Marlen Baumgartner

Stadtentwicklung des 1. Wiener Gemeindebezirks – Die sozialräumlichen Veränderungen der letzten 120 Jahre

DIPLOMARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades

Magistra der Naturwissenschaften

Studium: Lehramtsstudium UF Geographie und Wirtschaftskunde UF Englisch

Alpen-Adria-Universität

Begutachter Univ.-Prof. Dr. Max-Peter Menzel Alpen-Adria-Universität Klagenfurt Institut für Geographie und Regionalforschung

Klagenfurt, April 2019

Eidesstattliche Erklärung

Ich versichere an Eides statt, dass ich

- die eingereichte wissenschaftliche Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe, - die während des Arbeitsvorganges von dritter Seite erfahrene Unterstützung, ein- schließlich signifikanter Betreuungshinweise, vollständig offengelegt habe, - die Inhalte, die ich aus Werken Dritter oder eigenen Werken wortwörtlich oder sinn- gemäß übernommen habe, in geeigneter Form gekennzeichnet und den Ursprung der Information durch möglichst exakte Quellenangaben (z.B. in Fußnoten) ersichtlich gemacht habe, - die eingereichte wissenschaftliche Arbeit bisher weder im Inland noch im Ausland einer Prüfungsbehörde vorgelegt habe und - bei der Weitergabe jedes Exemplars (z.B. in gebundener, gedruckter oder digitaler Form) der wissenschaftlichen Arbeit sicherstelle, dass diese mit der eingereichten digitalen Version übereinstimmt.

Mir ist bekannt, dass die digitale Version der eingereichten wissenschaftlichen Arbeit zur Plagiatskontrolle herangezogen wird.

Ich bin mir bewusst, dass eine tatsachenwidrige Erklärung rechtliche Folgen haben wird.

Marlen Baumgartner e. h. Klagenfurt, April 2019

I Inhaltsverzeichnis Eidesstattliche Erklärung ...... I

Inhaltsverzeichnis ...... II

Abbildungsverzeichnis ...... V

Tabellenverzeichnis ...... V

1. Einleitung ...... 1

2. Theorie ...... 2

2.1 Definition von Stadt ...... 2

2.2 Definition von Raum ...... 4

2.3 Raumtheorien ...... 7

2.4 Raumkonzept nach Henri Lefebvre ...... 8

2.4.1 Die räumliche Praxis ...... 11

2.4.2 Die Repräsentation des Raumes ...... 13

2.4.3 Räume der Repräsentation ...... 15

2.4.4 Der Begriff der Repräsentation ...... 17

2.4.5 Zusammenfassung ...... 18

2.4.6 Die Architektur des Raumes ...... 19

2.5 Definition von sozialräumlichen Strukturen ...... 20

3. – Innere Stadt im Wandel der Zeit ...... 22

3.1 Einleitung ...... 22

3.2 Phase 1: 1900-1929 ...... 25

3.2.1 Einleitung/ Beschreibung ...... 25

3.2.2 Wichtige Ereignisse ...... 26

3.2.3 Aufbau der Stadt ...... 27

3.2.4 Funktionen und Aufgaben der Stadt ...... 30

3.2.5 Gesellschaftliches Leben ...... 32

3.3 Phase 2: 1930-1959 ...... 34

3.3.1 Einleitung/ Beschreibung ...... 34

II 3.3.2 Wichtige Ereignisse ...... 35

3.3.3 Aufbau der Stadt ...... 36

3.3.4 Funktionen und Aufgaben der Stadt ...... 38

3.3.5 Gesellschaftliches Leben ...... 39

3.4 Phase 3: 1960-1989 ...... 40

3.4.1 Einleitung/ Beschreibung ...... 40

3.4.2 Wichtige Ereignisse ...... 41

3.4.3 Aufbau der Stadt ...... 42

3.4.4 Funktionen und Aufgaben der Stadt ...... 44

3.4.5 Gesellschaftliches Leben ...... 45

3.5 Phase 4: 1990-heute ...... 46

3.5.1 Einleitung/ Beschreibung ...... 46

3.5.2 Wichtige Ereignisse ...... 46

3.5.3 Aufbau der Stadt ...... 47

3.5.4 Funktionen und Aufgaben der Stadt ...... 49

3.5.5 Gesellschaftliches Leben ...... 52

3.6 Vergleich der Phasen ...... 55

3.6.1 Bevölkerung ...... 55

3.6.2 Überalterung und Umschichtung der Bevölkerung ...... 56

3.6.3 Strukturwandel ...... 56

3.6.4 Mischfunktion aus Wohnen und Geschäft ...... 57

3.6.5 Wohnbestand und Umwandlung des Wohnbedarfs ...... 58

3.6.6 Verlagerung der Wohnfunktion und der Betriebe ...... 59

3.6.7 Baustile ...... 60

3.6.8 Finanzierung der Gebäude ...... 61

3.6.9 Alter der Gebäude ...... 61

3.6.10 Verkehr ...... 62

3.6.11 Infrastruktur ...... 63

III 3.6.12 Stadtentwicklungsphasen ...... 64

3.7 Verknüpfung zur Raumtheorie nach Lefebvre ...... 66

3.7.1 Der 1. Bezirk als räumliche Praxis ...... 67

3.7.2 Der 1. Bezirk als Repräsentation des Raumes ...... 68

3.7.3 Der 1. Bezirk als Raum der Repräsentation ...... 69

4. Fazit/ Resümee ...... 72

5. Literaturverzeichnis ...... 74

6. Anhang ...... 77

6.1 Abbildungen ...... 77

6.2 Tabellen ...... 81

IV Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Dreidimensionales Schema der traditionellen Stadt ...... 17 Abbildung 2: Lefebvres dreidimensionale Dialektik ...... 19 Abbildung 3: Funktionale Gliederung der Inneren Stadt ...... 50 Abbildung 4: Die sozialräumliche Gliederung Wiens 1914 ...... 77 Abbildung 5: Die Wiener City im Jahr 1914 ...... 78 Abbildung 6: Sozialräumliche Gliederung der Wiener Altstadt 1914 ...... 79 Abbildung 7: UNESCO Schutzzonen ...... 80

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Dreiheit des Raumes ...... 11 Tabelle 2: Bevölkerungsstruktur in Altersgruppen der Inneren Stadt ...... 54 Tabelle 3: Tabelle zur Wohn- und Arbeitsbevölkerung in Wien ...... 81 Tabelle 4: Bevölkerungsentwicklung Innere Stadt 1869-2018 ...... 81 Tabelle 5: Gebäudealter der Inneren Stadt...... 82

V 1. Einleitung "Das Lob gilt für die Städte wie für die Menschen und ihre Werke, für das, was sie – Haus wie Stadt, Plätze und Straßen und Monumente – zur sichtbaren Stadt geformt haben" (Werner Oechslin).

Jede Weltstadt, Großstadt und auch jedes Dorf, eigentlich alles in der menschlichen Welt, ist von einem Wandel geprägt. Alles Erbaute, Geschaffene und Veränderte ist vom Menschen erzeugt. Sozusagen steht der Mensch im Mittelpunkt unserer Gesellschaft. Die Geschichte einer Stadt verrät uns, welche Veränderungen und Entwicklungen stattgefunden haben und welche Mächte oder Ereignisse sie beeinflusst haben. Und erst diese Geschichte verrät unsere Daseinsfunktion und die Daseinsfunktion der Stadt. Aus diesen Gründen widmet sich diese Diplomarbeit den sozialräumlichen Veränderungen des 1. Wiener Gemeindebezirks, Innere Stadt. Da die Analyse der gesamten Geschichte, also seit der Entstehung Wiens, den Rahmen dieser Diplomarbeit sprengen würde, werden die letzten 120 Jahre betrachtet, analysiert und kritisch hinterfragt.

Das Thema ist unter anderem von Bedeutung, da es die zentrale Herausforderung einer Stadtentwicklung ist, auf die Entwicklungsdynamik einer Stadt zu reagieren, um einerseits die sozioökonomischen Veränderungen und Wachstum zu ermöglichen und andererseits gleichzeitig das Stadtbild und sein Umfeld zu respektieren. Des Weiteren muss ein Gleichgewicht zwischen Erhaltungs- und Nutzungsinteressen bestehen, um einen Schutz für das kulturelle Erbe zu garantieren, aber gleichzeitig die Einbindung der historischen Bausubstanz in einen lebendigen Stadtorganismus zu integrieren.

Jede Forschung braucht eine Grundlage und aus diesem Grund befasst sich der erste Teil dieser Diplomarbeit mit der Theorie. Die Theorie beinhaltet die wichtigsten Definitionen, gefolgt von dem Raumkonzept nach Henri Lefebvre.

Der zweite Teil der Diplomarbeit befasst sich mit der Stadtentwicklung der Inneren Stadt und welchen Wandel sich der 1. Bezirk unterziehen musste, folgend von einem Vergleich der Phasen und einer Verknüpfung zur Theorie.

1 2. Theorie Im folgenden Kapitel werden die Begriffe Stadt und Raum hinsichtlich eines geographischen und sozialgeographischen Ansatzes definiert und erläutert. Diese sollen dem Leser/ der Leserin als Begriffserläuterung dienen. Weiters wird die Raumtheorie von Henri Lefebvre erforscht und analysiert. Da sich Henri Lefebvre mit dem Raum hinsichtlich seiner sozialen Struktur auseinandergesetzt hat, dient die Raumtheorie als Basis für das nachfolgende Kapitel “Wien – Innere Stadt im Wandel der Zeit.“

2.1 Definition von Stadt Fassmann (2004: 16f.) definiert Stadt als eine Teildisziplin der Stadtgeographie, welche sich auf die physisch-materiellen und sozialen Dimensionen konzentriert. Dabei gibt es mehrere Teilbereiche, wie zum Beispiel die Stadtsoziologie, die Stadtplanung, den Städtebau, die Stadtgeschichte und die Urban Anthropology, auch Volkskunde genannt. Diese Teildisziplinen behandeln Aspekte des Zusammenlebens, der städtebaulichen Architektur, der Entwicklung und des kulturellen Erbes einer Stadt und deren soziale Signifikanz. Alle paradigmatischen Zugänge sind von Bedeutung, jedoch fokussiert sich die Stadtgeographie auf das Zusammenspiel zwischen physischer und sozialer Struktur. Lichtenberger in Fassmann (2004: 42) beschreibt die Stadt als “ein Laboratorium der Moderne, die Experimentierstube der Gesellschaft oder der Ort der Innovation.” Fassmann (2004: 43ff.) hingegen bezieht sich auf eine Siedlung mit genau definierten Kennzeichen, das sind “Dichte und Zentrierung, funktionellen Bedeutungsüberschuss, spezifische sozioökonomische Struktur und intensive Stadt-Umland-Beziehung.“ Die Bevölkerungsdichte muss eine gewisse Anzahl an BewohnerInnen aufweisen, um als Stadt zu gelten. Im Zentrum ist demnach die höchste Dichte und nach außen hin verringert sich diese. Der funktionale Bedeutungsüberschuss ist für eine Stadt unentbehrlich, das bedeutet, dass Güter in der Stadt produziert und über die Stadtgrenzen hinaus exportiert werden. Zudem werden Dienstleistungen in der Stadt angeboten, die auch KonsumentInnen außerhalb der Stadt in die Stadt locken. Die sozioökonomische Struktur sind wirtschaftliche und politische Prozesse, die von der Stadt aus geleitet werden. Angestellte mit diversen differenzierten Qualifikationen und ein EinpendlerInnenüberschuss gehören ebenfalls zu dieser Struktur. Die Stadt-Umland-Beziehungen spiegeln sich in dem hohen Verkehrsaufkommen und der Verkehrsdichte wider. Durch ein ausgeweitetes Straßen- und Schienennetz ist die Stadt mit dem Umland verbunden.

2 Bevor die sozialgeographische oder sozialökologische Perspektive erläutert wird, ist eine Definition der Sozialgeographie notwendig. Die Sozialgeographie ist ein Forschungsschwerpunkt der Humangeographie, die sich mit den Zusammenhängen zwischen Gesellschaft und Raum befasst (vgl. Broll et al. 2017: 856). Das Ziel der Sozialgeographie ist, die Erforschung des Verhältnisses zwischen Raum und Gesellschaft. Dabei bildet die Sozialgeographie die Schnittstelle zwischen Soziologie und Geographie (vgl. Werlen2008: 13f.).

Aus einem sozialgeographischen oder sozialökologischen Ansatz betrachtet, ist der Mensch im Mittelpunkt der Forschung. Der Fokus liegt auf sozialen Gruppen und menschlichen Handeln – sozusagen eine Verknüpfung sozialer und räumlicher Merkmale einer Stadt (vgl. Fassmann 2004: 21f.). Auch Hard (1973: 190ff.) bestätigt diese Form der Geographie. Jedoch sagt er, dass die Sozialgeographie nicht länger von den Sozialwissenschaften trennbar ist, sondern dass sie mehr oder weniger ineinander agieren. Ein Unterschied besteht dennoch, denn die Stadtgeographie berücksichtigt bereits den soziologischen Stadtbegriff und ist Bestandteil der Forschung, wobei hingegen die Stadtsoziologie die strukturellen Merkmale außen vorlässt (vgl. Fassmann 2004: 45).

Die Soziologie sieht die Stadt als sozialen Raum, in dem eine gewisse Lebensweise möglich ist und Menschen diese auch ausleben können, eine sogenannte Lebensform. Ein wichtiger Bestandteil davon ist die Urbanität, die auf drei Dimensionen basiert, nämlich Anonymität, Toleranz und Gleichgültigkeit, und gesellschaftliche Differenzierung. Anonymität ist in diesem Zusammenhang das Zusammenleben einzelner Individuen in einem bestimmten Lebensraum, ohne deren Mitmenschen zu kennen. Toleranz und Gleichgültigkeit sind Kennzeichen für soziale Interaktion und können das Resultat des Zusammenlebens vieler Menschen auf engem Raum sein. Das dritte Merkmal ist die gesellschaftliche Differenzierung. Die Kontraste zwischen Armut und Reichtum spiegeln sich in der Arbeitswelt wider. In Städten werden Arbeitsprozesse geteilt und unterschiedlich qualifiziertem Personal zugeteilt. Zu den sozialen Divergenzen kommen noch unterschiedliche Lebensstile, Norm- und Wertsysteme hinzu, die in der Stadt ihren Zuspruch findet. Eine Stadt ist ein Ort der Vielfalt (vgl. Fassmann 2004: 46ff.).

Die Stadtsoziologie befasst sich schon seit langer Zeit mit Raumtheorien für die Analyse städtischer Phänomene. Die Begriffe „Stadt“ und „Raum“ gelten soziologisch

3 betrachtet als sehr eng verbunden. Städte befinden sich im Konkurrenzkampf und sie organisieren ihren inneren Zusammenhalt über die Identifikation der BewohnerInnen mit dieser Stadt und ihre Attraktivität für Tourismus und Unternehmen. Diese Identifikation wird anhand der räumlichen Gestalt durchgeführt. Die Gesellschaft hingegen beruht auf einer räumlichen Ordnungsmacht und deren Strukturen erscheinen in räumlichen Anordnungen. Wahrnehmungen, Handlungen und Kommunikation werden durch auf den Raum bezogene Trennungen hervorgehoben. Wörter wie „hier“, „dort“ und „nah“ werden als Kommunikationsmittel und als Orientierungsmuster verwendet (vgl. Löw et al. 2008: 9). Daran anschließend sind die Städte

1. „relativ große, dicht besiedelte und dauerhafte Niederlassungen gesellschaftlich heterogener Individuen 2. strukturelle, strategische Knoten- und Kristallisationsorte der Arbeitsorganisation und Konsumption einer Gesellschaft 3. wahrgenommene, über Erfahrung zugängliche Räume […]“ (Löw et al. 2008: 13).

2.2 Definition von Raum „Raum ist mit seiner vielfältigen symbolischen Bedeutung nicht nur ein Medium sozialer Kommunikation, er ist unverzichtbarer Baustein gesellschaftlicher Strukturierung und Identität“ (Gebhardt in Knox 2008: 4).

Der Raum wird im Wörterbuch der Geographie als ein dreidimensionales Konstrukt auf der Erdoberfläche mit diversen großen Ausdehnungen in der Vertikalen und der Horizontalen beschrieben. Das bedeutet, dass der Raum als Grundbegriff für Raumkonzepte dient, die versuchen, den Raum unterschiedliche Bedeutungen zuzuschreiben (vgl. Broll et al. 2017: 736f.). Auch Knox und Marston (2008: 28f.) gehen davon aus, dass man den Raum mittels absoluter, relativer und kognitiver Angaben beschreiben kann. Diese Konzepte werden auch Raumkonzepte genannt und konkretisieren die verschiedenen Konzepte in der Humangeographie. Die verschiedenen Ansätze des Raumkonzepts aus humangeographischer Sicht sind der absolute, oder auch mathematische Raum, der relative Raum als sozioökonomischer Raum und als Erlebnisraum, und die vierte Art ist der kognitive Raum oder auch verhaltenstheoretischer Raum.

4 Der absolute, mathematische Raum sieht den Raum als Container oder Behälter, der durch „rechtwinkelige Koordinaten definiert ist und sich mittels absoluter Entfernungsangaben, zum Beispiel Kilometern, beschreiben lässt“ (Knox und Marston 2008: 28).

Ein weiteres mathematisches Konzept ist der topologische Raum, der durch Verbindungen zwischen einzelnen Punkten bzw. Standorten im Raum definiert wird. Wichtiger Entscheidungsträger sind dabei Menschen und deren Konnektivität zu Orten (vgl. Knox und Marston 2008: 28).

Der relative Raum wird hingegen als sozioökonomischer Raum oder Erlebnisraum erfasst. Der sozioökonomische Raum lässt sich mittels Standorte, räumliche Situationen, Routen, Regionen und Verteilungen beschreiben. Dieser Aktionsraum wird durch Raumbeziehungen wie Zeit, Kosten und Gewinn, aber auch durch physische Distanzen gekennzeichnet. Der Erlebnisraum wird durch die Gemeinsamkeiten einer Gruppe von Personen geformt. Dieser Raum wird durch Orte, Wege, Territorien, Bereiche und Welten abgegrenzt (vgl. ebd. 28f.).

Der kognitive Raum wird von Menschen kreiert und ist durch Landmarken, Pfade, Bezirke, Umwelten und räumliche Anordnungen begrenzt. Wertvorstellungen, Gefühle und Wahrnehmungen, die Menschen mit einem Ort verbinden, prägen diese Raumart (vgl. ebd. 29).

Auch Weichhart (2001: 183) sieht die gegenwärtige Forschungslandschaft der wissenschaftlichen Geographien gekennzeichnet durch die „Koexistenz rivalisierender Paradigmen“. Der Begriff „Paradigma“ geht auf den Wissenschaftstheoretiker Kuhn T. S. zurück und stellt heute ein kognitives System dar, das von WissenschaftlerInnen als Ausgangsposition für ihre Darstellung von Wirklichkeit verwendet wird. Im letzten Jahrhundert etablierten sich so zwölf Einzelparadigmen in der Humangeographie und mindestens fünf in der Physiogeographie (vgl. Weichhart 2001: 184ff.). Die Hauptgründe dafür sind die Komplexität des geographischen Forschungsobjekts, das geographische Forschungsinteresse, das sich an der Grenze zwischen Natur- und Sozialwissenschaften erstreckt und das Fach gleichzeitig mit Problemen, wie zum Beispiel „Mensch versus Natur“ konfrontiert, und das Faktum, dass die Geographie eine „verspätete Wissenschaft“ ist (vgl. ebd. 182f.), da wichtige methodische und theoretische Neuansätze oder Kontroversen verspätet bemerkt und diskutiert werden (vgl. Weichhart 2001: 182f.). VertreterInnen der einzelnen Paradigmen haben je nach

5 ontologischen Vorüberlegungen unterschiedliche Auffassungen des Raumbegriffs, welcher als „der“ Schlüsselbegriff in der Geographie angesehen wird.

Weichhart (2008: 76) rekonstruiert die Bedeutung des Wortes „Raum“ in der Geographie, in der Umgangssprache der Alltagswelt und in angrenzenden Disziplinen und macht dabei auf die „Pragmatik der Sprechakte“ aufmerksam. Die Pragmatik der Sprechakte beinhaltet Informationen über die Verwendungsweisen von Begriffen und es ist zu berücksichtigen „von wem und zu welchem Zweck [der Begriff Raum] verwendet wird (…) [denn] jede sprachliche Kommunikation beeinflusst das Verhalten der Gesprächsteilnehmer[Innen]“ (ebd. 76). So bezeichnet Weichhart in einer ersten Definition „Raum“ als Gebiet der Erdoberfläche, im Sinne von einem „konkretisierbaren Ausschnitt der materiellen Welt“ (ebd. 77). Raum wird hier als ein „Erdraumausschnitt“ gesehen, wie zum Beispiel der „Alpenraum“. Diese Definition ist lediglich eine vage und abgekürzte Bezeichnung für ein bestimmtes Gebiet der Erdoberfläche, dessen Grenzen aber nicht näher definiert werden oder es handelt sich um ein Gebiet, dem dominante Besonderheiten zugeschrieben werden. Dieses Raumkonzept ist als eine Art flächenbezogene Adressangabe zu verstehen, wobei die Abgrenzungen rein pragmatisch entstehen (vgl. Weichhart 2008: 76f.).

Des Weiteren beinhaltet dieses Konzept den „erlebten Raum“. Der erlebte Raum ist Gegenstand der Alltagswelt und ist auch in der Geographie von besonderer Bedeutung. Der erlebte Raum wird von jedem Menschen im alltäglichen Handeln verwendet, er ist „der subjektiv wahrgenommene Raum“ (Weichhart 2008: 82), der mit subjektivem Sinn und subjektiver Bedeutung erzeugt wird. Der erlebte Raum unserer Alltagswelt beinhaltet Elemente der Natur und der materiellen Kultur, Berge, Siedlungen, Sprache und die soziale Interaktion, die sich als ein kognitives Konstrukt von Meinungen und Behauptungen über einen Raum äußern. Die Meinungen und Behauptungen über einen Raum stehen in Beziehung zwischen Objekten und Körpern und spiegeln unser Sentiment und unsere Ich-Identität wider (vgl. Weichhart 2008: 82f.).

Das letzte Raumkonzept von Weichhart ist der „sozial konstituierte und konstruierte Raum“. Dieses Raumkonzept ist ein soziales Konstrukt und steht in Verbindung mit dem erlebten Raum. Hinter dem sozial konstruierten Raum steht meist eine sprachliche Praxis, die durch soziale Korrelationen gleichermaßen in eine Raumsprache übersetzt und vereinfacht wird. Die physisch-materielle Welt spielt

6 ebenfalls eine wichtige Rolle in diesem Konzept, denn diese wird aktiv in den Konstruktionsprozess miteinbezogen (vgl. Weichhart 2008: 326f.). Diese gewinnt anhand des sozialen Verhaltens, den subjektiven Wahrnehmungs- und Deutungsprozessen der Menschen an Bedeutung (vgl. ebd. 81). Die Materialisierung des Raumes erfolgt auch durch die produktiv-konsumtiven Regionalisierungen, wobei durch aktiven Umbau oder durch eine Neuformierung der physischen-materiellen Welt ein bestimmter Raum kreiert wird. Dieser Raum wird durch individuelle, aber auch durch kollektive AkteurInnen bestimmt. Ein Raum besteht nämlich nicht nur aus Objekten und Wechselbeziehungen, sondern auch aus AkteurInnen und einer sozialen Praxis. Aus diesem Grund ist es auch möglich, dass bestimmte Räume nur für eine kurze Zeit bestehen, zum Beispiel ein Fußballspiel, das von SpielerInnen (AkteurInnen) und deren Verhalten (soziale Praxis) gesteuert wird (vgl. ebd. 327ff.).

Menschliches Handeln resultiert aus AkteurInnen, wie zum Beispiel ProjektbetreiberInnen, AkteurInnen der Politik und der Wirtschaft, Banken, Investoren und Investorinnen, MieterInnen und VerkäuferInnen der erbauten Immobilien und AnrainerInnen, und dabei ist auch immer mit gruppendynamischen Prozessen zu rechnen, die den Entscheidungsfindungsprozess immens beeinflussen (vgl. Weichhart 2008: 331f.). Dabei ist menschliches Handeln maßgebend für den Veränderungsprozess der Erdoberfläche.

„[…] die auf der Erdoberfläche vorfindbaren Artefakte und ihre spezifische räumliche Konfiguration sowie ihre Veränderungsdynamik, die Räumlichkeit der sozialen Welt, aber auch die Verteilungsmuster und Strukturen menschlicher Populationen [sind] „Produkte“ des menschlichen Handelns […]“ (Weichhart 2008: 329).

2.3 Raumtheorien Martina Löw entwickelte mit ihrem Buch „Raumsoziologie“ eine relationale Raumtheorie, wonach sie Raum als „eine relationale (An)Ordnung von Körpern“ (Löw 2001: 131) sieht. Die Körper sind dynamisch und durch ihre ständige Bewegung sind sie einer ständigen Veränderung unterworfen. Der Begriff der Anordnung betont dabei, dass Räume eine Ordnungsdimension und eine Handlungsdimension aufweisen. Die Ordnungsdimension bezieht sich auf gesellschaftliche Strukturen und die Handlungsdimension auf den Prozess des Anordnens (vgl. Löw 2001: 131). Nach Löw

7 wird der Raum in zwei unterschiedliche Prozesse konstituiert, das Spacing und die Syntheseleistung. Das Spacing bezeichnet das Errichten, Platzieren und Bauen, wobei die beweglichen Güter und Personen den Moment der Platzierung und auch die Bewegung zur nächsten Platzierung darstellen (vgl. ebd. 158f.). Die Zusammenfügung der Güter und Menschen in einem Raum erfolgt erst durch die Syntheseleistung, dies geschieht über Erinnerungs-, Wahrnehmungs-, und Vorstellungsprozesse. Spacing und Syntheseleistung wirken dabei zugleich, da ohne die Verknüpfung der Güter und Menschen und dem Raum keine Platzierung möglich ist (vgl. ebd. 159).

2.4 Raumkonzept nach Henri Lefebvre Auch Henri Lefebvre verfolgt eine relationale Raumtheorie und er ist einer der wichtigsten VordenkerInnen des relationalen Raumbegriffs. Henri Lefebvre zählt zu den einflussreichsten SozialwissenschaftlerInnen des 20. Jahrhunderts. Er hat moderne Stadttheorieansätze von David Harvey, Edward Soja und Manuel Castel beeinflusst (vgl. Schmid 2005:12). Er entwarf ein marxistisches Raumkonzept jenseits des Containermodells. Vor allem der Begriff der Praxis stellt einen wesentlichen Meilenstein seiner Theorie dar. Aus diesem Grund wird im folgenden Kapitel seine Theorie der Produktion des Raumes erläutert und analysiert, denn für ihn bedeutet die Produktion des Raumes gleichzeitig die Produktion der Stadt (vgl. Schmid 2005: 23).

“(Social) space is not a thing among other things, nor a product among other products: rather, it subsumes things produced, and encompasses their interrelationships in their coexistence and simultaneity – their (relative) order and/or (relative) disorder. It is the outcome of a sequence and set of operations, and thus cannot be reduced to the rank of a simple object” (Lefebvre 1991: 73).

Das Zitat beschreibt die Raumtheorie von Lefebvre und er repräsentiert den Raum als sozialen Raum. Er geht von der These aus, dass der Raum sozial konzipiert ist und durch die Menschen und die Gesellschaft entsteht und verändert wird (vgl. Schmid 2005: 192f.). Lefebvre geht von einem relationalen Raumkonzept aus und spricht dem Raum keinen Objektstatus zu. Er will mit seinem Raumkonzept eine allgemeine Theorie zum Verhältnis von Raum und Gesellschaft entwickeln, wobei für ihn diese Produktion einen starken Zusammenhang mit dem Urbanisierungsprozess und zur urbanen Gesellschaft aufweist (vgl. Schmid 2005: 191). Um diese Theorie zu

8 formulieren, grenzt sich Lefebvre ganz klar von bereits bestehenden Theorien des Raumes ab und geht einen völlig neuen Weg.

Lefebvres Anfänge für seine allgemeine Gesellschaftstheorie gehen bis auf die Anfänge von Marx zurück, um den Raum aus einer historischen, dialektischen und materialistischen Perspektive zu sehen. Aus dieser Perspektive ist Raum weder Subjekt noch Objekt, sondern gesellschaftliche Wirklichkeit, die durch einen bestimmten materiellen Produktionsprozess entsteht (vgl. Schmid 2005: 203). Für diese Produktion sind konkrete Subjekte in Form von Individuen und Kollektiven notwendig, die die soziale Praxis bilden. Lefebvre versuchte somit eine räumliche Theorie gesellschaftlicher Praxis zu schaffen, „die von Subjekten und ihren sozialen Beziehungen ausgeht und die Aktionen und Situationen dieser Subjekte analysiert“ (Schmid 2005: 203). Aus diesen Überlegungen entsteht Lefebvres Ausgangsthese „Der soziale Raum ist ein soziales Produkt“ (Lefebvre 1991: 46/36; zitiert nach Schmid 2005: 203).

Die Raumtheorie und die Gesellschaftstheorie sind demnach nicht voneinander unabhängig, sondern beeinflussen sich gegenseitig. Jede Raumtheorie bezieht sich auf eine bestimmte Konzeption der Gesellschaft, und jede Gesellschaftstheorie berücksichtigt eine bestimmte Konzeption des Raumes. Der Raum kann nicht ohne Zeit analysiert werden und deshalb ist die Stadt eine bestimmte historische Konfiguration des Raumes oder eine raum-zeitliche Wirklichkeit. Die Stadt zeichnet sich durch die Zentralität, die Versammlung, die Begegnung und durch das Zusammentreffen aus (vgl. Schmid 2005: 29f.).

Laut Lefebvre muss die Praxis Ausganspunkt und Ziel aller theoretischen Bemühungen sein. Der Begriff der Praxis wurde von Marx als sinnliche oder gegenständliche Tätigkeit des Menschen entwickelt. Der Mensch ist grundsätzlich ein Bestandteil der Natur, er produziert, reproduziert und erschafft seine Welt und damit sich selbst. Lefebvre knüpft an dieser Kerntheorie an. Er sieht die Tätigkeit des Menschen als relevant, Marx hingegen die Arbeit, durch die sich der Mensch selbst erzeugt (vgl. Schmid 2005: 80).

„Der tätige Mensch modifiziert die Natur – um ihn herum und in sich. Er schafft seine eigene Natur, indem er auf die Natur einwirkt. […] Indem er sie nach seinen Bedürfnissen umformt, ändert er sich in seiner Tätigkeit und schafft sich neue Bedürfnisse. Er bildet und erfasst sich als Macht […]

9 [und] [e]r schreitet fort indem er die mit seinem eigenen Tun gesetzten Probleme löste“ (Lefebvre [der dialektische Materialismus], zitiert nach Schmid 2005: 80).

Für Lefebvre ist die Handlung die Voraussetzung der Gesellschaft und meint damit nicht nur die Handlung an sich, sondern er schließt die Tätigkeit und die Aktion ein. Damit erfasst Lefebvre die menschliche Existenz in ihrer Totalität (vgl. Schmid 2005: 79f.).

Mittels dieser Theorie geht Lefebvre davon aus, dass Raum nicht mehr als Produkt erforscht werden kann, sondern er muss in seinem Produktionsprozess gesehen werden. Infolgedessen, existiert kein Raum vor der Praxis, sondern Raum wird produziert und ist ein gesellschaftlicher und somit kollektiver Prozess (vgl. Schmid 2005: 203f.). Dieser Produktionsprozess ist immer verschieden, jede Gesellschaft produziert ihren eigenen Raum, wobei Spannungen als Ausdruck gesellschaftlicher Widersprüche gesehen werden können (vgl. Macher 2007: 55). Es gilt den Raum selbst als soziales Produkt zu analysieren und die darin enthaltenen Verhältnisse aufzudecken (vgl. Schmid 2005: 204).

Der philosophische Ausgangspunkt, den Lefebvre überwinden möchte, ist die Dualität von Subjekt und Objekt, von Geistigem und Materiellem und von mentalem und physischen Raum. In dieser Dualität stehen beide Paare in Verbindung, verweisen jeweils auf das andere und sind somit in ihrer Dialektik gewissermaßen gefangen. Um diese Dialektik zu lösen, führt Lefebvre einen dritten Begriff von Raum ein (vgl. Schmid 2005: 205). Aus der Dualität entsteht eine Dreidimensionalität von Raum, nämlich der physische, mentale und soziale Raum. Mit der Theorie zur Produktion des Raums führt Lefebvre drei unterschiedliche Felder in einer Theorie zusammen, in der sie sich dialektisch aufeinander beziehen. Mittels einer eigenen Erfassung der Begrifflichkeiten versucht Lefebvre die grundlegenden Aspekte, Momente1 und Formanten2 der Produktion des Raumes widerzuspiegeln (vgl. Schmid 2005: 205ff.).

1 Der Begriff „Moment“ hat zwei Bedeutungen. Einerseits bezieht er sich auf einen temporalen Aspekt, andererseits greift er die Dialektik auf, bei der These und Antithese als „Momente“ eines dialektischen Prozesses verstanden werden können. In der Dialektik markiert der Moment einen Wendepunkt in der Realität (vgl. Schmid 2005: 207). 2 Der Begriff „Formant“ stammt aus der Musikwissenschaft und bezeichnet „charakteristische Teiltöne eines Lautes“ (vgl. Schmid 2005:207). 10 Tabelle 1: Dreiheit des Raumes

das Wahrgenommene Räumliche Praxis Materielle Produktion das Konzipierte Repräsentation des Wissensproduktion Raumes das Gelebte Räume der Bedeutungsproduktion Repräsentation Quelle: eigene Darstellung nach Schmid 2005: 207

Die Theorie der Produktion des Raumes vereinigt die drei Felder des Wahrgenommenen, des Konzipierten und des Gelebten. Räumlich betrachtet, bezeichnet Lefebvre diese Dreiheit als räumliche Praxis, als Repräsentation des Raumes und als Räume der Repräsentation. Betrachtet man diese doppelte Triade innerhalb der Dialektik, so bilden diese Momente die materielle Produktion, die Produktion des Wissens und den Bedeutungsprozess (vgl. Schmid 2005: 207f.). Die Produktion des Raumes lässt sich somit aus drei dialektisch miteinander verbundenen Produktionsprozessen bzw. „Momenten“ erfassen:

1. „Die materielle Produktion, die eine räumliche Praxis und damit auch den wahrnehmbaren Aspekt des Raumes produziert. 2. Die Wissensproduktion, die eine Repräsentation des Raumes und somit einen konzipierten Raum produziert. 3. Die Bedeutungsproduktion, die mit Räumen der Repräsentation verbunden ist und die einen erlebten oder gelebten Raum produziert“ (Schmid 2005: 208).

Diese drei Produktionsprozesse bzw. Momente verlaufen gleichzeitig, das bedeutet, Raum wird zugleich gelebt, wahrgenommen und konzipiert. Dennoch sollten diese drei Aspekte nicht vermischt werden, aber gleichzeitig kann man sie auch nicht voneinander trennen (vgl. Schmid 2005: 208).

2.4.1 Die räumliche Praxis „Spatial practice, which embraces production and reproduction, and the particular locations and spatial sets characteristics of each social formation. Spatial practice ensures continuity and some degree of

11 cohesion. In terms of social space, and of each member of a given society’s relationship to that space, this cohesion implies a guaranteed level of competence and a specific level of performance” (Lefebvre 1991: 33).

Wie bereits aus Lefebvres Leitsatz ersichtlich, ist der Mensch ein soziales Wesen und dessen Ausdruck ist die Umgebung, in der wir leben. Lefebvre untersucht die gesellschaftliche Wirklichkeit auf der Basis des konkreten Alltags. Dabei ist er Motor der gesellschaftlichen Wirklichkeit und Veränderung. „Im täglichen Leben liegt der rationelle Kern, das wirkliche Zentrum der Praxis“ (Lefebvre 1972: 49; zitiert nach Schmid 2005: 115). Mit dieser Praxis meint Lefebvre das Handeln und die Routinen jedes Einzelnen. Nur die Gesellschaft erschafft den Raum, das Urbane, oder anders ausgedrückt die Stadt an sich (vgl. Schmid 2010: 112).

Die räumliche Praxis produziert den wahrgenommenen Raum, der mit der physisch-materiellen Welt verknüpft ist und anhand der Handlungen der Menschen Bedeutung gewinnt (vgl. Weichhart 2008: 81). Sie umfasst Produktion und Reproduktion und spezifische Orte, die jeder sozialen Formation eigen sind, das bedeutet, dass diese Worte der Alltagssprache einen sozialen Raum erschaffen und somit eine räumliche Praxis, die das ausdrückt, und von jedem verstanden wird (vgl. Schmid 2005: 211). Lefebvre geht auch davon aus, dass jedes Mitglied einer Gesellschaft eine gewisse räumliche Kompetenz besitzt und somit weiß, was gemeint ist (vgl. ebd.). Die räumliche Praxis einer Gesellschaft stellt im wahrgenommenen Raum eine enge Verbindung zwischen Tagesabläufen und urbaner Realität her. Sie besteht aus Routen und Netzwerken, welche Arbeit, Privates und Freizeit miteinander verknüpfen. Diese Assoziation benötigt eine gewaltige Trennung der verbundenen Orte. Spezielle räumliche Kompetenz und Leistungen einer Gesellschaft kann nur empirisch nachgewiesen werden (vgl. Lefebvre 1991: 38).

Die soziale Praxis steht im Fokus von Lefebvres Raumtheorie. Aus einer weiteren Perspektive sieht er unter dem Begriff der Produktion nicht nur die Herstellung von Dingen und Produkten, sondern alles was der Mensch produziert hat. Dazu gehört das eigene Leben, die Geschichte, das Bewusstsein, die gesellschaftlichen Verhältnisse, bzw. die Welt mit den sozialen Zeiten und Räumen (vgl. Schmid 2005: 85).

Im Ganzen gesehen, produziert jede Gesellschaft ihren eigenen sozialen Raum, der sich nicht eindeutig bestimmten oder abgrenzen lässt. Diese Orte können

12 nebeneinander liegen, jedoch können sie auch ineinanderfließen, sich überlagern und aufeinanderprallen, ohne sich zu vermischen. Der soziale Raum lässt sich demnach nicht eindeutig bezeichnen und abgrenzen, auch wenn materielle Grenzen wie Mauern und Zäune, Anzeichen des Privateigentums, die Illusion der Abtrennbarkeit erscheinen lassen (vgl. Schmid 2005: 214ff.). Beispielsweise lässt sich ein Arbeitsprozess als „Raum der Arbeit“ bezeichnen. Dieser besteht aus Produktionseinheiten, wie zum Beispiel, Unternehmen und Büros, die durch verschiedene Netzwerke miteinander verbunden sind und zugleich ein Teil des Raumes sind. Der Raum der Arbeit ist ein Ergebnis von Gesten und Handlungen der produktiven Arbeit, der technischen Arbeitsteilung und der lokalen, internationalen Märkte (vgl. ebd. 215).

In Bezug auf den Menschen wird der wahrgenommene Raum mit den Sinnen erfasst und ist ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Praxis. Er enthält alles, was sich mit den fünf Sinnesorgangen erfassen lässt. Dieser Aspekt bezieht sich direkt auf die materiellen Dinge, die einen Raum bestimmen (vgl. Schmid 2005: 317).

Exkurs Wien:

In Bezug auf die Thematik der Stadtentwicklung Wiens und deren sozialräumlichen Strukturen innerhalb des 1. Bezirks, lässt sich feststellen, dass der Wandel eine materielle Produktion der Gesellschaft ist und sich in ihrem Wohn- und Arbeitsort widerspiegelt. Die Veränderung der Umgebung und die Benutzung der Sprache sind Teil der Alltagspraxis der Menschen. Innerhalb dieser Alltagspraxis sind die strukturellen Veränderungen eine nicht verhinderbare Maßnahme und Anpassung der Gesellschaft und somit Teil der räumlichen Praxis.

2.4.2 Die Repräsentation des Raumes „Representations of space, which are tied to the relations of production and to the “order” which those relations impose, and hence to knowledge, to signs, to codes, and to frontal relations” (Lefebvre 1991: 33).

Die Repräsentation des Raumes ist der konzipierte Raum der WissenschaftlerInnen, PlanerInnen, TechnokratInnen, aber auch KünstlerInnen, die den Raum als etwas Gelebtes und Wahrgenommenes sehen (vgl. Lefebvre 1991: 38f. und Schmid 2005: 216). Dieser Raum ist der ausgeprägteste in einer Gesellschaft bzw.

13 einer Produktionsweise. Der konzipierte, gedanklich erfasste Raum lässt sich zu einem System aus verbalen Zeichen, aus der sozialen Sprache, aber auch aus Karten, Plänen und Bildern zurückführen (vgl. Schmid 2005: 216). Die Repräsentation des Raumes ist somit eine wissenschaftliche Repräsentation und ein Werkzeug einer elitären Ordnungsmacht, die damit ihre räumlichen Strukturen aufrecht hält (vgl. Macher 2007: 63).

Repräsentationen des Raumes sind meist abstrakt, dennoch treten sie in die soziale und politische Praxis ein. Denn sie haben durch die im repräsentierten Raum festgelegten Beziehungen zwischen Objekten und dem Menschen eine praktische Bedeutung, die sich in den Raum einfügen und somit verändern (vgl. Schmid 2005: 217). Diese Texturen können durch Wissen und Ideologie beeinflusst werden und deshalb müssen Darstellungen des Raumes eine wesentliche Rolle und einen spezifischen Einfluss auf die Raumproduktion haben. Ihr Eingreifen erfolgt durch bauliche Strukturen, zum Beispiel durch die Architektur, die nicht im Sinne von der Errichtung eines isolierten Gebäudes, sondern als ein in einen räumlichen Kontext eingebettetes Projekt bzw. einer Textur eingefügt werden soll. Dies erfordert Repräsentationen, die sich nicht im symbolischen oder imaginären Bereich verlieren (vgl. Lefebvre 1991: 42 und Schmid 2005: 216f.).

Für Lefebvre bedeutet die Repräsentation des Raumes in einem mentalen Akt die Gesamtheit einer Wirklichkeit zu sehen, Details zusammenzusetzen und die Verknüpfungen innerhalb der enthaltenen Formen zu fassen. Für ihn wäre es ein großer Irrtum zu glauben, einen Raum zu sehen ohne ihn gleichzeitig zu konzipieren (vgl. Lefebvre 1991: 94). Die Wirklichkeit lässt sich nur von einem mentalen Raum erfassen und ist meist subjektiv (vgl. Lefebvre 1991: 415 und Schmid 2005: 217).

Die Wissensproduktion ist ebenso Teil der Repräsentation des Raumes. Sie bezeichnet das Wissen, das jedoch immer relativ und sich im Prozess der Veränderung befindet. Für Lefebvre ist Wissen mit Macht und Ideologie verbunden. Dementsprechend enthüllt auch eine Karte eine räumliche Strategie, die durch die Legende nur teilweise entziffert werden kann (vgl. Schmid 2005: 217ff.). Solche Darstellungen sind zwar objektiv, können jedoch revidiert werden (vgl. Lefebvre 1991: 41). In diesem Zusammenhang muss Wissen als das Wissen über die Produktion des Raumes verstanden werden. Ist dieses Wissen vorhanden, kann der Produktionsprozess beeinflusst werden. Das Wissen kann nicht vorausgesetzt

14 werden, sondern es wird erst durch das Aufzeigen des Produktionsprozesses ersichtlich, dass auch andere Räume und damit andere Gesellschaftsformen möglich wären (vgl. Macher 2007: 63f.).

In Bezug auf den Menschen lässt sich der konzipierte Raum ohne Wahrnehmung nicht gedanklich konzipieren. Das Zusammensetzen der Elemente zu einer Einheit bzw. zu einem Ganzen, dass dann als Raum betrachtet wird, verlangt eine gedankliche Leistung, die eng mit der Wissensproduktion verbunden ist (vgl. Schmid 2005: 317).

Exkurs Wien:

Der strukturelle Aufbau einer Stadt, in diesem Fall der 1. Wiener Gemeindebezirk, ist Teil der Wissensproduktion. Einerseits sind die erbauten Gebäude und Straßen ein wichtiger Bestandteil vieler Repräsentationen wie etwa für Pläne und Karten, andererseits kann das Wissen über den Einfluss des Strukturwandels Einfluss auf die Sichtweise des Städtebaus und der Umwandlung der Gebäude haben. Die Repräsentation des Raumes ist zugleich ein konzipierter Raum, welcher räumliche Strukturen einer Ordnungsmacht zum Ausdruck bringt. Zum Beispiel ist der Stephansplatz ein Ausdruck der Geschichte Wiens, die bereits in den Gründerzeitjahren begann.

2.4.3 Räume der Repräsentation “Representational spaces, embodying complex symbolisms, sometimes coded, sometimes not, linked to the clandestine or underground side of social life, as also to art (which may come eventually to be defined less as a code of space than a code of representational spaces)” (Lefebvre 1991: 33).

Die Räume der Repräsentationen sind Räume, die durch Bilder und Symbole gelebt werden. Es sind die Räume von EinwohnerInnen und NutzerInnen, aber auch von KünstlerInnen und SchriftstellerInnen und damit ein dominierter Raum, der durch Imaginationen verändert und angeeignet wird. Räume der Repräsentationen überlagern den physischen Raum und verwenden dessen Objekte symbolisch. Diese Räume streben nach nonverbalen Symbolen und Zeichen (vgl. Lefebvre 1991: 39). Bedeutende Bilder, Symbole und Zeichen werden aus dem kollektiven Gedächtnis

15 entnommen und anschließend reproduziert. Diese verweisen auf die gesellschaftlichen Werte und Traditionen und auf kollektive Erfahrungen und Erlebnisse (vgl. Macher 2007: 66) und Träume (vgl. Schmid 2005: 223). Für Lefebvre ist es das Alltagsleben, das in den Räumen der Repräsentationen Form annimmt (vgl. Schmid 2005: 222).

Die Räume der Repräsentationen sind gelebt, qualitativ, fließend und dynamisch. Sie sind von Imaginationen und Symbolen erfüllt und haben eine Geschichte als Ausgangspunkt. Die Geschichte, kann die Geschichte eines Volkes oder einem dazugehörigen Individuum sein. Im eigentlichen Sinn sind die Räume der Repräsentationen erlebte und gelebte Räume, die als Darstellungsräume dienen und bestimmte Werte repräsentieren (vgl. ebd. 222f.). Durch die Vielfalt an sozialen Räumen und deren Repräsentationen sind die Symbole unterschiedlich. Im Raum vollziehen sich Bedeutungsprozesse und Bedeutungspraktiken, die sich letztendlich nur in Kombination einer räumlichen und sozialen Praxis erfassen lassen (vgl. Schmid 2005: 226).

In Bezug auf den Menschen ist der gelebte Raum das Leben oder Erleben des Raumes. Er bezeichnet die Welt, die durch die Alltagspraxis der Menschen erlebt wird, jedoch lässt sich laut Lefebvre das Erlebte und die praktische Erfahrung nicht gänzlich ausschöpfen, da immer ein Restwert überbleibt. Dieser Restwert ist in seinen Augen das Wertvollste, etwas nicht analysierbares und etwas Unaussprechliches, das sich nur mithilfe von künstlerischen Mitteln ausdrücken lässt (vgl. Schmid 2005: 317).

Exkurs Wien:

Die Bedeutungsproduktion ist auch ein wichtiger Bestandteil der Gebäude bzw. der Architektur innerhalb des Bezirks. Die Fassaden der Gebäude sind zwar von MachthaberInnen vorgegeben, jedoch werden sie erst von den NutzerInnen und BewohnerInnen mit Bedeutung und Symbolik versehen. Diese Bedeutung kann sich jedoch nur auf die spezifischen Gebäude beziehen, da kein Einfluss auf das äußerliche Erscheinen der Gebäude genommen werden kann. Diese ist beeinflusst von kollektivem Gedächtnis der Stadt und repräsentiert gesellschaftliche Werte und Traditionen und besteht nur aus einer Kombination aus räumlicher und sozialer Praxis.

16 2.4.4 Der Begriff der Repräsentation Für Lefebvre ist der Begriff der „Repräsentation“ ein Ausweg um die ungleichen Begriffe des Wissens und der Ideologie zusammenzufassen. Die Repräsentationen des Raumes stehen im engen Zusammenhang zu den Räumen der Repräsentation. Die Repräsentation des Raumes beinhaltet das Konzipierte, das sich auf objektive und wissenschaftliche Elemente bezieht, und die Räume der Repräsentationen beinhalten das Erlebte, das auf Symbolisierungen und Imaginationen des Körpers basieren (vgl. Schmid 2005 219f.).

Lefebvre entwickelt in seiner Theorie drei dialektisch miteinander verbundene Dimensionen. Die erste ist die syntagmatische Dimension, sie beinhaltet die Verbindungsregeln zwischen den Zeichen und ihren möglichen Kombinationen wie zum Beispiel die Syntax. Die paradigmatische Dimension knüpft sich auf die Ersetzbarkeit von Termini an, welche unter bestimmten Aspekten gleich und verschieden sein können. Die symbolische Dimension ist die letzte der drei dialektischen Dimensionen. Sie beinhaltet mathematische Zeichen, Bilder, Emotionen und Konnotationen (vgl. Schmid 2005: 236).

Abbildung 1: Dreidimensionales Schema der traditionellen Stadt

Paradigmatische Dimension

Stadt-Land innen - außen Zentrum - Peripherie Mauer - Tore

Symbolische Dimension Syntagmatische Dimension Monumente Wege Stil Netz der Beziehungen historische Erinnerung Wohneinheiten und Verbindungen Kontinuität

Quelle: eigene Darstellung nach Schmid 2005: 237

17 Die drei sprachtheoretischen Dimensionen können auf den Raum übertragen werden. Die paradigmatische Dimension steht für die Gegensätze, die symbolische für die Monumente oder historische Orte und die syntagmatische steht für die Verbindungen und Netzwerke. Im Kontrast zu Lefebvres Sprachtheorie, die sich nur mit einem Teilaspekt der sozialen Praxis auseinandersetzt, vertieft sich die Raumtheorie und umfasst die Gesamtheit der sozialen Praxis, das bedeutet die fundamentale Rolle des menschlichen Körpers und der Materialität der gesellschaftlichen Praxis (vgl. Schmid 2005: 243).

Die Repräsentation des Raumes und die Räume der Repräsentation lassen sich nur schwer trennen, dennoch beanspruchen sie unterschiedliche Sichtweisen. So ist zum Beispiel das Theater eine Repräsentation des Raumes, ein szenischer Raum, mit einer bestimmten Raumauffassung, und zugleich ist das Theater ein Raum der Repräsentation, ein vermittelter und unmittelbar erlebter Raum (vgl. Schmid 2005: 221 und Lefebvre 1991: 188).

2.4.5 Zusammenfassung Der Ausgangspunkt der Raumproduktion ist somit die räumliche Praxis. Der wahrgenommene Raum wird vorher durch einen gedanklich konzipierten Raum erstellt und dieser ist immer auf eine räumliche Praxis ausgerichtet und damit auch mit Macht verbunden. Neben dem materiellen Aspekt der Praxis und ihrer Konzeption wird diese Praxis auch erfahren und enthält somit eine Symbolik. Diese Symbolik bringt den dritten Aspekt der Produktion des Raumes, das Erlebte, hervor, das sich dialektisch auf die beiden anderen Raumdimensionen bezieht und somit den physischen Raum überlagert, in dem die materiellen Elemente und Anordnungen zu Trägern von Bedeutungen werden (vgl. Schmid 2005: 226f.). Anhand der Dreidimensionalität der Menschen lässt sich feststellen, dass der Warentausch einen historischen Ursprung nimmt und er erschöpft sich nicht. Die Grundlage für den Warentausch ist jedoch die verbale Kommunikation, Konfrontation und der Vergleich, also die Sprache und der Diskurs, und ein mentaler Austausch. Durch das Zusammentreffen werden Gefühle und Emotionen entfesselt, die den Tausch ebenfalls beeinflussen (vgl. ebd. 317f.).

18 Abbildung 2: Lefebvres dreidimensionale Dialektik

räumliche Praxis (Erfahrung)

Repräsentation des Räume der Raumes Repräsentation (Warhnehmung) (Vorstellung)

Quelle: eigene Darstellung nach Schmid 2005: 244

2.4.6 Die Architektur des Raumes Lefebvre erklärt die Produktion des Raumes anhand des menschlichen Körpers in der modernen Gesellschaft. Die soziale Praxis setzt den Einsatz des Körpers voraus, das bedeutet, die Benützung von Händen, der Gliedmaßen und der Sinnesorgane. Die soziale Praxis erschafft somit das Wahrnehmbare der Außenwelt. Die Repräsentation des Körpers ist eng mit Ideologien, wie zum Beispiel Anatomie, Physiologie, Krankheiten, Beziehung des menschlichen Körpers zur Natur und der Umgebung, verbunden. Durch die Kultur und dem Symbolismus jedes einzelnen Menschen bzw. der Gesellschaft erreicht das körperlich Erlebte eine hohe Komplexität und Fremdheit zugleich. Anhand dieses Beispiels lässt sich feststellen, dass in jeder historischen Epoche und in jeder Gesellschaftsform diese drei Momente einen unterschiedlichen Einfluss auf die Raumproduktion haben (vgl. Schmid 2005: 227). Dementsprechend ist die Raumproduktion ein historischer Prozess, der sich mit der Geschichte und der jeweiligen Gesellschaft verändert (vgl. ebd. 247).

19 2.5 Definition von sozialräumlichen Strukturen Das Hauptaugenmerk dieser Diplomarbeit liegt auf den sozialräumlichen Strukturen und deren Veränderungen innerhalb der letzten 120 Jahren im 1. Wiener Gemeindebezirk. Um die Forschungsfrage in ihren Einzelheiten zu verstehen, wird folgend die sozialräumlichen Strukturen erläutert.

„Die Realität eines Baus besteht nicht aus Mauern und Dach, sondern aus dem Raum, in den man lebt.“ (Lao Tse in Schubert 2005: 175).

Auch Schubert (2005: 175f.) knüpft an der Theorie Lefebvres an und besagt, dass einerseits der Raum die Produktion ist, da er durch Kauf, Verkauf oder Austausch von Teilen des Raums ein Produkt wird. Andererseits ist es der Mensch, der den Raum durch Bewegungen zu sozial formbestimmten Produkten macht. Aber auch die ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Mächte sind die Grundlage für die Entstehung und Transformation von Raummustern. Der Raum wird folglich als materielles Produkt angesehen, das den Menschen mit seinen sozialen Beziehungen und Interaktionen einschließt und dadurch wird dem Raum Bedeutung gegeben. Für Lefebvre ist es schwierig, das Werk, in diesem Fall die Stadt, der gesellschaftlichen Gruppen und der gesamten Gesellschaft zu verstehen. Die Gesellschaft erstellt Symbolräume, in denen die Monumente die Werke sind, „die einer Stadt ihr Gesicht und ihren Lebensrhythmus geben“ (Schubert 2005: 175). Diese Monumente, genauer definiert, die gebaute Umwelt, die Straßen und Plätze, sind gleichzeitig Erinnerungen und die Darstellung der Vergangenheit, aber auch des gegenwärtigen Alltaglebens. Die sozialen Gruppen erschaffen den Raum durch Strategien, Interaktionen und durch Erfolge und Misserfolge und dadurch ist der Raum „keine Photokopie der Gesellschaft, sondern er […] [ist die] Gesellschaft“ (Castell 1996: 410 zitiert nach Schubert 2005: 176). Jeder Raum spiegelt die historisch-zeitlichen Beziehungen zwischen Raum und der sozialen Gliederung durch ökonomische, politische und kulturelle Werte wider (vgl. Schubert 2005: 176).

Demnach werden die sozialräumlichen Strukturen durch den Menschen geschaffen und im Laufe der Zeit transformiert. Die sozialräumlichen Strukturen unterliegen einem ständigen Wandel und nehmen Bezug auf die aktuelle Situation des Raums und der Beziehung zur Gesellschaft. Historisch gesehen sind diese Strukturen dafür da, um das private und gesellschaftliche Leben aktiv zu unterstützen. Dabei wird

20 kein leerer Raum erschaffen, sondern die Menschen füllen und nutzen diesen Raum. „In symbolischer Weise wird den einzelnen Mitgliedern der Stadtgemeinschaft bzw. Stadtgesellschaft ihr Platz und ihre Stellung im Gemeinwesen zugewiesen und zugleich die Vorstellung einer sozialen Einheit verankert“ (Schubert 2005:179).

Ein weiterer wichtiger Faktor für die sozialräumlichen Strukturen ist die Betrachtung der Menschen als Mittel der Kommunikation und der Identifikation. Dazu gehören die Gegenstände, AkteurInnen und die Orientierung im Raum, die symbolisch repräsentiert und infolgedessen über sie kommuniziert wird. Die Raumstruktur wird durch die soziale Funktion als Kommunikationsprozess grundsätzlich mitbestimmt (vgl. ebd. 181f.). Sozialräumliche Strukturen sind demnach Verhaltensmuster der Menschen, der Planung, der Gestaltung, der Verwaltung und des Managements von Siedlungsräumen (vgl. ebd. 181).

Der Sozialraum befasst sich mit der Erläuterung der räumlichen Verteilung und Differenzierung der Gesellschaft in Städten und der differenzierenden Faktoren. Die Sozialraumanalyse fokussiert sich hierbei auf die Identifizierung von Ordnungsmustern und die Konzipierung von Stadtmodellen (vgl. Musil und Staudacher 2009: 162).

21 3. Wien – Innere Stadt im Wandel der Zeit

3.1 Einleitung Die Entstehung Wiens geht bereits auf die Römer zurück und ist somit mehr als 2000 Jahre alt. Durch das römische Legionslager Vindobona wurde der Grundstein für die heutige Stadt Wien gelegt. Das damalige römische Straßennetz findet sich auch heute noch in den Straßenzügen von Wien wieder und gleichzeitig blieben sie als Siedlungsachsen erhalten. Der Grundriss des Militärlagers ähnelt einer römischen Stadt, die durch Mauern und Gräben eingegrenzt und durch vier Stadttore zu betreten war (vgl. Fassmann et al. 2009: 13f.). Bereits im frühen Mittelalter war Wien die Drehscheibe für den europäischen Verkehr. Durch die günstige geographische Lage, wie der Lage an der Donau, den östlichen Alpen und dem Übergang zur Pannonischen Tiefenebene, war die Stadt Handelsplatz für viele Geschäftsmänner und -frauen und diente als Knotenpunkt für transkontinentale Fernhandelsrouten. Die Fernhandelsrouten waren die Verbindung zwischen Nordeuropa und der Adria, des mitteleuropäischen Raumes mit dem südöstlichen, bis hin zum Schwarzen Meer. Bedeutende Waren und Güter wie Salz, Holz, Gewürze und Getreide wurden durch Wien transportiert und dort gehandelt (vgl. ebd. 14f.).

Im Mittelalter wurde Wien zur Residenzstadt der Babenberger und später der Habsburger (vgl. Germ et al.2013: 42). Die stark wachsenden wirtschaftlichen Funktionen und die zunehmende Bedeutung der Stadt als politisches Zentrum verhalfen Wien zum Aufstieg zu einer Metropole (vgl. Fassmann et al. 2009: 14 und Germ et al. 2013: 42).

Wien wurde im barocken Zeitalter großflächig umgebaut und dadurch ist das Image der Stadt bis heute geprägt. Aber auch die Gründerzeitjahre spiegeln sich in den Bauweisen wider. Die Gründerzeitjahre waren auch ausschlaggebend für ein starkes Bevölkerungswachstum Mitte des 19. Jahrhunderts (vgl. Fassmann et al. 2009: 18). Wien war Hauptstadt des Vielvölkerreiches der Habsburger und zog daher viele ZuwanderInnen aus der k.u.k. Monarchie an (vgl. Germ et al. 2013: 42). Menschen aus Ungarn, Kroatien, Slowenien, Rumänien und Polen brachten ein kulturelles und finanzielles Kapital in die Stadt. Gleichzeitig führte auch die industrielle Revolution zu einem rapiden Bevölkerungswachstum. Waren es im Jahr 1850 noch ca. 200.000 EinwohnerInnen, so waren es 1914 über 2,2 Millionen (vgl. ebd.).

22 Arbeitskräfte aus vielen ländlichen Gebieten (vgl. Germ et al. 2013: 42) und aus allen Teilen der Monarchie wanderten nach Wien und ließen sich in Wien nieder (vgl. Fassmann et al. 2009: 18). Die Folgen des raschen Zuwachses und gleichzeitig ein Kennzeichen der Gründerzeit waren die Überlastung der innerstädtischen Infrastruktur, die Überbelegungen vieler Wohnungen, das Wachstum der Stadtfläche Wiens und der Wandel der historischen Altstadt (vgl. Germ et al. 2013: 42). Außerdem wurde durch den Fall der Stadtmauer 1857 die Ringstraße als einer der wichtigsten Verkehrswege Wiens errichtet (vgl. Fassmann et al. 2009: 19). Die Bauwerke des 19. Jahrhunderts gaben Wien ihr bis heute charakteristisches Erscheinungsbild (vgl. Germ et al. 2013: 42).

Die Stadtentwicklung Wien wird in vier Phasen eingeteilt. Diese vier Phasen beinhalten wiederum Kategorien, nämlich die Einleitung bzw. Beschreibung der Lage, wichtige Ereignisse, Aufbau der Stadt, Funktionen und Aufgaben der Stadt, und gesellschaftliches Leben. Die Einleitung dient als kurze Einführung in die bestimmte Phase und es wird auf die jeweilige Situation aufmerksam gemacht. Wie der Name der nächsten Kategorie bereits verrät, werden anschließend wichtige Ereignisse in dieser Phase erläutert. Der Aufbau der Stadt widmet sich mit einer gesamtheitlichen Betrachtung der Lage der Stadtentwicklung und der Stadtplanung. Das Kapitel „Die Funktionen und Aufgaben der Stadt“ behandelt die funktionale Gliederung der Stadt und welche Aufgaben bewältigt werden mussten. Im Kapitel „Das gesellschaftliche Leben“ wird die Bevölkerungsstruktur erforscht und hinterfragt, welchen Einfluss die Ereignisse auf die Bevölkerung hatten und welche Veränderungen sich feststellen lassen.

Nach den Zeitphasen erfolgt ein Vergleich der Phasen, teilweise im Fließtext und teilweise in Tabellenform. Der Fließtext beinhaltet allgemeine Informationen über die ganze Entwicklung und beinhaltet Themen, die nur schwer zu trennen sind und der gesamte Blick im Fließtext darauf leichter fällt. Die Tabelle beinhaltet die genaue Auflistung der einzelnen Phasen und im Anschluss ebenfalls einen allgemeinen Teil.

Die einzelnen Phasen sind von wichtigen Ereignissen dieser Zeit bestimmt und haben Auswirkungen auf den Aufbau und den Funktionen der Stadt und auf das gesellschaftliche Leben. Dennoch ist es schwierig die einzelnen Phasen explizit zu trennen, deshalb ist davon auszugehen, dass die einzelnen Phasen die nächste Phase

23 beeinflussen. Nur durch einen gesamtheitlichen Blick auf die Auswirkungen und den Veränderungen einer Phase, kann man die Entwicklung der nächsten Phase verstehen und nachvollziehen.

Warum liegt der Fokus dieser Diplomarbeit auf dem 1. Bezirk?

Die Innere Stadt, der 1. Bezirk, steht im Mittelpunkt Wiens und ist von der Ringstraße umschlossen. Die Stadt innerhalb der Ringstraße bildet zugleich den Kern des „Central Business District“. Im Central Business District sind alle wichtigen Verwaltungszentren der Unternehmen, die Arbeitsräume des Bundespräsidenten, das Bundeskanzleramt, aber auch die Universität, viele Museen und Dienstleistungsbetriebe vorhanden. Das Transportsystem trägt dieser Lage bei, da dieses sternförmig auf den Central Business District ausgerichtet ist und damit die Erreichbarkeit der Innenstadt und historischen Altstadt stark unterstützt (vgl. Fassmann et al. 2009: 23). Die Innenstadt ist zugleich das Zentrum für politische und wirtschaftliche Mächte und ein kultureller Mittelpunkt. Die Kärntner Straße ist eine der beliebtesten und belebtesten Einkaufsstraßen Wiens. Neben Restaurants und Bars sind auch historische Denkmäler, wie zum Beispiel der Stephansdom oder die Hofburg dort ansässig (vgl. ebd. 39).

Wien steht auch im Wettbewerb zu anderen Städten und dabei ist die Kultur ein bedeutender Faktor für die Stadtplanung. Die Städte werden anhand harter und weicher Standortfaktoren bewertet. Die harten Standortfaktoren inkludieren die Qualität der Stadt, das Image, die Vermarktung, die Inszenierung, die Identifikation und das „sich wohlfühlen“. Die weichen Standortfaktoren spielen heutzutage eine wichtige Rolle. Wien setzt dabei auf die Vermarktung ihres historischen und kulturellen Erbes. Das Alleinstellungsmerkmal Wiens, bzw. deren Unique Selling Proposition, sind die Kategorien „Kaiserstadt“, „Weltstadt der Musik“ und die europäische Kongressmetropole und diese finden sich in der historischen Altstadt wieder (vgl. Fassmann et al. 2009: 299).

Ein weiterer Grund für die Spezialisierung auf den 1. Bezirk ist das Ungleichgewicht der BewohnerInnen und der dort Beschäftigten (vgl. Taxacher und Lebhart 2016:6). 2018 bewohnten nur 16.450 Menschen die Innere Stadt (vgl. Statistik 2018: o. S.), das sind so wenige wie in keinem anderen Bezirk. Beschäftigt

24 hingegen waren über 100.000 Menschen, so viele wie in keinem anderen Bezirk. Die Innere Stadt besitzt ca. 91.390 m² FußgängerInnenzonen mit Geschäften der Dienstleistung jeglicher Art, und der 1. Bezirk weißt auch die häufigsten Nächtigungen ganz Wiens auf (vgl. Taxacher und Lebhart 2016: 6).

Zudem gilt Wien als sichere und attraktive Stadt mit einer Fülle an Geschichte, Kultur und einer gut entwickelten Infrastruktur (vgl. ebd. 25) und im Vorjahr, 2018, wurde Wien zum neunten Mal in Folge als Stadt mit der höchsten Lebensqualität gewählt (vgl. Mercer GmbH 2018: o.S.).

Außerdem lässt sich Wien in vier Phasen der Stadtentwicklung, Urbanisierung, Suburbanisierung, Desurbanisierung und Reurbanisierung, einteilen (vgl. Eder et al. 2003:33). Denn die Innere Stadt ist kein homogenes Ganzes, sondern ist historisch gewachsen und ist durch Wachstumsringe gekennzeichnet. Die Wachstumsringe entsprechen der Chronologie der Geschichte der Stadtentwicklung (vgl. Fassmann et al. 2009: 46f.). Aus diesem Grund wird im Kapitel Aufbau der Stadt zusätzlich ein kleiner Einblick in die Phasen der Stadtentwicklung zu jeweiligen passenden Zeit gegeben. Dieses Modell ist ein Schema, das sich mit der Entwicklung von Städten seit der Industrialisierung beschäftigt und dabei auf bestimmte stadträumliche Wirkungsmechanismen eingeht (vgl. Eder et al. 2003: 33).

3.2 Phase 1: 1900-1929 3.2.1 Einleitung/ Beschreibung Wie bereits in der Einleitung des zweiten Kapitels „Wien- Innere Stadt im Wandel der Zeit“ beschrieben, wurde Wien durch die Gründerzeit geprägt. Die baulichen Höhepunkte waren die Spätgründerzeit, von 1890 bis 1918, unter dem Einfluss der Reichshaupt- und Residenzstadt. Die Bevölkerungszunahmen von 1890 mit 1,3 Millionen Menschen und 1918 auf mehr als 2,2 Millionen EinwohnerInnen prägen diese Zeit (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 103). Die bauliche Leistung spiegelt sich im Umbau des älteren Baubestands und in der weiteren Ausdehnung der Stadt wider. In der Innenstadt kam eine neue Bauweise zu Stande, die unter dem Einfluss der prosperierenden Wirtschaft und Verwaltung, zu außerordentlich ansteigenden Bodenpreisen führte und auf die höchste Intensität der Bodenausnützung abzielte (vgl. ebd.).

25 Die Spätgründerzeit ging mit dem Ersten Weltkrieg von 1914-1918 zu Ende. Der Erste Weltkrieg hinterließ Spuren der Verwüstung und die Zwischenkriegszeit gestaltete sich schwierig (vgl. Fassmann et al. 2009: 20). Durch den Zerfall der österreichisch-ungarischen Monarchie verlor Wien an Bedeutung und ein enormer Bevölkerungsverlust war die Folge (vgl. Lichtenberger 1977: 252).

Die wichtigen Ereignisse werden im folgenden Kapitel kurz beschrieben, denn diese hatten erheblichen Einfluss auf die Stadtentwicklung und das gesellschaftliche Leben. Die Folge waren städtebauliche Veränderungen (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 46f. und Bobek und Lichtenberger 1966: 114f.), Mischfunktionen der Gebäude (vgl. Fassmann und Hatz 2002:38), Bevölkerungsverluste, gefolgt von Wohnungsnot (vgl. Lichtenberger 1977: 228f. und Bobek und Lichtenberger 1966: 106, 129) und einer generellen Umschichtung der Bevölkerung. Räumliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Umstrukturierungen (vgl. Lichtenberger 1977: 241, 248ff.) führten zu einem neuen Image des 1. Bezirks.

3.2.2 Wichtige Ereignisse Der Erste Weltkrieg von 1914-1918 war für Wien ein markanter Einschnitt in die Geschichte. Am Ende des Ersten Weltkrieges war Wien keine Reichs- und Residenzhauptstadt einer europäischen Großmacht mehr, sondern lediglich Hauptstadt eines Kleinstaates mit rund sechs Millionen EinwohnerInnen. Dabei entstanden auch neue gesellschaftliche und soziale Eliten, welche versuchten, die kommunalpolitischen Fragen der Wohnungsnot und der Armutsbekämpfung entgegenzuwirken (vgl. Fassman et al. 2009: 20).

1918 war das Jahr, das einen großen Wendepunkt Wiens darstellte. Die Zerschlagung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie führte zu einem katastrophalen Bedeutungsverlust Wiens und gleichzeitig verlor die Hauptstadt ihre Funktion als Reichsstadt und wurde zum Kleinstaat. Die BewohnerInnen schrumpften von 52 Millionen Menschen auf lediglich sechseinhalb Millionen. Wien wurde von einem Großstaat abermals in die Randlage gerückt (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 126). Aus diesen Gründen waren die folgenden zwei Jahrzehnte von einem Schrumpfungsprozess geprägt (vgl. Lichtenberger 1977: 252).

26 Die folgende Zwischenkriegszeit brachte auch einige Problematiken mit sich. Erstens, stand Wien eine Anpassungskrise bevor. Diese erfolgte von 1921 bis 1923 und nach einer nur kurzfristigen Erholung kam schlagartig die zweite Problematik, die Weltwirtschaftskrise. Drittens, verschärften die innenpolitischen Auseinandersetzungen die gesamte Situation. Die Folge war ein starker Bevölkerungsverlust (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 126f.).

3.2.3 Aufbau der Stadt Mehr als ein Drittel der Wohnungen im 1. Bezirk stammen aus der Zeit vor 1880 und kein anderer Bezirk weist eine solche historische Bedeutung auf. Die betroffenen Wohnungen stammen aus der Gotik, der Renaissance, dem Barock, und der Frühgründerzeit. Aufgrund von Neubauten und Abrissen gab es eine Mischung aus unterschiedlichen Baustilen. Ein weiteres Drittel der Wohnungen stammte aus den Jahren zwischen 1880 und 1918. In der Spätgründerzeit wurde höher gebaut und die Straßen und Plätze wurden vergrößert. Ein markantes Merkmal für die Gründerzeit war die Kombination aus Wohn- und Geschäftshaus. Im Erdgeschoss befanden sich die Geschäftsflächen und darüber die Wohnungen (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 46f.).

Bereits in der Gründerzeit kam es zu einer massiven Verdrängung der Wohnbevölkerung im 1. Bezirk. Viele Wohnungen wurden durch Büros, Einzelhandelsbetriebe, aber auch durch Werkstätten ersetzt. Die Wohnfunktion an sich konnte, wenn überhaupt, nur in den oberen Stockwerken bewahrt werden. Neben dieser senkrechten Expansion war auch eine flächenmäßige Expansion der tertiären und betrieblichen Nutzung festzustellen. Die Wohnfunktion wurde in die peripheren Bereiche der Innenstadt, in Seitengassen und eher unattraktiven Standorten verlagert (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 38).

In der Spätgründerzeit von 1890 bis 1910 war die bauliche Entwicklung der Altstadt im Prozess des Citybuilding. Die Bautätigkeit wurde von Banken, Geldinstituten und Baugesellschaften finanziert. Jedes Gebäude, dass sich in den Händen dieser Institutionen befand musste einem weichen. Die betroffenen Gebäude waren meist Besitztümer von adeligen Familien, die ihr Eigentum nicht halten konnten. Zu dieser Zeit ist keine klare bauliche Struktur festzustellen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 114f.). Die Wohnungsstruktur wandelte sich und Herrschafts- und

27 Kleinstwohnungen verschwanden langsam. Anstelle dieser Wohnungstypen traten Zweizimmerwohnungen ein, die dann auch in der Zwischenkriegszeit hohen Zuspruch bekamen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 115).

Bis zum Ende der Gründerzeit 1914 sind viele Betriebe von der Altstadt in die Ringstraßenzone gewandert. Jedoch konnte sich die Altstadt hinsichtlich der Größe der Büros weiterhin gut platzieren. Im Gegensatz dazu, konnte die Ringstraße eine Vielzahl von Industriezentren verbuchen. Vor allem die Textilindustrie verlagerte ihren Standort aus der Altstadt in die Ringstraßenzone und dadurch entstand das Textilviertel. Die Auslagerung der Büros war gleichermaßen in der Schwer- und Maschinenindustrie zu bemerken. Ausschließlich der Lebensmittelsektor, die Geldinstitute und die Zeitungsverläge verblieben in der Altstadt. Außerdem verloren die Hotellerie und das Gastgewerbe ihren besonderen Stellenwert in der Altstadt (vgl. Lichtenberger 1977: 238f.).

Die Ringstraße wurde als städtebauliche Konzeption errichtet und hatte die Aufgabe der oberen und wohlhabenden Bevölkerung Wohnraum zu bieten. Es entstanden Nobelmiethäuser und die Ringstraße erschien zugleich als eine sozial aufgewertete Umrandung der Altstadt (vgl. Lichtenberger 1977: 210).

Am Ende der Gründerzeit war die Altstadt besonders von der alten Baustruktur der Gebäude geprägt. Die sozioökonomische Stellung Wiens und die Umstrukturierung der Betriebe in die Ringstraße führten zu einer Umsiedlung der wirtschaftlichen Eliten in die Ringstraßenzone. In der Altstadt verblieben gewissermaßen Kaufleute und der Adel. In den weniger beliebten Altbauten konnte sich die soziale Unterschicht einmieten. Die vorherrschende Sozialstruktur im Jahr 1914 ist durch die Ober- und Mittelschicht gekennzeichnet (siehe Anhang Abbildungen Abbildung 4: Die sozialräumliche Gliederung Wiens 1914) (vgl. Lichtenberger 1977: 248ff.).

Die gesamte Gründerzeit entfernte mehr als drei Viertel des alten Baubestandes und beeinflusste zugleich die restliche Altstadt. Der Erste Weltkrieg unterbrach die Umbautätigkeiten. Die Konsequenz daraus war ein buntes Mosaik an diversen Bautypen. Das Citybuilding hat neben der alten Hauptverkehrsstraße der Stadt, neben der Kärntner- und Rotenturmstraße, eine große Lücke in den Altbestand geschlagen. Im Regierungsviertel konnten die Altbestände am besten erhalten werden (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 120f.).

28 Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Umstrukturierung führte auch zu einer räumlichen Umstrukturierung im Bauplan der Stadt (vgl. Lichtenberger 1977: 241). Der Innere Bezirk war unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg wie folgt aufgebaut (siehe Anhang Abbildung 5: Die Wiener City im Jahr 1914). Die Altstadt war durch mehrere Funktionen gekennzeichnet. So war im Nordwesten der Bankensektor, das Regierungs- und der Verwaltungsviertel war südöstlich bis zur Ringstraße ausgebreitet. Die Citygeschäftsstraßen bildeten, neben der Domkirche, den Kern der Altstadt. Dort waren auch die Hotellerie und diverse Werkstätten vertreten. Wohngebiete dienten als Pufferzone zwischen Hotellerie, Gewerbe und dem Regierungsviertel. Die Bildungseinrichtungen waren außerhalb der Altstadt, Nahe der Ringstraße vorzufinden. Die Bekleidungsgeschäfte in der Altstadt waren 1914 meist im ersten bis vierten Stock eines Hauses vertreten. Nur selten waren die Modegeschäfte im Parterre vorhanden (vgl. Lichtenberger 1977: 243).

In den 1920er Jahren gab es ein Wachstum in der Elektroindustrie. Der Ausbau der Stromerzeugung und -versorgung führte zu einer weiteren Verteilung von Elektromotoren in der Produktion und in Haushalten. Weiters waren die Elektrifizierung der Eisenbahnen, der Ausbau der Telekommunikation und das Erscheinen des Rundfunks große Weiterentwicklungen der Stadt Wien und diese Mittel erfuhren zu dieser Zeit große Beliebtheit (vgl. Eder et al. 2003: 10).

Die Problematiken der Zwischenkriegszeit ließen die bauliche Entwicklung nicht unberührt (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 127). Jedoch wurden nur wenige bauliche Veränderungen in der Altstadt vorgenommen. Die einzige wichtige bauliche Veränderung war die Fertigstellung des ersten Wiener Hochhauses (vgl. Lichtenberger 1977: 255).

Exkurs: Phase der Stadtentwicklung

Bis 1914 lässt sich ein Urbanisierungsprozess feststellen, der von einem hohen Bevölkerungszuwachs gekennzeichnet war. Die Urbanisierung ist die Ausbreitung von städtischen Lebensformen (vgl. Broll et al. 2017: 999). Es machten sich erkennbare Muster einer sozialräumlichen und funktionalen Gliederung der Wohnbevölkerung und der Wirtschaft sichtbar. Diese Muster waren vor allem in der Inneren Stadt und in den umgebenen Bezirken erkennbar. Der Citybuildingprozess beeinflusste die

29 Bodenpreisentwicklungen und hatte negative Auswirkungen auf die Sozialstruktur der Inneren Stadt. Durch die Verdrängung der Wohnfunktion im 1. Bezirk nahm die EinwohnerInnenzahl in den 1880er Jahren deutlich ab. Die Wohnfunktion wurde durch „höherwertige“ Nutzungen ersetzt. In den Vorstädten und angrenzenden Bezirken hingegen, war ein regelrechter Zuzug von EinwohnerInnen zu verzeichnen (vgl. Eder et al. 2003: 33f.).

In der Gründerzeit kam es zum Ausbau von Bezirks- und Viertelszentren und diese führten zu einer Dezentralisierung der Geschäfte aus der Altstadt (vgl. Lichtenberger 1977: 316). Die Innenstadt bewahrte dennoch die Verwaltungsfunktion (vgl. Eder et al. 2003: 35).

Die Stadtplanung verfolgte die räumlich-wirtschaftlichen Entwicklungstendenzen. Durch die Stadterweiterungen, den Anschluss der ersten Hochquellenwasserleitung und den Bauzonenplan für Wien, wurde erstmals versucht, eine funktionale Gliederung des Stadtgebiets zu erreichen und die Altstadt mit den anderen Bezirken zu verbinden (vgl. Eder et al. 2003: 35f.).

In der Zwischenkriegszeit kam es zu einer Stagnation. Nach dem Ersten Weltkrieg sank die Bevölkerungszahl Wiens stark ab. Aufgrund der kaum vorhandenen Wirtschaftsdynamik hielt auch die Verdrängung der Wohnfunktion und Umwandlung in anderwärtige Nutzungen an (vgl. Eder et al. 2003: 36).

Die Stadtentwicklung Wien wurde auf Eis gelegt. Es erfolgte keine Stadterweiterung und keine Vergrößerung der Stadt und der Industriegebiete (vgl. Eder et al. 2003: 36).

3.2.4 Funktionen und Aufgaben der Stadt Seit Beginn der Gründerzeit hat sich die Wiener Altstadt zu einer Wirtschaftscity verändert. Bis 1914 konnte ein bedeutender Aufschwung im Bankenwesen festgestellt werden. Natürlich waren die Banken für die Organisation der industriellen Wirtschaft von großer Bedeutung, jedoch war diese Zeit auch richtungsweisend für die Bautätigkeit und die Architektur der Banken (vgl. Lichtenberger 1977: 236f.).

Die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges waren die wirtschaftlichen Positionsverluste als Finanz-, Organisations- und Handelszentrum. Wien hatte in der Monarchie eine bedeutende Rolle im Geldwesen. In der Nachkriegszeit schmolzen

30 jedoch die Bilanzsummen der Wiener Banken (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 127).

Eine weitere Auswirkung war die allgemeine Verarmung der Bevölkerung. So waren die Einlagen der BewohnerInnen um die Hälfte gesunken (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 127).

Die wirtschaftliche Depression hatte auch eine katastrophale Auswirkung auf den Kohlebau in Wien. Die Industrie hatte in der österreichisch-ungarischen Monarchie ein flächendeckendes Gebiet und war schlagartig auf teure Einfuhren angewiesen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 127).

In den Jahren der ersten Phase ist auch festzustellen, dass eine Entwicklung im Großhandel stattgefunden hat. Die Betriebe und Unternehmen haben sich auf Branchen spezialisiert. Durch die Branchenspezialisierung entstanden auch die zugehörigen Großhandelsbetriebe, die das Marketing und das Produktmanagement übernahmen (vgl. Lichtenberger 1977: 237).

Weiters wurde die Wirtschaftsstruktur der Stadt durch „Kaufmänner“ beeinflusst. Bis 1914 waren hunderte Kaufmänner in der Altstadt und in der Ringstraße im Textilhandel tätig. Die Wirtschaftspolitik hat demnach vielen kleinen Unternehmen die Chance gegeben auf den Markt Einfluss zu nehmen und im Sektor des Großhandels Fuß zu fassen (vgl. Lichtenberger 1977: 237).

Die Wohn- und Wirtschaftsfunktion wurde im Jahr 1914 verstärkt kombiniert. Besonders Personen in freien Berufen und Kaufleuten war die Kombination aus Wohnen und Gewerbe besonders wichtig. Es ist auch festzustellen, dass das Baualter eines Gebäudes mit der Wohnfunktion verbunden war. Im Zentrum der Altstadt war das Wohnen in höheren Stockwerken eine Art Restfunktion. Die geringen Mieten der oberen Stockwerke bewerkstelligten die Verschmelzung von Wohn- und Geschäftsnutzung (vgl. Lichtenberger 1977: 248).

Zudem war eine wirtschaftspolitische Neuorientierung der Industrie notwendig und führte zu einer Umwandlung der Betriebsstruktur. Bis zum Jahr 1917 wurde der Begriff der Wohnung auch für Geschäftszwecke verwendet. Erst 1923 kam es zur endgültigen Begriffsfestlegung, dass Wohnungen nur reinen Wohnzweck erfüllen dürfen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 127f.).

31 Die Bautätigkeit in der Zwischenkriegszeit hatte keine Auswirkungen auf die Funktionen der Stadt. Weder die Geschäftsstraßen noch die Innenstadt selbst wurden erweitert oder ausgebaut (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 141f.).

3.2.5 Gesellschaftliches Leben Der erste deutliche Bevölkerungsverlust fand Ende des 19. Jahrhunderts statt. Die Verdrängung der Wohnfunktionen wurde durch die ökonomischen Umstrukturierungen ausgelöst, aber auch die Rückwanderungen von Unternehmen und der Bevölkerung in die Nachfolgestaaten der Monarchie spielen hier eine Rolle (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 38f.).

Die sozialräumliche Gliederung der Altstadt vom Jahr 1914 (siehe Anhang Abbildung 6: Sozialräumliche Gliederung der Wiener Altstadt 1914) gliederte sich in vier Gruppen, der Adel, die wirtschaftliche Elite der Industrie und Bankiers, die Kaufleute und die freien Berufe der Ärzte und Rechtsanwälte. Aufgrund fehlender Daten der Unterschicht und Beamten, fokussiert sich diese Grafik rein auf die vier bereits genannten Gruppen. Aus der Karte ist ersichtlich, dass sich die Adeligen und die wirtschaftliche Elite auch räumlich trennten. Das Verteilungsmuster war klar definiert. Die wirtschaftliche Elite wohnte in der mittelalterlichen Kernstadt, der Adel hingegen in der mittelalterlichen „Neustadt“. Die Vermischung der beiden Gruppen erfolgte entlang der Geschäftsstraßen, wie der Kärntner Straße, des Kohlmarktes und der Wollzeile. Eine lückenhafte Verteilung bzw. eine Überlagerung der beiden Gruppen, ließ sich dennoch nicht ausschließen, da sich der Adel nur schwer von den Palaisbauten trennen wollte. Im Gegensatz zu den ersten zwei Gruppen, waren die Kaufleute nicht auf den Bautyp der Häuser fixiert, sondern eher auf die Viertel der Stadt. Aus diesem Grund siedelten sich die Kaufleute im Nordwesten der Altstadt an. Die Ärzte und somit die letzte Gruppe, legten mehr Wert auf Verkehrsanbindungen. Deswegen waren sie besonders im Graben, in den Richtungen zur Kärntner Straße, und im Osten zur Wipplingerstraße angesiedelt. Die Rechtsanwälte ähnelten sich im Verteilungsmuster mit den Ärzten. Ein Hauptaugenmerk ist die Wollzeile, hier befand sich das Handelsgericht (vgl. Lichtenberger 1977: 232f.).

Am Ende der Gründerzeit ist ersichtlich geworden, dass sich die wirtschaftliche Elite, Kaufleute und Rechtsanwälte in der Ringstraße ansiedelten und teilweise nur der Hochadel in der Altstadt verblieb (vgl. Lichtenberger 1977: 233).

32 Der erste Weltkrieg hatte enorme Auswirkungen auf die Bevölkerung Wiens. Innerhalb von vier Jahren wurde Wien zerstört und somit trat das Problem der Wohnungsnot und der Armutsbekämpfung auf. Zu der akuten Wohnungsnot und der Armut kam ein immenser Rückgang der Einwohnerzahlen hinzu. Waren es 1914 noch über 2,2 Millionen Menschen, so waren es zu Beginn des Zweite Weltkrieges nur noch 1,7 Millionen. Die Gründe für den Rückgang der EinwohnerInnen waren die Rückwanderung in die neu geschaffenen Nationalstaaten, aber auch durch Arbeitslosigkeit und Armut geprägter Geburtenrückgang (vgl. Fassmann et al. 2009: 20).

Die Wohnungsnot und die schlechten Wohnbedingungen in den gründerzeitlichen Wohnvierteln führten die sozialdemokratische Arbeiterpartei zum Entschluss eine eigene und akzentuierte Wohnungspolitik zu erschaffen. Die einzige Voraussetzung dafür waren die Einnahmen der extra dafür ausgerichteten Steuern, zum Beispiel die Wohnbausteuer. Innerhalb von zehn Jahren wurden ab 1923 über 60.000 Wohnungen errichtet und zur Verfügung gestellt (vgl. Fassmann et al. 2009: 20).

In der Spätgründerzeit und nach der Gründerzeit wurden diverse Verbesserungen innerhalb der Wohnungen vorgenommen. Zu diesen Renovierungen zählte der Bau sanitärer Anlagen in der Wohnung selbst. Jedoch waren die Wohnungen durch dunkle und schlecht belüftete Räume, mangelnde freie Ausblicke und Verwendung vieler Lichtschächte gekennzeichnet. Durch den Mangel an freiem Ausblick und wenig Lichtzufuhr gab es enorme Wertunterschiede zwischen Straßen- und Hofwohnungen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 106). Die Wohnungen entsprachen dem Typus einer kleinen Mittelwohnung, die direkt von der Stiege zugänglich waren und die sanitären Anlagen, wie Toiletten und die Wasserleitung, wurden im Wohnungsverband geteilt (vgl. ebd. 111). Die schlechte Belichtung und unzureichende Belüftung sind ein Zeichen einer sozialen Abwertung. Diese Wohnungen wurden meist von Hilfskräften, HeimarbeiterInnen, Dienern, untergeordneten BeamtInnen und Beschäftigten im Gastgewerbe bewohnt (vgl. Lichtenberger 1977: 229).

Die Miethäuser aus der Renaissance, dem Barock und dem Klassizismus, waren schon immer durch eine gemischte Sozialstruktur gekennzeichnet (vgl. Lichtenberger 1977: 230). Grundsätzlich ist jedoch zu sagen, dass je älter der Baubestand eines

33 Gebäudes war, desto größer war die soziale Abwertung (vgl. Lichtenberger 1977: 228).

Der Zerfall der Monarchie, 1918, führte zu starken Wanderungsbewegungen und schlussendlich zu einer Rückwanderung von deutschen Beamten und Offizieren und hauptsächlich Tschechen in ihr Mutterland (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 129).

1921 wurde Wien zu einem eigenen Bundesland und die politische Lage spitzte sich zu. Wien wurde Paradebeispiel für eine sozialdemokratisch dominierte Stadtverwaltung und wurde zum „Roten Wien“ erklärt (vgl. Fassmann et al. 2009: 20).

In der Zwischenkriegszeit kam es zur Auflösung der sozialräumlichen Gliederung und die Wohnfunktion nahm an Bedeutung zu. Der Bevölkerungsverlust und damit der Schrumpfungsprozess der Altstadt konnte nur durch die Ausbreitung der Büronutzung wieder ausgeglichen werden (vgl. Lichtenberger 1977: 252).

3.3 Phase 2: 1930-1959 3.3.1 Einleitung/ Beschreibung Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und räumlichen Veränderungen der ersten Phase von 1900-1929 wirkten sich natürlich auch auf die zweite Phase aus. Die Übergänge sind fließend und schließen eine Fortsetzung nicht aus und sind deshalb schwer trennbar.

Demnach kam es, zusätzlich zu den vielen Umstrukturierungen, zu einer Weltwirtschaftskrise 1930, gefolgt vom Anschluss Wiens an das Deutsche Reich. Ab 1938 versuchte man die Wirtschaft wieder anzukurbeln und durch den Verbund der deutschen und österreichischen Unternehmen zu stärken. Die Verschmelzung von deutschen und österreichischen Betrieben (vgl. Eder et al. 2003: 11), führte abermals zu einer Umschichtung der Bevölkerung (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 165).

Nur ein Jahr später brach der Zweite Weltkrieg aus. Der Zweite Weltkrieg hatte, wie bereits der Erste Weltkrieg, enorme Auswirkungen auf die Stadt Wien, deren Bevölkerung und auf die Stadtentwicklung. Wien wurde an den Rand der westlichen Hemisphäre gedrückt. Erst in der Nachkriegszeit konnte die Wirtschaft wieder angekurbelt werden (vgl. Eder et al. 2003: 13).

34 3.3.2 Wichtige Ereignisse In den 1930er Jahren führte die Weltwirtschaftskrise zu einem weiteren Bedeutungsverlust Wiens. Wien verlor ihre überregionale Position als Finanz- und Industriezentrum. Die Wirtschaftsentwicklung war von einer Stagnation betroffen und in der Zwischenkriegszeit kam es zu einer geringen Deindustrialisierung (vgl. Eder et al. 2003: 11).

1938 wurden Kapitalinvestitionen getätigt und das förderte die Verschmelzung von österreichischen und reichsdeutschen Unternehmen. Vor allem Banken, Versicherungen und Betriebe wurden in deutsche Unternehmen integriert (vgl. Eder et al. 2003: 11). Infolgedessen, wurden während des Zweiten Weltkrieges viele Betriebe nach Österreich und nach Wien verlagert. Aus einer bevölkerungspolitischen Sicht erfolgte durch das Dritte Reich eine Umschichtung der Bevölkerung, in anderen Worten war es eine Ausgrenzung der Juden (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 165).

Der Zweite Weltkrieg endete 1945 und durch Luftangriffe und Bodenkämpfe wurde Wien stark in Mitleidenschaft gezogen. Wichtige Handelsrouten und Knotenpunkte des Verkehrs, sowie die Energie- und Wasserversorgung wurden schwer beschädigt. Nach dem Kriegsende fehlte es an Nahrungsmitteln, Kleidung und Heizmaterial. Der Schwarzmarkt und der Tauschhandel erfuhren in dieser Zeit einen großen Aufschwung (vgl. Eder et al. 2003: 13).

1945 kam es zur Trennung Europas in zwei unterschiedliche politische, sowie militärische Machtbereiche. Es kam zu einer noch weiteren Entfernung zu den ostmitteleuropäischen Märkten. Somit rückte die Wiener Wirtschaft weiter an die Randlage und erst durch die Abhilfe des Marshall-Plans3 gab es ab 1948 positive Entwicklungsimpulse für Wien (vgl. Eder et al. 2003: 13).

Im Mai 1955 kam es zum Abschluss des Staatsvertrages und dadurch wurde Wien wieder in die Wirtschaft eingebunden. Die wirtschaftliche Struktur ging in der Nachkriegszeit immer mehr in den Dienstleistungssektor über. Die wichtigste Funktion war jedoch der Wiederaufbau Wiens. Von 1953 bis 1962 dauerte die erste Wachstumsphase und sie war der erste langanhaltende Aufschwung seit der Gründung der Ersten Republik (vgl. Eder et al. 2003: 13).

3 Der Marshall-Plan stammt aus den USA und wurde damals als „Europäisches Wiederaufbau-Programm“ ins Leben gerufen. Dieser sollte als wirtschaftliche Unterstützung der europäischen Staaten dienen und vor allem dem Wiederaufbau der Kriegszerstörungen unterstützen (vgl. Broll et al. 2017: 549). 35 3.3.3 Aufbau der Stadt Der Zweite Weltkrieg brachte für den Entwicklungsprozess eine bedeutende Änderung mit sich. Neben den Kriegszerstörungen innerhalb der Stadt und des 1. Bezirks waren die Errichtung des Eisernen Vorhangs und die politische Zweiteilung Europas von hoher Bedeutung (vgl. Fassmann et al. 2009: 20f.).

In den Jahren 1945 bis 1960 wurde versucht die Kriegszerstörungen zu beseitigen (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 47). Die Bombenzerstörungen des Zweiten Weltkriegs wurden durch die Errichtung von reinen Wohnbauten in der Altstadt gefüllt (vgl. Lichtenberger 1977: 254).

Der Zweite Weltkrieg hat die Verkehrsachsen in der Altstadt teilweise zerstört, stark in Mitleidenschaft gezogen und der Baubestand der Gründerzeit wurde zum Teil vernichtet (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 200). Die Stadt war nicht mehr wiederzuerkennen. Neben den Verkehrswegen wurden durch Luftangriffe viele Sehenswürdigkeiten der Inneren Stadt zerstört. Die Staatsoper, das Burgtheater, der Stephansdom und die Universität wurden zerbombt oder ausgebrannt und die Innenstadt glich Ruinen und Schuttbergen (vgl. Csendes und Opil 2006: 547). Der Wiederaufbau der Stadt führte somit zu einer neuen Bautätigkeit und schließlich zu einem anderen Stil der Bebauungsweise. Vor allem die Lage rund um den Stephansplatz, der Kärntner- und Rotenturmstraße und den Hohen Markt musste wiederaufgebaut werden. Im Gegensatz zu den stark zerstörten Orten, war das Regierungsviertel und der östliche Teil der Stadt kaum betroffen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 200).

Der Wohnungsbestand hat sich in den Jahren zwischen 1951 und 1961 um rund 100.000 Wohnungen erweitert und die frühere Wohnungsnot wurde damit beseitigt und erstmals wurde ein Wohnungsüberschuss erreicht. Jedoch darf man nicht außer Acht lassen, dass trotzdem ein Wohnungsbedarf bestand, da die Dunkelziffer mit Sicherheit noch größer waren und nicht im Wohnungsamt erfasst wurden (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 171). Den anhaltenden Wohnungsbedarf kennzeichneten erstens, die Flexibilität des Wohnungsmarktes und zweitens, die Wandlung des Wohnbedarfs. Die Umwandlung erfolgte durch den erhöhten Lebensstandard und den gehobenen Ansprüchen an eine Wohnung (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 171f.).

1961 waren es noch 33.235 EinwohnerInnen in der Altstadt und damit ging auch ein erhöhter Wohnungsbedarf mit ein. Jedoch hat sich zwischen 1934 und 1951 die

36 Wohnungsstruktur hinsichtlich der Größe verändert. In diesen Jahren gab es einen immensen Rückgang der Herrschafts- und Großwohnungen. Die Gründe dafür sind die Teilung der Großwohnungen aufgrund der Vertreibung der Juden und der Präferenz von Mittelwohnungen beim Wiederaufbau und Neubau der Gebäude (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 200f.).

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden zwei Jahrzehnte lang die Bombenlücken gefüllt. In den 1950er Jahren wurden diese Verbauungen ausschließlich von der Gemeinde Wien getragen. Jedoch später, in den 1960ern wurde diese Bautätigkeiten von Vertretern und Vertreterinnen der Wirtschaftscity, wie zum Beispiel Sparkassen, Versicherungen und Baugesellschaften, übernommen und meist Eigentumswohnhäuser errichtet (vgl. Lichtenberger 1977: 255).

In der Nachkriegszeit versuchte man durch einzelne und wenige Versuche die Modernität der Stadt zu erhöhen. Das beste Beispiel für diese Modernität ist das Ringstraßenhochaus aus 1951. Der Rest war durch schlichten Wohnbau gekennzeichnet. Im Vordergrund standen die Beseitigung der Bombenschäden und die Wohnungsnot (vgl. Fassmann et al. 2009: 21).

Exkurs: Phase der Stadtentwicklung

Die Stagnation der Zwischenkriegszeit hielt bis in die 1950er Jahre an. Nur während der Weltwirtschaftskrise wurden das Banken- und das Textilviertel langsam aufgelöst (vgl. Eder et al. 2003: 36).

1938 kam es zur nationalsozialistischen Machtübernahme und versetzte Wien in eine Planungsdynamik. Zum Beispiel sollten die Wiener Juden radikal verdrängt werden und Prachtbauten sollten die Innenstadt mit der Donau beleben. 1939 kam es zu einem Baustopp, nur drei Jahre später wurde ein generelles Neubauverbot ausgehängt (vgl. Eder et al. 2003: 36f.).

Nur wenige Jahre später, 1950, fand sich Wien wieder in einem Urbanisierungsprozess. Auch wenn die Bevölkerungsverluste der Jahre 1934 bis 1951 sehr stark waren, kam es in den 1950er Jahren zu einem geringen Anstieg der Bevölkerung (vgl. Eder et al. 2003: 37f.).

37 Von 1948 bis 1951 erstellte die Stadtplanung einen neuen Flächenwidmungsplan. Dieser Flächenwidmungsplan wurde als 8-Punkte-Programm für den sozialen Städtebau betrachtet. Die Entwicklungsgebiete waren jedoch außerhalb des 1. Bezirks. Das damalige Problem waren die umstrittenen Grenzen der Stadt Wien, so veränderte sich die Gesamtfläche der Stadt durch Eingemeindungen stetig (vgl. Eder et al. 2003: 40).

Die Verkehrsinfrastruktur wurde weiterhin ausgebaut, dementsprechend wurde 1950 der Westbahnhof errichtet und nur drei Jahre später der Südbahnhof. Erhöhte Verkehrsdichte forderte dennoch seine Opfer. Besonders in der Ringstraße und am Gürtel kam es zu einigen Unfällen. Daraufhin wurden Fußgängerunterführungen errichtet und Rolltreppen fanden ihren Einsatz. Weiters entstand 1952 die erste unterirdische Straßenbahn (vgl. Eder et al. 2003: 42).

Bis zum Abschluss des Staatsvertrages 1955 war die wirtschaftliche Entwicklung Wiens durch die sowjetische Besatzung stark beeinträchtigt. Erst nach diesem Vertragsabschluss konnte die geographische Lage Wiens und deren Agglomerationsvorteile wieder ausgenutzt werden (vgl. Eder et al. 2003: 38).

3.3.4 Funktionen und Aufgaben der Stadt Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die wichtigsten Aufgaben der Stadt, die Menschen- und Tierleichen und die Kriegsschäden der Wasserversorgung und dem Kanalnetz zu beseitigen. Dabei hatte die Stadtverwaltung besonders ein Auge auf die Erhöhung des Wasseraufkommens (vgl. Osendes und Opil 2006: 564).

Der Wirtschaftsaufschwung erfolgte vor allem im tertiären und quartären Sektor (vgl. Lichtenberger 1977: 254) und Wien erwachte aus der Erstarrung Zwischenkriegszeit (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 166).

Aufgrund der Kriegszerstörungen des Zweiten Weltkrieges und der fehlenden Literatur bzw. dem Mangel an aussagekräftigen Informationen, war es schwierig die Funktionen und Aufgaben der Stadt in dieser Phase zu gliedern und aufzuzählen. Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass die Funktionen der Stadt besonders während und nach dem Zweiten Weltkrieg auf Eis gelegt wurden und sich die Stadt erst langsam nach dem Wiederaufbau wieder neu gliederte.

38 3.3.5 Gesellschaftliches Leben Nach dem Ersten Weltkrieg bis Mitte der 30er-Jahre war eine leicht positive Wanderungsbilanz ersichtlich, die wiederum das immer größer werdende Geburtendefizit deckte und die Bevölkerungszahl konstant hielt (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 130). Aufgrund des Zerfalls der Monarchie, der gründerzeitlichen Wohnverhältnissen im Zusammenhang der Wohnungsnot und der Wirtschaftskrise, kam es zu solch einem Geburtendefizit. Durch den Geburtenrückgang wandelte sich auch die Altersstruktur der Bevölkerung. Die Folge war eine zunehmende Überalterung der Bevölkerung Wiens (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 130). Vor allem in den Jahren zwischen 1934 bis 1951 war Wien von einer Überalterung geprägt. Die Folge war der Anstieg der Pensionisten und Pensionistinnen und die Verkleinerung und zugleich die Vervielfachung der Haushalte (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 168f.).

Die Veränderungen der Bevölkerungsstruktur führte zu einer Vermehrung der Haushalte und folge dessen zu einem höheren Bedarf an Wohnungen. So sank die Bevölkerungszahl, jedoch nahm die Zahl der benötigten Wohnungen zu und führte zu einer Abnahme der BewohnerInnen pro Haushalt. Die Gründe für diesen Wandel waren die Zunahme der Eheschließungen bei gleichzeitig schrumpfender Bevölkerungszahl, die Reduzierung des Hauspersonals und der Untervermietungen und damit der familienfremden Personen in einem Haushalt, die Verarmung der Oberschichten und des Mittelstandes, und schlussendlich die Abwanderung der Angehörigen anderer Nationalstaaten und die Rückkehr von Beamten und Offizieren nach Wien (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 131f., 170).

Die bereits erwähnten Veränderungen der Bevölkerungsstruktur bzw. die wachsende Zahl der Haushalte, führte zu einer wachsenden Bautätigkeit in der Zwischenkriegszeit (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 132).

Das Austreiben der Juden, die Wanderungen in den Westen und die Rückkehr von Vertriebenen, beeinflussten die Gesellschaftsstruktur (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 168). 1934 hatten sich fast 180.000 Wiener und WienerInnen zum jüdischen Glauben bekannt, und man geht davon aus, dass 120.000 BürgerInnen emigriert sind und somit ihr Leben gerettet hatten. Unter ihnen war ein Großteil der Elite Wiens (vgl. Csendes und Opil 2006: 545). Die Innenstadt war dennoch von einer Bevölkerungsabnahme geprägt (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 168).

39 Die politische Grenzziehung durch den Eisernen Vorhang und damit die Randlage Wiens mit dem Ruf von ungünstigen Entwicklungsperspektiven, brachte einen weiteren Bevölkerungsverlust mit sich. Das Stadtgebiet an sich wurde innerhalb von 1910 und 1954 fast verdoppelt, dennoch fielen die Zahlen 1951 auf 1,62 Millionen EinwohnerInnen, das sind 450.000 Menschen weniger als im Jahr 1910 (vgl. Fassmann et al. 2009: 21).

Der kommunale Wohnbau und die damit zur Verfügung gestellten Wohnungen fanden mit dem Ende der 1. Republik Österreichs und zum Beginn des Austrofaschismus 1934 ihr Ende. Erst in der Nachkriegszeit wurde der kommunale Wohnbau wiederaufgenommen und gefördert. Die funktionale Qualität der Gebäude der Zwischenkriegszeit konnte jedoch nicht mehr erreicht werden (vgl. Fassmann et al. 2009: 20).

Durch den Anschluss an das Deutsche Reich und aufgrund des Zweiten Weltkrieges, lässt sich eine gewaltige Umschichtung der Bevölkerungsgruppen feststellen und durch die Ausgrenzung der Juden entstanden leere Wohnungen. Diese Wohnungen wurden Flüchtlingen zugewiesen und in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Vergabe der Wohnungen an alle Wohnungssuchende ausgeweitet (vgl. Lichtenberger 1977: 254).

3.4 Phase 3: 1960-1989 3.4.1 Einleitung/ Beschreibung Nach der Beseitigung der Kriegsschäden konnte Wien erstmals wieder eine wirtschaftliche Entwicklung feststellen. Es kam zu einem strukturellen Wandel. Der Dienstleistungssektor breitete sich aus, und die Industrie verlor langsam an Bedeutung und rückte in die äußeren Bezirke Wiens, oft auch ins Stadtumland (vgl. Eder et al. 2003: 14f., 43f.).

Die dritte Phase ist vor allem von einem Strukturwandel, vom Denkmalschutz, dem Ausbau des Straßensystems (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 60f. und Lichtenberger 1977: 254), und von zwei Stadtentwicklungsphasen geprägt, die Suburbanisierung und Desuburbanisierung (vgl. Eder et al. 2003: 39).

In der dritten Phase kam es zum zweiten großen Bevölkerungsverlust (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 39f.) und die Innenstadt wurde hauptsächlich von der Mittel-

40 und Oberschicht bewohnt. Das Wohnen in der Inneren Stadt wurde zum Luxus (vgl. Fassmann et al. 2009: 42f.).

3.4.2 Wichtige Ereignisse In den 1960er Jahren kam es zu einer strukturellen Veränderung der Wirtschaft, der Dienstleistungssektor prägte sich aus. Die Innere Stadt versuchte diesen Entwicklungen Stand zu halten, dennoch nahm im 1. Bezirk die Zahl der Arbeitsplätze am stärksten ab. Dazu kommt auch noch ein Verlust in der Wohnbevölkerung und Anzahl der EinpendlerInnen (vgl. Eder et al. 2003: 43f.). Die steigende Mobilität der Betriebe führte in der Inneren Stadt zu vielen Neugründungen von Betrieben. Die Expansion der Betriebe war besonders in den Bereichen des Banken- und Versicherungswesens, im Handel und in internationalen Organisationen vertreten (vgl. Schubert 1985: 491).

Viele der Gebäude standen unter Denkmalschutz und bauliche Veränderungen waren meist sehr teuer und benötigten eine Genehmigung. 1972 wurde die Altstadterhaltungsnovelle beschlossen. Die Altstadterhaltungsnovelle wurde für den Schutz von Gebäuden erstellt, um, unabhängig vom Denkmalschutz, Schutzzonen zu errichten, an denen keine Veränderung an Gebäuden bzw. kein Abriss von Gebäuden stattfinden darf. Diese Maßnahme war für die wesentlichen Altstadtbereiche besonders wichtig, um die Identität der Stadt zu erhalten. Vor allem in der Zeit des Wiederaufbaus und des Baubooms war diese Maßnahme essentiell. Der gesamte 1. Bezirk fällt in diese Schutzzone (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 60f.). Die Schutzzone ist im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan festgelegt und schützt die Bereiche des „charakteristischen Stadtbildes entsprechend seiner natürlichen Gegebenheiten, seiner historischen Struktur, seiner prägenden Bausubstanz und der Vielfalt der Funktionen“ (Fassmann und Hatz 2002: 61). Neben dem Denkmalschutz ist die Altstadterhaltungsnovelle eine wichtige Vorschrift, um die „Attraktivität des 1. Bezirks langfristig vor kurzfristigen Kapitalinteressen zu schützen“ (Fassmann und Hatz 2002: 61).

41 3.4.3 Aufbau der Stadt Seit den 1960er Jahren gab es einen dynamischen Aufschwung im Dienstleistungssektor. Die Beschäftigtenzahl im Sekundarsektor ging stetig zurück, und führte zu einem Anstieg der Beschäftigten im Dienstleistungssektor (vgl. Eder et al. 2003: 14f.).

In diesen Jahren erfolgte auch der Ausbau des Straßensystems und nur zwei Jahre später wurde das öffentliche Transportsystem durch eine Schnellbahn erweitert. Die Funktion der S-Bahn war die Verbindung der im Norden neu entstandenen Wohnsiedlungen und die im Süden neu angelegten dynamischen Betriebsansiedlungen. Es erfolgten weitere Ausbauten des Straßennetzes und Ende der 1960er Jahre erfolgte die Planung der U-Bahnlinien (vgl. Eder et al. 2003: 46f.).

1978 wurde die gesamte Altstadt zur Schutzzone erklärt, dazu gehören ca. 1.700 Gebäude und davon 1.200 Wohngebäude (vgl. Fassmann et al. 2009: 302).

Wie bereits im Kapitel „Aufbau der Stadt“ der vorangegangenen Phase, wurden von VertreterInnen der Wirtschaftscity, Sparkassen und Versicherungen etc., die Bautätigkeit übernommen und meist Eigentumswohnungen errichtet. Hier ist zu bemerken, dass erst ab Mitte der 1960er Jahre reine Bürohäuser errichtet wurden und die Wohnfunktion bereits zehn Jahre später durch Büroflächen ersetzt wurde. Diese Bürohäuser wurden aber nur für Kleinbüros genutzt. Das ist ein Anzeichen dafür, dass die Altstadt als Ansiedlung von Großraumbüros unattraktiv wurde (vgl. Lichtenberger 1977: 255).

Exkurs: Phase der Stadtentwicklung

In der dritten Phase, von 1960 bis 1990, war die Stadtentwicklung von zwei großen Stadtentwicklungsphasen gekennzeichnet, die Urbanisierung gefolgt von der Suburbanisierung. Die Urbanisierung aus der zweiten Phase erfolgte fließend. 1961 lag die Wohnbevölkerung im 1. Bezirk bei 32.243 bei einer Arbeitsbevölkerung von 148.461 (vgl. Eder et al. 2003: 39). Die Wohnbevölkerung sank stetig und die Arbeitsbevölkerung nahm nur wenig ab. Dennoch übertrafen die Beschäftigten die Wohnbevölkerung um ca. 100.000 Personen bis 1981 (siehe Anhang Tabelle 3: Tabelle zur Wohn- und Arbeitsbevölkerung in Wien).

42 Die Wohnbautätigkeit lag besonderen Stellenwert auf den Wiederaufbau der Stadt, also auf die weitere Beseitigung der Kriegsschäden, und auf die Nutzung der freien Flächen. Die freien Flächen wurden außerhalb der Stadt gefunden und genutzt. Die Wohnbevölkerung in der Inneren Stadt nahm langsam ab, jedoch zog es vor allem die ArbeiterInnen von den Inneren Bezirken in die äußeren, wie zum Beispiel, , und Meidling (vgl. Eder et al. 2003: 41).

Durch den Wiederaufbau des Stephansdoms, der Oper, des Burgtheaters und manchen historischen Altbauten in der Ringstraße, wurde die kulturelle Bedeutung Wiens wieder in den Vordergrund gestellt (vgl. Eder et al. 2003: 42).

Während der 1960er Jahren kam es dann zu einer Suburbanisierung. Die Suburbanisierung ist ein Dekonzentrationsprozess von Stadtregionen. Sie wird durch die Stadtwanderung der Menschen und von Unternehmen ausgelöst und führt die Stadterweiterung über die Stadtgrenzen hinaus (vgl. Broll et al. 2017:917). Dennoch war der Bevölkerungsverlust nicht auffällig, da eine erhöhte Geburtenbilanz und ein positives Wanderungssaldo diesen Verlust wieder ausglichen. Es gab aber weiterhin eine Veränderung der Wohnbevölkerung, so sank diese in der Inneren Stadt um 21,9 Prozent, und die Bevölkerungsanzahl in den äußeren Bezirken nahm zu (vgl. Eder et al. 2003: 42).

Neben der Bevölkerungsverschiebung kam es auch zu einem Rückgang der Arbeitsbevölkerung. Gründe dafür waren die Angebotsknappheit der offenen Arbeitsstellen, die stagnierende EinwohnerInnenzahl und die generelle Überalterung der Bevölkerung. Bis in die 1970er Jahre waren diese Gründe für die erfolgslose Wirtschaftsentwicklung Wiens ausschlaggebend (vgl. Eder et al. 2003: 42f.).

Die Wirtschaftsentwicklung Wiens entwickelte sich aus der Innenstadt in die umliegenden Bezirke. Infolgedessen kam es zu einer Verschiebung der innerstädtischen Beschäftigten, die von den inneren Bezirken in die angrenzenden Gemeinden wanderten. Die EinpendlerInnenquote aus den Gemeinden außerhalb von Wien verzeichnete einen Zuwachs (vgl. Eder et al. 2003: 43). Diese EinpendlerInnenquote ist zugleich der Hinweis „für die zunehmend intensiver werdenden wirtschaftsräumlichen Verflechtungen zwischen dem Wachstumskern Wien und dem Umland“ (Eder et al. 2003: 43).

43 1962 erstellte die Stadtplanung ein städtebauliches Grundkonzept, welches sich auf die Dezentralisierung der Stadt und auf die Auflockerung des dicht verbauten Stadtgebietes spezialisierte. Die Stadtplaner legten den Fokus auf den Stadtrand, um der hohen Dichte der zentralen Einrichtungen und der Wohn- und Arbeitsbevölkerung in der Inneren Stadt entgegenzuwirken (vgl. Eder et al. 2003: 45).

In den 1970er Jahren kam es schlussendlich zu Desuburbanisierungstendenzen. Die Desuburbanisierung ist die Umkehr des Urbanisierungsprozesses, das bedeutet, dass die EinwohnerInnenzahl stagnieren oder abnehmen, während sich gleichzeitig der ländliche Raum vergrößert (vgl. Boll et al. 2017: 164). Die Anzeichen für die Desuburbanisierung fanden sich in den schrumpfenden EinwohnerInnenzahlen und dem stockenden Wirtschaftswachstum wieder. Außerdem erhöhte sich die Anzahl der internationalen Organisationen und somit stieg auch die Konkurrenz für die nationalen Unternehmen (vgl. Eder et al. 2003: 47).

3.4.4 Funktionen und Aufgaben der Stadt Der Zweite Weltkrieg hatte auch noch bis in die 1970er Jahre Auswirkungen auf das Citybuilding als wirtschaftlichen Prozess. Denn sie konnte, aufgrund der veränderten Organisationsformen der Wirtschaft, nicht mehr im gleichen Ausmaß der gründerzeitlichen Jahre weitergeführt werden (vgl. Lichtenberger 1977: 254).

Der Denkmalschutz ist zugleich Segen und Fluch für die Altstadt. Auf der einen Seite werden die historischen Gebäude gesichert, auf der anderen Seite hingegen, wurde dadurch die Umbauintention von Versicherungen, Banken und Kaufhäusern, also der wirtschaftlichen Elite, erschwert (vgl. Lichtenberger 1977: 254).

Die Einschränkungen der Baubehörden verhinderten durch den Denkmalschutz den Abriss von Altbauten und es erfolgte eine Umwandlung der Standortqualitäten. Das bedeutet, dass die Innere Stadt eine neue zentrale Position einnahm, da viele Betriebe die zentrale Lage nicht benötigten und in die Randbereiche auswichen (vgl. Lichtenberger 1977: 256f.).

Die Hauptgeschäftsstraßen in der Inneren Stadt sind eng mit den Hauptachsen der Fußgängerzonen verbunden. 1970 wurden die Haupteinkaufsstraßen in Fußgängerzonen umgewandelt, um eine Verbindung zwischen Sehenswürdigkeiten

44 und Einkaufen zu schaffen. Das Angebot der Geschäfte hat sich dem Tourismus angepasst (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 48f.).

3.4.5 Gesellschaftliches Leben Bereits in den 1960er Jahren war die Innenstadt einer der teuersten Wohnstandorte, vor allem für die Mittel- und Oberschicht. In den folgenden Jahrzehnten wurde diese Ansicht weiter verstärkt (vgl. Fassmann et al. 2009: 42f.). In den anschließenden Jahren hat sich dieser soziale Status der Bevölkerung stark weiterentwickelt. Stark wachsende statushohe und kapitalkräftige Bevölkerungsgruppen siedelten sich dort an. Auch der Gentrifizierungsprozess, also die bauliche Aufwertung und Umwandlung des Wohnraums, schaffte eine neue Form von teurem Wohnraum. Vor allem Dachgeschoss- und Penthouse-Wohnungen wurden ausgebaut. Die Durchschnittsgröße einer Wohnung lag 1961 bei 99 m² (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 40ff.).

Der zweite massive Bevölkerungsverlust fand in den 1960er und 1970er Jahren statt. Die Gründe für den Verlust sind die Abwanderung der Wohnbevölkerung in die neuen Wohnquartiere am Stadtrand und der wirtschaftliche Strukturwandel. Die dynamische Entwicklung des tertiären Sektors erhöhte die Nachfrage nach Geschäfts- und Büroflächen und führte wiederum zu einer Veränderung bzw. Umwandlung von Wohnräumen. Diese Dynamik ist seit den 1980er Jahren durch die Stabilisierung der EinwohnerInnenzahlen rückläufig. 1981 waren rund 20.000 EinwohnerInnen im 1. Bezirk. 1991 waren es nur noch 18.000 (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 39f.).

Nach der Beseitigung der Kriegsschäden und den Kampf gegen die Wohnungsnot, konnte in den 1970er Jahren wieder ein qualitativ hochwertiger Wohnbau verwirklicht werden (vgl. Fassmann et al. 2009: 21). Der Neubau der Wohnungen führte zu einem neugedachten Wohnbauprinzip. Dieses Wohnbauprinzip beinhaltete halböffentliche Innenräume als Orte der Begegnung und Gemeinschaft, es wurden auch großen Wert auf die Entwicklung von Freizeitmöglichkeiten gelegt und experimentelle Wohnformen entdeckt (vgl. Fassmann et al. 2009: 21).

Wien wurde wieder für viele Menschen attraktiv und durch den Zuzug vieler, erhöhte sich die EinwohnerInnenzahl 1981 auf 1,53 Millionen (vgl. Fassmann et al. 2009: 22f.).

45 3.5 Phase 4: 1990-heute 3.5.1 Einleitung/ Beschreibung Der sektorale Strukturwandel führte zu einer Verstärkung und Ausbreitung der tertiären und quartären Funktionen. Die Bedeutung der Industrie nahm ab und es arbeiteten immer weniger Menschen in den städtischen Industrie- und Gewerbebetrieben. Der Dienstleistungssektor in den Bereichen Verwaltung, Entwicklung und Distribution, nahm hingegen zu. Der 1. Bezirk konnte jedoch nicht mit den Entwicklungen mithalten und war nur begrenzt beteiligt. Aufgrund der rechtlichen Beschränkungen war es nicht möglich neue Büroflächen auf bereits bestehende Häuser aufzubauen, noch durfte die Wohnfunktion verändert werden. Zudem nahm die Tendenz der Vergrößerung der Einzelhandelsflächen zu. Die Konsequenz daraus war, dass es zu einer Verlagerung der Büroflächen und Einzelhandelsgeschäften kam. Diese verlagerten sich an den Stadtrand und in die neuen urbanen Zentren nahe des Stadtkerns. Vor allem die Altstadt kam hier an ihre Grenzen und konnte nur begrenzt am Zuwachs der tertiären und quartären Wandel teilnehmen (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 43ff.).

Der Fall des Eisernen Vorhangs (vgl. Fassmann et al. 2009:21f.) und der Beitritt zur Europäischen Union (vgl. ebd. 31f.) waren zwei bedeutende Ereignisse in dieser Phase. Wien kehrte wieder in das Zentrum Europas (vgl. ebd. 22f.) zurück und konnte, und kann heute noch, aufgrund der zentralen Lage und der gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur punkten.

Die Innere Stadt wurde zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt und die Funktionen der Stadt wurden erstmals wieder deutlich sichtbar (vgl. Fassmann et al. 2009:40).

Der 1. Bezirk ist auch heute noch der teuerste Wohnstandort Wiens (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 40f.). Aufgrund der teuren Mieten und dem Geburtendefizit lässt sich eine klare Überalterung in der Inneren Stadt feststellen (vgl. Statistik Austria 2018: o. S.). Weiters ist die Innere Stadt der bevölkerungsärmste Bezirk Wiens, aber zugleich der Bezirk mit den meisten Beschäftigten (vgl. Eder et al. 2003: 39, 55f.).

3.5.2 Wichtige Ereignisse Durch den Fall des Eisernen Vorhangs 1989/1990 kam es zu einer gravierenden Veränderung der geopolitischen Lagebedingungen für Wien. Wien rückte wieder näher

46 ins Zentrum des europäischen Städtesystems und die zuerst negativen Entwicklungsperspektiven aufgrund der Randlage und der fehlenden Absatzmärkte, wurden begraben. Mit dem Ende der Zweiteilung Europas kehrte Wien in den Mittelpunkt Europas zurück (vgl. Fassmann et al. 2009: 21f.). Durch die vorteilhafte geographische Lage Wiens ist der Ost-West-Transitverkehr immens gewachsen. Eine negative Folge dieser Lage und der Suburbanisierung ist die Überlastung des Verkehrsnetzes. Ausgenommen von Touristen und Touristinnen, pendeln mehrere hunderttausend Berufstätige, SchülerInnen und StudentInnen aus dem Stadtumland unter anderem in den 1. Bezirk. Die Konsequenzen sind überlastete Massenverkehrsmittel und überfüllte Straßen (vgl. Fassmann et al. 2009: 32ff.).

Ein wichtiger Meilenstein dieser Phase ist der Beitritt zur europäischen Union im Jahr 1995. Durch diesen Beitritt kam auch der sektorale Strukturwandel. Die Entindustrialisierung in Wien war sehr stark betroffen. Eine Folge davon war der Rückgang der „Hinterhofindustrie“ in den Gründerzeitvierteln. Durch die gestiegenen Miet- und Bodenpreise und die Erreichbarkeit innerstädtischer Standorte, sind viele Betriebe und Unternehmen abgesiedelt oder haben ihre Standorte aufgelassen. Der Dienstleistungssektor hingegen konnte einen starken Zuwachs verzeichnen und den Beschäftigungsrückgang in der Industrie kompensieren. So wuchs die Anzahl der Beschäftigten im tertiären Sektor seit 1990 um ca. 17.000 pro Jahr. Mit dem Wachstum der Beschäftigten im Dienstleistungssektor wuchs auch die Nachfrage für Büroraum. Eine Herausforderung war jedoch das Umwidmungsverbot von Wohn- in Büroraum, das schlussendlich dazu führte Hochhäuser mit Büroflächen zu bauen (vgl. Fassmann et al. 2009: 31f.).

3.5.3 Aufbau der Stadt Mit der neu gewonnen Stellung Wiens in Europa, der günstigen wirtschaftlichen Entwicklung und dem beschleunigten Strukturwandel wurde eine Vielzahl von städtebaulichen Akzenten gesetzt. Die Errichtung von Hochhäusern und der Bau eines neuen Stadtviertels dokumentieren die städtebaulichen Akzente dieser Zeit. Des Weiteren wurde eine Vielzahl von innovativen und planerischen Projekten, wie zum Beispiel die Errichtung eines Campus im alten Gebäude des allgemeinen Krankenhauses oder die Neubelebung von alten Industrieobjekten, getätigt (vgl. Fassmann et al. 2009: 22f.).

47 Die Schutzbestimmungen der Altstadt schützen die Fassaden der historischen Bausubstanz und alles außer der Fassade, wie das gesamte Innere, kann durch Modernisierungen und Umbauten verändert und neugestaltet werden. Gute Beispiele sind der Hochholzerhof und die Ringstraßengalerie. Die Sanierungen der Gebäude werden durch den Altstadterhaltungsfonds der Stadt Wien finanziert, allerdings werden die Sanierungen immer mehr von nationalen und internationalen Unternehmen, Banken und Hotelketten entrichtet (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 47).

Die Kriegszerstörungen des 2. Weltkriegs wurden in den Jahren von 1945 bis 1960 beseitigt und 1991 gingen 16,5% der Wohnungen des 1. Bezirks aus dieser Zeit hervor. Dieser Prozentsatz entspricht etwa den zerstörten Häusern des 2. Weltkriegs (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 47).

Exkurs: Phasen der Stadtentwicklung

In den 1980er Jahren bis Ende der 1990er Jahren waren Resuburbanisierungstendenzen ersichtlich. Resuburbanisierung bezeichnet entweder den Zusammenbruch der städtischen Strukturen oder kann als erneuter Aufschwung durch städtische Reformen verstanden werden. Nach den Jahren des Bevölkerungsverlustes, wuchs die Stadtbevölkerung wieder. Die Randwanderung setzte sich allerdings fort. So sank auch weiterhin die Bevölkerung der Inneren Stadt und betrug 2001 17.056 (siehe Anhang Tabelle 3: Tabelle zur Wohn- und Arbeitsbevölkerung in Wien).

Ein markantes Zeichen für die Resuburbanisierung ist der Rückgang der unselbstständig Beschäftigten in den Jahren 1981 bis 1991. In dieser Zeit sank die Anzahl der unselbstständig Beschäftigten von 62 Prozent auf 3.249 Personen. Aufgrund des Verdrängungsdruckes des sekundären Sektors und dem Wachstum des tertiären, stieß die Innere Stadt an ihre Grenzen der Expansionsmöglichkeiten. Aus diesem Grund sank auch die Anzahl der Arbeitsstätten im 1. Bezirk (vgl. Eder et al. 2003: 57).

Die Stadtplanung und die Wirtschaft mussten sich in den Jahren 1980 bis Ende 1990 zahlreichen Anpassungen der Partizipation und der Politik unterziehen. Dennoch versuchte die Stadtverwaltung selbstbewusster aufzutreten und eine Transparenz der Projekte gegenüber den Betroffenen und Beteiligten zu gewährleisten, die

48 Kommunikation innerhalb derer zu verbessern und eine gewisse Qualitätssicherung im Städtebau zu erzielen. Neue Inhalte waren die ökologische Stadtentwicklung und die Rücksichtnahme und Miteinbezug der Frauen und Beeinträchtigte (vgl. Eder et al. 2003: 60).

Die Erfahrungen der Stadtplanung der 1970er und 1980er Jahre flossen in den Stadtentwicklungsplan, kurz STEP, 1994 ein. Der Stadtentwicklungsplan war erstmals ein „räumliches Leitbild der Wiener Stadtentwicklung“ (Eder et al. 2003: 61). Der STEP 94 legte den Fokus auf die sanfte Stadterneuerung. Dabei fokussierte sich die Stadtplanung auf die Revitalisierung ganzer Stadtviertel und auf die Modernisierung von Altbauwohnungen (vgl. Eder et al. 2003: 64).

In den 1990er Jahren wurde auch die Infrastruktur weiter ausgebaut. Es wurde vor allem auf die PendlerInnen und auf den Transitverkehr Rücksicht genommen, aber gleichzeitig wurde versucht, die CO²-Emmisionen und die Lärmbelästigungen zu minimieren (vgl. Eder et al. 2003: 65).

Bis ins Jahr 2000 wurde das gesamte U-Bahnnetz ausgebaut und die Linien U1, U2, U3 und U4 führen genau durch den 1. Bezirk. Durch die gute öffentliche Verkehrsanbindung erhöhten sich die Fahrgastzahlen auf 725 Millionen im Jahr 2000 (vgl. Eder et al. 2003: 65f.).

3.5.4 Funktionen und Aufgaben der Stadt 2001 wurde die Altstadt Wiens zum UNESCO Weltkulturerbe ausgezeichnet. Ein Weltkulturerbe hebt besondere historische, architektonische und städtebauliche Stätte einer Stadt hervor (vgl. Fassmann et al. 2009: 39). Hier ist zu bemerken, dass die Altstadt nur ein Teil des 1. Gemeindebezirks ist, der von der einstigen Stadtmauer eingekreist war und heute innerhalb der Ringstraße liegt (vgl. Fassmann et al. 2009: 40).

Die UNESCO-Kernzone wurde durch eine Pufferzone erweitert und war somit zugleich die Ausdehnung in angrenzenden Bezirken. Durch diese Maßnahme ist das historisch-bauliche Ambiente geschützt und die Folge ist die Fokussierung auf die Inszenierung des historischen Ambientes. Ein wichtiges Anliegen der Stadtplanung und -entwicklung sind die Sichtachsen und Sichtbeziehungen zur historischen Altstadt und den baulichen Repräsentationen des kulturellen Erbes. Diese Sichtachsen

49 beschränken, zum Beispiel, den Bau von neuen Hochhäusern (vgl. Fassmann et al. 2009: 302).

Zum Central Business District, also den Hauptgeschäftsstraßen, gehört der 1. Bezirk, aber auch die angrenzenden Bezirke unterstützen diese Funktion. Die Innenstadt umfasst heute unzählige Büros des Geld- und Versicherungswesens, Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, Büros des Großhandels, aber auch Einzelhändler für den mittel- und längerfristigen Bedarf (vgl. Fassmann et al. 2009: 40f.).

Abbildung 3: Funktionale Gliederung der Inneren Stadt

Quelle: Fassmann und Hatz 2002: 37

Die funktionale Differenzierung der Stadt ist im oben dargestellten Bild ersichtlich. Die alten Markt- und Handelsplätze im Hauptgeschäftsviertel etablierten sich bereits als Einkaufsstraßen in der Gründerzeit. In der Kärntner Straße, am Graben, in der Rotenturmstraße und auf dem Kohlmarkt komprimieren sich Geschäfte des gehobenen Bedarfs mit luxuriöser Ausstattung und exklusiven Produkten. Eine Differenzierung der Funktion ist in den Bereichen der Kärntner Straße und dem Graben bzw. Kohlmarkt festzustellen. Die Kärntner Straße etabliert sich eher im Niedrigpreissegment, am Graben bzw. am Kohlmarkt hingegen sind Outlets der exklusiven Marken zu finden (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 48ff.). Die Eröffnung der Ringstraßengalerien im Jahre 1993 erweiterte das Hauptgeschäftsviertel am Ende der

50 Kärntner Straße. Neben den Hauptgeschäftsstraßen haben sich in Neben- und Seitenstraßen kleine Einzelunternehmen angesiedelt. Große Einzelhandelsketten sucht man hier vergebens. Die Ringstraße ist ein Ergänzungsgebiet zum Einzelhandel, dort finden sich Reisebüros, Anlaufstellen für Fluglinien und Schiffsfahrten und Betriebe des Gastgewerbes. Aber auch viele Hotels profitieren von der zentralen Lage zur Altstadt (vgl. ebd. 51f.).

Im Regierungsviertel befinden sich die Hofburg, mit Sitz des Bundespräsidenten, barocke Palastbauten, das Neue Rathaus und öffentliche Institutionen wie die Wirtschaftskammer und der österreichische Gewerkschaftsbund. Das Regierungsviertel ist rund ein Viertel der Fläche der Inneren Stadt (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 52f.).

Wie der Name bereits verrät, befinden sich im Finanzviertel Verwaltungseinrichtungen und Headquarters großer Banken, Versicherungen und Energieunternehmen. Durch die Dezentralisierung von Standorten und die Verdichtung der Funktionen werden ehemalige Wohnhäuser in Büroflächen umgewandelt (vgl. ebd. 54). Auch das Universitätsviertel grenzt an den 1. Bezirk (vgl. ebd. 56).

Die Hofburg ist nicht nur das Zentrum des Regierungsviertels, sondern zugleich das Zentrum des Kulturviertels. Dort findet man zahlreiche Kunstsammlungen, Bibliotheken und Museen (vgl. ebd. 55f.).

In der Freizeit halten sich viele WienerInnen und Touristen und Touristinnen in der Wiener Innenstadt auf. Dort gibt es die größte Dichte an Gastronomiebetrieben und dies ist somit das Zentrum von Freizeit und Unterhaltung. Das sogenannte Lokalviertel konzentriert sich auf exklusive Restaurants und Bars. Das Lokalviertel bringt Leben in die Altstadt und profitiert aufgrund ihrer guten Erreichbarkeit und hohen Dichte an Arbeitsplätzen (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 58).

Die Verlagerung der Headquarters in die angrenzenden Bezirke der Inneren Stadt führte auch zu einem Funktionswandel der Stadt. Headquarters, wie zum Beispiel die Bank Austria und die OMV, haben ihren Standort in der Altstadt in die angrenzenden Bezirke verlagert. Trotz wachsender Arbeitsplätze in der Gastronomie und Hotellerie und dem Abbau von Arbeitsplätzen im Kredit- und Versicherungssektor kam es zu diesem Wandel. Cultural Economies der Stadt und auch die symbolische

51 Ökonomie, das Ambiente einer Stadt, entwickeln sich zum repräsentativen Wirtschaftsfaktor der Stadt (vgl. Fassmann et al. 2009: 305f.).

Das Hauptgeschäftsviertel ist von einem Strukturwandel, vom Entertainment und Shopping zu Produkten mit einem emotionalen oder persönlichen Wert, geprägt. Die Unique Selling Proposition (USP) spielt hier eine entscheidende Rolle. Das Einkaufen im Hauptgeschäftsviertel und das historisch-bauliche Erbe wird gewissermaßen mitkonsumiert (vgl. Fassmann et al. 2009: 306f.). „Nicht nur in der Stadt wird konsumiert, sondern die Stadt selbst wird konsumiert“ (Fassmann et al. 2009: 307).

Neben dem kulturellen Erbe ist die Inszenierung der Stadt ein wichtiger Bestandteil des USP. Die Geschichte der Stadt und die kulturelle Produktion und Reproduktion fließen in die Marketingstrategie der Stadt mit ein. Die USPs werden zu eigenen Leitthemen, wie zum Beispiel Wien als Kaiserstadt oder als Welthauptstadt der Musik. Beide Bezeichnungen basieren auf der thematischen Reproduktion des baulichen und kulturellen Erbes (vgl. Fassmann et al. 2009: 313f.). Diese USPs locken tausende Touristen und Touristinnen nach Wien.

3.5.5 Gesellschaftliches Leben Die Zuwanderung brachte auch eine Suburbanisierung der Stadtregion mit sich (vgl. Fassmann et al. 2009. 23). Sie setzte erst in den 1970er Jahren in Wien ein und seit diesem Zeitpunkt verzeichnet das Stadtumland ein deutlich höheres Bevölkerungswachstum als der Stadtkern. Dieses ist jedoch vergleichsweise zu anderen Städten sehr gering. Deshalb spricht man von einer Verspätung. Suburbanisierung führt zu einer Verschmelzung des Stadtkerns und des Stadtumlandes. Die Stadt verlagert sich zum Teil nach außen und die Folgen sind Verkehrsüberlastungen, eine begrenzte Infrastruktur und die Ausbreitung und Fragmentierung der Funktionsräume (vgl. Fassmann et al. 2009: 26f.). Seit den 1980er Jahren stabilisierte sich der Bevölkerungsrückgang. Dank der hohen Dichte an städtischen Funktionen und der zentralen Lage wird das Leben in der Innenstadt wieder reizvoller. Die Methoden der Stadtplanung, wie die Beschränkung der Umwidmungen von Wohnraum in Büroflächen und die Kennzeichnung von Wohnzonen, sind der Versuch, die Wiener Altstadt auch als Wohnstandort zu erhalten (vgl. Fassmann et al. 2009: 42).

52 Die Innenstadt ist der teuerste Wohnstandort Wiens. Wie bereits in der Phase zuvor erwähnt wurde, ist diese Position seit den 1960er Jahren vorhanden und hat sich in den letzten Jahren auch nicht geändert. Hohe Mieten und Kaufpreise von Eigentumswohnungen selektieren die EinwohnerInnen nach statushohen Bevölkerungsgruppen. Mehrfache Um- und Ausbauten der Dachgeschoss- und Penthouse-Wohnungen haben dazu beigetragen, dass exklusiver und teurer Wohnraum nur durch eine soziale Oberschicht bezahlbar ist (vgl. Fassmann et al. 2009: 42f. und Fassmann und Hatz 2002: 40f.).

Auch in der vierten Phase veränderten sich die Wohnungsgrößen und die Bevölkerungsgruppe nicht, sie wurde sogar stark intensiviert. Nach wie vor prägen statushohe und kapitalkräftige BewohnerInnen diesen Stadtteil. 1991 lag die Wohnungsgröße bei 100 m², also lediglich einen Quadratmeter mehr als 30 Jahre zuvor. Die Sanierungen und Aufwertungen der Gebäude gibt der Inneren Stadt nach wie vor ein hohes Prestige. Die kapitalkräftige Wohnbevölkerung des 1. Bezirks sorgt dafür, dass sich die Sanierungsmaßnahmen auch ökonomisch rentieren (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 42).

Seit den 1880 Jahren nahm die Bevölkerung des 1. Bezirks stetig ab. So waren es 2018 nur mehr 16.450 (vgl. Statistik Austria 2018: o. S.) und die Innere Stadt rückt somit an den letzten Platz und ist der bevölkerungsärmste Bezirk Wiens. In der Zukunft wird weiterhin ein Rückgang erwartet, dass auf die Sterbeüberschüsse, die Überalterung der dort ansässigen Bevölkerung und auf die sich damit veränderte Altersstruktur zurückzuführen ist. Infolgedessen bleibt die Innere Stadt der älteste Gemeindebezirk Wiens (vgl. Taxacher und Lebhart 2016: 7).

Die Innere Stadt ist mit einem knappen Frauenüberschuss von 52,1 % gekennzeichnet (vgl. Statistik Austria 2018: o. S.). Es ist auch klar eine Überalterung der Bevölkerung zu beobachten. Um die Altersgruppen und der Verteilung besser darzustellen, folgt eine Aufgliederung in einer Tabelle:

53 Tabelle 2: Bevölkerungsstruktur in Altersgruppen der Inneren Stadt

Altersgruppen in Jahren Zusammen In % Männer Frauen Bis unter 20 2.353 14,3 1.190 1.163 20 bis 64 9.942 60,4 4.876 5.066 65 und älter 4.155 25,3 1.821 2.334

Quelle: Statistik Austria 2018: o. S., eigene Darstellung

Die Altersgruppe 20 bis 64 ist mit Abstand der Vorreiter der Bevölkerungsstruktur. Mit einem Anteil von 60,4 % an der Gesamtbevölkerung des 1. Bezirks, spiegelt sich die Überalterung der Bevölkerung wider. Der Anteil der über 65-Jährigen ist mit 25,3 % auch um rund 10 % höher als die Altersgruppe bis unter 20.

54 3.6 Vergleich der Phasen 3.6.1 Bevölkerung Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 1900-1929 1930-1959 1960-1989 1990-heute Bevölkerung Der 1. Bezirk ist seit 1869 Auffallend sind die Jahre Seit 1981 ist die Im Gegensatz zum Jahr (siehe Anhang Tabelle 4: von einem bis 1934, in denen die Bevölkerung nur mehr 2011 ist sogar eine Bevölkerungsentwicklung Bevölkerungsverlust Bevölkerung um fast langsam gesunken kleine Bevölkerungs- Innere Stadt 1869-2018) geprägt. In der 30.000 Menschen sank (vgl. Statistik Austria zunahme ersichtlich. Gründerzeit lebten noch (vgl. Statistik Austria 2018: 2018: o. S.). 2018 betrug die über 68.000 Menschen in o. S.). Gründe für diesen Wohnbevölkerung der Inneren Stadt (vgl. Bevölkerungsverlust sind 16.450 Menschen (vgl. Statistik Austria 2018: der Zerfall der Monarchie, Statistik Austria 2018: o. S.). der Erste Weltkrieg, die o. S.). Die Gründe für Verdrängung der diesen Zuwachs könnte Wohnfunktion und diverse die Wiederbelegung der Wanderungsbewegungen Altstadt, deren Inszenierung und deren Kultur sein. Dennoch wird in der Zukunft ein weiterer Bevölkerungs- verlust erwartet (vgl. Taxacher und Lebhart 2016: 7). Allgemein Die Bevölkerungsstruktur der Inneren Stadt war durch zwei große Etappen gekennzeichnet. Aufgrund verschiedener gesellschaftlicher Prozesse, wie der Erste und Zweite Weltkrieg, die Wohnungsnot,

55 Erbauung von Büros und Geschäften, wurden die EinwohnerInnen verdrängt. Aber auch die Auflösung von Gewerbetreibenden und somit die Rückwanderung der EinwohnerInnen in die Nachfolgestaaten der Monarchie beeinflusste die Bevölkerungsdichte im 1. Gemeindebezirk. Die zweite große Wanderung fand in den 1960er und 1970er Jahren statt. Gründe dafür waren die Abwanderungen der EinwohnerInnen in die neu gebauten Wohnquartiere am Stadtrand und der neue wirtschaftliche Strukturwandel. Die Entwicklung der EinwohnerInnen des 1. Bezirks ist seit den 1980er Jahren nahezu stabil. Die wohl stärkste sozialräumliche Veränderung der Altstadt war die Umschichtung, das Wachstum und der Verlust der Bevölkerungsgruppen. Sie wurde auch nicht vom Ausgleich von Unterschieden der Sozialstruktur verschont. So war in der Gründerzeit besonders die Wohnfunktion von Adeligen und der wirtschaftlichen Elite in der Altstadt vertreten, sind es heute hingegen die vielen Beschäftigten und nur ein geringer Anteil der Wohnbevölkerung, die den 1. Wiener Gemeindebezirk kennzeichnen.

3.6.2 Überalterung und Umschichtung der Bevölkerung Bereits in der Zwischenkriegszeit kam es zu einer Überalterung der Bevölkerung (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 130). Grund dafür waren das Geburtendefizit, der Zerfall der Monarchie, die schlechten Wohnbedingungen, die Wohnungsnot und die Weltwirtschaftskrise. Auch heute ist der Innere Bezirk von einer Überalterung geprägt (vgl. Statistik Austria 2018: o. S.). Gründe dafür sind die teuren Mieten und das Geburtendefizit des 1. Bezirks.

3.6.3 Strukturwandel Ein Strukturwandel lässt sich in der dritten und vierten Phase feststellen. In der dritten Phase wurde dem tertiären Sektor mehr Bedeutung zugesprochen und eine dynamische Entwicklung (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 39f.) dieses Sektors war die Folge. Der Beitritt zur Europäischen Union führte zur Entindustrialisierung. Der Dienstleistungssektor hingegen, konnte einen Zuwachs verzeichnen und den Beschäftigungsrückgang der Industrie kompensieren (vgl. Fassmann et al. 2009: 31f.).

56 3.6.4 Mischfunktion aus Wohnen und Geschäft Phase 1 Phase 3 1900-1929 1960-1989 Mischfunktion In der ersten Phase trat erstmals die Kombination aus In der dritten Phase wurde ein Großteil der Wohnungen aus Wohnen Wohn- und Geschäftshaus auf. Im Erdgeschoss durch Büroflächen ersetzt (vgl. Lichtenberger 1977: 255). und Geschäft befanden sich die Geschäfte und in den oberen Die Entwicklung des tertiären Sektors erhöhte die Stockwerken waren die Wohnungen (vgl. Fassmann Nachfrage an Geschäfts- und Büroflächen und löste eine und Hatz 2002: 46f.). Diese Mischfunktion führte zu Umwandlung von Wohnraum in Geschäfts- und einer massiven Verdrängung der Wohnbevölkerung im Büroflächen aus (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 39f.). Es 1. Bezirk. Viele Wohnungen wurden durch Büros und entstand aber auch eine Art Mischfunktion von Wohn- und Werkstätten ersetzt und die reine Wohnfunktion konnte Geschäftsraum. Die Geschäfte befanden sich meist in den lediglich als Restfunktion in den oberen Stockwerken ersten Stockwerken und darüber die Wohnungen (vgl. ebd. bewahrt werden (vgl. Lichtenberger 1977: 38, 248). 38). Allgemein Vor allem die Beschränkung der Umwidmungen helfen die Attraktivität für Wohnen in der Innenstadt zu erhöhen (vgl. Fassmann et al. 2009: 42). Die Veränderungen in der Nutzungsstruktur der Gebäude wurde von Lichtenberger E. erforscht. Ihr Forschungsschwerpunkt lag an der „Verschränkung der Wohn- und Wirtschaftsfunktion in den Häusern der Wiener Altstadt 1914 und 1963“ (Lichtenberger 1977: 262f.). Das Ergebnis war, dass die steigende Bedeutung des Baualters der Häuser eine Barriere für Betriebe darstellte. Es war festzustellen, dass es eine räumliche Aufteilung von Wohn- und Betriebsfunktion gab. Die Gebäude mit gemischter Nutzung nahmen eindeutig ab, dennoch waren (vgl. Lichtenberger 1977: 262) und sind sie heute noch nicht ganz verschwunden.

57 3.6.5 Wohnbestand und Umwandlung des Wohnbedarfs Die Wohnungsstruktur der ersten Phase war von Kleinstwohnungen und später von Zweizimmerwohnungen geprägt (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 115).

In der zweiten Phase, von 1930 bis 1959, lässt sich eine Erweiterung des Wohnbestands feststellen. Durch die Erbauung von neuen Wohnungen wurde die Wohnungsnot der ersten Phase beseitigt und erstmals ein Wohnungsüberschuss erreicht. Die schwarzen Zahlen waren aber vermutlich viel höher, als die in der Verwaltung angegebenen Zahlen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 171).

In der zweiten Phase kam es auch zur Umwandlung des Wohnbedarfs. Die Umwandlung war durch einen erhöhten Lebensstandard und gehobenen Ansprüchen an die Wohnung gekennzeichnet (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 171f.). Die gehobenen Ansprüche an die Wohnung hatte auch Auswirkungen auf die Wohnungsgrößen. Im Durchschnitt waren es ca. 100 m², die der Oberschicht der Bevölkerung zur Verfügung standen. Zum Vergleich mit der vierten Phase ist nur ein Quadratmeter Unterschied zwischen den Wohnungsgrößen (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 42). Daher ist bestätigt, dass sich die Wohnungsgrößen innerhalb von 60 Jahren kaum geändert haben. Natürlich entsprechen nicht alle Wohnungen diesen gehobenen Standard, jedoch ist es ein Merkmal für den unveränderten Anspruch der letzten Jahre.

58 3.6.6 Verlagerung der Wohnfunktion und der Betriebe Phase 1 Phase 4 1900-1929 1990-heute Verlagerung der In der ersten Phase kam es zu einer Verlagerung der In der vierten Phase fand auch eine Verlagerung Wohnfunktion und der Wohnungen aus der Inneren Stadt in die randlichen der Headquarters von Banken und der OMV aus Betriebe in die Bereiche des 1. Bezirks. Darunter fällt auch die der Innenstadt in die angrenzenden Bezirke statt Ringstraße Ringstraße. In der ersten Phase waren die Betriebe und führte somit zu einem Funktionswandel der bis 1914 in der Altstadt vertreten, jedoch sind sie Stadt. In der Inneren Stadt stiegen die später in die Ringstraßenzone gewandert. Die Arbeitsplätze in der Gastronomie und Hotellerie, Altstadt konnte diesen Verlust durch die Vermietung indessen kam es zum Abbau von Arbeitsplätzen von Büros kompensieren. Der Umzug der Betriebe in in anderen Bereichen, wie zum Beispiel im die Ringstraße führte zu einer Vielzahl von Kredit- und Versicherungssektor. Heute sind die Industriebetrieben auf engen Raum (vgl. besonderen Wirtschaftsfaktoren der Stadt die Lichtenberger 1977: 238f.). Cultural Economy, die symbolische Ökonomie Neben der Verschiebung der Betriebe kam es zu und das Ambiente der Stadt (vgl. Fassmann et al. einer Wanderung der Ober- und Mittelschicht in die 2009: 305f.). Ringstraßenzone (vgl. Lichtenberger 1977: 248ff.). Durch die Errichtung von Nobelmiethäusern wurde die Ringstraßenzone zu einer sozial aufgewerteten Umrandung der Altstadt (vgl. Lichtenberger 1977: 210). Allgemein Die Dezentralisierung der Geschäfte aus der Altstadt in die Ringstraße hängt mit den erhöhten Bodenpreisen zusammen. Die Innere Stadt behielt nur die Verwaltungsfunktion (vgl. Eder et al. 2003: 35).

59 3.6.7 Baustile Phase 1 Phase 2 Phase 3 1900-1929 1930-1959 1960-1989 Baustile In der ersten Phase war Wien Der Zweite Weltkrieg zerstörte abermals In der dritten Phase war weiterhin der und die Innere Stadt von die Altstadt und der Wiederaufbau führte Wiederaufbau der Stadt besonders verschiedenen Baustilen, wie der zu einem neuen Stil der wichtig. Ein besonderes Augenmerk Gotik, Renaissance, Barock und Bebauungsweise, jedoch lässt sich wurde auf die Nutzung der freien der Gründerzeit geprägt. Jedoch dieser ebenfalls nicht genau definieren, Flächen gelegt. Die Stadtverwaltung wurde beim Neubau nicht auf da lediglich der Wiederaufbau der fand diese in den äußeren Bezirken den Baustil geachtet, sondern es zerbombten und ausgebrannten aber ein bestimmter Baustil lässt sich wurde einfach drauf los gebaut Wohnungen im Vordergrund stand (vgl. nicht erkennen. (vgl. Eder et al. 2003: (vgl. Fassmann et al. 2002: 46f.). Csendes und Opil 2006: 547). Somit 41). entstand ein buntes Mosaik an Baustilen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 120f.).

Allgemein In der ersten und zweiten Phase lassen sich anhand der Baustile keine Übereinstimmung erkennen. In der Zeit nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg war der reine Wiederaufbau der Gebäude von Bedeutung. Es wurde kein einheitliches Stadtbild vorgegeben und die Architekten und Architektinnen prägen diese Zeit mit ihren Werken. Heute ist die Altstadt durch den Denkmalschutz und als Weltkulturerbe geschützt. Bauliche Veränderungen müssen beantragt und von der Stadt genehmigt werden.

60 3.6.8 Finanzierung der Gebäude Phase 1 Phase 2 Phase 3 1900-1929 1930-1959 1960-1989 Finanzierung Bis 1910 wurde die Bautätigkeit Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Ab den 1960er Jahren wurde die der Gebäude von Banken, Geldinstituten und die Erbauung neuer Wohnungen Bautätigkeit von Vertretern und Baugesellschaften finanziert. Die durch die Gemeinde Wien finanziert VertreterInnen der Wirtschaftscity, zum Finanzierung der privaten (vgl. Lichtenberger 1977: 255). Beispiel die Sparkassen, Versicherungen Gesellschaften führte häufig zu und Baugesellschaften, getragen. Erst in einem Neubau der Gebäude. Da der Nachkriegszeit wurde der kommunale kein Einfluss der Stadt Wien Wohnbau wieder aufgenommen (vgl. bestand, konnte man zu dieser Lichtenberger 1977: 255). Zeit keinen eigenen Baustil feststellen (vgl. Bobek und Lichtenberger 1966: 114f.). Allgemein Die Finanzierung der Gebäude war in der ersten und dritten Phase gleich. Sie wurde durch private Gesellschaften getätigt. Die Finanzierung unterscheidet sich dennoch zur zweiten Phase, denn nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Erbauung neuer Wohnungen durch die Gemeinde finanziert. Heute wird der Erbauung von beiden Parteien übernommen, entweder von der Stadt Wien oder von privaten Gesellschaften.

3.6.9 Alter der Gebäude Tabelle fünf bietet einen detaillierten Überblick zum Alter der Gebäude in Wien, siehe Anhang Tabelle 5: Gebäudealter der Inneren Stadt (vgl. Statistik Austria 2017: o. S.). Aus dieser Tabelle ist ersichtlich, dass fast 75 % der Gebäude vor 1919 stammt. Das bedeutet, dass viele Gebäude vermutlich in der Gründerzeit entstanden sind. Nur 176 Gebäude, also 11,4 % vom Gesamten, stammen aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Aus der vierten Phase, also ab 1991, stammen 97 Gebäude, das sind 6,3 % des Gesamten. Aus

61 dieser Tabelle lässt sich ableiten, dass jede der vier Phasen der Stadtentwicklung Wiens ihren eigenen Baustil eingebracht hat. Dennoch ist hier auch bemerkenswert, dass fast 75 % der Gebäude aus der Zeit vor 1919 stammen und heute noch existieren. Diese Prozentzahl ist ein Zeichen und eine vermutlich positive Konsequenz der Altstadterhaltungsnovelle, dem Denkmalschutz und des Weltkulturerbes der UNESCO. Der Denkmalschutz sollte die historischen Gebäude vor Abriss schützen (vgl. Lichtenberger 1977: 254). Die Schutzbestimmungen der Altstadt sollen das äußere Erscheinungsbild der Altstadt bewahren. Das Innere des Gebäudes kann modernisiert und neugestaltet werden (vgl. Fassmann und Hatz 2002: 47). Leider lässt sich nicht feststellen, welchen Nutzen die Gebäude vor 1919 hatten und welchen Wandel sie sich unterziehen mussten. Dennoch ist eines Gewiss: trotz des Strukturwandels, der Umschichtung der Bevölkerungsgruppen, den Einfluss der politischen Auseinandersetzungen und anderen wichtigen Ereignissen, blieb der Altbestand der Gebäude erhalten und sie verweilen als ein Stück Geschichte des 1. Bezirks. Viele Bevölkerungsgruppen, damalige PolitikerInnen und MachthaberInnen, haben die Gebäude genutzt, verändert, saniert, neu gebaut und umgewandelt. Dennoch stammen nur 97 aus 1.530 Gebäuden aus der vierten und letzten Phase.

3.6.10 Verkehr Wien wurde im Laufe der 120 Jahre mehrmals an den Rand der westlichen Welt gestellt und war mit negativen Entwicklungstendenzen und fehlenden Absatzmärkten kaum in der Wirtschaft erfolgreich. Erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs rückte Wien wieder in das Zentrum des europäischen Städtesystems (vgl. Fassmann et al. 2009: 21f.). Dadurch stieg auch der Ost- West-Transitverkehr. Allerdings führten diese Erweiterung und die Suburbanisierung zu einer Überlastung des Verkehrsnetzes. Neben den Berufstätigen, PendlerInnen, SchülerInnen und StudentInnen, beanspruchen auch die Touristen und Touristinnen die öffentlichen Verkehrsmittel. Die Konsequenzen sind Überlastung der Verkehrsmittel und überfüllte Straßen und Autobahnen (vgl. Fassmann et al. 2009: 32ff.).

62 3.6.11 Infrastruktur Phase 2 Phase 3 Phase 4 1930-1959 1960-1989 1990-heute Infrastruktur Durch die Elektrifizierung der In der dritten Phase kam es zum Auch in den 1990er Jahren wurde die Eisenbahnen, den Ausbau der Ausbau der Infrastruktur und des Infrastruktur weiter ausgebaut und es Telekommunikation und das Straßensystems. Der öffentliche wurde vor allem auf die PendlerInnen Erscheinen des Rundfunks Verkehr wurde durch eine S-Bahn und auf den Transitverkehr Rücksicht wurden erstmals Entwicklungen in erweitert und am Ende der 1960er genommen. Bis zum Jahr 2000 wurde der Infrastruktur und der Jahren folgte schlussendlich die das gesamte U-Bahnnetz ausgebaut und Kommunikation erreicht (vgl. Eder Erbauung der U-Bahnlinien (vgl. erweitert (vgl. Eder et al. 2003: 65f.) et al. 2003: 10) Eder et al. 2003: 46f.). Heute führen insgesamt vier U- Bahnlinien, zahlreiche S-Bahnen und Busse durch die Innere Stadt und verbinden alle Bezirke miteinander. Allgemein Die Infrastruktur wurde, wenn auch unterschiedlich, in jeder Phase ausgebaut. Die Erweiterung der Infrastruktur erhöhte die Attraktivität der Stadt und des 1. Bezirks und war für die Wirtschaft und den Transportverkehr sehr wichtig. Auch heute noch sind eine gute Infrastruktur und Anbindung an den öffentlichen Verkehr sehr gefragt. In der Zeit der

globalen Erwärmung werden besonders jetzt die öffentlichen Verkehrsmittel mehr gebraucht denn je. Die CO2- Emissionen können dadurch gesenkt werden und diese sind schließlich auch Gründe für den Klimawandel.

63 3.6.12 Stadtentwicklungsphasen Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 1900-1929 1930-1959 1960-1989 1990-heute Stadtentwicklungs- Bis 1914 war Wien von Nach dem Zweiten Weltkrieg stand der Eine Maßnahme für die phasen einem Urbanisierungs- Wiederaufbau im Vordergrund. Dabei setzte die Weiterentwicklung der prozess gekennzeichnet. letzte Industrialisierungsphase der Stadt ein. Seit Stadt wurde 1994 ein (vgl. Eder et al. 2003: 33f.). 1960 erfolgte der langsame Strukturwandel vom Stadtentwicklungsplan zweiten in den tertiären Sektor, den erstellt, welcher auf die Dienstleistungssektor (vgl. Eder et al. 2003: 14f.). sanfte Stadterneuerung, Revitalisierung vieler Stadtviertel und auf die Modernisierung vieler Altbauwohnungen Stellung nahm (vgl. Eder et al. 2003: 64). Erst in der Zwischenkriegszeit kam es zu Nach der Urbanisierung einer Stagnation und die Folgen waren erfolgte eine Suburbanisierung Bevölkerungsverlust und eine schlechte und schließlich kam es in den Wirtschaftsdynamik. Die Erweiterung der Stadt 1970er Jahren zu wurde auf Eis gelegt. Diese Stagnation setzte Desuburbanisierungstendenzen sich in der zweiten Phase fort (vgl. Eder et al. (vgl. Eder et al. 2003: 47). 2003: 36). Allgemein Die wirtschaftliche Entwicklung Wiens war im 20. Jahrhundert von der Eigendynamik und äußeren Prozessen beeinflusst. Vor dem Ersten Weltkrieg entfaltete sich die Stadt zu einer Metropole im Industrie- und Dienstleistungssektor. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Habsburgermonarchie verlor die Stadt ihre Position als Metropole und die wirtschaftliche Entwicklung stagnierte. Mit der Weltwirtschaftskrise 1930

64 verschlimmerte sich diese Situation und Wien verlor den Status als zentraleuropäisches Handels- und Finanzzentrum (vgl. Eder et al. 2003: 130). Der Vergleich der Stadtentwicklungsphasen ergab, dass die Urbanisierung in den ersten drei Phasen stattgefunden hat. Bis 1914 war Wien von einem Urbanisierungsprozess gekennzeichnet. Die Folge war ein Bevölkerungszuwachs und der Citybuildingprozess beeinflusste die Bodenpreise und hatte negative Auswirkungen auf die Sozialstruktur der Inneren Stadt. Es kam zu einer Verdrängung der Wohnfunktion durch Betriebe. Die Vorstädte und Bezirke am Rande Wiens erfuhren einen starken Bevölkerungszuwachs (vgl. Eder et al. 2003: 33f.). Die Wirtschaftsentwicklung Wiens verschob sich aus der Altstadt in umliegende Bezirke. Das führte auch zu einer Verschiebung der Beschäftigten (vgl. Eder et al. 2003: 43). Nach der Zwischenkriegszeit und der Stagnation kam es erst in den 1950er Jahren wieder zu einem Urbanisierungsprozess (vgl. Eder et al. 2003: 36) und dieser setzte sich in der dritten Phase fort. Die sozialräumlichen Strukturen waren besonders vom ständigen Bevölkerungswachstum und -rückgang geprägt. Auch die Veränderung der Wohn- und Arbeitsbevölkerung hinterließ ihre Spuren.

65 3.7 Verknüpfung zur Raumtheorie nach Lefebvre Da sich die Trennung der einzelnen Phasen nur sehr schwer mit der Raumtheorie verknüpfen lassen, erfolgt die Verknüpfung der Raumtheorie nach Lefebvre und der Stadtentwicklung Wiens in diesem Kapitel. Die gesamte Stadtentwicklung des 1. Bezirks und damit jede einzelne Phase, beruht nämlich gewissermaßen auf den gleichen Ansätzen der Raumtheorie nach Lefebvre.

Die Raumtheorie nach Lefebvre geht davon aus, dass der soziale Raum ein soziales Produkt ist und von den Menschen und der Gesellschaft geschaffen wird. Für Lefebvre bedeutet die Produktion des Raumes die Produktion der Stadt und ist eng mit dem Begriff der Praxis verbunden (vgl. Schmid 2005: 23).

Sein Raumkonzept steht im engen Zusammenhang mit dem Urbanisierungsprozess und der urbanen Gesellschaft (vgl. ebd. 191). Laut Lefebvre ist der Raum weder Subjekt noch Objekt, sondern eine gesellschaftliche Wirklichkeit, die durch einen bestimmten Produktionsprozess entsteht (vgl. ebd. 203). Für diesen Prozess sind Menschen notwendig, jedoch ist dieser Prozess immer unterschiedlich und jede Gesellschaft produziert ihren eigenen Raum. Ein wichtiges Element ist dabei die Zeit. Kein Raum kann ohne Zeit analysiert werden (vgl. ebd. 29f.) Aus diesem Grund ist die Stadt, in diesem Fall die Stadt Wien mit dem Fokus auf den 1. Bezirk, eine historische Konfiguration des Raumes und eine raum-zeitliche Wirklichkeit. Der 1. Bezirk ist aufgrund seiner Zentralität ein Begegnungsort für Individuen.

Besonders der Mensch steht im Mittelpunkt seiner Theorie und Lefebvre schließt seine Tätigkeiten und Aktionen ein. Dazu wird nochmals das Zitat von Lefebvre wiederholt:

„Der tätige Mensch modifiziert die Natur – um ihn herum und in sich. Er schafft seine eigene Natur, indem er auf die Natur einwirkt. […] Indem er sie nach seinen Bedürfnissen umformt, ändert er sich in seiner Tätigkeit und schafft sich neue Bedürfnisse. Er bildet und erfasst sich als Macht […] [und] [e]r schreitet fort indem er die mit seinem eigenen Tun gesetzten Probleme löste“ (Lefebvre [der dialektische Materialismus], zitiert nach Schmid 2005: 80).

Lefebvre unterscheidet den Raum in drei Dimensionen. Diese drei Dimensionen werden nun in Verbindung mit der Stadt Wien gebracht und analysiert.

66 3.7.1 Der 1. Bezirk als räumliche Praxis Die räumliche Praxis ist der wahrgenommene Raum jedes Individuums. Lefebvre verbindet die räumliche Praxis mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit auf der Basis des konkreten Alltagslebens (vgl. Schmid 2005: 115). Dabei sind die Routinen und das Handeln jedes Einzelnen gemeint und nur die Gesellschaft erschafft den Raum bzw. die Stadt an sich (vgl. Lefebvre 1991: 38).

Die räumliche Praxis einer Gesellschaft stellt im wahrgenommenen Raum eine enge Verbindung zwischen den Tagesabläufen und der urbanen Realität her. Das sind Routen und Netzwerke, welche Arbeit, Privates und Freizeit miteinander verknüpfen (vgl. ebd.). So haben sich in den letzten 120 Jahren vermutlich die Tagesabläufe der Gesellschaft verändert. Damit ist gemeint, dass zum Beispiel nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg besonders der Wiederaufbau der Stadt im Vordergrund stand, als seinem Hobby und der Freizeit nachzugehen. Heute sehen die Tagesabläufe jedes Individuums wiederum anders aus. Manche gehen zur Schule oder an die Universität, manche gehen in die Arbeit und manche genießen ihre Freizeit zu unterschiedlichen Zeiten. Es wird nicht behauptet, dass dies früher nicht der Fall war, jedoch lassen sich hier nur Vermutungen anstellen.

Des Weiteren sieht Lefebvre in der sozialen Praxis alles was der Mensch produziert hat, wie zum Beispiel, das eigene Leben, die Geschichte, das Bewusstsein und die gesellschaftlichen Verhältnisse. Demnach produziert jede Gesellschaft ihren eigenen Raum, der weder abgrenzbar noch eindeutig bestimmt werden kann (vgl. Schmid 2005: 85). Der 1. Bezirk wurde damals vermutlich anders wahrgenommen als heute. Denn die Altstadt war damals von der Ringstraße umschlossen und erst mit dem Wandel der Zeit wurde die Stadt Wien erweitert. Durch materielle Grenzen, wie zum Beispiel, Mauern und Zäune, wird eine Illusion der Abtrennbarkeit eines Raumes geschaffen (vgl. Schmid 2005: 214ff.), welche nicht von jedem als eine Trennung wahrgenommen wird. Dennoch war die Zweiteilung Europas ein einschlagendes Ereignis für die Gesellschaft und die Wirtschaft Wiens.

Der Wandel der baulichen Strukturen, der Bevölkerung, der Gebäude und der politischen Mächte ist eine materielle Produktion der Gesellschaft. Aufgrund des Ersten und Zweiten Weltkrieges, die Erbauung der Ringstraße und weiteren Ereignissen veränderte sich der 1. Bezirk.

67 Die Gesellschaft hat sich in den letzten 120 Jahren mehrmals verändert. Die Bevölkerungszuwächse und -abnahmen, die Verdrängung der Juden, und die generellen Wanderungen der Menschen beeinflussen die Gesellschaft und dadurch ist jede Phase von einer eigenen Gesellschaft geprägt. Die strukturellen Veränderungen jeder einzelnen Phase sind somit eine nicht verhinderbare Maßnahme und Anpassung an die jeweilige Gesellschaft.

Vor allem wird der wahrgenommene Raum mit den Sinnen erfasst und ist somit ein Bestandteil der sozialen Praxis (vgl. Schmid 2005: 317). Jeder Mensch sieht, riecht, hört, tastet und fühlt etwas anderes und jede Gesellschaft hat zu einer bestimmten Zeit andere Empfindungen als die heutige Menschheit. War damals die Vielfalt von Produkten nicht so breit wie heute, waren damals vermutlich dennoch andere Produkte interessant, die es heute nicht mehr gibt.

3.7.2 Der 1. Bezirk als Repräsentation des Raumes Die Repräsentation des Raumes ist der konzipierte Raum von zum Beispiel WissenschaftlerInnen, Architekten und ArchitektInnen und KünstlerInnen, die den Raum als etwas Gelebtes und Wahrgenommenes sehen (vgl. Lefebvre 1991: 38f. und Schmid 2005: 216).

Der konzipierte, gedanklich erfasste Raum lässt sich zu einem System aus verbalen Zeichen, der sozialen Sprache, aber auch aus Karten, Plänen und Bildern zurückführen (vgl. Schmid 2005: 216) und ist somit eine wissenschaftliche Repräsentation und ein Werkzeug einer elitären Ordnungsmacht (vgl. Macher 2007: 63), die den Raum durch ihre Macht verändern. Der Erste und Zweite Weltkrieg und der Zerfall der Monarchie spiegeln diese Ordnungsmacht wider. Diese Ereignisse haben den konzipierten und gedanklich erfassten Raum durch das Dasein bestimmter Mächte verändert. Betrachtet man die Ordnungsmächte über die letzten 120 Jahre so lässt sich feststellen, dass auch damals wie heute PolitikerInnen ihre Meinung verbal preisgeben und damit versuchen die Gesellschaft zu beeinflussen.

Das Eingreifen der Ordnungsmächte erfolgt auch durch die Architektur und die Infrastruktur. Denn die Gebäude und Straßen werden nicht einfach errichtet, sondern sie fügen sich in einem räumlichen Kontext ein (vgl. Lefebvre 1991: 42 und Schmid 2005: 216f.).

68 Für Lefebvre bedeutet die Repräsentation des Raumes in einem mentalen Akt die Gesamtheit einer Wirklichkeit zu sehen, Details zusammenzusetzen und die Verknüpfungen innerhalb der enthaltenen Formen zu fassen. Für ihn wäre es ein großer Irrtum zu glauben, einen Raum zu sehen ohne ihn gleichzeitig zu konzipieren (vgl. Lefebvre 1991: 94). Die Wirklichkeit lässt sich nur von einem mentalen Raum erfassen und ist meist subjektiv (vgl. Lefebvre 1991: 415 und Schmid 2005: 217).

Die Architektur hat auch das Stadtbild Wiens und das des 1. Bezirks beeinflusst. Waren damals zu früheren Zeiten nur der Wiederaufbau nach Kriegsende wichtig, haben sich die Architekten und Architektinnen vermutlich trotzdem einen Raum konzipiert, in dem ihr erschaffenes Gebäude einen Platz findet und sich in die Umgebung einfügt. Jede/r ArchitektIn hat eine andere Vorstellung von einem Raum und konzipiert dadurch das Gebäude dementsprechend. Für die Erschaffung eines Gebäudes wird ein Wissen benötigt, dass dynamisch ist und sich immer verändert. Dieses Wissen ist die Wissensproduktion, die durch die Architektur oder durch eine Karte eine räumliche Strategie aufweist. Diese Strategie verändert sich und beinhaltet auch andere Räume und damit andere Gesellschaftsformen.

3.7.3 Der 1. Bezirk als Raum der Repräsentation Die Räume der Repräsentationen sind Räume, die durch Bilder und Symbole gelebt werden. Es sind die Räume von EinwohnerInnen und NutzerInnen, aber auch von KünstlerInnen und SchriftstellerInnen und damit ein dominierter Raum, der durch Imaginationen verändert und angeeignet wird. Räume der Repräsentationen überlagern den physischen Raum und verwenden dessen Objekte symbolisch. Diese Räume streben nach nonverbalen Symbolen und Zeichen (vgl. Lefebvre 1991: 39). Bedeutende Bilder, Symbole und Zeichen werden aus dem kollektiven Gedächtnis entnommen und anschließend reproduziert. Diese verweisen auf die gesellschaftlichen Werte und Traditionen und auf kollektive Erfahrungen und Erlebnisse (vgl. Macher 2007: 66) und Träume (vgl. Schmid 2005: 223). Die Räume der Repräsentation werden gelebt und sind dynamisch und haben dabei eine Geschichte als Ausgangspunkt (vgl. ebd. 222f.).

Der 1. Bezirk wurde in den vergangenen 120 Jahren durch die Gesellschaft und deren Machtkämpfe beeinflusst. Die Geschichte spielte früher, wie auch heute, eine bedeutende Rolle. Die damaligen und heutigen Räume werden erlebt und gelebt und

69 repräsentieren bestimmte Werte. Alle Ereignisse und Veränderungen in einem Raum werden anhand von Bedeutungsprozessen und -praktiken geschaffen. Es ist nicht außer Acht zu lassen, dass die gesellschaftlichen Werte und Traditionen, Erfahrungen (vgl. Macher 2007: 66) und Träume (vgl. Schmid 2005: 223) den Bedeutungsprozess lenken und im Alltagsleben Formen annehmen. Jedoch wird dieser Prozess durch Imaginationen jedes Individuums und durch die Geschichte angeeignet und später verändert. Daraus erschließt sich, dass sich die Traditionen und Werte einer Gesellschaft im Laufe der Zeit verändern und sich einem Wandel unterziehen. Waren früher andere Traditionen und Werte von Bedeutung und wurden an die nächste Generation weitergegeben, so bedeutet das nicht, dass sich die Traditionen und Werte nicht verändert haben, sondern sich lediglich der Gesellschaft der jeweiligen Zeit angepasst haben.

Ein weiteres Beispiel sind die Gebäude bzw. die Architektur. Zwar wird die Fassade von MachthaberInnen vorgegeben, jedoch werden sie erst von den NutzerInnen und BewohnerInnen mit Bedeutung und Symbolik versehen. Dennoch lässt sich diese Bedeutung und Symbolik nur auf bestimmte Gebäude beziehen, da kein Einfluss auf die Fassade genommen werden kann. Diese ist beeinflusst von kollektivem Gedächtnis der Stadt und repräsentiert gesellschaftliche Werte und Traditionen und besteht nur aus einer Kombination aus räumlicher und sozialer Praxis.

Laut Lefebvre bleibt neben den erlebten und gelebten Erfahrungen der Alltagspraxis ein Restwert. Dieser Restwert ist in seinen Augen das Wertvollste, etwas nicht Analysierbares und etwas Unaussprechliches, das sich nur mithilfe von künstlerischen Mitteln ausdrücken lässt (vgl. Schmid 2005: 317).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Raum durch die Menschen wahrgenommen, konzipiert und erlebt wird. Jedes Individuum produziert seinen/ihren eigenen Raum, welche dennoch durch verschiedene Mächte beeinflusst werden können und sich in einem dynamischen Prozess befinden. Auch dem 1. Bezirk wurden verschiedene Bedeutungen zugesprochen. Die Menschen haben den 1. Bezirk geprägt, sie haben ihn zerstört, aufgebaut, nochmals zerstört, wiederaufgebaut und schlussendlich durch gesellschaftliche Prozesse verändert. Auch in Zukunft wird der 1. Bezirk nicht gleichbleiben, sondern er ist dynamisch und wird sich mit der Umwandlung der Gesellschaft wieder verändern und weiterentwickeln. Schlussendlich

70 ist die Raumproduktion ein historischer Prozess, der sich mit der Geschichte und der jeweiligen Gesellschaft verändert (vgl. Schmid 2005: 247).

71 4. Fazit/ Resümee Schon Lefebvre ging von einer Raumtheorie aus, welche besonders mit der Urbanisierung im Zusammenhang steht. Er besagt, dass der soziale Raum ein soziales Produkt sei und nur durch den Menschen geschaffen werden kann. Die drei unterschiedlichen Dimensionen der Raumproduktion, die räumliche Praxis, die Repräsentation des Raumes und der Raum als Repräsentation, sind drei Dimensionen, welche sich unterscheiden aber dennoch beeinflussen.

Die Stadtentwicklung der Inneren Stadt Wiens ist in den letzten 120 Jahren von den Menschen verändert worden. Politische Auseinandersetzungen und Ereignisse, gesellschaftliche Prozesse und Umstrukturierungen hatten deutliche Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. Die sozialräumlichen Veränderungen der Inneren Stadt lassen sich anhand folgender Punkte feststellen:

• die mehrmalige Umschichtung der Bevölkerung, • die Bevölkerungszuwächse und -verluste, • der sektoralen Strukturwandel und die wirtschaftlichen Entwicklungen, • die Umwandlung von reiner Wohnfunktion in eine Art Mischfunktion von Wohnen und Geschäft, • die frühere Wohnungsnot und den damit neu geschaffenen Wohnbestand und Umwandlung des Wohnbedarfs, • die Verlagerung der Wohnfunktion und der Betriebe, • die unterschiedlichen Baustile, welche von der Gesellschaft und den wirtschaftlichen Aktivitäten abhängig waren, • die unterschiedlichen Finanzierungen der Gebäude, • die Ausbauten der Infrastruktur und • die unterschiedlichen Stadtentwicklungsphasen, welche die Stellung der Inneren Stadt beeinflussten, denn stand sie früher im Mittelpunkt, verlor sie im Laufe der 120 Jahre mehrmals ihre Position, und rückte schlussendlich wieder in das Zentrum Wiens.

Diese Veränderungen innerhalb der letzten 120 Jahre sind ein Anzeichen für eine immer dynamische Entwicklung. Auch in Zukunft wird vermutet, dass sich der 1. Bezirk

72 weiterentwickeln wird und sich der Gesellschaft anpassen wird, denn erst die Menschen verleihen der Inneren Stadt Bedeutung.

Ist der Raum, in diesem Fall der 1. Bezirk, ein soziales Produkt?

Diese Frage würde ich bejahen, denn der Mensch erschafft seine Umwelt und nur durch einen sozialen Prozess wird dem Raum Bedeutung gegeben. Die Produktionsprozesse verlaufen gleichzeitig, damit ist gemeint, der Raum wird zugleich gelebt, wahrgenommen und konzipiert. Und jeder Mensch fühlt, erlebt und sieht etwas anderes als sein Gegenüber.

Wichtig ist, dass man nicht vergisst, von wem und zu welchem Zweck der Begriff Raum verwendet wird, denn jedes Individuum sieht den Raum anders und durch jede sprachliche Kommunikation wird dieser Raum und sogar das Verhalten der GesprächsteilnehmerInnen beeinflusst.

„Wien hat nicht nur Geschichte aufzuweisen, sondern eben auch Zukunft“ (Fassmann et al. 2009: 35).

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76 6. Anhang

6.1 Abbildungen Abbildung 4: Die sozialräumliche Gliederung Wiens 1914

Quelle: Lichtenberger 1977: 249

77 Abbildung 5: Die Wiener City im Jahr 1914

Quelle: Lichtenberger 1977: 242

78 Abbildung 6: Sozialräumliche Gliederung der Wiener Altstadt 1914

Quelle: Lichtenberger 1977 – Kartenmaterial

79 Abbildung 7: UNESCO Schutzzonen

Quelle: Fassmann et al. 2009: 301

80 6.2 Tabellen Tabelle 3: Tabelle zur Wohn- und Arbeitsbevölkerung in Wien

Quelle: Eder et al. 2003: 39

Tabelle 4: Bevölkerungsentwicklung Innere Stadt 1869-2018

Bevölkerungsentwicklung Innere Stadt 1869 bis 2018 70

60 68,079 in Tausendin 50 53,326 Bevölkerungsstand 40 39,963 30 34,654 32,243

20 25,169 19,537 18,002 17,056 16,374 16,450 10

0 1869 1910 1934 1951 1961 1971 1981 1991 2001 2011 2018 Jahresbevölkerung

Quelle: Magistrat der Stadt Wien 2018: 55, eigene Darstellung

81 Tabelle 5: Gebäudealter der Inneren Stadt

Errichtung (Baujahr) Zusammen In Prozent (%) Vor 1919 1.153 74,9 1919 bis 1944 59 3,8 1945 bis 1970 176 11,4 1971 bis 1990 54 3,5 1991 und später 97 6,3 Gesamt 1.530 100 Quelle: Statistik Austria 2017: o. S., eigene Darstellung

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