ERLANGERFORSCHUNGEN Reihe A . Geisteswissenschaften . Band 79

Das Land zwischen und Steigerwald im Mittelalter

Die auf dem Symposion in Castell vom 5. bis 7. September 1996 gehaltenen Vorträge

Herausgegeben von

ALFRED WENDEHORST

Erlangen 1998 Die Grafen von Castell- Nachkommen der Mattonen? Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Hauses Castell und des Klosters Münsterschwarzach

FRANZISKUS BÜLL OSB

Die ersten Namen, die uns aus dem Hause der Herren von CasteIl überliefert sind, lauten Friedrich und Rupert. Ein Friderich de Castel testiert in einer Urkunde von 1087 März 22 in einer Streitsache zwischen dem Bamberger und Würzburger Bischof und ein Rupreih de Castello in einer Urkunde von 1091 August 10 in einer Würzburger Urkunde', Wittmann gibt dann in den Monumenta Castellana noch zwei ältere Urkunden von 10573 und 10694 an, in denen ein Robbrath bzw. Ruppreth als Zeugen genannt werden - allerdings ohne den Zusatz lIde Castell". Tauchen die Herren von Castell also urkundlich erst in der zweiten Hälfte des 11.Jahrhun- derts auf, so müssen sie dennoch bereits im 9. Jahrhundert eine wichtige Rolle im Steigerwald(vorland) gespielt haben, wie die Auswertung der archäologischen Funde auf dem Herrenberg in Castell in der Lehrgrabung vom 2.9. bis 11.10.1996 erbrachte'; Der letzte Träger des Namens Matto erscheint 944 bei einem Tausch von Gütern um Milz", Mit den dann 113bzw. 147 Jahre später namentlich auftauchen- den Herren von Castell läßt sich keine genealogische Verbindung zu dem Ge- schlecht der Mattonen herstellen, die in zahlreichen Urkunden vorwiegend des 8. und 9. Jahrhunderts belegt sind. Dennoch haben zahlreiche Historiker die Vermutung geäußert, daß die Grafen von Castell sich kognatisch von den Mattonen herleiten. So Friedrich Wilhelm Viehbeck in seinem "Abriß einer genealogischen Geschichte des Gräfli-

FRIEDRICHSTEIN,Geschichte der Grafen und Herren zu Castell, 1892, S. 11, 15 u. S. 300; AEMILlANUSSERMANN,Episcopatus Bambergensis, 1802,48; Die Urkunde von 1087 ist nicht in den Menumenta Castellana enthalten, s. Anm. 2. Die Urkunde von 1087 weist auf das Testat Friedrichs von Castoll von 1058 hin. 2 PlUS WITTMANN,Menumenta Castellana, Urkundenbuch zur Geschichte des fränkischen Dynastengeschlechtes der Grafen und Herren zu Castel1l057-l546, 1890, S. 1, Nr. 3. 3 Menumenta Castellana (wie Anm. 2),5.1, Nr. 1. 4 Monumenta Castellana (wie Anm. 2),5.1, Nr. 2. 5 Präsentation durch Herrn Dr. Peter Ettel vom Institut für Vor- und Frühgeschichte der Universi- tät Würzburg am 16.10.1996, s. Kitzinger Zeitung vom 17.10.96,166. Jahrgang Nr. 240, 5.1. 6 ERNSTFRIEDRICHJOHANN DRONKE,Codex diplomaticus Fuldensis, 1844 (ND Aalen 1962), Nr. 560, 580, 572, 686.

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chen Hauses Castell in Franken" von 18137, Friedrich Stein in seiner "Geschichte der Grafen und Herren zu Castell"8, August Sperl in seiner Arbeit über "Castell - Bilder aus der Vergangenheit eines deutschen Dynastengeschlechtes'", Wilhelm Engel195210 und WaIter Scherzer 198411• Wer waren die Mattonen und zu welcher gesellschaftlichen Schicht gehörten sie? Nach Karl Bosl waren sie Mitglieder der adeligen Oberschicht, der großfrän- kischen Führungsgruppe des "Reichsdienstadels" im Reich der Merowinger und Karolinger. Sie gehörten zur Grundbesitzerschicht der nobiliores terrae, der opti- mates, der maiores natu vorwiegend im Raum zwischen dem Grabfeldgau im Norden und dem Iff- bzw. Ehegau im Süden. Um noch ein wenig besser diese Oberschicht verstehen zu können, seien noch einige Passagen aus dem Werk von Karl Bosl, Franken um 80012 zitiert: "Seit den merowingischen Anfängen wurde und ist Aristokratie schwerttragende Herrenschicht, die sich kraft Charisma, Dienst und Leistung für den König, seinen Hof, seine Reichspolitik und Reichs- verwaltung auch im Glauben der Untertanen von den anderen Menschen ab- schließt, die nicht nur den größten Teil des Grund und Boden mit, neben, ja vor dem König besitzt, sondern über die Menschen, die darauf arbeiten und sitzen, Herrschaftsrechte ausübt .... Diese Herrenschicht trägt Land und Leute vom König zu Lehen und leistet dafür einen gehobenen politischen Dienst; sie läßt aber auch die eigenen Leute Wälder roden und Sümpfe trocknen und faßt das neugewonnene Land zu Herrschaften eigenen Rechts, zu Eigenimmunitäten zu- sammen, ja wandelt auch das Leiheland zu Dauerherrschaften um, dessen Le- henscharakter dadurch oft in Vergessenheit gerät. Diese mächtige, schwertgewal- tige Führungsschicht wählt den König ... Diese Oberschicht beherrscht die Kirche ebenso wie den Staat, weil sie nicht nur selber Eigenkirchen auf ihrem Grund und Boden baut und dort ihre Leibeigenen als Geistliche anstellt. Diese Herren beset- zen auch die Bischofsstühle, bauen und stiften die Klöster als Grablege für ihre kognatischen Sippen und agnatischen Familienverbände, als Versorgungsstätten für Söhne und Töchter auf den Abtsstühlen ... ",

7 5.9. 8 (Wie Anm. 1) S. 9. 9 1908, S. 13. 10 Haus u. Herrschaft CasteIl in der fränkischen Geschichte, in: CasteIl, Beiträge zu Kultur und Geschichte von Haus und Herrschaft (Neujahrsblätter hg. von der Gesellschaft für Fränkische Geschichte XXIV), S. 1. 11 Siedlungsgeschichte der Frühzeit, in: HANSBAUER(Hg.), Landkreis , 1984, S. 109; FRAN- ZISKUS BüLL, Das Monasterium Suuarzaha, ein Beitrag zur Geschichte des Frauenklosters Mün- sterschwarzach von 788 (?) bis 877 (?) (Münsterschwarzacher Studien 42), 1992,S. 192 Anm. 100. 12 2. Aufl., 1969, S. 63.

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Das Geschlecht der Mattonen tritt uns entgegen mit GrafMatto dem Älteren. Er hatte drei, vielleicht sogar fünf Kinder: Matto der Jüngere, Megingoz, Äbtissin Juliane und vielleicht noch Hruadgoz und Megina'", Matto d. Jüngere und sein Bruder Megingoz schenken im Jahr 78814 zwei Drittel des von ihrem Vater Matto dem Älteren ererbten Besitzes an die Benediktinerabtei Fulda, nämlich zu Geisen- heim im Rheingau, im Grabfeld in sieben Orten u. a. in Wenkheim, dazu Güter in fünf Dörfern des Aschfelds im Saalegau, im Waldsassengau () bei Markt- heidenfeld, im Werngau bei Karlstadt in sechs Ortschaften, im Gozfeld zu Schwanfeld (Lkr. Schweinfurt), Eisenheim am Main, Pleichfeld sowie zu Bodel- stadt bei Staffelstein. Die Mattonen taten sich hervor durch die Stiftung mehrerer Klöster, nämlich der Klösterehen (Klein-)Wenkheim (östlich von Münnerstadt) und Einfirst-Mat- tenzell bei Trimberg a. d. Saale zwischen Euerdorf und Hammelburg, des Bene- diktinerklosters Megingaudshausen am Laimbach wohl bei Oberlaimbach süd- lich von Marktbibart, des Benediktinerklosters am Main, höchstwahr- scheinlich des Nonnenklosters Münsterschwarzach sowie vielleicht noch der Frauenklöster Kitzingen und Mosbach (Gemeinde Schaafheim, Kreis Darm- stadt-Dieburg) und schließlich noch Mattenstatt am Main (gegenüber von Hafen- lohr). Außerdem wird zur Familie der Mattonen der zweite Würzburger Bischof Megingaud/Megingoz gerechnet", seine leibliche Schwester, die Äbtissin Hruadlaug, sowie die Äbtissin Juliane, die Schwester Mattos des Jüngeren und des Megingoz. Zu dieser Familie gehörte sehr wahrscheinlich auch Fastrada, die dritte Gattin Karls d. Großen", Nach dieser allgemeinen Übersicht sei der Blick noch etwas genauer auf diejenigen der genannten Klöster gerichtet, deren Geschichte für unsere Frage- stellung aussagekräftig ist, nämlich der Klöster Wenkheim, Schwarzach und Me- gingaudshausen. Wenden wir uns zunächst dem Kloster Wenkheim zu, dessen Stiftungsurkunde ausführlicher diskutiert werden muß, um die Beziehung

13 HEINRICHWAGNER,Die Äbte von Megingaudshausen und Münsterschwarzach. in: PIRMIN HUGGER(Hg.), Magna Gratia, Festschrift zum 50jährigen Weihejubiläum der Abteikirche Mün- sterschwarzach 1938-1988 (Münsterschwarzacher Studien 41), 1992, S. 90 u. HEINRICHWAGNER, Zur Frühzeit des Bistums Würzburg, in: Mainfränkisches Jahrbuch. 33, 1981, S. 108. Zur Bezie- hung der Mitglieder der Mattonen s. Abb. 1: Stammtafel der Mattonen. 14 EOMUNDE. STENGEL,Urkundenbuch des Klosters Fulda (Veröffentlichungen der historischen Kommission für Hessen und Waldeck X,I), 1. Bd., 1958, S. 264, Nr. 175. 15 ALFREDWENDEHORST,Das Bistum Würzburg I: Die Bischofsreihe bis 1254, (Germania Sacra NF.1), 1962, S. 26. 16 FRANZISKUSBÜLL,Das Monasterium Suuarzaha, ein Beitrag zur Geschichte des Frauenklosters Münsterschwarzach von 788 (?) bis 877 (?) (Münsterschwarzacher Studien 42),1992, S. 113-131.

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Wenkheims zu Schwarzach verstehen zu können. Dadurch wird verständlich gemacht, daß auch Schwarzach eine Mattonenstiftung war. Danach erst kann aufgrund der Beziehung Schwarzachs bzw. Gerlachshausens zu den Herren von Castell die Verbindung zwischen diesem Geschlecht und den Mattonen gezogen werden. In der Zeit zwischen 776 und 796 schenken Matto der Jüngere zu seinem, seines Bruders Megingoz Seelenheil, sowie der Bote Othelm zum Seelenheil der Äbtissin Juliana, der Schwester Mattos 11.,ihr Eigen, nämlich das elterliche Erbe zu Wenkheim, die Kirche und das Klösterehen (monasteriolum) daselbst mit den Reliquien und allem Besitz an das Kloster des hl, Bonifatius, also das Kloster Fulda. Wer ist diese deifamula et abbatissa Juliana 17? Die Schenkungsurkunde der Geschwister Matto und Iuliana" erwähnt mit keinem Wort, daß Juliana Äbtissin von Wenkheim war, wie bisweilen vermutet oder gar behauptet wird. So wie ihre beiden Brüder Besitzer des Klosters Einfirst-Mattenzell waren, ohne irgendwie monastisch an Einfirst gebunden zu sein, und dieses Kloster im Jahr 788 zu ihrer Lebenszeit pro remedio animarum nostrarum an Fulda verschenkten, so haben im Falle Wenkheim jetzt die beiden Geschwister Matto 11.und Juliana ihren von den Eltern ererbten Besitz, nämlich Kirche und Klösterehen mit dem dazugehörigen Besitz am 10. März 776-796 dem Kloster Fulda vermacht. Falls Juliana Äbtissin von Wenkheim gewesen wäre, müßte erwartet werden, daß dies bei einem so wichtigen Schenkungsakt, in dem sie das eigene klösterliche Zuhause an Fulda übergibt, auch ausdrücklich zur Sprache kommt, wie dies im Fall der Schenkung des Klosters Milz durch die Äbtissin Emhilt und ihre Schwestern im Jahr 799 geschah". Aus dem Text dieser Schenkungsurkunde geht eindeutig hervor, daß Emhilt die Äbtissin des Klosters Milz ist, quod ego ipsa proprio labore construxi et aedificavi. Dieses Kloster hatte Emhilt schon 784 zu Lebzeiten pro animae mcae remedio ihren Nonnen zu Milz geschenkf", Falls das Klösterehen (monasteriolum) in Wenkheim das ständige und aus- schließliche Residenzkloster Julianas gewesen wäre, dürfte zu erwarten sein, daß Juliana bei einem so wichtigen Akt wie dem Schenkungsakt ihres Klosters selbst dabei gewesen wäre und daß dieser Übergabeakt in Wenkheim vollzogen worden wäre, so wie die Äbtissin Emhilt bei der Übergabe des Klosters Milz mit ihren Nonnen dabei war und der Übergabeakt des Klosters an Fulda in Milz vollzogen wurde. Außerdem wäre für den Fall, daß Juliana das Klösterehen in Wenkheim

17 Urkundenbuch des Klosters Fulda (wie Anm. 14), S. 299, Nr. 202. 18 Vg!. Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 155. 19 Urkundenbuch des Klosters Fulda (wie Anm.14), S. 372, Nr. 264. 20 Urkundenbuch des Klosters Fulda (wie Anm. 14), S. 227, Nr. 154.

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als ihr Residenzkloster übergeben hätte, ein ähnlicher Tenor in der Schenkungs- urkunde zu erwarten, wie in der Traditionsurkunde der Äbtissin Ernhilt. Wäh- rend die Traditio des Klosters Milz erkennen läßt, welche Bedeutung dieser Akt für Ernhilt und ihre Nonnen hatte, ist die Übergabe Wenkheims von jener Nüch- ternheit geprägt, wie sie normalerweise in Traditionsurkunden zu finden ist. Aus der Schenkungsurkunde des Klosters Milz geht dann übrigens auch hervor, wie das weitere Schicksal Emhilts und ihrer Nonnen sein wird. Emhilt behält weiter- hin ihr Kloster - nun als fuldisches Lehen - zum Nießbrauch, solange sie lebt. Erst nach ihrem und ihrer Schwestern Tod wird das Kloster Milz in die ausschließliche Verfügungsgewalt Fuldas fallen. Ganz anders gestaltet sich der Text der Schen- kungsurkunde des Klösterchens in Wenkheim. Hier wird keine Silbe verloren über den weiteren Verbleib [ulianas und ihrer Schwestern, von denen übrigens mit keinem Wort die Rede ist. Dies ist auch nicht notwendig, da Juliana - wenn überhaupt - wohl nicht dauernd in Wenkheim residierte. Damit soll freilich nicht in Abrede gestellt werden, daß das Klösterehen ein abhängiges Haus des eigent- lichen Residenzklosters Julianas gewesen sein könnte. Während in der Schen- kungsurkunde Emhilts die UnterhaItsfrage der Nonnen der Äbtissin Emhilt ei- gens behandelt wird, war dies im Falle Wenkheims auch gar nicht notwendig: Die in Wenkheim lebenden Nonnen konnten in das (Haupt-) Kloster Julianas zurück- gezogen werden. Wie Ernhilt schenkte am 25. Februar 786 die Äbtissin Aba ihr Kloster Neuen- hof am Flüßchen Rodach südlich von Frankfurt am Main dem Benediktinerklo- ster Larsch im Odenwald pro remedio animae meae, jedoch so, daß der Klosterbesitz während ihres Lebens zu ihrem Nießbrauch dient. Auch hier wird insbesondere anhand der Wahl der zukünftigen Äbtissinnen das weitere Schicksal des Klosters (monasterium!) genau geklärt. Es versteht sich von selbst, daß die Äbtissin Aba bei der Übergabe persönlich anwesend ist und die Urkunde eigenhändig unter- schreibt-'. Zwei Jahre später, am 7. Juni 788, übergibt Äbtissin Hiltisnot an die Reichsabtei Lorsch ihr Kloster Erlenbach bei Öhringen östlich von hoc est monasterium, quod modo edificavimus in propria alode (sic!) mea. Auch sie erhält es als Lehen wieder zurück, nachdem zuvor die Frage der zukünftigen Betreuung durch Larsch und insbesondere wieder der Modus der späteren Äbtissinnen- wahlen geregelt ist22.

21 KARL GLÖCKNER, Codex Laureshamensis, 1. Bd., 1929, S. 289-290, Nr. 12; KARL JOSEF MINST, Lorscher Codex, Urkundenbuch der ehemaligen Fürstabtei Lorsch, 2. Aufl. 1974, S. 67--{i8, Nr. 12. 22 Codex Laureshamensis (wie Anm. 21), S. 291-292, Nr. 13; Lorscher Codex (wie Anm. 21), S. 69-70, Nr. 13.

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Schließlich muß nochmals der Blick auf die Schenkungsurkunde der beiden Geschwister Matto der Jüngere und Juliana gerichtet werden. Diese Urkunde vom 10. März 776-796'23 sagt also nicht aus, daß Juliana ihr Kloster an Fulda schenkte in dem Sinne, daß sie hier residierende Äbtissin war - so wie Emhilt in Milz, Aba in Neuenhof und Hiltisnot in Erlenbach - ,sondern schlicht und einfach in dem Sinne, daß sie als Miterbin und damit auch Mitbesitzerin des Klosters in der Gemarkung Wenkheims dieses an Fulda verschenkte: Nos ... (se, Matto 11.et Juliana) ... trademus, ... qualiter et quomodo (hoc monasteriolum) haeredatum a paren- tibus et a nobis elaboratum et exquisitum sit. Im gleichen Sinn schrieb schon 1880 [ohann Adolf Kraus: "Aus diesen Urkunden (se, Urkunde von 788 und 776-796) geht zwar hervor, daß Äbtissin Juliana in der Mark Wenkheim begütert war und ihre Rechte daselbst dem Stifte Fulda zum Geschenk machte, nicht aber, daß Juliana in Wenkheim wohnte'r", Auch der Ausdruck "monasteriolum", also der Deminutiv von "monasteri- um" in der Stiftungsurkunde Wenkheims an Fulda durch die beiden Geschwister Matto 11.u. Juliana, weist daraufhin, daß Wenkheim keine Abtei im kirchenrecht- lichen Sinn, also Sitz einer Äbtissin war, sondern ein abhängiges Haus. Die Schen- kungsurkunde vom 10. März 776-796, durch welche die Geschwister Matto 11. und Äbtissin Juliana ihren ererbten Besitz in Wenkheim dem Kloster Fulda schen- ken, sagt auch nichts darüber aus, daß ihr Bruder Megingoz und Äbtissin Juliana zum Zeitpunkt der Schenkung bereits verstorben seien, wie bisweilen behauptet wird. Es läßt sich anhand unzähliger Urkunden zeigen, daß viele Schenker auch schon zu Lebzeiten für sich "pro remedio animae suae", also zum Heil der eige- nen Seele, Stiftungen getätigt haben. Zum Schluß der Untersuchung der Stif- tungsurkunde der beiden Geschwister Matto 11.und Juliana muß noch auf den Ausdruck nuntius (Bote) hingewiesen werden, da er das oben Gesagte vertieft. Wäre das monasteriolum Wenkheim der ständige klösterliche Wohnsitz Julianas

23 WieAnm.17. 24 JOHANNAOOLFKRAUS,Megingaud, zweiter Bischof von Würzburg, ein fränkischer Graf, in: Archiv des historischen Vereins für Unterfranken und Aschaffenburg 24, 1880, S. VIII; Monaste- rium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 157. Im Verzeichnis der .Reliquiae" von 1626 wird das "caput S. Julianae martyris" aufgeführt (s. PAULUSWEISSENBERGER,Kunstpflege und Kunstbesitz der Abtei Münsterschwarzach a.Main im 15.-18. [hdt., in: Archiv des historischen Vereins von Mainfranken 71,1938, 5.264). Wie aus dem Eigenkalender der Abtei 1481 hervorgeht, genoß die hI. Juliana in Münsterschwarzach eine besondere Verehrung (s. ANSELMROSENTHAL,Martyro- logium und Festkalender der Bursfelder Kongregation von den Anfängen der Kongregation [1446] bis zum nachtridentinischen Martyrologium Romanum [1584], 1984, S. 357). Wann diese Reliquie nach Münsterschwarzach kam und ob sie bereits aus dem Besitz des Frauenklosters Münsterschwarzach stammt, ist unbekannt.

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gewesen, so hätte sie - genauso wie Äbtissin Emhilt in Bezug auf Milz - die Übergabe persönlich und damit auch in Wenkheim selbst vollziehen können. So aber führt sie die Traditio Wenkheims durch ihren Nuntius in Fulda durch, so wie gewöhnlich alle Traditionen etwa seit 776 in Fulda schriftlich fixiert werden. Um diese von Äbtissin [uliana gewählte Form besser verstehen zu können, muß noch näher auf den allgemeinen Aufgabenbereich und die Stellung eines Nuntius in der klösterlichen Verwaltung eingegangen werden. Die Verwaltung eines vom Kloster zum Teil weit verstreuten Besitzes wurde zumindest im Hochmittelalter nicht von den Klosterfrauen selbst, sondern durch einen Verwalter (Praepositus, Procurator, Nuntius, Camerarius) vorgenommen. Das dürfte im Frühmittelalter, zumindest bei reichen Klöstern - also zur Zeit Julianas - nicht anders gewesen sein. So ist es nicht im Sinne der Ordensregel des hI. Benedikt von Nursia, wenn Ordensfrauen ihre entlegenen Besitzungen durch persönliches Erscheinen selbst verwalten, schreibt doch der hI. Benedikt: Mona- slerium, si possit fieri, ita debet constitui, ut omnia necessaria ... intra monasterium exerceaniur, ut non sit necessitas monachis vagandi foris, quia omnino non expedit animabus eorum. Dieser Passus aus der hI. Regel wurde in Frauenklöstern beson- ders streng gehandhabt, hatte aber auch in Männerklöstern Geltung. So besaß auch die mittelalterliche Abtei Fulda ihre Nuntii, welche für die Abtei tätig waren. Welchem Monasterium stand Äbtissin Juliana vor? In welchem Kloster resi- dierte sie? Bevor diese Frage behandelt wird, sollen noch weitere mögliche Ver- wandte Julianas vorgestellt und anschließend die dritte mattonische Klostergrün- dung, nämlich Megingaudshausen, besprochen werden. Im Folgenden sei ein Passus aus Karl Bosls "Franken um 800"25 in leicht verkürzter Form zitiert: "Der Würzburger Bischof Megingoz/Megingaud setzte entweder 754 oder 762 oder 782 den Mainzer Bischof Lull vom bevorstehenden Tod der Äbtissin eines nicht- genannten Nonnenklosters, seiner Schwester, in Kenntnis und erbittet Rat für die Nachfolge, von der er seine ungeeigneten Nichten ausgeschlossen sehen möchte. Dieser Würzburger Bischof (se. Megingaud) wird mit den Schenkern von Wenk- heim", Matto (11.),Megingoz und Juliana verwandt gewesen sein; er war vermut- lich ihr Oheim. Der Bruder ihres Vaters Matto I., also Bischof Megingaud, begeg- net auch in einer weiteren Urkunde von 762/76327 als Dritter in der Zeugenreihe als Megingoz episcopus ... bei der ... Schenkung des Hahbert und seiner Gattin Hruada (oder auch Hruadlaug) an Fulda und ein Nonnenkloster zu Händen Sturmis und (einer) Äbtissin (namens) Hruadlaug. Wenn die im Sterben liegende

25 2. Aufl., 1969, S. 65. 26 Urkundenbuch des Klosters Fulda (wie Anm. 14), S. 264, Nr. 175 u. S. 299, Nr. 202. 27 Urkundenbuch des Klosters Fulda (wie Anm. 14), S. 66, Nr. 39.

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Äbtissin Hruadlaug ist, dann wäre Juliana eine der vorgenannten "ungeeigne- ten" Nichten gewesen, die trotz Megingozens Urteil doch Äbtissin geworden wäre, Zeugnis der Stärke des Eigenklosterrechts und der Laienherrschaft". So- weit Karl Bosl in seinem Werk "Franken um 800". Die zuletzt genannten Urkun- den zeigen also, daß zu dem Geschlecht der Mattonen höchstwahrscheinlich der Bischof Megingaud, der zweite Oberhirte Würzburgs, und die Äbtissin Hruad- laug gehörten. Das dritte mattonische Kloster wurde gestiftet vom Grafen Megingaud im Jahr 81628 super fluvium Leimbach, also am Fluß Laimbach-? im Iffgau in locello ... , qui modo vocatur Megingauzeshusen, also in dem kleinen Ort, der zur Zeit Me- gingauzeshusen, also Megingaudshausen, genannt wird. Da es nur einen fluß (jIuvius!) mit dem Namen Laimbach im Gebiet des ehemaligen Iffgau gibt, wird man das Kloster an diesem Fluß suchen müssen, d. h. im Bereich zwischen Ober- und Unterlaimbach in Mittelfranken. Dieses Kloster wird einem Abt mit Namen Benedikt übergeben, der mit dem Reichsabt Benedikt von Aniane/Korneli- münster gleichgesetzt wird. Eine eingehende Analyse der in Abschrift aus dem 14. Jahrhundert erhalten gebliebenen Stiftungsurkunde zeigt, daß sie ganz im Sinne der anianischen Reform geschrieben ispo. Die von Schmeidler" in der Stiftungsurkunde von Megingaudshausen ent- deckte Immunitätsformeln Kaiser Ludwigs des Frommen, die "sehr wohl" schon in manchen Punkten "auch in merowingischer Zeit und in merowingischen Ur- kunden" vorkommen, beinhalten (1.) volle Souveränität des Klosters, das (2.)nur dem König unterstehen und (3.) von jeder anderen Gewalt frei sein soll, (4.) Ausschluß der Einwirkung besonders des Bischofs (von Würzburg) und der Stifterfamilie, (5.) Freiheit der Abtswahl und (6.) Verbot der Entfremdung oder Zerstreuung der Klostergüter. Der Stiftungsbrief ist an den Reichsabt Ludwigs des Frommen, an Benedikt von Aniane", gerichtet, welcher mit Kaiser Ludwig, wie Lesne und Narberhaus'"

28 BERNHARDSCHMEIDLER,Fränkische Urkundenstudien, 1. Die Urkunde über die Gründung des Klosters Megingaudeshausen vom Jahr 816, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 5, 1939,5.73-101; Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), 5. 345, Nr. 4. Im Anhang: Wiedergabe der Abschrift (um 1320) u. Transkription der Stiftungsurkunde des Benediktinerklosters Megingaudshausen. (s. 5. 227-230 bzw. 231-233). 29 Du Change, Glossarium Mediae et Infimae Latinitatis VII (Nachdruck 1954), 5. 659 ("super" im Sinne von "prope", "juxta"). 30 Siehe Exkurs I 5. 219-223. 31 SCHMEIDLER,Fränk. Urkundenstudien (wie Anm. 28),5. 92. 32 5. Anm. 30. 33 EMILELESNE,Les ordonnances monastiques de Louis le Pieux et la Notitia de Servitio Monaste-

193 FRANZISKUS BÜLL OSB gezeigt haben, die Reform des Mönchtums u. a. auch im Sinne der Immunität durchführen wollte. Von daher ist die Urkunde von 816 auch im Sinne Benedikts von Aniane formuliert und wohl auch mit ihm abgesprochen. Es wäre eigenartig, wenn Megingaud von Benedikt verlangt hätte, einem Kloster vorzustehen bzw. dessen Gründungsphase zu überwachen, welches nicht den mit dem Kaiser ab- gesprochenen Vorstellungen Benedikts auch in Bezug auf die Immunität entspro- chen hätte. Der Ludowicianische Teil der Urkunde von 816 entspricht somit ge- nau jenem Konzept, wie es "bereits 814 in seinen Hauptgrundlagen geschaffen, dann freilich beständig fort- und weitergebildet worden" isP'. Im folgenden soll die Traditio, also der für das Kloster bestimmte Fundus besprochen werden, insoweit er für unser Thema von Bedeutung ist. Im März 816 stellen Graf Megingaud und seine Gemahlin Imma die Traditio aus, in der der Fundus der Neugründung angegeben wird. Die Urkunde von 816 besagt zu- nächst, daß es Megingaud und Imma gefallen hat, in locello, qui modo vocatur Megingauzeshusen, super fluvium Leimbach in pago Ypfigauim monasterium ... con- struere ... et tradere, ... quod ita et fecimus; Megingaud hat es also gefallen, in dem kleinen Ort (Weiler) ein Kloster zu errichten. Diesen Wunsch hat er sich dann auch mit der am Laimbach errichteten Stiftung erfüllt, welche mit der Überreichung an Abt Benedikt von Aniane einen vorläufigen Abschluß gefunden hat. Der nächste Satz lautet: Tradimus vobis atque concedimus tibi Benedicto et monachis tuis ... ipsum iam dictum locum cum omnibus commanentibus mancipiis et rebus ad ipsum sanctum locum periinentibus. Mit dieser Urkunde übergeben nun Megingaud und Imma dir, Benedikt, und deinen Mönchen diesen schon (d. h. bereits oben) genannten Ort selbst mit allen (dort) wohnenden Hörigen und Sachen, welche zu diesem heiligen Ort gehören. Dieser oben genannte Ort ist der locellus, qui ... vocatur Megingauzeshusen. Ein anderer Ort wird oben nicht genannt, der sonst in Frage kommen könnte. Me- gingaud übergibt also den Weiler Megingauzeshusen mit allen Hörigen und Sa- chen. Dieser Weiler, in dem das Kloster errichtet wird, wird also ein Teil des

riorum. in: Revue d'histoire de l'Eglise de France, VI. Bd., Paris, 1920 (NO Amsterdam 1968), 161-175,321-338,449-493; JOSEFNARBERHAUS,Benedikt von Aniane - Werk und Persönlichkeit (Beiträge zur Geschichte des älteren Mönchtums und des Benediktinerordens 16), Münster, 1930; Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 136. 34 ScHMEIDLER,Fränk. Urkundenstudien (wie Anm. 28), S. 93; Schmeidler glaubt mit Verweis auf die Schwarzacher Geschichte den Ludowicianischen Teil der Stiftungsurkunde von 816 als Fäl- schung des 9. und 10. (?) Jahrhunderts deklarieren zu müssen. Eine genaue Analyse der Schwarzacher Geschichte widerlegt diese Vermutung (s. Monasterium Suuarzaha [wie Anm. 16], S. 138-146). Zu diesem Ergebnis kommt auch JOSEFSEMMLER,Zeitschrift für Kirchenge- schichte 107,1996, S. 96).

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Klosters. Von daher kann Megingaudshausen nun locus sanctus, heiliger Ort ge- nannt werden. "Locus" meint also das Kloster und den Ort Megingaudshausen. Der Begriff "locus" wird in der Urkunde anschließend noch sechsmal gebraucht (viermal "locus" und zweimal "sanctus locus"). Cui etiam loco, diesem Ort (se, Megingaudeshusen) schenkt Megingaud dann alias res nostras ... in aliis locis. Mit diesen Orten sind wahrlich keine Klöster, sondern Ort(schaft)e(n) gemeint, die anschließend aufgeführt werden. Aus dem Pronomen aliis ergibt sich, daß Megingaud zunächst den einen Ort (se. Me- gingaudshausen) und dann in anderen Orten alias res, also andere Sachen übergibt. Die Urkunde enthält übrigens noch eine weitere Gegenüberstellung: Megingaud übergibt Sachen in dem einen Gau (sc. Iffgau) - und im anderen Gau - et in alio pago, qui dicitur Eegauue (sic!). In diesem Ehegau wird übergeben Graszulzun (Krassolzheim), Ulgestat (Ullstadt), Ostheim (Krautostheim), Titenheim (Deuten- heim) und Hezzelenheim (Ezelheim) und zwar nicht jeweils der ganze Ort, sondern nur das, was er nicht von seiner Mutter Hadaburg für sich erhalten hat. Die in diesen Orten gelegenen Güter, die er von seiner Mutter erhalten hatte, behielt er also für sich. Im Iffgau übergibt der Stifter Megingaud ad Biberoth (bei Markt Bibart) et ad Lancheim (bei Groß- und ) et ad Megingaudeshusen, Castel (so der Text des Chronicon Schwarzacense vom Jahr 1590)et ad Bullinheim et ad Dornheim. Formal fällt zunächst auf, daß im Text der Erlanger Handschrift und des Chroni- con Schwarzacense vor scastel bzw. Castel das "et ad" fehlt, d. h., daß das ganze scastel/Casiel übergeben worden ist. Warum wird aber dann diese umfassendere Schenkung - nämlich die ganze Gemarkung von scastellCastel- mitten in der Liste der Orte erwähnt, von denen nur Teile übergeben wurden, statt nach den "et ad"-Ausdrücken? Man könnte nun sagen, daß dieses "et ad" vom Abschreiber übersehen wurde". Wieso hat aber dann der Erlanger Text ein .s" vor dem Wort "castei"? Ist auch dieses "s" ein Schreibfehler? Völlig unverständlich wird jedoch der Inhalt des Textes, wenn man ihn so stehen läßt, wie ihn das Chronico Schwarzacense'" und Schmeidler" wiedergeben, nämlich mit dem Komma zwi-

35 Der Erlanger Text gibt die Ortsnamen einwandfrei wieder. Lediglich statt Bibart Biberoth, statt Domheim Zomheim und statt Krassolzheim Grasu.z [restliche Buchstaben unleserlich; Schmeidler liest (Fränk. Urkundenstudien {wie Anm. 28},S. 81) "grast ... "]. 36 Chronicon Schwarzacense (800-1590), in: IOANNESPETRUSLUDEWIG,Scriptores rerum Germani- carum, 2. Bd., Frankfurt und Leipzig, 1718, Sp. 4; Übersetzung des Chronicon Schwarzacense durch P. LEOTRUNKOSB, Münsterschwarzaeh 1979, Ms in der Abteibibliothek und im Kloster- archiv Münsterschwarzach Sig.II A 3e, S. 2. 37 ScHMEIDLER,Fränk. Urkundenstudien (Wie Anm. 28), S. 81.

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sehen et ad Megingaudeshusen und Castel. Dies bedeutete nämlich, daß et ad Me- gingaudeshusen isoliert dastünde - also ohne Verbindung zu Caste! - und damit zum Ausdruck käme, daß hier nochmals Güter, die zu Megingaudshausen gehör- ten, geschenkt werden würden, nachdem doch schon oben der ganze Ort Me- gingaudshausen mit allen Hintersassen und Gütern übergeben worden ist, zu- mindest soweit er Megingaud gehörte. P. Leo Trunk aSB von Münsterschwarzach schreibt 198118 zu dieser Proble- matik: "Im Monat März des Jahres 816 übergab Graf Megingaud (= Megingoz) zusammen mit seiner Gemahlin Imma das von ihm gegründete und erbaute Kloster Megingaudshausen an den Abt Benedikt (von Aniane) und seine fremd- ländischen Mönche. Die Urkunde über diese Stiftung ist zwar im Original nicht mehr vorhanden, doch gibt es eine Reihe von Handschriften und Drucken, die sie wiedergeben, und zwar ohne größere Textunterschiede. Die älteste Quelle ist der sog. Erlanger Text", der um 1320 im Kloster St. Stephan in Würzburg geschrieben wurde .... Bemhard Schmeidler'" hat im jahr 1939 sieben Handschriften und drei Drucke mit dem Erlanger Text, dem ältesten von allen, verglichen und auf Grund dieses Vergleichs eine neue Ausgabe der Urkunde von 816 gegeben. Bei der Beschäftigung mit diesem Urkundentext stieß ich auf eine Stelle, die meines Wissens bisher nicht die nötige Beachtung gefunden hat. Es geht dabei um einen bzw. zwei Ortsnamen, die in der Urkunde erscheinen". Dann fährt P. Leo Trunk nach der Zitation der wesentlichen Textteile fort: "Dieses ,et ad' fehlt in der Aufreihung der Orte des Ehegaus, aber auch einmal bei der Aufzählung der im Iffgau gelegenen Orte, nämlich zwischen Megingaudshausen und Castall. Hier muß aber ein anderer Grund für das Fehlen vorliegen (sc. wie bei der Aufreihung der Orte im Ehegau); denn nach den Regeln des lateinischen Satzbaus darf die anreihende Verbindung .et ad', die zwischen den anderen Ortsnamen steht, nicht durch ein Komma ersetzt werden, wie es Schmeidler'! in seine ,neue Ausgabe der Urkunde' aufgenommen hat. Dieses Komma steht übrigens auch in den drei gedruckten Wiedergaben der Gründungsurkunde, nämlich im Chronicon Schwarzacensev, bei Eckhardr-' und bei Usserrnann+'.

38 Megingozzeshusenscastel - eine philologische Anmerkung zur Gründungsurkunde des Klo- sters Megingaudshausen, in: Mainfränkisches Jahrbuch 39, 1987, S. 98-102. 39 Universitätsbibliothek Erlangen, Signatur 2111/4,3'-4' . 40 ScHMEIDLER,Fränk. Urkundenstudien (wie Anm. 28). 41 ScHMEIDLER,Fränk. Urkundenstudien (wie Anm. 28). 42 Wie Anm. 36. 43 JOHANNGEORGAB ECKHART,Commentarii de rebus Franciae Orientalis et Episcopatus Wirce- burgensis,2. Bd., Würzburg, 1729, S. 879. 44 AEMILIANUSUSSERMANN,Codex probationum, S.7, in: Episcopatus Wrrceburgensis, St. Blasien, 1794.

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Außer dem Verstoß gegen die Regeln des lateinischen Satzbaus spricht noch ein weiterer Grund gegen die Richtigkeit dieser Textform ,Megingaudshausen, Castell'. Dieser Grund wiegt noch schwerer, weil sich beim Beibehalten dieser Textform eine sinnlose Aussage ergäbe. Im ersten Abschnitt oben haben wir näm- lich gehört, daß die Stifter den ganzen Ort Megingaudshausen dem neugegrün- deten Kloster übergaben. Welchen Sinn sollte es nun haben, daß der andere Besitz zu Megingaudshausen noch dazu übergeben wird?45 Als Ergebnis dieser Textuntersuchung stellen wir also fest: Das Komma zwi- schen Megingaudshausen und Castell kann in der Gründungsurkunde nicht ge- standen sein; außerdem ist der Ortsname ,Megingaudshausen' so, wie er hier steht, völlig sinnlos. Sprachliche und sachliche Gründe verlangen also nach einer sinnvollen Lösung. Man könnte auch fragen: Wurde dieses Komma zwischen Megingaudshausen und Castell erst durch die Herausgeber eingeführt, weil sie ein wohl erwartetes ,et ad' in ihrer Vorlage nicht fanden, sie aber die beiden Namen nicht unverbunden nebeneinander stehen lassen wollten? Oder anders ausgedrückt: Haben sie vielleicht zwei Ortsnamen nur vermutet, während diese in Wirklichkeit gar nicht dastanden? Ein Blick auf den (entsprechenden) Ausschnitt des Erlanger Textes, also des ältesten Textes, führt zu einer überraschenden Erkenntnis: Das Komma, das Schmeidler= (und die drei anderen gedruckten Wiedergaben der Gründungs- urkunde") zwischen Megingaudeshusen und Castel setzen, ist hier nicht zu ent- decken. Ja noch mehr: Auf megingozzeshusen folgt nach dem üblichen Wortab- stand seastel. Man kann wohl annehmen, daß der Schreiber des Erlanger Textes in St. Stephan/Würzburg durch seine Vorlage dazu veranlaßt wurde, diese Wort- folge zu tradieren. seastel gibt für sich allein keinen Sinn. Schmeidler'" ha t es daher wohl für einen Schreibfehler gehalten und hat es deswegen als Textvariante im kritischen Apparat aufgeführt, statt dessen aber das in den anderen Texten bezeugte ,Castel(l)' gesetzt. Das war jedoch ein Fehler; denn damit hat er weder das sprachliche noch das sachliche Problem gelöst. Es gibt aber eine ganz einfache Lösung: Liest man nämlich an dieser Stelle nicht zwei Wörter, sondern schließt das zweite Wort - dazu direkt aufgefordert durch das ,s' zu Beginn des zweiten Wortes, das ganz nach einem Genitiv-Fugen-s aussieht - unmittelbar an das erste Wort an, so ergibt das ein einziges, sinnvolles

45 D. h., daß also noch zusätzlich ein weiterer Besitz zu Megingaudshausen übergeben wird (Anm. d. Verf.). 46 ScHMEIDLER, Fränk. Urkundenstudien (wie Anm. 28), S. 81. 47 Wie Anm. 42, 43 u. 44. 48 SCHMElDLER, Fränk. Urkundenstudien (wie Anm. 28), 5.81.

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Wort, nämlich megingozzeshusenscastel. Auch der Satzbau macht dann keine Schwierigkeit mehr. Ist dieses Ergebnis richtig, dann muß man wohl annehmen, daß die beiden Orte Megingaudshausen und Megingaudshausenscastell einander benachbart waren; andernfalls würde man ja doch statt des zweiten Namens (den Namen) ,Megingaudscastell' erwarten. Die beiden Ortsnamen sucht man aber in den späteren Quellen vergebens. Liegt da nicht die Vermutung nahe, daß nach dem Tode Megingauds ... der Name ,Megingaud' aus diesen Ortsnamen auch ver- schwunden ist? Diese Vermutung wurde auch im Chronicon Schwarzacense'", sowie von den beiden Klosterchronisten P. Burkard Bausch 05B5Ound P. Leopold Wohlgemuth OSB51vertreten - allerdings in einem anderen Zusammenhang. Eine Stütze für diese Vermutung könnte man aber auch im Text selbst finden, wo es heißt: qui modo Megingaudeshusen vacatur. Das könnte nämlich ein Hinweis darauf sein, daß der Ort früher anders geheißen hat und erst durch Megingaud diesen neuen Namen erhielt. Aus dem Gesagten ergibt sich aber noch eine weitere Folgerung: Bisher war es allgemein üblich, die Gründungsurkunde von Megingaudshausen als ersten urkundlichen Nachweis für den Ortsnamen ,Castell' zu zitieren. Das ist nun nicht mehr möglich, sondern man wird sich mit einer erstmaligen Nennung in der Urkunde vom 10. August 1091 begnügen müssen. Wenn man freilich an der Theorie vom allmählichen Verschwinden des Namensteils ,Megingaud' festhal- ten wollte, könnte die Gründungsurkunde von Megingaudshausen doch wieder der erste Nachweis für Castell sein; denn dann wäre aus Megingaudshausens- castel einfach CasteIl geworden. Das würde aber auch bedeuten, daß wir den Ort Megingaudshausen in der Nähe von Castell suchen müßten".

49 (Wie Anm. 36) Sp. 6. 50 Platanus Exaltata, Chronik der Abtei Münsterschwarzach v. P. BURKARO BAUSCH OSB, lat. Hs., I.

Bd., Münsterschwarzach 1698, S. 3v• Klosterarchiv Münsterschwarzach Sig. II A Sa, Überset- zung: P. LEOTRUNK OSB, Münsterschwarzach 1980, Ms in der Abteibibliothek und im Kloster- archiv, S. 4 u. 5; P. BURKARO BAUSCH OSB, Felicitas Rediviva, Chronik der Abtei Münster- schwarzach, lat. Hs., I. Bd., Münsterschwarzach, 1701, S. 6. Klosterarchiv Münsterschwarzach Sig. IIA 6a, Übersetzung: P. LEOTRUNK OSB, I. Bd., Münsterschwarzach. 1991, Ms in der Abtei- bibliothek und im Klosterarchiv, S. 11 u. 14. 51 P. LEOPOLDWOHLGEMUTHOSB, Chronologie der Äbte Münsterschwarzachs = Diarium sive Genealogia abbatum Monasterii Schwarzacensis, Münsterschwarzach 1680, S. 15, Hs, im Pfarr- archiv Nr. 38, Abschrift und Kopie im Klosterarchiv Münsterschwarzach Sig. II A 4a (= "Wiesentheider Chronik").

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Soweit die Ausführungen von P. Leo Trunk OSB, zu denen folgende drei Punkte anzumerken sind: 1. Das Wort .Megingozzeshusenscastel" klingt sehr hart. Aus diesem Grunde habe ich 1995 den ganzen Fall Herrn Prof. Dr. Konrad Vollmann vom Institut für Lateinische Philologie des Mittelalters an der Universität München vorgelegt. In seiner Antwort vom 14.6.1995 schreibt er dazu: "Diese Ortsnamensbildung ,Megingaudeshusenscastel' scheint mir nicht möglich". In einem zweiten Brief vom 17.7.1995 gibt er eine nähere Begründung dafür: "Niemand bestreitet die Wortbildung mit Fugungs-s (z. B. die Wortbildung ,Gerlachshausen' oder ,Megingaudshausen'); die Frage ist nur, ob altdeutsche Wortbildung doppeltes Fugungs-s kennt. Mir ist eine solche Bildung nicht bekannt". In seinem Briefvom 14.6.1995liefert dann Prof. Vollmann eine Erklärung, wie die Stelle megingozzes- husen seastel zu verstehen ist. Nachdem er erklärt hat, daß die Ortsnamensbildung Megingozzeshusenseastel ihm nicht möglich erscheint, fährt er fort: "Hinzu kommt, daß die Erlanger Handschrift nachAusweis des Faksimiles vor scastel ein Spatium aufweist. Seastel ist natürlich ebenso undenkbar; man wird in die Überlieferung eingreifen müssen. Ich könnte mir denken, daß der ursprüngliche Text lautete megingozzeshusen s. castel (d. h. megingozzeshusen scilicet castel). Es fällt doch auf, daß in der ersten Reihe der Begabungen immer ,ad' steht. Davor ist zu ergänzen ,quod mihi pertinet'. Also: ,Ich schenke mein Besitztum bei Biberoth, mein Besitztum bei Langheim, mein Besitztum bei Megingodshausen, nämlich Castel, mein Besitztum bei Bullenheim und bei Dornheim'. Daß Castel mit einem scilicet versehen wurde, erklärte sich daraus, daß - im Gegensatz zu den anderen Orten - der Ort Megingodshausen (sic!) schon oben zur Gänze (oder soweit er sich im Besitz des Grafen befand) der Neugründung übereignet worden war. Hier kommt also als weitere Schenkung ein Grundbesitz hinzu, der zwar bei Megin- godshausen liegt, aber einen eigenen Namen hat. Megingodshausen dient m. E. hier nur als Ortsbestimmung. Die Übersetzung (lautet also): ,mein bei Megin- godshausen gelegener Besitz, nämlich Castei'. Prof. Konrad Vollmann legte sei- nem Schreiben die Kopie einer Handschrift aus der Zeit um 900 bei, die auf einer einzigen Seite nicht weniger als neun Belege für s = scilicet bietet, teils mit dop- peltem, teils mit einfachem Punkp2. 2. "Bisher war es allgemein üblich", wie P. Leo Trunk OSB53schreibt, "die Grün- dungsurkunde von Megingaudhausen als ersten urkundlichen Nachweis für den

52 Sedulius, Carmen paschale, St. Gallen, Stiftsbibliothek Nr. 242, Hs., 9. Jahrhundert; zur Abbre- viatur lIS = scilicet" vg!. W. M. LINDSAY,Notae Latinae, an account of abbreviation in latin mss. of the early minuscule period (c. 700-850), Cambridge, 1915, S. 279, Nr. 355. 53 (Wie Anm. 38) S. 101.

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Ortsnamen ,CasteIl' zu zitieren"; so Friedrich Wilhelm Viehbeck 181354, Friedrich Stein 189255, August Sperl190856, Wilhelm Enge1195257, Historischer Atlas von Bayern 195558, Karl Bos1196959, Otto Meyer 197960 und WaIter Scherzer 198461• Bezöge sich das in der Stiftungsurkunde von Megingaudshausen genannte Ca- stell auf das im Landkreis Kitzingen in Unterfranken gelegene CasteIl, so wäre es in den Besitz der Mönche von Megingaudshausen bzw. von Münsterschwarzach übergegangen. Doch bedeutete dies, daß die Herren von Castell dieses ver- schenkte Anwesen im Landkreis Kitzingen, also den Herrenberg'" in CasteIl, vom Abt von Megingaudshausen/Münsterschwarzach erworben haben müßten. Eine Urkunde, die den Übergang eines Schwarzacher Besitzes in die Hände der Her- ren von CasteIl festschreibt, ist nicht überliefert; auch ist nicht bekannt, daß jemals das Kloster irgendwelchen Besitz in CasteIl hatte. Nachdem wir jedoch auch nicht mehr jedes der in der Stiftungsurkunde genannten Güter im Besitzverzeichnis der Abtei wiederfinden, könnte dies auch für den eventuellen Besitz von CasteIl zutreffen. Interessanterweise sah auch schon Friedrich Stein 1892 das Problem der Überführung Castells aus dem klösterlichen Besitz in das Eigentum der Herren von Castell. So schreibt er63:"Wenn er nun seine Güter zu Castell seiner Kloster- stiftung zu Megingaudeshausen zuwendete, so ist es nicht statthaft, anzuneh- men, daß er diese Güter auf seine Nachkommen, in deren Reihe man schließlich die späteren Herren zu Castell setzen würde, vererbte, es müßte denn angenom- men werden, es seien die nach der Stiftungsurkunde ausgenommenen Sachen seiner Mutter Hadaburg in Grundstücken bestanden und solche zu CasteIl gele- gen (sein). Übrigens würden von seiner Vergabung an das Kloster Megingaudes- hausen etwaige Gutsantheile von Megingauds Bruder Matto oder anderen Mat- tonen zu Castell nicht berührt worden sein und es könnten diese in dem Erbgange der Mattonischen Familie geblieben sein". Mit Stein läßt sich also die These der

54 Wie Anm. 7. 55 (Wie Anm. 1) S. 9. 56 (Wie Anm. 9) S. 12. 57 (Wie Anm. 10) S. 1. 58 Teil Franken 1955, Reihe 11,Heft 3: PROSPERGRAFZUCASTELL-CASTELLu. HANNSHUBERTHOF- MANN,Die Grafschaft CasteIl am Ende des alten Reiches, S. 3. 59 (Wie Anm. 12) S. 161. 60 Das Haus CasteIl, Landes- und Standesherrschaft im Wandel der Jahrhunderte, in: DITo MEYER und HELLMUTKUNSTMANN,in: CasteIl, Landesherrschaft - Burgen - Standesherrschaft (Neu- jahrsblätter der Gesellschaft für Fränkische Geschichte XXXVII),S. 9. 61 (Wie Anm. 11) S. 117. 62 Wie oben Anm. 4. 63 STEIN,Castell (wie Anm. 1), S. 9.

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Verschenkung Castells an Megingaudshausen mit der Tatsache, daß die Herren von Castell seit dem 9. Jahrhundert den Herrenberg von CasteIl innehaben, wie die Auswertung der archäologischen Funde auf dem Herrenberg ergab=, nicht leicht verbinden. Und in der Tat wäre es auch eigenartig, daß die Mattonen in ihrem oder in einem ihrer Stammsitze sich noch einen weiteren Besitzer "in den Pelz gesetzt" haben sollen, denn damit wären zahlreiche Besitzstreitigkeiten vor- programmiert. Außerdem ist nicht ersichtlich, welchen Nutzen das Kloster Me- gingaudshausen vom Besitz eines castellums auf dem Herrenberg in Castell ge- habt haben soll. Eine Schutzfunktion für die Mönche von Megingaudshausen konnte sie jedenfalls aufgrund der örtlichen Distanz nicht übernehmen. Man wird vielmehr annehmen müssen, daß ein castellum auf dem Herrenberg in Castell von den Herren von Castell im 9. Jahrhundert zur Zeit der Ungarneinfälle angelegt wurde. Die angeführten Schwierigkeiten entpuppen sich als Scheinprobleme, wenn man der Logik der Stiftungsurkunde von Megingaudshausen und den Erklärun- gen der Altphilologen Trunk und Vollmann folgt, daß das in der Urkunde er- wähnte "Castel" sich bei Megingaudshausen befand, ja zu Megingaudshausen gehörte, und da Megingaudshausen an einem Fluß mit Namen Laimbach lag, ein Fluß aber mit Namen Laimbach nur südlich von Markt Bibart bekannt ist, muß damit auch dieses Castell der Urkunde von 816 in diesem Raum von Mittelfran- ken gelegen haben'". Für dieses Castellum werden drei Stellen in der Nähe des Laimbachs ins Auge gefaßt: Der Jägersberg (== Gagersberg) (332 m über NN, nördlich von Oberlaim- bach in Richtung Scheinfeld), der Burgstall Kropfsberg= (379 m über NN, 700 m westlich vom Grubsberg [388 über NN], südwestlich von Oberlaimbach [ca. 300 m über NN]) und die Burg der Herren von Laimbach'" am Zusammenfluß der Bibart und der Scheine, am linken Ufer des Laimbachs. Alle drei Stellen liegen in der Gemarkung von Oberlaimbach (!). Der Jägersberg/Gagersberg besitzt eine exponierte Stellung im Scheine-Bibart-Laimbach-Ehegrund. Der Kropfsberg be- findet sich auf dem in westöstliche Richtung verlaufenden Bergrücken, der die Grenze zwischen dem Ehegau im Süden und dem Iffgau im Norden bildet. Damit läge der Kropfsberg - also das vermutete Castell der Urkunde von 816 - im

64 Wie oben Anm. 4. 65 Die Positionierung eines Castellums bei Oberlaimbach stellt das Alter des spätkarolingischen Castellums auf dem Herrenberg in CasteIl im Landkreis Kitzingen nicht in Frage! 66 Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16),S. 175. 67 WOLFDIETERORTMANN,Landkreis Scheinfeld (Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Mit- telfranken 3), 1967,S. 111:1186-89Hermannus de Leimbach.

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Zentrum der 816 vermachten Stiftungsgüter. Megingaudshausen/Oberlaimbach liegt an der jetzigen Bundesstraße 8 bzw. an der frühfränkischen Trasse Kitzin- gen-Bibart-Forchheim. Der Laimbach fließt parallel zu dieser Trasse. Zusammen mit dieser Taltrasse dürfte dem Reisenden des 8./9. Jahrhunderts der Laimbach bekannt gewesen sein. Von daher genügte auch die Angabe in der Urkunde von 816 »Meglngaudshausen am Laimbach", um die Lage dieser Neugründung ein- deutig zu beschreiben. Dadurch, daß der Ort mit dem Flußnamen namentlich in Beziehung gebracht wurde, konnte er im 9. Jahrhundert eindeutig lokalisiert werden. Die Flußläufe stellten gleichsam das Rastersystem dar, nach dem sich der mittelalterliche Mensch orientieren konnte. Die Gründung Megingaudshausens an einer wichtigen Fernstraße des Reiches mit einer Abzweigung - in diesem Fall in das südwestliche Steigerwaldvorland - entspricht genau dem Schema der Postierung der in der Karolingerzeit gegründeten Klöster. So liegen an einem fluß und an einer verkehrsreichen Stelle Fulda, St. Andreas /St. Burkard in Würz- burg, die Frauenklöster Kitzingen, Ochsenfurt, Schwarzach, Tauberbischofsheim und nicht zuletzt das Benediktinerkloster Inden/Kornelirnünster bei Aachen, eine Gründung Ludwigs des Frommen für den Reichsabt Benedikt von Aniane, dem auch Megingaudshausen übergeben worden ist. Nicht die stille Waldein- samkeit suchten die Benediktiner des 8./9. Jhdts., wie die Zisterzienser dreihun- dert Jahre später, sondern die verkehrsreichen Orte, um die Menschen missionie- ren zu können. Sollte der mittelalterliche Burgstall auf dem Kropfsberg, der 1238 . erstmals erwähnt wird'", einen karolingischen Vorläufer gehabt haben,läge in der Kombination CasteIl auf dem Berg und Siedlung im Tal an einem Gewässer eine ähnliche Situation vor wie in Würzburg, Hammelburg und Karlburg, also eine Situation, die für das Frankenland der Karolingerzeit nicht unüblich gewesen zu sein scheint". Der Name castel in der Stiftungsurkunde weist zwar nicht auf den heutigen Ort CasteIl, also den Herrenberg, im Landkreis Kitzingen hin. Dennoch liefert die Stiftungsurkunde von 816 die ersten wichtigen Hinweise auf die Abstammung der Herren und Grafen von CasteIl von den Mattonen und zwar in zweifacher

68 KARLWELLERund CHRISTIANBELSCHNER,Hohenlohisches Urkundenbuch, 1. Bd. 1899, 5.100, Nr. 179 bzw. ORTMANN(wie Anm. 67), S. 108. 69 Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 175 u. 176, Anm. 87; PETEREITELund DIETERRÖDEL, CastelIum und villa Karloburg, in: JÜRGENLENSSENund LUDWIGWAMSER(Hg.), 1250 Jahre Bis- tum Würzburg, 1992, S. 297-318; LUDWIGWAMSER,Erwägungen zur Topographie u. Geschichte des Klosters Neustadt am Main und seiner Mark, in: JÜRGENLENSSENund LUDWIGWAMSER (Hg.), 1250 Jahre Bistum Würzburg, 1992, 5.182 zu Anm. 76; BERTHOLDSCHMIDT,Das König- reich der Thüringer und seine Eingliederung in das Frankenreich, in: Reiss-Museum Mannheim (Hg.), Die Franken, Wegbereiter Europas. 1996, S. 295-296.

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Hinsicht: über die erwähnten Ortsnamen und über den Namen des Grafen Me- gingaud. Wer ist dieser Graf Megingaud? Ist er ein Mattone? Ist er gar der Bruder Mattos 11.und der Äbtissin Juliana? War er es, der also zusammen mit Matto 11. im Jahr 788 zahlreiche Güter aus dem väterlichen Besitz an Fulda vermachte'" und der in der Schenkungsurkunde des Klösterchens Wenkheim durch Matto 11. und Juliana zwischen 776und 79671erwähnt wird? Nach Friedrich Stein'? gehörte Megingaud in das Geschlecht der Mattonen. Seine Begründung lautet folgender- 73 maßen : "Das im Jahre 744 gegründete Kloster Fulda erhielt alsbald von den Großen des Frankenlandes reiche Schenkungen an Grundbesitz. In den darüber errichteten, vom Kloster gesammelten und in Copialbüchern erhaltenen Urkun- den treten nun einige edle Geschlechter hervor, welche dadurch in einem gewis- sen Zusammenhange unter sich stehen, daß sie ein gemeinsames Gut zu Geisen- heim im Rheingau besitzen neben einem sehr ausgedehnten Besitze in fast allen Gauen Ostfrankens. Eines dieser Geschlechter sind die Mattonen (im weiteren Sinn), welche an dem erwähnten Geisenheimer Gute einen hälftigen Antheil besaßen, der wiederum unter ihnen selbst in Drittheile zerfiel, wovon ein Matto- nischer Zweig (im engeren Sinn) zwei Drittheile, der andere sogenannte Huntol- fische Zweig der Mattonen (im weiteren Sinn) aber ein Drittheil besaß und in gleichem Verhältnisse spalteten sich auch ihre Antheile an ihren in den Fuldi- sehen Schenkungsurkunden erwähnten Gütern in Ostfranken. Ein vor dem Jahre 788 verstorbener Matto, der in einem Fuldischen Urkundenauszuge als Graf bezeichnet wird, steht für uns an der Spitze des ersteren, zu zwei Drittheilen berechtigten Zweiges, der Mattonen im engeren Sinne. Seine Söhne Matto der Jüngere und Megingaud treten in einer Fuldischen Urkunde von 78874 auf. Darin schenkten Matto der Jüngere und sein Bruder Megingaud an vielen Orten in Ostfranken an das Kloster Fulda Güter, und zwar ,in allen jenen Orten zwei Theile, was unser Vater Matto als Eigenthum hatte'. In vielen dieser Orte schenkt dann in einer vor 796errichteten Urkunde" an dasselbe Kloster der dem Huntol- fischen Zweige angehörende Egilolf ,denjenigen Theil meines Eigenthums, wie ihn mein Vater Huntolf im Erbwege hinterließ', wobei jedem einzelnen Orte erläuternd beigefügt ist ,den dritten Theil' . Unter dem darin an Fulda verschenk- ten Huntolfischen Drittel befindet sich auch der Huntolfische Besitz zu Scheinfeld

70 Urkundenbuch des Klosters Fulda (wie Anm. 14), S. 264, Nr. 175. 71 Urkundenbuch des Klosters Fulda (wie Anm. 14), S. 299, Nr. 202. 72 FRIEDRICH STEIN, Geschichte Frankens, 1. Bd., 1885, S. 48 u. 2. Bd., 1886, S. 248-249. 73 STEIN, Castell (wie Anm. 1), S. 6. 74 Urkundenbuch des Klosters Fulda (wie Anm. 14), S. 264, Nr. 175. 75 Wie Anm. 71.

203 FRANZISKUSBÜLL OSB im Ehegau mit den Worten: ,im Ehegau zu Scheinfeld den dritten Theil'. Die zwei Drittheile des Matto und Megingaud in Scheinfeld wurden nicht an Fulda ver- schenkt, dagegen verwendete 816 Megingaud, welcher dabei als vir illuster und comes bezeichnet wird, einen Weinberg aus seinem Besitz zu Scheinfeld zur Errichtung eines Klosters zu Megingaudeshausen im Iffgau. Es ist daher wohl mit Grund anzunehmen, daß hier eine Dotierung aus dem noch unverschenkten Zweidrittelantheile der Mattonen zu Scheinfeld gemacht wurde und daß der Stifter des Klosters zu Megingaudeshausen identisch ist mit dem des älteren Matto Sohne Megingaud." Soweit Friedrich Stein. Nachdem wir, wie Stein gezeigt hat, annehmen dürfen, daß der Graf Me- gingaud der Urkunde von 81676 der Bruder Mattos n. und Julianas war und damit zum Geschlecht der Mattonen gehörte, sind auch seine Güter, wie sie in der Urkunde von 816 beschrieben werden, der großen mattonischen Besitzmasse zuzuweisen. Mattanisehe Besitzungen erscheinen außerdem in den Traditionen an Fulda, in den Besitzungen des Freisinger Bischofs und Münsterschwarzacher Kommendatarabtes Dracholf aus dem Geschlecht der Mattonen, sowie in einigen Besitzungen Münsterschwarzachs. Auffallenderweise haben auch die Grafen von Castell vielfach in diesen Orten Besitzungen. Wie die Besitzungen der Huntolfe und Mattonen (im engeren Sinn) in den gleichen Orten von der gleichen Abstam- mung herrühren, so dürfte sich auch das Zusammenfallen zahlreicher mattoni- scher Besitzungen mit den Casteller Besitzungen von einer verwandtschaftlichen Beziehung herleiten. Im folgenden soll die Koinzidenz der mattonischen und castellischen Besitzungen in den genannten vier Blöcken untersucht werden, nämlich (1.) Graf Megingauds Besitzungen nach der Stiftungsurkunde von 816, (2.) mattanisehe Traditionen an Fulda, (3.) Bischof Dracholfs Besitz und (4.) Besit- zungen Münsterschwarzachs, die noch nachträglich sehr wahrscheinlich von den Mattonen (Nachkommen) an Münsterschwarzach übergeben wurden. Zu 1.: Von den elf Orten, die 816 genannt werden, haben nach dem ältesten Lehenbuch der Grafschaft CasteIl vom Jahr 137677, also 560 Jahre später, und nach den Urkunden der Monumenta Castellana?" die Grafen von CasteIl in neun Orten ebenfalls Besitz, nämlich in Bibart, Deutenheim, Ezelheim, Krassolzheim, Kraut-Ostheim. am Laimbach, in Groß- /Kleinlangheim, Scheinfeld und Ullstadt. Lediglich in Bullenheim und Dornheim ließ sich kein Casteller Besitz nachweisen.

76 ScHMEIDLER,Fränk. Urkundenstudien (wie Anm. 28). 77 WILHELMENGEL,Das älteste Lehenbuch der Grafschaft Castell, in: Castell, Beiträge zu Kultur und Geschichte von Haus und Herrschaft (Neujahrsblätter hg. von der Gesellschaft für Fränki- sche Geschichte XXIV), 1952, S. 109-146. 78 Wie Anm. 2.

204 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATTONEN?

Zu 2.: Interessanterweise haben die Grafen von CasteIl auch in zwei weiteren Orten, in denen die Mattonen Besitzungen der Abtei Fulda vermachten, ebenfalls Besitz, nämlich in Haidt (?)/Landkreis Kitzingen, Ober-/Untereisenheim und in Oberp leichfeld'? . Zu 3.: Einen weiteren Hinweis auf mattonischen Besitz gibt das Eigentum Bischof Dracholfs von Freising (907-926). Bereits 912 übergibt König Konrad I. diesem Bischof Güter zu Laimbach, Steinach und Diebach, die derselbe bisher zu Lehen besessen hatte, zu Eigen, also Güter in der Gegend Megingaudshausens'", 918 übergibt er an Münsterschwarzach für die Zeit nach seinem Tod seinen Besitz in Gerlachshausen und Wipfeld und die Hälfte seines Besitzes zu Mönch-/Main- stockheim, Groß-/Kleinlangheim, Feuerbach und zu Nordheim. Dafür empfängt er vom Kloster dessen Besitzungen in Ezelheim" und Hüttenheim. Außerdem übergibt er den Mönchen ad vestitum et victum seinen Besitz in Düllstadt, Stadel- schwarzach und Wiesentheid82• Aus dieser Urkunde wird geschlossen, daß Dra- cholf Kommendatarabt von Schwarzach war'". Nach Heinrich Wagner darf Dra- cholf als Angehöriger der Mattonen angesprochen werden. Wagner schreibt da- zu84: "Wegen seines Amtes, das nur dem hohen Adel zugänglich war, wegen seines Bemühens um Eigengut in dem ... Gebiet (von Megingaudshausen), we- gen der Nennung eines Draholf (sic!) in Bischof Gozbalds Totengedenken, vor allem aber wegen seiner Rolle, die deutlich die eines Kommendatarabtes ist, darf man Bischof Dracholf von Freising als Angehörigen der Gründersippe anspre- chen". Dazu darf man noch den genuin dracholfschen Besitz in Langheim" nennen, wo auch Megingaud Besitzungen hatte, die er an Megingaudshausen tradiert. Nach dem Lehenbuch von 137686 und den Urkunden des Casteller Urkunden- buches'" besaß CasteIl ebenfalls Besitzungen außer in Laimbach und Langheim,

79 S. Übersichtskarte 19, in: PETERKOLBund ERNST-GÜNfERKRENIG,Unterfränkische Geschichte, Bd. 1, S. 171. 80 MGH DK I,S. 10, Nr. 9. 81 SCHMEIDLER,Fränk. Urkundenstudien (wie Anm. 28). 82 MGH DK I, S. 30, Nr. 33; Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 352, Nr. 8. 83 JOSEPHFISCHER,Die Freisinger Bischöfe von 906 bis 957, in: Studien zur altbayerischen Kirchen- geschichte 6,1980, S. 25-58; HEINRICHWAGNER,Zur Frühzeit des Bistums Würzburg, in: Main- fränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 33,1981, S. 111;WILHELMSTÖRMER,Dracholf, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, 1986, Sp. 1346-1347. 84 WAGNER,Äbte von Megingaudshausen und Münsterschwarzach (wie Anm. 13), S. 94. 85 MGH DK I,S. 10, Nr. 9. 86 WILHELMENGEL(wie Anm. 77). 87 Monumenta Castellana (wie Anm. 51).

205

DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATTONEN?

die schon im Zusammenhang mit der Urkunde von 816 genannt wurden, noch in Diebach, Feuerbach, Gerlachshausen, Hüttenheim, Nordheim a. Main, Stadel- schwarzach, Wiesentheid und Wipfeld. Zu 4.: Außerdem besaß Münsterschwarzach wie auch Castell noch Güter in und Gräfenneuses. Die Besitzungen der Abtei in diesen beiden Orten dürften nach Ortmann'" von den Mattonen an Münsterschwarzach übergeben worden sein. Im Ganzen sind es also 22 Orte, in denen sowohl die Mattonen wie auch die Grafen von Castell Besitzungen gehabt haben dürften. Dieser hohe Grad an Ko- inzidenz dürfte ein wichtiger Hinweis auf eine cognatische Beziehung der Grafen von Castell mit den Mattonen sein. Von diesen 22 Orten sollen nun zwei Ortschaften herausgehoben werden, anhand deren sich die Verbindung zwischen den Mattonen und den Herren von Castell geradezu mit Händen greifen läßt: Deutenheim und Gerlachshausen. Zu- nächst soll auf Deutenheim eingegangen werden: Graf Megingaud übergibt 816 seiner Klostergründung auch seinen Anteil an seinem Besitz in Titenheim/Deu- tenheim im Ehegau. Paul Schöffel konnte anhand einer langen Reihe von Urkun- den zwischen dem 13. September 1135 und dem 24. November 1143zeigen'", daß Rupert von Deutenheim mit seinen beiden Söhnen die gleiche Person ist wie Rupert n.von CasteIl mit seinen beiden Söhnen Rupert Ill. und Hermann I.Dieser Rupert 11.von Deutenheim mit seinen beiden Söhnen Rupert Ill. und Hermann I. hatte, wie Schöffel ebenfalls nachweisen konnte, noch zwei Brüder: den 1122 erwähnten Ludwig I. von Deutenheim und den 1130 bezeugten Adalbert I. von Deutenheim. Dieser Ludwig I. von Deutenheim von 1122 wird im Chronicon Minus90 von Münsterschwarzach als Graf Ludwig von CasteIl erwähnt. Von ihm heißt es, daß er "uns das (abgegangene) Dorf namens Löffelbach mit all seiner Nutznießung (gab) und das ewige Licht vor dem Hauptaltar (stiftete)". Auch die Söhne Ruperts 11.werden im Chronic on Minus erwähnt. Das Chronicon Minus fährt fort?': "Ebenso überließen Graf Hermann von Castell und sein Bruder dem Kloster mehrere Güter, der erste sein Gut in Langheim, der andere 2 Hufen in Rüdenhausen. Beide wurden bei uns bestattet". Dieser Bruder Hermanns könnte

88 ORTMANN,Scheinfe!d (wie Amm. 67), S. 55, Nr. 63 u. S. 59, Nr. 65. 89 PAUL5cHÖFFEL,Zur Frühgeschichte der Grafen von Castell, in: Zeitschrift für bayerischer Lan- desgeschichte,8, 1935, S. 445--449. Zur Beziehung der Mitglieder des Hauses Castell s. Abb. 2: Stammbaum der Herren und Grafen zu Caste!!. 90 LEOTRUNK,Das Chronicon Minus im Birklinger Buch, in: PIRMINHUGGER(Hg.), Magna Gratia (wie Anm. 13), S. 21. 91 Magna Gratia (wie Anm. 90), S. 23.

207 FRANZISKUS BÜLL OSB

Rupert Ill. oder der zum Jahr 114992 genannte Adalbert I. sein. Bei dem im Chronicon Minus genannten Ludwig von Castell handelt es sich nicht um den in der Stammtafel I bei Sperl im Anhang angegebenen Ludwig [1223-1227], sondern um einen Vorgänger, da er mit Hermann direkt nach Abt Egbert, also bereits zum Jahr 1075 eingereiht ist! Dieses Deutenheim ist, wie Paul Schöffel ebenfalls nicht nur anhand des ältesten Castellischen Lehenbuches von 1376 zeigen konnte, das in der Urkunde von 816 genannte Titenheim, welches die Herren von Castell zwischen 1136 und 1145neben Castell bewohnten, das vielleicht sogar nach Ortmann'" der ältere Sitz ist. Es ist offensichtlich so, daß der Teil von Deutenheim, den Graf Megingaud nicht Megingaudshausen übergeben hat - nämlich der Teil, von dem es zu Deu- tenheim und den anderen Orten im Ehegau heißt exceptis rebus, quas Hadaburc parens mea milli tradidit - , an die Herren von Castell übergegangen ist, wohl über den einen der beiden Söhne Megingauds. Der an erster Stelle im Chronicon Schwarzacense?', in der Platanus exaltata'" und im Chronicon Minus'" genannte Sohn heißt Arnold, der zweite Marquard. Der an sich nicht häufige Name Mar- quard taucht auch im Stammbaum der Grafen von Castell auf ", So ist ein Mar- quard für die Zeit von 1224-1254 überliefert als Sohn Ruperts IV. (1190-1223). Vielleicht leiten sich die Herren von CasteIl von diesem Marquard ab, so wie dies bereits 1834 J. Buchinger vermutete, wenn er schreibt: "Megingaud II. stiftete ein Mannskloster im Ipfigau am flüßchen Leimbach, welches nach ihm Megingauds- hausen genannt wurde, dessen Mönchen aber in ·der Folge das Frauenkloster Schwarzach eingeräumt wurde, weil es daselbst an Frauen mangelte. Der nämli- che führte auch das rothenburgische Geschlecht fort und hinterließ um das Jahr 828 die Grafen Arnold und Marquard. Der Letztere bekam zu seinem Anteil das Gebiet, woraus nachmals die Grafschaft CasteIl sich bildete, und wurde Stifter des gräflich-castellischen Hauses. Dem Arnold blieben Rothenburg und der Ko- 98 chergau." • Einen wichtigen Hinweis über die Abstammung der Grafen von Rothenburg-Comburg vom Graf Megingaud liefert die Münsterschwarzacher Klosterchronik Platanus exaltata. Hier schreibt der Chronist P. Burkard Bausch'":

92 SCHÖFFEl(wie Anm. 89), S. 448, Anm. 13. 93 ORTMANN,Scheinfeld (wie Anm. 67), S. 27. 94 LUDEWIG(wie Anm. 36), S. 8 bzw. TRUNK(wie Anm. 36), S. 6. 95 BAUSCH(wie Anm. SO),I. Bd., S. 4b bzw. TRUNK,I. Bd., S. 7. % Magna Gratia (wie Anm. 90), S. 17 unter Abt Benedikt I. 97 SrERl, Castell, (wie Anm. 9), Stammtafel I im Anhang. 98 JOHANN NEPOMUKBUCHINGER,Beiträge zur Gesch. d. Stadt Heidingsfeld, in: AVfr 2. Bd., 2. Heft (1834) 7, s. auch Monasterium Suuarzaha, S. ns. 99 Wie Anm. 50, I. Bd., S. 31a; TRUNKI. Bd. 1., Teil, S. 49.

208 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATTONEN?

"Im Jahr 1151 ließ Abt Sigehard in der Mitte unserer Kirche einen steinernen Sarkophag verfertigen und aufstellen, in dem er die Gebeine unserer Gründer Megingaud und Ima ... ehrenvoll beisetzte, wobei Friedrich Herzog und Graf von Rothenburg für Kosten und Ausgaben aufkam (So die Chroniken des Klosters und von Würzburg)" . Sollte die von P. Burkard Bausch gemachte Angabe, daß Friedrich von Rothenburg das Hochgrab Megingauds finanzierte, tatsächlich aus dem 12. Jahrhundert stammen, dann wäre damit die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß die Rothenburger doch von den Mattonen abstammtenl'", Die direkte Linie der Rothenburger starb zwar 1116 aus, wurde jedoch von den Staufern u. a. von Herzog Friedrich beerbt'?'. Es scheint, daß vor 1150, also in einer Zeit geringer Schriftlichkeit, die mündliche Tradition eine große Rolle ge- spielt hat. Man muß davon ausgehen, daß innerhalb der edelfreien Geschlechter noch bis um 1150 der Stammbaum auf mündlichem Weg weitergegeben wurde. Von daher ist es auch nicht verwunderlich, daß noch im Jahre 1554 Graf Heinrich IV. v. Castell nicht ohne grimmigen Hohn dem stolzen Domkapitel des Bischofs zu Würzburg die Worte zurief: "Es ist wissentlich, daß die Grafen von Castell nun etlich' hundert Jahr' hero in diesem Land gesessen, und vielleicht ehe denn diese Stiftung (se, des Domkapitels) geschehen ... "102. Wie oben gezeigt wurde,läßt sich anhand des mattonischen und castellischen Besitzes von Deutenheim zeigen, daß die Herren von Castell über Marquard, Megingaud und Hadaburg sich von den Mattonen herleiten dürften. Auch in Gerlachshausen wird die Verbindung zwischen den Herren von Ca- stell und den Mattonen sichtbar. Am 18. Januar 1230 verzichtet nach den kriegeri- schen Auseinandersetzungen zwischen CasteIl und Henneberg einerseits und dem Hochstift Würzburg andererseits Graf Rupert'P' von Castell auf Münster- schwarzach, Stadtschwarzach, das hier zum erstenmal als Stadt urkundlich er- wähnt wird, und den Ort (villa) Gerlachshausen cum omni integritate et iure et quicquid quondam comes Ludeuncusr" de Kastele vel in advocatis vel in proprietatibus vel in hominibus sive iure sive non iure possedit in ipsis105• Rupert V. verzichtet also u. a.

100 FRANZISKUSBÜLL,Versuch einer Rekonstruktion der romanischen Egbertbasilika des Klosters Münsterschwarzach. in: PIRMINHUGGER(Hg.), Magna Gratia (wie Anm. 13), S. 184; zur Ver- wandtschaft der Mattonen mit den Grafen von CasteIl und den Grafen von Rothenburg vg!. auch PAULUSPAPIUS,Casteller Chronik von 1605 (Hs.), S. 11-12 (Fürst!. Castell'sches Archiv Castell/Unterfranken Signatur: 0 IV, 1). 101 PETERKOLBund ERNST-GÜNTERKRENlG(wie Anm. 79), 1. Bd., S. 335. 102 SPERL,CasteIl (wie Anm. 9), S. 13. 103 V. 1223-1234 nach SPERL,CasteIl (wie Anm. 9), Stammtafel I im Anhang. 104 Il. 1223-1227 nach SPERL,CasteIl (wie Anm. 9), Stammtafel I im Anhang. 105 Monumenta Castellana (wie Anm. 2), 5. 30, Nr. 99.

209 Abh. 3: Ausschnitt aus der Flurkarte K. L. Dertelbach u. Kitzingen NW LXXX42 von 1839 mit Gemarkungsgrenzen der Ortschaften Gerlachshausen, Münsterschwarz- ach, Stadtschwarzach. Hörblach u. Schwarzenau. DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MAITONEN? auf die Vogtei über das Kloster und die beiden mit ihm verbundenen Orte Stadt- schwarzach und Gerlachshausen und über seinen ganzen Besitz, den er in diesen drei Orten innehatte. Vor 123D war also Rupert V.in Gerlachshausen begütert. Neben den Grafen von Castell wird im Chronicon Minus'P" und im Chronic on Schwarzacense'I" noch ein weiterer Grundherr Gerlachshausens genannt. Danach - so das Chronic on Schwarzacense - "verkaufte zur Zeit des Abtes Ru- pert'?", nämlich im Jahr 1115, in der 8. Indiktion, Heinrich Graf von Gerlachs- hausen dem vorgenannten Abt alle seine Güter, die er in Gerlachshausen und hatte, mit allen seinen Nutznießungen für 3D Pfund Silber; und so- lange Graf Heinrich lebte, war Abt Rupert verpflichtet, in jedem Jahr ihm zu geben 250 Scheffel verschiedener Getreidesorten, ebenso in jedem Jahr 3 Fuder Wein, 2 Fuder Bier, ID Scheffel Malz, 15Schweine, 5 Rinder und ID Schafe. Dieser Graf (Heinrich) gab uns auch die Pfarrei in Gerlachshausen, die er als Lehen vom Würzburger Bischof hatte. Das alles bestätigte und billigte der Würzburger Bischof Erling (sic!)auf einer Synode seiner Diözese vor vielen Prälaten." Wer war dieser Graf Heinrich, der offensichtlich keine Nachkommen hatte und sich im Kloster einkaufte? P. Leopold Wohlgemuth OSB, Prior von Münsterschwarzach, schreibt in seiner Klosterchronik von 1680109 unter Abt Rupert: "daß Graven Henrichen von Castel zu Gerlachshausen wohnendt sein antheil zue Gerlachs- hausen an das closter erkauft worden für ... " Ebenso drückt sich der Kloster- chronist P. Burkard Bausch OSB in seiner Klosterchronik Platanus Exaltata von 1698110 aus: "... Abt Rupert wurde wegen seiner Verwaltung gelobt. Er erwarb nämlich das Dorf Gerlachshausen, das das Kloster noch nicht vollständig beses- sen hatte, im zweiten Jahr seiner Herrschaft, im Jahr des Herrn IllS, in der 8. Indiktion, ganz mit all seinem Zubehör; denn Graf Heinrich von Cerlachs- hausen, der aus dem Geschlecht derer von Castell stammte, verkaufte all seine Erbgüter, die er in dem vorgenannten Dorf hatte, ... ". Welche Vorlagen P. Leopold Wohlgemuth OSB und P. Burkard Bausch aSB für diese Aussage benutzen, ist (noch) unbekannt. Das Chronicon Schwarzacense von 1590 und das Chronicon Minus von ca. 147S11l wissen nicht, daß Graf Hein- rich von Gerlachshausen zum Geschlecht der Grafen von CasteIl gehörte. Auch der Stammbaum der Grafen von CasteIl kennt keinen Heinrich zum Jahr 1115.

106 Magna Gratia (wie Anm. 90), S. 57. 107 LUOEWIG (wie Anm. 36), S. 20. 108 WAGNER, Äbte von Megingaudshausen und Münsterschwarzach (wie Anm. 13), S. 1l4. 109 WOHLGEMUTH, Genealogia (wie Anm. 51), S. 49. 110 BAUSCH (wie Anm. 50), I. Bd., S. 24a bzw. TRUNK, I. Bd., 1. Teil, S. 37. 111 Magna Gratia (wie Anm. 90), S. 23.

211 FRANZISKUS BÜLL OSB

Graf Heinrich I. ist erst für die Zeit von 1235 bis 1254 und Graf Heinrich 11.für die Zeit von 1253-1307112 belegt. Vielleicht ist er aber jener Graf Heinrich iHenricus comes) der als Zeuge zusammen mit Rupert I. von Castell (hier noch ohne den Grafentitel) - und zwar vor Rupert I. von Castell- in den in den Monumenta Castellana aufgereihten Urkunden von 1097, 1104,1106 und 1115testiert'P. In der an diese vier Urkunden anschließenden Urkunde der Monumenta Castellana von 1130114 wird er nicht mehr erwähnt. Offensichtlich ist der testierende Graf Hein- rich vor 1130 gestorben. Aus den wenigen Angaben, die uns die vier Chroniken - Chronicon Minus, Chronicon Schwarzacense, die Chronik P. Leopolds und die Platanus Exaltata - geben, darf man schließen, daß Graf Heinrich von Gerlachshausen Grundherr von Gerlachshausen war, dessen Wohnsitz der mittelalterliche Burgstall, "das Schlößchen" in der Schloßgasse in Gerlachshausen, das nachmalige Haus des äbtlichen Schultheißen, gewesen sein dürfte. Aus dem Verlauf der Gemarkungs- grenzen zwischen Münsterschwarzach und Gerlachshausen muß man anneh- men, daß der Burgstall bereits in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts errichtet wurde, also mit der Gründung des ,,-Hausen"- Ortes Gerlachshausen, welche nach Puchner'P in diesem Zeitraum entstanden. Von diesem Burgstall aus, der am Main liegt, wurde die Mainfurt zwischen Schwarzenau und Münsterschwarz- ach kontrolliert. Dies geht daraus hervor, daß bei der Abtrennung der Münster- schwarzacher Gemarkung aus der Gemarkung von Gerlachshausen der entspre- chende Mainabschnitt gegenüber von Schwarzenau bei Gerlachshausen verblieb. Daß die Gemarkung Münsterschwarzachs aus der Gemarkung Gerlachshausens herausgenommen worden ist, läßt sich ebenfalls anhand des Verlaufs der Gemar- kungsgrenzen zwischen Gerlachshausen und Münsterschwarzach zeigen. Die Abtrennung der Münsterschwarzacher Gemarkung aus der Gerlachshäu- ser Gemarkung erfolgte z. Zt. der Gründung des Frauenklosters Münster- schwarzach, welche nach der Auswertung der Richtung der ersten Kirche Mün- sterschwarzachs um 780 geschah 116. Aus der Abtrennung der Münsterschwarz-

112 SI'ERL,CasteIl (wie Anm. 9), Stammtafel Iim Anhang. 113 Menumenta Castellana (wie Anm. 2), S. 2 u. 3, Nr. 4 bis 7; im Jahr 1115 verschenkt auch Graf Heinrich von Gerlachshausen seine Güter an das Kloster Schwarzach (!) (s. oben). 114 Menumenta Castellana (wie Anm. 2), S. 3, Nr. 8. 11S KARLPuCHNER, Die Ortsnamen auf -hausen in Unterfranken. in: Blätter für oberdeutsche Namenforschung, 5, Heft 1/2, 1962/1964, S. 10-15; vg!. dazu auch Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 35-tS. Zum Verlauf der Gemarkungsgrenzen zw. Gerlachshausen, Münster- schwarzach u. Stadtschwarzach vg!. Abb. 3. 116 RUOOLFECKSTEIN,FRANZISKUSBÜLL,DIETERHÖRNING,Die Ostung mittelalterlicher Klosterkir-

212 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATIONEN? acher Gemarkung aus der von Gerlachshausen geht hervor, daß Gerlachshausen bei der Gründung Münsterschwarzachs eine wichtige Rolle gespielt hat. Die Arbeit von Wilhelm Kohl über die Typologie der Frauenklöster des 9. Iahrhunderts!" hat gezeigt, daß die karolingischen Frauenklöster immer an einer verkehrsgünstigen Stelle und in der Nähe des beschützenden Stifters angesiedelt wurden. Von daher muß angenommen werden, daß der mittelalterliche Burgstall in Gerlachshausen auch Sitz des adligen Stifters gewesen ist. Dietmar Willoweit konnte zeigen, daß sich die Vogtei bereits zur Zeit Karls des Großen aus dem Eigenkirchenwesen heraus entwickelt hat!". So müssen wir annehmen, daß auch Münsterschwarzach bereits im 8./9. Jahrhundert einen Vogt besaß. Nachdem also davon ausgegangen werden darf, daß Münsterschwarzach bereits im 8. Jahrhundert von einem Advokatus beschützt wurde, der Vogt im Burgstall in Gerlachshausen residierte, wie die topographische Analyse zeigt, dieser Burgstall sich um 1115 im Besitz des Grafen Heinrich von Gerlachshausen befand - nach seinem Tod vor 1130119 nämlich wurde er aufgrund seiner Schen- kung an die Abtei nachmaliger Sitz der äbtlichen Schultheißen - und nachdem Graf Heinrich von Gerlachshausen nach den Aussagen der vier Münsterschwarz- acher Chronikeri'P Grundherr von Gerlachshausen und Patronatsherr der Ger- lachshäuser Pfarrkirche war, muß man annehmen, daß er auch die Vogtei über Münsterschwarzach innehatte bzw. von seinen Vorfahren ererbt hatte. Im Jahr 1148 wird dann zum ersten Mal ein Casteller, und zwar Rupert Ill. als advocatus nostre ecclesie nämlich der Kirche, d. h. des Klosters von Münster- schwarzach bezeichnet'!'. Offensichtlich ging in der Zeit zwischen 1130 und 1148 122 die Vogtei über Münsterschwarzach an die Herren von Castell über •

chen des Benediktiner- und Zisterzienserordens, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 106, 1995, S. 55. 117 WILHELMKOHL, Bemerkungen zur Typologie der Frauenklöster des 9. Jhdts. im westlichen Sachsen, in: Untersuchungen zu Klöster und Stift (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, Bd. 68, Studien zur Germania sacra, Bd. 14),1980, S. 136-137; zu dieser Thematik vg!. auch Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 14. 118 DIETMARWILLOWEIT,Vogt, Vogtei, in: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 5. Bd., 36. Lieferung 1993, Sp, 933 u. 939. 119 S. oben Text zur Anm. 114: Graf Heinrich nach den Urkunden der Monumenta Castellana (wie Anm.2). 120 S. Anmerkungen 106, 107, 109 u. 110. 121 Monumenta Castellana (wie Anm. 2), S. 9, Nr. 29. 122 Graf Rupert IV. tritt zwischen 1190 und 1213 ebenfalls als Vogt von Münsterschwarzach auf; s. Monumenta Castellana (wie Anm. 2), S. 18, Nr. 63.

213 FRANZISKUS BÜLL OSB

Diese Übertragung konnte freilich nur mit Einwilligung des Bischofs von Würzburg erfolgen. Das Kloster Schwarzach war von der Eigentümerin Äbtissin Theodrada, der Tochter Karls des Großen, 844123 in das Eigentum der Kirche Würzburgs gelangt. Friedrich Stein schreibt dazu124: "Das Hochstift Würzburg hat dies(es) Eigenthum am Kloster Schwarzach in dem nach des Grafen Ludwig Tode 1230 mit dessen Bruder Rupert errichteten Friedensvertrage ganz entschie- den festgehalten und anerkennen lassen. Da das Hochstift Würzburg die Eigen- thümerin war, so hatte dasselbe auch den Vogt zu bestellen und es wird in der That die Vogtei über das Kloster Schwarzach als ein von Würzburg an die Grafen von CasteIl gegebenes Lehen besonders genannt in dem Lehenbriefe des Bischofs Gottfried Ill. urn 1314./1 Diese Rechtslage wurde wieder nach den Restitutionsurkunden von 993, 999 und 1003125 hergestellt, nachdem sie im 10. Jahrhundert durch die Nachfolger der Mattonen de facto aufgehoben war. 1270 und 1272 tritt dann Graf Heinrich 11.von CasteIl als Vogt Schwarzachs auf126• Nachdem die Grafen von Castelllaut Urkunde von 1230127 in Gerlachshausen ebenfalls Besitzungen hatten, die sich nicht direkt von Graf Heinrich herleiten - er hatte ja 1115 bereits alle seine Besitzungen an die Abtei verkauft - , muß man annehmen, daß das Ministerialengeschlecht derer von CasteIl schon zur Zeit des Grafen Heinrich - also schon vor 1115 - diesen Besitz in Gerlachshausen inne- hatte. Da also Graf Heinrich von Gerlachshausen und die Herren von CasteIl in Gerlachshausen begütert waren und die Vogtei vom Grafen Heinrich von Ger- lachshausen auf die Herren von CasteIl überging, darf man annehmen, daß beide in kognatischer Beziehung stehen, so wie dies bereits P. Leopold Wohlgemuth OSB und P. Burkard Bausch OSB überliefert haben nach einer allerdings bis jetzt unbekannten Vorlage!". Wer waren nun die gemeinsamen Vorfahren des Grafen Heinrich von Ger- lachshausen und der Herren von Castell-'"? Wie bereits oben gezeigt, hatten die Mattonen und die Herren von CasteIl in denselben 22 Orten Besitzungen'P. Wird schon aufgrund dieser 22 Berührungs-

123 Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 349, Nr. 6. 124 STEIN,CasteIl (wie Anm. 1), S. 286. 125 Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 353-356, Nr. 9-11. 126 Monumenta Castellana (wie Anm. 2), S. 58, Nr. 170 und S. 62 u. 63, Nr. 178 u. 179. 127 Menumenta Castellana (wie Anm. 2), 5.50, Nr. 99. 128 S. Anm. 109 u. 110. 129 Seit 1205 Grafen, s. Menumenta Castellana (wie Anm. 2), S. 21, Nr. 72, davor Ministerialen gemäß Urkunde von 1115,s. Monumenta Castellana (wie Anm. 2 ), s. 5, Nr. 7. 130 S. Text zu den Anm. 77-89.

214 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATTONEN? punkte eine kognatische Beziehung wahrscheinlich, so mehr noch durch den Besitz in Deutenheim, der über die Mutter Hadaburg, über ihren Sohn Graf Megingaud und über dessen Sohn Marquard direkt an die Herren von Deuten- heim-Castell übergegangen sein dürfte+". Noch eine weitere Verbindung zwischen den Herren von Castell und den Mattonen läßt sich über Gerlachshausen-Münsterschwarzach herstellen. Wie schon oben gesagt132, besaß auch der Mattonenabkömmling Bischof Dra- cholf Gerlachshausen, das er nach seinem Tod dem Kloster Schwarzach ver- macht. Da, wie oben gezeigt133, auch noch - neben den Herren von Castell- Graf Heinrich von Gerlachshausen Besitzungen in Gerlachshausen hatte, die dann ebenfalls nach dem Tode Heinrichs an die Abtei fielen, kann es sich bei dem Besitz Dracholfs in Gerlachshausen nur um seinen Anteil von der Gesamtgemarkung Gerlachshausens handeln, den er dem coenobium Schwarzach schenkte. Mit Dra- cholf läßt sich also ein Mattone in Gerlachshausen nachweisen, von wo aus, wie oben durch den Hinweis auf die Abtrennung der Gemarkung Münsterschwarz- achs von der Gemarkung Gerlachshausens, Münsterschwarzach gegründet wor- den ist. Dadurch wird offenkundig, daß bei der Gründung des Frauenklosters Münsterschwarzachs die Mattonen mitgewirkt haben. Die adligen Klosterstiftungen dienten auch dazu, nachgeborene Töchter un- terzubringen. Nachdem, wie Stein gezeigt hat, Juliana eine Schwester des Grafen Megingaud, des Stifters des Klosters Megingaudshausen, gewesen ist und damit eine Mattonin war, und nachdem der Vergleich zwischen der Schenkung des monasteriolum Wenkheim einerseits und den Traditionen der Klöster der Äbtissin- nen Ernhilt, Aba und Hiltisnot andererseits gezeigt hat, daß die Abtei Julianas nicht Wenkheim gewesen sein kann, und nachdem schließlich Münsterschwarz- ach um 780134 von der mattonischen Siedlung Cerlachshausen-" aus gegründet wurde und damit eine mattanisehe Stiftung war, muß gefolgert werden, daß Juliana Äbtissin von Schwarzach gewesen sein dürfte. Dies wird noch durch eine

131 Der andere Besitz in Deutenheim, der von Graf Megingaud dem Kloster Megingaudshausen übergeben wurde, stammte von Matto 1., dem Vater Megingauds. 132 S. Text zu den Anmerkungen 80-87. 133 S. Text zu den Anmerkungen 106-114. 134 Analyse der Richtung der karolingischen Nonnenkirche, s. ECKSTEIN, Ostung (wie Anm. 116), 5.48-56. 135 Dies geht daraus hervor, daß der Mattonenabkömmling Dracholf, Bischof von Freising und Abt von Münsterschwarzach. im Besitz von Gerlachshausen ist (MGH DK 15.30, Nr. 33, s. auch den Text zu den Anmerkungen 80-85).

215 FRANZISKUSBÜLL aSB weitere Beobachtung nahegelegt: Münsterschwarzach wird in der Natitia de ser- vitia monasteriorum von 819 der Aachener Reichssynode aufgeführt''". Indieser Liste stehen nur Klöster, die der anianischen Reform angehörten und Königsklöster waren. Daß neben Megingaudshausen, das vom Stifter Graf Me- gingaud dem Reichsabt Benedikt von Aniane'F übergeben wurde und damit in die anianische Reform miteinbezogen war13S, auch das in der Natitia genannte Münsterschwarzach zum Kreis der Klöster der anianischen Reform gehörte, dürf- te davon herrühren, daß Juliana über ihren Bruder, Graf Megingaud, mit der Reform Benedikts von Aniane in Berührung kam-". Die Orte Gerlachshausen-Münsterschwarzach stehen inihrer Frühgeschichte mit den Mattonen in Beziehung, ebenso Graf Heinrich von Gerlachshausen als Besitzer der ehemaligen mattonischen Burg, dem Schlößchen in Gerlachshausen. Daraus darf eine kognatische Beziehung Graf Heinrichs von Gerlachshausen mit den Mattonen hergeleitet werden. Die Herren von Castell sind als dritte Grund- herren von Gerlachshausen-Münsterschwarzach durch das Erbe der Vogtei mit Graf Heinrich von Gerlachshausen kognatisch verbunden. Außerdem besitzen sie unabhängig von Graf Heinrich von Gerlachshausen inGerlachshausen Besitz. Von daher darf man schließen, daß der ehemalige mattonische Besitz in Ger- lachshausen in drei Teile zerlegt worden ist: Der eine Teil führt zum Bischof Dracholf, der zweite Teil zum Grafen Heinrich von Gerlachshausen und der dritte Teil zu den Herren von Casteil. Damit hätte in Gerlachshausen das Schema jener Realteilung seine Fortset- zung gefunden, wie es bei den Mattonen schon früher üblich war. So wurde die

136 MGH Legum sectio II - regum Francorurn, Bd. I, 1883, S. 350; PETRUSBECKER,in: KASSIUSHAL- LINGER(Hg.), Corpus Consuetudinum Monasticarum (CCM), Bd. I, 1963, S. 495; Die Notitia de seroitio monasteriorum, erstellt 819 auf der Aachener Reichssynode. teilt die Klöster in drei Kate- gorien (Steuerklassen) ein (5. dazu ausführlich: Monasterium Suuarzaha [wie Anm. 16], S. 71-87). Siehe Exkurs II S. 223-226. 137 S. Text des Exkurses I S. 219-223. 138 Da Megingaudshausen kein Königskloster war, konnte es auch nicht in der Notitia aufgenom- men werden. 139 Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 133-147. Im Verzeichnis der "Reliquiae" von 1626 wird das "caput S. Julianae martyris" aufgeführt (s. PAUL WEISENBERGER,Kunstpflege und Kunstbesitz der Abtei Münsterschwarzach a. Main im 15.-18. [hdt., in : Archiv des historischen Vereins von Mainfranken 71, 1938, S. 264). Wie aus dem Eigenkalender der Abtei vom Jahr 1481 hervorgeht, gennß die hI. Juliana in Münsterschwarzach eine besondere Verehrung (5. ANSELM ROSENTHAL,Martyrologium und Festkalender der Bursfelder Kongregation von den Anfängen der Kongregation [1446] bis zum nachtridentinischen Martyrologium Romanum [1584], 1984, S. 357). Wann diese Reliquie nach Münsterschwarzach kam und ob sie bereits aus dem Besitz des Frauenkinsters Münsterschwarzach stammt, ist unbekannt.

216 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATrONEN?

Hälfte des Geisenheimer Besitzes in drei Teile zerlegt: zwei Dritteile erhielt die mattonische ein Dritteil die huntolfsche Linie. Die zwei mattonischen Dritteile erhielt Graf Matto der Ältere, der vor 788 starb. Diese zwei mattonischen Dritteile erhalten dann dessen Kinder Matto der Jüngere, Graf Mengingaud und Juliana, die ihre Besitzungen teilweise an Fulda vermachtenl'". Die Analyse der Grundherren von Gerlachshausen-Münsterschwarzach zeigt, daß sie bzw. ihre Vorfahren, die Mattonen, eine dominierende Rolle in diesem Raum gespielt haben. Von daher wird verständlich, daß in der Schen- kungsurkunde Bischof Dracholfs von 918141 weder vom Würzburger Bischof - trotz Schenkungsurkunde Theodradas'P - noch von der Mitwirkung oder auch nur der Existenz eines regulären Abtes143 die Rede ist, da - entgegen der ur- sprünglichen Intention des Stifters von Megingaudshausen, des Grafen Me- gingaud,- der Mattonenabkömmling Dracholf Münsterschwarzach "in commen- da" hatte. Diese dominierende Stellung der Mattonennachkommen macht auch deutlich, warum in der Urkunde Kaiser Ottos Ill. von 993144 von den maligni (den Böswilligen) die Rede ist, die in arguta calliditate (in spitzfindiger Schlauheit) Münsterschwarzach der Würzburger Kirche, also dem Bischof, entzogen hatten.

Fassen wir zusammen: Das Thema lautet: "Die Grafen von Castell- Nachkom- men der Mattonen?" Ein lückenloser genealogischer Zusammenhang zwischen den Mattonen und den Grafen von Castell kann nicht aufgezeigt werden. Folgende Punkte stellen jedoch eine Verbindung zwischen den Mattonen des 8. und 9. Jahrhunderts und den aufgrund archäologischer Funde seit dem 9. Jahrhundert auf dem Herrenberg nachweisbaren Herren von Castell her: 1. Der gemeinsame Besitz in 22 Ortschaften. 2. Der nachweisliche Besitz Graf Megingauds und seiner Mutter Hadaburg in Deutenheim und der - möglicherweise sogar ursprüngliche - Stammsitz - oder zumindest Zweitsitz - der Herren von Castell in Deutenheim. 3. Der Besitz der Mattonen in Gerlachshausen-Münsterschwarzach und das Erbe der mattonischen Burg in Gerlachshausen in der Hand Graf Heinrichs von Gerlachshausen, der wiederum die Vogtei an die Herren von Castell vererbt, die ebenfalls Besitz in Gerlachshausen hatten.

140 STEIN,CasteIl (wie Anm. 1 ), S. 6. 141 MGH DK I S. 30, Nr. 33. 142 MGH DLD S. 43 Nr. 34 u. MGH DLD S. 115, Nr. 79, s. auch Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 349, Nr. 6 u. S. 351, Nr. 7. 143 WAGNER, Äbte von Megingaudshausen undMünsterschwarzach (wie Anm. 13), 5.93. 144 993 Dez. 12: DO III S. 551, Nr. 141, Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 353, Nr. 9.

217 FRANZISKUSBÜLL aSB

4. Der seltene Name Marquard, des Sohnes Graf Megingauds, taucht nachweis- lich 1224- 1254in der Genealogie der Grafen von CasteIl auf. 5. Noch im Jahr 1554kann Graf Heinrich IV. von CasteIl dem Domkapitel zu Würzburg, sinngemäß nach Sperl zitiert145, zurufen: "Wir sind vor diesen Bischöfen von Würzburg - also zu Zeiten der Merowinger - die Herren des Landes gewesen!"I46. Zu den Mattonen gehört höchstwahrscheinlich auch Fastrada, die dritte Gattin Karls des Großen und die Mutter Theodradas. Theodrada, die 814 Äbtissin von Argenteuil bei Paris wurde, taucht wohl erst um 840 in Schwarzach auf. 840 erfolgte nämlich der erste Angriff der Normannen auf Paris. Daß Theodrada Schwarzach wählte, hing offensichtlich damit zusammeri, daß sie aufSchwarzach Ansprüche hatte, weil ihre Mutter an der Gründung Schwarzachs beteiligt war147• Daß Karl der Große, der von sich aus zwar keine Klostergründungen vorgenom- l48 men hatte , aber dennoch an der Gründung Münsterschwarzachs beteiligt war, geht aus den Patrozinien der ersten Klosterkirche Schwarzachs hervor: Neben Benedikt treten die fränkischen Reichsheiligen Martin und Dionysius auf149• Sind auch keine authentischen und unverfälschten schriftlichen Urkunden überliefert, die einen genealogischen Zusammenhang zwischen den Mattonen und den Grafen von Castelllückenlos offenlegen, so darf doch anhand zahlrei- cher diplomatischer, chronikalischer, topographischer und archäologischer An- gaben und Schlußfolgerungen und damit auf induktivem Weg auf ein kognati- sches Verhältnis zwischen den Mattonen und den Grafen von CasteIl geschlossen werden. Dennoch bleiben noch viele Fragen offen und harren weiterer Antwor- ten. Soll der Kenntnisstand der Frühgeschichte unseres Landes ein Stück weiter-

145 SrERL,Casteil (wie Anm. 9), S. 13. 146 Die Mettonen lassen sich möglicherweise nach Westfranken, also in das heutige Frankreich, zurückverfolgen. Auch hier taucht noch im Mittelalter der Name Maingot auf. Der Erstgebo- rene der Grafen von Surgeres in Poitou trug immer als Zweitnamen den Namen "Maingot" (loUIS VIALART,Histoire genealogique de la maison de Surgeres en Poitou, Paris 1717, S. 10 u. 29). Über die Mattonen in Frankreich: JEANETTEGRAVIERMAINGOT,(Le Vieux Toit, 34 ave de la Bizontine, F-14390 Cabourg), Les Maingot, Uns saga medievale en Poitou, Vendee, Charentes, 1997, Ms. im Klosterarchiv Münsterschwarzach Sig. Rep. B II 189. 147 WAGNER,Die Äbte von Megingaudshausen und Münsterschwarzach (wie Anm. 13), S. 87; Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 106. 148 ALBERTHAUCK,Kirchengeschichte Deutschlands, Bd. 2, 3. u. 4. Aufl., S. 578 ff. 149 ECKSTEIN,Ostung (wie Anm. 116), S. 48-56.

218 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATrONEN? kommen, so ist zu fordern, daß - wie beim Herrenberg bereits geschehen - noch der Laimbachgrund, die postulierten Plätze der drei Castelle bei Oberlaimbach und der Burgstall in Gerlachshausen mit den klassischen und modernen Metho- den der Archäologie, also der Luftbildarchäologie, der geophysikalischen Verfah- ren etc. erforscht werden.

Anhang

Exkurs I

Abt Benedikt von Aniane und das Kloster Megingaudshausen

Vgl. Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16), S. 136. Da kein direktes Zeugnis vorliegt, daß Benedikt von Aniane das Kloster in Megingaudshausen am Laim- bach übergeben worden ist, um den Aufbau zu überwachen, kann auch nicht absolut zweifelsfrei Benedikt von Aniane mit dem in der Urkunde von 816 ge- nannten Abt Benedikt identifiziert werden. Dennoch darf man davon ausgehen, daß die übergeordnete Überwachung des Aufbaus Megingaudshausens Benedikt von Aniane anvertraut wurde (vgl. STEIN,Castell [wie Anm. 1], S. 8 u. SPERL, Castell [wie Anm. 9], 5.12), da mehrere Indizien dafür sprechen: 1. Die Urkunde von 816 ist ganz im Sinne des großen Reformabtes geschrieben (s. Monasterium Suuarzaha [wie Anm. 16], 5.133-147; vgl. auch Vita Benedicti abbatis Anianensis et Indensis, in: MGH SS XV 207). 2. Der Mönch Theutgar von Megingaudshausen widmet die von ihm angefertigte Abschrift des Kommentars des hI. Beda Venera- bilis seinem Abt Benedikt mit den Worten "alme pater Benedicte, culmen summi honoris". Auf keinen anderen Abt mit Namen Benedikt dürfte um 816 eine solche Formulierung zutreffen. (VgI. dazu: KARLSTRECKER,MGH PL VI,l, 5.174, Nr. 9; HEINRICHWAGNER,Die Äbte von Megingaudshausen und Münsterschwarzach im Mittelalter [wie Anm. 13] S. 80-82). 3. P. BURKARDBAUSCHOSB schreibt in seiner dreibändigen Chronik der Abtei Münsterschwarzach .Platanus Exaltata" (lat. Hs, I. Bd., 1698, S. 4b [Klosterarchiv Sig. 11A Sa bzw. Übersetzung von P. LEO TRUNKOSB, Ms in der Abteibibliothek und im Klosterarchiv, I. Bd., 1980, S. 7]): "Im Jahr unseres Heils 815, als unser Kloster fast in jeder Hinsicht vollendet war, wurde durch den Grafen Megingaud von Rothenburg aus Westfranken herbeige- rufen Benedikt I. von edler Abstammung mit zwölf gallischen Mönchen, denen er auch als Abt vorgesetzt wurde; ihm wurde durch die Hände Megingauds das von

219 FRANZISKUS BÜLL OSB

diesem gegründete Kloster übergeben." P. LEOPOLDWOHLGEMUTHOSB schreibt in seinem Diarium sive Genealogia abbaturn Monasterii Schwarzacensis von 1680 (Hs im Pfarrarchiv Wiesentheid Nr. 3B, Kopie in der Abteibibliothek und im Klosterarchiv Sig II A 4) S. 25: "beruhfete Megingaudus aus Frankreich 13 from- me gelehrte Männer ordens des h. Benedicti". Benedikt vonAniane stammte aus GaIlien/Westfranken (francia ocddentalis [Anm. d. Verf.]!Frankreich) und wie kein anderer hatte er beste Beziehungen nach GalIien. 4. Über den ersten Abt Benedikt schreibt P. BURKARDBAUSCHOSB in der Klosterchronik Platanus Exal- tata, I. Bd., S. 5a (s. oben bzw. TRUNKI. Bd., S. B): "Mag auch die Zahl der Jahre, in denen dieser ehrwürdige Abt Benedikt das Kloster leitete, und gleicherweise auch seine anderen Taten sich nicht in unseren ältesten Chroniken finden, viel- leicht weil keine geschrieben wurden oder weil sie, falls sie geschrieben wurden, verlorengingen, wie auch - das ist gewiß - viele andere bei den verschiedenen Zerstörungen und Bränden des Klosters verlorengingen, trotzdem wird nach älteren Überlieferungen berichtet, daß der oft genannte Abt Benedikt ... mit ei- nem solch guten Ruf wegen seiner und der Seinen Frömmigkeit wie auch wegen seiner Lehre (glänzte), daß er im gesamten Reich bekannt wurde. Auf diesen guten Ruf hin holte Kaiser Ludwig der Fromme Benedikt zu sich nach Köln (sic!) und hatte ihn gern. Aber weil der fromme Mann auf dasAnsuchen eines gewissen Grafen Alberich sich nicht hatte einlassen wollen, wurde er von diesem ... gefan- gen genommmen .... Im folgenden Jahr wurde er nach Trier fortgeschleppt und enthauptet ... Sein Tod wurde in unserem Kloster nicht bekannt bis zum Jahr 843, in dem die Mönche von St. Maximin den Leichnam des ehrwürdigen Mannes auf die Aussage eines Dieners des Alberich hin an dem unbekannten Ort ausgruben und in ihre Kirche verbrachten." Einfacher berichtet die Chronik des LAURENTIUS DANIELHARTMANNOSB von ea. 1619 (LEOTRUNK,Die Chronik des Laurentius Daniel Hartmann in der Universitätsbibliothek Würzburg, in: Magna Gratia, Festschrift zum 50jährigen Weihejubiläum der Abteikirche Münsterschwarzach 1938-1988 [Münsterschwarzacher Studien 41], 1992, S. 53): "Abt Regino schreibt, er (se, Abt Benedikt) sei von einem gewissen Grafen Alberich im Kloster des heiligen Sixtus niedergeschlagen worden, nach Trier verbracht und dort zu St. Maximin bestattet worden". Nach beiden Chroniken wurde also Abt Benedikt ermordet. Hartmann gibt seine Quelle an, die Chronik des Abtes Regino von - Prüm. Danach wurde im Jahr B92 .mense Augusto, 5. Kalendas Septembr. Megingau- dus comes, nepos supradicii Odonis regis, dolo interfeetus est ab Alberieo et sociis eius in monasterio sancti Xysti, quod vacatur Rotila; cuius corpus Treverim deportatum, apud sanctum Maximinum est sepulium" (MGH SS I 604 u. 605). Nach dem Chronicon Reginonis wurde also nicht ein Abt Benedikt, sondern ein Graf Megingaud er- mordet (zu diesem Graf Megingaud vgl. ERNSTDÜMMLER,Die handschriftliche

220 DIE GRAFENVONCASTELL- NACHKOMMENDERMATTONEN?

Überlieferung der lateinischen Dichtungen aus der Zeit der Karolinger, in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde, 1879, S. 567 Nr. XXXVII). Die "älteren Überlieferungen" enthalten also Fehler. Möglicherwei- se hat ein Historiograph einen einfachen Text ergänzt. Dabei ist ihm noch eine Verwechslung unterlaufen. Vielleicht enthielt der ursprüngliche Text nur die Aussage, daß Abt Benedikt ein Vertrauter Ludwigs des Frommen war und eines unnatürlichen Todes gestorben ist. Nun schreibt PlUSENGELBERTOSB in seinem Artikel über .Benedikt von Aniane und die karolingische Reichsidee - Zur poli- tischen Theologie des Frühmittelalters", in: Cultura e spiritualita nella tradizione monastica (Hg. GREGORIOPENCO),Studia Anselmiana, Rom, 1990, S. 101 u. 102: "Benedikt von Aniane starb überraschend am 11.Februar 822 (sicl). Am 7. Februar - adhuc sanus - hatte er noch in der Pfalz zu Aachen mit dem Kaiser über politische Entscheidungen beraten. ,Am selben Tag vom Fieber erfaßt', kehrte er in seine Wohnung in Aachen zurück. Dort empfing er den Besuch des Kanzlers Helisachar und vieler Bischöfe, Äbte und Mönche. Da die Krankheit sich ver- schlimmerte, wurde er auf Befehl Ludwigs nach Inden gebracht, wo er starb. Ging bei Benedikts plötzlicher Erkrankung alles mit rechten Dingen zu? Mehr als einen undeutlichen Verdacht erlaubt die Quellenlage nicht. Aber ist es ganz abwegig? Ein Mann in seiner Stellung hatte viele Feinde." 5. In der Liste der Aachener Reichssynode von 819, der Notitia de servitio monasteriorum (MGH Legum sectio 11 - regum Francorum, 1. Bd. 1883, S. 350; PETRUSBECKER,in: KASSIUSHALLINGER, (Hg.), Corpus Consuetudinum Monasticarum, 1. Bd., 1963, S. 495), befinden sich nur solche Klöster, die sich der anianischen Reform angeschlossen haben und Königsklöster (Monasterium Suuarzaha [wie Anm. 16], S. 81) waren. Das Frauen- kloster Münsterschwarzach ist in der zweiten Gruppe dieser Liste aufgeführt (s. Anm. 136). Die Verbindung Münsterschwarzachs zu Benedikt von Aniane erfolgte möglicherweise durch Graf Megingaud (vgl. dazu Monasterium Suuar- zaha [wie Anm. 16], S. 147- 51), dessen Schwester Juliana Äbtissin von Münster- schwarzach war. 6. Von Abt Benedikt wurde nachweislich mindestens ab 1525 kein Jahresgedächtnis des großen Reformabtes mehr in Münsterschwarzach ge- feiert, weil man seinen Todestag nicht mehr kannte. Wie P. BURKARDBAUSCHOSB ausführte (s. oben unter Nr. 4), verwüsteten mehrere Brände und Zerstörungen das Kloster (1228, s. Platanus Exaltata [sooben unter Nr. 4] I. Bd., S. 39b = TRUNK, I.Bd. 1.Teil, S. 63, 1283, s. Platanus Exaltata, I.Bd., S. 53b u. 54a = TRUNK,I.Bd. 1. Teil, S. 82 u. 83 und 1525 s. Platanus Exaltata, 11. Bd., 1699, S. 34a = TRUNK,11. Bd. 1. Teil, 1981, S. 56). Im Bauernkrieg 1525 wurde mit dem Archiv und der Bibliothek auch das Nekrologium verbrannt. Danach wurde es aus dem Gedächtnis wieder rekonstruiert - mit vielen Fehlern und Auslassungen (Dieses fehlerhafte Nekro- logium wurde bearbeitet von FRANZXAVERWEGELE,Zur Literatur und Kritik der

221 FRANZISKUSBÜLL aSB

fränkischen Nekrologien, Nördlingen 1864; vgI. auch HEINRICHWAGNER,Die Äbte von Megingaudshausen und Münsterschwarzach im Mittelalter [wie Anm. 13], S. 70 bis 152). Benedikt v. Aniane geriet in Münsterschwarzach in Vergessen- heit. Damit vollzog sich in Münsterschwarzach die gleiche Situation wie in In- den/Kornelimünster. So schreibt ERNSTHÖNINGS(in: Benedikt von Aniane und die Gründung Inda/Kornelimünster, Kornelimünster 1992, S. 65): "Das Anden- ken Benedikts (versank) in Inda (sic!) so sehr, daß wir in den folgenden Jahrhun- derten [d. h. seit dem 10. [hdt., Anm. d. Verf.] keinerlei Spuren mehr von ihm finden .... Wenn man im Lauf des späteren Mittelalters auf das ehrwürdige Alter der Inde-Abtei hinweisen wollte, dann führte man ihren Ursprung einfach auf Karl den Großen zurück. So wenig waren den Nachfolgern des hI. Benedikt von Aniane die wahren Wurzeln ihrer Existenz noch bewußt". So wird Benedikt von Aniane in dem Kalendarium aus der ehemaligen Reichsabtei Kornelimünster von 1414 nicht erwähnt (EDMUNDE. STENGEL,Die Immunitätsurkunde Ludwigs des Frommen für das Kloster Inden [Kornelimünster], in: Abhandlungen und Unter- suchungen zur mittelalterlichen Geschichte, Köln/Graz, 1960, S. 251-252; NaR- BERTKÜHN, Die Reichsabtei Kornelimünster im Mittelalter [Veröffentlichungen des Stadtarchivs Aachen 3], Aachen 1982; FRANZMAINZ, Beobachtungen an ei- nem mittelalterlichen Kalendarium aus der ehemaligen Reichsabtei Kornelimün- ster im Bestand der Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Ms. Borussica fol. 748 fol. llr-22v, 1995, Ms. Klosterarchiv Münsterschwarzach Sig. Rep. AI 373).7. Nach JOSEFSEMMLER,Zeitschrift für Kirchengeschichte 107, 1996, S. 98 sei Zweifel an der Identität des Megingaudeshausener Gründerabtes mit dem benediktinischen Reformator des karolingerzeitlichen Mönchtums geboten, weil Mainfranken weitab vom geographisch beschränkten Wirkungskreis Bene- dikts von Aniane lag. Benedikt von Aniane läßt sich jedoch offenbar in Fulda nachweisen. In Fulda, das nach der Notitia de servitio monasteriorum (s. Anm. 136) mit noch weiter östlich gelegenen Klöstern zur anianischen Reform gehörte, be- sorgte er sich einige Bücher: .Istos Iibros abstulit abbas inde" steht über einer Liste von Buchtiteln auf einem Katalogblatt, das unter den Codices Palatini der Vatika- nischen Bibliothek gefunden wurde. Darauf hat VIRGILREDLICH(Zur Fuldaer Bibliotheks- und Geistesgeschichte, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 43 [NF 12], 1925, S. 201; vgl. auch TH. GaITLIEB, Über mittelalterliche Bibliotheken, Leipzig, 1890, S. 32) hingewiesen mit den Worten: "Man nahm sich bisher nicht die Mühe, ihn (se, diesen Vermerk [Anm. d. Verf.]) zu deuten und war geneigt, das inde örtlich oder zeitlich aufzufassen. Aber es steckt offensichtlich ein Name dahinter. Der Abbas inde ist der Abt von Corneli- münster bei Aachen, einer Abtei, die im Frühmittelalter, weil an dem flüßchen Inde gelegen (ad indam) einfach als Inde bezeichnet wird". Man darf also anneh-

222 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATrONEN? men, daß Benedikt von Aniane die Reichsabtei an der Fulda besucht hat. Fulda, das zur Diözese Würzburg gehörte, war durch eine Fernstraße über Hammelburg mit Würzburg verbunden. Ebenso führte eine Reichsstraße von Würzburg aus über Kitzingen, Markt Bibart zur karolingischen Pfalz Forchheim. Bei Markt Bib- artwird Megingaudshausen/Oberlaimbach gesucht, das direkt an der Fernstraße (heute Bundesstraße 8) liegt. Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen war sehr an der Ausbreitung des christlichen Glaubens in der "terra Sclavorum", also im Slawenland, gelegen (ALFREDWENDEHORST,Das Bistum Würzburg I: Die Bischofsreihe bis 1254 [Germania Sacra NF 1], 1962, S. 32; MGH Legum sectio V [Formulae Merowingici et Karolini aevi] 1886, Nr. 40, S. 318; MGH OLD, Nr. 42, 5.56; MGH DArn, Nr. 68, S. 102; FRANZISKUSBÜLLOSB, Das Sandsteinrelief in Großbirkach - ein frühmittelalterliches Rechtsdenkmal?, in: Magna Gratia [wie Anm. 13], S. 159-163). Die Grundsteinlegung Megingaudshausens, die schon einige Jahre vor der Übergabe an Abt Benedikt im Jahr 816 erfolgt sein dürfte, ist im Rahmen dieses von Karl und Ludwig geförderten Missionsauftrags zu sehen. Von daher ist es nicht verwunderlich, daß in die Hände Benedikts von Aniane die Konsolidierung Megingaudshausens gelegt wurde, das .von Fulda bzw. Würz- burg aus leicht zu erreichen war.

Exkurs II

Das Monasterium Suarizaha in der Notitia de servitio monasteriorum der Aachener Reichssynode von 819

Die notitia de servitio monasteriorum, erstellt 819 auf der Reichssynode in Aachen (s. Anm. 136), teilt die Klöster in drei Kategorien (Steuerklassen) ein (s. dazu Monasterium Suuarzaha [wie Anm. 16], 5.71-87). Das Monasterium Suarizaha wird in der mittleren Kategorie (Haecsunt, quae tantum dona daredebent sine militia) in der Unterabteilung Ultra Rhenum erwähnt. Nur in dieser mittleren Kategorie taucht - neben der Unterabteilung in - die weitere Unterabteilung in Alamannia auf, obwohl auch in der ersten und dritten Kategorie je ein Kloster genannt wird, das im Stammesgebiet der Alemannen und im karolingischen Verwaltungsgebiet Alamannia liegt - und zwar unter der Unterabteilung Ultra Rhenum - , nämlich die rechtsrheinischen Klöster Offenweiler (= Schuttern, ehe- malige Diözese Straßburg) und Stettwang (Diözese Augsburg: nach der

MGH-Edition Scewang, nach der CCM-Edition Sceubbuano [ist wohl 11 t" in 11 e" 1 11 tt" in "u" und .s:" in "o" falsch übertragen worden, so daß Stettbbuanc zu lesen ist],

223 FRANZISKUS BÜLL OSB

Stetitmuanc, Scewanc und Schewanc). Die Einfügung der Unterabteilung in Aleman- nia nur in die zweite Kategorie muß einen Grund haben. Um diese Darstellungs- weise verstehen zu können, gilt es, die Logik des gesamten Textes und folgende Tatsachen zu beachten: 1. Das Kloster Schwarzach am Rhein, liegt ultra Rhenum und in Alamannia, also im alemannischen Stammesgebiet und im Gebiet Aleman- nia nach der fränkischen Reichseinteilung. Die nördliche Grenze Alamanniens im Reich der Franken bildeten von Westen nach Osten die Lauter (nördlich des Hagenauer Forstes), Hornisgrinde, Enz, Teinach, Hohen-Asperg. Einkorn bei Schwäbisch Hall und der Hesselberg (freundl. Mitteilung von Herrn Prof. Gerd Zimmermann/Bamberg, vg!. auch Eduard Nübling, Studien und Berichte zur Geschichts-, Mundart- und Namenforschung Bayerisch-Schwabens, 1988, 5.109; Dieter Guenich, Zwischen Loyalität und Rebellion, Die Alamannen unter fränki- scher Herrschaft in: Die Alamannen [Begleitband zur Ausstellung "Die Alaman- nen"), Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hg.), 1997, 5.204). 2. Das Frauenkloster Schwarzach am Main wurde um 780 gegründet. Das geht aus der Analyse der Richtung der karolingischen Kirche hervor (Eckstein, Ostung [wie Anm. 116), S. 48-56). Im Jahr 819 gab es also zwei Klöster mit Namen Schwarzach ultra Rhenum. Um das in der Notitia gemeinte Schwarzach eindeutig bestimmen zu können, muß eine direkte oder indirekte Ortsangabe gemacht werden. Der Verfasser wählte die indirekte, nämlich das Ausschlußprinzip. Da- durch, daß er in die zweite Kategorie den Untertitel in Alamannia einführte und hier das Monasterium Suarizaha nicht angab, sondern in dem Gebiet Ultra Rhenum, also außerhalb Alamanniens, kann hier nicht das Schwarzach am Rhein, sondern nur das Schwarzach am Main gemeint sein. Der Standort Schwarzach am Main wird also im Komplement von Alemannien festgelegt. [osef Semmler schreibt in seiner Rezension des Buches Monasterium Suuarzaha (wie Anm. 16) (Zeitschrift für Kirchengeschichte, 107, Heft 1, 1996, 5.91): "Die Notitia plaziert das monaste- rium Suarizaha "ultra Rhenum", worunter Büll (5. 75, Anm. 11a) ,das gesamte rechtsrheinische Gebiet außerhalb der Grenzen Bayerns und Alemanniens' ver- steht. Eben diese Lagebezeichnung gibt die Notitia auch für Schwarzachs Nach- barkloster OffunwiIlare = Schuttern an (Anm. 11 [bei Semmler): Ob das ebenfalls ultra Rhenum gelegene monasterium Sceubbuano mit Stettwang richtig identifi- ziert ist, erscheint äußerst fraglich.), rechnet demnach den rechtsrheinischen Teil der alten Diözese Straßburg nicht zur Alemannia, wo Büll (5. 74) Schwarzach am Rhein unterbringen will." Semmler behauptet also, der Verfasser der Notitia habe die rechtsrheinischen Klöster der Diözese Straßburg aus dem Stammesgebiet der Alemannen und aus dem fränkischen Reichsgebiet Alamannia herausgenommen. Von daher würden Offenweiler und Stettwang in der Unterabteilung Ultra Rhe- num in der ersten bzw. dritten Kategorie erwähnt, die jeweils keine Unterabtei-

224 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATTONEN?

lung in Alamannia kennt. Zu dieser Behauptung ist Semmler entgegenzuhalten, daß ein Diözesangebiet keine Trennung vom Stammesgebiet bzw. politischen Verwaltungsgebiet nach sich zieht. Damit erübrigt sich eine Untersuchung - Semmler gibt keine Gründe an, warum es "äußerst fraglich ist, daß das ebenfalls ultra Rhenum gelegene monasterium Sceubbuano mit Stettwang richtig identifi- ziert ist", eine Infragestellung, die sich aus der Behauptung Semmlers zwingend ergibt -, ob Seewane (so MGH) zur Augsburger Diözese gehört oder nicht und, falls es nicht im Augsburger Diözesangebiet liegt, welches Kloster es dann im rechtsrheinischen Teil der Diözese Straßburg gewesen sein sollte, wie es die Ar- gumentation Semmlers verlangte. Semmler unternimmt jedoch nicht einmal den Versuch einer Identifikation Seewanes im rechtsrheinischen Teil der Diözese Straß- burg. Nach Friedrich Zoepfl, Das Bistum Augsburg und seine Bischöfe [m Mittel- alter, 1955, S. 47 (s. auch S. 48, Anm. 1) "war (die cellula Stetiwanc/Stöttwang [Landkreis KaufbeurenJ) von ihrem nicht bekannten Gründer Kaiser Karl d. Gro- ßen übergeben und damit königliches Gotteshaus geworden. Ludwig d. Fromme aber schenkte am 25. Februar 831 die Marienzelle Stöttwang mit ihren Mönchen dem Kloster Kempten". Stöttwang war also 831 eine Zelle und damit ein kleines Kloster. Das entspräche der Angabe der Notitia, nach der Seewane zur dritten Kategorie, also zur Gruppe jener Klöster gehörte, die nee dona nee militiam dare debent, sed solas orationes pro salute imperatoris vel filiorum eius et stabilitate imperii verrichten sollten. Semmler hat übrigens die Anmerkung lla im ,Monasterium Suuarzaha' (wie Anm. 16) nur zur Hälfte und damit mißverständlich wiederge- geben. Die ganze Anmerkung Ha lautet: " ,Ultra Rhenum' bedeutet also a) (aller- dings nur theoretisch) das gesamte rechtsrheinische Gebiet des Frankenreiches (1. Definition), b) das gesamte rechtsrheinische Gebiet außerhalb Bayerns (2. Defini- tion) und c) das gesamte rechtsrheinische Gebiet außerhalb der Grenzen Bayerns und Alemanniens (3. Definition). In der Beschreibung der 1. und Ill. Steuerklasse wird die 2. Definition und in der 11.Steuerklasse die 3. Definition verwandt. Eine genaue Angabe des am Main liegenden Monasterium Suarizaha ist für den Schreiber der Notitia von 819 auch deshalb schwer, da der Name Francia 819 für die Mainlande noch nicht (und der Name nicht mehr) üblich war, sondern der Name pars Australium (Franeorum) (welcher auch die linke Rhein- hälfte bis Metz einschloß) (s. Franz [osef Schmale, Die Eingliederung Thüringens in das merowingische Frankenreich, in: Max Spindler [Hg.], Handbuch der Baye- rischen Geschichte, Bd. 3/1, 1971, S. 4-5 u. Wilhelm Störmer, Vom Land ohne Namen zur Francia orientalis, in: Peter Kolb u. Ernst-Günther Krenig [wie Anm. 79], S. 153, 154 u. 198 [Anm. 3]). Indirekt läßt sich durch die Auswertung der Baulinie der ersten Kirche im Bereich der heutigen Klosterkirche Schwarzachs am Rhein (Institut für Baugeschichte an der Universität Karlsruhe, Die ehemalige

225 FRANZISKUS BÜLL OSB

Benediktinerabtei Schwarzach (Bühler Blaue Hefte 20),1969, Abb. 123 bzw. Aus- zug aus dem Liegenschaftskataster Rheinmünster der Gemarkung Schwarzach für Flurstück Nr. 130/1 vom 23.4.1996 vom StaatL Vermessungsamt Rastadt, Außenstelle Bühl) zeigen, daß die erste Kirche mit T = 3 I (dazu vgL Eckstein, Ostung, [wie Anm. 116], S. 16) um das Jahr 780 mit einer Richtung von -26,5° gebaut wurde. Diese erste Kirche war dem hl, Petrus (1. August) mit w = 26,38°, der Gottesmutter Maria (2. Februar) mit w = -24,79° und dem hI. Martin (11. November) mit w = -28° geweiht. Die Addition der drei Winkel ergibt -26,4°. Damit ist also die Richtung von -26,5° ermittelt. Die erste Kirche auf der rechten Rheinseite hatte also ein Martinus-, aber kein Dionysiuspatrozinium. Das heißt wiederum, daß Schwarzach am Rhein um 780 keine Beziehung zu Karl d. Großen hatte bzw. in dieser Zeit kein Reichskloster war. Andernfalls wären beim Bau der Kirche von 780 die Reichspatrone Martin und Dionysius in die Baulinie eingeflos- sen, so wie dies seit der Zeit Karls d. Großen üblich war, wie die bisherigen Ermittlungen (s. Eckstein, Ostung, [wie Anm. 116], S. 29) gezeigt haben. Das Martinspatrozinium könnte bedeuten, daß z. Zt. der Gründung Schwarzachs am Rhein Beziehungen zu den Merowingern (5. Eckstein, Ostung, [wie Anm. 116], S. 31, Anm. 75) bzw. zum fränkischen Kulturkreis bestanden haben (VgL z. B. den Bau der Martinskirche auf dem Kastell [heute Handelskammer] in Straßburg durch Clod wig I. und auch das Martinspatrozinium von Weltenburg an der Do- nau.).

226 Abschrift der Stiftungsurkunde des Benediktinerklosters Megingaudshausen, Univ. Bibliothek Erlangen Ms. 211/4,3r - 4r (Kopialbuchrest um 1320 aus dem Benediktinerkloster St. Stephan in Würzburg). ------_.,---_ .._--~,------t

If· • ) I. Die Gründungsurkunde von Megingaudshausen-Münsterschwarzach

Graf Megingaud und seine Gemahlin lmma stiften in ihrem Ort Megingaudshausen am Laimbach im lffgau ein Benediktinerkloster zu Ehren des Herrn und Erlösers. Sie statten es aus mit ihrem Ort Megingaudshausen und einem Weingarten zu Scheinfeld und mit Gütern zu (Markt) Bibart, und (Groß-/Klein-)Langheim, mit dem CasteIl bei Me- gingaudshausen und mit Gütern zu Bullenheim und Dornheim sowie im Ehegau mit den Orten Krassolzheim, Ullstadt, (Kraut-)Ostheim, Deutenheim und Ezelheim mit Ausnah- me der Besitzungen seiner Mutter Hadaburg. Megingaudshausen 816 März

Original verschollen. - Abschrift (um 1320): Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 211/4, BI. 3'-4' (Rest eines Kopialbuches aus dem Kloster St. Stephan in Würzburg). Drucke: Chronicon Schwarzacense, in: J. P. Ludwig, Novum Volumen scriptorum rerum Germani- carum ll, Leipzig 1718, S. 3-6; J. G. v. Eckhart. Commentarii de rebus Franciae Orientalis et Episcopatus Wirceburgensis ll, Würzburg 1729, S. 878-880; Ae. Ussermann, Episcopatus Wirceburgensis, St. Blasien 1794, Cod. probat. S. 7-8 Nr. 6; F. Stein, Geschichte der Grafen und Herren zu CasteIl, SchweinJurt 1892, S. 297-299; B. Schmeidler, Fränkische Urkundenstudien 1: Die Urkunde über die Gründung des Klosters Megingaudshausen vom Jahr 816, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 5, 1939, S. 80-84 (kriti- sche Edition); G. Vogt, Zur Frühgeschichte der Abtei Münsterschwarzach, in: Mainfränkisches Jahrbuch 32,1980, S. 52/; F. Büll, Das Monasterium Suuarzaha, ein Beitrag zur Geschichte des Frauenklosters Münsterschwarzach von 788 (?) bis 877 (?) (Münsterschwarzacher Studien 42), 1992, S. 345-348 Nr. 4. Deutsche Übersetzung: K. Hallinger, Geschichte der Abtei bis 1803, in: Münsterschwarzach Heut und Einst, Münsterschwarzach 1938, S. 114-116.

Dum fragilitas humani generis ultimum vitae terminum pertimeseit subitaneam- que transpositionem formidet, oportet, ut, sibi dum adhuc vacat, prespicere de- beat, quatenus post hane vitam ad aeternam beatitudinem Domino favente felici- ter pervenire queat. Idcirco in nomine Dei patris omnipotentis ego Megingaudus illuster vir comes et uxor mea Imma ista pertractantes Domino ut credimus inspi- rante pari devotione placuit nobis in locello iure nostro, quo modo vocatur Megingauzeshusen, super fluvium Leimbach inpago Ypfigauim monasterium et habitationem monachorum secundum regulam sancti Benedicti degentium in honore Domini et Salvatoris nostri construere ac a die praesenti in eorum de nostro iure tradere potestatem ad hoc opus peragendum et ordinandum possi- dentium, quod ita et fecimus. Tradimus vobis atque concedimus tibi Benedicto et monachis tuis praesentibus et futuris servis Dei et peregrinis ipsum iam dictum locum cum omnibus commanentibus mancipiis et rebus ad ipsum sanctum locum cum omnibus commanentibus mancipiis et rebus ad ipsum sanctum locum per- tinentibus quantumcumque ibi visi sumus habere; similiter et [vineam] ad

230 DIE GRAFEN VON CASTELL - NACHKOMMEN DER MATrONEN?

ScheinfeIt. Cui etiam loco alias res nostras, quae in nostra potestate ac ditione de quolibet adtractu tarn in eodem pago quam in aliis Iods super insertis consistunt et ad nos legibus pertinere noscuntur, ad eorundem monachorum peregrinorum famulorum Dei praesentium ac futuro rum necessitatem suffragandam nihilomi- nus conferimus ac confirmamus perpetualiter ad habendum; id est in eodem pago ad Biberoth et ad Lancheim et ad Megingozzeshusen s(cilicet) Castel et ad Bullinheim et ad Dornheim; et in alio pago, qui dicitur Eegauue, Graszulzun, Ulgestat, Ostheim, Titenheim, Hezzelenheim, exceptis rebus, quas Hadaburc par- ens mea mihi tradidit, et mancipiis his nominibus: Bernardo, Rodoino, Racboldo, Lantfredo, Helbrid. Cedimus omnes nostros codices ac varia vasa vel vestimenta ecclesiastica, videlicet cruces, capsas, calices, patenas, coronas, thuribulos, cande- labra, planetas, dalmaticas, pallia, cloccas, banc os faltones cum argento et auro paratos necnon et alia utensilia, quae in monasterio sunt necessaria, multimo- darum specierum ac metallorum ac pecora generum diversorum. Haec omnia superius nominata cum mansis, mancipiis, terris, vineis, pratis, silvis, molendinis, piscatoriis, adiacentiis aquis aquarumve decursibus, cultum et incultum, quaesi- tum et inexquisitum cum omni superposito vel integritate sive aspectu memo ra- to, ut dictum est, loco cedimus atque subiungimus perpetualiter ad habendum ac possidendum. Ipsum autem locum cum omnibus his ibidem coUatis in iure ac potestate supradictorum monachorum sub regula sancti Benedicti degentium Dei famulorum peregrinorum praesentium et futurorum ad ipsum opus exercendum omni tempore permaneat atque consistat, et licentiam habeant sibi abbatem sec- undum regulam sancti Benedicti elegendi et constituendi. Et nullum parentern nostrum ac tutorem nee defensorum nec uUum mundiburdum tenendo, nee uUum hominem potestatem aliquam habendi nisi abbas soli Dei et regi subditus; monachi vero abbati propter Deum. Res vero non solum a nobis inibi collatas, verum etiam has, quas bonorum hominum benignitas in antea contulerit, nulla- tenus de supra iam dicto sancto loco permittatur auferri vel in usus saecularium distribui, sed potius ad stipendia monachorum sub regula sancti Benedicti degen- tium hospitumque ac pauperum ac peregrinorum in elemosinam tarn nostram quam eorum, qui eas ibidem dederunt, ac dominorum imperatorum praesentium et futurorum, ut quieti et absque ullo impedimento vel inquietudine a pontifice vel a quolibet homine liceat iam dietos servos Dei pro statu et pace sanctae ecclesiae seu pro incolumitate dominorum regum liceat quietos exorare et iugiter ibidem permanere. Si quid vero post hanc diem contra hanc pagiolam donationis, quam libenti animo in honore Domini ac Salvatoris nostri fieri vel adfirmare decrevimus, aut nos - quod Dominus non patiatur fieri - immutata voluntate aut quislibet homo vel aliquis de haeredibus meis ullam causationem [de hac parva electione, quam omnipotenti Deo offerimus, generare conatus fuerit, De]us

231 FRANZISKUS BÜLL OSS

De[orum et dominus dominantium] in prae[senti suam oblationem et] fam[ulos sibi servientes de]fen[dat et gubernet et in futurum] per suam [piissimam miseri- cordiam divinam. Insuper cui litem intu[lerit, [socio fisci auri libras] L eo[actus exsolvat et pe]tit[io eius nullum obtineat] effect[um, sed praesens chartula omni tempore inconvulsa permaneat, quam idcirco] firm[avimus et bonorum homi- num subscriptionibus roborare decrevimus. Actum Megingaudeshusen super fluvium Leymbach. Data in] mens[e mar- tio, anno ab] incarn[atione Domini DCCCXVI, reg]nant[te et imperante domino nostro] Ludou[ico serenissimo augus]to. Signum uxoris pistola adfirm Signum sius et Signum Signum

Lantfredus scripsit et subscripsit.

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