold Gall SPD: Nein, es geht ohne Sie! – ses Dilemmas haben möchte, dem bleibt nur eines: gute Poli- Abg. Georg Nelius SPD: Es reicht schon!) tik für das Volk zu machen. Das gilt zuvörderst für Sie. Die CDU, das Rückgrat unseres Landes über Jahrzehnte hinweg, – Ich würde gern einmal etwas sagen, Herr Gall. (Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Weiterhin!) (Heiterkeit bei der AfD)

5591 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Wolfgang Gedeon)

„Noch nie ist es uns so gut gegangen“, sagen die Gänse vor Das ist Augenwischerei. Weihnachten. Das ist das, woran ich denke, wenn ich hier die Ausführungen der Regierungsfraktionen von CDU und Grü- Die ganze Veranstaltung heute Morgen zeigt, dass die westli- nen, von Herrn Schwarz, höre. chen Eliten insgesamt – die grün-schwarze Regierung ist das beste Beispiel dafür – einen völligen Realitätsverlust haben Ich sehe einen Patienten vor mir, braun gebrannt, kommt ge- und sich von der Bevölkerung entfernt haben. Das ist das Er- rade von den Malediven, nächste Woche will er nach Gran Ca- gebnis von heute. naria fliegen; er hat sich einen neuen Mercedes gekauft. Ich untersuche ihn und stelle fest: Er hat Krebs, er hat Metasta- (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Beate Böh- sen in der Leber und in den Knochen. len GRÜNE: Wer klatscht? – Zuruf von der SPD: Un- verschämt, was Sie hier sagen!) (Zuruf von der CDU: Arztgeheimnis!) Präsidentin Muhterem Aras: Herr Abg. Dr. Gedeon, ich wei- Er braucht eine schwere Therapie, eine Chemotherapie. se ausdrücklich darauf hin, dass keiner der Fraktionsvorsit- So verhält es sich auch mit dieser Gesellschaft: Es sieht gut zenden irgendein Rederecht missbraucht hat. Wir haben die aus, aber sie ist schwerkrank. Die schwere Krankheit dieser Geschäftsordnung genau angewendet – im Gegensatz zu Gesellschaft ist, dass sie auseinanderfällt, meine Damen und manch anderen, die sich nicht an die Geschäftsordnung hal- Herren. ten. (Zuruf: Wer ist schuld daran?) (Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP) Der Zusammenhalt in dieser Gesellschaft ist hochgradig ge- fährdet. Meine Damen und Herren, mir liegen keine weiteren Wort- (Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD) meldungen vor. Damit ist die Aktuelle Debatte beendet und Punkt 1 der Tagesordnung erledigt. Und wodurch? Durch Ihre Überfremdungspolitik, eine maß- lose Überfremdungspolitik. Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: (Zuruf: Sie befördern das! – Zuruf des Abg. Hans-Ul- Große Anfrage der Fraktion GRÜNE und der Fraktion rich Sckerl GRÜNE) der CDU und Antwort der Landesregierung – Fit für die Zukunft − Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg Wenn ich vom Bahnhof zum Landtag gehe, dann erkenne ich – Drucksache 16/4782 Stuttgart nicht mehr. Dann weiß ich nicht, ob ich in Bosnien oder in Anatolien oder in Syrien bin. Meine Damen und Herren, das Präsidium hat für die Ausspra- che eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion und für das (Vereinzelt Beifall bei der AfD – Abg. Winfried Mack Schlusswort der die Große Anfrage stellenden Fraktionen ei- CDU: Das kann aber an Ihnen liegen, dass Sie nicht ne zusätzliche Redezeit von insgesamt fünf Minuten festge- wissen, wo Sie sind! – Unruhe) legt. Die Fraktion GRÜNE und die Fraktion der CDU sind Das ist doch die Situation, meine Damen und Herren. Da be- übereingekommen, die für das Schlusswort zur Verfügung ste- darf es einer Chemotherapie. Und was ist die Chemotherapie? hende Redezeit von fünf Minuten aufzuteilen. Das heißt, Grü- Das ist die Abschiebung. ne und CDU haben jeweils insgesamt 12,5 Minuten Redezeit. (Unruhe) In der Aussprache erteile ich das Wort für die Fraktion GRÜ- NE Herrn Fraktionsvorsitzenden Schwarz. Was wird da gemacht? Gar nichts! Offiziell sollten im letzten Jahr 240 000 Personen abgeschoben werden. Das sind Zah- Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Frau Präsidentin, liebe Kol- len der Bundesregierung. Abgeschoben worden sind 28 000, leginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist ein starkes und Sie, Herr Strobl, sind stolz darauf, dass Sie in Baden- Land, und wir haben starke Kommunen. Wir haben sie fit ge- Württemberg 3 000 abgeschoben haben. Das ist doch ein macht für die Zukunft und für die Herausforderungen, die in Witz! Das ist keine Abschiebepolitik, sondern eine Vergack- den nächsten Jahren vor ihnen liegen. eierung der Bevölkerung. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU (Beifall des Abg. Emil Sänze AfD – Abg. Dr. Chris- – Abg. Anton Baron AfD: Phrasendrescher, Maschi- tina Baum AfD: Das stimmt!) nengewehr! – Zuruf des Abg. Dr. Hans-Ulrich Rülke Anstatt die Leute abzuschieben, bauen Sie Wohnungen für FDP/DVP) die. Das ist Ihre Konsequenz. In den Kommunen, in den Städten, Gemeinden und Landkrei- Sie betreiben Beschwichtigungspolitik, und das Ganze wird sen, gestalten wir das Zusammenleben. Hier legen wir den dann garniert mit diffuser Klimaesoterik: „das Klima“, „das Grundstein dafür, dass Bürgerinnen und Bürger gut leben kön- Klima“, „das Klima“. Da brauchen wir uns um Überfremdung nen: in einer intakten Umwelt, in einem Gemeinwesen, das und das ganze Zeug nicht zu kümmern. Halt und Sicherheit gibt und den gesellschaftlichen Zusam- menhalt stärkt. Das wollen wir heute, morgen und auch über- (Abg. Dr. Christina Baum AfD: Genau! Das ist Ab- morgen. lenkung! – Zuruf des Abg. Alexander Salomon GRÜ- NE) (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) 5592 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andreas Schwarz)

Gleichwohl stellen wir fest: Wir leben in einer Zeit des schnel- (Abg. Reinhold Gall SPD: Das ist doch Blödsinn! – len Wandels. Unsere Gesellschaft befindet sich in einem ge- Abg. Sabine Wölfle SPD: So ein Quatsch! – Zuruf waltigen Transformationsprozess. Die Digitalisierung, die des Abg. Sascha Binder SPD) künstliche Intelligenz, Klimawandel, Jetzt geht es darum, aus Geflüchteten Mitbürger zu machen. (Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) Diese Mittel sind dringend notwendig, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sicherung der Daseinsvorsorge, Modernisierung der Infra- struktur stellen uns alle vor große Herausforderungen. In Ba- (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der den-Württemberg sind die Kommunen auf diese Herausfor- CDU) derungen gut vorbereitet. Unser oberstes Ziel ist es, den Men- Gemeinsam mit den Kommunen sorgen wir für eine vernünf- schen in Zeiten des Wandels Sicherheit zu geben. Dafür ist es tige Verkehrsinfrastruktur. Wir bauen die Mobilitätsangebote wichtig, dort, wo viele Dinge der Daseinsvorsorge geregelt mit Bus und Bahn aus. Die Finanzierung des öffentlichen Nah- werden, für stabile Verhältnisse zu sorgen. Die Kommunen verkehrs haben wir von Landesseite deutlich erhöht. Wir brin- sind dabei ein ganz wichtiger Akteur, und das Land ist den gen den neuen Baden-Württemberg-Tarif ein. Bus- und Bahn- Kommunen ein verlässlicher Partner. fahren war in Baden-Württemberg noch nie so attraktiv wie unter Verkehrsminister Winfried Hermann. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Konrad Epple CDU) (Beifall bei den Grünen und des Abg. Konrad Epple CDU) Wir sind stolz darauf, dass unsere Städte und Gemeinden im Bundesvergleich eine Spitzenposition einnehmen. Das liegt Wir werden – das ist für die kommunale Seite eine ganz wich- mitunter auch daran, dass wir die richtigen Entscheidungen tige Botschaft – die Zuweisungen nach dem Gemeindever- getroffen haben. Der grünen Landtagsfraktion ist es ein wich- kehrsfinanzierungsgesetz nahezu verdoppeln. Es ist ein drei- tiges Anliegen, die Kommunen in unserem Land finanziell so stelliger Betrag – über 300 Millionen € – im Gespräch, den auszustatten, dass sie die Herausforderungen der Zukunft gut wir gezielt für kommunalen Straßenbau, für den Ausbau von bewältigen können. Wir haben in den letzten acht Jahren die Radwegeverbindungen, für den öffentlichen Nahverkehr zur Zuweisungen an die kommunale Seite um 6 Milliarden € er- Verfügung stellen wollen. höht. Das kann sich sehen lassen. Mit unserer grünen Finanz- partnerschaft sind wir auf dem richtigen Weg. Auch hier, wenn es um die Modernisierung der Infrastruktur geht, (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und des Abg. (Zuruf) Konrad Epple CDU – Abg. Peter Hofelich SPD: „Grüne Finanzpartnerschaft“!) wenn es um mehr Busse, mehr Bahnen geht, haben wir unsere Hausaufgaben gemacht. Da sind wir auf dem richtigen Weg, Über den Pakt für gute Bildung und Betreuung geben wir den liebe Kolleginnen und Kollegen. Kommunen zusätzlich noch einmal 80 Millionen €. So bringen wir die Qualität in Kindertagesstätten voran. (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU) Wichtig sind uns Grünen verlängerte Öffnungszeiten, mehr Ganztagsangebote, ein guter Personalschlüssel sowie gut aus- Ich habe ein paar Themen anreißen können. Zum Schluss ist gebildete und fair bezahlte Erzieherinnen und Erzieher. noch einmal folgender Blick wichtig: Kommunalpolitik und die gute Beziehung des Landes mit den Kommunen funktio- (Zuruf der Abg. Gabi Rolland SPD) nieren, weil wir starke kommunale Landesverbände haben, insbesondere weil es bei uns engagierte ehrenamtlich tätige Das hat für uns Priorität; das ist wichtig für die Zukunft un- Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, Kreisrätinnen und serer Kinder und Enkel. Kreisräte, Menschen, die sich im Ortschaftsrat, in der Regio- nalversammlung engagieren, gibt. Für dieses profunde und (Beifall bei den Grünen und des Abg. Norbert Beck hohe bürgerschaftliche Engagement allen ganz herzlichen CDU – Zuruf von den Grünen: Richtig!) Dank, die sich in den Gremien engagieren. Wir Grünen wer- Für erfolgreiche Kommunen gehört auch dazu, dass Integra- den weiterhin ein verlässlicher Partner für die Kommunen tion vor Ort gelingt. Hier haben wir unsere Hausaufgaben ge- sein. macht. Vielen Dank. (Zuruf von der AfD) (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU) 1 000 Integrationsmanager stellen wir den Kommunen zur Verfügung. Wenn jetzt Herr Scholz von der SPD kommt und Präsidentin Muhterem Aras: Für die CDU-Fraktion erteile den Kommunen und den Ländern das Geld hierfür entziehen ich das Wort Herrn Abg. Klein. möchte, Abg. Karl Klein CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe (Abg. Reinhold Gall SPD: Das macht er doch nicht!) Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! „Fit für die Zukunft – Städte und Gemeinden in Ba- dann sage ich: Das ist der falsche Weg. Der Bund darf die Län- den-Württemberg“, so heißt das Thema unserer gemeinsamen der und Kommunen bei der Integration nicht im Stich lassen. Großen Anfrage, die wir heute beraten.

5593 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Karl Klein)

Zunächst einmal möchte ich von Herzen der Finanzministe- eranteil von 23 % gestanden. Das zahlt sich heute in einer gu- rin und ihrem Haus danken, dass sie uns einmal diese Zusam- ten Zukunft für unsere Kommunen aus. menstellung, diesen großen Rechenschaftsbericht gegeben hat, der belegt, was diese Regierungskoalition für die Städte und (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) Gemeinden in Baden-Württemberg leistet. 2016, 2017 hatten die Kommunen einen Finanzüberschuss Die vorliegende Antwort ist eine Bestandsaufnahme, ein Re- von 2,6 Milliarden €, der dazu beiträgt, die Kommunen in un- chenschaftsbericht und zugleich auch ein Beleg dafür, dass serem Land zu entschulden und vor allem auch die finanziel- uns die Kommunen sehr am Herzen liegen, dass wir auf star- len Freiräume für Zukunftsinvestitionen, die dringend benö- ke Kommunen und vor allem auf eine sehr faire Partnerschaft tigt werden, zu schaffen. setzen. Wenn unsere Kommunen heute die niedrigste Pro-Kopf-Ver- Wir wollen und wir haben leistungsfähige Kreise. Wir wollen schuldung im Vergleich aller Kommunen in der Bundesrepu- und wir haben leistungsfähige Städte und Kommunen in un- blik Deutschland haben, dann ist dies ebenso eine sehr große serem Land, in denen sich die Menschen wohlfühlen und die Erfolgsgeschichte. Wenn schuldenfreie Kommunen keine Ein- für ihre Bürger das Notwendige entsprechend leisten können. tagsfliegen mehr sind, dann ist auch das ein Erfolg unserer Ar- Denn hier spielt das Leben, hier ist man zu Hause, hier spie- beit hier vor Ort. gelt sich die Lebenswirklichkeit jedes einzelnen Menschen wider. (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) Kurzum, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wie über- (Beifall bei Abgeordneten der CDU) all im Leben sind auch hier solide Finanzen die Basis und der Zutreffend ist: Wie attraktiv und lebenswert unser Land ist, Grund, warum wir diese Erfolgsgeschichte in Baden-Würt- entscheidet sich eigentlich vor Ort in den Städten und Gemein- temberg schreiben können. den. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte angesichts der beschränkten Redezeit auf folgende mir wichtige Punkte noch Die CDU und die CDU-Landtagsfraktion legen seit Jahrzehn- eingehen, die sowohl für die Kommunen als auch für das Land ten sehr großen Wert auf eine faire und vertrauensvolle Part- Baden-Württemberg von großer Bedeutung sind. nerschaft mit den Kommunen. Unsere Politik für die Kom- munen war und ist eine Erfolgsgeschichte in Baden-Württem- Zuerst die gleichwertigen Lebensbedingungen in Stadt und berg. Wenn wir die Situation der baden-württembergischen Land: „Fit für die Zukunft“ darf natürlich nicht nur für die Kreise, Städte und Gemeinden ansehen, dann können wir zu großen Städte gelten. Das gilt sowohl für die Stadt als auch Recht sagen: Wir stehen insgesamt sehr gut da. für das Land. Es geht darum, im ganzen Land beste Lebens- bedingungen für alle Baden-Württembergerinnen und Baden- (Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den Württemberger zu haben – sei es in den städtischen Zentren, Grünen) sei es in den ländlichen Räumen. Natürlich, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist nicht (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) alles perfekt. Das wissen wir auch. Manchmal dauert eine Ei- nigung mit den kommunalen Landesverbänden auch etwas Deshalb denken wir auch in der CDU-Landtagsfraktion über länger. Ganz entscheidend ist aber doch, was hinten heraus- die Einführung eines Flächenfaktors in den kommunalen Fi- kommt und dass wir unser Land zusammen mit den Kommu- nanzausgleich nach, damit wir dort nicht nur eine Veredelung nen entsprechend positiv gestalten können. der Einwohnerzahl in den großen Städten haben. Wir wollen damit vor allem kleineren, struktur- und finanzschwächeren Die Weichen, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind Kommunen helfen, ihre Aufgaben besser zu erfüllen. gestellt. Der Zug nimmt in meinen Augen immer mehr Fahrt auf. Wir fahren gut gerüstet und guten Mutes in eine gute Zu- (Beifall bei der CDU) kunft. Gleichzeitig wollen wir damit dafür Sorge tragen, dass auch Meine sehr geehrten Damen und Herren, die finanzielle Aus- großflächige Natur- und Landschaftsräume neben großflächi- stattung der Kreise, Städte und Gemeinden in Baden-Würt- gen Gewerbe- und Wohngebieten endlich ihren Preis bzw. ih- temberg ist bundesweit wirklich spitze. Darauf dürfen wir in ren finanziellen Ausgleich erhalten. unserem Land zu Recht stolz sein. Städte und Gemeinden im ländlichen Raum haben oftmals mit (Beifall bei der CDU – Vereinzelt Beifall bei den großen Problemen zu kämpfen. Uns ist es wichtig, dass das Grünen) Leben im ländlichen Raum auch weiterhin attraktiv ist, dass alles dafür getan wird, dass sich Menschen dafür entscheiden, Denn seit dem Jahr 1967 liegt der generelle Anteil der Kom- auch zukünftig in ländlichen Räumen zu wohnen. munen an den Steuereinnahmen des Landes unverändert bei 23 %. Wir haben diesen auch in den sehr finanzschwachen Hier spielen unglaublich viele Faktoren eine Rolle: die Ent- Zeiten 2008 und 2009 gehalten, als nicht nur die zu erwarten- fernung zum Arbeitsplatz, die Nahversorgung, die ärztliche den Steuereinnahmen zurückgegangen sind, sondern als wir Versorgung, eine Schule, die für alle Kinder erreichbar ist, der einen tatsächlichen Steuereinbruch gehabt haben. Auch da- öffentliche Personennahverkehr, selbstverständlich auch der mals sind wir zu den Kommunen und Städten mit einem Steu- Wunsch nach schnellem Internet und vieles mehr. 5594 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Karl Klein)

Dies alles sind Themen, die wir grundlegend bearbeiten und rhythmisierter Ganztagsschule und Halbtagsschule haben. Wir ganz entschieden nach vorn treiben – auch gegen Widerstän- wollen flexible und bedarfsgerechte Betreuungsangebote, wir de – und gemeinsam mit den Kommunen umsetzen wollen. wollen die Schulsozialarbeit an unseren Schulen. Auch daran werden wir arbeiten. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die Wohnraumof- fensive in Partnerschaft mit den Kommunen nennen. Wohn- Zumindest noch einen Themenbereich möchte ich kurz anrei- raum muss einfach bezahlbar bleiben. Es ist wichtig, dass wir ßen. Es geht um die Gewährleistung der öffentlichen Sicher- Bauen schneller, einfacher und vor allem kostengünstiger ma- heit und Ordnung in den Städten und Gemeinden – wie an- chen. Es ist unser Ziel, mit dem geplanten „Kommunalfonds ders könnte es für den Vorsitzenden des Innenausschusses Wohnraumoffensive Baden-Württemberg“ Kommunen noch auch sein. Die Bürger fühlen sich nur dort wohl, wo sie sich besser dabei zu unterstützen, den notwendigen Wohnraum zu auch sicher fühlen. schaffen. (Zuruf von der CDU: Das ist richtig!) Mit dem Städtebauförderungsprogramm und dem Entwick- lungsprogramm Ländlicher Raum haben wir seit Jahren ex- Auch dazu tragen wir vieles bei, insbesondere mit der Einstel- zellente Förderinstrumente, die unsere Kommunen zugleich lungsoffensive bei der Polizei, damit wir Polizei vor Ort in die attraktiv machen und vor allem auch eine Innenverdichtung Kommunen bringen. Wir bringen Sicherheitspartnerschaften ermöglichen. Das gilt für das Wohnen, das gilt aber auch für auf den Weg – sehr erfolgreich –, die wir verfeinern und aus- Dienstleistungen. Dennoch – da müssen wir ehrlich sein – bauen wollen. Wenn ich vor die Tore meines Wahlkreises in werden wir nicht umhinkommen, auch Neubaugebietserschlie- die Stadt Heidelberg blicke, meine sehr geehrten Damen und ßungen durchzuführen, um dem Wohnungsbedarf unserer Zeit Herren, dann sind dies bereits Erfolgsmodelle, und die lassen gerecht zu werden. sich auch in anderen Kommunen je nach Bedarf umsetzen. (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der SPD) (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. An- dreas Schwarz GRÜNE) Diskussionen um Enteignungen und Verstaatlichungen sind in meinen Augen wirklich Hirngespinste und bringen uns kei- Die künftige Ausgestaltung des freiwilligen Polizeidienstes, nen Schritt voran; vor allem bringen sie keine bezahlbaren für den wir kämpfen, wird sich sicher auch in der öffentlichen Wohnungen. Sicherheit in unseren Kommunen niederschlagen. Denn nur dort, meine sehr geehrten Damen und Herren, wo sich Men- (Beifall bei der CDU) schen sicher und zu Hause fühlen, empfinden sie die Städte und Gemeinden in unserem Land auch als lebens- und liebens- Weitere wichtige Themen, meine sehr geehrten Damen und wert. Herren, sind Betreuung, Kindergärten, Schule und Bildung. Wir unterstützen die Kommunen beim Ausbau eines attrakti- Abschließend: Ich freue mich, dass wir heute eine sehr gute ven und hochwertigen Kinderbetreuungsangebots. Im Jahr Bilanz unserer kommunalen Arbeit vorweisen können; ich 2019 wird die Kindergartenförderung schrittweise auf über freue mich aber auch darüber, dass sich wieder viele Bürger 1 Milliarde € anwachsen. Für die Betreuung der unter Drei- jeglichen Alters bereit erklärt haben, sich bei der anstehenden jährigen erstatten wir 68 % der Betriebskosten der kommuna- Kommunalwahl für die Parteien zur Verfügung zu stellen und len und freien Träger. Dieser Zuschuss wächst ebenso auf sich für ihre Stadt, für ihre Gemeinde ehrenamtlich zu enga- 1 Milliarde € an. Das heißt ganz konkret: In diesem Bereich gieren. Dafür danke ich im Namen der CDU-Landtagsfrakti- wird sich die Landesförderung in den zehn Jahren von 2009 on von ganzem Herzen. bis 2019 verzehnfacht haben. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Auch die Finanzzuweisungen des Bundes für das „Gute Kita“- Gesetz setzen wir in Abstimmung mit den Kommunen vor al- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) lem in Qualitätsverbesserungen um. Das gilt ebenso für die Schulen. Mit den Schulbauförderrichtlinien gewähren wir seit Präsidentin Muhterem Aras: Für die AfD-Fraktion erteile Jahrzehnten Zuschüsse für Schulhausbauten. Eigenes Landes- ich das Wort Herrn Abg. Dr. Grimmer. geld in einer Größenordnung – das ist heute schon angeklun- Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Frau Präsidentin, sehr geehr- gen – von nahezu 600 Millionen € stecken wir in die Sanie- te Damen und Herren! Heute ist wieder großes Theater ange- rungen von Schulgebäuden und kommunalen Brücken – auch sagt – ganz großes Theater. Damit meine ich nicht den vorhe- eine große Leistung zu einer besonderen Zeit für unsere Kom- rigen Tagesordnungspunkt, sondern diesen. Da haben sich munen. doch die beiden konfrontativ-kooperativen Fraktionen dieser (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. An- Komplementärkoalition zu einer Großen Anfrage zusammen- dreas Schwarz GRÜNE) gefunden, und zwar zum Thema „Städte und Gemeinden“ – und das zufälligerweise anderthalb Wochen vor der Kommu- Hinzu kommen nun auch noch die Zuschüsse für die Digita- nalwahl. lisierung, die der Bund bereitstellt. Auch diese wollen wir sinnvoll in Ergänzung zu unseren eigenen Förderprogrammen Wie es der Zufall nun weiter will, legt die Landesregierung mit den Kommunen umsetzen. den Anfragenden einen wunderschönen Statusbericht über das kommunale Dasein im Ländle vor. An allen Ecken und Enden Mit Blick auf die Schulen wollen wir dort, wo es gewünscht des Landes, so wird bescheinigt, blüht der Fortschritt; von wird und wo es möglich ist, auch eine Wahlfreiheit zwischen EFRE bis KIF strahlt die Sonne des real existierenden grün-

5595 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Bernd Grimmer) schwarzen Wunders über das Land. Die Gelder fließen wie (Heiterkeit und Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Chris- Milch und Honig: Digitalisierung, Schulen, Radverkehr und, tina Baum AfD: Aber nicht im Land!) nicht zu vergessen, das Sofortprogramm „Saubere Luft“. Man glaubt es kaum, um wie viel es den Städten und Gemeinden, Die Frage ist nur: Weshalb zahlt ein Stuttgarter für ein Kind ja, uns allen, besser geht – immer besser. Der Fünfjahresplan 219 € pro Monat für einen städtischen Kitaplatz mit Verpfle- zeigt wieder enorme Fortschritte. gung, wenn das Gleiche in Ländern, die wir nach dem Willen von Merkel und Co. retten durften, umsonst zu haben ist? (Beifall bei der AfD – Heiterkeit der Abg. Dr. Chris- tina Baum AfD) (Zuruf von der AfD: Genau!) Die vorliegende Anfrage der Regierungsfraktionen und die Wahrscheinlich, weil die Stuttgarter in der verqueren Wirk- Antwort der Landesregierung sind eine einzige Jubelmeldung, lichkeitssicht der Regierenden durch die Eurorettung so reich offensichtlich gestrickt als Munition für den Kommunalwahl- geworden sind. kampf. Die Regierungsfraktionen nutzen die Landesverwal- tung, um parteipolitische Werbung produzieren zu lassen. Und wehe dem, der vielleicht zwei, drei oder vier Kinder hat. Dann ist man schnell bei 400 oder 500 € pro Monat, außer na- (Abg. Jürgen Walter GRÜNE: Das ist schamlos, was türlich, man ist Migrant auf Hartz IV, dem eh alles von der Sie sagen!) Kommune bezahlt wird – vom Geld der Arbeitenden, versteht sich. Man bejubelt, was das Land alles für die Digitalisierung tut. So hat man doch sage und schreibe 7,6 Millionen € für die (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Chris- „Digitale Zukunftskommune“ und 3,9 Millionen € für InKo- tina Baum AfD: Ja! – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ- Mo 4.0 ausgegeben. – Fragen Sie mich bloß nicht, was das NE: Das hat vor einem halben Jahr nicht gestimmt, „4.0“ zu bedeuten hat, außer, dass es ein überflüssiger Mar- und es stimmt heute nicht!) ketinggag ist. Ich greife ein weiteres der vielen angesprochenen Themen he- (Beifall bei der AfD) raus: den Landschaftsverbrauch. Meine Damen und Herren, die Grünen sind einmal als Partei für Umweltschutz gestartet. Das Lachen aus China und den USA angesichts dieser Kle- Die Grünen sind heute die Partei der Umweltvernichtung. ckerbeträgchen hört die Landesregierung wahrscheinlich nicht. Die Realität ist, dass Deutschland ein digitales Entwick- (Beifall bei der AfD – Abg. Hans-Ulrich Sckerl GRÜ- lungsland ist. Die Qualität unserer digitalen Infrastruktur liegt NE: Wer hat Ihnen diesen Käse aufgeschrieben?) allen Studien zufolge hinter der in praktisch allen vergleich- baren Ländern. Sie haben nichts am dramatischen Flächenverbrauch in Ba- den-Württemberg geändert. Im Gegenteil: Durch Windkraft- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) räder in Waldgebieten fördern Sie aktiv die Zerstörung der Naturräume. Schlimmer noch: Deutschland holt nicht auf. Nein, laut einer Studie des IMD, die auch durch andere Quellen bestätigt wird, (Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Christina Baum AfD: fällt Deutschland noch weiter zurück. Die Landesregierung Jawohl!) schwafelt auf gut Englisch von Dingen wie „Future Commu- nities“, versagt aber im Ergebnis. Noch schlimmer: Sie fördern den Flächenverbrauch durch So- laranlagen, die auf Wiesen gebaut werden. Unsere Schulen sind ein Bild mit Licht und viel Schatten. Die Inklusion scheitert an der Konfrontation zwischen Ideologie (Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD – Abg. Dr. und Realität; sie scheitert aber auch daran, dass Lehrer feh- Christina Baum AfD: Jawohl! – Zuruf des Abg. Rai- len. Immer mehr Bürger, und zwar gerade jene, die es sich mund Haser CDU) leisten können, schicken ihre Kinder auf Privatschulen. Der Anteil der Kinder, die öffentliche Schulen besuchen, geht Das grüne Umweltministerium entblödet sich nicht, noch da- langsam, aber stetig zurück. Lehrer an Brennpunktschulen mit rauf stolz zu sein, dass Wiesen zu industriellen Solarflächen einem Ausländeranteil von 70, 80, 90 % oder mehr berichten werden. von schwierigsten Lehr- und Lernbedingungen. Aber die Lan- Zum Thema Wirtschaft will ich nur daran erinnern, dass die desregierung bejubelt sich für den Ausbau der Schulsozialar- Grünen den Verbrennungsmotor ab 2030 verbieten wollen, al- beit – als ob das die integrative Wirkung ersetzen könnte, die so in gut zehn Jahren. Wer das fordert, hat von Wirtschaft kei- ein hoher Anteil gebürtig deutschsprachiger Kinder in den ne Ahnung, hat vom Land Baden-Württemberg keine Ahnung. Klassen hat. (Beifall bei der AfD – Abg. Carola Wolle AfD: Der Da wir gerade beim Thema Bildung sind: Die Landesregie- zerstört die Grundlagen Baden-Württembergs!) rung berichtet stolz vom Ausbau der Kinderbetreuung: hier 74 Millionen €, dort 152 Millionen € für die Kommunen. Aber Das Geld, das Sie zur Wirtschaftsförderung den Kommunen alles ist relativ. Wissen Sie, wie viel u. a. in Griechenland, zuschieben, ist eine Lappalie gegen diesen Angriff auf die Spanien, Italien oder Portugal der Besuch einer öffentlichen wirtschaftlichen Grundlagen der Kommunen und des Landes. Kita die Bürger kostet? Null Euro – gar nichts. Man kann also sagen, dass die deutschen Rettungsgelder für den Euro doch (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Dr. Chris- für sinnvolle Dinge ausgegeben wurden. tina Baum AfD: Jawohl!) 5596 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Bernd Grimmer)

Zum wirtschaftlichen Blindflug passt der finanzielle. Von 2008 die Mittel der Kommunen gekürzt werden, aber die EU-Bü- bis 2015 sind die Einnahmen der Kommunen um 36 % gestie- rokratie im Geld schwimmt – erklären Sie das doch einmal gen. Aber sind die Leistungen der Kommunen besser geworden Bürgern, bitte. den? Noch absurder wird es, wenn man sich vor Augen hält, dass von 2010 bis 2017 auch die Schulden der Kommunen um (Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Christina Baum AfD: 25 % gestiegen sind. Stark steigende Einnahmen, unveränder- Ja!) te Leistungen und trotzdem noch mehr Schulden – so eine Bi- lanz muss man erst einmal zustande bringen. Das dann noch Das Land hat gerade derzeit sehr große Spielräume. Nutzen als Erfolg zu verkaufen ist schon mehr als kreativ. Sie diese zugunsten unserer Kommunen, und nutzen Sie diese im Rahmen Ihrer vorhandenen Möglichkeiten über den (Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD – Abg. Dr. Bundesrat, um z. B. bei der anstehenden Frage der Grundsteu- Christina Baum AfD: Das stimmt!) er eine sachgerechte Lösung zu finden, eine Lösung, die keinesfalls Mehrbelastungen bringen darf, sondern eine, die die Schon die Fragesteller der Großen Anfrage haben in der Be- Grundsteuer am besten abschafft. Denn dort, wo die Grund- gründung erkannt: Die Haushaltslage der Kommunen ist sehr steuer von Eigentümern bezahlt wird, ist sie eine Substanz- heterogen. Deutlich wird das an der Pro-Kopf-Verschuldung, steuer, und dort, wo sie umgelegt werden kann, ist sie unso- die in den Stadtkreisen mit 3 000 € dreimal so hoch liegt wie zial. Und – um auf die letzte Debatte zurückzukommen –: in den kreisangehörigen Gemeinden mit gut 1 000 €. Das Steuern sollten steuern, nicht nur Einnahmen generieren. müsste doch ein Signal für das Land sein, hier den stark be- lasteten Städten, die von Kultur- und Freizeiteinrichtungen bis (Abg. Dr. Christina Baum AfD: Ja!) hin zu hohen Sozialkosten Leistungen zu erbringen haben, spürbare Hilfen zu geben. Auch das kann die Grundsteuer nicht. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Ich danke Ihnen.

Auch insgesamt nimmt die Pro-Kopf-Verschuldung zu – trotz (Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge- ausgezeichneter Finanzierung, trotz bester Steuersituation al- deon [fraktionslos]) ler Zeiten. Präsidentin Muhterem Aras: Für die SPD-Fraktion erteile Im Antrag wird die Wohnungsbauförderung des Landes für ich Herrn Abg. Hofelich das Wort. 2017 gelobt. Tatsächlich ist das Land rund 256 Millionen € Haushaltsreste für die Wohnraumförderung im Jahr 2017 nicht (Abg. Andreas Stoch SPD: Sprich die Wahrheit!) losgeworden, darunter knapp 40 Millionen € für die Zuwei- sung für Investitionen an Gemeinden, Mittel, die dadurch Abg. Peter Hofelich SPD: Werte Frau Präsidentin, Kollegin- nicht geflossen sind. Wir können damit rechnen, dass diese nen und Kollegen! Gern ein paar Ausführungen zum Thema Mittel auch 2018 nicht ausgegeben wurden und auch weiter- des heutigen Tages. hin nicht ausgegeben werden. (Beifall des Abg. Gernot Gruber SPD – Heiterkeit des Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wer mit Abg. Ulli Hockenberger CDU – Abg. Ulli Hocken- offenen Augen durch das Land fährt, sieht, was wirklich ge- berger CDU: Es geht schon gut los!) schieht. Er sieht fleißige Menschen, denen die Früchte ihrer Arbeit immer mehr genommen werden. Die Koalitionsfraktionen haben sich ja darauf geeinigt, dass ihre Große Anfrage am letzten Plenartag vor den Kommunal- (Beifall der Abg. Dr. Christina Baum AfD – Abg. Dr. wahlen besprochen wird, dass man dies vorzieht. Das folgt Christina Baum AfD: Ja!) der Spur, die wir kennen: Kümmern um die Kommunen dann, wenn es gerade reinpasst. Er sieht einen Staat, der sich in absurde ideologische Projek- te flüchtet, aber die eigentlichen Grundlagen der Gesellschaft (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/DVP immer mehr verkommen lässt – – Abg. Nicole Razavi CDU: Oh! – Zuruf des Abg. Ulli Hockenberger CDU) (Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge- deon [fraktionslos] – Abg. Dr. Christina Baum AfD: – Doch, doch, doch. – Andreas Stoch hat daran erinnert: Nicht Genau!) gleich zensieren – – wirtschaftlich, kulturell, digital. (Abg. Karl Klein CDU: Seit 70 Jahren, Peter!)

Was Sie hier haben produzieren lassen, ist in Wirklichkeit ein Ich habe vor, gleich den Kollegen Klein zu loben. Das sollten Fanal des Scheiterns: trotz üppiger Einnahmen noch mehr Sie mir nicht verderben, Frau Razavi. Schulden. Hinzu kommt, dass nach der jüngsten Steuerschät- zung gerade den Kommunen die Einnahmen wegbrechen wer- (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU – Abg. Nicole den. Bis 2021 wird ihnen der beachtliche Betrag von über Razavi CDU: Ach so, kommt das jetzt?) 1 Milliarde € fehlen. Land und Bund wird es etwas besser gehen, dagegen soll die EU nach ihrer eigenen Planung gerade- – Ja. zu in Geld schwimmen – allein im Rahmen des EU-Haushalts 35 % mehr. Weshalb Straßen, Schulen und Bäder verrotten, (Abg. Nicole Razavi CDU: Oh ja!)

5597 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Peter Hofelich)

Wir erinnern uns aber schon, was Andreas Stoch in der vori- Und wir brauchen drittens ein Gefühl dafür, was die neuen gen Debatte gerade gesagt hat: Man hält die kommunalen Lan- Herausforderungen sind, denen wir uns stellen müssen – auch desverbände fast ein Jahr lang hin, lässt den Doppelhaushalt wiederum gemeinsam. entgegen der Tradition passieren, verstreichen. Man hat dann einen Nachtragshaushalt, in dem die berechtigten Forderun- Ich will, was den kommunalen Finanzausgleich angeht, wie gen der Kommunen vom Land im Grunde alle aufgenommen gesagt, positiv beginnen. Die Gesamtschau, die ja vor allem werden. Das ist das, was passiert ist, meine Damen und Her- auch, schätze ich mal, auf Initiative der CDU zustande kam, ren. Da würde ich schon sagen: Das ist eher ein Timing für gibt ein positives Bild. Ein erheblicher Teil der Landeshaus- die Selbstinszenierung gewesen und kein Timing für die Städ- haltsmittel wird für die Stärkung unserer Städte, Gemeinden, te, Gemeinden und Landkreise in unserem Land. Landkreise und Regionen eingesetzt, und dies zum Glück weiterhin in größerem Umfang als in anderen Bundesländern. Das (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FDP/ ist kein neuer Befund, aber es ist ein stabilisierter Befund. Es DVP) ist eine lange Linie in unserem Bundesland.

Deswegen möchte ich eines hier schon einmal kurz abräumen Sorgen muss man sich allenfalls machen, wenn in den Ver- – die Sache mit der Inszenierung gibt mir gerade das Stich- handlungen mit den kommunalen Landesverbänden etwas kol- wort dazu –: Die alte Melodie „Wohnungsbau, und Nils portiert wird, wenn jemand sagt, man könne die Steuerquote Schmid ist an allem schuld“, „kommunalfeindliche Politik“ von 23 % ja zur Debatte stellen, wenn man sich nicht einigt. – – Wie gesagt, ich steige gleich auf das Positive in dem Bei- Ich kann nur sagen: Wer so etwas in den Raum stellen sollte, trag des Redners der CDU ein. würde das vielleicht auch machen. Man sollte hier ganz klar feststellen: Wir stehen zu den 23 % über all die Jahre hinweg, (Abg. Nicole Razavi CDU: Jetzt wird es aber Zeit!) meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) Aber wir waren diejenigen, die 2011 hier eine Situation über- nommen haben, in der die Kommunen knapp davor waren, zu Ich stelle solchen Versuchungen unsere Überzeugung gegen- klagen, was die U-3-Unterbringung angeht. Verantwortlich über: Die Flächenstärke Baden-Württembergs hat viel mit der waren Sie. Und wir haben es geheilt und haben in einem part- investiven Stärke und der sozialen Integrationskraft unserer nerschaftlichen Verhältnis mit den Kommunen erst wieder ei- Städte und Gemeinden zu tun. Unsere Kommunen brauchen ne gute Gesprächsgrundlage geschaffen, meine Damen und dafür Spielräume. Dafür stehen wir, die SPD, hier und in al- Herren. Das ist die Wahrheit. len 1 101 Städten und Gemeinden in diesem Land, meine Da- men und Herren. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD) Es war insgesamt eine kommunalfreundliche Politik in diesen Jahren. Da können Sie keine andere Inszenierung bringen, Wie gesagt, den Zeitpunkt der Debatte lassen wir jetzt einmal übrigens auch keinen selbstvergessenen Ministerpräsidenten, hinter uns. Wir halten fest: Die etablierten Programme – Städ- der uns vorwirft, wir hätten im Vergleich mit der jetzigen Si- tebauförderung wurde genannt, ELR –, all das, was wir an tuation nur die Hälfte der Investitionsmittel für den Woh- Quellen haben und was das gesamte Antwortpaket des Finanz- nungsbau gehabt. Es ist doch unglaublich, dass der Mann, der ministeriums ausweist – Bund und Land, etablierte und neue im Kabinett am Ende jede Entscheidung mitverantworten Programme –, wird in der Zukunft mindestens genauso nötig muss, dies hier so hineinzitiert. sein wie in der Vergangenheit. Dazu sollte man auch stehen.

(Abg. Sabine Wölfle SPD: Unglaublich! – Zuruf des Ich finde nur, dass es wichtig ist, dass wir die Spielräume für Abg. Rainer Stickelberger SPD) die Kommunen nicht dadurch einengen, dass es zu viele „goldene Zügel“ gibt. Das ist nicht das, was wir uns wünschen Er ist jetzt nicht mehr da. Aber da klatschen Leute bei ihm. können. Und ein anderer sagt gerade, wir würden unter pathologischen Mir ist – das will ich schon einmal sagen – in den Jahren, in Schmerzen leiden. Ich glaube eher, dass Sie unter einer ande- denen Sie jetzt grün-schwarz regieren, aufgefallen, dass die ren psychologischen Krankheit leiden, nämlich unter Be- Regierung Kretschmann II eine Psychologie von Gönnertum wusstseinsspaltung, meine Damen und Herren. und Drohkulisse zeigt, ein System der Überordnung und der Unterordnung von Kommunen. Ich sage nur eines, meine Da- (Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei Abgeordneten men und Herren: Das ist nicht Baden-Württemberg. der AfD) (Beifall bei der SPD und des Abg. Stephen Brauer Aber ich würde gern über ein paar Punkte sprechen. Das eine FDP/DVP) ist das Thema „Kommunaler Finanzausgleich“, für den in der Zukunft mehr Spielräume benötigt werden. Ich erinnere an Die kommunale Selbstverwaltung braucht finanzielle Ressour- die Ausführungen von Herrn Landsberg vom Städte- und Ge- cen, sie braucht vor allem aber Respekt. Es gibt hier einen Kli- meindebund. mawandel – wir können alle darüber rätseln, wer ihn verur- sacht hat –, der menschengemacht ist: Es ist in den letzten Jah- Zweitens müssen wir, Land und Kommunen, die Defizite in ren kühler und stürmischer geworden im Verhältnis zwischen der kommunalen Infrastruktur in unserem Land gemeinsam Land und Kommunen – leider. Als umso wohltuender emp- angehen. finde ich die Ausführungen, die hierzu gemacht worden sind. 5598 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Peter Hofelich)

Eines will ich aber ansprechen: Der Sündenfall ist die Vorweg Vermutlich niemand mehr. Man bezeichnet es als „Bürokra- entnahme des Landes aus dem kommunalen Finanzausgleich. tiemonstrum“, weil wir etwas wollen, was in diesem Land be- In der Vergangenheit gab es die Richtung leicht nach oben; reits existiert hat. Der Ministerpräsident, der so eitel ist, dass dann haben wir das in der sozialdemokratischen Finanzver- ja kein Vorschlag der SPD zum Zuge kommt, waltung abgeschmolzen – minus 90 Millionen € –, bis Sie von Grün-Schwarz kamen und ohne jede finanzielle Not (Zuruf von der SPD: Richtig!) (Abg. Reinhold Gall SPD: So ist es!) nennt selbst das Stichwort Konzeptförderung, weil er wollte, dass genau das getan wird. Er hat doch darauf gedrängt, dass den Städten und Gemeinden wieder viel Geld vorenthalten ha- etwas passiert, und hat jetzt sozusagen sein eigenes Ding geben. Angesichts dessen, was jetzt die Spitze ist – ich glaube, macht – unzulänglich – und unseres abgewehrt, obwohl un- wir gehen auf 850 Millionen € zu –, ist dieses Hinausposau- seres das Richtige ist, weil es öffentlich, institutionell und nen des kommunalen Sanierungsfonds mit 600 Millionen € nachhaltig ist. ein seltsamer Kontrast dazu. Deswegen ist in diesem Land die Forderung nach einer LEG, (Beifall bei der SPD) die beratend, aber auch investierend tätig ist, weiterhin richtig. Kommen Sie auf uns zu, meine Damen und Herren. Sie hätten den Sündenfall an anderer Stelle beenden können. Das Abschmelzen der Vorwegentnahme, das wir für die Zu- (Beifall bei der SPD) kunft fordern, ist der Lackmustest für die Kommunalfreund- lichkeit in unserem Land, weil das eine Politik zugunsten ei- Ich sage Ihnen: Es gibt Themen, an denen wir gemeinsam ar- genständig wahrgenommener Spielräume der Kommunen wä- beiten müssen. Es gibt in der Antwort der Landesregierung re und den goldenen Zügel zurückdrängen würde. Ich sage vieles, wovon wir sagen können: Da haben sich in Zeiten des einmal: Uns Sozialdemokraten fällt eine solche Linie – weni- finanziellen Wohlstands und Überflusses richtige Entwicklun- ger goldene Zügel – historisch nicht so leicht, aber unsere gen ergeben. Wir sehen, dass die kommunalen Landesverbän- Fraktion hat sich dazu durchgerungen, diese Spielräume für de insbesondere bei der Sozialpolitik richtige Dinge durchge- unsere Kommunen wahren zu wollen. bracht haben – nicht überall; Krankenhausbau; aber es sind viele Dinge geschehen. Wir sind daran interessiert, dass es ge- Deswegen glaube ich nicht, dass die Einführung des Flächen- meinsam weitergeht. Dazu werde ich am Ende noch etwas sa- faktors für Kommunen mit relativ niedriger Einwohnerzahl gen. ein taugliches Gegenmittel wäre oder eine Kompensation für die Vorwegentnahme. Man kann das separat diskutieren, aber Vielen Dank. es hat dahin gehend keine unmittelbare Gegenwirkung. (Beifall bei der SPD – Abg. Andreas Schwarz GRÜ- Ich will zwei Punkte ansprechen, bevor ich zu einem dritten NE: Peter, du hast den letzten Punkt vergessen!) Punkt komme, zur kommunalen Infrastruktur. – Kommt noch. Ich finde schon, dass wir in der Schullandschaft eine enge Ver- knüpfung von Land und Kommunen haben. Wir haben mit Präsidentin Muhterem Aras: Für die FDP/DVP-Fraktion er- den Gemeinschaftsschulen und mit verstärkten Ganztagsan- teile ich das Wort Herrn Abg. Brauer. geboten Stabilität in der Fläche hinbekommen. Sie offenba- ren jetzt aber Schwächen bei der weiteren Fortentwicklung. Abg. Stephen Brauer FDP/DVP: Sehr geehrte Frau Präsi- dentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir liegt es Man muss auch darüber reden, dass wir neue Aufgaben ha- fern, Herrn Hofelich zu kritisieren oder zu verbessern, ben. Kommen Sie endlich mit der veränderten Rolle der Schulleiter so zurecht, dass wir die Finanzierung der Schul- (Abg. Rainer Hinderer SPD: Das ist gut!) leiterstellen auf neue Beine stellen können, damit es mehr Spielräume für die einstmals wichtige Rolle des Schulrektors aber Neoliberalismus ist nicht der richtige Ausdruck. Der Neo- in der Gemeinde gibt. Über eine Residenzpflicht sprechen wir liberalismus war der Vorläufer unserer sozialen Marktwirt- ja schon lange nicht mehr, aber diese Rolle muss gestärkt wer- schaft. Sie sprechen von der Chicagoer Schule, den sogenann- den. Der Schulleiter ist heute natürlich mehr Manager, er muss ten Neocons, aber das sei Ihnen verziehen. Das ist mittlerwei- andere Aufgaben wahrnehmen. Lassen Sie uns dabei endlich le Allgemeingut, aber ich kann es nicht mehr hören. vorankommen. In den Städten und Gemeinden wird das er- (Beifall bei der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Peter Ho- wartet, meine Damen und Herren. felich SPD) (Beifall bei der SPD) Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen Das Zweite: Im Wohnungsbau – dieses Thema will ich schon und Herren, „Fit für die Zukunft – Städte und Gemeinden in aufgreifen – wird einfach so dahergeredet. Der Fraktionsvor- Baden-Württemberg“, lautet der Titel der Großen Anfrage der sitzende der Grünen, der jetzt wieder eingetroffen ist, nennt Regierungsfraktionen. Natürlich kommt die Landesregierung eine LEG – das muss man sich einmal vorstellen: die grüne zu dem Ergebnis, dass die Kommunen in Baden-Württemberg Partei nutzt das Vokabular des Neoliberalismus – ein „Büro- fit für die Zukunft sind. Wie hätte es auch anders sein können? kratiemonstrum“. Schämt sich dafür eigentlich noch irgend- Um den Schein zu wahren, hätte man ja wenigstens ein Fra- jemand angesichts der Vergangenheit der Grünen? gezeichen hinter den ersten Teil der Überschrift setzen kön- nen – anstandshalber sozusagen –: „Fit für die Zukunft?“ Ob (Abg. Andreas Stoch SPD: Nein! Schamlos!) die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg tatsächlich

5599 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Stephen Brauer) fit für die Zukunft sind, kommt ganz darauf an, von welchen ne Art Fitnesstraining für die Kommunen. 25 % der Finanz- Rahmenbedingungen wir künftig ausgehen können. zuweisungen des Landes erfolgen mittlerweile über solche Sonderzuweisungen. Wir sind hier auf Prognosen angewiesen, und inzwischen ist ja hinlänglich bekannt, dass Prognosen immer dann besonders Ein Beispiel: Sagt Ihnen das Programm Feldwegebau etwas? schwierig sind, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen. Eine solche Prognose ist beispielsweise die aktuelle Steuerschät- (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE und Abg. Gabi Rol- zung. Der Konjunkturhimmel verdunkelt sich, und die ersten land SPD: Ja!) Frühindikatoren zeigen nach unten. Nur die hohe Binnennach- Diejenigen, die bei Bürgermeistern unterwegs sind, kennen frage stützt das Wachstum auf niedrigem Niveau. Die Zu- es. Offiziell heißt es: Fördervorschrift zur Modernisierung wächse bei den Steuereinnahmen fallen demnach ebenfalls Ländlicher Wege. niedriger aus. Aber genau in einer solchen Situation zeigt sich, ob die Kommunen fit sind für die Zukunft oder nicht. Wenn (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Ja, klar!) das Füllhorn nicht mehr ganz so üppig sprudelt wie ursprüng- lich angenommen, dann muss man mit dieser Situation um- Sprechen Sie einmal irgendeinen Bürgermeister darauf an. gehen. Falls er nicht gleich bei der Antragstellung gescheitert ist und wohlweislich die Hände von diesem bürokratischen Pro- Ich will hier aber nicht falsch verstanden werden. Die Situa- gramm gelassen hat, wird er Sie eventuell bei Erwähnung die- tion bei den Steuereinnahmen ist keinesfalls dramatisch, der ses tollen Landesprogramms sofort aus dem Rathaus jagen. Zuwachs ist nur nicht mehr ganz so hoch. Es fehlen rund 105 Millionen € in diesem Jahr und je 1 Milliarde € in den Jahren (Zuruf von der SPD: Nein! – Zuruf des Abg. Karl 2020 und 2021. Wenn diese Landesregierung einen weiteren Klein CDU) aufgeblähten Rekordhaushalt vorlegen wird, sollte dies nicht zu stark ins Gewicht fallen – falls diese Prognose dann noch Es kann nicht sein, dass Kommunen über Stöckchen springen stimmt; denn je weiter man sich in die Zukunft vorwagt, um- müssen, um ihr Futter zu verdienen – um einmal ein anderes, so größer wird die Fehleranfälligkeit. aber ebenso unwürdiges Bild zu malen. Um unter Unsicherheit agieren zu können, muss man nicht Die kommunale Selbstverwaltung hat Verfassungsrang und die Prognosen immer weiter verfeinern; denn diese stimmen beinhaltet auch eine auskömmliche Finanzierung. Kommuna- im Zweifel sowieso nicht. Vielmehr muss man das System le Selbstverwaltung heißt auch, dass sich Kommunen gewis- Kommune flexibel und anpassungsfähig gestalten. Sowohl die se Ziele selbst setzen und die Mittel zu deren Erreichung selbst Landesverfassung als auch das Grundgesetz geben die Ant- wählen können. wort auf dieses Bedürfnis nach Flexibilität und Anpassungs- Das hier ist weder ein Abgesang auf die kommunale Selbst- fähigkeit. Die Antwort lautet: kommunale Selbstverwaltung. verwaltung, noch gibt es ihn. Das wird auch immer wieder Sie ermöglicht es Kommunen, selbstständig und eigenverant- von allen Fraktionen betont. Ich will Sie nur sensibilisieren, wortlich zu handeln. Sie gewährleistet Finanzhoheit, Perso- dass sie in Gefahr gerät, wenn Sie so weitermachen. Die Kom- nalhoheit, Organisationshoheit, Planungs- und Satzungsho- munen werden nicht dadurch fit für die Zukunft, dass das Land heit. Das Land hat die Pflicht, diese Hoheitsrechte anzuerken- immer mehr Feinsteuerung betreibt. Hier ist mehr Mut ge- nen, sie zu gewährleisten und zu schützen. fragt. Entlassen Sie die Kommunen in die Freiheit, und ma- Für die Ausübung dieser Hoheitsrechte ist aber auch ein Punkt chen Sie wieder Ernst mit der kommunalen Selbstverwaltung. unabdingbar – dieser wurde heute auch schon angesprochen –: (Beifall bei der FDP/DVP) eine auskömmliche Finanzierung der Kommunen. Liebe Grünen- und CDU-Abgeordnete, stellen Sie sich ein- Wenn ein Vater zu seiner Tochter sagt, sie habe das Recht, mal Folgendes vor: Sie sind nicht mehr an der Regierung – zwischen einem Porsche und einem Mercedes AMG zu wäh- könnte ja passieren. len, ihr aber nur 50 € Taschengeld zur Verfügung stellt, ist es nicht weit her mit dem Wahlrecht der Tochter. (Abg. Arnulf Freiherr von Eyb CDU: Unvorstellbar! – Vereinzelt Heiterkeit) Jetzt sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Ba- den-Württemberg zum überwiegenden Teil sehr vernünftige – Unvorstellbar, sagt Herr von Eyb. – Die Landesregierung Leute, und ihr Kopf hängt nicht in den Wolken. Alles, was sie wird gebildet aus Ultrarechten – haben wir jetzt keine – und verlangen, ist eine solide Basisfinanzierung über die Schlüs- Radikalliberalen, also nicht aus so vernünftigen Freidemokra- selzuweisungen, Zuweisungen, die sie in die Lage versetzen, ten, wie wir es sind. Förderung erhält eine Gemeinde nur in eigener Verantwortung und flexibel auf veränderte Rahmen- noch, wenn sie Kegelbahnen statt Bowlingbahnen einrichtet bedingungen zu reagieren. – die sind zu fremdländisch – und sie mit Projekten deutsches Liedgut unterstützt. Die Radikalliberalen setzen durch, dass Aber was beobachten wir seit geraumer Zeit? Einen Trend zu alle Privatisierungsprojekte mit 75 % gefördert werden. Ein immer mehr Sonderzuweisungen, zur Finanzierung über be- Horrorszenario? Ganz sicher. stimmte Programme. Hier hält man der Kommune eine Mohr- rübe vor die Nase, und nur dann, wenn sie sich im Sinne des Sie müssen nur mal andersherum denken. Es macht Sinn, dass Landes verhält und die richtige Wegstrecke in vorgegebener das Land seine Prioritäten nicht bis ganz unten durchdeklinie- Zeit zurücklegt, kann sie einen Teil der Mohrrübe haben, wenn ren kann. Es macht auch Sinn, dass Gemeinden Baugebiete sie dann auch noch die Hälfte davon bezahlt. Das ist auch ei- nach eigenen Kriterien ausweisen dürfen, sodass nicht bei je- 5600 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Stephen Brauer) dem Euro, den sie ausgeben, wofür sie Förderung bekommen, gen: Ist das viel, oder ist das wenig? Deshalb zur Einordnung, der „Öko“-Stempel auf dem Vorhaben sein muss. Föderalis- zum Vergleich: Die durchschnittliche Verschuldung aller Flä- mus und kommunale Selbstverwaltung bedeutet, dass die chenländer liegt mit 1 704 € pro Einwohner mehr als dreimal Kommune eben nicht mit jedem Ziel der Landesregierung ein- so hoch wie hier in Baden-Württemberg. Von den Stadtstaa- verstanden sein muss, sondern sich auch eigene Ziele setzen ten brauchen wir, glaube ich, an dieser Stelle gar nicht zu spre- und die Mittel zu deren Erreichung ebenfalls frei wählen kann. chen. Das verstehen wir darunter, dass Kommunen fit für die Zu- kunft sind. Wir können stolz sein, dass über 100 der rund 1 100 baden- württembergischen Gemeinden Ende des Jahres 2017 im (Beifall bei der FDP/DVP – Abg. Dr. Timm Kern Kernhaushalt sowie bei den Eigenbetrieben und Eigengesell- FDP/DVP: So ist es!) schaften schuldenfrei waren. Wir wissen, das ist kein Spazier- gang. Auch bei guter Finanzlage ist der Schuldenabbau tat- Präsidentin Muhterem Aras: Für die Landesregierung er- sächlich eine schwierige Aufgabe. Er funktioniert nur, wenn teile ich das Wort Frau Ministerin Sitzmann. man Prioritäten setzt, Haushaltsdisziplin übt und kreative Lö- sungen findet. Deshalb spreche ich hier unsere Anerkennung Ministerin für Finanzen Edith Sitzmann: Sehr geehrte Frau für die Gemeinden aus, die es geschafft haben, schuldenfrei Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich war schon zu werden. ein wenig erstaunt, Herr Kollege Brauer, dass gerade Sie den Titel dieser Initiative kritisieren, ein Fragezeichen einfügen Aber auch das Land Baden-Württemberg hat seinen Beitrag wollen. Wenn jemand Grund gehabt hätte, bei der Aktuellen dazu geleistet. Die Leistungen an die Kommunen beliefen sich Debatte, die Sie selbst heute als TOP 1 beantragt haben, ein im Jahr 2017 auf 10,3 Milliarden €, im Jahr 2018 auf 11,3 Mil- Fragezeichen zu setzen, dann wäre es die FDP/DVP gewesen. liarden € – das sind die Nettozahlen –, und für das Jahr 2019 Wir können jedenfalls sagen, dass unsere Kommunen tatsäch- sieht der Staatshaushaltsplan – Stand Nachtrag – rund 12 Mil- lich fit für die Zukunft sind, dass unsere Kommunen stolz da- liarden € vor. Damit liegt der Anteil der Zuweisungen des Lan- rauf sein können, dass sie im bundesweiten Vergleich wirk- des bei rund 40 % der kommunalen Einnahmen und ist neben lich hervorragend dastehen. Ich denke, die Antwort mit über den Steuern der Kommunen deren wichtigste Einnahmequel- 70 Seiten mit sehr vielen Details zeigt auch, dass unsere Kom- le. munen in guter Verfassung sind und die Landesregierung den Ich will auf einen Punkt hinweisen, meine Damen und Her- Kommunen ein fairer und verlässlicher Partner ist. ren, den ich sehr wichtig finde. Die FDP hat Sonderprogram- Wir achten und stärken die kommunale Selbstverwaltung; me kritisiert; das finde ich ganz und gar nicht kritikwürdig. denn wir wissen um die großen verantwortungsvollen Aufga- Nehmen wir z. B. den Pakt für Familien, der 2011 mit den ben unserer Kommunen. Wir sorgen nicht nur aus gesetzli- Kommunen geschlossen wurde: Damals betrugen die Zu- cher Verpflichtung, sondern auch aus Überzeugung dafür, dass schüsse des Landes für die U-3-Betreuung rund 150 Millio- die finanzielle Ausstattung stimmt. nen € inklusive Bundesmittel; heute sind wir bei über 900 Mil- lionen € – reine Landesmittel. Damit sehen Sie, meine Damen Uns sind solide Finanzen unserer Kommunen sehr wichtig, und Herren: Eine gute frühkindliche Bildung und Betreuung und wir sind stolz, dass unsere Städte und Gemeinden in Ba- ist uns sehr wichtig, und wir sind bereit, dafür zu investieren. den-Württemberg im Bundesvergleich tatsächlich eine Spit- zenposition einnehmen. Ich glaube, ich kann im Einverneh- (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) men mit den Regierungsfraktionen sagen, dass wir unbedingt wollen, dass dies in Zukunft so bleibt, meine Damen und Her- Und weil wir immer wieder über die Forderung „Jetzt senkt ren. doch mal die Grunderwerbsteuer“ diskutieren, will ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Genau für diese Finanzierung (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) der U-3-Betreuung, bei der wir, das Land, den Kommunen 68 % ihrer Betriebskosten erstatten, haben wir die Grunder- Entscheidende Weichenstellungen der grün-schwarzen Lan- werbsteuer von 3,5 % auf 5 % erhöht. desregierung und der sie tragenden Fraktionen haben die Kommunen weiter gestärkt. Lassen Sie mich dazu ein paar Meine Damen und Herren, Tatsache ist doch, dass diese Mehr- aktuelle Zahlen nennen. Das kann man nämlich belegen. einnahmen die Mehrausgaben für die U-3-Betreuung bis heu- Schon 2016 lag der Finanzierungsüberschuss bei 1,2 Milliar- te nicht decken. Es fehlen rund 200 Millionen €, und das Del- den €, 2017 stieg er auf rund 1,3 Milliarden €, und 2018 liegt ta wird weiter auseinandergehen, weil die Nachfrage nach Be- er nach den Daten der Kassenstatistik sogar bei 2,1 Milliar- treuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren allerorten kräf- den €. Meine Damen und Herren, der Überschuss ist also noch tig steigt. Sie liegt deutlich über den Bedarfsprognosen, die mal um 800 Millionen € angewachsen. Das zeigt beeindru- man ursprünglich angenommen hatte. Diese Mittel aus der ckend, dass wir, die Landesregierung und die Regierungsfrak- Grunderwerbsteuer sind und bleiben künftig ein wichtiges tionen, die Kommunen an der sehr guten wirtschaftlichen Ent- Element der Finanzierung der Kleinkindbetreuung. wicklung, die das Land hatte, haben teilhaben lassen. Damit unsere Kommunen auch in Zukunft stark bleiben – wir Auch wenn Sie sich die Verschuldung der Kommunen im haben bereits über die Grundsteuer diskutiert –, ist es ganz Land im bundesweiten Vergleich ansehen, dann werden Sie entscheidend, dass wir die Grundsteuer über den 1. Januar sehen: Die kommunalen Kernhaushalte liegen mit einer Ver- 2020 hinaus für die Finanzierung der Kommunen sichern. schuldung von 560 € pro Einwohner auf Platz 1 unter den Diese Landesregierung ist gerade einmal drei Jahre alt. Ziem- deutschen Bundesländern. Jetzt kann man sich vielleicht fra- lich genau auf den Tag vor drei Jahren ist diese Landesregie-

5601 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Ministerin Edith Sitzmann) rung ins Amt gekommen, meine Damen und Herren. In die- Meine Damen und Herren, ich bin mir sicher, dass die Bür- sen drei Jahren haben wir uns zwei Mal mit den kommunalen gerschaft das, was wir mit der zweiten Empfehlung vom Landesverbänden einvernehmlich und einstimmig auf eine ge- Herbst letzten Jahres beschlossen haben, spürt, und zwar haut- meinsame Empfehlung geeinigt, und der Landtag von Baden- nah bei sich vor Ort. Wir werden z. B. deutlich mehr Mittel Württemberg hat beiden Empfehlungen zugestimmt. für die Betreuung von Kindern zwischen drei und sechs Jah- ren zur Verfügung stellen, in die Digitalisierung von Kranken- Um noch einmal eine Mär auszuräumen, die die SPD immer häusern investieren und die Mittel für kommunale Verkehrs- wieder zu schüren versucht: Die erste Empfehlung der Ge- infrastruktur nach dem sogenannten Landesgemeindever- meinsamen Finanzkommission hatte eine Laufzeit von 2016 kehrsfinanzierungsgesetz fast verdoppeln. Daran sehen Sie: bis Ende 2021. Das heißt, die Kommunen hatten von Anfang Uns ist eine gute und nachhaltige Entwicklung in unserem an Planungssicherheit, lieber Herr Hofelich. Die Kommunen Land, bei unseren Kommunen extrem wichtig, meine Damen haben in dieser ersten Empfehlung schriftlich die Garantie be- und Herren. kommen, dass wir an der Steuerverbundquote von 23 % fest- halten. Sie sehen, uns ist es wichtig, dass wir mit den Kom- Während der Bund noch über die Digitalisierung der Schulen munen eine gute und faire Partnerschaft auf Augenhöhe pfle- und darüber, wann diese kommen soll, wie viel Geld es geben gen. soll und wie das Geld an die Schulen kommen soll, diskutiert hat, (Zuruf des Abg. Rainer Stickelberger SPD) (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Haben wir es schon Ich kann Ihnen nur sagen: Der Klimawandel findet statt, aber ausgegeben!) es ist ein Klimawandel, den wir draußen haben. Das Klima zwischen den kommunalen Landesverbänden und der Lan- sind wir im Land bereits in Vorleistung gegangen desregierung sowie den sie tragenden Fraktionen ist durch- (Lachen des Abg. Peter Hofelich SPD) weg gut. Ich bin oft vor Ort unterwegs und führe Gespräche mit Bürgermeistern. Ich kann sagen: Die Zufriedenheit mit und haben 150 Millionen € vereinbart, die in die Digitalisie- diesen beiden Vereinbarungen ist sehr groß. Das wird uns dort rung unserer Schulen in Baden-Württemberg fließen können. auch immer wieder versichert, meine Damen und Herren. Wir haben eben nicht abgewartet, bis endlich die Bundesmit- tel da waren, sondern haben hier vorausschauend gehandelt. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) Wir haben auch vereinbart, dass wir den Krankenhausstruk- Natürlich haben wir für die letzte gemeinsame Empfehlung turfonds des Bundes mit insgesamt 240 Millionen € in den an den Landtag ein wenig Verhandlungszeit gebraucht. Aber kommenden Jahren kofinanzieren. Wir haben zudem ein Son- die Themen waren vielfältig, und sie waren auch komplex. Es derprogramm für die Digitalisierung im Bereich der Kranken- ging um sehr hohe Summen. Am Ende haben wir eine gemein- häuser auf den Weg gebracht. same Vereinbarung getroffen, die sich meines Erachtens wirklich sehen lassen kann: immerhin 1,6 Milliarden € zusätzliche Ein wichtiges Thema für die Stadt- und Landkreise – Sie er- Mittel für wichtige kommunale Aufgaben. Ich kann all dieje- innern sich alle – war das Thema „Anschlussunterbringung nigen, die daran etwas zu kritisieren haben, überhaupt nicht von geduldeten Flüchtlingen“, das gerade für die Stadt- und verstehen, meine Damen und Herren. vor allem für die Landkreise erhebliche Herausforderungen bedeutet. Da haben wir uns im Jahr 2018 und im Jahr 2019 Lassen Sie mich einige Beispiele von dieser Empfehlung aus mit jeweils über 130 Millionen € Unterstützung mit einge- dem Jahr 2016 nennen, weil das heute auch schon mehrfach schaltet. angesprochen wurde. Wir haben den Kommunen damals freiwillig 10 % der Tilgungsverpflichtung des Landes für die Sa- Meine Damen und Herren, zur Grundsteuer muss ich, glaube nierung der kommunalen Infrastruktur zur Verfügung gestellt. ich, heute nicht noch einmal längere Ausführungen machen. Die Kommunen haben sich dafür entschieden, den Schwer- Das haben wir bereits gestern diskutiert. punkt – 80 % der Mittel – bei der Sanierung von Schulgebäu- Ich möchte noch auf die regionalisierten Steuerschätzungen den zu setzen und 20 % der Mittel für die Sanierung kommu- eingehen, die wir seit Montag vorliegen haben. Ja, Tatsache naler Brücken zu verwenden. Mittlerweile sind diese 10 % – ist – wen hat es verwundert? –: Die Konjunktur hat sich et- ich glaube, Herr Kollege Klein hat es gesagt; das haben wir was abgekühlt. Die Steuereinnahmen werden weiter steigen, damals gar nicht so erwarten können – auf rund 600 Millio- aber sie steigen weniger, als es eben von den Steuerschätzern nen € angestiegen. Die Kommunen haben also für die Sanie- im Herbst des vergangenen Jahres noch prognostiziert wor- rung ihrer Infrastruktur 600 Millionen € zur Verfügung. Ich den ist. Das bedeutet, dass die Kommunen in den Jahren 2020 finde, das war ein ganz wichtiges Signal, um zu zeigen, wie und 2021 jeweils 1 Milliarde € weniger zur Verfügung haben wichtig die Kommunen und eben auch gute Schulgebäude und werden als im Herbst geplant. Auf Landesseite sind es jeweils intakte Brücken vor Ort sind, meine Damen und Herren. etwa 600 Millionen €, die wir weniger zur Verfügung haben. Das heißt, dass wir alle miteinander jetzt ein bisschen Diät (Beifall bei den Grünen und der CDU) machen müssen, Wichtig finde ich, dass es gelungen ist, dieses Sanierungspro- (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Warum schauen gramm mit weiteren Mitteln des Bundes so gut zu kombinie- Sie mich an? – Vereinzelt Heiterkeit – Zuruf des Abg. ren, dass alle Kommunen die Möglichkeit hatten, Anträge zu Rainer Stickelberger SPD) stellen. Vonseiten des Bundes waren noch einmal etwas mehr als 250 Millionen € zusätzlich zur Verfügung gestellt worden. um diese Lücke in der mittelfristigen Finanzplanung tatsäch- Das ergibt ein Volumen von insgesamt rund 850 Millionen €. lich auch zu schließen. 5602 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Ministerin Edith Sitzmann)

Ich denke, wir sind nicht in einer dramatisch schlechten Situ- Dieser Herausforderung der Zukunftsgestaltung stellt sich die ation – das sollten wir, glaube ich, so auch nicht nach außen grün geführte Landesregierung in Baden-Württemberg seit vertreten –, aber wir sind in einer Situation, in der sich die au- acht Jahren gemeinsam mit den Kommunen, und das mit Er- ßergewöhnlich guten Jahre jetzt eher auf Normalität einpen- folg. deln. Wenn die Einnahmen wieder in der Normalität ange- kommen sind, müssen wir dafür sorgen, dass dies auch für die Die Kommunen haben vielfältige Aufgaben. Sie müssen leis- Ausgaben gilt. Das gilt natürlich insbesondere deshalb, weil tungsfähige Strukturen erhalten und weiterentwickeln, die al- ab dem kommenden Jahr und mit dem nächsten Haushalt, den len Bürgerinnen und Bürgern dienen, die aber gleichzeitig wir ja noch in diesem Jahr beschließen werden, die Schulden- auch der bzw. dem Einzelnen die besten Chancen bieten. Sie bremse gilt. müssen den Zusammenhalt, die soziale Gemeinschaft stärken. Sie müssen ein gesundes Lebensumfeld bieten, Innovation Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Ich bin zu- und Entwicklung fördern und nicht zuletzt mit Blick auf zuversichtlich, dass wir mit den Kommunen weiterhin partner- künftige Generationen handeln. Bei der Erfüllung dieser Auf- schaftlich und fair sowie auf Augenhöhe verhandeln, dass wir gaben unterstützen wir sie wirksam und zuverlässig. gute Ergebnisse im Interesse unserer Kommunen und vor allem eben auch der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) erreichen werden. Wesentliche Aspekte hat unser Fraktionsvorsitzender in der Ich möchte hier noch einmal betonen, dass bei Themen, die ersten Runde bereits angerissen. Wir unterstützen die Kom- heute schon kurz angesprochen worden sind – z. B. der Zu- munen darin, allen Menschen durch bestmögliche Bildungs- sammenhalt unserer Gesellschaft –, die Kommunen die wich- und Betreuungseinrichtungen Chancen zu bieten. Wir stärken tigsten Akteure sind. Sie sind nah dran an den Menschen. den Aufbau leistungsfähiger Strukturen in den Kommunen: Ich wünsche mir in Bezug auf die kommende Kommunalwahl durch Investitionsförderung von Infrastruktur mit dem Ent- eine hohe Wahlbeteiligung der Bürgerschaft. Ich hoffe, dass wicklungsprogramm Ländlicher Raum, bei der Mobilitäts- allen klar ist, wie wichtig ein guter Gemeinderat ist, der dann wende sowie durch Programme und Fonds zur Wohnraumför- konstruktiv an den Lösungen vor Ort arbeitet. Ich hoffe, dass derung. sich nach der Kommunalwahl Ergänzend zu diesen Ausführungen werde ich mich auf diese (Zuruf des Abg. Reinhold Gall SPD) weiteren Aufgaben konzentrieren, die ich bereits genannt habe und bei denen wir die Kommunen fördern. Wir fördern die diese Erwartungen erfüllen und wir uns alle freuen können. Kommunen bei der Aufgabe, den Zusammenhalt, die soziale Gemeinschaft zu stärken, und zwar auf vielfältige Weise: Abschließend lassen Sie mich allen danken, die bei den Ver- durch Städtebauförderung, die genau darauf abzielt, wirklich handlungen mit den Kommunen unterstützend dabei sind. Ich wieder Zentren zu schaffen, in denen Menschen zusammen- danke allen Ressorts für die tatkräftige Unterstützung bei der kommen, durch Integrationsmanager, durch das Landespro- Beantwortung der Großen Anfrage, die auf über 70 Seiten sehr gramm „Integration durch Bürgerschaftliches Engagement viele Informationen enthält, mit denen wir immer gut auf dem und Zivilgesellschaft“, das an den Stärken unseres Landes an- aktuellen Stand sind. setzt, nämlich dem großen bürgerschaftlichen Engagement der Herzlichen Dank. Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Aber auch durch die erweiterten Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung stärken (Beifall bei den Grünen und der CDU) wir den Zusammenhalt und die Gemeinschaft. Präsidentin Muhterem Aras: In der zweiten Runde erteile (Abg. Rainer Stickelberger SPD: Das hat aber ges- ich das Wort für die Fraktion GRÜNE Frau Abg. Dr. Leidig. tern noch ganz anders ausgesehen!)

Abg. Dr. Ute Leidig GRÜNE: Sehr geehrte Frau Präsidentin, Bei der Aufgabe, für alle Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, sehr geehrte Damen und Herren! Die kommunale Ebene ist haben wir Menschen mit besonderen Bedarfen im Blick. Nur nicht alles, aber ohne die Kommunen ist alles nichts. In vie- ein paar Beispiele: Wir haben die Wohn- und Beschäftigungs- len Bereichen gibt das Land den Rahmen vor, fördert struktu- angebote für Menschen mit Behinderungen verbessert, genau- relle Entwicklung und bietet Mittel an. Aber umgesetzt wer- so wie die Voraussetzungen für pflegebedürftige Menschen. den die angebotenen Möglichkeiten in den Kommunen. Auch die Schulsozialarbeit konnte durch die Förderung des Die Selbstverwaltung der Kommunen ist ein hohes Gut. Wir Landes erheblich ausgebaut werden. stellen Förderungen bereit – in Rücksprache und im Einver- (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der nehmen mit den kommunalen Verbänden –, aber die Kommu- CDU) nen bestimmen, welche Förderungen sie letzten Endes abru- fen. Bei der Aufgabe, gesunde Lebensbedingungen zu bieten, grei- Die Partnerschaft zwischen Land und Kommunen ist essen- fen wir den Kommunen mit vielen verschiedenen Maßnah- ziell, und zwar in beide Richtungen. Nur gemeinsam können men unter die Arme. Hier nur einige davon: Das Projekt „Na- wir Zukunft gestalten. tur nah dran“ fördert die Umgestaltung innerstädtischer Grün- flächen. Der Klimaschutzpakt unterstützt kommunale Klima- (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der schutzmaßnahmen. In der Umweltverwaltung wurden neue CDU) Stellen geschaffen. Die Kommunen wurden bei der Erstellung

5603 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Ute Leidig) von Lärmaktionsplänen unterstützt, und schließlich führt die möchte ich einen Gedanken aufgreifen, der sich durchgezo- Krankenhausförderung zu strukturverbessernden Maßnahmen. gen hat, nämlich die Frage, ob die Behandlung heute ein Zu- fall ist oder nicht. (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU) (Abg. Gabi Rolland SPD: Natürlich nicht! Überhaupt nicht!) Wir unterstützen die Kommunen bei der Förderung von Ent- wicklung und Innovation. Digitalisierung ist unabdingbar – Ich bin bescheiden genug, um zu wissen, dass ich diejenigen, das haben wir heute schon öfter gehört – für die zukünftige die dorthin spekulieren, nicht vom Gegenteil überzeugen Entwicklung von Wirtschaft und Verwaltung. Wir fördern den kann. Meine Fraktion und ich sind aber selbstbewusst genug, Ausbau der Breitbandinfrastruktur im gesamten Land – ins- um zu sagen, dass das Ergebnis der Großen Anfrage kein Zu- besondere im ländlichen Raum – mit Millionensummen im fall ist. Es ist das Ergebnis solider Politik zum Wohle der Ge- dreistelligen Bereich. meinden, zum Wohle der Menschen in den Gemeinden. Wir beschränken uns aber nicht nur auf Digitalisierung. Durch (Beifall bei der CDU und den Grünen) den RegioWIN-Wettbewerb werden Leuchtturmprojekte umgesetzt, die die Wettbewerbsfähigkeit von Regionen und Ge- Wir machen mit dieser Politik die Kommunen fit für die Zu- meinden steigern. Wir haben die Lernfabrik 4.0 an beruflichen kunft, und deswegen sind sie auch fit für die Zukunft – mit Schulen angestoßen wie auch Landeswettbewerbe zu Start- drei Ausrufezeichen. ups, die eine große Stärke unseres Landes ausbauen. Sie för- dern die Gründungskultur in den Kommunen und in den Re- Vielen Dank. gionen und damit auch im Land Baden-Württemberg. (Beifall bei der CDU und den Grünen – Bravo-Rufe Letzten Endes unterstützen wir die Kommunen, mit Blick auf von der CDU) zukünftige Generationen zu handeln. Das bedeutet, mit den vorhandenen Ressourcen achtsam und schonend umzugehen. Präsidentin Muhterem Aras: Herr Abg. Hofelich von der Das war und ist ein prägendes Ziel grüner Politik. SPD-Fraktion hat noch eine Minute Redezeit. (Beifall des Abg. Daniel Renkonen GRÜNE) Abg. Peter Hofelich SPD: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Mein bereits angekündigter und mit Spannung erwarteter drit- Wir fördern daher in den Kommunen Innenentwicklung, die ter Punkt lautet: Perspektiven. Ich würde gern noch ein paar Aktivierung von Leerständen, Konzepte zur Nachverdichtung. Sätze zur Perspektive, die wir aus Finanzsicht haben, sagen. Wir fördern Sanierung. Denn damit bleibt die Infrastruktur in den Kommunen erhalten und kann auch von kommenden Ge- Die Grundsteuer ist angesprochen worden. Es gibt aber auch nerationen genutzt werden. noch andere Steuerarten, über die wir vielleicht einmal kurz reden sollten. In den nächsten paar Jahren wird die Situation Sie sehen an meinen Ausführungen: Es geht bei den Förder- so sein, dass die sehr volatilen Gewerbesteuereinnahmen si- programmen nicht um Mohrrüben, wie es von der FDP/DVP cherlich auch mal wieder zurückgehen werden und die nach- dargestellt wurde. Es geht darum, die Kommunen bei ihren laufende Gewerbesteuerumlage auch manche Kämmerer ins tatsächlichen Aufgaben zu unterstützen, Schwitzen bringen wird. In dieser Situation müssen wir schon schauen, wo wir steuerliche Freiräume bekommen oder wie (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: So ist es! Jawohl!) wir stabilisieren. Zur Stabilisierung gehört die Grundsteuer. Frau Ministerin, Sie haben das gestern zwar thematisiert, Sie und zwar wirkungsvoll und nachhaltig. haben es aber nicht konkretisiert. (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) (Abg. Reinhold Gall SPD: Immer noch nicht!) Meine Damen und Herren, die Große Anfrage zeigt: Die Kom- munen, unsere Partnerinnen, sind gut aufgestellt. Sie werden Die Position der Landesregierung zur Grundsteuer ist weiter- von der grün-schwarzen Landesregierung wirksam unterstützt, hin im Nebel. ihre Aufgaben zu erfüllen und dabei selbstbestimmt zu han- (Beifall bei der SPD) deln. Gemeinsam – Land und Kommunen – sind wir fit für die Zukunft. Man hört zwar, der MP wolle jetzt Druck machen, aber Druck wohin? Unsere Position ist glasklar. Sie lautet, dass Herr (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der Scholz ein gutes Konzept erarbeitet hat, hinter dem wir ste- CDU – Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Super! Sehr hen. Wir sind der Meinung, dass wir ein werteabhängiges Mo- gut!) dell haben sollten. Wir halten nichts von Öffnungsklauseln, Präsidentin Muhterem Aras: Für die CDU-Fraktion erteile und wir sind der Meinung, dass die Landesregierung von Ba- ich das Wort Herrn Abg. Hockenberger. den-Württemberg nicht sagen kann, sie warte auf die Positi- on der Bundesregierung, wie es gestern geschehen ist, son- (Zuruf: 25 Sekunden!) dern dass Baden-Württemberg eine eigene Position im Sinne unserer Kommunen vorlegen soll, meine Damen und Herren. Abg. Ulli Hockenberger CDU: Sehr geehrte Frau Präsiden- Das fehlt uns. tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Sache ist von denen, die zur Sache etwas sagen wollten, alles gesagt. Deswegen (Beifall bei der SPD) 5604 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Peter Hofelich)

Das Zweite: Bei der Grunderwerbsteuer sind wir in einer Si- erinnert eher an einen permanenten Stresstest. So drohte z. B. tuation, in der wir glauben, dass wir junge Familien ermuti- Ministerin Sitzmann mit der Verlängerung des Kommunal- gen sollten, Wohneigentum zu bilden. Das wird auf der Bun- Solis, also der Weiterführung der erhöhten Gewerbesteuerum- desebene gelöst. Wenn das mit den Grünen nicht geht, müs- lage. Da war von der Landesregierung als fairer und verläss- sen wir miteinander sprechen, denn wir haben schließlich in licher Partner gar keine Rede mehr. Da brauchen Sie nur Ih- Berlin eine Koalition zwischen CDU und SPD. Wir sind der ren Parteifreund Kuhn zu fragen. Zur Beruhigung schreiben Meinung, dass wir das voranbringen sollten, meine Damen Sie dann aber hier auf Seite 33 Ihrer Antwort auf die Anfra- und Herren. ge, dass Sie sich für die Abschaffung des Kommunal-Solis einsetzen werden. Verlässlichkeit sieht anders aus. Dritter Punkt: Wir haben Europawahl, Frau Präsidentin. Wir alle haben Interesse daran, dass wir bestimmte Steuerregime Was wir brauchen ist eine Stärkung der kommunalen Selbst- auf europäischer Ebene auch ausüben. Ich nenne einmal eine verwaltung, keine Programmfinanzierung über Sonderzuwei- gemeinsame Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteu- sungen, sondern eine auskömmliche Basisfinanzierung, kurzer. Es wird für Kommunen in Baden-Württemberg mit star- um: mehr Freiheit für die Kommunen. ker Infrastruktur, die nicht Irland heißen, wichtig sein, dass wir die Körperschaftsteuer hier in Baden-Württemberg auch (Beifall bei der FDP/DVP) halten und wir eine gemeinsame Bemessungsgrundlage ha- Präsidentin Muhterem Aras: Meine Damen und Herren, ben. Deshalb tritt man, wenn man für Europa eintritt, in der jetzt liegen mir wirklich keine Wortmeldungen mehr vor. Da- Steuerpolitik auch für baden-württembergische Kommunen mit ist die Große Anfrage besprochen und Punkt 2 der Tages- ein, meine Damen und Herren. ordnung erledigt. Präsidentin Muhterem Aras: Kommen Sie bitte zum Schluss, Bevor wir in die Mittagspause eintreten, gebe ich noch zwei Herr Abg. Hofelich. Noch einen Satz. Hinweise. Zum einen: Die Mitglieder des Finanzausschusses Abg. Peter Hofelich SPD: Ich komme zum Schluss und will treffen sich in zehn Minuten im Moser-Saal. Die Einladung als Letztes sagen: Wir werden in der Förderkulisse auch zu ist Ihnen bereits zugegangen. akzeptieren haben, dass Baden-Württemberg nicht mehr al- Zum anderen sind die Fraktionen übereingekommen, Tages- lein Stadt-Land-Kontrast ist. Wir haben Verflechtungsräume; ordnungspunkt 8 von der Tagesordnung abzusetzen. Das ist das sind die sogenannten funktionalen Räume. Da wird sich ein Antrag der Fraktion GRÜNE. unsere Förderkulisse künftig anders ausrichten müssen, und da haben wir Besprechungsbedarf. Wir setzen unsere Sitzung um 14:45 Uhr fort. Danke schön. (Unterbrechung der Sitzung: 13:44 Uhr) (Beifall bei der SPD) * Präsidentin Muhterem Aras: Für die FDP/DVP-Fraktion er- (Wiederaufnahme der Sitzung: 14:45 Uhr) teile ich das Wort Herrn Abg. Brauer. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Sehr geehrte Damen und Abg. Stephen Brauer FDP/DVP: Sehr geehrte Frau Präsi- Herren, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. dentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte fast gesagt, ich spreche gegen den ausdrücklichen Willen meiner Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung: Fraktion; die wollen nämlich zum Mittagessen. Ich beeile mich. Fragestunde – Drucksache 16/6055 (Vereinzelt Heiterkeit) Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 1 auf: Die Regierung zeichnet die Situation der Kommunen in den Mündliche Anfrage des Abg. Daniel rosigsten Farben. Frau Sitzmann spricht von einem guten Mit- Born SPD – Ausbildungsabbrüche in einander. Man muss aber auch die andere Seite fragen. In der praxisintegrierten Ausbildung Wirklichkeit zieht das Land nämlich die Zügel an. Auch beim für Erzieherinnen und Erzieher Naturschutz lässt sich beobachten, dass die Kommunen vom Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort. Land am Gängelband geführt werden. Da werden Stellen, für welche die Kreise Geld erhalten, nicht von diesen, sondern Abg. Daniel Born SPD: Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau vom Ministerium ausgeschrieben. Personalauswahl und Zu- Präsidentin, ich wünsche Ihnen, dass bald auch Ihre Schrift- weisung erfolgen im Rahmen der Vorschrift zum Ausgleich führerinnen und Schriftführer eintreffen. der Sonderbehördeneingliederung durch das Ministerium. Das ist doch keine Selbstbestimmung. Selbstbestimmung sieht an- Ich frage die Landesregierung: ders aus. Wie viele Abbrüche der praxisintegrierten Ausbildung für Er- (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP – Vereinzelt zieherinnen und Erzieher (PiA) gab es seit ihrer Einführung Beifall bei der SPD – Abg. Dr. Timm Kern FDP/ pro Ausbildungsjahrgang in absoluten und prozentualen An- DVP: Genau!) gaben, insgesamt und aufgeschlüsselt nach Geschlecht? Wie Sie mit den Kommunen umgehen, deutet nicht darauf hin, Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Ich darf für die Landesre- dass Sie sie fit für die Zukunft machen wollen. Der Umgang gierung Frau Ministerin Dr. Eisenmann ans Redepult bitten.

5605 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank. – Damit ist senmann: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Ziffer 1 der Mündlichen Anfragen abgehandelt. Herren! Herr Born, ich beantworte gern Ihre Frage. Im Rah- men der amtlichen Schulstatistik wird die Zahl der Schulab- Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 2 auf: gänger, der Schulabbrecher selbstverständlich erhoben. Sie Mündliche Anfrage des Abg. Daniel haben gefragt, wie es sich seit der Einführung 2013 entwickelt Born SPD – Abrechnung von Reise- hat. kosten der Lehrkräfte bei Klassen- fahrten Wir hatten im Jahr 2013 insgesamt 60 Schulabgänger bzw. Schulabbrecher, das war ein Anteil von 10,4 %, davon 47 Abg. Daniel Born SPD: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich weiblich und 13 männlich. 2014 waren es 88, das entsprach frage die Landesregierung: einem Anteil von 5,1 % und teilte sich auf in 69 weibliche und 19 männliche Abbrecher. 2015 betrug die Anzahl 125, das ent- Warum wickelt die Landesregierung die Reisekostenerstat- sprach 4,4 %; davon waren 100 weiblich und 25 männlich. tung bei Lehrkräften, die im Rahmen außerunterrichtlicher 2016 hatten wir 112 Abgänger, das waren 3,3 %; davon wa- Veranstaltungen fällig wird, nicht wie bei anderen Beschäf- ren 80 weiblich und 32 männlich. 2017 gab es 138, was ei- tigten des Landes als Dienstreise ab und belastet stattdessen nem Anteil von 3,8 % entsprach, 102 weiblich und 36 männ- die Budgets der Schulen für Klassenfahrten? lich. Im Jahr 2018 waren es 194 Abgänger, das waren 4,9 %, davon 152 weiblich und 42 männlich. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Herr Abge- ordneter. – Es darf wiederum Frau Ministerin Dr. Eisenmann Der prozentuale Anteil der Schulabgänger pro Jahr ist also im am Redepult antworten. Vergleich zu anderen Ausbildungsgängen niedrig. – So weit Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- die Beantwortung Ihrer Frage. senmann: Herr Born, auch diese Frage beantworte ich Ihnen selbstverständlich gern. Ich glaube aber, dass da ein Missver- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Abg. Born, Sie kön- ständnis vorliegt, weil wir hier genauso abrechnen, wie Rei- nen noch mal nachfragen. sekosten generell bei Beamten abgerechnet werden. Abg. Daniel Born SPD: Ja, ich hätte eine Nachfrage. – Frau Die Schulen bekommen ein Budget, um die außerschulischen Ministerin, können Sie sich erklären, warum seit 2016 – wenn Veranstaltungen, die wir für wichtig erachten, abzurechnen. auch zunächst auf niedrigem Niveau – der prozentuale Anteil Das Budget ist aber ein Stück weit „fiktiv“, weil es beim LBV von Abbrecherinnen und Abbrechern wieder zunimmt? hinterlegt ist. Das heißt, die Schulen wissen, wie viel Reise- kosten sie pro Jahr produzieren dürfen. Aber die Abrechnung Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- erfolgt dann direkt beim LBV, sodass die Schulen damit kei- senmann: Das kann ich Ihnen nicht fundiert interpretieren. ne Belastung haben, sondern eine normale Dienstreiseabrech- Im Jahr 2013 waren es beispielsweise 10,4 %, im Jahr 2016 nung erfolgt wie bei anderen auch. Die Schulen bekommen 3,3 %, 2017 3,8 %, 2018 4,9 %. Was die von Ihnen ange- nur zugewiesen, wie hoch die Kosten für ihre Schule jeweils sprochene Steigerung betrifft, bewegen wir uns immer in ei- sein dürfen. Aber das Verfahren ist das gängige, das Sie sonst nem ungefähr gleichen Bereich. Wir haben aber keine fundier- auch kennen und das Sie auch angemahnt haben. te Bewertung dazu, wie es jeweils zu der konkreten Prozent- zahl kommt. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Kollege, Sie können zweimal nachfragen, wenn Sie möchten. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Gibt es weitere Nachfra- gen zum Thema? – Herr Abg. Born, bitte. Abg. Daniel Born SPD: Es ergeben sich daraus zwei Nach- fragen: Abg. Daniel Born SPD: Erfassen Sie die Abbruchgründe, und Wenn Sie sagen: „Veranstaltungen, die wir für wichtig erach- welche Schlüsse ziehen Sie daraus? ten“, dann habe ich die Nachfrage: Wie eruieren Sie, das Mi- nisterium, was wichtig ist? Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- senmann: Nein, die erfassen wir nicht. Es sind auch ganz un- Die andere Nachfrage: Welche Meldungen bekommen Sie terschiedliche Gründe. Zum einen sind bei den Abbrechern über Klassenfahrten, die nicht stattfinden konnten, weil das beispielsweise diejenigen dabei, die wiederholen, und es gibt Budget nicht ausgereicht hat, z. B. – so wird im Land berich- diejenigen, die sozusagen klassisch abbrechen – „Ich mache tet – auch für Klassenfahrten nach Dachau und Ähnliches, was irgendetwas anderes, weil ich mich vielleicht beruflich falsch ja unstreitig wichtig ist? entschieden habe“ – oder die letztlich auch durchfallen. Das sind alles Begründungen für nicht erfolgreich abgeschlosse- Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- ne Ausbildungen. Das sehen wir dann. Daher halten sich die senmann: Zunächst einmal möchte ich die pauschale Bewer- Begründungen die Waage. tung vornehmen, dass außerschulische Veranstaltungen generell eine hohe Bedeutung haben. Sie dienen der Vertiefung, Aber dezidiert nachgefragt haben wir nicht. Ich muss auch sa- der Erweiterung, der Ergänzung des Unterrichts und tragen gen, bei Zahlen wie 3,8 oder 4,9 %: Es sind halt solche dabei, zur Entfaltung und auch zur Stärkung eines gewissen Team- die es nicht schaffen oder die wiederholen. Die Zahlen erklä- geistes bei. Das sind vielfältige Dinge. Das kann die Klassen- ren sich ein Stück weit. Aber dezidiert aufgearbeitet haben wir fahrt sein, das kann auch der Museumsbesuch sein, das kann sie nicht. aber auch der Opernbesuch sein – in der ganzen Bandbreite. 5606 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Ministerin Dr. Susanne Eisenmann)

Die Schulen haben da vielfältige Ansätze, die sie pflegen. Da- Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 3 auf: zu gehören auch Gedenkstättenbesuche, die ebenfalls wichtig sind und zu denen auch die Rückmeldung kommt, dass die Mündliche Anfrage des Abg. Dr. Erik Schülerinnen und Schüler darin insgesamt einen Mehrwert se- Schweickert FDP/DVP – Verkehrsge- hen. fährdung und Nadelöhrsituation durch den Diebkreisel im Heckengäu Wir haben, was das Thema Schulbudgets angeht, für diesen Bereich den Budgetansatz verdoppelt. Wir haben grundsätz- Es geht also um den Dieselkreisel im Heckengäu. – Bitte, Herr lich den Schulen die Budgets zugewiesen, und wir haben die Abg. Dr. Schweickert. Rückmeldung, dass man mit den Budgets gut auskommt; viele Budgets sind zum Teil gar nicht ausgeschöpft. Deshalb kön- Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Frau Präsidentin, lie- nen wir nicht erkennen, dass dieses wichtige Angebot ergän- be Kolleginnen und Kollegen! Sie gestatten mir den Hinweis, zend zum Unterricht nicht in der vollen Breite zustande- Frau Präsidentin: Wir machen zwar viel mit Diesel, aber es kommt. handelt sich um den Diebkreisel, nicht um einen Dieselkrei- sel. Wir überlassen es aber den Schulen, mit welcher Tradition, mit welchem Ansatz sie was machen. Dass es jedoch wichtig Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Entschuldigung. ist und dass es gut funktioniert, ist die Rückmeldung, die wir Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Dieser Kreisel wird von den Schulen quer durch das Land bekommen. nämlich auch von Benzin- und Elektrofahrzeugen genutzt. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Danke schön. – Gibt es Ich frage die Landesregierung: noch eine Nachfrage? – Herr Abg. Dr. Schweickert. Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Frau Ministerin, dan- a) Bis wann plant die Landesregierung mit welchen Maßnah- ke, dass Sie noch einmal die Wichtigkeit dieser außerschuli- men, die problematische Verkehrssituation am Diebkreisel schen Veranstaltungen klargestellt haben. im Heckengäu zu verbessern? Dazu hätte ich eine Frage. Ich komme aus einem Wahlkreis, b) Welche Maßnahmen ergreift sie, um die verkehrsgefähr- der zwar Verdichtungsraum ist, aber trotzdem ländlich geprägt dende Aus- bzw. Abfahrtssituation auf dem Stand- bzw. ist. Dort fallen per se natürlich höhere Reisekosten an als di- rechten Fahrstreifen der Autobahn A 8 (Stuttgart nach rekt in der Stadt. Deswegen meine Frage: Gibt es für ländli- Karlsruhe) in Richtung Friolzheim/Mönsheim zu verbes- che Schulen denn ein höheres Budget? Bis die Schülerinnen sern, die aus der Kombination eines in letzter Zeit stark zu- und Schüler von dort überhaupt erst einmal in der Stadt sind, nehmenden Verkehrs auf der A 8 zusammen mit der prob- um ins Theater zu gehen oder Ähnliches, ist das natürlich lematischen Verkehrssituation am Diebkreisel resultiert und deutlich teurer als bei städtischen Schulen. nahezu täglich zu sehr gefährlichen Situationen führt? Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Herr Abge- senmann: Nein, das haben wir tatsächlich nicht. Wir haben ordneter. – Ich darf Frau Staatssekretärin Dr. Splett bitten, zum in der Berechnung keine regionale Quote, sondern wir berech- Diebkreisel zu sprechen. nen nach Schülerzahl und nach verschiedenen Quotienten. Staatssekretärin Dr. Gisela Splett: Sehr gern. – Sehr geehr- Aber diesen Aspekt haben wir bisher nicht berücksichtigt. Ich te Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich be- bin darauf bisher selbst, sage ich jetzt offen, auch gar nicht antworte die Fragen des Herrn Abg. Professor Dr. Schweickert gekommen; es ist die Frage, ob das tatsächlich ein Thema ist. für die Landesregierung wie folgt: Man kann bei den Schulen aber einmal nachfragen, ob das tat- sächlich dazu führt, dass manches vielleicht nicht möglich ist, Zunächst zum Kreisverkehr und zur Frage nach baulichen weil die Anreise teurer ist als von einer Schule aus, die sich Maßnahmen: Zur nachhaltigen Verbesserung der Verkehrsver- geografisch woanders befindet. Das kann man sich gern mal hältnisse am Diebkreisel muss das gesamte Umfeld betrach- anschauen. Es war bisher kein Thema und ist bei uns bislang tet werden. Dazu wurden bereits Verkehrsgutachten erstellt. auch nicht vorgetragen worden, ist aber ein Aspekt, den man Auf dieser Basis wurden verschiedene Ausbauvorschläge zwi- sicherlich auch wahrnehmen kann. schen der Autobahnanschlussstelle Heimsheim und dem Ge- werbegebiet Am Dieb entwickelt. Der Schlussbericht liegt seit Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank. – Gibt es Ende März vor. weitere Nachfragen zu diesem Punkt? – Das ist nicht der Fall. Das Ergebnis: Aufgrund absehbarer Entwicklungen in den Ge- Dann können wir, Frau Ministerin, Ziffer 2 als erledigt be- werbegebieten um die Anschlussstelle sind zur dauerhaften trachten. Verbesserung der Verkehrsverhältnisse neben Änderungen am Diebkreisel auch Änderungen an der Anschlussstelle erfor- Ich möchte die AfD-Fraktion darauf aufmerksam machen, derlich. Erste Abstimmungsgespräche mit dem Bundesver- dass ihr Schriftführerplatz hier vorn leer ist. kehrsministerium haben bereits stattgefunden; erste Planungs- (Abg. Dr. Christina Baum AfD: Er kommt! Er ist un- schritte wurden eingeleitet. terwegs!) Klar ist: Ein Baurechtsverfahren ist erforderlich. Hierbei sind, – Okay, Herr Abg. Stauch kommt sozusagen c. t. wie das immer so ist, umfangreiche Untersuchungen und Ab- stimmungen mit Trägern öffentlicher Belange nötig. Deshalb (Zuruf von der SPD: Das verstehen die nicht!) können die angedachten Baumaßnahmen nicht kurzfristig um-

5607 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Staatssekretärin Dr. Gisela Splett) gesetzt werden. Die Straßenbauverwaltung ist aber an der Pla- passiert –, oder man fährt illegal auf diesem Standstreifen. nung dran. Warum wird denn dieser Standstreifen nicht einfach etwas verlängert? Zu Buchstabe b: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Nordrampe der Anschlussstelle Heimsheim bereits im April Herr Verkehrsminister Hermann hat sich gestern Abend dafür 2017 um eine zusätzliche Fahrspur erweitert wurde. Dadurch gelobt, dass bei uns viele Standstreifen sogar als Fahrbahn ge- konnte die Steuerung der Verkehrsampel optimiert werden. nutzt werden können. Hier geht es einfach nur darum, dass Das hat damals die Leistungsfähigkeit erhöht. die Autofahrer nicht – mit 0 km/h – auf der Strecke zum Ste- hen kommen, wenn von hinten ein Lkw mit 80 km/h an- Bis zur Fertigstellung des sechsstreifigen Ausbaus der A 8 im kommt. Kann man da nicht kurzfristig etwas umsetzen? Wir Enztal ist der Streckenabschnitt zwischen den Anschlussstel- haben jede Woche Unfälle, wir haben jeden Monat schwere len Pforzheim-Süd und Pforzheim-Nord das letzte verbliebe- bis tödliche Unfälle auf dieser Strecke. Da wäre es doch an- ne Nadelöhr zwischen Stuttgart und Karlsruhe – das kenne ich gebracht, etwas zu tun. aus eigener Anschauung sehr gut. Deshalb bilden sich vor Pforzheim regelmäßig Staus. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Frau Staatssekretärin, Sie sind in Vertretung des verhinderten Verkehrsministers hier. Viele Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer ver- Können Sie die detaillierte Frage beantworten? lassen daher je nach Verkehrslage bei Wurmberg oder oft auch schon bei Heimsheim die Autobahn. Dadurch gibt es bei Staatssekretärin Dr. Gisela Splett: Ich versuche es. Soweit Heimsheim immer wieder Rückstaus auf die Autobahn, weil mir die Dinge bekannt sind, mache ich das gern. der Verkehr an der Ampel nicht schnell genug abfließen kann. Sie haben zunächst nach dem Planfeststellungsverfahren gefragt. Darauf will ich mich an dieser Stelle nicht festlegen. Ich Seit April ist deshalb wieder die Gefahrenbeschilderung auf habe gesagt, wir brauchen in jedem Fall ein Baurechtsverfah- der Autobahn aufgestellt, die wir dort schon früher hatten: ren. Wie das dann genau aussieht, ob das ein Planfeststellungs- zum einen das Verkehrszeichen „Stau“ mit Zusatzzeichen „auf verfahren wird, wird man sehen. 1 km“ und zum anderen das Verkehrszeichen „Stau“ mit Zu- satzzeichen „auf 500 m“. Das betrifft ebenso die Frage, wie das inhaltlich aussieht. Hierzu wurde von Ihnen das Stichwort „Kleeblatt“ angespro- Weitere verkehrsrechtliche Maßnahmen wurden von der zu- chen. Mir ist es wichtig, noch einmal zu betonen, dass da ja ständigen Verkehrsschaukommission – da sind das Regie- auch die Absprachen mit den Bürgermeistern laufen, dass – rungspräsidium Stuttgart, das Regierungspräsidium Karlsru- auch schon in den bisherigen Überlegungen – sehr wohl be- he, das Landratsamt Enzkreis, die Polizeipräsidien Ludwigs- rücksichtigt wird, welche weiteren Entwicklungen, auch der burg und Karlsruhe sowie die Landesstelle für Straßentech- Gewerbegebiete, dort im Raum stehen und vorgesehen sind. nik eingebunden – am 8. Mai 2019 gesucht und werden der- Insoweit denke ich, das wird alles genau in diesem Baurechts- zeit geprüft. Das heißt, dass auch von verkehrsrechtlicher Sei- verfahren bearbeitet werden. te notwendige Maßnahmen umgesetzt bzw. eingeleitet wurden. Zu der Frage, was man, insbesondere auf der A 8, schnell tun kann, möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Un- Zusammen mit den baulichen Änderungen am Diebkreisel fallkommission am 8. Mai dieses Jahres getagt hat und man und der Anschlussstelle wird die Verkehrssicherheit der A 8 dort noch einmal überlegt hat, was alles möglich ist. Auch die künftig deutlich verbessert. Die Planungen dazu laufen mit Verlängerung des Verzögerungsstreifens wurde dabei disku- Nachdruck. tiert. Man kam dann zu dem Beschluss, dass zunächst die Schaltzeiten der Lichtsignalanlagen im Umfeld noch einmal Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Abg. Dr. Schwei- geprüft und gegebenenfalls optimiert werden sollen – soweit ckert, Sie haben noch eine Nachfrage? – Bitte, gern. Optimierungspotenzial gefunden wird –, dass auch die ange- Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Ich würde gern die ordnete Gefahrenbeschilderung noch einmal verstärkt wird, Nachfragen zu den Buchstaben a und b stellen, Frau Präsiden- auch durch aufgesetztes Blinklicht, das je nach Bedarf einge- tin. schaltet wird, sodass es sichtbarer und auffälliger ist. Derzeit laufen auch noch Baumaßnahmen auf den Straßen im Zu a: Das waren jetzt wichtige Informationen. Das heißt, es Umfeld des Diebkreisels. Man hat deshalb vereinbart, dass wird ein Planfeststellungsverfahren geben. Bis wann rechnen nach Abschluss der Baumaßnahmen, u. a. in der Ortsdurch- Sie damit? Heißt das dann Kleeblattlösung, wenn Sie etwas fahrt Flacht, das Verkehrsgeschehen weiter beobachtet wird. Größeres vorhaben? Denn im Flächennutzungsplan gibt es hier ja auch Planungen von den umliegenden Gemeinden, die Die Problematik ist also sehr wohl bekannt. Ich habe ja auch rechtzeitig mit berücksichtigt werden können bzw. müssen. aufgezählt, wie viele Stellen und Organisationen da in die Be- sprechungen der letzten Monate eingebunden waren. Man Zum anderen stellt sich jetzt noch folgende Frage. Sie haben wird die Entwicklung weiterhin sehr intensiv beobachten und gesagt, das könne nicht schnell umgesetzt werden. Dafür ha- in jedem Fall die Möglichkeiten, die jeweils vorhanden sind be ich Verständnis. Aber wir haben jeden Abend die Situati- – zeitnah oder längerfristig – nutzen. on, dass die Pendler aus Stuttgart rechts auf dem Standstrei- fen stehen, auch über die Abfahrspur herunter, und es gibt sehr Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Frau Staats- gefährliche Situationen, weil man dann entweder bis nach sekretärin. – Herr Abg. Dr. Schweickert, Sie haben bereits vorn fahren muss, dann nicht mehr nach rechts kommt, und zwei Nachfragen gestellt. Damit ist die Mündliche Anfrage dann steht man einfach auf der A 8 – das ist mir selbst schon unter Ziffer 3 erledigt. 5608 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz)

Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 4 auf: se Region ist also bereits ein Weltzentrum der Medizintech- nikbranche. In Villingen-Schwenningen wird derzeit auch das Mündliche Anfrage des Abg. Lars RegioWIN-Projekt „MedAssembly“, ein Kompetenzzentrum Patrick Berg AfD – Erhalt der Wirt- für die Medizintechnik bei der Hahn-Schickard-Gesellschaft schaftskraft in der Region Schwarz- für angewandte Forschung, eingerichtet. Das Wirtschaftsmi- wald-Baar-Heuberg im Rahmen von nisterium fördert die Hahn-Schickard-Gesellschaft mit über zunehmender Digitalisierung und 7 Millionen € Grundförderung. Gerade letzte Woche konnten Elektromobilität wir einen Institutsneubau einweihen. Herr Abgeordneter, bitte. Auch beim Innovations- und Forschungs-Centrum Tuttlingen der Hochschule Furtwangen liegt ein besonderer Fokus auf Abg. Lars Patrick Berg AfD: Sehr geehrte Frau Präsidentin, der regionalen Medizinbranche. Das Innovations- und For- werte Kolleginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregie- schungs-Centrum bietet Raum für Akteure aus der Wissen- rung: schaft und aus der Wirtschaft zur Zusammenarbeit in For- schungs- und Entwicklungsprojekten, gerade für Start-up- und a) Was tut die Landesregierung, um die Automobilzulieferin- Gründeraktivitäten. Dieses Großprojekt wurde vom MLR aus dustrie, Drehteilehersteller und Medizintechnikunterneh- dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum gefördert. men in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg im Rah- men der zunehmenden Digitalisierung und Elektromobili- Digitalisierung und Industrie 4.0 bilden einen weiteren tät zu unterstützen? Schwerpunkt unserer Förderung. Um die Digitalisierung bei KMUs im Bereich 4.0 voranzubringen, ist die Allianz Indus- b) Welche konkreten Herausforderungen sieht sie auf die ge- trie 4.0 in der Region aktiv und wird dabei von den Netzwer- nannten Branchen in der Region zukommen? ken „bwcon“ und „microTEC Südwest“ unterstützt. Vielen Dank. Für eine zukunftsgerechte Ausbildung, die sehr wichtig ist, damit wir auch die Köpfe haben, um den entsprechenden An- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Herr Abge- forderungen von Industrie 4.0 gerecht zu werden, hat die Lan- ordneter. – Das Wort darf ich Frau Staatssekretärin Schütz ge- desregierung bisher drei Lernfabriken an Berufsschulen in der ben. Region mit insgesamt 1 Million € gefördert. Staatssekretärin Katrin Schütz: Danke schön, Frau Präsi- Branchenübergreifend profitieren die Unternehmen von un- dentin. – Die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg gehört zu seren Digital Hubs und der Digitalisierungsprämie. Der regi- den industriestärksten Regionen in Baden-Württemberg mit onale Digital Hub „Digital Mountains“ mit Sitz in St. Geor- einem hohen Exportanteil und innovativen, international agie- gen hat im Oktober 2018 offiziell die Arbeit aufgenommen. renden Unternehmen. Die wichtigsten Branchen in der Regi- Unternehmen können dort u. a. Unterstützung in den Hand- on sind der Maschinenanlagenbau, die Metallverarbeitung, lungsfeldern „Aus- und Weiterbildung“, „Forschung und Ent- die Medizintechnik und vor allem die Automobilzulieferin- wicklung“ sowie „Gründungen“ finden. dustrie – wobei man auch den Tourismus nicht unterschätzen sollte. Mit der Digitalisierungsprämie haben wir ein Förderpro- gramm geschaffen, das kleinere Unternehmen aller Branchen Mit den Transformationsprozessen, angetrieben durch die bei der Umsetzung konkreter Digitalisierungsprojekte unter- Trends der Elektrifizierung, der Digitalisierung und der Auto- stützt. Seit Juli 2018 gibt es speziell aus dieser Region bislang matisierung, ergeben sich nicht nur Risiken, sondern man soll- schon 111 bewilligte bzw. voraussichtlich bewilligungsfähi- te natürlich auch die Chancen sehen, die sich daraus ergeben. ge Anträge. Insgesamt im ganzen Land sind es 1 740 Anträ- ge. (Abg. Gabi Rolland SPD unterhält sich mit Mitarbei- tern hinter der Regierungsbank. – Unruhe – Glocke Schließlich wurden aus dem ELR im Förderschwerpunkt Ar- der Präsidentin) beiten seit 2014 133 Unternehmen mit insgesamt 13 Millio- nen € Fördermitteln und die Erschließung des interkommuna- Doch es braucht dafür eine konzentrierte Anstrengung aller len Gewerbegebiets in Sulz am Neckar mit 500 000 € geför- Branchenakteure und eine aktive wirtschaftspolitische Unter- dert. Mit dem Programm „Spitze auf dem Land!“ fördert das stützung, damit man diese Chancen auch ergreifen kann. Ge- MLR seit 2014 eine Vielzahl von Betriebserweiterungen und rade die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Un- Neubauten in der Region. ternehmen wollen wir fördern, um Wertschöpfung und Ar- beitsplätze auch dauerhaft zu sichern. Man sieht also, Baden-Württemberg ist für sein weltweit füh- rendes Know-how in ganz vielen Branchen bekannt, und die- Das Wirtschaftsministerium fördert die regionale Entwicklung se Systemkompetenz und das ganzheitliche Denken sind un- in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg mit ganz vielen sere Stärke, die wir nutzen, die wir aber natürlich auch erhal- unterschiedlichen Maßnahmen. Clusterinitiativen haben sich ten müssen und wollen. So kann Baden-Württemberg, so kann dabei als ein wesentliches Instrument der regionalen Innova- die Region Schwarzwald-Baar-Heuberg auch als Gewinner tionspolitik bewährt, und diese werden bereits seit 2006 im aus diesen Transformationsprozessen hervorgehen. Land unterstützt. Danke schön. In der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg wurde z. B. die regionale Clusterinitiative „MedicalMountains“ erschaffen. Die- (Beifall des Abg. Claus Paal CDU)

5609 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Frau Staats- Sie haben dort die IHK und die Arbeitsagentur; früher sagte sekretärin. – Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Abg. man Arbeitsamt. Wenn wir über Industrie 4.0, Weiterbildung Berg. – Bitte schön. und Transformation von Jobs reden, frage ich, ob Sie genau in diesem Bereich ganz besondere Maßnahmen haben, die Sie Abg. Lars Patrick Berg AfD: Vielen Dank, Frau Staatsse- mit diesen beiden Agenturen bzw. mit diesen beiden Institu- kretärin, für Ihre Ausführungen. Sie haben viele wichtige In- tionen initiiert haben. Wie sehen die aus? Wie sieht es aus, da- itiativen genannt. Diese sind sehr gut, sehr wichtig; herzlichen mit wir dort konkret etwas erreichen bzw. vermeiden, dass aus Dank. diesen Transformationen Arbeitslosigkeit resultiert? Ich hätte eine Nachfrage zum Bereich Automobilzulieferin- Danke schön. dustrie. Vor dem Hintergrund der Dieseldiskussion und des internationalen Handelsstreits verlegt offenbar die Firma Mah- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Herr Abg. le einige Dutzend Jobs von Rottweil nach Leibertingen. In Dürr. – Dann darf ich das Wort noch einmal Frau Staatssekre- Stuttgart sollen Jobs gestrichen werden. Es gibt angeblich tärin Schütz erteilen. noch andere Unternehmer in der Region, die darüber nachdenken, ebenfalls Jobs abzubauen. Staatssekretärin Katrin Schütz: Wenn man das jetzt rein auf die Region bezieht und alle Fördermittel zusammennimmt, Was kann man speziell für diese Branche, die Automobilzu- dann liegen wir bei über 10 Millionen €, die wir an Förder- liefererbranche, tun, um sie vor Ort zu halten, um sie zu un- mitteln in diese Region geben. Das ist schon eine sehr große terstützen? Denn die Automobil- und Zulieferindustrie ist ja Summe. Um ganz genau zu sein: Es sind 10 285 000 €. wirklich ein Motor für Baden-Württemberg. Was kann man Von der Bundesagentur – sie ist für das ganze Land zu sehen da als Landesregierung tun? Welche Initiativen gäbe es da? – werden viele Maßnahmen durchgeführt. Da weiß ich, dass Danke. man sich z. B. darauf einstellt, das Thema Wegebau in Rich- tung Digitalisierung zu öffnen. Das ist eine Maßnahme. Da Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Frau Staatssekretärin. arbeiten aber alle Akteure zusammen. Staatssekretärin Katrin Schütz: Sie sehen an dem, was ich Wir haben auch die Fachkräfteallianz. Im Moment gibt es das schon aufgezählt habe, dass es eine Vielzahl von Maßnahmen, Problem, geeignete Fachkräfte zu finden bzw. die Fachkräfte von Förderungen gibt, die wir durchführen. Gerade diese entsprechend weiterzubilden. Da ist z. B. das Programm We- Clusterschwerpunkte, die wir im Land gebildet haben, sind gebau, mit dem man modular weiterbilden kann. Das soll auch ein Effekt, mit dem wir, das Land, dazu beitragen, die Betrie- in Richtung Digitalisierung geöffnet werden. be auch miteinander zu vernetzen. So können wir sie stärken, sodass sie dann entsprechend aufgestellt sind, dass sie die (Abg. Klaus Dürr AfD: Das Ministerium?) Stärke haben, um den Herausforderungen auch morgen und – Das ist die Bundesagentur. übermorgen die Stirn bieten zu können. (Zuruf: Die sind auch regionalisiert!) Natürlich sind das Unternehmensentscheidungen, die vor Ort getroffen werden; darauf haben wir keinen Einfluss. Aber es Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Entschuldigen Sie bitte: gibt eine Vielzahl von Förderprogrammen. Ich hätte wirklich Das Wort hat Frau Staatssekretärin Schütz. noch einiges aufzählen können. Ich hätte die Stunde sprengen und Ihnen noch mehr von dem aufzählen können, was wir – Staatssekretärin Katrin Schütz: Das ist die Bundesagentur. das Land, die Landesregierung, das Wirtschaftsministerium – Das sind Programme, die natürlich für das ganze Land gelten. da leisten. Da passiert wirklich sehr viel; denn es ist eine sehr Aber gerade dieser Wegebau ist etwas, was bei uns damals in starke Region. der Konjunkturkrise 2008 sehr, sehr gut gezogen hat. Ich gehe jetzt einmal von den Automobilzulieferern – das ist (Abg. Klaus Dürr AfD: Genau!) dort tatsächlich eine starke Region – zu den Medizinproduk- Denn damals wurden Menschen, die geringer qualifiziert wa- ten, z. B. zu der Landesgesellschaft BIOPRO BW, die in Ab- ren, qualifiziert, bis die Konjunkturkrise vorbei war. Sie wa- stimmung mit den regionalen Akteuren, mit „Digital Moun- ren z. B. durch Kurzarbeitergeld freigestellt, wurden dann qua- tains“ Praxisworkshops anbieten wird, um die Anforderungen lifiziert und konnten im Anschluss wieder ihrem Betrieb zur der EU-Verordnung hinterher umzusetzen. Das ist ein Bereich, Seite stehen, als es mit der Wirtschaft wieder weiterging. und dann eben diese Hubs im Automobilbereich. Heute ist es eher so, dass wir schauen müssen, wie die Kom- Da passiert also sehr viel, aber da muss auch viel passieren. petenzen – Thema Digitalisierung – erlangt werden. Aber da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Damit werden wir uns Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Frau Staats- alle beschäftigen müssen. Das tun wir auch. Da gibt es Ange- sekretärin. – Gibt es eine weitere Nachfrage des Herrn Abg. bote. Lars Patrick Berg, der die Anfrage gestellt hatte? – Das ist nicht der Fall. (Abg. Klaus Dürr AfD: Okay!) Dann darf ich Sie, Herr Abg. Dürr, aufrufen. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Frau Staats- sekretärin. – Kann ich damit die Mündliche Anfrage abschlie- Abg. Klaus Dürr AfD: Frau Staatssekretärin, das war eine ßen? – Nein. Fülle von Maßnahmen, die Sie aufgeführt haben. Was mich in diesem Bereich speziell interessiert, ist Folgendes: Herr Abg. Baron von der AfD, bitte schön. 5610 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Abg. Anton Baron AfD: Frau Schütz, vielen Dank für Ihre Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank. – Ich darf Ausführungen. – Ich wollte noch einmal auf den Strategiedi- Herrn Minister Thomas Strobl zur Beantwortung ans Rede- alog Automobilwirtschaft eingehen. Das haben Sie meiner pult bitten. Meinung nach nicht erwähnt. Vielleicht gehen Sie noch einmal darauf ein, was inzwischen – ich glaube, das läuft schon Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Tho- ca. ein Jahr – herausgekommen ist. Das würde mich sehr in- mas Strobl: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Abg. Berg, teressieren. die AfD hat das Thema „Illegale Einreise über die Schweizer Grenze“ bereits zum Gegenstand des Antrags Drucksache Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Frau Staatssekretärin, bit- 16/5905 gemacht. Anlass der damaligen Initiative war, dass te. die Eidgenossenschaft in Kreuzlingen, wenige Hundert Me- ter von der schweizerisch-deutschen Grenze entfernt, ein so- Staatssekretärin Katrin Schütz: Wie lange haben wir noch genanntes Bundesasylzentrum eingerichtet hat, in dem abge- Zeit? lehnte Asylbewerber untergebracht werden. Die Erfahrungen aus ähnlichen Einrichtungen haben uns gezeigt, dass eine ho- (Abg. Klaus Dürr AfD: Genügend! – Heiterkeit) he Zahl der untergebrachten Personen untertauchen. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Wir haben für eine Stun- Der Tenor unserer damaligen Stellungnahme gilt nach wie de insgesamt zehn Anfragen vorliegen. vor: Wir nehmen illegale Grenzübertritte grundsätzlich sehr ernst und haben insbesondere auf Grenzübertritte von der Staatssekretärin Katrin Schütz: Das kann man vielleicht im Schweiz in die Bundesrepublik Deutschland ein sehr waches Wirtschaftsausschuss als Thema in Angriff nehmen. Auge; dies gilt also in ganz besonderem Maß für die Grenz- abschnitte zur Schweiz. Der Strategiedialog Automobil ist ein Dialog, den das Land Baden-Württemberg als Erstes angestoßen hat. Da, wo ande- Es besteht freilich, Herr Abgeordneter, keinerlei Grund zu re erst anschließend kamen, haben wir die Partner rechtzeitig Alarmismus. Denn die Migrationslage in Baden-Württemberg an den Tisch geholt und gesagt, dass wir das miteinander be- hat sich insgesamt und insbesondere – insbesondere! – in Be- wältigen. Daraus haben sich einzelne Gruppen ergeben. Ich zug auf die deutsch-schweizerische Grenze weiterhin rück- denke, die Ausführungen dazu würden dem, was schon um- läufig entwickelt. So ging die Zahl illegaler Grenzübertritte gesetzt wurde oder auf dem Weg ist, nicht gerecht, wenn man dort von 5 500 im Jahr 2017 auf rund 4 000 im Jahr 2018 zu- da nur einen Teil herausnähme. rück. Das ist schon ein signifikanter Rückgang – noch einmal erneut. Aber Sie sehen, wie schnell wir dran waren und den Dialog mit den Akteuren gesucht haben. Denn wir werden auch hier Das heißt im Übrigen überhaupt nicht, dass wir uns zurück- die Maßnahmen nur dann umsetzen können, wenn wir alle mit lehnen oder das Problem nicht mehr fokussieren würden. Un- im Boot haben. ser Blick ist nach wie vor ein sehr intensiver. Wir werden weitere Entwicklungen außerordentlich aufmerksam verfolgen. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Frau Staats- Dazu stehen uns Instrumente zur Verfügung, die etwa unsere sekretärin. – Ich darf die Mündliche Anfrage unter Ziffer 4 be- Landespolizei in eigener Zuständigkeit anwenden kann. Das enden. wird selbstverständlich auch umgesetzt; ich nenne etwa ver- Ich weise darauf hin, dass die Fragestunde speziell für spezi- stärkte Fahndungsmaßnahmen, Fernbuskontrollen – Stichwort fische Fragen aus den Wahlkreisen vorgesehen ist. So war die Flixbus – und anderes mehr; das findet statt. Selbstverständ- Frage unter Ziffer 4 auch angelegt. Es ging um die Region lich müssen wir auch sehr, sehr eng mit den Kolleginnen und Schwarzwald-Baar-Heuberg. Kollegen der Bundespolizei zusammenarbeiten. Wir stimmen uns hier bestens ab. Denn wie Sie wissen, ist der grenzpoli- Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 5 auf: zeiliche Schutz des Bundesgebiets natürlich eine originäre Aufgabe der Bundespolizei und liegt auch in deren Verant- Mündliche Anfrage des Abg. Lars wortungsbereich. Patrick Berg AfD – Sekundärmigra- Das war im Übrigen auch der Grund, weshalb ich den Bun- tion aus der Schweiz nach Baden- desinnenminister gebeten habe, dafür Sorge zu tragen, dass Württemberg die Bundespolizei auf einen sich gegebenenfalls verstärken- Herr Abg. Berg, ich darf Sie ans Redepult bitten. den Migrationsdruck reagieren kann. Sie liegen mit der Nase sozusagen hart an der Aktualität, weil ich vor wenigen Tagen Abg. Lars Patrick Berg AfD: Frau Präsidentin, werte Kol- auf mein Anschreiben hin eine Antwort von Bundesinnenmi- leginnen und Kollegen! Ich frage die Landesregierung: nister Seehofer bekommen habe. Kollege Seehofer hat in seiner Antwort noch einmal unterstrichen, dass die Bundespoli- a) Wie beurteilt die Landesregierung die aktuelle Lage in Be- zei in guter und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit unse- zug auf die anhaltende Sekundärmigration aus der Schweiz ren Schweizer Nachbarn das Migrationsgeschehen fest im nach Baden-Württemberg? Blick hat und bereits in der Vergangenheit mehrere Maßnah- men umgesetzt worden sind, um illegale Grenzübertritte ein- b) Hat der Bundesinnenminister inzwischen auf die Bitte der zudämmen, sei es durch gemeinsame Bestreifungen oder Landesregierung reagiert, mehr Bundespolizisten an die durch grenzpolizeiliche Schwerpunktaktionen. Grenze zur Schweiz abzustellen? Der Kollege Seehofer bestätigt in seinem Antwortschreiben Vielen Dank. noch einmal den Rückgang der Zahlen für die Schweizer

5611 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Minister Thomas Strobl)

Grenze. Es ist ganz interessant – wenn Sie das auch in der Re- Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Tho- lation zum Rückgang bundesweit sehen –, dass der Rückgang mas Strobl: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Abg. Berg, dort stärker ist als bundesweit. zunächst darf ich Ihnen mitteilen, dass der Landrat Hämmer- le nach über 40-jähriger Dienstzeit für das Land Baden-Würt- Das zeigt, dass an der schweizerisch-deutschen Grenze offen- temberg, viele Jahrzehnte davon im Landratsamt Konstanz sichtlich kein besonderes, schon gar kein überproportionales und als Landrat, in seinen verdienten Ruhestand verabschie- Migrationsgeschehen stattfindet. Es bestätigt damit das, was det worden ist. Ich war persönlich zugegen. auch unsere Erfahrungen sind und was den Berichten der Bun- despolizei, die ich sozusagen in Echtzeit persönlich zur Kennt- Zum Zweiten: Der Landrat Hämmerle hat mich in der Vergan- nis nehme, absolut entspricht. genheit in der ihm eigenen liebevollen Art immer wieder per- sönlich, aber auch durch öffentliche Erklärungen auf Migra- Wir sind selbstverständlich weiterhin gemeinsam mit Schlei- tionsthemen hingewiesen. Ich bin im Grunde genommen auch erfahndungsmaßnahmen in einem Bereich von 30 km unter- ständig mit ihm in Kontakt gewesen. Ich darf Ihnen allerdings wegs. Kollege Seehofer schreibt – das habe ich Ihnen persön- mitteilen, dass das, was ich in der jüngsten Vergangenheit von lich auch immer wieder mitgeteilt –, dass die Zusammenar- ihm gehört habe, außerordentlich positiv gewesen ist. beit der Bundespolizei mit der Schweizer Grenzwacht nach wie vor eine exzellente ist. Dafür, dass es so gut funktioniert, Insbesondere hat er sich mehrfach öffentlich positiv darüber gibt es zwei Punkte, die entscheidend sind: geäußert, dass er den Eindruck habe – und darüber sehr glück- lich sei –, dass sich insbesondere das Innenministerium in Ba- Erstens: Wir haben eine gute Zusammenarbeit der deutschen den-Württemberg sehr um die Probleme an der Landesgren- Polizeibehörden – Landespolizei und Bundespolizei – und ze zur Schweiz kümmere, dass jetzt endlich das Schattenda- auch eine gute Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kol- sein bzw. Randdasein der Stadt Konstanz – da weiß ich den legen der Schweizer Grenzwacht. Das funktioniert einfach genauen Wortlaut nicht mehr – durch diesen Innenminister bestens. beendet worden sei. Vielleicht ist das eine eintretende Alters- milde; ich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass das ein Das Zweite ist, dass wir traditionell intelligente Fahndungs- faktenbasierter und ehrlich gemeinter Meinungsumschwung maßnahmen, intelligente Grenzkontrollen – Stichwort Schlei- beim Landrat a. D. Frank Hämmerle ist. erfahndung – machen. Das heißt, die Polizei führt entsprechende verdachtsunabhängige Kontrollen dort durch, wo sie Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Herr Minis- es für richtig hält. Ich habe Vertrauen in die Beamtinnen und ter. – Gibt es weitere Fragen zu Ziffer 5 der Mündlichen An- Beamten sowohl der Bundespolizei als auch unserer Landes- fragen? – Das ist nicht der Fall. Dann schließen wir diesen polizei, dass sie wissen, wo sie entsprechende Kontrollpunk- Punkt ab. – Vielen Dank, Herr Minister. Sie sind aber gleich te aufbauen müssen. wieder gefragt. Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Tho- Herr Kollege Seehofer hat mich, noch bevor er mir ein Ant- mas Strobl: Dann würde ich am Redepult stehen bleiben. wortschreiben gesandt hat, angerufen. Ich habe mit ihm besprochen, dass wir, wie man auf Neudeutsch sagt, „Flexible Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Zuerst muss der Abgeord- Response“ machen. Das heißt, wir behalten nach wie vor ge- nete hierher, um eine Frage zu stellen. meinsam – die Bundessicherheitsbehörden und die Behörden Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Tho- im Land – die Schweizer Grenze sehr fokussiert und sehr ak- mas Strobl: Dann machen wir eine sportliche Übung, Frau tuell im Blick. In dem Moment, in dem es entsprechende Mi- Präsidentin. grationsbewegungen gibt, werden wir lage- und situationsab- hängig die Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen hochfahren (Vereinzelt Heiterkeit) und auf intelligente Art und Weise verstärken. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Danke schön. – Ich rufe Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Herr Minis- die Mündliche Anfrage unter Ziffer 6 auf: ter. – Gibt es noch eine Nachfrage? – Bitte schön, Herr Abg. Mündliche Anfrage des Abg. Dr. Berg. Heiner Merz AfD – Investitionen in Abg. Lars Patrick Berg AfD: Herr Minister, vielen Dank für das Feuerwehrwesen Ihre Ausführungen. – Ich habe noch eine kurze Nachfrage. Herr Abg. Dr. Merz, die Frage können Sie bitte von hier vorn Zunächst bestätige ich aber Ihre Sicht, dass die Zahlen wohl stellen. rückläufig sind. Das deckt sich auch mit Aussagen des Schwei- zer Grenzwachtkorps. Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Danke schön. – Investitionen in das Feuerwehrwesen. Ich frage die Landesregierung: Meine Frage bezieht sich auf die Aussagen des ehemaligen Landrats des Landkreises Konstanz, Frank Hämmerle, der be- a) In welchem Umfang hat die Landesregierung inzwischen reits vor einigen Jahren sowie auch vor einigen Wochen erst welche Maßnahmen ergriffen, um den im Dezember 2017 wieder sagte, dass wir Armutsimmigration nach Baden-Würt- vom Innenminister eingeräumten Investitionsstau bei den temberg hätten, die langfristig zu Schwierigkeiten führe. Ist Feuerwehren zu beseitigen? das auch Alarmismus, was Herr Hämmerle da gesagt hat, oder b) In welchem Umfang gedenkt sie im Rahmen der Haushalts- ist das ein verwirrter Spruch gewesen? Wie würden Sie das planungen welche Mehrausgaben für Investitionen im Feu- beurteilen? erwehrbereich einzuplanen? Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Minister, bitte. Danke schön. 5612 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Danke schön, Herr Abge- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Noch eine Nachfrage. – ordneter. – Jetzt kann Herr Innenminister Strobl wieder an das Bitte, Herr Abg. Dr. Merz. Redepult. Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Herzlichen Dank für Ihre Ant- Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Tho- wort. – Ich erlaube mir noch die Zusatzfrage: Wie beurteilen mas Strobl: Dafür bedanke ich mich sehr, Frau Präsidentin. Sie vor dem Hintergrund, dass vor allem die Beschaffung von – Herr Abg. Dr. Merz, das Antragsvolumen der Gemeinden Fahrzeugen eine hohe finanzielle Belastung für die Gemein- war in den Jahren 2015 bis 2017 auf annähernd 70 Millionen € den darstellt, die Forderung, die vorgesehenen Förderbeträge jährlich stark angestiegen. Zum Vergleich: Das Antragsvolu- für Neufahrzeuge im Rahmen der VwV Zuwendungen Feu- men in den Jahren 2012 bis 2014 betrug im Durchschnitt jähr- erwehrwesen nach oben anzupassen, also zu erhöhen? Sind lich 48 Millionen €. Das ist einfach mehr als ein Viertel mehr, derzeit sonstige Veränderungen im Rahmen der VwV Zuwen- 25 % mehr. Das halte ich in diesen doch relativ kurzen Zeit- dungen Feuerwehrwesen vorgesehen? räumen für eine außerordentliche Steigerung der Mittel. Da- rüber freut sich niemand mehr als der für die Feuerwehr zu- Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration Tho- ständige Innenminister. mas Strobl: Es ist mir nicht bekannt, dass in diesem Bereich Änderungen vorgesehen sind. Vielmehr beabsichtigen wir, ge- (Abg. Anton Baron AfD: 70 Millionen € oder 17 Mil- rade was die Instandhaltung und Neubeschaffung von Fahr- lionen €?) zeugen angeht, das hohe Niveau des vergangenen Jahres auch im nächsten Jahr fortzusetzen. Das ist unsere Planung. – Nicht 17 Millionen €, Herr Abg. Baron, um Gottes willen. 70 Millionen €. Es ist sehr schön, dass wir aufgrund der guten Steuereinnah- men und aufgrund der Tatsache, dass die Feuerschutzsteuer (Abg. Anton Baron AfD: Das habe ich so verstan- zu 100 % den Wehren zugutekommt, unsere Kommunen und den!) Landkreise bei den Fahrzeugen auch weiter gemeinsam auf diesem hohen Niveau unterstützen können. Im Vorjahreszeitraum waren es 48 Millionen €. Wenn wir gemeinsam mit den Fingerchen rechnen, dann sind das – von 48 Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank. – Kann ich auf 70 – immerhin 22 Millionen € mehr. Das ist eine sehr be- damit die Mündliche Anfrage unter Ziffer 6 als erledigt beachtliche Steigerung. trachten? – Das ist der Fall. – Vielen Dank, Herr Minister.

Der Schwerpunkt der notwendigen Förderung liegt bei der Er- Ich rufe die Mündliche Anfrage unter Ziffer 7 auf: satzbeschaffung von Fahrzeugen und deren Ausstattung. Dies wurde auch in Gesprächen, insbesondere mit dem Gemeinde- Mündliche Anfrage der Abg. Gabi tag, so festgestellt. Rolland SPD – Bauvorhaben für Kin- derbetreuungseinrichtungen an Uni- Im Bereich der Fahrzeug- und Ausrüstungsförderung wurden versitäten deshalb verstärkte Anstrengungen durch Priorisierungen und Erhöhungen der Verpflichtungsermächtigung unternommen, Frau Abgeordnete, Sie haben das Pult für sich. um die Zahl der Bewilligungsbescheide für die Gemeinden zu steigern. Abg. Gabi Rolland SPD: Herzlichen Dank, Frau Präsiden- tin. – Ich frage die Landesregierung: So konnte die Förderung der Kommunen bereits im Jahr 2017 signifikant auf insgesamt über 53,2 Millionen € erhöht wer- a) Welche Finanzierungsmodelle zum Bau von Kinderbetreu- den. Im Jahr 2018 wurden die Förderungen dann noch einmal ungseinrichtungen für Kinder von Studierenden an den auf über 58,1 Millionen € erhöht. Die Planungen der Förde- Universitäten in Baden-Württemberg unter Beteiligung rungen des Jahres 2019 gehen von einem ähnlich hohen Ni- welcher Akteure sind der Landesregierung aus dieser Le- veau wie im Jahr 2018 aus. gislatur bekannt?

Im Rahmen der Haushaltsplanberatungen 2020/2021 werden b) Welche derartigen Bauvorhaben sind derzeit in Planung? wir uns dafür einsetzen, dass weiterhin das gesamte Aufkom- men der Feuerschutzsteuer der Feuerwehr, den Feuerwehren Vielen Dank. in Baden-Württemberg zugutekommen wird. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun darf ich Frau Minis- Selbstverständlich werden wir mit den kommunalen Landes- terin Bauer bitten, die Fragen zu beantworten. verbänden und dem Landesfeuerwehrverband über Förde- rungsschwerpunkte bzw. Priorisierungen diskutieren. Derzeit Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst The- steht beispielsweise die Finanzierung der Erweiterung der resia Bauer: Werte Frau Präsidentin! Ich beantworte die An- Landesfeuerwehrschule an. Sie können versichert sein, dass frage wie folgt: wir uns im ständigen Dialog mit den Verantwortungsträgern und Interessenvertretern befinden. Dabei haben wir insbeson- Das Studierendenwerk Bodensee hat eine bestehende Kinder- dere zukunftsfähige Projekte im Blick, die auf den Erhalt des tagesstätte saniert und gleichzeitig auf nunmehr insgesamt 60 ehrenamtlichen Feuerwehrdienstes abzielen und Erleichterun- Plätze erweitert. Die Sanierung bzw. Erweiterung erfolgte bei gen für die Aufgabenerledigungen versprechen. laufendem Betrieb. Diese Kita wurde im Sommer 2017 eröff- net. Diesem Vorhaben lag folgendes Finanzierungsmodell zu- (Beifall bei Abgeordneten der CDU) grunde: Eigenmittel des Studierendenwerks 46 %, Investiti-

5613 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Ministerin Theresia Bauer) onszuschuss der Stadt Konstanz 51 %, Mittel aus dem dritten Gut. Dann gibt es zu diesem Punkt keine weiteren Nachfra- Investitionsprogramm des Bundes Kinderbetreuungsfinanzie- gen. Wir können damit die Mündliche Anfrage unter Ziffer 7 rung, Laufzeit 2015 bis 2018, 3 %. als erledigt betrachten.

Das zweite Projekt ist das des Studierendenwerks Ulm. Es Ich rufe noch die Mündliche Anfrage unter Ziffer 8 auf: baute eine Kindertagesstätte, deren Fertigstellung im April 2017 erfolgte. Die Finanzierung dieses Projekts erfolgte aus- Mündliche Anfrage des Abg. Ulli schließlich mit Eigenmitteln des Studierendenwerks. Hockenberger CDU – Sonderpro- gramm zur Stärkung der biologi- Zur zweiten Frage, die Sie gestellt haben, zu den Bauvorha- schen Vielfalt ben, die derzeit in Planung sind, ist festzustellen: Es sind vier Bauvorhaben in Planung, die derzeit vom Wissenschaftsmi- Abg. Ulli Hockenberger CDU: Frau Präsidentin! Ich frage nisterium auf ihre Realisierbarkeit hin geprüft werden. Das die Landesregierung: Studierendenwerk in Freiburg hat derzeit den Bau eines a) Welche der vom Ministerium für Ländlichen Raum und Wohnheims mit integrierter Kindertagesstätte in der Buggin- Verbraucherschutz ergriffenen Maßnahmen – im Hinblick ger Straße bei der Evangelischen Hochschule in Planung. Die auf das von der Landesregierung im November 2017 be- Kindertagesstätte soll 30 Plätze umfassen. schlossene Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Zum Zweiten: Das Studierendenwerk in Heidelberg hat be- Vielfalt – sind nach den vorliegenden Kenntnissen beson- reits eine Bauanfrage bei der Stadt Heidelberg für den Neu- ders geeignet, die Situation der biologischen Vielfalt kurz- bau einer Kindertagesstätte an der Uniklinik Heidelberg mit fristig wirksam zu verbessern? ca. 120 Plätzen eingereicht. Dieser soll die derzeitige Kita in b) Welche Hinweise gibt es auf Erfolgsfaktoren, die für eine Containerbauweise mit ca. 80 Plätzen ersetzen. mittel- und langfristige Stärkung der biologischen Vielfalt, insbesondere auch durch das Schließen von Handlungslü- Das dritte Vorhaben ist das des Studierendenwerks Stuttgart. cken, in der vom Menschen genutzten Kulturlandschaft be- Es plant derzeit den Bau eines Wohnheims mit integrierter sonders relevant sind? Kindertagesstätte auf dem MINT-Campus. Geplant ist die Ki- ta mit 60 Plätzen. Die Kindertagesstätte soll nicht durch das Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Herr Abge- Studierendenwerk selbst, sondern durch einen Dritten betrie- ordneter. – Nun hat Frau Staatssekretärin Gurr-Hirsch das ben werden. Wort für eine kurze, präzise Antwort auf diese Frage. Das vierte Projekt ist das des Studierendenwerks Tübingen- Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch: Sehr geehrte Frau Hohenheim. Dieses Studierendenwerk plant derzeit den Bau Präsidentin, lieber Kollege Hockenberger, meine Damen und einer Kindertagesstätte mit drei Gruppen in Hohenheim. Herren! Ich darf die Frage wie folgt beantworten: (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Das ist doch viel! Sie wissen, wir haben am 21. November 2017 dieses Sonder- Das lässt sich doch sehen, Frau Rolland!) programm aufgelegt. Drei Häuser sind beteiligt: das Ministe- rium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, in glei- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Danke schön, Frau Minis- chem Umfang das Umweltministerium und – mit 5 Millio- terin. – Eine Nachfrage von Frau Abg. Rolland. nen € – das Verkehrsministerium, das vor allem auch das Be- gleitgrün im Auge behalten soll. Es handelt sich um ein Ge- Abg. Gabi Rolland SPD: Vielen Dank, Frau Ministerin. – samtvolumen von 36 Millionen €. Welche Kriterien liegen dem zugrunde, wenn z. B. das Stu- dierendenwerk mit einem dritten Partner ein Bauvorhaben Für uns im Ministerium für Ländlichen Raum – Landwirt- plant? schaft – geht es darum, die Lebensgrundlagen für die heimi- schen Arten zu verbessern. Beispielsweise haben wir das be- Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst The- rühmte Programm FAKT, das erfolgreich mit Brachebegrü- resia Bauer: Frau Abgeordnete, ich glaube, ich kann das in nungen und Blühmischungen arbeitet. Diese Blühflächen wer- dieser allgemeinen Form nicht zufriedenstellend für Sie be- den von vielen Arten besucht – das können Sie nachvollzie- antworten. Zunächst einmal ist jeder Fall ein Einzelfall. Die hen – und sind eine wertvolle Nahrungsgrundlage, vor allem Studierendenwerke prüfen in eigener Zuständigkeit, ob das in der trachtenarmen Zeit von Oktober bis Juni. Ich denke, wir für sie infrage kommt, ob es gesetzeskonform ist und ob es müssen uns auch darüber hinaus Gedanken machen. sich rechnet. Ich habe mich vorhin gefreut, dass auf der Besuchertribüne Ich glaube, dass es Sinn ergeben würde, eventuelle weiter ge- Anwälte der Natur sitzen, nämlich Mitglieder des Schwarz- hende Fragen möglichst präzise an uns zu richten. Dann kön- waldvereins. – Ich darf Ihnen für die Arbeit, die Sie in diesem nen wir Ihnen auch präzise Antworten geben. Zusammenhang erbringen, danken. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Danke, Frau Ministerin. (Vereinzelt Beifall bei der CDU und der AfD) – Möchten Sie noch einmal präzise nachfragen, Frau Kolle- gin? – Im Rahmen dieses Sonderprogramms wurde die Förderung von Blühmischungen von 5 ha auf 7 ha erweitert. Wenn dies (Abg. Gabi Rolland SPD: Ich denke, das war gerade nun landesweit geschieht, erreichen wir damit eine große Flä- eine präzise Nachfrage!) che. Wir haben immerhin 6 124 Landwirte, die auf 16 500 ha 5614 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch) einjährige Blühmischungen, aber auch Blühmischungen, die ner Würdigung hat dieser Fachbeirat jetzt die bisherige Um- über mehrere Jahre gehen, angelegt und hierfür eine Förde- setzung bewertet und hat bestätigt, dass trotz der kurzen Vor- rung beantragt haben. laufzeit die meisten Vorhaben im Laufe des Jahres 2018 gestartet werden konnten. Allein diese Tatsache hat dieser Bei- Zudem startet in diesem Jahr, angeschoben durch Mittel aus rat schon als anerkennenswert gelobt. diesem Sonderprogramm, die neue FAKT-Maßnahme „Blüh-, Brut- und Rückzugsflächen“. Da geht es darum, wertvolle Le- In allen Handlungsfeldern erkennt das Fachgremium gute bis bensräume vor allem für das Niederwild, für Feldvögel und sehr gute, ja teilweise absolut notwendige Ansätze, die biolo- Insekten zu schaffen. Gestern haben wir das ja beim Landes- gische Vielfalt zu erhalten und zu fördern. jagdverband vorgestellt bekommen. Mehr als die Hälfte der vom MLR begonnenen Vorhaben wur- (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jawohl! Schutz- den mit Mitteln aus dem Sonderprogramm angeschoben. Der schneisen!) langfristige Erfolg hängt natürlich auch davon ab, wie dieses Programm finanziell und personell weitergeführt wird. Darü- Das Vorhaben „Lücken für Auerhuhnküken“ im Privat- und ber werden wir uns sicherlich im Zuge der Haushaltsberatun- Kommunalwald ist ebenfalls eine Maßnahme; diese fördert gen Gedanken machen. Aufwendungen für Pflegeeingriffe in die Wälder, durch die sich die Qualität von Brut- und Aufzuchthabitaten im Verbrei- Zum anderen ist nachvollziehbar, dass sich nach der noch kur- tungsgebiet des Auerhuhns sofort verbessern ließe. zen Laufzeit des Sonderprogramms natürlich keine absolut messbaren Erfolge darstellen lassen. Aber das Programm hat In diesem Sinn handelt es sich gewissermaßen um Feuerwehr- große Potenziale, die biologische Vielfalt auf allen Ebenen zu maßnahmen – das war ja auch Ihre Frage, Kollege Hocken- stützen. Es geht immer auch darum, Trittsteine für die Arten berger. Um dauerhaft und flächendeckend Effekte zu erzielen, zu haben, damit diese sich vernetzen können. müssen diese Maßnahmen natürlich fortgesetzt werden, und sie müssen zum Teil auch noch besser an die Arten und deren Um diese Potenziale auszuschöpfen, liegen diesem wissen- Lebensräume angepasst werden. Vor allem sollten wir uns schaftlichen Fachgremium eine Reihe von Empfehlungen vor, auch damit beschäftigen, auf welche Weise Bodenbrüter wie die dieses dann prüft und eine mögliche Fortführung des Pro- der Kiebitz in Zukunft ein besseres Habitat haben können. gramms zusammen mit den Akteuren anstößt – ob das Kom- munen sind oder auch Privatleute. Die Kommunen müssen Um diesem Anspruch nachzukommen, wurde von unserem wir noch viel mehr sensibilisieren; Landwirte, Imker oder Ministerium das Vorhaben „Allianz für Niederwild“ aufge- auch Streuobstwiesenbesitzer und Jäger sollten auch mit ins legt; es gibt hier natürlich auch Schnittmengen zu dem beste- Boot. henden FAKT-Programm. Ich darf Sie jetzt noch auffordern, auf unsere Homepage zu Bei diesen Vorhaben liegt der Schwerpunkt auf der inhaltli- gehen. Mein Minister hat heute ein Programm „Baden-Würt- chen, aber auch auf der organisatorischen Vernetzung der Ak- temberg blüht auf“ ins Leben gerufen, und er wünscht sich, teure. Da geht es darum, dass die Land- und die Forstwirt- dass alle Akteure mitmachen, auch Privatleute. Ich glaube, schaft zusammenarbeiten, aber auch die Jagd. Das wurde ges- wenn jeder ein paar Quadratmeter in seinem Garten zum Blü- tern Abend deutlich. hen bringt, mit Biodiversität versieht, ist schon viel erreicht. Ausgehend von den Sonderprogrammen gibt es auch Modell- Herzlichen Dank. regionen. Es sollen weitere Allianzen entstehen, die in Zu- kunft für ihre Regionen gemeinsam planen und Vorschläge (Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und machen. Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes, welche auch der SPD) die Wandervereine umsetzen, sollen das sinnvoll ergänzen, um für Niederwild, Feldvögel und Insekten einen funktiona- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Vielen Dank, Frau Staats- len Verbund von Blüh-, Brut- und Rückzugsflächen zu schaf- sekretärin. – Die Antwort war umfassend. Gibt es trotzdem fen. noch Nachfragen? Herr Abg. Hockenberger, ist die Anfrage beantwortet? – Dann dürfen wir die Anfrage unter Ziffer 8 als Die zweite, ergänzende Frage war, welche Hinweise auf Er- erledigt betrachten. – Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Gurr- folgsfaktoren es gibt. – Ich lese die Frage natürlich nicht noch Hirsch. einmal ganz vor. – Mit diesen Mitteln des Sonderprogramms ist es möglich geworden, in den Handlungsfeldern „Redukti- Wir können jetzt die Anfragen unter den Ziffern 9 und 10 der on des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln“, aber auch „Si- Drucksache 16/6055 hier nicht mehr mündlich beantworten cherung genetischer Ressourcen vor dem Hintergrund des Kli- lassen, weil unsere Zeit für die Fragestunde abgelaufen ist. mawandels“ oder auch „Umsetzung von Natura 2000 im Aber die Fragen können dann, wie Sie wissen, schriftlich be- Wald“ Entwicklungen anzustoßen, zu beginnen oder wieder antwortet werden. aufzugreifen. Auf deren Grundlage wird es dann möglich sein, dringend benötigte Empfehlungen für die land- und forstwirt- * schaftliche Praxis auszusprechen. Mündliche Anfrage des Abg. Daniel Ihnen ist vielleicht auch geläufig, dass die Umsetzung des Karrais FDP/DVP – Einsatz ehren Sonderprogramms von einem Fachgremium begleitet wird. amtlicher Rettungshundestaffeln bei Es soll auch ein Monitoring gemacht werden. Das sind acht der Suche nach vermissten oder ver- externe Wissenschaftler, die ein Auge darauf werfen. In sei- unglückten Personen

5615 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Mündliche Anfrage des Abg. Daniel Karrais) a) Wie haben sich die Zahlen der Einsätze bzw. Alarmierun- Die Entscheidung über Art und Auswahl der eingesetzten Füh- gen ehrenamtlicher Rettungshundestaffeln bei der Perso- rungs- und Einsatzmittel bei der Personensuche obliegt letzt- nensuche seit der Polizeireform der grün-roten Landesre- endlich der Polizeieinsatzleitung. Sie wird auf der Grundlage gierung entwickelt? der Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls und der Hinwei- se durch die Fachberatung getroffen. b) Nach welchen Kriterien entscheiden die örtlichen Polizei- stellen, ob eine ehrenamtliche Rettungshundestaffel, die Mündliche Anfrage des Abg. Dr. Erik polizeieigene Rettungshundestaffel oder keine Rettungs- Schweickert FDP/DVP – Umsetzung hundestaffel bei der Personensuche eingesetzt wird? des Digitalpakts in Baden-Würt temberg Schriftliche Antwort des Ministeriums für Inneres, Digi- talisierung und Migration: a) Inwieweit gibt es für Baden-Württemberg – auf der Grund- Zu a: Der Landesregierung liegen keine belastbaren Daten zu lage der Aussage der Bundesbildungsministerin vom den Alarmierungen und zum Einsatzaufkommen ehrenamtli- 11. Mai 2019 über die Verteilung der Gelder aus dem Di- cher Rettungshundestaffeln bei der Personensuche vor. Auf gitalpakt – einen Zeitrahmen für Bundes-/Landeszuschüs- die Antwort der Landesregierung zu der Kleinen Anfrage se sowie einen Kriterienkatalog, der es ermöglicht, dass die Drucksache 16/4721 wird verwiesen. Kommunen den digitalen Ausbau ihrer Schulen verlässlich planen können? Kernaussagen aus der Drucksache 16/4721: b) Können nach Kenntnis der Landesregierung diese Bundes- Die rettungshundeführenden Organisationen mit BOS-Zulas- zuschüsse nachträglich für bereits begonnene Projekte be- sung (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) antragt werden? haben sich 2012 auf Landesebene zu einer „Landesarbeitsge- meinschaft Rettungshunde Baden-Württemberg“ zusammen- Schriftliche Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend geschlossen. Die Landesarbeitsgemeinschaft beabsichtigt, ein und Sport: einheitliches Reporting-System einzuführen, um künftig sta- tistische Daten bereitstellen zu können. Aktuell liegt jedoch Zu Frage a: Der DigitalPakt Schule 2019 bis 2024 wird in noch keine valide Einsatzstatistik der ehrenamtlich tätigen Form einer Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Bund und Rettungshundestaffeln vor. den Ländern geschlossen. Diese Verwaltungsvereinbarung gibt den Rahmen für die jeweilige landesspezifische Umset- Hinsichtlich der Einsatzzahlen insgesamt hat die Landesar- zung vor. Damit diese Verwaltungsvereinbarung Wirkung ent- beitsgemeinschaft für die Jahre ab Inkrafttreten der Polizei- faltet, muss sie von allen Beteiligten unterzeichnet werden. strukturreform (2014) Einsätze wie folgt gezählt: 2017 329 Vor diesem Hintergrund lief das Unterzeichnungsverfahren, Einsätze, 2016 370 Einsätze, 2015 413 Einsätze und 2014 das mit der heutigen Unterzeichnung durch den Bund abge- 334 Einsätze. Diese Zahlen beruhen allerdings auf einer je- schlossen ist. weils unterschiedlichen Zahl von Rückmeldungen der einzelnen Rettungshundestaffeln und sind deshalb untereinander Damit die Mittel aus dem DigitalPakt Schule fließen können, nicht ohne Weiteres vergleichbar. sind in den Ländern Bekanntmachungen erforderlich. Sie re- geln innerhalb des von der Verwaltungsvereinbarung zwischen Angaben zu Einsatzzahlen für das Jahr 2018 liegen der Lan- dem Bund und den Ländern vorgegebenen Rahmens die landesregierung nicht vor. despezifischen Förderkriterien und das konkrete Verwaltungs- Zu b: Die Polizei Baden-Württemberg hat zum 1. März 2019 verfahren. Diese Bekanntmachung (in Form einer Verwal- die Alarmierung von ehrenamtlichen Rettungshundestaffeln tungsvorschrift) wird derzeit vom Kultusministerium erarbei- landeseinheitlich in einem Geschäftsprozess standardisiert, tet. um das ehrenamtliche Engagement der Rettungshundestaffeln bestmöglich in die Einsatzmaßnahmen der Polizei zu integ- Zweck der Verwaltungsvorschrift ist es, den Verwaltungsauf- rieren und um gegenüber den ehrenamtlichen Rettungshun- wand für die Antragstellung so gering wie möglich zu halten, destaffeln ein möglichst hohes Maß an Transparenz zu ge- eine effiziente Bearbeitung von Förderanträgen sicherzustel- währleisten. len, ein „Windhundverfahren“ zu verhindern und den Schul- trägern Planungssicherheit zu gewähren. Um dies zu gewähr- Bei der Suche nach hilflosen/vermissten Personen können die leisten, fanden u. a. Gespräche mit den kommunalen Landes- Rettungshundestaffeln eine wertvolle Ergänzung zu den poli- verbänden statt. zeilichen Einsatzmitteln, welche grundsätzlich priorisiert einzusetzen sind, darstellen. Der Entwurf dieser Verwaltungsvorschrift muss noch mit dem Finanz- sowie dem Innenministerium abgestimmt werden, be- Ein Kernpunkt des Prozesses ist u. a. auch ein intensiver In- vor er in die Anhörung gegeben und dem Normenkontrollrat formationsaustausch mit den Integrierten Leitstellen (ILS) als vorgelegt werden kann. Er wird auch noch im Kabinett bera- „Single Point of Contact“ zu den Rettungshundestaffeln. Dies ten. Schließlich muss sich das Land noch ins Benehmen mit beinhaltet nicht nur die frühzeitige Einbindung der ILS in dem Bund setzen. Suchmaßnahmen, sondern auch eine intensive Abstimmung über den Suchprozess hinweg, um die verschiedenen Mittel Vor diesem Hintergrund kann ein konkreter Zeitpunkt für das zur Suche (beispielsweise Personenspürhunde der Polizei, Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift noch nicht genannt Rettungshunde, aber auch die Suche mittels Polizeihubschrau- werden. Wir streben an, die Verwaltungsvorschrift zum Som- ber u. a. erfolgreich kombinieren zu können. mer veröffentlichen zu können. 5616 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Schriftliche Antwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport)

Zu Frage b: Die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und prägten Weltsicht: möglichst schnell ins Berufsleben starten, Ländern sieht die Möglichkeit vor, vor deren Inkrafttreten „be- bei geringen Kosten. Das war nicht gut. gonnene, aber noch nicht durch Abnahme aller Leistungen ab- geschlossene Investitionsmaßnahmen“ zu fördern, „wenn im Meine Damen und Herren, unser Ziel sind die Interessen der Antrag erklärt wird, dass es sich um selbstständige, noch nicht Kinder sowie weniger unnötiger Lernstress. Bei der GEW sagt begonnene Abschnitte einer laufenden Investitionsmaßnahme man dazu – wir haben es in der Anhörung ja gehört –: struk- handelt“. Es ist beabsichtigt, eine entsprechende Regelung in turelle Gewalt in der Schule. Das ist sicherlich ein wenig über- die Bekanntmachung des Landes aufzunehmen. Derzeit wird trieben, aber auf jeden Fall wünschen wir uns für die jungen geprüft, inwieweit dies möglich ist. Leute mehr freiwillige gute Bildung. * Bildung geschieht im Übrigen nicht nur in der Schule, sondern auch an anderen Orten: in der Musikschule, privat auf Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Wir kommen jetzt zurück Anregung der Eltern, mit einem guten Buch oder im Verein, zu Tagesordnungspunkt 3, der ursprünglich für heute Vor- im Sportverein. mittag angesetzt war: Und der Clou: Kinder sind individuell und vielfältig. Deswe- Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der AfD gen möchten wir die Schullaufbahnen weiterentwickeln. Die – Gesetz zur Einführung des neuen neunjährigen Gymna- Kinder entwickeln sich auch sehr unterschiedlich, und sie ha- siums in Baden-Württemberg (Gesetz zur Änderung des ben unterschiedliche Begabungen. Auch im Gymnasium gibt Schulgesetzes für Baden-Württemberg) – Drucksache es inzwischen eine sehr hohe, eine große Heterogenität, eine 16/5979 Bandbreite, die von hochbegabt bis „mäßige Realschüler“ reicht. Deshalb die Idee der individuellen Lernzeitverkürzung. Das Präsidium, meine Damen und Herren, hat hierzu für die Begründung eine Redezeit von fünf Minuten und für die Aus- Sie könnten jetzt denken: „Aber dann haben wir doch gerade sprache eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion angesetzt. wieder das achtjährige Gymnasium.“ Nein, eben nicht. Die Leistungserwartung ist die wie in einem neunjährigen Gym- Zuerst hat Herr Abg. Dr. Balzer für die AfD das Wort. – Ich nasium. darf Sie, Herr Abg. Dr. Balzer, ans Redepult bitten. Und die Schüler werden nach dem neunjährigen Gymnasium Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Sehr geehrte Frau Präsidentin, eine Vertiefung erreicht haben, wie sie sie in acht Jahren nach sehr geehrte Damen und Herren Kollegen Abgeordnete! Das, unserer bisherigen Beobachtung eben nicht erreicht haben. was wir heute hier einreichen, hat es in der Schullandschaft Das soll natürlich nicht der Fall sein. Ich spreche bei Vertie- in Deutschland bisher noch nicht gegeben fung von wirklicher Vertiefung, nämlich von einer Durchdrin- (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: In der Tat!) gung des Lernstoffs im selbstständigen Denken mit all seinen Aspekten. – in der Tat; hierauf können wir stolz sein –: (Beifall bei Abgeordneten der AfD) (Beifall des Abg. Bernd Gögel AfD – Zuruf der Abg. Sandra Boser GRÜNE) Wir wollen vor allem die Ausbildungs- und die Studierfähig- keit wiederherstellen. Die Studienabbrecherquote ist zu hoch. ein neunjähriges Gymnasium mit individueller Lernzeitver- Viel zu viele Studenten scheitern an der Mathematik, an der kürzung, um der Vielfalt der Schüler Rechnung zu tragen. In Experimentalphysik, an den Naturwissenschaften. Und die Bayern wird im Übrigen an einem ähnlichen Gesetzentwurf Mathematik ist bekanntlich eine Schlüsselwissenschaft, eine gearbeitet; er wird eingebracht. Schlüsselqualifikation für viele andere Studiengänge, auch für Volkswirtschaft oder Betriebswirtschaft. Doch unser Gesetzentwurf unterscheidet sich davon gravie- rend. Er ist aus einem ganz anderen Geist heraus geschrieben. Meine Damen und Herren, jeder Studienabbruch wie jedes Hervorzuheben ist die Stärkung der Eigenverantwortung der Sitzenbleiben oder Abschulen, wie Sie lieber sagen, ist ein Schüler, die Stärkung der Eigeninitiative. Wir wollen private zerplatzter Traum, ein zerstörter Berufswunsch. Hier möch- Zeit schaffen, freischaufeln für Bildung am Nachmittag, für ten wir, hier müssen wir, meine ich, gegensteuern. das Training im Sportverein, für die Musikschule, für das Ler- nen bei privaten Musiklehrern, wenn man ein Instrument rich- Vorkurse sind keine Lösung. Wir brauchen einfach einen ver- tig lernen möchte. Das ist sehr sinnvoll oder, um es auf Neu- nünftigen, guten Schulabschluss, der einen nahtlosen Über- deutsch zu sagen, ein gutes Gesetz für das neue neunjährige gang in das Studium garantiert. Jugendliche, die schneller und Gymnasium. leichter lernen, dürfen – ja, sie sollen es geradezu – die elfte Klasse überspringen. Das ist das Modell der Lernzeitverkür- (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Abg. Sandra Bo- zung – eine Individualisierung der Lernzeit. ser GRÜNE: Große Begeisterung bei der AfD!) Die Hemmschwelle für einen Schüler, zum Lehrer zu gehen Ich nenne zwei Gründe für die Einbringung unseres Gesetz- und zu sagen: „Ich bin der Schlaueste in der Klasse, und ich entwurfs: die Mehrheit der Eltern und die Mehrheit der Schü- kann die Klasse überspringen“, ist natürlich sehr hoch. So ler, die unnötigen Belastungen der großen Mehrheit der Fa- funktioniert das nicht. Die Lehrer sollen und dürfen die Schü- milien durch das achtjährige Gymnasium. Das achtjährige ler, die sie für geeignet halten, gezielt ansprechen und zu die- Gymnasium war eine Erfindung einer stark ökonomisch ge- sem Schritt ermutigen.

5617 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Rainer Balzer)

Unser Ziel ist: Mit Sicherheit werden 20 bis 40 % aller Schü- (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grünen, der CDU ler dieses Angebot annehmen können. und der FDP/DVP – Abg. Anton Baron AfD: Ach! Superschlau!) Das ist eine gezielte Begabtenförderung, eine Förderung der Fleißigen und Ehrgeizigen. Diese Förderung der positiv Flei- Dieser Gesetzentwurf ist voller Fehler ßigen und Ehrgeizigen wurde unserer Beobachtung nach in der Vergangenheit durchaus eher vernachlässigt. Stattdessen (Lachen bei Abgeordneten der AfD) wurden den weniger Begabten zahlreiche Privilegien einge- und voll von Zielen, die wir, die Fraktion GRÜNE, nicht tei- räumt. Wir sollten und müssen uns für die Zukunftssicherung len können und auch in Zukunft nicht verfolgen werden. unseres Landes aber um die Fleißigen und Ehrgeizigen mehr kümmern, dann wird es davon auch wieder mehr geben. In ei- (Beifall bei den Grünen – Abg. Anton Baron AfD: Sie ner Klasse entsteht bekanntlich gern eine Sogwirkung. haben ja auch ein riesiges Ministerium dahinter!) Beispiel Bayern: Bayern hat die dickste Kontingentstunden- Sie wollen allen Gymnasien im Land vorschreiben, eine Rück- tafel und die besten Abiturleistungen. Man ist dort zum neun- kehr zu G 9 zu vollziehen, was viele Gymnasien in unserem jährigen Gymnasium zurückgekehrt. Auch dort wurde die in- Land überhaupt nicht wollen. Viele haben sich 15 Jahre nach dividuelle Lernzeitverkürzung eingeführt. Es gibt Vorberei- der Einführung von G 8 in Baden-Württemberg an diese Rol- tungskurse zum Überspringen der elften Klasse. Im Nachmit- le gewöhnt. Sie haben ihren Unterricht so ausgestaltet, dass tagsunterricht werden wichtige Unterrichtsinhalte behandelt. er für Schülerinnen und Schüler ein gutes Angebot darstellt. Diese vierstündigen Kurse können auch zur Vorbereitung ei- Sie haben pädagogische Konzepte entwickelt, die die indivi- nes Auslandseinsatzes duelle Förderung an den Schulen stärken. (Lachen bei Abgeordneten der SPD – Abg. Jonas We- Sie wollen nun allen Gymnasien in Baden-Württemberg vor- ber SPD: „Auslandseinsatz“! Also!) schreiben, in Zukunft nur noch eine Halbtagsschule zu sein. Nicht einmal die G-9-Modellschulen, die wir derzeit im Land – ein Auslandsjahr meine ich natürlich – genutzt werden. haben, sind alle Halbtagsschulen. Das heißt, Sie wollen auch solchen Schulen freie Zeit am Nachmittag geben, die sie über- Im Unterschied zu Bayern wollen wir diese Vorbereitungskur- haupt nicht wollen, weil sie erkannt haben, wie wichtig und se aber auf freiwilliger Basis haben. Ich sagte es schon: Die gut es ist, dass man auch Gymnasien ein ordentliches Ganz- Stärkung der Eigeninitiative ist die Idee, die Akzeptanz der tagsangebot mitgibt, damit man Schülerinnen und Schüler in- Verschiedenheit der Auffassungsgaben. Lernen ist nämlich dividuell fördern kann, und zwar unabhängig davon, woher nicht das Absitzen von Zeit in der Schule. diese Schülerinnen und Schüler kommen. Im Übrigen können Schüler, die nicht so gern zur Schule ge- (Beifall bei den Grünen) hen, hierin durchaus einen Ansporn erkennen, nämlich den, etwas früher mit der Schule fertig zu sein, um dann die große Es ist doch ein absoluter Trugschluss, wenn Sie hier vermit- Freiheit – wenn sie es denn ist – zu genießen. teln, dass man, wenn am Nachmittag kein Unterricht stattfindet, diese Zeit damit vollständig als Freizeit mitgibt. Natür- Die Leistungen zum Überspringen eines Jahrgangs sollten an- lich gibt es auch an Halbtagsgymnasien am Nachmittag Lern- ständig sein und müssen überdurchschnittlich sein. Die Auf- zeit. Die individuelle Vorbereitung muss dann von zu Hause fassungsgabe der Schüler wird bei dieser Entscheidung mit aus geleistet werden. An Gymnasien, in denen es eine Haus- einbezogen. aufgabenbetreuung oder ein Ganztagsangebot gibt, stehen nor- Meine Damen und Herren, als langjähriger Pädagoge bin ich malerweise die Lehrerinnen und Lehrer gerade jenen Schüle- überzeugt rinnen und Schülern zur Seite, die zu Hause keine Unterstüt- zung bekommen und die dort keine Eltern sitzen haben, die (Lachen der Abg. Brigitte Lösch GRÜNE) ihnen in Mathematik oder Deutsch helfen können. von diesem Freiheit eröffnenden Konzept. Es werden nicht Was Sie hier fordern, ist eine rückwärtsgewandte Politik hin nur die Einserschüler sein, die überspringen; das wird viele zu Zeiten, als die Mutter am Nachmittag zu Hause war Schüler motivieren. Wir haben damit ein innovatives Konzept, (Zuruf von der AfD: Ach!) das die baden-württembergische Schullandschaft dauerhaft stärken kann und dauerhaft stärken wird. Deshalb erbitte ich, und als der Mathematikunterricht wenn es so weit ist, Ihre Zustimmung. (Lachen bei Abgeordneten der AfD) Danke. den Schülerinnen und Schülern Aufgaben nach Hause mitgab. (Beifall bei der AfD) Damit wird wieder eine soziale Selektion in unsere Schulen im Land gebracht, die wir auf gar keinen Fall wollen. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun spricht für die Frak- tion GRÜNE Frau Abg. Boser. (Beifall bei den Grünen und des Abg. Andreas Ken- ner SPD) Abg. Sandra Boser GRÜNE: Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Gesetzent- Deswegen bleiben wir dabei: Wir wollen die Gymnasien in wurf der AfD vorgelegt bekommen, den es „in Deutschland ihrer Entwicklung unterstützen. Wir brauchen dazu weitere noch nicht gab“, und das verwundert auch nicht. Maßnahmen. Wir haben in der Vergangenheit viel auf den Weg 5618 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Sandra Boser) gebracht, mit einem Bildungsplan, der sich an der Entwick- Dann haben sich die Schulen auf den Weg gemacht und die- lung der Kinder orientiert, der die Lernfülle an das G 8 ange- ses neue Modell sehr leidenschaftlich umgesetzt, und das ha- passt hat, der die Anforderungen genau definiert hat. Wir haben sie auch erfolgreich getan; das muss man sagen. Die ver- ben eine neue Oberstufenreform auf den Weg gebracht, die meintlichen Proteste, die immer wieder beschworen werden, die individuelle Vertiefung durch die Schülerinnen und Schü- waren meines Erachtens so überhaupt nicht gegeben. ler stärkt, wir haben zusätzliche Förderinstrumente an die Schulen gebracht, und wir haben mit dem Modellversuch auch Wir haben uns, als wir in die Koalitionsverhandlungen einge- die Möglichkeit geschaffen, G 9 anzubieten. treten sind, darauf verständigt, dass wir es bei G 8 belassen und dass wir die 44 G-9-Schulen, die Grün-Rot auf den Weg Wir haben bei uns im Land parallel die beruflichen Gymnasi- gebracht hat, ebenfalls weiterlaufen lassen. Das ist der politi- en, die einen wichtigen Weg über neun Jahre zum Abitur bie- sche Istzustand, und den tragen wir voll und ganz mit. ten. Wir haben die Gemeinschaftsschulen, die ein durchgän- giges gymnasiales Angebot haben und dann über das berufli- Die Schüler – das ist übrigens auch interessant – haben sehr che Gymnasium, die allgemeinen Gymnasien oder über die schnell gelernt, mit diesem Istzustand zurechtzukommen. Da Oberstufe an den Gemeinschaftsschulen zum Abitur führen. gibt es ganz extreme Beispiele. Ich kenne Schüler, die von der Wir haben diese Angebote in Baden-Württemberg. Sie wür- neunten Klasse des allgemeinbildenden Gymnasiums in die den eine Struktur bei uns im Land zerschlagen, die sich in- elfte Klasse eines beruflichen Gymnasiums gewechselt haben, zwischen etabliert hat. Daher werden wir diesem Gesetzent- dort ein Jahr draufgesetzt haben, um die Fachhochschulreife wurf nicht zustimmen. zu erwerben, ein Praktikum gemacht haben und damit die Fachhochschulreife erworben haben – den betrieblichen und Zudem – was Sie an dieser Stelle auch vollkommen ver- den schulischen Teil hatten sie ja vorher erworben –, um dann schwiegen haben – kostet das das Land 75 Millionen €. Sie zu studieren. Sie haben das gemacht, weil sie einen „prakti- haben an keiner Stelle erklärt, woher diese 75 Millionen € schen Weg“ gehen und entsprechend schnell vorankommen kommen sollen. Das ist ein weiterer Grund, diesen Gesetzent- wollten. wurf nicht weiterzuverfolgen. Wir werden dem nicht zustimmen. Es gibt natürlich auch Schüler, die von der Klasse 10 eines allgemeinbildenden Gymnasiums auf ein berufliches Gymna- Vielen Dank. sium wechseln, weil sie ihren Schwerpunkt – ich denke etwa an Biotechnologie oder Sozialwissenschaften – dort finden (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) wollen. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun darf ich für die CDU Herrn Abg. Karl-Wilhelm Röhm aufrufen. Wir haben also genügend Möglichkeiten – um das in aller Klarheit zu sagen –, dass die Schüler ihren individuellen Weg Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Werte Frau Präsidentin, lie- gehen können. Deswegen haben wir in der laufenden Legis- be Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit laturperiode keinen Änderungsbedarf. Daher werden wir Ih- nutzen, uns die Entstehungsgeschichte von G 8 im Jahr 2003 ren Gesetzentwurf ablehnen. in Erinnerung zu rufen. Wir waren uns alle darin einig, dass wir G 8 wollten. Eine ganz andere Fragestellung – das möchte ich auch in der gebotenen Offenheit ansprechen – ist: Wie geht es dann am Es wurden damals unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Ich Tag X weiter? Wir, die CDU, haben im letzten Landtagswahl- erinnere an Frau Rastätter, die damals hier in der Debatte da- kampf für eine Wahlfreiheit plädiert. Ich darf darauf hinwei- rauf hingewiesen hat, dass man vor allem den doppelten Ab- sen, dass auch ich diesen Weg weiterhin für den richtigen hal- iturjahrgang rechtzeitig ins Auge fassen soll, damit das gelin- te, und dann wird sich das Miteinander von G 8 und G 9 ein- gen kann. Herr Kollege Zeller hat damals angemahnt, dass die spielen. Wir hatten übrigens im Vorlauf schon bei sogenann- Bildungspläne entsprechend kompatibel sein müssen. Wenn ten Turbogymnasien – das ist ein ungeschickter Begriff – Er- ich mich recht erinnere, war es der Kollege Kleinmann von fahrungen damit, dass Schüler in einem kürzeren Bildungs- der FDP/DVP, der damals die Forderung aufgestellt hat – die gang schneller zum Erfolg kommen. auch seitens der Abnehmer kam –, in Baden-Württemberg in G 8 einzusteigen. Ich persönlich könnte mir vorstellen – ich glaube, auch für meine Fraktion zu sprechen –, dass man im Hinblick auf die Die Situation war damals so, dass die Kinder in der Grund- Zukunft – das ist aber nicht Gegenstand der jetzigen Legisla- schule eher mit sieben Jahren als mit sechs Jahren eingeschult turperiode – darüber nachdenken sollte, ob man nicht an al- wurden. Wir hatten zudem die Situation – da war der Bolog- len Schulen beide Wege eröffnet. Ich glaube, dass darin eine na-Prozess noch nicht umgesetzt –, dass ein Abiturient im Chance liegen würde, Durchschnitt neunzehneinhalb Jahre alt war und dann nach dem Zivildienst oder Wehrdienst im 21. oder 22. Lebensjahr (Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD) sein Hochschulstudium begonnen hat. Das ist ein Zeitraum, dass eine Parallelität möglich wäre. – Das ist aber der Aus- innerhalb dessen ein Jurist im englischsprachigen Raum be- blick. reits sein Studium abgeschlossen hat. Ich will jetzt nicht die Qualität der juristischen Ausbildung in (Beifall des Abg. Raimund Haser CDU) England – weil Sie mich so anschauen, Herr Binder – mit der – Da der Kollege Haser applaudiert: Er wäre sicher einer ge- juristischen Ausbildung vergleichen, die u. a. Sie genossen wesen, der den achtjährigen Bildungsgang gemacht hätte. haben. Das tue ich sicherlich nicht. – Das waren damals die Voraussetzungen. (Heiterkeit)

5619 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Karl-Wilhelm Röhm)

Ich hätte mich dem Sozialwissenschaftlichen Gymnasium zu- Ich glaube kaum, dass dies pädagogisch eine angemessene gewandt. Das ist damals eher meine Sache gewesen. – Doch Voraussetzung für eine so maßgebliche Schulzeitverkürzung das ist Zukunftsmusik. Das ist dann Sache des nächsten Wahl- ist. Auf der anderen Seite kann man doch nicht die Hürden ab- kampfs. senken, um dann nach Ihren Vorstellungen 20 % bis 40 % der Schülerschaft eine Verkürzung zu ermöglichen. Spätestens (Zuruf des Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE) beim Abitur würden diese dafür den Preis zahlen müssen. – Ich darf in Richtung der AfD bemerken: Ich konnte leider Nein, das ist alles völlig undurchdacht. nicht sagen, welchen Beitrag Sie damals geleistet haben; da (Beifall bei der SPD, der Abg. Sandra Boser und Da- gab es Sie noch nicht. niel Andreas Lede Abal GRÜNE sowie des Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP) (Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Aber mich gab es schon!) Es geht weiter. Ein Hauptargument für G 9 wäre für mich, Schülerinnen und Schülern eine Entlastung und mehr Zeit für Jetzt tun wir so, als ob Sie nicht da wären. ihre Persönlichkeitsentwicklung zuzugestehen. Geht es nach Danke schön. der AfD, werden die möglichen Zeitressourcen sofort durch die Einführung neuer Stunden „aufgefressen“. 18 Stunden (Beifall bei der CDU und der Abg. Thekla Walker sind zusätzlich eingeplant. GRÜNE) Auch handwerklich ist der Vorschlag im Gesetz sehr schlecht. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun spricht für die SPD Eine Umsetzung zum 1. August wird verlangt – viel zu kurz, Herr Kollege Dr. Fulst-Blei. ohne Planung, und das Ergebnis wäre klar: Chaos. Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sehr geehrte Frau Präsiden- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Röhm, das gro- Aber schließlich – das muss ich deutlich sagen: hier hört der ße Problem bei G 8 war die dilettantische Umsetzung. Ich Spaß auf – ist der Gesetzentwurf, versteckt an einer Stelle, kann mich noch erinnern – Wahlkampf 2010/2011 –, dass mir ideologisch hoch aufgeladen. In der Tat ist er natürlich aus ei- ein Deutschlehrer begegnet ist, der gesagt hat: „Wir haben das nem ganz anderen Geist heraus geschrieben. Als jemand, der jetzt schon so viele Jahre. Ich habe nicht eine einzige Fortbil- selbst Geschichte unterrichtet hat, bin ich sicherlich der Letz- dung dazu bekommen.“ Genau das ist das Problem. te, der sich dagegen wehrt, hier zu einer Ausweitung von Ge- (Abg. Raimund Haser CDU: Das war bei den Ge- schichtsstunden aufzufordern. Wenn ich bei Ihnen aber unter meinschaftsschulen auch!) „Konzeptionelle Eckpunkte“ lese – Zitat –: „Anzustreben ist eine gleiche Gewichtung aller Zeitepochen“, erkenne ich ganz Sie wissen, dass ich ein großer Verfechter von G 9 bin, aber klar und deutlich Ihre „Vogelschiss“-Politik. Ihr Ansinnen dieser Gesetzentwurf weist massive konzeptionelle Schwä- muss man nämlich im Rahmen der zahlreichen Anträge se- chen auf. Zum einen sollen, wie Frau Boser schon ausgeführt hen, hat, alle Gymnasien hierzu gezwungen werden, obwohl es viele gibt, die G 8 bleiben wollen. Aber warum kein Wahlrecht (Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD) wie in Hessen? die Sie hier im Parlament bereits gestellt haben und die Sie Des Weiteren ist der Gesetzentwurf völlig unklar hinsichtlich fortlaufend stellen, um zu versuchen, die Verbrechen des Na- der Möglichkeit, die elfte Klasse zu überspringen. Was heißt tionalsozialismus zu nivellieren. denn „bei vorliegender entsprechender Leistung“? Geht es um (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen die Noten am Ende der Klasse 10 oder der Klasse 8? Denn be- und der FDP/DVP) reits in Klasse 8 müssten sich die Schülerinnen und Schüler entscheiden, eine extra Förderung in Anspruch zu nehmen. Die deutsche Geschichte besteht sicher nicht nur aus dem Na- Dann geht es um vier Förderstunden über zwei Jahre, die po- tionalsozialismus. Aber diese Verbrechen sind für uns ein Auf- tenzielle Überspringer bekommen sollen. Das ist erstens ent- trag, und der lautet klar: Nie wieder Krieg, nie wieder Faschis- wicklungspsychologisch, Kollege Balzer, völlig fragwürdig, mus. weil diese wichtige Entscheidung damit mitten in die Puber- tät fällt, und zweitens soll Inhalt der Förderstunde der Stoff (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen aus Klasse 11 sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen also und der FDP/DVP – Zurufe von der AfD) vorlernen. Sie dagegen haben hier einen Antrag gestellt, um die Mittel für die KZ-Gedenkstätte Gurs auf null zu setzen. Wie soll das gehen, wenn das Grundlagenwissen dafür noch nicht vermittelt wurde? Für die Lehrkräfte wäre es auch (Abg. Carola Wolle AfD: Ach Gott! – Weitere Zuru- schwierig, für die Jugendlichen überhaupt einen Förderplan fe von der AfD) zu erstellen, wenn einerseits der eigentliche Unterricht vielleicht langweilt, während der Förderunterricht sie überfordert, Sie wollen die Landeszentrale für politische Bildung abschaf- weil das Vorwissen fehlt. fen. Sie haben Anträge im Finanzausschuss gestellt, die da lauten, den Haushaltstitel „Gedenkstätten des nationalsozia- Für das Überspringen soll nach Ihren Ausführungen ein No- listischen Unrechts“ umzubenennen tendurchschnitt von 3,0 ausreichend sein. 3,0! (Abg. Stefan Räpple AfD: Jetzt hören Sie mal auf mit (Heiterkeit des Abg. Sascha Binder SPD) dem Blödsinn!) 5620 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Stefan Fulst-Blei) in „Bedeutsame Gedenkstätten der deutschen Geschichte“. formen von Grünen und SPD zwischen 2011 und 2016 waren Sie wollen vergessen machen. Sie haben damit Ihre Masken damals zu einschneidend, zu überstürzt, zu radikal, als dass längst fallen lassen. sie unserem Bildungswesen wirklich gutgetan hätten. (Lachen bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP) Mit der Formulierung „Anzustreben ist eine gleiche Gewich- Eine grundlegende Lehre aus der Erfahrung gerade mit der tung aller Zeitepochen“ kündigen Sie den demokratischen grün-roten Bildungspolitik muss deshalb sein, sich mit schnel- Konsens der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft len, tiefgreifenden Schulstrukturreformen möglichst zurück- auf. Schämen Sie sich! zuhalten. Ein „Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ gilt es aus unserer Sicht, aus Sicht der FDP/DVP-Fraktion, (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen unbedingt zu vermeiden. – Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP/DVP – Zurufe von der AfD) Wenn wir jetzt also wieder vollständig zum neunjährigen Gymnasium zurückkehren würden, nachdem sich die Schu- Kolleginnen und Kollegen, die AfD ist keine Alternative. Sie len in zum Teil schwierigen Prozessen auf das achtjährige ist 2019 nachweislich hart rechts. Gymnasium eingestellt haben, dann würde das eine weitere (Lachen bei Abgeordneten der AfD) Schulstrukturumwälzung bedeuten. Dies würde ein weiteres Mal Unruhe und Belastung für unsere Schulen mit sich brin- Wer diese Partei nach drei Jahren im Landtag von Baden- gen, in erster Linie natürlich für die Gymnasien, in zweiter Württemberg nur als populistisch bezeichnet, der verharmlost Linie aber für das gesamte Schulsystem. sie. Erwin Teufel hat recht: Die AfD ist eine rechtsradikale Partei – Nachdem Grüne und SPD mit dem Schaufelradbagger durch den bildungspolitischen Garten Baden-Württembergs gefah- (Zuruf von der AfD: Jetzt aber!) ren waren, hat die FDP/DVP-Landtagsfraktion einen Ausweg aus der damaligen verfahrenen Situation aufgezeigt. Unser ich sage: mit klaren Tendenzen zum Rechtsextremismus. Ziel war ein stabiler Schulfrieden, der faire und verlässliche (Abg. Daniel Rottmann AfD: Jetzt reicht es langsam!) Bedingungen für alle Schulen über Regierungswechsel hinaus garantiert und auf einem Höchstmaß an Eigenverantwor- Wir stellen uns entschieden gegen jedes rechtsradikale Ge- tung und Gestaltungsfreiheit für die Schulen und die vor Ort dankengut, Verantwortlichen beruht. (Abg. Daniel Rottmann AfD: Sie demonstrieren Hand (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Da habe ich eine in Hand mit der Antifa! Ihre Jugendorganisation! – Buchempfehlung!) Glocke der Präsidentin) Hierfür haben wir ein Impulspapier mit konkreten Vorschlä- insbesondere, wenn es um die Kinder und Jugendlichen in ungen zu den einzelnen bildungspolitischen Großbaustellen vor- serem Land geht. gelegt. In der G-8/G-9-Frage hatten Grüne und SPD damals einen faulen Kompromiss geschlossen. Denn nach ihrem Wil- Ich danke Ihnen. len hatte damals nur ein einziges Gymnasium pro Landkreis (Beifall bei der SPD und Abgeordneten der Grünen die Möglichkeit, zu G 9 zurückzukehren. Das Ganze haben – Zurufe von der AfD – Glocke der Präsidentin) sie auch noch Schulversuch genannt. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Jetzt ist es, glaube ich, gut Wie vorauszusehen war, haben Sie damit ganz erhebliche Ge- mit den Zwischenrufen. Wir können fortfahren. rechtigkeitsprobleme geschaffen. Mancherorts wurden die ra- ren G-9-Plätze sogar verlost. Ich hätte mir bis zum damaligen (Unruhe) Zeitpunkt nie vorstellen können, dass die Bildungsbiografie eines baden-württembergischen Schülers einmal vom Los- – Ich bitte jetzt um Ruhe! glück abhängt. (Abg. Daniel Born SPD zur AfD: Sie wurden ent- larvt! – Lachen bei der AfD) (Zuruf des Abg. Martin Rivoir SPD) Jetzt ist es gut. Jeder hat seine Redezeit, und die Redezeit hat An dieser Stelle möchte ich noch einmal einen grundsätzli- jetzt Herr Abg. Dr. Kern für die FDP/DVP. chen, aber sehr wichtigen Punkt betonen: Für uns bilden die beruflichen Gymnasien als abgestimmter Anschluss an die (Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Jetzt wird es mittlere Reife die neunjährige Alternative zum achtjährigen wieder fachlich und sachlich! Jetzt kommen wir zum Gymnasium. Kern-Thema! – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Jetzt kommen wir zum Kern! – Abg. Karl Zimmermann Als Ausweg aus dem grün-roten G-8/G-9-Schlamassel schlu- CDU: Das heißt Redezeit und nicht Schreizeit!) gen wir Freien Demokraten eine G-8/G-9-Wahlfreiheit zu gleichen und fairen Bedingungen vor. Unser Vorschlag sah Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Frau Präsidentin, liebe Kol- vor, dass alle Gymnasien im Verhältnis zur jeweiligen Schü- leginnen und Kollegen! Nicht nur die Kritiker, sondern auch lerzahl die gleiche Personalausstattung erhalten. Parallel da- zahlreiche Anhänger der ehemaligen, grün-roten Landesregie- zu sollte die Möglichkeit bestehen, neben dem Standardweg rung waren sich in einem Punkt einig: Die Schulstrukturre- eines Abiturs in acht Jahren einen neunjährigen Bildungsgang

5621 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Timm Kern) anzubieten. Dieser ist z. B. interessant für Schülerinnen und den Weg zum Abitur klassisch nach G 9 zu machen: Schüler, die sich intensiv ihren Talenten und Interessen in Mu- sik, Sport, im Bereich Kirchen oder im Ehrenamt widmen (Beifall des Abg. Stephen Brauer FDP/DVP – Abg. wollen. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Exakt!) Den mit zusätzlichen Lehrerwochenstunden privilegierten Realschule, Gemeinschaftsschule und anschließend allge- Schulversuch G 9 wollten wir beenden bzw. auslaufen lassen meinbildendes oder berufliches Gymnasium mit einer hervor- und alle Gymnasien gleichermaßen gut personell ausstatten. ragenden Profilbildung und einer sehr guten Qualität. Erwartungsgemäß lehnten sowohl die ehemalige, grün-rote Regierungskoalition Kretschmann I als auch die derzeitige, In Baden-Württemberg machen seit Jahrzehnten im Durch- grün-schwarze Regierungskoalition Kretschmann II unseren schnitt sehr konstant 35 % der Schülerinnen und Schüler ihr Vorschlag ab. Letztere verlängerte den sogenannten G-9-Schul- Abitur auf einem beruflichen Gymnasium. Auch das sind ei- versuch sogar noch, was zweifellos die schlechteste aller mög- ne Perspektive und eine Vielfalt, die unterschiedliche Wege lichen Handlungsalternativen war. abbilden. Wir Freien Demokraten werben dessen ungeachtet weiter für Seit Neuem besteht auch die Möglichkeit – momentan an zwei unseren Vorschlag, in der Überzeugung, dass eine G-8/G-9- Standorten, nämlich Konstanz und Tübingen, künftig an drei Wahlfreiheit zu gleichen und fairen Bedingungen einen zentra- Standorten, nämlich Konstanz, Tübingen und Wutöschingen len Baustein für einen stabilen Schulfrieden in Baden-Württem- –, über die Gemeinschaftsschule und die Sekundarstufe II berg darstellen würde. Deshalb fordern wir die grün-schwarze klassisch nach G 9 den Weg zum Abitur zu machen. Deshalb Landesregierung erneut auf, ihre Entscheidung zu überden- glaube ich, dass wir die notwendige Vielfalt, um die individu- ken und unseren Vorschlag zu übernehmen. ellen Wege der Schülerinnen und Schüler abzubilden, in Ba- den-Württemberg sehr gut darstellen. Ich danke Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Auf- merksamkeit. Ich kann auch keinen Trend erkennen, der völlig gegen G 8 spricht. Natürlich gibt es Eltern, die sich eine Rückkehr zu (Beifall bei der FDP/DVP) G 9 wünschen. Aber schauen wir uns doch die Anmeldezah- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun darf ich das Wort len an. Als wir in Baden-Württemberg zum Schuljahr Frau Ministerin Dr. Eisenmann geben. 2004/2005 das G 8 eingeführt haben, wechselten etwa 36 % der Schüler nach der Grundschule aufs Gymnasium. Heute, Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- im aktuellen Schuljahr, wechseln im landesweiten Durch- senmann: Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und schnitt knapp 44 % nach der Grundschule auf das Gymnasi- Herren! Zum vorliegenden Gesetzentwurf der AfD ist schon um. Also: Das Gymnasium wird immer beliebter. G 8 schreckt viel und auch viel Richtiges gesagt worden. nicht ab, ganz im Gegenteil. (Abg. Anton Baron AfD: Viel Mist! – Abg. Bernd Gö- Daraus ablesen, dass viele Eltern oder Schülerinnen und Schü- gel AfD: Aber in dieser Richtung noch nicht!) ler ein Problem damit hätten, kann man wahrlich auch nicht. Das heißt, die Zahlen steigen. Deshalb auch ein klares Be- Dass wir gemeinsam das Ziel haben, den Schülerinnen und kenntnis zu G 8. Schülern mit dem Abitur die bestmögliche Grundlage – wie in allen Schularten – mitzugeben, ist richtig. Das ist ein ge- Man sollte tatsächlich – Karl-Wilhelm Röhm hat es dargestellt meinsames Ziel. Ob der Weg, der jetzt vorgeschlagen wird, – die Historie von G 8 nicht vergessen. Natürlich war die Auf- der richtige ist, wage ich jedoch zu bezweifeln. gabenstellung – das ist sie im Übrigen heute noch –, zu sehen: Wo können wir die Schulen unterstützen? Wo können wir uns Wir haben in Baden-Württemberg unterschiedliche Wege, um auch anschauen, was man wie machen muss, wie man Zeiten G 9 zu realisieren. Wir haben zum einen – das wurde schon und Inhalte strecken kann? Das ist eine Aufgabe, an der wir angesprochen – im allgemeinbildenden Bereich den Schul- kontinuierlich arbeiten. Aber schon damals wurde darüber dis- versuch aus der letzten Legislaturperiode, den wir verlängert kutiert, dass die deutschen Abiturienten im internationalen haben. Das sind 44 G-9-Standorte. Interessanterweise sind es Vergleich ein beträchtliches Alter aufwiesen. Man kann auch künftig nur noch 43, weil ein Gymnasium als Schulgemeinde sagen: Die FDP/DVP hat schon damals sehr intensiv – analog freiwillig zu G 8 zurückgekehrt ist. zu den Unternehmen, den Wirtschaftsvertretern – für G 8 ge- (Abg. Karl Zimmermann CDU: Hört, hört! – Abg. worben. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Aus räumlichen Gründen, (Abg. Karl Zimmermann CDU: So ist es! – Abg. Dr. nicht aus pädagogischen!) Timm Kern FDP/DVP: Dazu stehen wir nach wie Auch das ist eine Entwicklung, die man in diesem Zusammen- vor! Habe ich gesagt!) hang zur Kenntnis nehmen muss. Das sollte man auch nicht ganz vergessen. Deshalb: In Öster- Wir haben in Baden-Württemberg darüber hinaus – anders als reich oder in Frankreich ist G 8 der klassische Weg, und wir in anderen Bundesländern – die Möglichkeit über die berufli- sollten dies auch den Schülerinnen und Schülern in unserem chen Gymnasien, um die wir im Übrigen bundesweit sehr be- Land durchaus zutrauen. Ich glaube, auch die machen das ins- neidet werden, gesamt sehr, sehr gut. (Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Ja!) (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) 5622 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Ministerin Dr. Susanne Eisenmann)

Lassen Sie uns G 8 weiter verbessern, lassen Sie uns gemein- Wenn ich mir den bayerischen Weg anschaue, wo man ja die- sam mit den Lehrerinnen und Lehrern diesen Weg gehen. Vor se Wahlfreiheit anstrebt, stellt sich mir schon die Frage, wie allem die Vielfalt – berufliches Gymnasium, Sekundarstufe II, man das in der Realität umsetzt. Deshalb bin ich da eher skep- Gemeinschaftsschulen und die Schulversuchsstandorte im all- tisch. Aber man muss es sich anschauen. Ich bin auch immer gemeinbildenden Bereich – stellt, glaube ich, ein gutes Port- offen. folio für die Schülerinnen und Schüler in unserem Land im Sinne einer sehr guten gymnasialen Ausbildung dar. Ich glaube aber auch – das, was Sie vorhin relativ klar analy- siert haben –, dass Schulstrukturdiskussionen – nichts ande- Vielen Dank. res machen wir momentan bei diesem Thema – gegenwärtig nicht in die Zeit passen, und zwar nicht, weil man über Struk- (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU) turen nicht diskutieren müsste – selbstverständlich –, aber momentan geht es um Qualität, um Verlässlichkeit. Die Schulen Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Frau Ministerin, lassen müssen sich darauf verlassen können, dass man zu ihnen steht Sie Herrn Abg. Dr. Kern noch etwas fragen? und nicht ständig ein neues Tier durch ein nicht vorhandenes (Abg. Daniel Rottmann AfD unterhält sich mit Abg. Dorf treibt. Dazu gehört dieses Thema auch. Anton Baron AfD.) Vielen Dank. Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) senmann: Ja, selbstverständlich. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Danke schön, Frau Minis- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Und wenn vielleicht die terin. AfD ihre Besprechung jetzt nach außerhalb des Plenarsaals verlegen würde. Es wird mir allmählich zu viel. Gibt es von den Fraktionen, die noch Redezeit haben, den Wunsch, diese in Anspruch zu nehmen? (Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Hallo! – Abg. Da- niel Rottmann AfD: Ich möchte eine persönliche Er- (Abg. Karl Zimmermann CDU: Wir können auch klärung abgeben!) G 10 machen! – Weitere Zurufe, u. a. Abg. Anton Ba- ron AfD: Balzer!) Jetzt ist Herr Abg. Dr. Kern dran. – Ja, ja. Ich frage jetzt nur der Größe der Fraktionen entspre- Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Frau Kultusministerin, Sie haben zu Recht gesagt, dass die FDP/DVP damals beteiligt chend. Die AfD hat noch drei Minuten Redezeit. Die kann sie war, dass wir damals zu G 8 standen. Nur haben wir nach auch gern in Anspruch nehmen – und bitte auch unter sich auf- Grün-Rot jetzt natürlich eine andere Situation mit den 44 teilen. Denn persönliche Erklärungen sind keine Möglichkeit, G-9-Gymnasien – eines je Landkreis. sich zusätzlich Redezeit zu verschaffen. Deshalb meine erste Frage: Sehen Sie nicht ein gewisses Ge- Herr Abg. Dr. Balzer, nehmen Sie die Redezeit für die AfD in rechtigkeitsproblem, wenn es in jedem Landkreis nur ein ein- Anspruch? ziges G-9-Gymnasium gibt, das an dem Schulversuch teil- (Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Ja!) nimmt? Bitte. Und zweitens: Der von mir sehr geschätzte Kollege, Herr Röhm, hat ja seine persönlichen Vorstellungen, wohin die Rei- Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Sehr geehrte Frau Boser, es se gehen könnte, hier sehr klar zum Ausdruck gebracht: eine wundert mich jetzt nicht wirklich – – Natürlich zuerst: Sehr Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9. Auch dafür haben wir geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Freien Demokraten große Sympathie. Wie stehen Sie denn da- Liebe Frau Boser, es wundert mich jetzt nicht wirklich, dass zu? Sie unseren Denkansatz nicht teilen. Aber Sie wissen sehr wohl um die Abbrecherquote an den Unis, und Sie wissen sehr Ministerin für Kultus, Jugend und Sport Dr. Susanne Ei- wohl um die Abschulerquote – früher sprach man von der Sit- senmann: Zunächst: Ich teile grundsätzlich die politischen zenbleiberquote – in der fünften und der sechsten Klasse. Einschätzungen von Abg. Karl-Wilhelm Röhm mit größter Sympathie. Natürlich habe ich das mit keinem Wort gesagt, und wir fordern auch nicht eine Umstellung zur falschen Zeit am falschen (Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Andreas Glück Ort von allen Schulen zur gleichen Zeit. FDP/DVP) (Abg. Sandra Boser GRÜNE: Das steht aber in Ih- Dass wir Vielfalt in den Wegen brauchen, das ist keine Frage. rem Gesetzentwurf!) Sich anzuschauen und zu sagen, ob es sinnvoll ist, an einem Standort beides anzubieten, davon bin ich allerdings nicht Aus dem Chaos um G 8 kann man ja lernen: Man macht zu- überzeugt. Ich glaube vielmehr, dass wir, gerade was den be- nächst einmal einen Modellversuch, ruflichen Bereich, die beruflichen Gymnasien angeht, eine sehr starke Alternative haben, was in dieser Form übrigens (Abg. Sandra Boser GRÜNE: Nein!) auch die Zahlen, die konstant hoch sind, belegen. eine Schule probiert es freiwillig aus. Im Übrigen ist für uns (Vereinzelt Beifall bei der CDU) der Gedanke der Wahlfreiheit sehr hoch anzusiedeln.

5623 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Rainer Balzer)

Herr Dr. Fulst-Blei, es tut mir leid, aber irgendwie sind Sie Abg. Dr. Rainer Balzer AfD: Ich sehe die Uhr, ja. mit dem falschen Fuß aufgestanden. Ich hätte von Ihnen etwas mehr Geist erwartet. (Zuruf von der CDU: Er soll sie nicht betrachten, er soll sie beachten!) (Beifall bei der AfD – Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Von Ihnen könnte ich mehr demokratischen Es gibt vielmehr Absolventen mit einer höheren Orientie- Geist erwarten! – Zuruf des Abg. Thomas Marwein rungslosigkeit. Deswegen wäre die längere Schulzeit gerade GRÜNE) sinnvoll. Sie könnten mich ein bisschen besser einschätzen und ken- Alle CDU-geführten Landesregierungen – der letzte Satz, bit- nen; Gelegenheit dazu hatten Sie genug. te – sind zum neunjährigen Gymnasium zurückgekehrt, Frau Eisenmann. Deshalb würden wir vorschlagen und darum bit- (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ja, das hatte ich in ten, dass wir auf der Basis der Freiwilligkeit das umsetzen, der Tat!) was in anderen Bundesländern inzwischen auch als richtig erkannt worden ist. Sie brauchen mir nicht zu erklären, was „Nie wieder Krieg“ zu bedeuten hat. Danke. (Zuruf von den Grünen: Schadet nicht!) (Beifall bei der AfD) Das können Sie sich glatt sparen. Dass alle Geschichtsepo- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Jetzt hat Herr Abg. Dr. Ge- chen gelehrt werden müssen, um für Epochen mit erhöhter deon das Wort. – Wenn Sie sich bitte auf den Weg zum Rede- Besonderheit ein Verständnis zu haben, dürfte wohl klar sein. pult machen. (Beifall bei der AfD – Abg. Sandra Boser GRÜNE: (Zuruf: Die Zeit sollte man von der Redezeit abzie- Steht auch nicht so in Ihrem Gesetzentwurf! Sie soll- hen!) ten Ihren Gesetzentwurf noch mal lesen! Da steht alles andere drin! – Zuruf des Abg. Daniel Born SPD) Abg. Dr. Wolfgang Gedeon (fraktionslos): Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Fulst-Blei, ich glaube nicht, Wenn Sie sich heute den Flickenteppich im Geschichtsunter- dass Ihre Aussagen nur auf ein schlechtes Mittagessen zurück- richt anschauen, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, gehen, sondern durchaus der SPD-, der grün-roten Linie ent- sprechen, und die ist nun einmal so schrecklich, wie er es aus- (Abg. Stefan Räpple AfD: Jugoslawienkrieg!) gedrückt hat. dass jemand die Weimarer Zeit nicht mehr richtig einordnen (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sie ist klar demo- kann. – Das genügt jetzt aber. Vielleicht hatten Sie ja ein kratisch und antifaschistisch!) schlechtes Mittagessen; das kann mal vorkommen. – Ja, gut. – Wissen Sie was? Sie schaffen den Religionsunter- (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der AfD) richt in der Schule ab und wollen aus dem Geschichtsunter- Zum neunjährigen Gymnasium möchte ich in der kurzen Zeit richt einen Religionsunterricht machen. Folgendes sagen: Uns geht es um die Vertiefung der Behand- (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: So ein Schwach- lung des Unterrichtsstoffs. Wir möchten anregen, dass der Un- sinn! Wir schaffen den Religionsunterricht nicht ab!) terrichtsstoff in dem Alter behandelt werden soll, in dem das Verständnis für die Inhalte vorhanden ist. Ich verhehle nicht – Das ist kein Schwachsinn! Hören Sie bitte wenigstens ein- – die Argumentation stimmt natürlich –: Die längere Schul- mal zu. Das müssten Sie hier im Parlament wenigstens kön- zeit kostet Geld. Das ist keine Frage; das sollte uns aber die nen. Jugend in unserem Land, zumindest auf der Basis der Frei- willigkeit, wert sein. (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Nein!) Wir haben einen Vorschlag eingebracht: Erhöhung der Kon- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Jetzt lassen Sie ihn doch tingentstundentafel um 18 Stunden. Das ergibt ca. 970 Depu- einfach ausreden. tate; das heißt, die Personalkosten würden um 60 Millionen € Abg. Dr. Wolfgang Gedeon (fraktionslos): Der Unterschied ansteigen. Das hätte im aktuellen Haushaltsjahr eine Erhö- zwischen uns ist nicht, dass wir bestimmte Epochen nicht be- hung um 5,5 % bedeutet. Für die Förderkurse müsste man zu- handeln wollen, sondern dass uns diese Moralisiererei ankotzt, sätzlich 237 Lehrerdeputate einplanen. Hier würden sich die die ständig damit verbunden ist, dass man nicht normal, sach- Personalkosten um rund 14 Millionen € erhöhen, was einem lich, wissenschaftlich über etwas reden kann, sondern sich Anstieg der Personalkosten um 1,36 % entspricht. Bei 1,36 % ständig moralisch positionieren muss. sage ich natürlich: Gute Bildung kostet Geld. Es sind Inves- titionen in unsere Zukunft. Wenn wir genau hinschauen, dann Was ist denn Ihre Moral? Wie zeigen Sie denn Ihre Moral? Ih- wissen wir doch alle, dass eines der Kernziele, nämlich dass re Moral besteht im Wesentlichen darin, dass Sie anderen Un- die Abiturienten im Durchschnitt jünger sind, als es bisher der moral vorwerfen. Was ist denn das für eine Moral? Das ist ei- Fall ist, wenn sie mit dem Studium anfangen, eben nicht er- ne Nullmoral, das ist eine Pharisäermoral. Mehr nicht. reicht worden ist. (Abg. Dr. Timm Kern FDP/DVP: Was Sie unter „wis- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Abg. Dr. Balzer, ach- senschaftlich“ verstehen, haben wir hier schon ge- ten Sie bitte auf die Redezeit. hört!) 5624 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Wolfgang Gedeon)

Letztlich ist das, was Sie hier machen, eine Hassrede, eine Das Präsidium hat für die Aussprache eine Redezeit von fünf richtige Hassrede – Hate Speech, wie sie im Buche steht, ge- Minuten je Fraktion festgelegt. gen die Rechten und gegen die AfD. Zuerst spricht Frau Kollegin Saebel für die Grünen. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Abg. Barbara Saebel GRÜNE: Sehr geehrte Frau Präsiden- Was ist der Grund für diesen Hass, den Sie haben, den Sie mit tin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und jedem Wort, mit jedem Komma ausgedrückt haben? Sie selbst Herren Besucher! kacken hier ab. Das Ansehen in der Bevölkerung, das Sie haben, geht gegen null. Die große Partei von Schumacher bis (Abg. Gabi Rolland SPD: Gleiches Recht für alle! – hin zu Helmut Schmidt kämpft jetzt praktisch mit der Fünf- Zuruf des Abg. Peter Hofelich SPD) prozentklausel. Das ist die Situation. In zehn Tagen wird die Bevölkerung in der Europäischen Uni- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) on ihr neues Parlament wählen. Von dieser Wahl ist abhängig, wohin sich Europa entwickelt. Letzte Umfragen machen mir Was machen Sie in dieser Situation? Anstatt zu überdenken, allerdings Hoffnung, dass sich demokratische Parteien mit ei- was für eine entsetzliche Politik Sie gemacht haben, die schuld nem klaren Wertekompass durchsetzen werden. am Absinken Ihres Ansehens ist, versuchen Sie, einen Sün- denbock aufzubauen. Und das sind dann die Rechten. Das ist Wir Grünen hoffen gemeinsam mit den jungen Klimaaktivis- reines Sündenbockdenken, was Sie hier machen, um die Ver- ten von „Fridays for Future“ antwortung für Ihr Versagen zu vertuschen. (Lachen des Abg. Anton Baron AfD) (Zuruf des Abg. Sascha Binder SPD) auf verstärkte Anstrengungen zum Klimaschutz. Hier hat die Dann hetzen Sie gegen den Boten der Nachricht, und Sie sind EU ehrgeizige Ziele vorgegeben, und auch unsere Landesre- die schlechte Nachricht, Sie sind die Verursacher der Nach- gierung will bis 2030 den CO2-Ausstoß auf 42 % in Bezug auf richt. 1990 reduzieren. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Wenig Grund zur Hoffnung gibt allerdings die einstige Kli- makanzlerin mit ihrer Ablehnung der CO2-Steuer und ihrem Sie versuchen, abzulenken. Der Bote ist der Böse. Das ist ei- Auftritt in Sibiu in der letzten Woche. Auch die Bundesregie- ne uralte Geschichte. Das macht man immer so. Wenn ich es rung muss sich hier endlich bewegen. so verkackt hätte wie die SPD, dann würde ich es vielleicht genauso machen. (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der CDU) Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Jetzt ist die Redezeit abgelaufen, Herr Abg. Dr. Gedeon. Bitte, es ist, glaube ich, an- Wie sieht es nun mit der europäischen Flüchtlingspolitik aus? gekommen, was Sie sagen wollten. In Italien bedeutet ein Sieg der Rechtspopulisten, dass Men- schenrechte auf der Strecke bleiben. Über Jahrhunderte war Abg. Dr. Wolfgang Gedeon (fraktionslos): Mehr braucht man die Seenotrettung selbst zu Kriegszeiten Menschenpflicht. In dazu nicht zu sagen. Italien wird man jetzt sogar dafür bestraft. Wir Grünen stehen für Seenotrettung, und wir stehen für mehr Entwicklungszu- (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf des Abg. sammenarbeit, um Fluchtursachen zu bekämpfen. Sascha Binder SPD) Probleme bereitet gegenwärtig auch die Rechtssicherheit. Ge- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Ich schlage vor, dass wir gen Ungarn und Polen laufen EU-Verfahren aufgrund von Ver- den Gesetzentwurf Drucksache 16/5979 zur weiteren Bera- fassungsänderungen und Eingriffen in die Meinungsfreiheit. tung an den Ausschuss für Kultus, Jugend und Sport überwei- Bei Rumänien ist man wegen der Einschränkung der Presse- sen. – Sie sind damit einverstanden. freiheit kurz davor, das EU-Verfahren einzuleiten. Damit haben wir Punkt 3 der Tagesordnung erledigt. Aber schauen wir auf unser Baden-Württemberg. Wir haben Wir springen jetzt zu Punkt 5 der Tagesordnung: uns seit Beginn der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf den Weg zu mehr Europa gemacht. Und mit jedem Schritt Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu- haben gerade wir auch von dieser Gemeinschaft profitiert. ropa und Internationales zu Deutschland hat durch den EU-Binnenmarkt einen jährlichen Wohlstandsgewinn von 86 Milliarden €. Jeder dritte Arbeits- a) der Mitteilung des Ministeriums der Justiz und für Eu- platz im Südwesten hängt vom Export ab. Zwei Drittel aller ropa vom 5. Februar 2019 baden-württembergischen Exporte gehen in den EU-Binnen- markt. Über die Förderprogramme aus Brüssel flossen in der b) der Mitteilung des Ministeriums der Justiz und für Eu- letzten Legislaturperiode 5,1 Milliarden € ins Land, vorwie- ropa vom 30. April 2019 gend in die Landwirtschaft sowie in Forschung und Entwick- Bericht über aktuelle europapolitische Themen lung. Drucksachen 16/5700, 16/6193, 16/6232 So ist es auch für uns in Baden-Württemberg wichtig, dass das neue Parlament die Verhandlungen über den Mehrjähri- Berichterstatter: Abg. Josef Frey gen Finanzrahmen schnellstmöglich fortsetzt. Denn nur als ei-

5625 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Barbara Saebel) niges gemeinsames Europa haben wir eine Chance im Wett- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Liebe Kolleginnen und bewerb mit den Großen wie Amerika, China oder Russland. Kollegen, ich will noch einmal einen Punkt in Erinnerung rufen, damit sich hier nichts Falsches einschleicht. Wir freuen (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) uns immer über Besucherinnen und Besucher auf der Tribü- Auch deshalb müssen wir in der kommenden Legislatur gene. Sie werden aber vom Redepult aus nicht begrüßt, weder meinsame Strategien gegen Steuervermeidung von Großkon- von Mitgliedern des Landtags noch von Staatssekretären und zernen fahren, dies auch, um das soziale Versprechen der Ministern. Das sollten wir nicht anfangen. Marktwirtschaft endlich für alle Europäer einzulösen. (Vereinzelt Beifall) (Abg. Stefan Räpple AfD: Viel Erfolg!) Wir haben jetzt eine neue Kollegin, die zum ersten Mal eine Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Sonntag dieser Woche Rede hier im Haus hält. Für die CDU darf ich Frau Abg. Isa- haben wir 25 Jahre Weltkulturerbe im Kloster Maulbronn ge- bell Huber ans Redepult bitten. feiert. Die Zisterzienserklöster hatten schon im Mittelalter ei- (Beifall bei Abgeordneten der CDU) nen europaweiten Wertekodex und bildeten einen Wirtschafts- verbund. Die Geburtsstätte des Klosters Maulbronn liegt im Abg. Isabell Huber CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin, lie- Kloster Citeaux bei Dijon in Frankreich. Dieses wiederum hat- be Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen te Niederlassungen im heutigen Tschechien, in Katalonien, in und Herren! Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, rund Portugal und sogar in Großbritannien. eine Woche vor der Europawahl auf die Vorzüge Europas ein- zugehen und die Bedeutung dieser anstehenden Wahl zu be- (Abg. Winfried Mack CDU: Christliches Abendland!) tonen. – Genau. – Mit wichtigen Arbeitsgebieten in Landwirtschaft, Wir werden die Probleme in der Welt nicht allein lösen kön- Wissenschaft, Kultur und Sozialem bildeten sie eine Gemein- nen, weder als Baden-Württemberger noch als Deutsche, son- schaft, die sich regelmäßig im Hauptkloster zur Abstimmung dern nur gemeinsam als Europäer in Baden-Württemberg. traf. In gewisser Weise ist das Werk der Zisterzienser ein kultureller Vorfahre der EU. (Beifall bei Abgeordneten der CDU und des Abg. An- dreas Schwarz GRÜNE) (Beifall bei Abgeordneten der Grünen und der CDU – Abg. Winfried Mack CDU: Bravo! – Abg. Anton Denken wir an den Klimawandel, der weder vor meiner noch Baron AfD: Wahnsinn!) vor Ihrer Haustür haltmacht: Aber zurück ins Heute. Aktuell arbeitet Baden-Württemberg (Abg. Anton Baron AfD: Das ist das Wetter!) gemeinsam mit Frankreich in der Frankreich-Konzeption an Er kennt keine Grenzen, findet weltweit statt. Da ist es wich- einer Strategie, die in die Zukunft Europas weist. Neue Brü- tig und richtig, dass das Bundesland Baden-Württemberg da- cken über den Rhein sollen Baden und das Elsass verbinden. gegen vorgeht – ebenso wie die Bundesrepublik als Land. Alte Bahnlinien wie Freiburg–Colmar und Rastatt–Hagenau Aber noch wirkungsvoller ist es, wenn 28 Mitgliedsstaaten sollen reaktiviert werden. gemeinsam dagegen vorgehen und an einem Strang ziehen, (Zuruf: Sehr gut!) (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen Ob in der Schule, im Universitätenverbund Eucor oder in bi- sowie des Abg. Daniel Karrais FDP/DVP) lingualen Berufsschulen: Am Oberrhein soll aus der Sprach- und dafür brauchen wir Europa. Dabei ist es auch verständ- barriere eine selbstverständliche Zweisprachigkeit werden. lich, dass die Entscheidungsfindung oft schwierig ist. Immer- Fessenheim soll mit der Stilllegung des alten Atomreaktors hin sitzen Vertreter von 28 unterschiedlichen Nationen an ei- und dem Aufbau eines grenzüberschreitenden Wirtschafts- nem Tisch – mit teils divergierenden Interessen und Zielen. und Wissenschaftszentrums zum gemeinsamen europäischen Kompromisse sind hier gefragt; diese benötigen oft etwas Projekt werden. Zeit. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Frau Kollegin, bitte be- Die „Vier Motoren für Europa“ sind ein hervorragendes Bei- halten Sie die Uhr im Auge. spiel für Zusammenarbeit bei der Transformation in der Au- tomobilindustrie oder der Digitalisierung bei Gesundheit und (Zuruf: Ja, bitte!) Pflege – Themen, die ebenfalls nicht nur Baden-Württemberg betreffen, sondern auch andere Länder. Hier arbeiten wir Sei- Abg. Barbara Saebel GRÜNE: Sofort. – Außerdem soll ein te an Seite mit Italien, Spanien und Frankreich. Netzwerk für künstliche Intelligenz aufgebaut werden. Mit dem zuletzt genannten Land verbindet uns wiederum ei- Last, but not least soll ein Bürgerfonds für grenzüberschrei- ne ganz besondere Beziehung. Der Vertrag von Aachen bestä- tende Projekte und Städtepartnerschaften zur Verfügung ge- tigt dies nochmals. Darin finden sich auch zentrale Themen stellt werden. für Baden-Württemberg wie das deutsch-französische Netz- Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier wächst das Europa von werk für künstliche Intelligenz, der Zukunftsprozess Fessen- morgen zusammen. heim oder der Ausbau des grenzüberschreitenden Verkehrs. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Die „Vier Motoren für Europa“ und der Vertrag von Aachen – zwei Beispiele für die hervorragende Zusammenarbeit in (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) Europa mit Vorteilen für unser Land Baden-Württemberg. 5626 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Isabell Huber)

Als weiteres Beispiel möchte ich das ebenfalls auf der heuti- Wir sollten also mit klarem Kopf und mit Vernunft gen Tagesordnung befindliche Katastrophenschutzverfahren der Union anführen. Das ist in dem vorliegenden Entwurf ein (Abg. Anton Baron AfD: Weiter so!) wirklich exzellentes Beispiel für Subsidiarität in Europa, bei zur Wahl gehen und uns gut überlegen, wen wir entsenden gleichzeitig gelebter Solidarität. Jeder Mitgliedsstaat kann in wollen. den jeweils vorhandenen Strukturen versuchen, die Katastro- phe – die hoffentlich natürlich nicht eintreten wird – zu lösen. Lassen Sie uns also in vollem Bewusstsein für unsere Zukunft Sollte ein Land dies jedoch nicht schaffen, kann die EU un- unsere demokratische Verantwortung am 26. Mai wahrneh- terstützend angefordert werden, beispielsweise durch rescEU men. oder den Europäischen Katastrophenschutz-Pool, in dem die Mitgliedsstaaten Ressourcen registrieren lassen können, die Vielen Dank. dann bei Katastrophen zum Einsatz kommen, wie beispielsweise die Trinkwasseraufbereitungsmodule des THW. (Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge- ordneten der SPD und der FDP/DVP – Abg. Stefan Hier geht ein besonderer Dank an das Innenministerium so- Räpple AfD: Das haben Sie aber schön abgelesen!) wie das Ministerium der Justiz und für Europa – also an Sie, Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Dann hat Herr Abg. Sän- Herr Wolf –, die sich stark für die Einhaltung der Subsidiari- ze tät eingesetzt und damit an dem nun vorliegenden Entwurf maßgeblich mitgearbeitet haben. (Abg. Thomas Blenke CDU: Jetzt war es eben so schön! – Gegenruf des Abg. Emil Sänze AfD: Muss (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) ich jetzt zerstören! – Gegenruf der Abg. Nicole Ra- zavi CDU: Ja, leider!) Die wichtige Botschaft, die ich heute mit diesem Beispiel Ih- nen allen – insbesondere Ihnen, den Zuhörern – geben möch- das Wort für die AfD. te, lautet: Gemeinsam können wir viel erreichen. Gemeinsam sind wir stark. Abg. Emil Sänze AfD: Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bertelsmann Stiftung legt mitten im EU-Wahl- (Abg. Dr. Wolfgang Reinhart CDU: Sehr gut!) kampf eine Studie vor und preist darin den Europäischen Bin- nenmarkt, die vielen Vorteile der Deutschen. Grundlage sind Dafür brauchen wir Europa, und dafür braucht Europa Ihre die Einkommensdaten von 1992 bis 2012. Beim genaueren Stimme. Denn am 26. Mai ist auch die Europawahl. Um hie- Hinsehen fällt jedoch auf: Die Schweiz – nicht EU-Mitglied, rauf aufmerksam zu machen, tourt dank des Europaministe- Hüter ihrer eigenen Währung, über bilaterale Verträge mit dem riums ein Bus durch ganz Baden-Württemberg. Dieser Bus Binnenmarkt verbunden – hat am meisten profitiert. Das Ein- hat ein Ziel: auf die Europawahl aufmerksam zu machen und kommensplus pro Kopf und Jahr beträgt in der Schweiz Lust aufs Wählen zu machen. 2 914 €.

Ich kann Ihnen versichern: Ich habe Lust auf die Europawahl. (Abg. Bernd Gögel AfD: Hört, hört!) Ich habe Lust auf ein starkes, proeuropäisches Europa. Wenn ich bei mir zu Hause die Plakate einiger bestimmter antieuro- Es folgen Luxemburg, Irland sowie Belgien, Österreich und päischer Parteien – ich schaue unauffällig auf die rechte Sei- die Niederlande. Frankreich steht mit einem Einkommensplus te – von 1 074 € an siebter Stelle und Deutschland mit einem Ein- kommensplus von 1 046 € pro Kopf und pro Jahr auf Platz 8. (Beifall des Abg. Daniel Karrais FDP/DVP – Abg. Man kann sagen: abgeschlagen auf Platz 8. Das ist Ihr viel ge- Anton Baron AfD: Was ist daran antieuropäisch?) lobtes Erfolgsmodell! (Abg. Bernd Gögel AfD: Abstieg!) hängen sehe, dann kann ich Ihnen sagen: Wir leben hier in Ba- den-Württemberg bereits seit vielen Jahren in einem friedli- Fakt ist: Der Plan der EU-Umverteilung kommt auf Deutsch- chen und solidarischen Europa. Unserem Ländle geht es dank land zu. Deutschland wird entreichert. Für Baden-Württem- Europa so gut. Denken Sie an die Wirtschaft, an den baden- berg haben wir in der letzten Plenarsitzung aufgezeigt: 3,35 württembergischen Export in die EU; denken Sie an die Land- Milliarden € fließen netto nach Brüssel, und zwar Jahr für Jahr. wirtschaft. Wo wären wir hier ohne die EU? Schmallippig hat unser Europaminister diese Zahl letzte Wo- che mit 0,84 Cent pro Tag und Einwohner bestätigt. Die Be- (Beifall bei der CDU und den Grünen sowie Abge- lastungen werden mit einem eigenen Eurozonenhaushalt und ordneten der SPD und der FDP/DVP) einem aufgeblähten Mehrjährigen Finanzrahmen weiter steigen. Das wird mit dem Brexit noch verstärkt. Diese Frage möchte ich nicht beantworten müssen. Daher lassen Sie uns gemeinsam am 26. Mai die Weichen dafür stellen, Schauen wir uns die durchschnittlichen jährlichen Zuwachs- dass so etwas wie ein „Dexit“ – der tatsächlich von manchen raten des deutschen BIP von 1972 bis 1992 an. Dieser Zu- gefordert wird – nicht eintritt, dass keine Parteien ins Euro- wachs betrug 2,7 % pro Jahr. Die durchschnittliche Zuwachs- päische Parlament gewählt werden, die die EU abschaffen rate des deutschen BIP von 1993 bis 2013 betrug 1,4 % pro wollen oder dieser kritisch gegenüberstehen. Denn es steht Jahr. Trotz Binnenmarkt und trotz Euro 48 % weniger Wachs- viel auf dem Spiel. tum als zuvor. Das nennen Sie Erfolgsmodell? (Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Gedeon [fraktionslos]) (Zuruf des Abg. Bernd Gögel AfD)

5627 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Emil Sänze)

Wir sollten die Handelsbeziehungen mit China, Japan, Korea, Abg. Emil Sänze AfD: Ich bin gleich fertig. – Wenn die Neh- den USA und selbst mit Russland verstärken. Im Handel mit merländer die Oberhand bekommen, gibt es nur noch Euro- diesen Staaten werden deutsche Unternehmen innovativ ge- bonds, und die Gelddruckmaschine der EZB wird angewor- fordert. Hier herrscht internationaler Druck, um im Wettbe- fen. Es gibt nur eine Alternative, es gibt nur ein Erfolgsmo- werb bestehen zu können. dell, und das heißt Alternative für Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD) Danke.

Das schafft werthaltige Arbeitsplätze, von denen Menschen (Beifall bei der AfD und des Abg. Dr. Wolfgang Ge- auch noch leben können. Vor allem bekommen wir von die- deon [fraktionslos] – Vereinzelt Lachen) sen Staaten unsere Waren auch bezahlt. Der EU-Binnenmarkt bremst Innovationen. Zum Teil können sich die Abnehmer un- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Abg. Hofelich für die sere Waren und Dienstleistungen nicht mehr leisten. Oder SPD. – Ich darf Sie nach vorn bitten. glauben Sie, die TARGET2-Salden in Billionenhöhe entstehen von allein? Was ist denn das für ein Erfolgsmodell? (Zuruf von der SPD)

Lesen Sie die Warnungen der Deutschen Bundesbank, des In- Abg. Peter Hofelich SPD: Verehrte Frau Präsidentin, werte stituts der deutschen Wirtschaft und weiterer renommierter Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren! Wie Volkswirte. Alle kritisieren die fahrlässige Geldpolitik der immer muss man, wie bei den James-Bond-Filmen, etwas vor- EZB. Ihre aberwitzigen EU-Steuern – siehe Bundesratsdruck- weg bringen, etwas, was mit der eigentlichen Geschichte gar sache 31/1/19 – bedeuten, Benzin ins Feuer zu gießen. Ihre nichts zu tun hat. Dies ist jetzt Folgendes: Herr Sänze, alt sieht Parolen sind kein Erfolgsmodell. Sie, die Altparteien, gehen hier nur eine politische Kraft aus, nämlich Ihre Partei, weil fahrlässig mit deutschen Steuergeldern um. die Leute Ihnen in Ihrer Schleimspur nicht folgen. Das ist das Ergebnis von Umfragen, wie wir wissen. Es verfängt nicht, (Beifall bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Dr. was Sie hier an Feindlichkeit aufbauen wollen. Wolfgang Gedeon [fraktionslos]) (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen Bestes Beispiel: die Europawahltournee von Herrn Wolf und und der CDU – Abg. Andreas Stoch SPD: Sehr gut! der Neubau der Landesvertretung Baden-Württembergs in – Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD) Brüssel. Ihre Parolen sind kein Erfolgsmodell. Die Bürger sollen nicht wissen, was auf sie zukommt. Damit komme ich zur eigentlichen Story, denn auch in den James-Bond-Filmen ist der erste Bösewicht ja meist schon So wurde hier im Landtag die Behandlung des Reflexionspa- vorbei, wenn die erste Filmszene gedreht ist. Deswegen viel- piers der EU-Kommission „Auf dem Weg zu einem nachhal- leicht noch ein paar Sätze – auch mit Respekt vor der Kolle- tigen Europa bis 2030“, Drucksache 16/5881, in den nicht öf- gin von der CDU – zu den schönen Worten und Einschätzun- fentlich tagenden Umweltausschuss verlegt. Typisch! Das ist gen, die mir zeigen, dass wir auch auf ein gemeinsameres Ver- Ihr Verständnis von Europa. ständnis der europäischen Politik in Baden-Württemberg zu- laufen. Ihre Parolen sind kein Erfolgsmodell. Deshalb wollen wir, dass alle Parlamente in der EU ihre Regierungen an nationa- Wir hatten ja in dieser Woche Vorarlberger Kolleginnen und le Beschlüsse binden. Regierungen sollen so abstimmen, wie Kollegen zu Gast, die gestern auch hier im Landtag waren, es ihnen jeweils das Parlament vor Ort vorgibt. So wird Sub- die vorgestern und gestern mit uns Gespräche geführt haben. sidiarität gelebt. Wir wollen, dass die Heimatländer entschei- Ich muss einfach sagen: Es ist das schöne Gefühl, dass ich den und nicht die EU und schon gar nicht der EuGH. nicht den Eindruck habe, dass ich mit den Vorarlbergern frem- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) der wäre, als wenn jemand aus Mecklenburg-Vorpommern bei uns zu Gast wäre – es ist einfach eine ganz normale Geschich- Wir wollen, dass die Europäische Union ein Angebot zur Hil- te –, vermutlich sogar etwas näher. fe ist, ein gemeinsames Projekt. Die Rückbesinnung auf die eigene Kultur und auf die eigenen Interessen ist zwingend er- Deswegen meine ich, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir forderlich. haben in Europa zunehmend eine Situation, die wir jetzt – vielleicht auch in den paar Tagen vor der Wahl – reflektieren (Beifall bei Abgeordneten der AfD) sollten. Wir werden in die Situation kommen, in der es nicht mehr darum geht, jede Europarede mit der Erklärung zu be- Wir wollen, dass Absprachen und EU-Recht eingehalten wer- ginnen, ob man für oder gegen Europa ist. Ich beginne hier den. Staatspleiten müssen bedauerlicherweise zugelassen wer- im Landtag auch nicht jede Rede damit, dass ich sage, ob ich den – auch mit der Konsequenz eines Austritts. für oder gegen Berlin bin oder ob ich für oder gegen die Bun- despolitik bin. Wir wollen, dass im Rat nach dem Austritt Großbritanniens die Niederlande, Finnland und Deutschland eine Sperrmino- Wir werden in die Situation kommen, in der wir einfach zu rität erhalten. dem, was auf der europäischen Agenda steht, unsere Position formulieren und dann versuchen, sie auch tatsächlich einzu- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Abg. Sänze, Sie ha- bringen. Ich glaube, dazu haben wir allen Grund, denn wir haben die Redezeit schon weit überzogen. ben auch einiges dafür getan. 5628 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Peter Hofelich)

Wir haben heute eine Situation im Großen, in der den Englän- aber es hat immerhin eine Debatte stattgefunden – Kramp- dern, den Briten beim Austritt aus der EU niemand folgen will, Karrenbauer nimmt Stellung zu Vorschlägen Macrons. Auch in der all das, was da gesagt worden ist, gar nicht eingetreten wenn ich selbst eher den Vorstellungen Macrons zuneige, gibt ist. es eine Debatte. Wir haben Debatten im Fernsehen, Europäer werden in Talkshows eingeladen. Wir haben die Situation, Wir haben eine Situation, in der alle nur lächeln, wenn allein dass Zeitungen in unserem Land ihre Titelseiten auch einmal über die Zahlmeisterrolle geredet wird, weil Leute, die nur in für ein europäisches Headliner-Oberthema öffnen. Die Sache einem starren Denken „Was gebe ich, und was nehme ich?“ wird also normaler, auch in der europäischen Öffentlichkeit. verhaftet sind, von Europa überhaupt nichts kapiert haben. Auch wir sollten dazu beitragen – so, wie wir am vergange- (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü- nen Montag im Zusammenhang mit dem EU-Projekttag an nen, der CDU und der FDP/DVP – Zuruf des Abg. Schulen Jugendliche aus der Lombardei, aus Katalonien und Dr. Heiner Merz AfD) aus Auvergne-Rhône-Alpes hier zu Gast hatten. Das spreche ich für alle Kollegen an, die sich darüber gefreut haben. Es Europa ist ein dynamischer Prozess, bei dem man auch nicht gibt einen Austausch, und dieser Austausch muss ganz nor- so schuldbeflissen sagen muss: Förderprogramm. Natürlich mal werden, meine Damen und Herren. holen wir das, was geht, und die Anwendung ist auch sinnvoll. Aber die Unternehmen, die in unserem Land ansässig (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü- sind, wissen ganz genau, was die offenen Grenzen bedeuten. nen, der CDU und der FDP/DVP)

Ich sage auch noch einmal: Es gibt Dinge, bei denen man sta- Ich habe mich im Vorfeld der bevorstehenden Wahl heute auf tistisch sicher genauer hinschauen darf. Wenn wir mit Schwei- diese Aspekte konzentrieren wollen. Ich spreche jetzt nicht zer Kollegen zusammen sind, sagen die uns schon: „Bei euch über die großen Herausforderungen des sozialen Europas, das merkt man im Verhältnis zu uns in der Schweiz, dass ihr hier für uns Sozialdemokraten natürlich noch entwicklungsfähiger in Deutschland in den letzten Jahrzehnten einen Niedriglohn- ist als das, was heute als große Verteidigungspolitik oder gro- sektor gepflegt habt, mit dem wir als Partnerland von Deutsch- ße Migrationspolitik benannt wird. Dafür sind wir auch, aber land eigentlich nicht einverstanden sind.“ Darüber kann man wir wissen ganz genau, dass die entschlossene Gelassenheit gern reden, denn dann kommen wir auch zu den Einkommen, im Umgang mit Europa eine wirkliche Stärke ist. Wer, wenn die hier zitiert worden sind. Aber man kann nicht darüber re- nicht Baden-Württemberg, sollte hier vorangehen? den, dass wir geschlossene Grenzen wollen – überhaupt nicht. Danke schön. (Abg. Dr. Heiner Merz AfD: Grenzkontrollen! Kon- trollen! – Abg. Anton Baron AfD: Keiner will die (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grünen Grenzen schließen! Das wissen Sie selbst!) und der CDU)

Wir sind uns in der globalen Strategie einig. Ich brauche hier Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Kollege Karrais nicht Günther Oettinger zu zitieren. Wir brauchen uns ja nicht spricht für die FDP/DVP-Fraktion. noch groß über die Strategie zu einigen. Günther Oettinger hat es auf den Punkt gebracht: Die zukünftige Frage wird sein, Abg. Daniel Karrais FDP/DVP: Sehr geehrte Frau Präsiden- ob es in der Welt G 2 oder G 3 gibt, ob es G 2 mit China und tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Viele wichtige Themen den Vereinigten Staaten gibt, oder ob es G 3 gibt. Das ist die beschäftigen uns vor dieser Wahl; das hat auch die bisherige wirkliche Frage. Wir haben mit G 3 eine gute Ausgangsposi- Debatte gezeigt. In einem Punkt sind sich alle Parteien im We- tion, wenn wir Europa stark machen. sentlichen einig: dass wir eine Reform der Europäischen Uni- on brauchen. Ich habe mich für unsere Autoindustrie gut gefühlt, als Jean- Claude Juncker auf die andere Seite des großen Teichs gegan- Jetzt gibt es die einen, die sagen, sie wollten die EU reformie- gen ist und gesagt hat: „Lieber Herr Trump, jetzt lasse ich aber ren, weil sie sie weiterhin gestalten wollen. Dann gibt es die auch einmal die Muskeln spielen. anderen, die eher destruktiv unterwegs sind und mit irgend- welchen „Ich zahle mehr ein, als ich herausbekomme“-Dis- (Zuruf des Abg. Dr. Heiner Merz AfD) kussionen einsteigen. Letztere sind die Parteien, die wir ab- Ich kann verhindern, dass wir mit Strafzöllen unterwegs sind.“ lehnen. Ich glaube, wir sind uns zumindest auf dieser Seite Deswegen: Eine Politik der europäischen Stärke ist eine gute des Hauses einig, dass wir eine Reform der Europäischen Uni- Politik für Baden-Württemberg, meine Damen und Herren. on im positiven und nicht im destruktiven Sinn wollen. (Beifall bei der SPD sowie Abgeordneten der Grü- (Beifall bei der FDP/DVP sowie Abgeordneten der nen, der CDU und der FDP/DVP) Grünen und der SPD) Wir haben übrigens das wichtigste Elixier für die Demokra- Eine Reform ist aus unserer Sicht dringend notwendig, vor al- tie: Wir haben zunehmend eine europäische Öffentlichkeit. lem beim Thema Einstimmigkeit, im Hinblick auf eine Rück- Die hatten wir, Herr Europaminister der vergangenen Jahre, besinnung auf wirklich zentrale Fragen, die europaweit gelöst viele Jahre nicht. Zunehmend haben wir sie. werden müssen, also eine Rückbesinnung auf das Subsidiari- tätsprinzip, wie es festgeschrieben ist. Notwendig ist vor al- Ich halte den Artikel von Frau Kramp-Karrenbauer als „An- lem eine Stärkung des Europäischen Parlaments, z. B. über ti-Macron“ in der „Süddeutschen Zeitung“ zwar für falsch, ein Initiativrecht und echte Kontrollrechte gegenüber der Eu-

5629 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Daniel Karrais) ropäischen Kommission. Dann können wir auch von einer de- Das sehen wir sehr, sehr kritisch. Das sollte weiterhin eine mokratischeren EU reden. staatliche Aufgabe sein. Es darf nicht sein, dass Unternehmen jetzt darüber unterscheiden – und das auch noch automati- (Abg. Anton Baron AfD: Und Sie nennen sich „Frei- siert –: Was ist ein guter Inhalt im Internet, und was ist ein heitliche Partei“!) schlechter Inhalt im Internet? Das sollte in unser aller Sinn sein. (Beifall bei der FDP/DVP) Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Vorschlä- Insbesondere sind davon auch kleine Unternehmen betroffen, ge gemacht und hat versucht, bei Bundeskanzlerin Merkel zu die das gar nicht mehr stemmen können. Das heißt, wir haben lancieren, wie die EU aus seiner Sicht aussehen könnte. Das der Internetwirtschaft in der Europäischen Union eigentlich wäre schon einmal ein guter Debattenbeitrag gewesen, eine einen Bärendienst erwiesen. Da, muss man auch sagen, hat gute Diskussionsgrundlage, um aus den zwei stärksten Mit- sich die CDU nicht mit Ruhm bekleckert. Ich würde sagen: gliedsstaaten heraus mit einem klaren Plan anzutreten, wie es Es ist sogar ein Sündenfall der Europapolitik der CDU, dass mit der Europäischen Union weitergehen könnte. Damit hät- man bei diesen Beschlüssen in letzter Minute mitgemacht hat. te man auf Tour gehen und die anderen Mitgliedsstaaten über- zeugen können: So kann es aussehen, so kann es funktionie- (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der ren. SPD)

Leider ist dieser Versuch von Macron aber an der Kanzlerin Auch von den Grünen bin ich da leider enttäuscht, weil – – abgeprallt, die dies an Frau Kramp-Karrenbauer abgeschoben (Oh-Rufe – Zuruf von den Grünen: Das tut mir leid! hat. Europapolitisch bringt es natürlich nicht besonders viel, – Abg. Andreas Stoch SPD: Weil Sie neu sind, Herr wenn die Kanzlerin das auf die Ebene einer nationalen Partei- Karrais!) vorsitzenden abgibt. Das ist sehr schade. Wir kritisieren das in aller Form und hätten uns hier wirklich mehr Einsatz der Denn auf Europaebene haben Sie getönt, Sie fänden die Up- Kanzlerin gewünscht. Ihn hätten wir gebraucht, wenn wir in loadfilter auch ganz schwierig, aber als die FDP-Fraktion im der EU ernsthaft etwas verändern wollen. Bundestag eine entsprechende Initiative eingebracht hat, haben Sie leider nur mit Stimmenthaltung votiert, und nur Lin- (Beifall bei der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der ke und AfD haben dieser Initiative zugestimmt. SPD) (Abg. Stefan Herre AfD: Aha! Hört, hört!) Vor allem wenn es darum geht, mit den Franzosen gemeinsame Sache zu machen, sollten wir das auch tun. Frankreich ist Da hätte ich mir von den Grünen einen anderen Einsatz ge- für uns ein sehr wichtiger Handelspartner, Frankreich ist ein wünscht, wenn sie auf europäischer Ebene anders auftreten kultureller Partner. Uns bewegt eine gemeinsame Geschich- als auf nationaler Ebene. te, die sehr, sehr lange zurückreicht. Vor allem sind diese beiden Staaten die Mitte Europas und deshalb auch der Garant (Abg. Anton Baron AfD: So sind halt die Grünen!) für den Frieden in der Europäischen Union. Wir sollten diese Führungsposition auch nicht von uns weisen, sondern sie nut- In diesem Sinn hoffe ich auf eine gute Wahlentscheidung der zen und gestalten. Wählerinnen und Wähler. Die Ideen, wie es mit der Europäi- schen Union weitergehen kann und muss, stehen zur Dispo- Aus dem vergangenen Berichtszeitraum will ich noch ein The- sition. Da hoffen wir einfach auf sinnvolle Entscheidungen ma ansprechen, das mich persönlich, aber auch viele andere, und werden sehen, was am 26. Mai passiert. eher jüngere Leute ziemlich gestört hat. Das Thema Upload- Vielen Dank. filter wurde heiß diskutiert und hat zu einigen Protesten ge- führt. Manche können es schon nicht mehr hören, aber ich se- (Beifall bei der FDP/DVP und der Abg. Barbara he das nicht so. Darüber muss man reden, denn letztendlich Saebel GRÜNE – Vereinzelt Beifall bei der CDU) ist hier etwas passiert, indem man auf europäischer Ebene in letzter Minute einen Beschluss gefasst hat. Das wäre an sich Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Jetzt spricht Herr Minis- gar nicht nötig gewesen, denn man hat eigentlich gesehen: ter Wolf für die Regierung. „Die Lösung, die wir uns jetzt erdacht haben, ist nicht opti- mal.“ Darum hätte man eigentlich noch einmal in die Revisi- Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf: Frau Prä- on gehen müssen, um die Verordnung, die beschlossen wur- sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, bewegte Zeiten de, noch einmal zu überarbeiten. in Europa: Wahlkampfstimmung allenthalben, und dabei sind die Rahmenbedingungen rings um Europa derzeit turbulent (Abg. Anton Baron AfD: Zensur! Zensur!) genug, um sie auch wirklich als Notwendigkeit für ein ge- schlossenes Europa zu begreifen. Wir Freien Demokraten sehen nämlich das, was passiert ist und was beschlossen wurde, als einen Angriff auf die Kunst- Brüssel und die europäischen Staaten bewegt in diesen Tagen und Meinungsfreiheit, und sehen es äußerst kritisch, quasi die die Sorge vor einer Verschärfung des Handelskonflikts zwi- Rechtsaufsicht darüber, was legale und was illegale Inhalte schen China und den USA. Ein solcher Handelskrieg – das im Internet sind, an Privatunternehmen zu übertragen. wissen wir – würde nur Verlierer kennen. In den USA gibt es die Sorge vor einer Rezession. Die Verbraucherpreise für (Abg. Anton Baron AfD: So ist es!) Haushaltsgeräte sind bereits gestiegen, und die Farmer stehen 5630 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Minister Guido Wolf) vor vollen Silos, weil sich der Zugang zu ihren Absatzmärk- und Kollegen, kommt die Friedensdividende, und diese lässt ten erschwert hat. sich nicht in Zahlen ausdrücken. 70 Jahre Frieden und Frei- heit im Herzen unseres Kontinents sind unbezahlbar. Aber auch wir sind betroffen. Der Handelsstreit belastet nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft die deut- (Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU und sche Exportwirtschaft schon jetzt mit 2 Milliarden €, und uns der FDP/DVP – Vereinzelt Beifall bei der SPD) in Baden-Württemberg als Exportland trifft das in ganz besonderer Weise. Wer die Europäische Union nur mit dem Taschenrechner be- trachtet, hat die europäische Idee nicht verstanden, liebe Kol- In dieser angespannten handelspolitischen Situation zeigt sich leginnen und Kollegen. der Wert der EU und des Binnenmarkts. Die EU ist als größ- ter Binnenmarkt der Welt in diesen unruhigen Zeiten noch ein (Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der sicherer Hafen, und wir in Baden-Württemberg sind Haupt- FDP/DVP) profiteure dieses Binnenmarkts. 52 % der Exporte aus Baden- Württemberg gehen in die anderen Länder der Europäischen Wir hatten vor wenigen Tagen hier im Plenarsaal ein beglü- Union. ckendes, ein erfreuliches Bild. Da saßen nämlich auf all diesen Plätzen junge Menschen. Es sind auch heute nur Men- (Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]: Das wür- schen jüngeren Alters auf diesen Plätzen. den sie auch so!) (Heiterkeit) Ich würde mir daher schon wünschen, dass man bei mancher Kritik, die man hier gegenüber Europa und der Europäischen Aber vor wenigen Tagen war es noch eklatanter. Da war spür- Union formuliert, diese nackten Tatsachen nicht ausblendet. bar, dass die junge Generation für Europa brennt ... Wir sind Profiteur im Herzen Europas. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Minister! (Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf: ... und FDP/DVP – Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) selbstverständlich dieses gemeinsame Europa lebt. Mein Ein- Herr Sänze, Sie haben darauf verwiesen, dass ich auch in der druck ist: Die junge Generation wächst mit einem ganz ande- letzten Debatte auf die Bertelsmann Stiftung hingewiesen hät- ren europäischen Bewusstsein auf. Mit unserer Kollegin Isa- te und nach Ihrer Einschätzung den Cappuccino-Index schmal- bell Huber hat heute auch eine Vertreterin dieser noch ganz lippig vorgetragen hätte. Ich bedaure; ich habe immer solche jungen Generation zu uns gesprochen. Es ist unsere Verant- Lippen. wortung, dieses Europa auch als Vermächtnis für die junge Generation in die Zukunft zu tragen und weiterzuentwickeln, (Heiterkeit – Vereinzelt Beifall – Zuruf des Abg. Dr. liebe Kolleginnen und Kollegen. Heinrich Fiechtner [fraktionslos]) (Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der Insofern war in dieser Situation nichts verändert. Aber klar FDP/DVP) ist, ob schmallippig oder nicht: Baden-Württemberg gehört auch nach dieser Studie der Bertelsmann Stiftung zur Spitzen- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Minister, lassen Sie gruppe der Regionen, die dank des Binnenmarkts die höchs- eine Zwischenfrage des Herrn Abg. Räpple zu? ten Einkommensgewinne pro Kopf erzielen; Deutschland ist in der Gruppe der Top Ten und Baden-Württemberg innerhalb (Zuruf: Nein!) Deutschlands hier noch einmal ganz an der Spitze. Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf: Na ja, bit- Wir haben in dieser Woche vorgetragen, dass die EU-Förder- te schön. Ich bin belastbar. politik direkte finanzielle Vorteile und einen Mehrwert für uns (Heiterkeit) erbringt – das war gestern auch Gegenstand der Regierungs- befragung –: 5,1 Milliarden €, die in der jetzt zu Ende gehen- Abg. Stefan Räpple AfD: Schönen guten Tag, Herr Minister! den Förderperiode nach Baden-Württemberg geflossen sind. Sie sprachen jetzt von dem Friedensprojekt Europa. Ich neh- Also, das muss man schon all denjenigen sagen, die immer me an, Sie meinen die EU. wieder unterwegs sind nach dem Motto: „Wir bezahlen in diese Europäische Union nur hinein, andere nehmen heraus.“ Da habe ich eine Frage: Wie bewerten Sie denn die Kriegs- Nein, auch wir profitieren durch ganz konkrete europäische waffenproduktion in Baden-Württemberg, wie bewerten Sie Projekte vor Ort, vor Ihren Haustüren, von dieser Europäi- Waffenexporte nach Saudi-Arabien von Deutschland aus, wie schen Union. Da steht nicht nur „Europa“ drauf, da ist „Eu- bewerten Sie den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in den ropa“ drin, liebe Kolleginnen und Kollegen. Neunzigerjahren auf die Bundesrepublik Jugoslawien von der EU aus? (Beifall bei Abgeordneten der Grünen, der CDU, der SPD und der FDP/DVP) (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Wie bewerten Sie den Friedensnobelpreis?) Mir ist es aber schon wichtig, bei dieser doch sehr von öko- nomischen Inhalten dominierten Debatte auch immer wieder Wie bewerten Sie die Kriegswaffen, also die Bundeswehrein- darauf hinzuweisen, dass es nicht nur darum geht, auf die di- sätze in Afghanistan, in Mali, in Syrien? Sie sprechen also rekten monetären Vorteile in Form von EU-Geldern zu schau- vom Friedensprojekt EU und davon, es gehe nie wieder Krieg en. Zu diesen wirtschaftlichen Vorteilen, liebe Kolleginnen von unserem Land aus?

5631 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019

Minister der Justiz und für Europa Guido Wolf: Wenn die- ropa den gemeinsamen Weg von Frieden, Freiheit und Wohl- se Fragen das Einzige sind, was Ihnen zu meinem Hinweis stand weitergeht, ob wir Europa gemeinsam besser machen einfällt, dass Europa vor allem auch eine deutliche Friedens- wollen – denn noch ist nicht alles perfekt; natürlich muss man dividende zu verzeichnen hat, dann ist das erbärmlich genug, in diesem Europa auch manches noch besser machen – oder Kollege Räpple. Auch das muss in diesem Haus einmal deut- ob diejenigen triumphieren, die Europa scheitern sehen wol- lich gesagt werden. len. (Beifall bei den Grünen, der CDU, der SPD und der Und weil Politik auch aus Personen besteht, wird das Ergeb- FDP/DVP – Zuruf: Jawohl!) nis der Europawahlen auch einen ganz erheblichen Einfluss auf die Besetzung zahlreicher Spitzenpositionen haben. Zwei Ich bin froh, dass die junge Generation hier ein anderes Emp- Drittel der Kommissarinnen und Kommissare werden nach finden, ein anderes Gespür für Europa entwickelt hat. Trotz- dieser Europawahl ausgetauscht. dem machen sich junge Europäerinnen und Europäer auch Sorgen um Europa. Das betrifft zum einen die kommende (Zuruf: Gott sei Dank!) Wahl und die Frage: Wie kann Meinungsfreiheit im digitalen Zeitalter gesichert werden? Wie können Fake News, aus Staa- Da wird sich natürlich auch Wesentliches in der künftigen Ar- ten wie Russland gelenkte Meinungsmanipulationen verhin- beit verändern. Zu viel Zeit für Personalfragen sollten sich dert werden? Da hat die junge Generation ein ausgeprägtes Parlament und Rat aber nicht nehmen. Denn es geht sehr Problembewusstsein. Zum anderen beschäftigt junge Men- schnell darum, die künftigen Aufgaben und Herausforderun- schen natürlich der Klimawandel, die Flüchtlingskrise oder gen anzugehen. Wir brauchen in diesem Jahr noch Fortschrit- die Rolle der Europäischen Union in der Welt. te bei den Verhandlungen über den Mehrjährigen Finanzrah- men 2021 bis 2027. Wir können es uns nicht leisten, Europa Der gemeinsame Nenner vieler Gespräche ist aus meiner auf der Basis unkalkulierbarer Zahlen in einen Mehrjährigen Sicht: Für all diese Fragen brauchen wir nicht weniger Euro- Finanzrahmen in die kommenden Jahre zu schicken. Auch pa, sondern mehr Europa. Kalkulierbarkeit, Planbarkeit gehören in Europa dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü- nen und der FDP/DVP – Abg. Andreas Kenner SPD: (Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü- Ja, ja!) nen, der SPD und der FDP/DVP) Baden-Württemberg oder Deutschland allein wären überfor- Wir brauchen dazu eine Reform der gemeinsamen Asylpoli- dert; erst die Staaten Europas zusammen bringen das nötige tik. Gelingen den Staaten der Europäischen Union in der Mi- politische und ökonomische Gewicht auf die Waage, um wirk- grationspolitik keine Fortschritte, wird der Glaube an die Pro- lich etwas zu erreichen. blemlösungskompetenz der EU dauerhaft beschädigt. Und wir brauchen neue Akzente nach außen. Das betrifft die Länder Vor wenigen Tagen fand der Sondergipfel in Sibiu statt, auf des westlichen Balkans, die sich um Fortschritte bei der An- dem sich die Staats- und Regierungschefs dazu verpflichtet näherung an die EU bemühen, das betrifft die dauernden He- haben, eine gemeinsame europäische Zukunftsagenda aufzu- rausforderungen durch autokratische Regimes wie in Russ- stellen. Die Erklärung von Sibiu hat zudem die hohe Bedeu- land oder der Türkei, und das betrifft das gespannte Verhält- tung der Rechtsstaatlichkeit als grundlegenden Wert der EU nis zu Trump und seiner Regierung in Washington. betont. Am Ende werden bei all diesen Herausforderungen nur Einig- In Osteuropa und gerade in Rumänien als Gastgeberland des keit und Geschlossenheit zum Ziel führen. Wer uns schwä- Gipfels haben wir in jüngster Zeit besorgniserregende Ent- chen will, der will uns spalten. Das dürfen wir nicht zulassen. wicklungen, insbesondere im Hinblick auf die Unabhängig- Wenn Europa in der Welt ernst genommen werden will, dann keit der Justiz, gesehen. Dies kritisch anzusprechen, deutlich muss es mit einer Stimme sprechen, dann muss es zusammen- zu machen, dass wir solche Verstöße gegen die Rechtsstaat- stehen, auch wenn einem der Wind ins Gesicht bläst. lichkeit, wie wir sie uns als Fundament Europas vorstellen, nicht dulden, gehört auch zu unserer Verantwortung, liebe (Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge- Kolleginnen und Kollegen. ordneten der SPD – Heiterkeit des Abg. Winfried Mack CDU) (Beifall bei der CDU sowie Abgeordneten der Grü- nen, der SPD und der FDP/DVP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir, das Europaministeri- um, denken natürlich bereits über den Wahltag hinaus. Wir Der 26. Mai ist deswegen ein Schlüsselmoment für die künf- werden auf der Basis unseres in Baden-Württemberg erarbei- tige Entwicklung Europas. Vor wenigen Minuten gingen auch teten Europaleitbilds die Erwartungen des Landes an die neue aktuelle Zahlen des SWR über den Ticker. Die Europawahl Kommission formulieren. Zusammen mit allen Ressorts gilt stößt auf großes Interesse: 72 % geben an, sich für die Wahl es, die Interessen der Menschen im Land zu artikulieren. Als stark oder sehr stark zu interessieren. Das ist gegenüber den Grundlage dafür haben wir dieses Leitbild entwickelt. Wir Zahlen, die wir noch vor zwei oder drei Wochen hatten, ein wollen Europa gemeinsam besser machen. Dazu gehört auch erfreulicher Zuwachs. 52 % sehen in der EU-Mitgliedschaft eine hohe Wahlbeteiligung, um die wir bis zur letzten Stunde eher Vorteile für Baden-Württemberg. vor den Europawahlen werben. Das sind gute Ausgangszahlen, die sich natürlich noch entwi- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich baue auf Ihre Unterstüt- ckeln lassen. An diesem 26. Mai wird sich entscheiden, ob Eu- zung für eine hohe Wahlbeteiligung, für ein klares Votum für 5632 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Minister Guido Wolf)

Europa im Interesse unseres Heimatlands und im Interesse un- (Zuruf von der SPD: Falsch!) seres ganzen Kontinents. Am 26. Mai werden Sie schon sehen, was für eine Klatsche Herzlichen Dank. diese Europaeuphoriker einfangen werden. Es hat doch einen guten Grund, warum die neue Partei von Nigel Farage mitt- (Beifall bei den Grünen und der CDU sowie Abge- lerweile ein Viertel aller Wähler auf sich vereinen wird. Auch ordneten der SPD und der FDP/DVP) andere EU-kritische – ich sage nicht europakritische, sondern EU-kritische – Parteien werden hier eine ganz große Ernte Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun hat das Wort Herr einfahren. Abg. Dr. Fiechtner. (Abg. Stefan Räpple AfD: Gut so!) (Abg. Gernot Gruber SPD: Es bleibt einem auch nichts erspart! – Unruhe) Wenn Sie sich da nicht ändern und wenn Sie nicht zurückkeh- ren zu den Prinzipien der Freiheit Abg. Dr. Heinrich Fiechtner (fraktionslos): Frau Präsiden- tin, sehr verehrte Damen, sehr geehrte Herren! Diese Euro- (Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE) pasäuselei, diese Lyrik, die da abgeliefert wird, ist wirklich zum Davonlaufen. und der Subsidiarität, also, den Völkern mehr Rechte zu geben, so wie es ursprünglich bei der Europäischen Wirtschaftsgemein- (Beifall bei der AfD – Zuruf von den Grünen: Dann schaft mal war, dann wird genau das passieren, was eine Um- machen Sie das doch! – Zuruf des Abg. Rainer Hin- frage – von heute, nachzulesen bei „t-online“ – zeigt, ... derer SPD – Weitere Zurufe – Unruhe) Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Kommen Sie bitte zum Dieses Hochloben dieses supranationalen Konstrukts – – Schluss, Herr Abg. Dr. Fiechtner. (Unruhe) (Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE – Unru- he) Ich stehe für mein Volk ein. Deswegen stehe ich hier und leis- te Ihrem ganzen Ansinnen Widerstand. Abg. Dr. Heinrich Fiechtner (fraktionslos): ... dass die Mehr- heit der Bürger in der Europäischen Union mit dem Untergang (Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD – Unruhe) der EU innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahre rechnen. In Was Frau Saebel gesagt hat, lässt aufleuchten, was uns in die- Deutschland sind es mehr als 50 %. sem Konstrukt alles erwarten wird. Wir werden mit Angstsze- (Zuruf der Abg. Andrea Bogner-Unden GRÜNE) narien überhäuft: Klimarettung – dieser Popanz, der hier aufgebaut wird; die CO2-Steuer Das ist der Thinktank European Council on Foreign Relations. (Abg. Anton Baron AfD: Plastiksteuer!) (Unruhe) ist letztlich nur einer der Ausflüsse dieser Angstmacherei, um Wenn Sie so weitermachen, dann dauert es keine zehn Jahre; die Bürger noch mehr zu belasten und noch mehr einzuschrän- dann ist das Spiel schon in fünf Jahren vorbei. ken. (Beifall bei Abgeordneten der AfD – Zuruf: Das hät- Die Seenotrettung wird hier bemüht. Das ist eine glatte Lüge. ten Sie wohl gern!) Das, was Salvini gemacht hat oder tut, steht in völliger Über- einstimmung mit dem Seerecht. Er lässt die Leute halt nicht Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Meine Damen und Her- dorthin, wo sie hinwollen. ren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. (Zuruf von den Grünen: Er lässt sie lieber ertrinken!) Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa und Internationales, Drucksache Wir sind kein Fährunternehmen. Diese Leute müssen zurück 16/6232. Der Ausschuss für Europa und Internationales an die Grenzen, wo sie abgelegt haben, in die Länder, wo sie schlägt Ihnen darin vor, hergekommen sind. (Unruhe) (Zuruf von den Grünen: Falsch!) – ich darf um Aufmerksamkeit bitten; wir müssen gleich ab- Dorthin müssen sie zurück. Das sieht das internationale See- stimmen –, von den Mitteilungen des Ministeriums der Justiz recht auch vor. und für Europa, Drucksachen 16/5700 und 16/6193, Kennt- nis zu nehmen. (Beifall des Abg. Stefan Räpple AfD – Unruhe bei den Grünen) Die Fraktion der AfD hat hierzu um förmliche Abstimmung über diese Beschlussempfehlung Drucksache 16/6232 gebe- Dann ist da noch der Angriff auf die Souveränität der Völker. ten. Also: Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt, den bit- Ungarn: Herrn Orban gefällt es, eine eigene Bevölkerungspo- te ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer ist dagegen? litik zu machen, eigene Auffassungen dazu zu haben, wie man – Enthaltungen? – Damit ist der Beschlussempfehlung mehr- damit umgehen soll. Sofort wird dies angegriffen. Genau das heitlich zugestimmt. sind die Gründe, warum die Bürger diesem Konstrukt „Euro- päische Union“ immer kritischer gegenüberstehen. Wir haben Tagesordnungspunkt 5 erledigt.

5633 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz)

Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass sich die Landesregierung bisher noch nicht zu einem verbindlichen Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktion der AfD Termin zur Einführung der doppelten Buchführung in der Fi- – Gesetz zur Einführung der doppelten Buchführung in nanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg entschlie- der Landesverwaltung Baden-Württemberg (Gesetz zur ßen konnte. Änderung der Landeshaushaltsordnung für Baden-Würt- temberg [LHO]) – Drucksache 16/6080 (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Das Präsidium hat auch hierzu für die Begründung eine Re- Gerade unter den Bedingungen der Schuldenbremse, die wir dezeit von fünf Minuten und für die Aussprache fünf Minu- ab dem Jahr 2020 einzuhalten haben, ist es von unbestreitba- ten pro Fraktion festgelegt. rem Vorteil – das wird ja auch hier so gesehen und nicht be- stritten –, dass die langfristigen Kosten politischer Entschei- Zuerst hat die Fraktion der AfD das Wort. – Herr Abg. Dr. Po- dungen maximal transparent gemacht werden. Dafür ist die deswa, bitte. doppelte Buchführung erforderlich. (Unruhe) (Beifall bei der AfD) Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Sehr geehrte Frau Präsiden- Gänzlich unverständlich ist es, dass die Landesregierung von tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wir debat- den nachgeordneten Regierungsbehörden einen Haushalts- tieren heute in erster Lesung den Gesetzentwurf ... standard gesetzlich fordert, den sie offensichtlich selbst nicht einführen und anwenden will. Zumindest zum heutigen Zeit- (Anhaltende Unruhe) punkt gibt es dafür noch keinerlei Planungen. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Entschuldigung! Meine Meine sehr geehrten Kollegen Abgeordneten, wie stellt sich Damen und Herren, wir haben jetzt noch zwei Tagesordnungs- die Landesregierung zukünftig das Vorgehen vor, wenn Be- punkte vor uns, und ich bitte um etwas Disziplin. amte aus untergeordneten Regierungsbehörden, welche in ihrer Anwendungspraxis die doppelte Buchführung verinner- Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: ... – vielen Dank – der AfD- licht haben, in Ministerien versetzt werden? Soll es dann für Fraktion zur Einführung der doppelten Buchführung in die Fi- diese Beamten Weiterbildungsmaßnahmen geben? Eigentlich nanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg und verbin- müssten diese Maßnahmen dann korrekt Abqualifizierungs- den damit die Hoffnung, dass auch in der Politik allmählich maßnahmen heißen, da die Beamten wieder die aus dem Feu- die Einsicht gewachsen ist, dass wir auf dieses Management- dalismus und Absolutismus stammende Kameralistik lernen und Kontrollsystem in der Finanzverwaltung von Baden- müssten, mit der die Landesregierung heute noch arbeitet und Württemberg nicht verzichten sollten. dies auch zukünftig tun will. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei Abgeordneten der AfD) Immerhin ist die doppelte Buchführung in Europa schon seit Daraus ergibt sich natürlich die spannende Frage: Was sind dem 14. Jahrhundert bekannt. Jakob Fugger führte sie in die Gründe, die die Landesregierung für dieses rätselhafte Ver- Deutschland im 15. Jahrhundert ein – leider nicht in Baden- halten anführen wird, die doppelte Buchführung zwar auf Württemberg, sondern in Bayern. Auch die Vorteile der dop- kommunaler Ebene gesetzlich vorzuschreiben, selbst aber pelten Buchführung sind allgemein bekannt. Nicht umsonst nicht zur Anwendung zu bringen? verpflichtet der Gesetzgeber gemäß Handelsgesetzbuch alle Unternehmen ab einer gewissen Größe – 600 000 € Umsatz Die Bürger und Bürgerinnen des Landes Baden-Württemberg können von ihrer Landesregierung eine moderne Verwaltung im Jahr – zur doppelten Buchführung, und das nicht erst seit erwarten. Dazu gehört auch eine moderne Finanzverwaltung, gestern. dazu gehört die doppelte Buchführung. Die mantra-artigen Das Handelsgesetzbuch trat 1861 in Kraft und ist in seinen Rufe bei jeder Rede, auch heute mehrfach, nach Digitalisie- wichtigsten Grundzügen auch heute noch gültig, und es ver- rung, Silicon Valley und Leuchtturmprojekten passen eben langt die doppelte Buchführung. Die Bilanzierungspflicht für nicht zu einer kameralistischen Haushaltsführung aus der Kai- große Unternehmen wurde im deutschen Sprachraum gar serzeit. schon ein ganzes Jahrhundert vorher, im 17. Jahrhundert, ein- (Beifall bei der AfD) geführt. Die AfD jedenfalls will die lange überfällige Modernisierung Natürlich hat auch der Landtag von Baden-Württemberg die der Finanzverwaltung zum Nutzen der Bürger von Baden- Notwendigkeit der Einführung der doppelten Buchführung, Württemberg voranbringen. Wenn Sie Verbesserungsvorschlä- der Doppik, für eine vorausschauende, nachhaltige, zukunfts- ge zur Formulierung und Umsetzung des Gesetzes haben, sichere Haushaltsführung längst erkannt. Jede einzelne Par- dann bringen Sie diese gern ein. tei, jede Fraktion in diesem Haus hat die Vorteile erkannt. Der Landtag und Sie, die Fraktionen, haben schon im Jahr 2009 Wir begrüßen eine öffentliche Debatte über die Zukunft der beschlossen, dass alle Kommunen die Doppik umsetzen müs- Finanzverwaltung. Wir möchten eine zukunftsfähige Landes- sen. Alle 1 101 Kommunen im Land wurden gesetzlich ver- verwaltung. Das geht langfristig nur mit einer Haushaltsfüh- pflichtet, bis zum Jahr 2020 die doppelte Buchführung umzu- rung und Haushaltskontrolle mit Bilanzierung – das wurde setzen, ausnahmslos und unabhängig von ihrer Größe, die vom Finanzministerium auch schon erkannt –, aber auch mit größten ebenso wie die kleinsten. Kosten- und Leistungsrechnung – kurzum, mit dem, was Sie 5634 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Rainer Podeswa) von allen Unternehmen und Kommunen fordern: der doppel- Diese extrem hohen Kosten bringen mich zur zweiten Frage: ten Buchführung. Ist der Wunsch nach mehr Transparenz auch mit weniger Steu- ergeld realisierbar? Ganz klare Antwort: Ja. Weil wir das Beste für Baden-Württemberg wollen, fordern wir auch eine öffentliche Anhörung zur doppelten Buchfüh- (Zuruf von der AfD: Nein!) rung bei den Beratungen im Finanzausschuss. Wir möchten, dass sich Unternehmer und Kommunalpolitiker einbringen Durch die Vermögensrechnung des Landes, die von unserer und dabei sehen, dass wir um die beste Lösung ringen. Wir Finanzministerin Edith Sitzmann und ihrer Staatssekretärin haben zahlreiche Verbände und Fachleute vorgeschlagen, die Dr. Gisela Splett 2018 erstmals in der Geschichte des Landes wir einladen möchten. Hören wir den Fachleuten zu, um eine überhaupt eingebracht wurde, wird das Vermögen, werden die sachgemäße Lösung, um die beste Lösung für Baden-Würt- Schulden des Landes ermittelt und auch umfassend darge- temberg zu finden. stellt: vom Wald über Straßen bis zu Gebäuden – und diesem Redepult hier. (Beifall bei der AfD) Auch die Veränderungen bei Vermögen und bei Schulden wer- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun hat Herr Abg. Dr. den im jährlichen Vergleich bilanziert. Die Vermögensrech- Rösler für die Grünen das Wort. nung hilft uns also, die Entwicklungen von Vermögen und von Schulden deutlich zu machen. Selbstverständlich ist das Gan- Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Verehrte Präsidentin, mei- ze auf Grundlage des Handelsgesetzbuchs erstellt. ne Kolleginnen und Kollegen! Heute sprechen wir über den Gesetzentwurf der AfD zur Einführung der Doppik im Land Derzeit gibt es außerdem unter Federführung des Finanzmi- Baden-Württemberg. Schließlich hat der Landtag im Jahr nisteriums das Projekt „Restrukturierung des Haushaltsma- 2009 auch mit unseren Stimmen die Umstellung der Kommu- nagements und Einführung eines Kassensystems auf SAP-Ba- nalhaushalte auf die Doppik beschlossen. Allerdings haben sis“. Dieses neue Haushaltsmanagementsystem wird zwar wir dann gemeinsam unter Grün-Rot weitreichende Über- weiterhin als kamerales System aufgebaut, die Doppikfähig- gangsregelungen bis in das Jahr 2020 – also insgesamt elf Jah- keit ist aber von Anfang an angelegt. Damit können nach und re – beschlossen. Denn es geht nicht ganz so hoppla hopp, wie nach weitere doppische Elemente wie z. B. eine Ergebnisrech- es jetzt im Gesetzentwurf der AfD für das Land mit dem Jahr nung eingeführt werden. 2023 vorgeschlagen wird. Es mag jetzt Abgeordnete geben, denen die hohen Kosten ir- Was könnte denn mit der Umstellung auf Landesebene zum gendwie egal sind. Es mag auch Abgeordnete geben, die nicht jetzigen Zeitpunkt überhaupt erreicht werden? anerkennen wollen, dass durch diese Vermögensrechnung die Anforderungen einer wirtschaftlichen und verantwortungs- (Zuruf des Abg. Udo Stein AfD) vollen Haushaltsführung umfassend erfüllt werden. In der Zielsetzung des Gesetzentwurfs steht: „umfangreiche Daher als Drittes die Frage nach dem Zeitpunkt: Macht der und exakte Bilanz“, die sich „am Handelsgesetzbuch ausrich- Gesetzentwurf der AfD wirklich Sinn, wenn parallel der EU- tet“, und es wird mehr Transparenz gefordert. Drei Fragen weite Prozess von EPSAS, also European Public Sector Ac- drängen sich dabei auf: counting Standards – so nennt sich das Ungeheuer; „Unge- heuer“ nicht in der Sache –, weiter vorangetrieben wird? Erstens: Was würde eine komplette Umstellung auf die Dop- pik für das Land finanziell bedeuten und den Steuerzahler kos- Diese Standards werden nach Ansicht von Experten in den ten? Zweitens: Können wir die Transparenz nächsten Jahren zu einer Vereinheitlichung der Standards auch in der EU führen. Jetzt kann man natürlich – wie in der AfD (Zuruf der Abg. Carola Wolle AfD) ja üblich – EU-weite Regelungen pauschal infrage stellen. Das tun wir Grünen nicht. Eine derart enorme Ausgabe, wie sie bei Vermögen und Schulden eventuell mit weniger Steuergeld mit der Einführung der Doppik für das Land einhergeht, wä- genauso gut erreichen? Und drittens: Ist eine Umstellung zum re nur wenige Jahre vor einer absehbaren Veränderung der jetzigen Zeitpunkt sinnvoll? Rahmenbedingungen auf EU-Ebene – und auch hier im Land – nicht sinnvoll und sogar fahrlässig. Zur ersten Frage: Die AfD selbst schreibt, dass durch die Um- stellung hohe Kosten entstehen, Kosten im mindestens drei- (Beifall bei den Grünen) stelligen Millionenbereich – also vielleicht sogar im Milliar- denbereich. Auch daher haben bisher nur Hamburg und Hessen die Um- stellung auf Doppik umgesetzt. Auch der Wirtschaftswissen- (Zurufe der Abg. Hans Peter Stauch und Anton Ba- schaftler Professor Dr. Dennis Hilgers, der in Linz lehrt und ron AfD) der sich im Grundsatz für die Umstellung von der Kameralis- tik auf die Doppik einsetzt, hat erst vor Kurzem erklärt, dass Ist das vertretbar? Die Gegenfinanzierung von Ihnen durch Baden-Württemberg mit seiner Vermögensrechnung auf dem „Einsparungen bei den ideologischen Projekten“ jedenfalls ist richtigen Weg ist – selbst er. weder konkret, noch ist dieser Vorschlag ein Zeichen für einen seriösen Gesetzesvorschlag. Last, but not least: Nach der aktuellen Steuerschätzung müs- sen wir noch sorgfältiger mit dem Geld umgehen. Und da (Beifall bei Abgeordneten der Grünen sowie der Abg. muss man sich die Frage stellen, ob es gerechtfertigt wäre, da- Tobias Wald CDU, Udo Stein AfD und Andreas Ken- für hohe dreistellige Millionenbeträge – ohne genau zu wis- ner SPD – Abg. Tobias Wald CDU: Sehr gut!) sen, wie viel – auszugeben.

5635 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Markus Rösler)

Fazit: Die Einführung der Doppik auf Landesebene wäre im sie tragenden Fraktionen stehen ganz klar für eine solide und Verhältnis zur vorgelegten Vermögensrechnung, die wir ha- verlässliche Finanzpolitik. ben, zu teuer, verspricht keinen Mehrwert und wäre außerdem zum jetzigen Zeitpunkt fehl am Platz. Die grüne Fraktion lehnt (Beifall bei der CDU und den Grünen) den Gesetzentwurf der AfD daher ab. Mit dem laufenden Haushalt haben wir eine historische Trend- Vielen Dank. wende geschafft. Wir verringern die Schulden um mehr als 6 Milliarden €. Trotzdem investieren wir in die wichtigen Zu- (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU) kunftsfelder Bildung, innere Sicherheit, Justiz, Infrastruktur, Digitalisierung und Wohnungsbau. Die Frage, ob wir ein dop- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Für die CDU spricht Herr pisches oder ein kamerales Haushaltswesen haben, steht da- Kollege Tobias Wald. bei absolut nicht an erster Stelle. Vielmehr geht es darum, mit dem Geld der Steuerzahler sparsam und sinnvoll umzugehen. Abg. Tobias Wald CDU: Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute dürfen – oder bes- (Zuruf: Hört, hört!) ser gesagt: müssen – wir schon wieder über einen Gesetzent- wurf einer Fraktion abstimmen, bei der das Wort „Alternati- Das ist der Kern, und genau das machen diese Regierung und ve“ im Parteinamen steht. die sie tragenden Fraktionen. (Abg. Anton Baron AfD: Heute stimmen Sie gar (Beifall bei der CDU und den Grünen) nichts ab! – Zuruf des Abg. Daniel Rottmann AfD) Wer meint, mit der Einführung der Doppik wären alle Prob- Schon dieser Begriff führt in die Irre und macht den Menschen leme gelöst, der täuscht sich. Liebe Kolleginnen und Kolle- etwas vor. Denn eine Alternative ist diese Partei nicht. gen von der AfD, Sie sollten sich erst einmal die derzeitige Vermögensrechnung anschauen und genau analysieren, (Abg. Stefan Räpple AfD: Bitte zur Sache!) (Abg. Emil Sänze AfD: Die brauchen wir nicht anzu- Ganz im Gegenteil: Sie ist populistisch und von gestern – po- schauen! Wir wissen das!) pulistisch, denn sie agiert nicht sachgerecht, und von gestern, bevor Sie ein unausgegorenes Gesetz vorlegen. weil sie in diesem Kurs verweilt und nie in der Realität an- kommt. Meine Damen und Herren, wir, die CDU-Landtagsfraktion, haben die Einführung der Doppik als klares Ziel; denn natür- (Abg. Anton Baron AfD: Bringen Sie erst mal die lich bildet die Drei-Komponenten-Rechnung – Vermögens- LBO auf den Weg!) rechnung, Ergebnisrechnung und Finanzrechnung – die tat- Ein durchsichtiges, ein wirres Spiel. Sie haben wie so oft nicht sächliche Lage unseres Landes noch besser und mithin exak- den Blick für das Ganze und schon gar nicht für das Wesent- ter ab. Mit der von mir erläuterten Aufstellung der Vermögens- liche, rechnung haben wir den Einstieg geschafft, und nun kommt der nächste Schritt. Wir befinden uns hier auf dem richtigen (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei- Weg, aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, fall bei den Grünen) (Abg. Anton Baron AfD: Wann dann?) so auch bei diesem Gesetzentwurf zur Einführung der soge- und wir dürfen vor allem den derzeit eingeschlagenen und vor- nannten Doppik, den wir heute in erster Lesung beraten müs- gegebenen Weg nicht einfach verlassen. Entscheidend ist sen. doch: Wir dürfen heute und auch morgen nicht auf Kosten der Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr wurde dem kommenden Generationen leben, und das tun wir auch nicht. Landtag die erste Vermögensrechnung mit Stichtag 31. De- Damit das so bleibt, ist es weiterhin mein großes Ziel, die zember 2017 durch das Finanzministerium vorgelegt. Ziel der Schuldenbremse endlich in der Landesverfassung zu veran- Vermögensrechnung ist es, einen vollständigen, transparen- kern. Aber bei diesem wichtigen Thema, meine Damen und ten Überblick über das vorhandene Vermögen und die Schul- Herren, hören wir von der AfD keine qualifizierten Vorschlä- den unseres Landes zu erstellen. Mit der Vermögensrechnung ge; hier herrscht Funkstille. erhalten Verwaltung und vor allem Politik ein zusätzliches In- strument an die Hand, mit dem wir künftige Entscheidungen (Abg. Dr. Bernd Grimmer AfD: Wir reden zum The- noch stärker am Ressourcenverbrauch ausrichten können und ma! Das ist der Unterschied!) werden. Ich weiß auch, warum das so ist: Sie haben keine Antworten. Die Veränderung des Eigenkapitals unseres Landes kann zu einer echten Messgröße für eine nachhaltige Finanzpolitik Sie sehen auch: Unsere Finanzverwaltung und vor allem un- werden. Der bisherige kamerale Haushalt wird mit der Ver- ser Finanzministerium mit der Verwaltung stehen derzeit vor mögensrechnung um eine zusätzliche und sehr wichtige In- großen Herausforderungen. Die Aufstellung des nächsten formationsbasis erweitert – ein wichtiger und richtiger Schritt. Doppelhaushalts steht an, aber auch die Verankerung der Schuldenbremse in der Landesverfassung, vor allem auch die Die jetzige Vermögensrechnung bildet zugleich eine wichti- Einführung einer neuer Kassensoftware in der kompletten ge und elementare Grundlage für eine spätere Einführung der Landesverwaltung und – gestern haben wir darüber gespro- Doppik im Landeshaushalt. Diese Landesregierung und die chen – die Einführung der neuen Grundsteuergesetzgebung. 5636 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Tobias Wald)

Aus diesem Grund hoffe ich, meine Damen und Herren, Sie (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU – bereiten sich auf die Beratungen im Ausschuss inhaltlich bes- Abg. Emil Sänze AfD: Herr Stickelberger, warten Sie ser vor als auf die Einbringung heute. Wir werden diesen Ge- nicht zu lange!) setzentwurf ablehnen, denn wir wissen, von Ihnen kommt nicht mehr. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Dann hat Herr Abg. Kar- rais für die FDP/DVP das Wort. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Abg. Daniel Karrais FDP/DVP: Sehr geehrte Frau Präsiden- (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Doppik hat durchaus einige Vorteile, vor allem, wenn es darum geht, transpa- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Jetzt hat das Wort Herr rentere Haushalte zu schaffen und eine realistischere Bewer- Abg. Stickelberger für die SPD. tung des Staatswesens zu ermöglichen. Insbesondere wäre es Abg. Rainer Stickelberger SPD: Frau Präsidentin, liebe Kol- dann bei Themen wie „Implizite Verschuldung“ – also deren leginnen und Kollegen! Herr Dr. Podeswa, Ihr Rückgriff auf Tilgung – nicht mehr so einfach zu handhaben; es wäre offen- die Fugger hätte mir nicht so nahe gelegen; da habe ich eher sichtlicher, und vor allem wäre das dann kein Taschenspieler- an doppelte Buchführung im Zusammenhang mit Parteispen- trick mehr, so wie das bislang angewandt wird. – Aber darauf den oder Ähnlichem gedacht. will ich jetzt gar nicht großartig eingehen. (Heiterkeit – Zuruf des Abg. Emil Sänze AfD) Herr Podeswa, Sie haben das HGB angeführt und haben die Bilanzierung in Unternehmen als Vergleich angesprochen. Zur Sache: Die SPD hat diesen Prozess zur Entwicklung der Diesen Vergleich kann ich allerdings nicht stehen lassen. Zum Doppik von Anfang an begleitet, und es war unser Finanzmi- einen ist das Erscheinungsjahr des HGB, das Sie genannt ha- nister Nils Schmid, der da wesentliche Fortschrittselemente ben, nicht richtig; es stammt von 1897; Sie haben irgendet- auf den Weg gebracht hat im Hinblick auf die Vermögensrech- was mit 1860 gesagt. Und 100 Jahre vor 1897 – oder auch vor nung, die dann durch das Finanzministerium weitergeführt 1860 –, das ist nicht das 17. Jahrhundert, sondern das 18. Jahr- wurde. Ich glaube, das ist ein gewaltiges Projekt, das wir al- hundert. – So viel dazu. lerdings auch zielstrebig angehen sollten. (Abg. Anton Baron AfD: Wahnsinn!) Herr Dr. Rösler und Herr Kollege Wald, ich habe doch deut- Damit will ich mich jetzt aber gar nicht länger aufhalten. liche Unterschiede in Ihren Einlassungen festgestellt. Ich stimme Ihnen, Herr Wald, zu: Auch die SPD-Fraktion hat als Ziel- Fakt ist: Im HGB steht auch, dass Unternehmen so arbeiten, setzung die Einführung der Doppik. Bei Ihnen, Herr Dr. Rös- dass sie eine Gewinnmaximierung anstreben. Das sehe ich bei ler, klang das wesentlich abgeschwächter. Sie haben auf Eu- einem Staat nicht gegeben. ropa verwiesen, bis einheitliche Standards kommen. Da bin ich äußerst skeptisch, ob wir so lange warten können, wenn (Abg. Carola Wolle AfD: Warum machen Sie es dann wir jetzt in den letzten Jahren den Kommunen zugemutet ha- bei der Gemeinde?) ben, dass sie diesen Prozess recht zügig zu gestalten hatten. Ein Staat hat nicht die Aufgabe, Gewinne zu maximieren, son- (Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE: Elf Jahre!) dern er hat die Aufgaben wahrzunehmen, die das Volk von ihm erwartet, Viele Kommunen sind ja schon so weit, und ab 2020 sind sie zudem in der gesetzlichen Pflicht. Die Landkreise sind schon (Abg. Carola Wolle AfD: Blöde Ausrede!) zu über 90 % so weit, die Stadtkreise zu 100 %. und hier auch zu investieren. Das kann auch einmal heißen, (Abg. Anton Baron AfD: Wie sieht es in Heilbronn dass man finanziell einen Verlust macht – vielleicht auch in aus?) Vermögenswerten. Die Vorbildfunktion des Landes gebietet es also auch uns, hier Denn letztendlich kann man ja nur sehr schwer bewerten, was zügig voranzugehen. Aber ich glaube, zügig darf nicht schnell der Staat alles leistet. Beispielsweise kann man die Leistun- im Sinne von oberflächlich heißen, sondern es muss nach ungen für den sozialen Frieden nicht wirklich bemessen. serer Auffassung auch gründlich vonstattengehen. Wir stehen, (Abg. Carola Wolle AfD: Das leistet auch eine Ge- meine ich, in der Pflicht, diesen Prozess der Entwicklung der meinde!) Doppik im Zusammenhang mit der Schuldenbremse zu sehen. Wenn wir diese konkret verankern, in der Verfassung und dann Insofern zieht dieser Vergleich schlichtweg nicht. durch nachfolgende Gesetze, ergeben sich vielfältige Aspek- te, die wir auch im Zusammenhang mit der Entwicklung der (Beifall bei Abgeordneten der FDP/DVP und des Doppik berücksichtigen müssen. Abg. Andreas Kenner SPD) Insofern laufen jetzt eigentlich zwei Prozesse parallel, die wir Auch wir, die FDP/DVP-Fraktion, haben in unserer damali- auch miteinander verbinden müssen. Deswegen können wir, gen Regierungszeit mit beschlossen, dass die Doppik für die die SPD, in diesem Stadium dem Gesetzentwurf nicht zustim- Kommunalverwaltung eingeführt wird. Das ist auch richtig men – so nicht und jetzt nicht. Wir müssen uns noch etwas so. Beim Land sind wir da aber weitaus skeptischer – wenn Zeit lassen, und dann kommen wir sicher zu einem guten Er- auch nicht gänzlich verschlossen. Denn letztendlich haben wir gebnis – aber zusammen mit der Schuldenbremse. dadurch eine bessere Darstellung von Verbindlichkeiten, insbesondere von solchen, für die derzeit nur über Umwege ei- Vielen Dank. ne Darstellbarkeit gegeben ist.

5637 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Daniel Karrais)

Allgemein ist ja – im Vorfeld der Kommunalwahlen muss man Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun darf ich für die Re- das auch einmal sagen – die Euphorie bezüglich der Doppik gierung Frau Staatssekretärin Dr. Splett ans Redepult bitten. etwas verflogen. Letztlich können auch dann noch schlechte Entscheidungen getroffen werden, die finanziell bzw. im Hin- Staatssekretärin Dr. Gisela Splett: Sehr geehrte Frau Präsi- blick auf die Vermögensseite nachteilig für die Kommunen dentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das Land Baden- sind – auch wenn diese jetzt transparenter erfolgen, sodass Württemberg ist aktuell mit dem derzeitigen kameralen Rech- zum Schluss zumindest dann niemand sagen kann: „Ja, das nungswesen, das um doppische Elemente erweitert wurde, haben wir nicht gewusst.“ Das ist immerhin schon ein guter sehr gut aufgestellt. Ich möchte hier auch mit Blick auf die Beitrag. Uhrzeit nicht die Vorzüge und Nachteile der verschiedenen Formen des Rechnungswesens bewerten. Ich werde jetzt auch Wir plädieren für Folgendes: Schauen wir uns doch mal die nicht über die Historie der Kameralistik reden. Erfahrungen an, die Hessen macht, die Bremen macht, die Hamburg macht, und bewerten dann, was dort passiert ist, und Entscheidend ist für mich eine wirtschaftliche, nachhaltige überlegen, was für Baden-Württemberg die richtige Lösung und damit generationengerechte Haushaltsführung. Dafür ist ist. Denn klar ist auch: Bremen und Hamburg sind Stadtstaa- eben nicht nur die Form des gewählten Rechnungswesens aus- ten, die eine ganz andere Konstellation haben als ein großes schlaggebend. Viel wichtiger ist die konsequente Anwendung Flächenland, ein wirtschaftsstarkes Flächenland wie Baden- der vorhandenen Instrumente zur Planung und Überwachung. Württemberg. Hier ist vieles von dem, was der vorgelegte Gesetzentwurf fordert, bereits umgesetzt. Wir plädieren daher dafür, hier Sorgfalt vor Eile walten zu las- Wir haben selbstverständlich die Ausgaben, die Entwicklung sen. Lassen Sie uns deshalb abwarten, was dort passiert, und der Schulden und der künftigen Verpflichtungen des Landes dann die Doppik hier noch einmal diskutieren. im Blick. Einen ganz entscheidenden Schritt, diese Entwick- Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Landesregierung dop- lung noch transparenter zu machen, sind wir mit der Einfüh- pische Elemente ergänzend zur Kameralistik wie z. B. die be- rung der Vermögensrechnung des Landes gegangen. Das war reits angesprochene Vermögensrechnung einführt. Aber da im Übrigen damals eine Entscheidung der Regierung, die vom muss ich anmerken: Es war eine Forderung des Rechnungs- Rechnungshof unterstützt wurde. hofs, diese einzuführen. Das war nichts, was irgendwie in Re- Die Vermögensrechnung wird nach den Grundsätzen des Han- gierungsstuben erfunden wurde, sondern das war letztendlich delsgesetzbuchs erstellt; das wurde hier schon angesprochen. eine Forderung des Rechnungshofs. Das muss man hier fai- Über die Standards staatlicher Doppik werden dabei auch die rerweise dazusagen. Besonderheiten der öffentlichen Verwaltung berücksichtigt. Wir sind gespannt auf die weiteren doppischen Elemente, die Mit der Vermögensrechnung haben wir einen umfassenden Sie in Ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP/DVP- und transparenten Nachweis über das Vermögen und die Fraktion, Drucksache 16/2322, angekündigt haben. Dass Sie Schulden des Landes vorgelegt. Damit ergänzt die Vermö- weitere doppische Elemente einführen wollen, begrüßen wir gensrechnung die zahlungsorientierte Kameralistik sehr gut. grundsätzlich und sind sehr gespannt, was da noch kommen Aus der Vermögensrechnung werden im Zeitvergleich Verän- mag. derungen sichtbar. Daraus lassen sich die Folgen und in unserem Fall die Erfolge politischer Entscheidungen ablesen. Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir die Einführung der Doppik in der Landesverwaltung und im Land nicht als sinnvoll an, Unmittelbar ablesen lassen wird sich beispielsweise, dass im vor allem nicht mit der Gegenfinanzierung, die die AfD an- Doppelhaushalt 2018/2019 erstmals in der Geschichte des strebt, die irgendwelche „ideologischen Projekte“ – welche Landes Kreditmarktschulden in erheblichem Umfang getilgt auch immer diese sein mögen – einstampfen möchte. Da bin wurden und werden oder dass gleichzeitig die Sondervermö- ich bei der AfD sehr vorsichtig und frage mich, was das be- gen für die Absicherung künftiger Versorgungsausgaben wei- deutet. Das ist ungefähr genauso seriös wie Ihre Gegenfinan- ter gestärkt werden. zierungsanträge in den Haushaltsberatungen, in denen Sie ein- (Beifall bei Abgeordneten der Grünen) fach einmal unterstellen, man könnte alle Flüchtlinge und alle Asylanten ausweisen und hätte dadurch Ersparnisse, mit de- Noch deutlicher können die monetären Auswirkungen politi- nen man dann alle möglichen tollen Sachen finanzieren kann. scher Entscheidungen über eine Ergebnisrechnung sichtbar gemacht werden. Dort werden die Aufwendungen den Erträ- (Abg. Anton Baron AfD: Schauen Sie mal Ihre Ge- gen eines Jahres gegenübergestellt. Auch hier sind wir auf dem genfinanzierungsanträge an!) richtigen Weg. Mit dem IT-Projekt „Restrukturierung des Haushaltsmanagementsystems und Einführung eines Kassen- Das ist nicht seriös. Das ist mir zu billig. systems auf SAP-Basis“, kurz REPRO, schaffen wir in den (Beifall bei der FDP/DVP, den Grünen, der CDU und kommenden zwei Jahren die technischen Voraussetzungen für der SPD) eine solche Ergebnisrechnung. Darum lehnen wir diesen Gesetzentwurf der AfD-Fraktion ab. In der Zielsetzung des Gesetzentwurfs wird die doppelte Buchführung als Garantie für eine bessere Vergleichbarkeit Vielen Dank. und damit für einen institutionellen Wettbewerb zwischen verschiedenen Behörden genannt. (Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Andreas Ken- ner SPD – Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Sehr In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass die Kos- gut!) ten- und Leistungsrechnung im Land bereits seit Jahren im 5638 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Staatssekretärin Dr. Gisela Splett)

Einsatz ist. Diese liefert die für Vergleiche wichtige Sicht auf erzahlerinnen und Steuerzahler bestmöglich einzusetzen. die Aufgaben der Landesverwaltung und den dafür benötig- Denn darum geht es letztendlich. ten Aufwand. So wissen wir z. B. genau, was ein Hafttag im Justizvollzug kostet, wie hoch die Kostendeckung in Justiz- Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. verfahren ist oder welche Verwaltungskosten pro Besoldungs- zahlfall beim LBV entstehen. All diese Beispiele sind auch in (Beifall bei den Grünen und Abgeordneten der CDU den produktorientierten Informationen im Haushaltsplan ab- sowie des Abg. Andreas Kenner SPD) gebildet. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Liebe Kolleginnen und Vergleiche auf Behördenebene finden in vielen Bereichen be- Kollegen, ich glaube, die Aussprache ist damit beendet. reits statt und führen zu sehr guten Ergebnissen. (Abg. Anton Baron AfD: Nein, nein!) Sie sehen, meine Damen und Herren: Die geforderten Aus- – Herr Abg. Dr. Podeswa, bitte. wertungen sind bereits heute in großem Umfang möglich, und sie werden auch gemacht. (Zuruf des Abg. Tobias Wald CDU) In der Begründung des Gesetzentwurfs ist zu lesen, dass da- Abg. Dr. Rainer Podeswa AfD: Sehr geehrte Frau Präsiden- mit das Instrument der Budgetierung gesetzlich verankert und tin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst die Voraussetzungen für eine leistungsorientierte Steuerung – leider ist Herr Stickelberger gegangen –: Von einer Partei, geschaffen werden sollen. Deshalb möchte ich an dieser Stel- deren Kanzlerkandidat sich von Carsten Maschmeyer unter le darauf hinweisen, dass im Bereich der Sachmittel der Bud- Zwischenschaltung von Mittelsmännern die Zeitungsannon- getierungsgedanke bereits vollständig umgesetzt ist und auch cen bezahlen lässt die Personalausgabenbudgetierung bereits in großen Teilen der Landesverwaltung Anwendung findet. Diese Flexibilisie- (Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Von wem rung wird von den Beteiligten sehr geschätzt. Sie das bezahlen lassen, werden wir noch herausfin- den!) Auch die Leistungsorientierung ist im Haushalt über die produktorientierten Informationen, in die auch Informationen aus und der noch immer nicht ausgeräumt hat, dass die hannover- der Kosten- und Leistungsrechnung einfließen, bereits enthal- sche Staatskanzlei den Wahlkampf verdeckt mitfinanziert hat, ten. (Abg. Jonas Weber SPD: So ein Quatsch!) Angemerkt sei auch, dass diejenigen Bereiche der Landesver- waltung, deren Aufgaben auf eine möglichst hohe Kostende- verbiete ich mir hier Belehrungen zum Thema Spendenaffä- ckung bzw. Gewinnerzielung ausgerichtet sind, nämlich die re. Landesbetriebe, bereits seit Langem doppisch buchen. (Beifall bei der AfD – Abg. Jonas Weber SPD: Klä- Wie sieht es in anderen Ländern aus? Unter den Flächenlän- ren Sie mal in Ihrem Haus Ihre Probleme! Dann se- dern hat bisher lediglich Hessen vollständig auf ein doppi- hen wir weiter! – Abg. Daniel Andreas Lede Abal sches Rechnungswesen umgestellt. Selbst dort erfolgt aber die GRÜNE: Geld aus der Schweiz!) Planung noch nach kameralen Grundsätzen. Nordrhein-West- Der zweite Punkt ist die Frage, wie der europäische Standard falen befindet sich in einem Umstellungsprozess. Alle ande- für die Finanzverwaltung aussehen wird. ren Flächenstaaten sowie der Bund setzen derzeit auf eine reine Kameralistik oder gehen einen ähnlichen Weg wie Baden- (Zuruf des Abg. Claus Paal CDU) Württemberg, indem sie das kamerale System um doppische Elemente erweitern. Frankreich hat einen strikt doppisch aufgebauten Haushalts- plan und eine entsprechende Haushaltskontrolle. Jetzt raten Auch auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen für eine Sie einmal, wie sich Europa entscheiden wird. Da werden möglichst einheitliche Rechnungslegung in den öffentlichen möglicherweise an der rechten und an der linken Seite noch Haushalten der Mitgliedsstaaten, kurz EPSAS. Derzeit ist da ein bisschen International Accounting Standards dazuge- aber noch nicht klar, wohin der Weg genau führt. mischt, Angesichts dieses Umfelds sehe ich gegenwärtig weder die (Zuruf des Abg. Dr. Markus Rösler GRÜNE) Notwendigkeit noch den richtigen Zeitpunkt für eine Umstel- lung des Rechnungswesens auf Landesebene. Entsprechend und ansonsten wird Europa schön das machen, was Frank- skeptisch haben sich auch verschiedene Sprecher reich schon viele Jahre macht. (Abg. Andreas Schwarz GRÜNE: Alle! – Gegenruf Nächster Punkt: Die Region Stuttgart mit 2,8 Millionen Men- des Abg. Anton Baron AfD: Jetzt aber, Herr Schwarz! schen ist größer als sechs unserer deutschen Bundesländer. Nicht alle! – Abg. Jonas Weber SPD: Alle vernünfti- Die Regierungserfahrung einer Frau Kramp-Karrenbauer ent- gen Sprecher!) spricht etwa der Regierungserfahrung in einem großen Land- kreis hier in Baden-Württemberg. Diese Landkreise haben al- – alle Sprecher dieser Fraktionen – geäußert. Mit den vorhan- le auf doppelte Buchführung umgestellt. denen Instrumenten ist Baden-Württemberg sehr gut aufgestellt, um eine wirtschaftliche, nachhaltige und zukunftsfähi- Der allerletzte Punkt: Wir haben vom Finanzministerium gege Haushaltsführung zu gewährleisten und das Geld der Steu- lernt, dass wir eigentlich alles haben, um doppelte Buchfüh-

5639 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Rainer Podeswa) rung zu betreiben. Alle Elemente sind vorhanden, nur wollen wirklich ehrenamtliche Qualifizierungen beschneiden, indem wir sie nicht gesetzlich verankern. Meine Damen und Herren, Sie etwa einer Empfehlung des Umfrageinstituts folgen und meine Kollegen Abgeordneten, das hinterlässt bei mir ganz einen Eigenanteil der Teilnehmenden einfordern? große Fragezeichen. (Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Gute Idee!) (Beifall der Abg. Anton Baron und Bernd Gögel AfD – Abg. Jonas Weber SPD: Tosender Applaus von zwei Eigentlich schwer vorstellbar, würden Sie damit doch Ihre Abgeordneten!) Sonntagsreden von der Stärkung des Ehrenamts in diesem Land völlig bloßstellen. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Gibt es weitere Wortmel- dungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Aussprache tat- Wollen Sie wirklich Eingriffe in die politische Bildung vor- sächlich beendet. nehmen, und das in einer Zeit, in der europaweit übelste Rechtsradikale Tag für Tag ihr Gift und Fake News verbrei- Ich schlage vor, den Gesetzentwurf Drucksache 16/6080 zur ten? weiteren Beratung an den Ausschuss für Finanzen zu über- weisen. – Damit sind Sie einverstanden. Das ist so beschlos- (Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Wie? Was?) sen. In der Folge wären beispielsweise Seminare des DGB wie et- Tagesordnungspunkt 6 ist erledigt. wa „Rechtspopulismus – und sein Frauenbild“, aber auch „Mitbestimmung 2035“ oder das „Kommunalpolitische Se- Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: minar“ nicht mehr bildungszeitfähig.

Antrag der Fraktion der SPD und Stellungnahme des Mi- (Zuruf des Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP) nisteriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau – Evaluation des Bildungszeitgesetzes – Drucksache 16/2152 Sie würden sich damit aber nicht nur gegen die Gewerkschaf- ten stellen. Hinter dem Bildungszeitgesetz steht ein breites Auch hierzu gibt es für die Begründung fünf Minuten extra; Bündnis von Naturfreunden, Landesfrauenrat, Landesjugend- für die Aussprache sind fünf Minuten je Fraktion vorgesehen. ring, kirchlicher Erwachsenenbildung oder auch Landfrauen und Arbeiterwohlfahrt. Für die SPD-Fraktion beginnt Herr Kollege Dr. Fulst-Blei. (Abg. Anton Baron AfD: Lauter Vorfeldorganisatio- Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Sehr geehrte Frau Präsiden- nen!) tin, Kolleginnen und Kollegen! Es ist spät. Das ist der letzte Tagesordnungspunkt mit Redezeit, aber er ist wichtig. Wich- Ich freue mich an dieser Stelle außerordentlich, dass u. a. der tig ist, dass wir heute über dieses Thema sprechen, und zwar Landesbezirksleiter von ver.di, Kollege Martin Gross, diese noch bevor die Wahl stattfindet. Debatte verfolgt.

Wenn ich ehrlich bin, wundert es mich manchmal schon, was (Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg. Jochen Hauß- sich insbesondere die Grünen alles erlauben können, ohne mann FDP/DVP) dass es einen Aufschrei in der Öffentlichkeit gibt. Eigentlich ist das wirklich eine Täuschung der eigenen Basis, über einen In einer auch von ver.di unterstützten Broschüre des Bündnis- Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen, ohne die Basis darü- ses Bildungszeit ist zu lesen – ich zitiere –: ber zu informieren, dass es in geheimen Nebenabreden noch weitere, zum Teil sehr brisante Informationen gibt – so ge- Mit dem Bildungszeitgesetz werden die Menschen in ih- schehen etwa mit Blick auf das Bildungszeitgesetz Baden- rer Partizipationsfähigkeit durch politische Bildung ge- Württemberg. Da haben Sie vorab in Geheimabsprachen mög- stärkt. Sie werden befähigt, sich in einer kulturell, religi- liche Einschnitte in die politische Bildung vereinbart. ös und wertemäßig pluralen Gesellschaft zu orientieren. ... Insbesondere die politische Bildung stärkt die aktive Im Raum steht aktuell aber nicht nur die Frage einer Täu- Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in Gesellschaft schung der eigenen Parteibasis, sondern auch einer möglichen und Staat und leistet damit einen wichtigen Beitrag für Täuschung der Wählerschaft. Seit März liegen die Ergebnis- ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen. se der Evaluation vor. Wir wissen aber bis heute nicht, was die Wirtschaftsministerin nun damit macht. Ich frage insbesondere Sie, Kolleginnen und Kollegen der Grünen: Wollen Sie ernsthaft im Jahr 2019 an diese Zielset- Vordergründig geht es darum, nun noch Stellungnahmen ein- zungen die Axt anlegen? Insbesondere die Menschen in den zuholen. Aber wen haben Sie dabei eigentlich alles einbezo- Betrieben wollen wissen, wie Sie dazu stehen, und zwar vor gen, Frau Ministerin? Ich selbst habe mit der Friedrich-Ebert- der Wahl. Stiftung als einem maßgeblichen Bildungsträger telefoniert – sie war nicht einbezogen. Wer also dann, und wer vielleicht (Beifall bei der SPD) auch nicht? Nur einem Drittel der Beschäftigten – so das Ergebnis Ihrer Die Fragen sind drängend. Erhalten Sie das Bildungszeitge- Umfrage – ist die Bildungszeit bekannt. Meine Frage an die setz Baden-Württemberg in der vorliegenden Form? Oder Wirtschaftsministerin, aber auch an die Koalitionsparteien: werden Sie tatsächlich die angedrohten Einschnitte im Be- Sind Sie bereit, das Bildungszeitgesetz mit einer Werbekam- reich der nicht beruflichen Bildung durchführen? Wollen Sie pagne bekannter zu machen? 5640 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Stefan Fulst-Blei)

25 % der Teilnehmenden gaben weiter an, dass es zu Streitig- niert. Beispiel Inanspruchnahme: In der Evaluation ist nach keiten im Unternehmen kam. Wie steht die Landesregierung der Inanspruchnahme im Jahr 2017 gefragt worden. Da war dazu? Was sagen Sie zu der Empfehlung des Umfrageinsti- das Gesetz erst anderthalb Jahre alt. In diesem Jahr haben über tuts, dass Bildungszeit abgelehnt werden soll, wenn die Maß- 1 % der Anspruchsberechtigten die Bildungszeit wahrgenom- nahme beispielsweise von einer Gewerkschaft finanziert wird? men. Die Evaluation ergibt, dass dies im Schnitt der anderen Das wäre unseres Erachtens ein massiver Angriff auf die Ge- Länder liegt. Andere Länder machen dies zum Teil aber schon werkschaften. Wie ist die Position der Landesregierung dazu? seit den Siebzigerjahren. Insofern kann sich das Ergebnis in Baden-Württemberg sehen lassen. Die Bildungszeit in Baden- Weiter steht im Raum, dass Kleinunternehmen in Zukunft im Württemberg ist eine ganz neue Bildungsfreistellung. Für so Falle einer Ablehnung diese nicht mehr schriftlich vornehmen eine neue, noch unbekannte Pflanze ist es doch bemerkens- müssen. Soll das dann durch Zuruf auf dem Gang erfolgen? wert, dass sich in Baden-Württemberg schon so viele An- Welche Möglichkeiten hätten Beschäftigte dann, dagegen vor- spruchsberechtigte weiterbilden wie in anderen Ländern. Das zugehen? kann man der Bildungszeit positiv anrechnen. Die Position der SPD-Fraktion ist weiterhin eindeutig: Wir (Beifall bei den Grünen) fordern, die Bildungszeit bekannter zu machen. Wir wenden uns entschieden gegen jeden Versuch, bei der politischen Bil- Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewerten das Ge- dung oder bei der ehrenamtlichen Qualifizierung Einschnitte setz überwiegend positiv. Sie sagen, dass sie dadurch moti- vorzunehmen. viert werden, weitere Weiterbildungen zu machen. Die Bil- dungszeit wird am häufigsten für die berufliche Weiterbildung Aber ich frage Sie, Kolleginnen und Kollegen von den Grü- und dabei gerade für Aufstiegsfortbildung genutzt, also für nen: Wie stehen Sie dazu? Und ich frage Sie, Frau Ministe- langfristige Weiterbildung. rin: Was sind Ihre Pläne? Die Beschäftigten im Land wollen Antworten, und zwar heute und nicht erst nach der Wahl. Wie sehen es die Unternehmen? Dort fällt es gemischt aus. Das ist nicht weiter überraschend. Die Unternehmen, die be- (Beifall bei der SPD) fragt wurden, geben durchaus positive Effekte an. Sie sagen, Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun hat das Wort für die dass die Bildungszeit auf die Persönlichkeitsentwicklung, die Grünen Frau Kollegin Lindlohr. Motivation und die Zufriedenheit der Beschäftigten einen positiven Einfluss hat. Ich finde, das ist doch eine klare Aussa- Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: Frau Präsidentin, liebe Kol- ge. leginnen und Kollegen! Baden-Württemberg ist ein dynamischer Wirtschaftsstandort, und die Art, wie wir arbeiten, ver- (Beifall bei Abgeordneten der Grünen) ändert sich. Die Veränderung ist natürlich nicht nur technolo- Auch Unternehmen sagen, die Bildungszeit füge sich gut als gisch – darüber reden wir allerdings sehr häufig –, sie betrifft unterstützendes Element für die betriebliche Weiterbildung z. B. auch die Verantwortung, die die einzelnen Arbeitneh- ein. Auch das finden Sie in diesem Evaluationsbericht. merinnen und Arbeitnehmer tragen. Es geht um Entschei- dungsfelder, die es früher nicht gab, die heute aber zu ihrem Andererseits gibt es natürlich Kritik von den Unternehmen, Job gehören. Für diese Jobs der Zukunft müssen die Arbeit- dass sie einen Teil der Kosten der Bildungszeit tragen, näm- nehmerinnen und Arbeitnehmer kompetent sein, und daran ar- lich die Freistellung. Die Unternehmen sagen, sie möchten beiten wir. lieber, dass es ohne Kosten für sie selbst abläuft. Das ist auch schon vor dem Bildungszeitgesetz bekannt gewesen. Es ist ei- Darum ist für meine Fraktion klar: Ein dynamischer Wirt- ne Position, die man natürlich formulieren kann; es ist aber schaftsstandort braucht mehr Weiterbildung. Dazu trägt das auch nichts Neues. Bildungszeitgesetz bei, und das zeigt auch die Evaluation, die wir heute hier im Plenum besprechen. Aber was ist aus Sicht der Allgemeinheit wichtig? Da fand ich einen sehr schönen Satz in der Evaluation. Der heißt: Die Evaluation des Bildungszeitgesetzes ist jetzt vorgenommen worden. Warum haben wir das gemacht? Wir hatten es Die Daten zeigen, dass das Instrument der Bildungszeit tatsächlich im Koalitionsvertrag so vereinbart. Sie liegt seit zum Teil Zielgruppen anspricht, die in betrieblicher Wei- Mitte März vor; der Kollege hat es gesagt. Sie ist öffentlich; terbildung unterrepräsentiert sind. alle Bürgerinnen und Bürger können sie sich anschauen und bewerten. Genannt werden hier die befristet Beschäftigten. Das ist aus meiner Sicht ein klarer Erfolg der Bildungszeit in Baden- Zum Prozess der Evaluation gab es einige Konflikte über die Württemberg. Denn wir brauchen gerade für die Gruppen, die Form, den Zeitraum und einzelne Fragen. Auch wir haben uns bisher nicht von Weiterbildung erreicht werden, mehr Weiter- damit beschäftigt. Die Frau Wirtschaftsministerin und das bildung. Hier hat das Gesetz seinen Beitrag geleistet. Darauf Wirtschaftsministerium haben danach noch mal Gespräche können wir aufbauen. geführt und konnten auch einige Irritationen ausräumen. An- dererseits haben sich einige Institutionen nicht an der Evalu- (Beifall bei den Grünen – Vereinzelt Beifall bei der ierung beteiligt, was natürlich schade ist. Wir wollen uns den- CDU) noch mit den Ergebnissen auseinandersetzen, und wir finden dort auch wichtige Ansatzpunkte. Es gibt jetzt einige Empfehlungen zum Bürokratieabbau – Sie haben sich vielleicht schon damit beschäftigt –, und das be- Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass die Bildungszeit trifft durchaus nicht nur das Gesetz, sondern auch die kompli- in Baden-Württemberg im Großen und Ganzen gut funktio- zierten Formulare, die damit einhergehen.

5641 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Andrea Lindlohr)

Ich nehme mal vom Regierungspräsidium Karlsruhe, das das um hat die SPD dann so eine Angst vor einer Evaluation? Soll- Gesetz für uns ausführt, den Antrag auf gesonderte Anerken- ten wir nicht regelmäßig alles, was wir tun, evaluieren und an- nung nach § 6 der Verordnung zum Bildungszeitgesetz Ba- schauen? den-Württemberg. Das ist die Verordnung, die die Bildungs- zeit zum Ehrenamt regelt. Sie finden hier sieben lange Seiten (Beifall bei Abgeordneten der CDU, der Grünen und ... der AfD – Abg. Thomas Blenke CDU: Sehr gut! Das hat noch niemandem geschadet!) Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Ich fürchte, dafür reicht Ihre Zeit nicht aus, Frau Kollegin. Die Zeit geht weiter. Die Welt dreht sich weiter. Wir müssen schauen, was wir entscheiden, was wir tun. Dass man nach (Heiterkeit – Zuruf: Sehr gut!) ein paar Jahren evaluiert, ist die normalste Sache der Welt und muss selbstverständlich sein. Abg. Andrea Lindlohr GRÜNE: ... – genau –, davon allein zwei Seiten zur räumlichen und sachlichen Ausstattung der (Zuruf des Abg. Dr. Boris Weirauch SPD) Bildungseinrichtungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das können wir sicherlich Übrigens: Sie hatten gerade die Streitigkeiten in Unternehmen besser. Dieses Land braucht Weiterbildung. Wir haben ein Bil- erwähnt. Davor hatte ich damals gewarnt. Das sind die ech- dungszeitgesetz, das schon Positives bewirkt hat. Ich glaube, ten Probleme, die in den Unternehmen draußen dann auftau- das können wir einschließlich aller Abläufe noch besser machen und auch zu Kostensteigerungen führen. chen. (Abg. Daniel Born SPD: Haben Sie Ihr Regierungs- (Zuruf: Und dafür haben Sie eine Evaluation ge- handeln evaluiert?) braucht?) Glauben Sie mir: Die CDU weiß ganz genau, wie wichtig das Dafür werden jetzt Gespräche geführt. Ehrenamt ist. Wir wissen um die Bedeutung des Ehrenamts für unsere Gesellschaft. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU) (Beifall bei den Grünen und des Abg. Thomas Blen- ke CDU) Hundertausende in diesem Land arbeiten ehrenamtlich. Wir, Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Kollege Claus Paal die CDU, nehmen für uns schon in Anspruch, wahrscheinlich bitte für die CDU. am meisten in der Vergangenheit für dieses Ehrenamt getan zu haben, und werden dies auch in Zukunft tun. (Zuruf von der CDU: Guter Mann!) Wir wissen aber auch, wie wichtig die Weiterbildung ist. Ge- Abg. Claus Paal CDU: Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen rade heutzutage – wir haben es heute mehrmals thematisiert und Kollegen! Der Antrag der SPD ist aus dem Jahr 2017, al- – stehen wir vor großen Herausforderungen. Die Themen Wei- so ziemlich genau zwei Jahre alt. Er kommt – das ist jetzt ein terbildung, Umschulung, „Lebenslanges Lernen“, „Bereit- bisschen gemein – im Grunde zu spät für die Evaluierung und schaft für Neues“ – dazu gehört übrigens auch eine Evaluie- etwas zu früh für die echte Diskussion, rung –, um dann auch Neues anzugehen, sind wichtiger denn je. Auch die Flexibilität muss in allen Bereichen steigen. Ste- (Abg. Jonas Weber SPD: Vor der Wahl!) henbleiben oder auch Rückwärtslaufen geht auf jeden Fall in die falsche Richtung. Wir wollen nach vorn, wir wollen die- weil wir gerade erst den Evaluierungsbericht lesen. Aber ich ses Land weiterentwickeln, zusammen mit den Bürgerinnen weiß – Sie haben es gerade gesagt –, Sie wollen Wahlkampf und Bürgern. machen. Aber wir wissen auch: Die Unternehmen da draußen sind nur (Abg. Jonas Weber SPD: Nee, nee! Klarheit wollen begrenzt belastbar. Unternehmen benötigen Rahmenbedin- wir schon!) gungen, um auf einer Erfolgsspur fortfahren zu können. Das Deshalb musste der Antrag heute auf der Tagesordnung blei- gilt für die Unternehmen natürlich genauso wie für die gesam- ben – verständlich, wenn Sie es nötig haben. Wir wollen es te Gesellschaft. Wir geraten in Zeiten – die ersten Zahlen zei- außerhalb vom Wahlkampf sachlich und ruhig besprechen und gen es ja schon –, in denen wir wieder mehr nach den Unter- diskutieren und eine gute Lösung für die Arbeitnehmerinnen nehmen schauen sollten. Die letzten zehn Jahre waren recht und Arbeitnehmer finden. einfach für die Unternehmen, aber auch für die Politik. Wir hatten steigende Steuereinnahmen. Deshalb werbe ich dafür, (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Kollege Paal, für dass wir jetzt wieder mehr die Wirtschaftspolitik in den Blick euch ist das in Ordnung, für die Grünen ist das nicht nehmen und hier vor allem die kleinen und mittleren Unter- in Ordnung!) nehmen in diesem Land. Da wir heute Abend eigentlich fast unter uns sind, vielleicht Heute Morgen haben wir gehört: Der Mittelstand ist unser Jo- einmal ein offenes Wort an die SPD. Wenn man selbstbewusst ker Politik macht, wie Sie es wahrscheinlich für sich in Anspruch nehmen, wenn man glaubt, das Beste fürs Land zu tun, war- (Abg. Thomas Blenke CDU: Im Standortpoker!) 5642 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Claus Paal) im Standortpoker – danke schön, Herr Kollege; Sie haben un- Abg. Claus Paal CDU: ... – ich komme zum Schluss, genau –: serem Fraktionsvorsitzenden gut zugehört –, und das stimmt, Wir werden alle Bereiche anschauen, die berufliche Weiter- seit heute Morgen sowieso. bildung, die politische Weiterbildung, die ehrenamtliche Wei- terbildung, alle im Gesetz verankert. Dazu haben wir die Eva- (Abg. Thomas Blenke CDU: Das ist Aufgabentei- luierung jetzt vorliegen. Ich danke, wie gesagt, der Wirt- lung!) schaftsministerin, dass wir jetzt ein Papier haben und das Gan- Wir müssen schauen, was da draußen los ist, was sich verän- ze besprechen können. Wir haben alle gesellschaftlichen dert, dass die Unternehmen in unserem Land in Probleme hi- Gruppierungen und Gruppen im Auge und werden sie auch neinlaufen werden. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu nicht gegeneinander ausspielen. träge werden, weil es vielen von uns wirklich zu gut geht. Wir Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Lieber Herr Kollege, jetzt müssen wieder mehr darüber sprechen, wer Leistung bringt, ist alles gesagt. wer Steuern bezahlt, anstatt nur noch darüber zu sprechen, wer Steuergelder ausgibt und wo wir sie ausgeben. (Heiterkeit bei Abgeordneten der AfD und der SPD (Beifall bei Abgeordneten der CDU) – Zurufe von der SPD, u. a.: Es ist alles gesagt! – Das glaube ich auch!) Wir müssen auch wieder die Leistungserbringer unserer Ge- sellschaft in den Blick nehmen. Abg. Claus Paal CDU: Wie ich gehört habe, haben Sie den Beschlussteil Ihres Antrags zurückgenommen. Deshalb müs- (Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Genau!) sen wir ihn auch nicht ablehnen, weil er nicht aufgerufen wird.

Wenn wir das tun, wollen wir das Beste für unser Land. Die- Danke schön. se Fraktion, die CDU-Fraktion, wird das tun – übrigens auch im Bereich Bürokratie: weniger Regelungen und weniger (Beifall bei der CDU und Abgeordneten der Grünen) Gängelung. (Abg. Sascha Binder SPD: Hier hat niemand gegän- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Nun hat Frau Abg. Wolle gelt!) für die AfD das Wort. Also, SPD: Ruhig Blut, weniger Wahlkampf. Wir werden hier Abg. Carola Wolle AfD: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr dieses Bildungszeitgesetz dann diskutieren, wenn die Evalu- geehrte Damen und diverse Abgeordnete! Seit März dieses ierung so weit ausgewertet ist. Wer davon überzeugt ist, dass Jahres liegt der Evaluierungsbericht der Landesregierung zum er das Richtige tut, hat keine Scheu vor einer Evaluierung. Bildungszeitgesetz vor. Inwieweit die Rückmeldung einiger Hundert Teilnehmer von ca. 53 000 tatsächlich repräsentativ Ich habe übrigens auch noch eine kleine Kritik. Ich finde es ist, sei allerdings dahingestellt. schade, dass Sie im Grunde befeuert haben, dass die Evaluie- rung gar nicht durchgeführt werden kann, dass sich die einen Es ist dennoch zu begrüßen, dass dieser zeitlich vorgezogen oder anderen dagegen stellen. wurde, und es lassen sich wichtige Erkenntnisse daraus ziehen. Denn wie bereits angesprochen wurde, haben lediglich (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Es gab auch gute 1,1 % der Anspruchsberechtigten im Jahr 2017 das Bildungs- Gründe dafür!) zeitgesetz in Anspruch genommen. Dies entspricht den Er- Wenn man eine sachliche und ergebnisoffene Evaluierung wartungen der Landesregierung, und es entspricht den Erfah- will, rungen anderer Bundesländer, in denen ein solches Gesetz bereits existiert. (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Dann wartet man!) Doch einmal ganz im Ernst: Was ist denn der Sinn eines Ge- ist dies kontraproduktiv; um es einmal vorsichtig zu sagen. setzes, das nur von ca. 1 % der Anspruchsberechtigten wahr- genommen wird? Laut dem Bericht verfügen 42,4 % der be- Ich danke der Wirtschaftsministerin, dem Wirtschaftsministe- fragten Teilnehmer über Abitur und Hochschulreife. 33,9 % rium, dass diese Evaluation durchgeführt wurde und auch haben einen Fachhochschul- oder einen Hochschulabschluss. funktioniert hat. Der Bericht liegt jetzt vor. Er ist die Grund- Das bedeutet also Bildungszeit für Gebildete, Menschen, die lage für unser weiteres Vorgehen. Wir werden ihn jetzt genau schon grundsätzlich an Bildung interessiert sind, auf Kosten auswerten, Vorschläge machen und dann auch eine Novellie- der Unternehmen. rung mit dem Koalitionspartner besprechen. Ich bin absolut optimistisch, dass wir das hinbekommen. (Abg. Daniel Born SPD: Es geht um Weiterbildung! Die Unternehmensseite und die Beschäftigten haben im Üb- – Zuruf: Das ist absolut unter Ihrem Niveau!) rigen dort auch ihre Chance genutzt und mitgemacht. So hat beispielsweise das Thema Digitalisierung eine Rolle gespielt, War das wirklich Ihr Ziel? Ihr Ziel war eigentlich, die bil- und wir werden uns auch diesen Bereich bei der beruflichen dungsferne Schicht zu erreichen. Weiterbildung anschauen. Die Evaluierung zeigt, dass 75,5 % der Bildungszeit für be- Zum Abschluss möchte ich noch einmal sagen ... rufliche Weiterbildung genutzt wurden. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Bitte achten Sie auf die (Abg. Daniel Born SPD: Lebenslanges Lernen! – Redezeit. Abg. Sabine Wölfle SPD: Weiterbildung!)

5643 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Carola Wolle)

23,8 % entfielen auf politische Bildung, und lediglich 0,7 % – Haben Sie das wirklich? entfielen auf Ehrenamtsqualifizierung. Das ist also eigentlich vernachlässigbar. (Zurufe: Ja!)

Berufliche Weiterbildung ist im Zeitalter der Digitalisierung – Ganz genau, ja klar. – Unter Absatz 2 Nummer 2 steht kon- eine Schlüsselfunktion für die Wettbewerbsfähigkeit der Un- kret, dass Bildungsmaßnahmen ausgeschlossen sind, welche ternehmen in unserem Land. Die Transformation der Wirt- – ich zitiere – „unmittelbar der Durchsetzung politischer Zie- schaft hin zu Industrie 4.0 erfordert insbesondere einen gro- le dienen“. So ein Pech aber auch, das ist nämlich genau die ßen Qualifizierungsschub der Mitarbeiter. politische Bildung, die Sie wollen.

(Beifall bei der AfD) (Widerspruch bei der SPD – Zurufe von der SPD, u. a.: Nein, nein! – Das haben Sie einfach nicht ver- Das liegt allerdings vor allem im Interesse der Unternehmen standen! – Lesen Sie den Artikel durch, damit Sie es selbst. Wer in der digitalen Welt von morgen bestehen will, verstehen!) muss nicht nur seine Prozesse umstellen, sondern auch seine Mitarbeiter umfassend schulen. Ob es hierfür eines Gesetzes Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Unternehmen bedarf, mag bezweifelt werden. Oder glauben Sie etwa wirk- in unserem Land stehen in einem harten internationalen Wett- lich, dass ca. 99 % der Anspruchsberechtigten nicht an be- bewerb. Sie zahlen die weltweit höchsten Energiepreise, ha- trieblicher Weiterbildung teilgenommen haben? Selbstver- ben die weltweit höchsten Arbeitskosten und ersticken an Um- ständlich haben sie das, und zwar zu den Themen und in den weltauflagen und Bürokratie. Fachrichtungen, die für die Unternehmen und für die Mitar- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) beiter wichtig sind. Was diese Unternehmen mit Sicherheit zuallerletzt brauchen, (Abg. Daniel Andreas Lede Abal GRÜNE: Schreien sind Arbeitnehmer, die eine Woche für politische Weiterbil- Sie nicht so!) dung an ihrem Arbeitsplatz fehlen. Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist überflüssig. Was bringt denn den Unternehmen das Bildungszeitgesetz? Richtig, zusätzliche Bürokratie. Davon wollten wir doch weg. Und nun zu Ihnen, Herr Fulst-Blei: Eine Partei, deren Jugend Wenn der Sinn der Förderung beruflicher Weiterbildung über ... das Bildungszeitgesetz bereits zweifelhaft ist, so gilt dies in jedem Fall bezüglich der politischen Weiterbildung. Es er- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Kommen Sie bitte zum schließt sich nicht, warum Unternehmen, die im weltweiten Schluss, Frau Kollegin. Wettbewerb stehen, weitere Kosten für betriebsfremde Wei- terbildung aufgebürdet werden sollen. (Unruhe)

(Beifall bei Abgeordneten der AfD) Frau Abg. Wolle, kommen Sie bitte zum Schluss.

Die Begründung der SPD in ihrem Antrag lässt den wahren Abg. Carola Wolle AfD: ... mit der Antifa kuschelt, die selbst Hintergrund dieser Forderung erkennen. der „roten Hilfe“ nahe steht, ...

(Zuruf von der SPD: Oje, oje! – Abg. Sabine Wölfle (Widerspruch und Unruhe bei der SPD) SPD: Jetzt sind wir ganz Ohr! – Unruhe) Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Frau Abg. Wolle, bitte Das – ich zitiere – „Aufkommen populistischer Strömungen“ kommen Sie zum Schluss. und eine „zunehmende Europaskepsis“ (Unruhe) (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Ich rede inzwischen Abg. Carola Wolle AfD: ... soll den Mund mal nicht zu voll von Rechtsradikalismus! – Unruhe) nehmen. werden hier als Gründe angeführt. (Beifall bei Abgeordneten der AfD) (Abg. Daniel Born SPD: Sie haben so viel Angst vor Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Es spricht jetzt Herr Abg. politischer Bildung! – Vereinzelt Heiterkeit) Professor Dr. Schweickert für die FDP/DVP. So wünschenswert die Weiterentwicklung einer demokrati- (Unruhe) schen und friedfertigen Gesellschaft ist, aber warum sollen den Unternehmen – ich denke vor allem an den Mittelstand – Abg. Dr. Erik Schweickert FDP/DVP: Frau Präsidentin, lie- zusätzliche Kosten aufgebürdet werden? be Kolleginnen und Kollegen! Kollege Paal hat gerade darauf hingewiesen, dass der Antrag der SPD zwei Jahre alt ist. Liebe Kollegen der SPD: Haben Sie eigentlich § 6 des Bil- Ja, das stimmt; das ist aber kein Vorwurf an die SPD. Wir dungszeitgesetzes gelesen? schieben natürlich einen großen Berg von Anträgen vor uns her. (Abg. Daniel Born SPD: Ja! – Abg. Sabine Wölfle SPD: Haben wir gelesen! – Zuruf des Abg. Daniel Zum anderen: Das Gesetz aus dem Jahr 2015 soll nach zwei Andreas Lede Abal GRÜNE) Jahren evaluiert werden. Ich weiß, das wäre laut Koalitions- 5644 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Erik Schweickert) vertrag 2017. Da können wir dann in die Details schauen. – Die Evaluation hat weiter zutage gefördert – das ist, finde ich, Auf jeden Fall liegt jetzt ein Ergebnis vor, und das Ergebnis noch viel deutlicher –: Nur jeder hundertste Berechtigte hat kann man diskutieren. Genau das steht ja auch in Ihrem Ko- Bildungszeit tatsächlich in Anspruch genommen. Viel mehr alitionsvertrag – ich zitiere –: haben aber natürlich betriebliche Fortbildungen in Anspruch genommen. Wir werden überprüfen, ob das Bildungszeitgesetz diesen Anforderungen, gerade im Hinblick auf die Interessen von Meine Damen und Herren, bereits vor der Einführung des Ge- Handwerk und Mittelstand, gerecht wird. Das Bildungs- setzes haben wir unsere Bedenken hinsichtlich der Ausdeh- zeitgesetz wird deshalb nach zwei Jahren evaluiert und nung des Gesetzes auf die nicht betriebsbezogenen Weiterbil- novelliert. dungsmaßnahmen aus dem politischen und dem ehrenamtlichen Bereich zum Ausdruck gebracht. Ich zitiere einmal: Das heißt, es steht schon drin, dass es geändert wird. Qualifizierungen zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tä- Da kann ich die Kollegen von der SPD schon verstehen, ob- tigkeiten, die von befragten Teilnehmenden aktuell oder wohl ich grundsätzlich zum Bildungszeitgesetz eine ganz an- zuletzt besucht wurden, fanden am häufigsten in den Be- dere Einschätzung habe; ich bin nämlich der Meinung, dass reichen Sport und Amateurmusik statt. es überflüssig ist. Aber bei einem Punkt kann ich Sie verste- So heißt es in der Evaluation. Ich freue mich für den Sport, hen: dass natürlich dann eine Diskussion, wenn in den Neben- und ich freue mich für die Amateurmusik. Aber wenn das Ziel abreden steht – – Auch da zitiere ich einmal: war, gerade die ältere Bevölkerung im Bereich der politischen Bildung fortzubilden – wie es gerade eben Thema der Ausei- Wenn sich bei der Evaluierung keine gegenteiligen An- nandersetzung war –, muss man wohl sagen: weit gefehlt. haltspunkte ergeben, werden wir die Novellierung so aus- gestalten, dass bei betriebsbezogenen Fortbildungen wei- Die Ergebnisse der Evaluierung zeigen deutlich, dass wir auch terhin der volle Anspruch an Freistellungen besteht. Bei hier – natürlich – eine hohe Zahl von Rechtsstreitigkeiten ha- Fortbildungen ohne betrieblichen Bezug werden bis zu ben. Etwa ein Viertel der befragten Teilnehmer geben an, dass zwei Urlaubstage mit den Freistellungen verrechnet. es bei der Beantragung von Bildungszeit zu Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber kam. Ein Teil dieser Befragten hat auch ju- Da ist eigentlich schon alles geschwätzt. ristische Schritte eingeleitet. Insgesamt sind zwölf Urteile in der Datenbank „Landesrechtsprechung Baden-Württemberg“ (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Eben!) veröffentlicht. Jetzt schaue ich mir die Ergebnisse an. Bei dem Ergebnis, Frau Was sind denn das für Rechtsstreitigkeiten? Das sind Streitig- Ministerin, dieser Evaluierung könnte man ja fast sagen: Sie keiten, wie sie aufgrund der unscharfen Terminologie von und ihr Ministerium können sich beim Thema Bildungszeit vornherein vorhersehbar waren. Diese Unschärfen haben wir jetzt einmal selbst eine Bildungszeit gönnen. Denn die Eva- damals schon bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs kri- luation hat ja genau und zielgerichtet diese Ergebnisse ge- tisiert. Die Rechtsstreitigkeiten sind auch deshalb vorherseh- bracht, die Sie brauchen, um Ihre Nebenabreden umzusetzen. bar, weil der Arbeitgeber ja Fortbildungen hinnehmen soll, die keinerlei Bezug zu seinem Betrieb oder der betrieblichen Auf- Ich empfehle, dass Sie diese Bildungszeit dann – so sage ich stellung des Mitarbeiters haben. Das kostet Geld, das kostet einmal – so nehmen, dass die Unternehmensrealität abgebil- Zeit, das beschädigt auch den Betriebsfrieden und untermi- det wird. – Eigentlich habe ich gedacht, da kommt jetzt ein niert ein weiteres vertrauensvolles Zusammenarbeiten – und Zwischenruf: „Das braucht sie nicht, weil sie weiß, wie es bindet natürlich auch Kapazitäten vor Gericht. funktioniert.“ Aber werfen wir jetzt einmal einen Blick in den vermeintlich (Abg. Claus Paal CDU: Wunderbar!) sinnvollen Teil dieses Gesetzes: Zur betriebsnahen Fortbil- dung stellt die Studie fest: Genau so ist es. Die Unternehmen im Land wissen eigentlich, Gleichzeitig sind positive Effekte hinsichtlich der wirt- wie Weiterbildung funktioniert, wie Qualifizierung funktio- schaftlichen Herausforderungen wie die Digitalisierung, niert. Da brauchen sie nicht von staatlicher Seite ein Gesetz, der Fachkräftemangel, die Erhöhung der Beschäftigungs- das es ihnen vorschreibt, meine Damen und Herren. fähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit nur in geringem Um- fang gegeben. (Beifall bei der FDP/DVP und Abgeordneten der AfD) Meine Damen und Herren, das Bildungszeitgesetz kann halt nicht den hierfür gesetzten Zielen zur Digitalisierung oder Wenn wir dabei sind, müssen wir feststellen, dass diese Er- zum Fachkräftemangel nachkommen. Deshalb bleiben wir bei gebnisse, die jetzt vorliegen, klar zeigen, dass das damals vom dem, was wir schon bei der Einbringung dieses Gesetzent- Gesetzgeber gesetzte Ziel nicht ansatzweise erfüllt worden ist. wurfs gesagt haben: Wenn man das Ziel nicht erreicht, dann Wir haben es auch heute Morgen schon gehört: Nur jeder drit- braucht man das Gesetz nicht. Wenn ein Gesetz nur so wenig te Berechtigte kennt das Gesetz überhaupt. Das zeigt doch beibringt, dann ist es gescheitert. Deswegen, meine Damen schon eklatant, dass das Gesetz offenbar an den Bedarfen und und Herren, gehört das Bildungszeitgesetz nicht novelliert, an den Interessen auch der Betroffenen weitestgehend vorbei- sondern abgeschafft. geht. (Zuruf des Abg. Dr. Heinrich Fiechtner [fraktions- (Zuruf des Abg. Anton Baron AfD) los])

5645 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Dr. Erik Schweickert)

Das ist ein wirtschaftlicher Totalschaden. Man fängt bei ei- (Abg. Jonas Weber SPD: Ein Erfolg unserer Regie- nem Totalschaden auch nicht an, am Auto hier herumzurepa- rungszeit!) rieren, und deshalb offensichtlich eine unantastbare heilige Kuh. (Abg. Jochen Haußmann FDP/DVP: Frei nach Mon- tesquieu!) (Abg. Daniel Born SPD: Nein! Ein Erfolg für die Menschen im Land!) sondern zeigt klare Kante. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, Bewahrung des Be- (Beifall bei der FDP/DVP und des Abg. Klaus Dürr stands ist das eine, aber von Zeit zu Zeit muss eben auch die AfD) Frage erlaubt sein, ob bestehende Regelungen noch den aktu- Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Jetzt spricht Frau Minis- ellen Herausforderungen gerecht werden. terin Dr. Hoffmeister-Kraut für die Regierung. – Bitte. Herr Born, ich glaube, Sie waren es – es kam ein Ruf aus Ih- (Abg. Anton Baron AfD: Das ist eine unliebsame rer Fraktion –, der die Frage gestellt hat: Warum überhaupt ei- Aufgabe, dazu zu sprechen!) ne Evaluation? Wenn Sie das Bildungszeitgesetz so gut kennen: Ins Bildungszeitgesetz ist ein Paragraf aufgenommen Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau Dr. worden, der eine automatische Evaluation nach vier Jahren Nicole Hoffmeister-Kraut: Sehr geehrte Landtagspräsiden- vorgibt. tin, meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, es ist unbestritten, dass die Unternehmen im Land drin- (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Eben! Das hätte gend gut aus- und weitergebildete Fachkräfte brauchen, vor auch Sinn gemacht!) allem vor dem Hintergrund des technologischen Wandels, Stichwort Digitalisierung und Stichwort „Zukunft der Mobi- Eine Evaluation war von vornherein vorgesehen. lität“. Hier bestehen große Chancen, aber eben auch große He- rausforderungen – auch und speziell für die Arbeitswelt. (Abg. Daniel Born SPD: Zu einer guten Evaluation gehört auch der richtige Zeitpunkt! – Gegenruf des Deshalb ist uns, der Landesregierung, die Weiterbildung der Abg. Claus Paal CDU: Den haben wir jetzt!) Beschäftigten ein ganz wichtiges, ein zentrales Thema dieser Zeit. Lebenslanges Lernen ist für die Beschäftigten, wie auch Jetzt haben wir das Jahr 2019. für uns alle, nicht nur notwendig, sondern vielmehr ein ech- tes Asset. Es ist für jeden Einzelnen von uns wichtig, damit (Abg. Daniel Born SPD: Wann haben Sie die Evalu- wir auch gemeinsam diesen Wandlungsprozess, diesen Trans- ation gemacht? – Gegenruf des Abg. Claus Paal formationsprozess gestalten können. Eine gute Qualifikation CDU: 2019! – Zuruf des Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei und die Bereitschaft zu einer stetigen Weiterqualifizierung si- SPD) chern langfristig Chancen auf dem Arbeitsmarkt und ermög- lichen die Teilhabe an der digitalen Welt. Ich wollte nur einmal deutlich machen: Auch die SPD hatte auf dem Plan, das Bildungszeitgesetz zu evaluieren. Wir ha- Erfreulicherweise – das ist in dieser Diskussion bisher zu kurz ben die Evaluation im Herbst 2017 aufs Gleis gesetzt. gekommen – liegt die Weiterbildungsquote in Baden-Würt- temberg schon jetzt deutlich über dem Bundesdurchschnitt (Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Genau!) und ist auch höher als in Ländern, in denen ein Bildungszeit- gesetz schon seit vielen Jahren gilt. Sie wurde vom Forschungsinstitut Betriebliche Bildung in Nürnberg ergebnisoffen, unabhängig von Interessengruppen Wir fördern in Baden-Württemberg die berufliche Bildung al- und nach wissenschaftlichen Maßstäben durchgeführt. so schon heute in den verschiedensten Bereichen. Insgesamt haben wir im Jahr 2018 rund 24 Millionen € für die berufli- Da mir persönlich die Transparenz gerade auch bei diesem che Weiterbildung investiert. Ich möchte beispielhaft Projek- Thema ganz besonders wichtig ist, habe ich im Rahmen einer te nennen: zum einen das Weiterbildungsportal, die Förderung Pressekonferenz alle Beteiligten und die Öffentlichkeit zur überbetrieblicher Berufsbildungsstätten, die Netzwerke für gleichen Zeit über die Ergebnisse der Evaluation informiert – berufliche Fortbildung, die Regionalbüros, die „Qualifizie- im Übrigen auch über die nächsten Schritte. Weil Sie danach rungsoffensive Digitale Kompetenzen“ oder auch das Meis- gefragt haben: Ich habe presseöffentlich angekündigt, wie wir ter-BAföG. weiter verfahren. Insofern sprechen wir hier – auf Wunsch der SPD-Fraktion – über allseits Bekanntes. Wir werden bei der Qualifizierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nicht nachlassen. Genannt seien hier die (Beifall bei Abgeordneten der CDU – Vereinzelt Bei- neuen Qualifizierungsverbünde, die Mitte des Jahres ihre Ar- fall bei den Grünen) beit aufnehmen werden. All diese ganz konkreten Maßnah- men kommen nachweislich bei den Menschen an und tragen Aber gern noch einmal für Sie, liebe Kolleginnen und Kolle- maßgeblich zu unserem Ziel bei, den Menschen in unserem gen der SPD: Nachdem der Bericht vorlag, haben wir die Land lebenslanges Lernen zu ermöglichen. sechs Stakeholder, die wir auch schon im Vorfeld der Evalu- ation mit einbezogen hatten, stellvertretend für die Interessen- Natürlich gibt es auch noch das Bildungszeitgesetz – für die vertreter, die uns jetzt in diesem Evaluationsprozess begleitet SPD ein Erbe ihrer Regierungszeit haben, um eine schriftliche Stellungnahme gebeten. 5646 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Ministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut)

Herr Fulst-Blei, die Namen sind: der DGB-Landesverband, Es ist aber zu früh. Sie sagen uns jetzt auch weiterhin nicht, die Arbeitsgemeinschaft Ländliche Erwachsenenbildung, der was Sie eigentlich vorhaben, was Sie ganz konkret nach der Landessportverband, die Arbeitgeber Baden-Württemberg, die Wahl umsetzen wollen. Ich muss Ihnen aber auch zugestehen: für die Weiterbildung federführende Industrie- und Handels- Sie sind ja auch nicht bei den Gewerkschaften unterwegs und kammer Reutlingen sowie der Baden-Württembergische machen an anderer Stelle gut Wetter. Ihre Kritik ist von An- Handwerkstag. fang an bekannt. Das gönne ich Ihnen. Das gestehe ich Ihnen zu. Ich habe aber von den Grünen heute überhaupt nichts an Die Stellungnahmen werden uns voraussichtlich bis zum Aussage gehört. 24. Mai vorliegen. Da Herr Gross heute auch hier ist: Der DGB – nicht ver.di – hatte um Fristverlängerung gebeten, ein (Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Schlecht zugehört!) Wunsch, dem wir selbstverständlich auch gern nachgekom- men sind. Wir wissen von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen der Grünen, nicht: Stehen Sie jetzt zum Bildungszeitgesetz in der bisheri- Darüber hinaus möchte ich mit diesen Organisationen auch gen Form oder nicht? Keine Aussage zum Thema „Erhalt der gern persönliche Gespräche führen, um mir ein vollständiges politischen Bildung“, keine Aussage von Ihnen zu möglichen Bild aller Argumente zu erarbeiten. Diese Gespräche werde Einschnitten oder Nichteinschnitten zum Thema „Ehrenamt- ich zeitnah führen. Die Terminierung läuft gerade. liche Qualifikation“.

Im Anschluss daran und auf Basis dessen werden wir die po- (Abg. Thomas Poreski GRÜNE: Zuhören würde hel- litische Diskussion führen, um eine mögliche Novellierung fen!) des Bildungszeitgesetzes, wie sich das gehört, innerhalb der Landesregierung und dann auch im Landtag zu beraten. Ich Kann es sein, dass Sie sich bis nach der Wahl durchmogeln möchte jetzt an dieser Stelle diesem Prozess nicht vorgreifen. wollen?

(Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Richtig!) (Beifall bei der SPD – Abg. Karl-Wilhelm Röhm CDU: Zuhören! Ich habe es gehört! – Weitere Zuru- Das würde der Bedeutung für die Arbeitnehmerinnen und Ar- fe) beitnehmer, aber auch für die Unternehmen im Land nicht gerecht werden. Ich gebe Ihnen gern noch etwas von meiner Redezeit ab, oder Vielen Dank. stellen Sie eine Frage, und dann können Sie hier am Mikro- fon auch gern erklären, dass es mit den Grünen keine Ver- (Beifall bei den Grünen und der CDU) schlechterung geben wird.

Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Herr Abg. Dr. Fulst-Blei, Ich sage Ihnen aber klar an: Sie haben uns heute Material bitte. Die SPD hat noch Redezeit. gegeben für die nächsten Debatten. Ich freue mich darauf, wenn wir uns demnächst wieder bei den Kolleginnen und (Abg. Claus Paal CDU: Wie geht das?) Kollegen – nicht nur am 1. Mai, sondern auch bei den Ver- anstaltungen vor Ort – sehen. Aber dann bitte nicht ein- Abg. Dr. Stefan Fulst-Blei SPD: Vielen Dank, Frau Präsi- schmeicheln, sondern klar sagen: Sie haben mögliche Ein- dentin. – Frau Wirtschaftsministerin, vielen herzlichen Dank schnitte im Bildungszeitgesetz mitgetragen. Mit den Kol- für die Ausführungen. Ich muss sagen: Sie machen das, wo- leginnen und Kollegen da drüben bin ich nicht einer Mei- für Sie gewählt sind. Was man Ihnen vorwerfen kann, ist, dass nung. Aber die haben sich wenigstens eine gewisse Glaub- Sie das Ergebnis intransparent für die Öffentlichkeit vorab in würdigkeit erhalten. Die Grünen müssen das erst noch be- die Nebenabreden hineingeschrieben haben. – Wenn Sie nicht weisen. beteiligt waren, dann haben Sie das jetzt zumindest auszuhal- ten. (Beifall bei der SPD – Zuruf: Wahlkampf!)

Kollege Paal, das ist im Grunde auch der zentrale Vorwurf. Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz: Liebe Kolleginnen und Wir wollten in der Tat eine Evaluation. Wir wollten sie nach Kollegen, wenn ich es richtig sehe, liegen jetzt keine Wort- vier Jahren, weil wir gesagt haben: Natürlich braucht ein neu- meldungen mehr vor. es Gesetz auch die Möglichkeit, erst einmal praktiziert zu werden. Das war der zentrale Vorwurf auch vonseiten der Volks- Wir kommen zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des hochschulen, der Gewerkschaften und vieler weiterer, die ge- Antrags Drucksache 16/2152. Wir können den Antrag insge- fragt haben: Warum nach zwei Jahren mit der Evaluation an- samt für erledigt erklären, weil Abschnitt I ein Berichtsteil ist, fangen? Warum nicht nach vier Jahren, wie ursprünglich im der für erledigt erklärt werden kann, und die SPD-Fraktion Gesetz vorgesehen, wenn wir im Grunde auch schon wissen, mitgeteilt hat, auf die Abstimmung über Abschnitt II zu ver- wo es hakt? Da wäre in der Tat selbst aus unserem Blickwin- zichten. – Dem stimmen Sie zu. kel heraus eine gute Möglichkeit, zu sagen: Da und da muss man vielleicht nachjustieren – von mir aus auch gern zum Sie müssen aber trotzdem noch einen Moment dableiben. Thema Bürokratie. Das haben Sie aber kaputt geschlagen, indem Sie vorweg in die Nebenabreden sozusagen hineinfor- Punkt 7 der Tagesordnung ist erledigt. muliert haben, was Sie eigentlich wollen. Zufälligerweise ist das Evaluationsergebnis da auch sehr nah dran. Punkt 8 der Tagesordnung ist abgesetzt.

5647 Landtag von Baden-Württemberg – 16. Wahlperiode – 92. Sitzung – Donnerstag, 16. Mai 2019 (Stellv. Präsidentin Sabine Kurtz)

Wir kommen jetzt zu den Punkten 9 bis 14 der Tagesordnung. Jetzt kommen wir zu Punkt 12 der Tagesordnung: Ich weise darauf hin, dass die AfD-Fraktion bei den Punk- ten 11 und 12 eine förmliche Abstimmung beantragt hat. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu- ropa und Internationales zu der Mitteilung des Ministeri- Ich rufe jetzt zuerst die Punkte 9 und 10 der Tagesordnung ums für Finanzen vom 4. April 2019 – Unterrichtung des auf: Landtags in EU-Angelegenheiten; hier: Auf dem Weg zu einer effizienteren und demokratischeren Beschlussfas- Punkt 9: sung in der EU-Steuerpolitik – Drucksachen 16/6060, 16/6107 Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus- schusses zu der Mitteilung der Landesregierung vom Berichterstatter: Abg. Dr. Bernd Grimmer 27. März 2019 – Berichte des SWR und des ZDF über die Finanz-, Haushalts- und Personalkostenentwicklung in Auch hier empfiehlt der Ausschuss, von der Mitteilung Druck- den Jahren 2017 bis 2020 – Drucksachen 16/6004, 16/6110 sache 16/6060 Kenntnis zu nehmen. Wer dieser Beschluss- empfehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Berichterstatter: Abg. Dr. Ulrich Goll Danke. Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Punkt 10: Beschlussempfehlung mehrheitlich zugestimmt. Beschlussempfehlung und Bericht des Ständigen Aus- Jetzt rufe ich noch die Punkte 13 und 14 der Tagesordnung schusses zu der Mitteilung des Rundfunkbeauftragten für zusammen auf: den Datenschutz vom 1. Februar 2019 – 11. Tätigkeitsbe- Punkt 13: richt des Rundfunkbeauftragten für den Datenschutz des Südwestrundfunks für das Jahr 2018 – Drucksachen Beschlussempfehlungen und Berichte des Petitionsausschus- 16/6070, 16/6111 ses zu verschiedenen Eingaben – Drucksachen 16/6172, 16/6173, 16/6174, 16/6175, 16/6176, 16/6177, 16/6178 Berichterstatter: Abg. Jonas Weber Punkt 14: Da kann ich gemäß § 96 Absatz 5 der Geschäftsordnung die Zustimmung entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Beschlussempfehlungen und Berichte der Fachausschüs- Ständigen Ausschuss feststellen. Sind Sie damit einverstan- se zu Anträgen von Fraktionen und von Abgeordneten – den? – Das ist der Fall. Drucksache 16/6139 Punkt 11: Gemäß § 96 Absatz 5 der Geschäftsordnung stelle ich die Zu- Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Eu- stimmung entsprechend dem Abstimmungsverhalten in den ropa und Internationales zu der Mitteilung des Ministeri- verschiedenen Ausschüssen fest. – Es ist so beschlossen. ums für Inneres, Digitalisierung und Migration vom Der unter Punkt 15 aufgeführte Tagesordnungspunkt 27. März 2019 – Unterrichtung des Landtags in EU-An- gelegenheiten; hier: Katastrophenschutzverfahren der Kleine Anfragen Union – Drucksachen 16/6010, 16/6106 hat sich erledigt. Die Kleinen Anfragen sind alle beantwortet Berichterstatterin: Abg. Isabell Huber worden. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Europa und Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heu- Internationales empfiehlt Ihnen, von dem Inhalt der Drucksa- tigen Tagesordnung angelangt. che 16/6010 Kenntnis zu nehmen. Wer dieser Beschlussemp- fehlung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer Die nächste Sitzung findet am Mittwoch, 5. Juni 2019, um ist dagegen? – Enthaltungen? – Keine Enthaltungen. Damit 9:00 Uhr statt. ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses mehrheitlich zugestimmt. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und schließe die Sitzung.

Schluss: 18:38 Uhr

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