Aktuelles rund um das Wohnhuus Bärenmoos

SprungBrett Nr. 48 September 2016

Mobilität als Grundrecht Inhalt Mobilität dank Behinderten- fahrdiensten: Auf zur Liebe Leserinnen, liebe Leser Kundgebung gegen die Kürzungen Im Wohnhuus Bärenmoos Ieben, wie Sie wissen, Menschen mit einer Körperbehinderung. Das Betreuungskonzept sieht vor, dass die Bewohner Esther Hilbrands: 20 Jahre im ihr Leben möglichst selbstbestimmt gestalten und so oft wie möglich Wohnhuus Bärenmoos Kontakte ausser Haus pflegen können. Sicherheitsparcours: praktische Viele Bewohner sind aufgrund ihrer Behinderung auf eine Begleitperson Übungen für den Notfall angewiesen, wenn sie Angehörige oder Freunde besuchen, ein Restau- rant aufsuchen oder ins Kino gehen. Oft muss die Begleitperson ihren Rollstuhl vom Haus zum Auto schieben, sie direkt zum Ziel fahren und Öffentliche Anlässe dort auch wieder abholen. Andere haben infolge einer Hirnverletzung einen eingeschränkten Orientierungssinn. Erschwerend hinzu kommt, Freitag, 25. November 2016 dass der Bahnhof Dorf nicht barrierefrei ist. Bärenmoos-Beiz, ab 18.30 Uhr «Best of BäMo-Beiz» Wer nicht den ÖV nutzen kann, ist auf einen erschwinglichen Transport (Anmeldung erforderlich) angewiesen. ProMobil finanziert diesen Menschen eine begrenzte Anzahl an Fahrten mit einem Behindertenfahrdienst. Nun soll die ohnehin geringe Freitag, 2. Dezember 2016 Anzahl an Fahrten um die Hälfte reduziert werden. Stand am Weihnachtsmarkt Der Regierungsrat des Kantons Zürich begründet die massiven Kürzun- gen von 8 Millionen damit, dass inzwischen ein behindertengerechtes Impressum Grobnetz von ÖV, d.h. im Klartext barrierefreie Verkehrsmittel, zur Verfü- gung stehe. Wo aber bleibt die Mobilität von Menschen, welche diese aus Konzept und Inhalt den bereits erwähnten Gründen nicht nutzen können? Stiftung WFJB Wohnhuus Bärenmoos Die von der Schweiz unterzeichnete UNO-Konvention für Menschen mit einer Behinderung beinhaltet auch das Recht auf Mobilität. Die Vertrags- Redaktion partner verpflichten sich darin, die persönliche Mobilität von Menschen mit Sprache & Kommunikation Behinderungen mit grösstmöglicher Unabhängigkeit zu sichern und zu Iris Vettiger, 8002 Zürich fördern. Druck Damit dieses Grundrecht weiterhin erhalten bleibt, haben wir am Künzler Druck GmbH 29. August 2016 gemeinsam mit rund 250 weiteren Betroffenen auf dem 8800 Thalwil Rathausplatz in Zürich gegen die Sparmassnahmen bei ProMobil protestiert. Die Bewohner wollen auch in Zukunft an Aktivitäten ausserhalb Verpackung des Wohnhuus Bärenmoos teilnehmen. Und wir finden, sie haben ein durch die Bewohnerinnen und Recht darauf! Bewohner

Esther Hilbrands Hausleitung Wohnhuus Bärenmoos

Wohnhuus Bärenmoos, im Bärenmoos 6, 8942 Oberrieden, Tel. 044 720 19 00 [email protected], www.bärenmoos.ch, Spendenkonto PC 80-15577-9 Mobilität dank Behindertenfahrdiensten: Auf zur Kundgebung gegen die Kürzungen!

Menschen mit einer Behinderung Bewohnern, als sie von den Wir reservierten vorsorglich sollen aktiv am Leben teilnehmen. Sparmassnahmen erfuhren. Rollstuhlbusse bei Procap Diese Ansicht vertritt die Stiftung «Nur noch einmal pro Monat aus Wädenswil und erkundigten uns WFJB seit ihrer Gründung im dem Haus zu gehen, das kann ja bei der Helpline für barrierefreies Jahr 1992. Dazu gehört, dass die wohl nicht wahr sein.» Reisen der SBB und des ZVV. Bewohner der Wohnhäuser die Die SBB gab uns die Auskunft, Kontakte zu ihren Angehörigen und Die Behindertenkonferenz Kanton dass es für Rollstuhlfahrer keine Freunden pflegen können. Selbst- Zürich organisierte am 29. August Gelegenheit gäbe, von Oberrieden verständlich sollten auch Konzert-, 2016 eine Kundgebung auf der Dorf nach Zürich zu fahren. Kino-, Theater oder Cafébesuche Rathausbrücke in Zürich. Die Der ZVV verwies uns an den möglich sein. Die meisten Bewoh- Bewohner wollten unbedingt daran -Bus. ner des Bärenmoos sind dafür auf teilnehmen. Behindertenfahrdienste angewie- Schliesslich fuhren die meisten mit sen. Wie aber sollten sie auf die vier rollstuhlgerechten Kleinbussen. Rathausbrücke in Zürich kommen? Vier Bewohner und ihre Begleit- Nun beabsichtigt der Regierungsrat Ideal wäre, die 17 Rollstuhlfahrer personen nutzten den ÖV. eine massive Kürzung der Beiträge und ihre Begleitpersonen würden an ProMobil, der Zürcher Stiftung mit den ÖV nach Zürich reisen. Ein Wie haben ihre nicht ganz für Behindertentransporte. unmögliches Unterfangen: Der hindernisfreie Reise nach Zürich Bahnhof Oberrieden Dorf ist nicht für Sie, liebe Leserinen und Leser, Gross war die Empörung bei den rollstuhlgerecht. dokumentiert.

Die Bewohner auf dem Weg nach Zürich

Vier Bewohner und ihre Begleit- personen starten im Bärenmoos mit den Rollstühlen.

Die Gruppe wartet an der Haltestelle. Der Busfahrer sieht die Gruppe und ist gar nicht erfreut. Er deutet mit einem Handzeichen an, dass nur zwei Rollstühle Platz haben. Ohne ein Wort mit den Bewohnern oder den Begleitperso- nen zu wechseln, klappt er die Sie brauchen 15 Minuten bis zur Auf dem Weg dorthin treffen Rampe aus. Seine Mimik und Haltestelle des Zimmerberg-Bus sie bereits das eine oder andere Gestik zeigen deutlich, dass ihm Richtung Thalwil. Hindernis an. die Situation nicht passt.

2 Der Bahnhof Thalwil hat einen Aufzug und der Bahnhof eine Unterführung ohne Treppen, so dass beide Gruppen auf das Bahngleis Richtung Zürich gelang- ten.

Sowohl das Einsteigen in die S2 als auch das Aussteigen in Zürich verliefen dann problemlos.

Da es für die Begleiterin zu schwer hat sich auf drei Trams ist, den erwachsenen Rollstuhlfah- aufgeteilt; die Tramfahrer waren rer auf die Rampe zu fahren, hilft sehr freundlich. ihr der männliche Betreuer dabei. Vom Paradeplatz ging es zu Fuss Die beiden zurück gebliebenen weiter zur Rathausbrücke. Rollstuhlfahrer mit ihren Begleitern wollten nicht eine halbe Stunde auf den nächsten Bus warten und nahmen kurz entschlossen den Zimmerberg-Bus Richtung Horgen. Dieser Busfahrer war sehr freundlich und zuvorkommend. In Horgen brachte er ihnen sogar einen Kaffee, um die Wartezeit zu verkürzen!

Inzwischen waren auch die anderen Bewohner mit den Bussen angekommen. Sie trafen Bewoh- ner vom Sechtbach-Huus und Meilihof und nahmen gemeinsam In Zürich wird an den Tramhalte- mit ca. 250 anderen Betroffenen stellen angezeigt, welche Fahrzeuge und Sympathisanten an der rollstuhlgängig sind. Die Gruppe Kundgebung teil.

23 Esther Hilbrands: 20 Jahre im Wohnhuus Bärenmoos

Esther Hilbrands, Hausleiterin des Wohnhuus Bärenmoos, an dessen 20-jährigem Jubiläum. Immer mitten im Geschehen, aber nicht im Mittelpunkt!

Sie arbeiten seit 20 Jahren im Es hat sich alles verändert, ausser Betreuung und das Zusammen- Wohnhuus Bärenmoos? unsere Grundlagen. Anders als in leben der Bewohner im Bären- Wie sind Sie ins Bärenmoos Spitälern und Altersheimen war die moos beruhen, sind eine individu- gekommen? Betreuung in unserem Bereich vor elle Betreuung und die Mitbestim- Über ein Stelleninserat. Ich war 20 Jahren noch nicht allzu regu- mung der Bewohner. Diese damals Stationsleiterin einer geschlosse- liert. Jeder Mitarbeitende arbeitete fortschrittlichen Ansätze sind nen Abteilung in der Psychiatrie damals mit den Bewohnern, wie er mittlerweile in vielen Institutionen und strebte einen Wechsel an. Als es für richtig hielt. Daraus ergaben Standard. ich das Inserat sah, bewarb ich sich Beziehungen zwischen mich spontan für die Pflegedienst- einzelnen Bewohnern und Mitar- Haben sich die Bewohner leitung im Berghaus. beitenden. Heute führen wir eine oder der Umgang mit ihnen Bewohnerdokumentation, alle verändert? Hatten Sie früher schon Kontakt Mitarbeitenden arbeiten mit Bei uns ist es wie überall. Junge mit Menschen mit einer Körper- definierten Zielen und belegen Bewohner haben inzwischen behinderung? jeden Betreuungsschritt. So andere Bedürfnisse, sie wollen in Ja, ich kam bereits bei meiner garantieren wir den Bewohnern den Ausgang und nutzen die Ausbildung in der Epilepsie-Klinik Kontinuität in der Betreuung. Das Social Media. Sie fordern mehr in Kontakt mit Menschen mit Bärenmoos hat in den vergange- und sagen nicht mehr einfach zu Körper- bzw. Mehrfachbehinderun- nen 20 Jahren eine enorme allem ja. So gesehen ist das gen. Professionalisierung erfahren. Bärenmoos ein Spiegel der Gesellschaft. Was hat sich in den letzten Welche Grundlagen haben sich 20 Jahren im Bärenmoos nicht verändert? Unsere Bewohner sind aber grund- verändert? Die Grundlagen, auf denen die sätzlich geduldig und verhalten

24 sich untereinander solidarisch, und Betreuungskultur aufzubauen Im Laufe der Jahre habe ich wenn wir z. B. aufgrund von und danach zu arbeiten bzw. zu gelernt, dass wir nicht nur aus- Krankheitsausfällen mit weniger leben. Es reicht nicht, wenn die gereifte Betreuungskonzepte Mitarbeitenden auskommen Leitung die Kultur vorlebt, es definieren, sondern vor allem auch müssen. Wir hatten immer eine braucht immer auch Mitarbeitende, miteinander kommunizieren gute Durchmischung von verschie- die vom Konzept überzeugt sind müssen. Wir stellen immer wieder denen Behinderungsformen, und mitziehen. Wir haben viele fest, dass ganz einfache Aussagen welche es auch erlaubt, dass sich langjährige Mitarbeitende, die dem wie «Ich komme gerade!» für jeden die Bewohner gegenseitig unter- Betrieb Stabilität geben. Und Bewohner und Mitarbeitenden stützen. natürlich müssen sich die Bewoh- etwas anderes bedeuten. ner in dieser Kultur wohlfühlen. Das wiederum bedeutet, dass wir Welche Themen liegen Ihnen das Thema Kommunikation als besonders am Herzen? Was zeichnet diese Wohn- und solches aufnehmen und ein Das Gleichgewicht zwischen Betreuungskultur für Sie aus? Bewusstsein dafür schaffen Selbst- und Fremdbestimmung der Wir haben strukturierte, aber müssen. Das gemeinsame Jahres- Bewohner. Wir wollen und dürfen keinesfalls starre Abläufe. Bewoh- thema 2016 für alle Bewohner die Bewohner nicht bevormunden. ner und Mitarbeitende sind keine und Mitarbeitenden lautet deshalb Wir müssen ihre Entscheidungen Nummern, sondern Menschen. Ich «Kommunikation». respektieren, auch wenn wir das weiss, dass die Mitarbeitenden Gefühl haben, der Bewohner tut schätzen, dass ich immer voll Was macht Ihnen am sich damit keinen Gefallen. Ein dabei bin und auch notwendige meisten Freude bei der Arbeit, anderes Thema, das mir am Entscheidungen treffe – dies aber was motiviert Sie? Herzen liegt, ist die Begleitung von immer nach einer offenen Ausein- Mich motiviert viel. Ich freue mich, neuen Bewohnern beim Einle- andersetzung mit allen Beteiligten wenn es den Bewohnern gut geht, bungsprozess im Bärenmoos. und Abwägen aller Möglichkeiten. wenn sie zu mir kommen und ihre Wichtig ist mir auch die Begleitung Bedürfnisse ausdrücken und wenn ihrer Angehörigen, die häufig Was braucht es sonst noch, wir gemeinsam etwas erleben ebenfalls eine Art Trauerprozess um Ihre Arbeit erfolgreich oder eine schwierige Situation durchmachen, wenn ein Familien- auszuführen? meistern können. Und ich freue mitglied nicht mehr zu Hause leben Der ganze Betrieb funktioniert nur mit mich, wenn ich von Bewohnern und kann. Vertrauen. Ich habe das Vertrauen Mitarbeitenden ein ehrliches der Geschäftsleitung, des Stiftungs- Feedback bekomme. Wo lag die grösste Heraus- rates, der Mitarbeitenden und der forderung der letzten 20 Jahre? Bewohner. Sie alle geben mir die Es gibt immer wieder neue Die grösste Herausforderung war Möglichkeit, meine Arbeit so aus- Herausforderungen und damit es, alle gemeinsam eine Wohn- zuführen, dass es für mich stimmt. Schritt zu halten, hält mich jung.

Esther Hilbrands im Gespräch mit einer Bewohnerin am Heiligabend, links, und als Chorleiterin der Rollisingers am Tag der offenen Tür, rechts

25 Sicherheitsparcours: praktische Übungen für den Notfall

Verschiedene Übungssituationen am Sicherheitsparcours: Einsatz eines Schaumfeuerlöschers und Patientenlagerung, oben, Gebrauch einer Feuerlöschdecke, Alarmquittierung und Sicherung von Rollstühlen in Fahrzeugen, unten

Wer im Notfall schnell und richtig und Personensicherung in Fahr- Ernstfall notwendige Vertrauen reagiert, hat das meist geübt. zeugen auf dem Programm. Bei aufzubauen. Mitarbeitende und Seit über zehn Jahren nehmen technischen Alarmen (Lift, Hei- Bewohner fühlen sich so sicherer. alle Mitarbeitenden im Wohnhuus zung oder Wasserschaden) geht Auf Wunsch der Bewohner fand für Bärenmoos jährlich an zwei es auch darum, die Quelle des sie eine interne Fortbildung zum Sicherheitsparcours teil. Bei den Alarms zu finden und sich mit Thema «Sicherheit im Brandfall» unterschiedlichen Notfallsze- dem notwendigen Vorgehen statt. Dabei wurden nicht nur narien geht es vor allem um die vertraut zu machen. mögliche Gefahrenquellen und Umsetzung der Kenntnisse in Sicherheitsvorkehrungen bespro- die Praxis. In Rollenspielen haben Im medizinischen Bereich werden chen, sondern auch individuelle die Mitarbeitenden die Gelegen- Grundlagen wie die Lagerung Ängste der Bewohner thematisiert. heit, ihre eigenen Reaktionen und eines Patienten oder Erste Hilfe das Zusammenspiel mit anderen bei Verschlucken aufgefrischt. Die Mitarbeitenden achten auch zu testen. Dabei kommen auch psychologi- im Alltag auf die grösstmögliche sche Aspekte ins Spiel. Wer Sicherheit der Bewohner. Sie Mögliche Themen für die Sicher- übernimmt das Kommando, wer weisen sie auf mögliche Gefahren heitsparcours werden von den beruhigt den Verletzten, wer holt hin und versuchen, diese wo Betreuungsteams vorgeschlagen. Hilfe? immer möglich, zu eliminieren. 2016 standen etwa der Einsatz Dazu gehört auch den Bewohnern von Löschmitteln, die Sicherheit in Gemeinsame Übungen mit der ihre Eigenverantwortung punkto den Aufzügen oder die Rollstuhl- Feuerwehr helfen, das für den Sicherheit bewusst zu machen.

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