Video Arte Palazzo Castelmur Video Arte Palazzo Castelmur, 2013

Eine Ausstellung im Palazzo Castelmur, -Coltura

Herausgegeben von Progetti d’arte in Val und Céline Gaillard

Edition Luciano Fasciati · Chur 3

Inhalt

al plöv, la galina la fa l’öv Eric Lanz 6 Luciano Fasciati 43 «Tonal», 2013

Vorwort Zilla Leutenegger 8 Gian Andrea Walther 47 «Schlafender Hund», 2013 51 «Castelmurrrr», 2013 Coltura – Palazzo Castelmur 54 «Champagner Brunnen», 2013 12 Ludmila Seifert-Uherkovich Sissa Micheli Werkbeschreibungen 15 – 65 57 «Fragments From A Possible Past – Céline Gaillard 46° 20' 33.23'' N / 9° 34' 57.2'' E», 2013

Judith Albert Christoph Rütimann 15 «Reisende», 2013 61 «Handlauf Piz Duan – Corrimano Piz 19 «Projektion», 2013 Duan», 2013

Karin Bühler Simone Zaugg 20 «Ich sehe (was war)», 2013 65 «Berg und Beton», 2013

Evelina Cajacob Castelmur sehen – Strategien in Zeit 23 «Incrésciar – LangeZeit», 2013 und Raum 68 Dr. Katharina Ammann frölicher | bietenhader 25 «Gegenbild Oberfläche», 2013 Liebeserklärung an meine 28 «Gegenbild Spiegel», 2013 Tischnachbarin 31 «Gegenbild Grundriss», 2013 99 Ursina Trautmann

Gabriela Gerber & Lukas Bardill 106 Autorinnen und Autoren 34 «Alle meine Schafe I», 2013 37 «Alle meine Schafe II», 2013 109 Impressum 41 «Zuckerberg», 2013 Palazzo Castelmur 6 7

Ich habe diesen Reim und die damit ver- sich mit den vorgefundenen Gegebenhei- engagierte Zusammenarbeit. Der Ge­mein­ al plöv, la galina la fa bundene Angewohnheit über all die Jahre ten und der besonderen Situation ausei- ­de Bergell für die Unterstützung und das mitgetragen und bis heute beibehalten, nandersetzen. Mit unterschiedlichen visu- vertrauensvolle Überlassen des Palazzos. l’öv um diesen bei einsetzendem Regen aus ellen Materialien arbeitend, machen sie Den beteiligten Künstlerinnen und Künst- dem Fenster schauend stets wieder zu zi­- die Historizität des Palasts, des Tals, seiner lern für ihre hervorragenden Ausstellungs- Luciano Fasciati tieren. Denn eine der ersten Aufgaben Geschichten und Besucherschaft auf viel- beiträge, ihren Helferinnen und Helfern während meiner Ferienaufenthalte in fältige und eindrückliche Weise erfahrbar für die Unterstützung. Giulio Vatrano für Der Reim «al plöv, la galina la fa l’öv» Stampa – ich bin nicht im Bergell aufge- und setzen neue Akzente. die Mithilfe beim Ausstellungsaufbau und und die damit verbundenen Erinne- wachsen – galt dem morgendlichen Auf- Diese Beispiele zeigen, dass Kunst sich als ruhendem Pol in den hektischen Auf- rungen – nicht nur an das Ei und den sperren des Hühnerstalls. Da sich dieser durchaus auch an weniger bekannten bauzeiten. Regen – verknüpfen sich in einprägends- auf der gegenüberliegenden Seite des Orten, abseits der Kulturzentren und Me­ ter Weise mit meinen Bergeller Kindheits- ­Hauses auf einer kleinen Anhöhe befand, tropolen, entfalten kann und diese zu Dem Verein Progetti d’Arte in Val Brega­ erfahrungen. Zu übersetzen ist der Reim kon­nte das dafür vorhandene vertikal ver- einem lebendigen Ort des künstlerischen glia – dahinter stehen Marlene Fasciati, im Bergeller Dialekt «Bargajot» mit: Es reg- laufende Schiebetürchen jeweils von «mei- Austauschs macht. Davide Fogliada, Silvia Hofmann und net, das Huhn legt das Ei. Seit der Refor- nem» Schlafzimmer aus mit einer über Orlando Nigg – für die Begleitung des mation, die um 1550 von Süden her Ein- eine Gas­se führenden Seilzugvorrichtung – Die Ausstellung «Video Arte Palazzo ­Projekts und die Mitherausgabe der zug ins Bergell gehalten hat, ist Italienisch ohne das Haus verlassen zu müssen – ge-­ Castelmur» steht unter der Trägerschaft Publikation. die offizielle Amtssprache. Für die Bewoh- öffnet und am Abend wieder geschlossen des Vereins «Progetti d’arte in Val Bregag- ner jedoch gilt das Bargajot, ein örtlicher werden.­ lia». Der Verein bezweckt die Förderung All den Sponsoren, Institutionen, Stif- Dialekt, als Muttersprache. Mit seinen ei­- und Durchführung von Ausstellungen, tungen und zahlreichen Privatpersonen, genen Besonderheiten ähnelt das Bargajot Ausgangssituation und Motivation für Projekten und Veranstaltungen zeitgenös- welche das Ausstellungsprojekt und diese dem romanischen, seine Grammatik eher ein weiteres Ausstellungsprojekt zur zeit- sischer, aktueller und bildender Kunst im Publikation überhaupt erst ermöglicht dem lombardischen Dialekt. Der Dialekt genössischen Kunst im Bergell bilden der Bergell. haben. unterscheidet sich von Ort zu Ort. Inner- im Sommer 2008 erfolgreich durch eine halb des Bergells haben Sopraporta (Obe- Projektgruppe um Patrizia Guggenheim Danken möchte ich meiner Grossmutter­ Der Autorenschaft mit Katharina Am­­ res Bergell), Sottoporta (Unteres Bergell) und Angelika Affentranger durchgeführte Maria dafür, dass sie mir das Bergell, nebst mann, Céline Gaillard, Ludmila Seifert- und Soglio je ihren eigenen Unterdialekt. Kunstparcours «Arte Bregaglia» und das meinen Eltern, meiner Verwandschaft Uherkovich, Ursina Trautmann und Gian Meine Mutter stammt aus dem nord­ 2010 realisierte Ereignis «Arte Hotel Bre- und weiteren persönlichen Begegnungen Andrea Walther für die Textbeiträge. Ralph italienischen Dorf Erbanno in der Provinz gaglia», welches 2011, 2012 und 2013 in meiner Kindheit, auf unvergessliche Feiner für die wunderbaren Fotografien Brescia, wo der Bergeller Dialekt also dem- eine Weiterführung erfahren hat. «Arte und eindrückliche Weise näherbrachte. und Olivier Chauliac für die sorgfältige entsprechend gut verstanden wird. Und Bregaglia» und «Arte Hotel Bregaglia» Mir sozusagen ein Türchen öffnete. Gestaltung der Publikation. wohl auch zur Bekannschaft meiner Eltern, haben die Gegenwartskunst ins Tal ge­- die sich in Chur – wo ich heute lebe und bracht und haben anspruchsvolle Projekt- Weiterer Dank gilt: Céline Gaillard, der Der Bergeller Bevölkerung dafür, dass sie arbeite – kennenlernten, beigetragen haben ideen der zeitgenössischen Kunst vor Ort Kuratorin der Ausstellung und Mitheraus- uns und den Kunstprojekten stets wohl­ dürfte. Wurzeln schlagen lassen. Für «Video Arte geberin der Publikation, für ihre unermüd- wollend und herzlich begegnet ist. Meiner Unsere Nona (Grossmutter) väterlicher­ Palazzo Castelmur» entwickelten die betei- liche Mitarbeit. Ivana Semadeni und Gian Frau Marlene Fasciati für ihre Grosszügig- seits pflegte es, «al plöv, la galina la fa l’öv» ligten Kunstschaffenden ortsspezifische Andrea Walther, den guten Seelen des keit und die stete Unterstützung. jeweils bei Regen aufzusagen. Interventionen der Videokunst, welche Palazzo Castelmur, für die freudvolle und 9

sondern die ganze Talschaft. Gerade das Vorwort Medium Video ermöglicht es, die Vergan- genheit und die Gegenwart darzustellen. Gian Andrea Walther Der Betrachter wird in neue und unerwar- tete Sichtweisen geführt: Man denke nur Der Palazzo Castelmur als Rahmen und an den Migranten, der seinen Kopf verlo- Bühne für die Realisierung von Video- ren hat (Judith Albert); an die zum Nebel kunst – das schien vermessen. Es war zu aufsteigende Frau (Sissa Micheli); an die erwarten, dass die vorgesehenen Arbeiten halsbrecherische Abfahrt vom Berg hi­ mit den äusserst komplexen technischen nunter zum Bach (Christoph Rütimann); Mitteln, die verwendet werden sollten, an die Schafherden (Gabriela Gerber & diesen Rahmen sprengen würden. Es kam Lukas Bardill); an den Wollknäuel (Evelina anders: Die unterschiedlichen Stile des Cajacob); an die Figur im Inneren der Baus sowie die Vielfalt der Einrichtungen, Mauer (Simone Zaugg); an das mutmassli- aus denen das Patrizierhaus / der Palazzo che Leben im Palazzo (Zilla Leutenegger); entstanden ist, haben die Künstlerinnen an die Zeugnisse der Bewohner vergange- und Künstler auf verschiedenen Ebenen ner Zeiten (Karin Bühler); an die Licht- zu stimulieren vermocht – ihr Blick blieb spiele, welche die ursprünglichen Tapeten dabei nicht auf den Palazzo beschränkt, er zu neuem, überraschendem Leben erwe- be­rücksichtigte weitere wichtige Aspekte, cken (frölicher | bietenhader); an die Farb- welche die ganze Talschaft miteinbeziehen. und Formexperimente «Tonal» (Eric Lanz).

Die Idee, zeitgenössische Kunst ins Ber- Die Technologien erdrücken das Mu-­ gell zu bringen, geht ins Jahr 2008 zurück. seum Palazzo Castelmur in keiner Weise. Damals wurde mit dem Projekt «Arte Bre- Vielmehr wird der Palazzo aufgewertet gaglia» zwischen Maloja und und auch neu zur Diskussion gestellt. ein «Kunstparcours» geschaffen mit ver- schiedenartigen Installationen, darunter Es war äusserst spannend, die Künstlerin­ auch Videoarbeiten. Zwei Jahre später nen und Künstler zu beobachten und mit- stellte der Churer Galerist Luciano Fasciati zuerleben, wie sie sich dem Palazzo Castel- künstlerische Arbeiten im Hotel Bre­gaglia mur näherten. Ihre Leidenschaft und ihr in Promontogno vor. Das Projekt nennt Wille, mehr über die Geschichte des Palaz- sich «Arte Hotel Bregaglia» und erlebt zos und auch der Talschaft zu erfahren, heuer die vierte Auflage. Daraus entstand waren beeindruckend. Ebenso setzte ihre die Idee des diesjährigen «Video Arte Bereitschaft und Fähigkeit, sich neuen Palazzo Castelmur 2013». Ideen auszusetzen, starke Signale, die zweifellos die künftige Entwicklung des Wie bereits erwähnt, umfasst die The- Palazzo Castelmur beeinflussen werden. matik nicht nur den eigentlichen Palazzo, Palazzo Castelmur 12 13

tationsarchitektur im Falle Giovanni Cas- Maira, welche von der Kantonsstrasse in Coltura – Palazzo telmurs auch als eine Reverenz an die eine seitlich ans Castelmur’sche Grund- ­eigenen illustren Vorfahren zu verstehen, stück führende Rosskastanienallee überlei- Castelmur die als bischöfliche Lehensträger die lang­ tet, wurde 1897 errichtet. zeitige Machtstellung des Geschlechts im Ludmila Seifert-Uherkovich Bergell begründen halfen. Dass er an die 1963 vom Kreis Bergell samt Inventar glorreiche Vergangenheit seiner Fa­milie ­er­worben, gibt der heute öffentlich zu­­ 1723, massgebliche Erweiterung von anzuknüpfen gedachte, hatte Castelmur gängliche­ Palazzo mit seinen barocken Giovanni Crassi Marliani 1850–1854 schon 1839 mit dem Kauf der symbol- Felderdecken und der prunkvollen histo- trächtigen Ruinen auf dem Felsriegel ob ristischen Ausstattung mit virtuosen Gleichsam zwei Gesichter hat der Pa­- Promontogno angedeutet. Das Geld, mit Trompe-l’Oeil-Malereien Einblick in die lazzo am westlichen Rand von Coltura, dem Giovanni Castelmur seine Bergeller gehobene­ Wohnkultur des 18. und 19. der um die Mitte des 19. Jahrhunderts Unternehmungen finanzierte, stam­mte Jahrhunderts. durch Giovanni Castelmur (1800–1871) aus Frankreich, so auch der Barontitel,­ mit zu seiner heutigen Grösse ausgebaut wur­ dem er sich ab 1840 schmückte. Sein Vater Architekturrundgang Bergell (Architekturrund- de. Dem Dorf zugewandt die mächtige Antonio, einer von vielen gewerblichen gänge in Graubünden). Hrsg. vom Bündner Hei- Giebelfront, deren glatte, ungegliederte Emigranten des Bergells, hatte in Marseille matschutz, Chur 2012 Fläche mit der architektonischen Haustein­ als Cafétier den Grundstein des erfolgrei- umrahmung den herrschaftlichen Barock- chen Familienunternehmens gelegt.­ Steht bau noch erkennen lässt, aus dem das das neugotische Schloss in Coltura auch Gebäude herausgewachsen ist; auf die um einzigartig da, so manifestiert sich in ihm 1840 angelegte Talstrasse orientiert die doch eine Haltung, wie sie tendenziell bei jüngere Doppelturmfassade, deren physi- allen Rückwanderern zu beobachten war: sche Abgewandtheit vom Dorfgeschehen die Vorliebe, den ­sozialen Aufstieg durch eine Parallele findet in ihrer provokanten repräsentative Bauten zum Ausdruck zu Negierung örtlicher Baugewohnheiten. bringen, wie auch die Zurschaustellung Die nach venezianisch-neugotischer Art der Weltgewandtheit durch den Rekurs auf mit spitzbogigen Fenstern, Wehrhaftigkeit ausländische Modelle. Der weiträumig in simulierendem Pechnasenkranz, Schwal- die Landschaft eingreifende Palazzo Cas- benschwanzzinnen, imitierten Marmor­ telmur wird ergänzt durch einen ausge- inkrustationen gestaltete Schaufront re­- dehnten Park, der jenes eklektizistische flektiert – als frühestes Bündner Beispiel – Nebeneinander von Architektur- und die romantische Mittelalter-Sehnsucht der Landschaftsgarten zeigt, wie es sich später Zeit. Doch ist der Rückgriff auf das stilisti- in der Umgebungsgestaltung von Hotel- sche Vokabular feudalzeitlicher Repräsen- bauten wiederfindet. Die Brücke über die 15

tragen hatte, bevor er mit Ansehen ins Judith Albert Bergell zurückkehrte. (*1969) · www.judithalbert.ch Das auf die Wand projizierte Video zeigt einen mit Meringues gefüllten Holzteller, «Reisende», 2013 der einer orientalisch und reich gekleide- ten Figur mit dunkler Hautfarbe und roten Die Bergeller Kultur wurde unter ande- Stiefeln als Floss dient. Der Blick in die rem durch die grosse, sich im 19. Jahrhun- Zukunft – ob es die Ferne oder das Zuhause dert vollziehende Auswanderungswelle ist –, ist aufgrund des fehlenden Kopfes geprägt. Aufgrund des Mangels an Ver- nicht sichtbar. Der Teller treibt auf ver- dienstmöglichkeiten im Tal zogen viele schiedenen Gewässern, die mal ruhig, mal Bergeller in die Ferne, die ihnen Aussicht wilder und gefahrenvoller sind, wohl hin auf Lohn und Brot verhiess. Sie begründe- zum Meer. Vor wechselnden Landschaften ten ihre Unternehmen, Cafés und Kondi- und Wetterstimmungen zeigen sich Sze- toreien, in ganz Europa. nen wie aus einem Märchen, in dem Längst nicht alle kamen aber auf einen schwierige, fast unmögliche Prüfungen grünen Zweig. Und bevor die Lehrzeit und bestanden werden müssen. Als Betrach- die Ausübung des Berufs überhaupt began- ter fühlt man unweigerlich mit: Wird der nen, stand erst mal die kostspielige Reise Wächter der süssen Fracht die Reise bevor. In den überlieferten Briefen wird bestehen? meist nur über den Ausgang einer Reise Im Videobild eingefangen und festge- berichtet, nicht aber über ihren Verlauf. halten findet sich das Geschehen in einer Im grosszügigen, mit eindrucksvollen Ta-­ durch das Medium bedingten Zeitschlaufe peten und Deckenmalereien ausgestatte- wieder – der wohlig runde Bauch des Kopf- ten Ballsaal nimmt Judith Albert das losen ist mit einem Zifferblatt versehen, Thema des Reisens auf. Der Blick aus den das stets dieselbe Uhrzeit anzeigt. So tanzt Fenstern des Saals geht in Richtung Maira, die Figur auf den Meringues durch Zeit dem Fluss, der durch das Bergell bis ins und Raum. Damit knüpft Judith Albert Adriatische Meer fliesst. Es ist der Raum, in auch an heute an und denkt ausgehend dem die Opulenz des aus dem Vermögen von den sogenannten «boatpeople» an des Barons Giovanni de Castelmur errich- Flüchtlinge aller Weltregionen, welche auf teten Anbaus kulminiert. Einem Vermö- überladenen und ungeeigneten Booten gen, das der Baron, wie bereits sein Vater, ein verheissungsvolles Land zu erreichen als erfolgreicher Geschäftsmann unter versuchen. Céline Gaillard anderem auch in Marseille zusammenge-

«Reisende», 2013 · HD-Video, 16:9, Farbe, kein Ton, Loop 23' · © 2013, ProLitteris, Zurich

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Für den Hintergrund liess sich Judith Judith Albert Albert von den paradiesisch anmutenden Wandmalereien in einem der Turmzimmer «Projektion», 2013 inspirieren. Überhaupt faszinierten sie die Trompe-l’Oeil-Malereien im Palazzo – be­- In der Intervention «Reisende» von schäftigt sie sich doch in ihrem künstleri- Judith Albert im Ballsaal erfolgt eine schen Schaffen immer wieder mit Themen Durchmischung von Raum und Zeit. Die- wie Simulation, Aneignung und Illusion. ser gesellt sich aber auch das Spiel mit So wirkt auch ihre Arbeit «Projektion» Fremdem und Bekanntem hinzu. So fin- wie ein Trugbild: Die Künstlerin verwan- den wir diese Gegensätze nicht nur im delt sich durch die Projektion auf ihren Thema der Reise, sondern auch darin, dass Körper in die Kaminuhrfigur. Die Realität die Originalfigur des Mohren auf dem ist durch die stattfindenden Überlagerun- Floss eine fast halbmeterhohe, mechani- gen schwer auszumachen. Ein Kippmo- sche Kaminuhr aus Gusseisen aus dem ment entsteht und spitzt die Thematik des Bestand des Palazzo Castelmur ist. Da ihre Illusionistischen zu. Die dunkle Hautfarbe Entstehung in der Mitte des 19. Jahrhun- der in die Hüften gestemmten Arme wird derts datiert ist und sie wahrscheinlich aus weiss. Und der Kopf von Judith Albert Frankreich stammt, scheint es gut mög- wird mithilfe eines weissen Tuchs ausge- lich, dass der Baron de Castelmur sie der- blendet. Im Gegensatz zur statischen Figur einst aus Marseille auf seiner Rückreise mit Uhr fällt es der Künstlerin schwer, in heimgebracht hatte … Passivität zu versinken, und jede noch so Die faszinierende Figur, deren Kopf ver- kleine Bewegung und Veränderung der loren gegangen ist, kommt auch in einer Pose haucht der Skulptur Leben ein. Der weiteren Intervention von Judith Albert weisse Schleier lässt den Gedanken auf- vor. Es handelt sich um ein Bild, das die kommen, ein Geist wäre in die Figur ge-­ bereits bekannte Kaminuhrfigur unter schlüpft. – Ein Schlossgeist, der die Wände einem Rankenbogen auf dem originalen und Gegenstände des Palazzos in neue Be-­ Figurensockel erhöht zeigt, sodass sie nun ziehungen zueinander setzt und sie durch­ wie eine Allegoriendarstellung der Renais- dringt. Céline Gaillard sance wirkt.

«Projektion», 2013 · HD-Video, 16:9, Farbe, kein Ton, 5' 50'' · © 2013, ProLitteris, Zurich 20

lazzo gewohnt hatten, und befragte sie Karin Bühler nach deren Erinnerungen an das Leben im (*1974) · www.karinbuehler.ch Palazzo. Es sind die Kinder des damaligen Verwalters sowie der Urururneffe der Ba-­ «Ich sehe (was war)», 2013 ronin, welche von ihren unterschiedlichen­ Erinnerungen an den Palazzo berichten. Die historischen Räume des Palazzo Cas- Aus dem gesammelten Material wählte die telmur unterliegen einem musealen Kon- Künstlerin, die in ihren Arbeiten immer zept, das dem Nacherleben der Zeit der andere sprechen lässt, die griffigsten Be-­ Palazzo-Erschaffer dient. In den Wohn­ schreibungen in Form von Bild- und räumen aber lebten in seiner Vergangen- ­Textsequenzen. Den ungegenständlichen, heit nicht nur der Baron und die Baronessa­ nicht fassbaren Erinnerungen gibt Karin de Castelmur und ihre Nachfahren. 1961, Bühler in ihrer künstlerischen Umsetzung als der Palazzo von der Ortsgemeinde er­- mit digitalen Bilderrahmen Gestalt. Diese worben und als Museum für die Öffent- ersetzen auf der edlen Kommode im be­- lichkeit zugänglich gemacht wurde, zog zaubernden grünen Schlafzimmer mit sei- der Verwalter mit seiner Familie in den ner illusionistischen Deckenmalerei viel- Palast ein. Dabei wurden Museumsbetrieb leicht dereinst dort platzierte Fotorahmen. und Wohn­raum bestimmt und funktio- Das Schlafzimmer ist der Raum der nierten parallel. Träume. So werden die gesammelten Erin- Karin Bühler entlarvt den prunkvollen nerungen Tagträumen gleich abgespielt. Palazzo-Anbau als Scheinschloss. Die re­- Wie aus einer Musikdose ertönt sanfte präsentativen Räume wurden im Alltag Musik – es sind die heute umgesetzten nicht benutzt. Die museale Wohnsitua- Noten, zu denen der Baron Verse geschrie- tion vergleicht die Künstlerin mit einer ben hatte, sowie der Gesang nach den Ver- Zeitblase, der sie mit ihrer Intervention sen. Die leicht entrückten Klänge rühren «Ich sehe (was war)» Lebensgeist ein- vom antiken, längst nicht mehr benutzten haucht. Tafelklavier aus Nîmes, das das Musikzim- Der Titel lehnt sich an das Medium mer des Erdgeschosses ziert. Video an. Video – lat. ich sehe – bietet die Die Intervention vermag den Betrachter Möglichkeit, das Geschehen einzufangen in den Bann dieser anfänglich beschriebe- und das Aufgenommene, das aus der nen Zeitblase zu ziehen. Die bei den Erzäh- ­Vergangenheit stammt, immer wieder zu lungen und ihrer Übersetzung entstan- sehen; Zeit und Raum werden verrückbar. dene Intimität ist das Resultat eines sehr In aufwendigen Recherchen machte die sensiblen Zugangs sowie der eingehenden Appenzeller Künstlerin sämtliche leben- Recherche der Künstlerin. Céline Gaillard den Personen ausfindig, die einst im Pa-­

«Ich sehe (was war)», 2013 · digitale Bilderrahmen (jpg und wav), längste Sequenz: 12' 30'' © 2013, ProLitteris, Zurich 23

fältig gehen die Hände der Künstlerin bei Evelina Cajacob dieser Arbeit vor. Wie der Titel der Inter- (*1961) · www.evelinacajacob.ch vention verlautet, geht es dabei um eine lange Zeit. Bis die gesamten 1,5 Kilo- «Incrésciar – LangeZeit», 2013 gramm der Wolle aufgerollt sind, verge- hen 83 Minuten. Die Hände verrichten die Der Nordteil des Palazzos stammt aus Arbeit jedoch stets in derselben Gleich- dem Jahr 1723. Das Gebäude wurde da­- mässigkeit und mit Geduld. mals als Patrizierhaus der Familie Redolfi Evelina Cajacob interessiert sich für re­- errichtet. Im Nordtrakt sind eher kleine petitive Momente und macht in ihren Zimmer zu finden, die zu einem grossen Arbeiten die Schönheit alltäglicher Hand- Teil eine Täferung aus Arvenholz aufwei- lungen sichtbar. In der präzisen Aufmerk- sen. Für die «Bergeller Stube» hat Evelina samkeit, die sie den sich wiederholenden Cajacob ein Werk realisiert, für welches sie und monotonen Handlungen zukommen als zentrales Arbeitsmaterial ein örtliches lässt, zieht sie den Betrachter in den Sog Erzeugungsgut verwendete und das dem einer starken Ausdruckskraft dieser alltäg- Raum eine anziehungsvolle Aura von lichen Vorgänge. Ruhe und Konzentration verleiht. In der Bergeller Stube weckt die Projek- In «Incrésciar – LangeZeit» wird auf den tion auf die getäfelte Wand nicht nur Ausschnitt der Hände der Künstlerin fo-­ Wehmütigkeit hinsichtlich vergangener kussiert. Wie in ihren anderen Videoarbei- Zeiten, die lange her scheinen. Die Länge ten sind diese mit einer Tätigkeit beschäf- der Wolle sowie der Zeit, die es braucht, tigt, welche der Hausarbeit verschrieben um sie aufzuwickeln, stehen auch für die ist: Sorgfältig wickelt die Künstlerin, von grosse Distanz zwischen den nach ganz der vor dunkelgrauem Hintergrund nur Europa ausgewanderten Bergellern und ein Teil ihrer schwarzen Kleidung sichtbar ihren daheim gebliebenen Frauen. Mit ist, einen Wollfaden auf. Und zwar bis der «Incrésciar – LangeZeit» – Incrésciar bedeu- so wachsende Knäuel bildfüllend wird. tet Heimweh, lange Zeit nach jemandem Beim Material handelt es sich um eine ori- haben, jemanden vermissen – macht Eve- ginale Bergeller Wolle: von Bergeller Scha- lina Cajacob die lange Zeit, in welcher die fen stammend und gesponnen von einer «Zucker­bäckersfrauen» alleine waren, und Wollspinnerin aus Coltura. Eine Tonspur ihre gleichsam wie der Knäuel wohl stetig gibt der Arbeit ihren eigenen Akzent und wach­senden wehmütigen Gefühle auf sinn­ den Rhythmus der Tätigkeit wieder. Weder ­liche Weise nachfühlbar. Céline Gaillard hastig noch langsam, aber stetig und sorg-

«Incrésciar – LangeZeit», 2013 · HD-Videoinstallation, 16:9, Farbe · Bild: Margarit Lehmann Ton: Martin Hofstetter, 1 h 23' 25

dem Licht von den übrigen Stücken im frölicher | bietenhader Zimmer ab. Der Gobelin erhält nun eine beide *1985 · www.froelicherbietenhader.ch digitale Überlagerung, seine Rasterung ist aber durch seinen Stoff gegeben und nicht «Gegenbild Oberfläche», 2013 etwa durch digitale Pixel. Es resultiert ein Spiel mit dem Ineinandergreifen von alten Fasziniert sind frölicher | bietenhader und neuen Medien. Die Projektion inten- von der Vielseitigkeit der Wände und De­- siviert die Farbigkeit und Erzählkraft des cken des Palazzo Castelmur. Bunte, gemus- Gobelins. Vom Holz des Ofens umrahmt terte Tapeten beherrschen die Raumwir- wirkt die Abdeckung nun wie die Sicht aus kungen einzelner Zimmer, andere werden einem Fenster. von ihren meisterhaften Wand- und De-­ Nochmals gesteigert wird diese intensi- ckenmalereien bestimmt. Dabei ist jede vierte Bildwirkung durch die Projektionen Tapete wie jede Malerei einzigartig und hat mit demselben Prinzip auf die an den ihren eigenen Charakter. Das junge Künst- Ofen anliegenden Wände. So wird auch lerduo macht in drei Interventionen auf auf die Tapete ihr eigenes Muster projiziert. diese innere Vielseitigkeit aufmerksam. Dieses generiert eine optische Täuschung Das sogenannte Empire-Zimmer ist mit und erzeugt eine dreidimensionale Wir- rot und beige gemusterten Tapeten ver- kung. frölicher | bietenhader schaffen eine ziert, in seiner Gesamtausstattung wirkt es illusionistische Rauminszenierung, die dennoch weniger prunkvoll als andere durch die Hervorhebung und Steigerung Räume. In der Ecke steht ein Cheminée, der vorherrschenden räumlichen Gege- das mit einem Gobelin abgedeckt ist. Sein benheiten dem Raum mehr Kitsch ver- Stickbild zeigt eine kitschige Landschaft leiht, sodass er nun ähnlich prunkvoll mit einem Schloss oder einem edlen Land- erscheint wie die anderen Räume. Indem haus. sie Altmodisches medial bewegen, schaf- Mit einer Projektion werfen frölicher | fen sie neue Trompe-l’Oeil-Effekte. bietenhader dasselbe Bild auf den Gobelin Céline Gaillard und heben es durch die Verdoppelung mit

«Gegenbild Oberfläche», 2013 · Projektion

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Kreis. Der blaue Hintergrund wird von frölicher | bietenhader blauen Farbpigmenten gebildet, welche zusammen mit der goldenen Kugel auf die «Gegenbild Spiegel», 2013 farbliche Bemalung des Raums verweisen. Bei der Kugel handelt es sich – so wird der Das Turmzimmer im ersten Oberge- Betrachter merken, sobald er den Kopf schoss mit den blau und golden bemalten hebt – um die Imitation der gespiegelten Wänden trumpft mit einer liebevoll ausge- kugelförmigen Spitze, in welcher alle Bal- führten illusionistischen Deckenmalerei dachine zusammenlaufen und die sich auf. Sie täuscht eine goldene Deckenarchi- genau über der Kugel im Video befindet. tektur vor, welche den realen Raum mit Bei ihrem Videoloop gehen frölicher | virtuos in den Himmelsraum weiterge- bietenhader von ihrer Feststellung aus, führten architektonischen Elementen aus- dass der unbekannte Künstler der Decken- weitet. Allegorien, welche der Schwerkraft malerei bei der Ausführung der Baldachin- der irdischen Welt trotzen, stehen in Schatten einen Kompromiss eingehen einem imaginären Luftraum. Diese wer- musste: Zwei der Schatten stimmen nicht. den mit Baldachinen prunkvoll überdacht. In ihrer Intervention greifen sie somit Die vier Baldachine kommen in der Mitte nicht nur die Farbigkeit des Raums auf, zusammen, an jenem Punkt, der durch die sondern auch das Thema der Realität vor- illusionistische Malerei getäuscht am täuschenden Malerei, und erfüllen im höchsten erscheint. Medium des Videos die Kriterien, an frölicher | bietenhader haben in die denen die Malerei scheiterte. Mitte des Raumes einen Monitor hinge- Der Monitor wurde so im Raum aus­ stellt, dessen Display nach oben zeigt, gerichtet, dass man beim Betrachten des sodass der Betrachter gezwungen ist, nahe Videos wahrscheinlich die Position mit an ihn heranzutreten und auf ihn herun­ dem Rücken zum Fenster wählen wird. terzuschauen, um das darin abgespielte Schaut man danach wieder auf, wird Video zu sehen. der Blick automatisch im eindrücklichen Das Videobild zeigt ein Beet aus blauem und grossen Spiegel zurückgeworfen, so-­ Grund, auf welchem eine goldene Kugel dass eine weitere Spiegelung im Raum ruht. Langsam und endlos wandert der ­stattfindet. Céline Gaillard Schatten der stark beleuchteten Kugel im

«Gegenbild Spiegel», 2013 · Videoloop, 2' 54'' 31

dem Auto wurde zu drei verschiedenen frölicher | bietenhader Tageszeiten vorgenommen, sodass das Sonnenlicht je nach Standort im Film «Gegenbild Grundriss», 2013 wandert. Durch die Bildqualität der Funkkamera Die drei Interventionen des Künstler- und die Bewegung wirken die Aufnahmen duos frölicher | bietenhader bespielen ver- nervös und die reelle Farbigkeit neckig schiedene Räume des ersten Obergeschos- überspielt, sodass sie gar grob und unrein ses. Mit einem ferngesteuerten, mit einer erscheint. Mit «Gegenbild Grundriss» über­- Funkkamera ausgerüsteten Auto führten steigern frölicher | bietenhader die vielsei- sie eine Sondierung durch diese Räumlich- tige Farbigkeit des Gebäudeinneren in ein keiten durch. Die Fahrt beginnt im Gang Extremum und navigieren den Besucher und führt durch den Ballsaal in den mit illusionistischen Manipulationen in blau-golden bemalten kleinen Raum und den Räumen. auf dem gleichen Weg zurück wieder in Die Installationen des Künstlerduos bie- den Gang, dann ins Empire-Zimmer und ten stets ganzheitliche Erlebnisse. Sie re-­ durch Gang und Ballsaal schliesslich in sultieren aus einer seriösen und bewussten das Rote Zimmer. Auseinandersetzung mit dem Ort, in den Hier wird auf eine massive Holzwand, sie in einem inszenatorischen Umgang die fast aggressiv quer durch den Raum künstlerisch eingreifen. Der Einbezug von positioniert wurde, dieselbe Kamerafahrt vielseitigen, modernen wie antiquarischen projiziert. Laut und aggressiv klingt auch Filmmaterialien sowie langjährige Entwick­ der Ton, der direkt von der Autofahrt lung von Techniken zeichnen ihre Arbei- stammt und die Rauminszenierung akus- ten aus. Céline Gaillard tisch erfahrbar macht. Die Sondierung mit

«Gegenbild Grundriss», 2013 · Video, Ton, 11' 11''

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heutigen Zeit. Die Videoarbeit «Alle meine Gabriela Gerber & Schafe I» ist in einem Schlafzimmer im ersten Obergeschoss installiert, wo das Lukas Bardill Licht gedämpft ist. (*1970) & (*1968) · www.bardillgerber.ch In drei an den Zimmerwänden montier- ten Flachbildschirmen ist eine Landschaft «Alle meine Schafe I», 2013 mit Wiese und ausgetrocknetem Bachbett in Dämmerstimmung zu sehen. In die Sze- Die Bergeller galten als Volk von Zucker- nerie drängen sich jeweils in einem Moni- bäckern. Weniger bekannt ist, dass in der tor helle Schafe hinein. Eine Herde mit zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch 250 Tieren durchzieht dem Willen von Amerika als Auswanderungsdestination zwei Hunden und dem Hirten folgend anzog. Anders als in den europäischen zügigen Schrittes die Alpweide. Kurzzeitig Ländern, in denen sich die Bergeller haupt­ unterbricht Gebimmel und Geblök die sächlich in der Zuckerbäckerbranche betä- Gebirgsruhe. Bald übernehmen wieder tigten, wiesen sie sich in Amerika in der Stille und Düsternis die Regie der Szenerie, Landwirtschaft aus. Graubünden war be-­ bevor die Herde nach geraumem Zeitab- reits zu jener Zeit stark landwirtschaftlich stand im nächsten Monitor die Landschaft geprägt, doch in den Bergtälern erwiesen durchquert. Dem Betrachter bietet sich sich die kargen Böden für den Ackerbau vom einen Monitor zum nächsten eine als schwierig. Erzählfolge, als würde er das Geschehen Diesen schwierigen, in der Natur begrün- aus Fenstern heraus beobachten. deten Bedingungen zum Trotz wurde aber Obwohl die romantische Naturszenerie auch im Bergell Landwirtschaft betrieben. von einer Schafherde durchschritten wird, So hatte sich auch Antonio Castelmur nimmt der Betrachter den Alpabzug nicht (1771–1834), der Vater des Barons, in der als fremde Störung wahr. Sie wird als Teil Landwirtschaft und im Fuhrwesen betä- der Landschaft dekodiert. Ausgehend von tigt, bevor er nach Marseille auswanderte. einer Kulturlandschaft, die längst nicht Heute leistet die Landwirtschaft neben der mehr einer natürlichen entspricht, geht es Bauwirtschaft und dem Handel einen wich­ Gabriela Gerber & Lukas Bardill darum, tigen wirtschaftlichen Beitrag im Tal. die Brüche, die durch Landschaft und un­- Auf diesen Branchenzweig machen sere Vorstellungen von ihr gehen, aufzu- gleich drei Interventionen von Gabriela zeigen und dem ästhetischen Gehalt von Gerber & Lukas Bardill aufmerksam. In sei- voralpinen Landschaftsräumen und ihrer nem künstlerischen Schaffen befragt das wirtschaftlichen Nutzung nachzugehen. Künstlerpaar den Begriff und das Ver- Céline Gaillard ständnis von Natur und Landschaft in der

«Alle meine Schafe I», 2013 · 3-Kanal-Videoinstallation, HD-Video 16:9, Farbe, Ton, 3 Loops à 8' © 2013, ProLitteris, Zurich 37

als ob die Schafe in die Enge des Korri­- Gabriela Gerber & dors hinein- oder aus ihr herausgezwängt würden.­ Lukas Bardill Um die hochträchtigen Schafe von der übrigen Herde zu trennen, hat der Hirt «Alle meine Schafe II», 2013 alle Tiere in ein Gehege getrieben. Die zahlreichen Schafe versuchen in der Enge Auch in «Alle meine Schafe II» geht es des Platzes Raum für sich zu gewinnen. Gabriela Gerber & Lukas Bardill um die Wenn auch die in der Realität stattge­ Beziehung zwischen Mensch und Natur. fundenen Videosequenzen nicht einer Die beiden Videos, welche unter demsel- klassischen, schönen Darstellung von ben Titel in der Ausstellung zu sehen sind, Landschaft entsprechen, so assoziiert der zeigen aufeinanderfolgende Szenen eines Be­trachter die Schafherde eben doch mit Alpabzugs auf der Alp Ijes. Landschaft. Der Titel, der als Bezeichnung eines Sowohl was wir mit Landschaft verbin- Schafhirten, der seine Tiere schützt und den als auch das, was wir als schön emp- abends in warme Gefilde bringt, gilt, ist finden, wird durch unsere kulturelle Erzie- ein Ausdruck von Aneignung. Das Künst- hung geprägt. Nicht nur ästhetische Mo-­ lerpaar befragt den Begriff und das Ver- tive spielen eine Rolle, sondern die Emp- ständnis von Natur und Landschaft in vor- findung wird zusätzlich dadurch geprägt, alpinen Gegenden der heutigen Zeit, in was in der Landschaft geschieht. Wahrge- der nicht mehr eine klassische Vorstellung nommen werden Konstrukte: Man lernt, von unberührter Naturlandschaft herrscht. gewisse Elemente hinzuzuzählen und an-­ Treffender kann sie, vom Menschen ange- dere davon auszunehmen. Der Frage, was eignet, als Kulturlandschaft beschrieben Landschaft heute bedeutet, gehen Gabriela werden. Gerber & Lukas Bardill daher nach, indem Von der Küche zum heutigen Office gibt sie sie konstruieren – sei es mit landwirt- es eine Durchreiche. Die enge Öffnung bil- schaftlichen Geräten oder mit dem Aus- det aufgrund des dicken Mauerwerks im zug einer landwirtschaftlichen Tätigkeit. alten Gebäudeteil einen kleinen Miniatur- Die Isolation von Motiven, Freistellung, korridor. Der darin installierte Monitor Zentrierung und Wiederholung gehören zeigt Videobilder mit einer grossen An-­ dabei zu ihrem strategischen Repertoire. sammlung von unruhig wartenden Scha- Als Künstler erfinden Gabriela Gerber & fen, die bisweilen von inspizierenden Bau- Lukas Bardill, wie es Kathleen Bühler for- ern aufgescheucht werden. Der «Miniatur- mulierte, neue Landschaftsbilder. korridor» wird durch den formatfüllenden Céline Gaillard Monitor abgeschlossen, sodass es scheint,

«Alle meine Schafe II», 2013 · 1-Kanal-Videoinstallation, PAL 16:9, Farbe, Ton, Loop 3' 37'' © 2013, ProLitteris, Zurich

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ein Volk von Zuckerbäckern?» auf die Spu- Gabriela Gerber & ren der Bündner «Zuckerbäcker»-Auswan- derung machen können, werden jedoch Lukas Bardill auch Assoziationen an einen Berg aus Zucker nahegelegt. «Zuckerberg», 2013 In der Tat will die Projektion «Zuckerberg» beides evozieren: Sie täuscht dem Betrach- In der die Wand eines leeren Raumes ter ein Naturereignis vor, während der ­füllenden Projektion sehen wir vor schwar- Berg in Wirklichkeit aus Puderzucker be-­ zem Hintergrund ein weisses Gebirge. All- steht und durch sein Abfallen somit eben- mählich wird Material dieses Berges weg- falls Bezüge zu wirtschaftlichen Aspekten,­ gefegt, seine weissen, abgetragenen Be­- ja gar Einstürzen, rund um den Zucker standteile werden in der Luft aufgewirbelt, zulässt. sodass sich ein wohl langsames, aber dy-­ Was ist künstlich, was ist natürlich? Mit namisches Szenario in den Tönen Schwarz ihrer Videoprojektion zeigen Gabriela Ger- und Weiss abspielt. Es scheint, als würde ber & Lukas Bardill das Potenzial der Täu- eine Winderosion ihre Kräfte ausüben und schung in der (Kultur-)Landschaft auf und die Elemente des Berges wegfegen – so las- führen vor Augen, was ihr ästhetisch abzu- sen die weisse Reinheit und die prekäre gewinnen ist. Umgekehrt werfen sie die Fragilität des abfallenden Berges glauben Frage nach der Authentizität auf, die Land- machen. schaft für uns haben sollte, und kurbeln Situiert in einem Raum im zweiten Ober- so die Reflexion über unsere Vorstellungen geschoss, wo sich die Besucher des Palazzo von Landschaft und deren wirtschaftliche Castelmur in der Dauerausstellung «Fast Nutzung an. Céline Gaillard

«Zuckerberg», 2013 · 1-Kanal-Videoinstallation, s/w, kein Ton, HD-Videoprojektion © 2013, ProLitteris, Zurich 43

orientieren versuchend eröffnen sich dem Eric Lanz Betrachter Assoziationen zur Landschaft. (*1962) · www.ericlanz.net So denken wir in geologischer Ausdeutung vielleicht an Schichtung von Sedimenten «Tonal», 2013 oder Verschiebung und Faltung durch Spannkräfte, in meteorologischer Anleh- Einige Wände im Palazzo Castelmur wei­ nung an die Bedeckung durch Eis, Schnee, sen Bemalungen aus unterschiedlichen Erde oder Wasser. Schliesslich handelt es Epochen auf. Die aus verschiedenen Zei- sich bei manchen der abgebildeten Kräfte ten stammende Malfarbe wurde dabei um dieselben physikalischen Erscheinun- übereinandergeschichtet. Dieser Beobach- gen, wie sie in der Natur vorkommen. tung folgend hat Eric Lanz für seine Inter- Die Assoziationen an Landschaften, die vention im Kleinen Saal im ersten Oberge- angesichts der Sichtbarmachung der Kräfte schoss ebenfalls unterschiedliche Deck- in den Vermischungsprozessen eröffnet und Trägermaterialien eine Verbindung werden, werden an diesem Ort, umgeben eingehen lassen, die er in einer Video- von der hohen Gebirgswelt, besonders arbeit visualisierte. spürbar. Mit Wasser, Temperafarbe und In «Tonal» lässt der Künstler mit flüssi- Papier wählte Eric Lanz bewusst Stoffe, die ger Temperafarbe, die sich auf eine hori- von traditionellen künstlerischen Medien zontale, mal schwarze, mal weisse Papier- her bekannt sind. In «Tonal» werden fläche verteilt und sie zudeckt, dem Farb- Landschaftsbilder gezeichnet, die auf den- verlauf freien Lauf. Unter dem Einfluss der selben Materialien beruhen, doch in wel- Feuchtigkeit wölbt sich das Papier in un­- che die Faktoren Zeit und Veränderung vorhersehbaren Formen. Die dabei resul- hineinspielen. Die Schichtung und das tierenden Bilder entstehen ohne direkten Ineinandergreifen der unterschiedlich Eingriff des Künstlers, «malen» sich selbst. alten Malfarben kulminiert durch die Pro- Durch die technischen Mittel des Videos jektion als zeitgenössisches Medium auf werden diese Verläufe zeitlich gedehnt. die historische Wand – im dunklen Raum Während die Farbe auf dem Papier trock- scheinen Videobild und Träger teilweise net oder das Papier mit der entgegenge- gar ineinander zu verschmelzen. Die Inter- setzten Farbe wieder bedeckt wird, wird vention zeugt vom Interesse des Künstlers der zeitliche Prozess in eine manchmal für die Verbindung von zeitlosen visuellen echte, manchmal vorgetäuschte Schich- Techniken und unserem Zeitalter entstam- tung überführt. Sich in den Verläufen zu menden Kulturerzeugnissen. Céline Gaillard

«Tonal», 2013 · Tempera auf Papier auf Video auf Wand, Loop 10'

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begraben. Nachdem ihr Mann verstorben Zilla Leutenegger war, liess die Baronessa noch das Haus (*1968) · www.zilla.ch neben der Kirche für den Wächter sowie 1897 – mit einem ihrer Vermächtnisse – «Schlafender Hund», 2013 die Verbindungsbrücke vom Tal nach ­Coltura erbauen. Mit dem Überschuss der Zilla Leutenegger haucht mit ihren Ar-­ zur Verfügung gestellten Summe konnte beiten dem Palazzo Lebensgeist ein. Die die Bergeller Viehversicherung gegründet Künstlerin, welche in ihren Installationen werden. Zeichnung und Projektion vereint, fokus- Viel ist über den Baron und die Baronin siert häufig auf Banalitäten des Alltags. So nicht bekannt. Gar nichts jedoch ist über sind ihre Gedanken bei der Frage, wie sich Haustiere überliefert. Die Vermutung, dass das Leben im Palazzo wohl in der zweiten sie Hunde gehalten haben, tut sich ange- Hälfte des 19. Jahrhunderts gestaltet hatte, sichts der beiden Hundebetten im Gang ebenfalls um den Alltag gekreist. Dabei auf. Womöglich gehören aber auch die stellte sie sich die Einsamkeit der Baro­ Hundebetten – genauso wie die vielen nessa vor, war deren Mann doch häufig im prunkvoll ausgestatten Zimmer – nur zum Ausland geschäftlich unterwegs; zudem Schein des grossen Palazzo, von welchem überlebte sie ihn um mehr als zwanzig das Baronenpaar nur einige Zimmer im Jahre. Kernbau bewohnten? Mit ihrer Videopro- Annetta de Castelmur, die Baronin, lebte jektion «Schlafender Hund» lässt Zilla von 1813 bis 1892. Sie gehörte wie ihr Leutenegger jedenfalls einen Hund im Mann Giovanni de Castelmur dem Ge-­ Bettchen schlafen und füllt den Palazzo so schlecht der Castelmur an und war seine mit einer Präsenz, die als treue Begleitung Cousine ersten Grades. Es heisst, dass sie der Menschen gilt. stets besonnen handelte. Sie und ihr Der comichaft gezeichnete und proji- Mann waren in der Talgemeinschaft für zierte Hundebauch bewegt sich lebhaft ihre Wohltätigkeiten sehr geschätzt. Den leicht auf und ab. Konturbetonung und Hügel, der den Grenzort von Sotto- und Unvollständigkeit in Zilla Leuteneggers Sopraporta bildet, hat der Baron schon vor Zeichnungen lassen Zwischenstellen offen der Erweiterung des Palazzo Castelmur und schaffen ihrerseits Raum für eigenes erworben und liess dort den mittelalterli- Weiterdenken. So schöpfen ihre Arbeiten chen Kirchturm und die Kirche Santa Kraft aus dem Nebeneinander von Wahr- Maria instand stellen. Im eigens errichte- nehmbarem und Fantasie. Die Künstlerin ten Familienmausoleum liegen das Bar- arbeitet stets in den Raum hinein. onenpaar und der Bruder des Barons Céline Gaillard

«Schlafender Hund», 2013 · Videoinstallation mit einem Hundebett, 1 Projektion, s/w, kein Ton, Loop Courtesy the artist and Galerie Peter Kilchmann, Zürich

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Endbetonung – wohl auch im Sinne seiner Zilla Leutenegger Etymologie – als die dicken Schlossmau- ern, welche die nachempfundene Einsam- «Castelmurrrr», 2013 keit der Baronin einschlossen. Bei den von unsichtbarer Hand an die Die Intervention im Musikzimmer ist Wand geschriebenen Worten mag der eine schlicht, und doch vermag sie den Betrach- oder andere auch an den Mahnruf Mene- ter auf eine intensive Art und Weise zu tekel, der als Inbegriff drohenden, letzt- ergreifen. Wie von Geisterhand wird an lich nicht abwendbaren Unheils gilt, den- eine Wand immer wieder das Wort «Cas- ken. Das Buch Daniel des Alten Testa- telmurrrr» geschrieben. Das Wort wirkt ments erzählt die Geschichte des König geheimnisvoll. Immer wieder macht es Belšazar, dem eine geisterhafte Hand, wel- den Betrachter zwanghaft darauf aufmerk- che die Worte mene mene tekel an die sam, dass er sich im Palazzo Castelmur Wand schrieb, während eines masslos ge-­ befindet. Oder will es an den Namen der feierten Fests das Ende seiner Herrschaft Familie aus Coltura erinnern? Der Buch- ankündigte. Die biblische Geschichte wur­ stabe «r» wird dabei mehrere Male wieder- de von Künstlern des Barocks aufgegriffen, holt, sodass das Wort eine barsche, ja gar so unter anderem durch Rembrandt im penetrante Endbetonung erhält. Diese Gemälde «Das Gastmahl des Belšazar» Buchstaben sehen in ihrer Wiederholung (1635). in der Schnürchenschrift aus wie die For- In ihrer Ausführung erinnert die Schrift men von Turmzacken. aber vielmehr an die Arbeit «My Name as Die Südfassade des Palazzos wird von Though It Where Written on the Surface zwei von maurisch-gotischer Architektur of the Moon» (1968) des amerikanischen inspirierten Türmen flankiert. Sie weist Künstlers Bruce Nauman, in welcher er sei- zudem schlanke, in die Höhe strebende nen eigenen Namen durch Wiederholung Zinnen auf, die den Bau betonen. Zilla der einzelnen Buchstaben in die Länge Leutenegger stellt sich vor, dass die Grösse zog. Die ebenfalls kursiven Buchstaben des leeren Schlosses die Baronessa de Cas- gehören zu einer Installation mit Neon- telmur in Zeiten, in denen sie allein war, röhren. Der Schriftzug «Castelmurrrr» von an den Rand des Wahnsinns bringen Zilla Leutenegger besteht ebenfalls aus musste. So deutet sie das sich fast aggres- Licht, doch wendet die Zeichnerin die siv ins Gehirn schreibende Wort mit sei- Technik der Videoprojektion an, um das ner strapaziösen oder auch zänkerischen Wortbild zu animieren. Céline Gaillard

«Castelmurrrr», 2013 · ortsspezifische Videoprojektion, s/w, kein Ton, Loop Courtesy the artist and Galerie Peter Kilchmann, Zürich

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Zilla Leutenegger den Palazzo Castelmur Zilla Leutenegger als Ort der feineren Gesellschaft und in Momenten der Festlichkeiten, die in Ab­- «Champagner Brunnen», 2013 wechslung zur Einsamkeit der Baronessa stehen oder den Wunsch nach Gästen Das grosse Esszimmer mit seinen De­- erahnen lassen. ckenmalereien mit Früchten hatte sich im Zilla Leuteneggers Animationen spielen 19. Jahrhundert sicherlich als Raum für Realitätseffekte in Räume ein. Meist sind den Empfang von Gästen geeignet. Zilla es dabei weibliche, mit präzisen Szenen Leutenegger hat in diesem Vorzeigeraum des Alltags beschäftigte Personen, häufig eine Projektion realisiert, welche die Asso- ihre eigene Kunstfigur, die in einer ge-­ ziation an eine Festgesellschaft weckt. zeichneten Raumkulisse als Projektion in Auf dem länglichen Tisch erbaute sie Erscheinung treten. Beim Nachspüren eine Glaspyramide aus vierzehn Gläsern. einer längst vergangenen Lebenszeit im Vom Beamer auf einem Tischchen wird ein Palazzo Castelmur unterlässt es die Künst- Video projiziert, dessen Bilder eines Cham- lerin konsequent, eine weibliche Person pagnerbrunnens auf die Gläser und auf die aufleben zu lassen. Stattdessen haucht sie gegenüberliegende Tapete treffen. In den Objekten eine bewegte Präsenz ein, Wän- auf der Innenseite mit Sandstein beschich- den und Gläsern, oder zeigt die lebhaften teten, matten Kelchen ergibt sich ein gold- Konturen eines Hundes, dessen Lebenszei- farbenes Lichtspiel, während auf die Ta­- ten undatiert, frei denkbar oder gar erfun- pete ihre Schattenrisse geworfen werden, den sind. Ihre Bewegungen sind klein ge­- über die der Champagner gleichermassen fasst, sodass sich die Geschichten zurück- rauschend läuft. nehmen. Es sind freie Vorstellungen, wel- Das Füllen der Gläser geschieht in über- che in den Freistellen, die das Medium schwänglicher Manier und in verschwen- Zeichnung, die den Videoarbeiten zugrun- derischen Massen. Das Rauschen hört nie de liegt, bietet, Zwischenräume offen las- auf, der Champagner fliesst in Überfülle sen und einen Versuch darstellen, eine endlos auf den Boden. Mit der Interven- bestimmte Atmosphäre zu schaffen. tion «Champagner Brunnen» thematisiert Céline Gaillard

«Champagner Brunnen», 2013 · Videoinstallation mit Objekten (14 Champagnergläser, sandgestrahlt), 1 Projektion, Farbe, kein Ton, Loop 2' 15'' Courtesy the artist and Galerie Peter Kilchmann, Zürich 57

­zentralen Werke der deutschen Frühro- Sissa Micheli mantik gilt, ein Tableau vivant. Die Künst- (*1975) · www.sissamicheli.net lerin verschmilzt mit der Natur. Während «Fragments From A Possible Past – ihre historischen Gewänder – ein schwar- zes Kleid und ein waldgrüner Männer- 46° 20' 33.23'' N / 9° 34' 57.2'' E», mantel – aus dem Palazzo stammen, löst 2013 der schwarze BMW einen Bruch mit der Zeit aus. Der Blick in die Ferne mag ein «Cara amica siamo molto lontane una dell’al- Ausdruck der Nostalgie angesichts der tra ma pazienza la separazione non avrà a Gedanken an die im Ausland weilenden sciogliere il legame della nostra amicizia.» Bergeller sein. (Brief von Anna Pasini von Orléans an die In einer weiteren Projektion gleiten aus Freundin in Bondo, 10. August 1874) dem Bestand des Palazzo Castelmur stam- mende Tauf- und Frauenhauben wie Fall- Ausgehend von historischem Material schirme vom von Laubkränzen umgebe- aus den Archiven des Palazzos hat sich nen Himmel, der durch die Trompe-l’Oeil- Sissa Micheli mit der Rolle der Frau ausei- Malerei im Turmsaal gegeben ist. Vor dem nandergesetzt. Fiktiv setzt die Foto- und Hintergrund der imitierten Natur lassen Videokünstlerin verschiedene Briefe von die Hauben Verbindungen zu Geburten Frauen aus dem 19. Jahrhundert aus dem und zum Kreislauf des Lebens aufkommen. Archiv in Szene. Zwei eigenständige Auf- In «Fragments From A Possible Past – 46° nahmen vereint sie zu einer überraschen- 20' 33.23'' N / 9° 34' 57.2'' E» thematisiert den Umsetzung des historischen Ausgangs­ die Künstlerin Schicksale von Frauen aus materials. dem Bergell und schafft eine Zwischen- Während eine Stimme aus dem Off ver- welt. Sie vereint Requisiten aus dem schiedene Passagen aus den Briefen vor- 19. Jahrhundert aus dem Palazzo Castel- liest, erscheint in einer Projektion eine mur mit Symbolen aus unserer Zeit, betritt Aufnahme von der Künstlerin im histori- den Zwischenraum auch selbst. Eine Zwi- schen Gewand vor einer romantischen schenwelt, die durch Video produziert Bergeller Kulisse mit einem modernen wird, eignet sich das Medium doch wie Auto. In der Szene stellt die Künstlerin die kaum ein anderes dafür, in die Geschichte Pose des Caspar David Friedrich aus sei- einzudringen. So gestaltet Sissa Micheli, nem berühmten Selbstporträt «Der Wan- die in ihren Arbeiten häufig selbst als Pro- derer über dem Nebelmeer» von 1818 tagonistin agiert, anhand einer spezifi- nach. Die Aufnahme greift zurück auf vor- schen Bildsprache, welche Inhalte aus fotografische Zeiten und macht aus dem unserem kulturellen Erbe integriert, neue statischen Gemälde, das als eines der Bilder von Weiblichkeit. Céline Gaillard

«Fragments From A Possible Past – 46° 20' 33.23'' N / 9° 34' 57.2'' E», 2013 HD-Video 16:9, Farbe, Ton, 5' 12''

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Die Aktion und somit das Video beginnt Christoph Rütimann unterhalb des Gipfels auf 2300 m. ü. M., (*1955) · www.mai36.com wo ein Rohr aus dem Berg entspringt, an «Handlauf Piz Duan – Corrimano dem die Kamera entlangfährt. In einer absolut aufwendigen Realisierung wurde Piz Duan», 2013 Rohr um Rohr im steil abfallenden Ge-­ lände verlegt. Die spektakulären Bahnen Die Ortschaft Castelmur liegt am Fuss führen durch Eis, Schnee, gebirgige Felsen, des Piz Duan (3131 m. ü. M.) und exakt in Wiesen, durch Maiensässe zum Fluss Valèr, der Falllinie von Norden nach Süden. In gar durch die Häuser von Coltura, um einer spektakulären Aktion hat Christoph schliesslich den Palazzo Castelmur zu Rütimann einen Handlauf vom Piz Duan durchqueren­ und das Ziel, die Maira, zu durch den Palazzo Castelmur bis zum Fluss erreichen. 1325 Höhenmeter wurden über­ Maira realisiert. wunden. Die Unterbrüche sind zugleich Rütimanns Handläufe existieren auf der die Filmschnitte und die Felsen, Maien- ganzen Welt und werden durch den Künst- sässe, Bäume und andere Hindernisse, die ler unter den Übertitel «Geh-Länder» ge-­ mit den verschieden langen Rohren den stellt. Es handelt sich dabei um eine Werk- überraschenden­ Filmrhythmus bestimmen.­ gruppe, die der Künstler in den 1990er- Der grosse Korridor gilt als typisches Jahren, ausgehend von seiner Beschäfti- Merkmal eines Bergeller Hauses. Der gung mit der Linie, begonnen hat. An «Handlauf Piz Duan – Corrimano Piz Handläufen, Rohren oder sonstigen Linien Duan» führt zum Schluss durch den viel- führt er die Kamera mit der Hand entlang seitigen Korridor mit seiner besonderen und generiert dabei eine ungewöhnliche Raumgestaltung, die dem ausgeprägten Perspektive – jene von der Hand aus. Der Willen nach Monumentalität des Bau- Künstler beschreibt die Arbeit an der Serie, herrn entspricht. Die Möbel italienischen als würde er einen Filmstreifen auf dem Ursprungs, die Rüstungen aus Süddeutsch- Geländer abrollen. Das laute Rattern der land und die Gemälde zählen zur bewun- an die Kamera geschraubten Rädchen cha- dernswerten Sammlung des Barons. Die rakterisiert die Filme, auf denen auch Installation mit drei Monitoren und den immer die beständig nach vorne ziehende benutzten Rohren als Bestandteil eines Linie zu sehen ist. Der Fluchtpunkt, der durch den Korridor führenden Geländers sich nach jedem Filmschnitt nach hinten vergegenwärtigt die Entstehung des Films. verschiebt, führt im «Handlauf Piz Duan – Céline Gaillard Corrimano Piz Duan» durch atemberau- bende Landschaften.

Für die Assistenz und Hilfe bei der Realisierung des Handlaufs danken der Künstler und das Projekt­ «Handlauf Piz Duan – Corrimano Piz Duan» · 2013, dreiteilige Videoinstallation mit Geländer team: Corsin Bischof, Andreas Fasciati, Davide Fogliada, Peter Giacomelli, Helibernina, Marcello Handlauf Piz Duan, Tag 1: 11' 52'' · Handlauf Piz Duan, Tag 2: 9' 15'' Negrini, Romano Salis, Vittorio Scartazzini, videocompany.ch und allen, die ihr Haus für die Filmauf- Handlauf Piz Duan, Tag 3: 4' 45'' · © 2013, ProLitteris, Zurich nahmen geöffnet haben.

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sivität auf die Bausubstanz der Mauer ver- Simone Zaugg weist. In performativen Filmsequenzen (*1968) · www.simonezaugg.net inszeniert die Künstlerin in weisser Klei- dung mit weissen Objekten Handlungen, «Berg und Beton», 2013 die Gefühle der Faszination, aber auch der Irritation und der Bedrohung wecken, Die gute wirtschaftliche Lage des Ber- sowie den Eindruck von Monumentalität, gells beruht zu einem großen Teil auf der von Schutz, Schönheit und Poesie ver­ Nutzung der Wasserkraft. Das Elektrizitäts- mitteln. Die gigantischen Hohlkammern werk der Stadt Zürich (ewz) arbeitet bereits der Gewichtsmauer lotet die Künstlerin seit 1953 mit dem Bergell zusammen, um auch akustisch aus. Verhallende Geräu- dort das Wasser zur Gewinnung von Ener- sche, Klänge, Echos oder Stille, die zu gie zu nutzen. In den Jahren 1955–59 einer vielschichtigen Tonspur komponiert errichteten sie hierfür die Albigna Stau- wurden, lassen uns die räumlichen und mauer auf 2100 m. ü. M.. zeitlichen Dimensionen erst ganz spüren. In ihrer Intervention «Berg und Beton» Einige der Sequenzen mit Gesang und per- legt Simone Zaugg den Fokus auf das formativen Handlungen mit Licht wecken Leben im Bergell und dessen wirtschaft­ in den hohen Räumen Assoziationen an liche Situation. Im Zentrum ihres Interes­ Kathedralen, Bergbau oder auch an Bun- ses und ihrer Faszination steht die Stau- keranlagen. Simone Zaugg lässt die beein- mauer, deren extreme Dimensionen ihrem druckenden Innenräume der Staumauer Gegenüber, der Natur, standhalten. Die nicht nur erlebbar werden, sondern sensi- 759 Meter lange und 115 Meter hohe Stau- bilisiert den Betrachter durch ihre künst- mauer besticht von aussen als erhabener lerische Interpretation auch für die Ges­ Kontrapunkt in der Berglandschaft. chichte, für persönliche Schicksale und für Simone Zaugg projiziert ihr Video «Berg wirtschaftliche Entwicklungen des Ortes. und Beton» auf eine den Durchgang ver- Céline Gaillard sperrende, betongraue Wand, deren Mas-

Dank an: Gian Andrea Walther, Ivana Semadeni, Andreas Fasciati, Tobias Eichelberger, Patrizia Guggenheim, Florio Giovanoli, Lucrezia Bischoff, Romana Walther, Arnoldo Giacometti, Claudio Ganzoni, Ero und Dario (Mitarbeiter ewz), ewz.

«Berg und Beton», 2013 · Videoinstallation mit HD-Video, Stereosound und Betonwand, 7' 40'' Idee, Konzept und Realisation: Simone Zaugg · Kamera und Ton: Pfelder, Simone Zaugg · Video- und Sound-Editing: Michael Hewllik

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Im Gegensatz zu traditionelleren künst- Handlungen vornimmt, sind nicht narra- bei «Schlafender Hund» arbeitet Leuteneg- Castelmur sehen – lerischen Medien wie Malerei, Zeichnung tiv miteinander verbunden. Die Spannung ger mit der repetitiven Bewegung des oder Skulptur, bei denen jeder selbst über des Videos ergibt sich durch die Erfahrbar- Videobildes. Die Umrisslinie des schlafen- Strategien in Zeit seine Betrachtungsdauer bestimmt, gibt machung ungesehener Räume. Narrativ den Hündchens bewegt sich kaum. So wie das zeitbasierte Medium Video die Betrach- hingegen gestaltet sich die Schifffahrt des beim «Champagner Brunnen» das Video- und Raum tungsdauer vor. Beim Fernsehen und im kopflosen Mohren im Werk «Reisende» bild auf die Gläser fiel, projiziert sich die Kino sind wir daran gewöhnt, dort sitzen von Judith Albert, der – stellvertretend für Zeichnung des Hundes auf ein antikes Dr. Katharina Ammann wir normalerweise auch still. Im musealen die ausgewanderten Zuckerbäcker – durch Hundebett. Kontext hingegen bewegen wir uns in verschiedene Gewässer und Jahreszeiten Die Videoausstellung im Palazzo Castel­ individuellem Tempo von Raum zu Raum. den Lauf der Zeit verkörpert. Hier kommt das Requisit ins Spiel und mur unterscheidet sich in einem wesent- Durch die vorgegebene Dauer eines Videos der Fokus verschiebt sich von den vorher lichen Punkt von einer Videoausstellung stossen wir auf Widerstand, sie bringt Eine andere Strategie, die Zeit zu über- erwähnten temporalen Strategien hin zu in einem herkömmlichen Kunstmuseum unser Verhaltensmuster durcheinander. winden, besteht in der Wiederholung. Bei den räumlichen. Nicht mehr eine Projek- oder einer Kunsthalle: Der Raum ist bereits Die Videokunst kennt verschiedene Stra- «Incrésciar – LangeZeit» von Evelina Caja- tionswand ist der Bildträger, sondern ein besetzt. Das reiche Interieur des Palazzos tegien, um diese Störung zu nutzen und cob sind zwei Hände sichtbar, die wäh- dreidimensionaler Gegenstand, der sich in aus dem 18. und 19. Jahrhundert mit mit dem Gegensatz zwischen Videozeit rend fast anderthalb Stunden einen Woll- denselben Raum erstreckt, in dem sich ­seinen Malereien und seinem Mobiliar und Besucherzeit produktiv umzugehen. faden zu einem Knäuel aufrollen. Die Tat- auch der Betrachter aufhält. Das immate- sowie der darin eingerichteten Daueraus- sache, dass sich das niemand in seiner rielle projizierte Bild erhält dadurch eine stellung zur Geschichte der Bergeller und Eine naheliegende Option liegt in der ganzen Dauer anschauen wird, hat auf- beinahe physische Qualität und kann Bündner Auswanderer bieten schon Stoff Kürze. Das Wort «Castelmurrrr» in der grund der stillen, repetitiven Handlung demzufolge als Objekt wahrgenommen genug, um die Besucherinnen und Besu- Projektion von Zilla Leutenegger schreibt keine Bedeutung. Eine noch stärker re­- werden. Die mittlerweile 50-jährige Ge­- cher in seinen Bann zu ziehen. Die 17 neu sich quasi in Realzeit auf die Wand. Es duzierte Bewegung charakterisiert den schichte der Videokunst hat gezeigt, dass installierten Videoarbeiten schaffen aber kann bereits während des Schreibens ge­le- «Champagner Brunnen» von Zilla Leuten­ Video als künstlerisches Medium erste eine direkte Verbindung in die Gegenwart sen werden. Mehr passiert nicht im Video, egger. Auf eine Gläserpyramide trifft die Erfolge beim Publikum erzielte, als es mit des heutigen Besuchers. Zum einen alles Weitere spielt sich anschliessend in Projektion eines nie versiegenden Cham- der «Videoskulptur» ab Ende der 1970er- geschieht dies über die Inhalte der Videos. den Gedanken des Betrachters ab. Aber pagnerbrunnens. Das goldene Licht fängt Jahre körperhaft erfassbar wurde. In einer Sie reflektieren das Vergangene aus heuti- auch besonders dramatische, plakative sich in den Gläsern und wird zeitgleich an installativen Situation ist die Bewegung ger Sicht, sie greifen Geschichten auf und oder narrativ fesselnde Videoinhalte kön- die dahinterliegende Wand projiziert, auf des Betrachters mitgedacht, das bewegte spinnen sie weiter oder sie erkunden die nen einen ihre vorgegebene Dauer und der sich die Gläser als Schatten abzeich- Bild trifft auf den bewegten Menschen, historischen Räume aus neuen Perspekti- somit die Zeit vergessen lassen. Bei «Berg nen. Das Anhalten der Zeit äussert sich und deshalb spielen nicht mehr nur die ven. Zum anderen­ drängt sich das Medium und Beton» von Simone Zaugg etwa über- darin, dass es kein voll oder leer gibt und zeitlichen, sondern auch die räumlichen Video schon allein aufgrund seiner spezi- wältigen die spektakulären Aufnahmen die permanent sprudelnde Flüssigkeit ein Faktoren eine Rolle bei der Rezeption. fischen Eigenschaften in die Zeit und den aus dem Innern der Albigna-Staumauer. bleibendes Bild erzeugt. Somit hängt das Etwas zugespitzt formuliert: Es ist in die- Raum des Betrachters und okkupiert seine Die performativen Sequenzen, während Verständnis dieser Arbeit in keiner Weise sem Fall weniger wichtig, ob ein Video in unmittelbare­ Gegenwart. denen die Künstlerin in diesen Räumen von der Dauer der Betrachtung ab. Auch seiner ganzen Länge angeschaut wird. 70 71

Mit dem Flachbildschirm erhält die Vi-­ Mauern ein Video, worin verschiedene, erzeugt die leichte Verschiebung beider lung der Inhalte. Die in dieser Ausstellung deokunst eine weitere Möglichkeit, durch flüssige Farbschichten übereinanderflies- Muster ein Flimmern und eine haptische versammelte Vielfalt zeigt auf, wie sorgfäl- die Präsentationsform den Betrachter ab­- sen. Zeitweise vermischt sich das Video- Tiefenwirkung, die nicht der Materialität tig die Künstlerinnen und Künstler über zuholen. Die Inhalte der digitalen Bilder- bild geradezu mimikrihaft mit den zahlrei- der realen Tapete entspricht. den Zusammenhang von Präsentation rahmen, die Karin Bühler auf einer alten chen, über die Jahre aufgetragenen Farb- und Rezeption, von Inhalt und Form Kommode versammelt, betrachten wir wie schichten der Wand. Die faktische Wand- Mit einer anders eingesetzten Überlage- nachgedacht haben. Dass die Exponate Fotografien. Einige eingehender, andere struktur ist auch bei Sissa Michelis Malerei- rung von Realität und Projektion arbeitet dem stark besetzten Palazzo etwas ent- flüchtiger. Das Dispositiv bestimmt weit- zitaten zentral. In Posen und Situationen, auch Christoph Rütimann. Sein «Hand- gegenzusetzen haben, beruht auf der prä- gehend die Art unserer Rezeption. Gabriela die an Caspar David Friedrich erinnern, lauf Piz Duan» läuft auf drei Monitoren, zisen Nutzung der kinetischen und akus- Gerber und Lukas Bardill wählen bei ihrer beschwört die Künstlerin Bilder aus der die auf Teilstücken jenes Handlaufs mon- tischen, der räumlichen und temporalen 3-Kanal-Videoinstallation «Alle meine Vergangenheit. Neben den Wandmale- tiert sind, der im Film vorkommt. Bereits Eigenschaften des Mediums Video. Die da-­ Schafe I» das Dispositiv des Bilderrahmens. reien des Palazzos fügen sich ihre ovalen damit holt er den Betrachter stärker ins fil- durch entstehende Verdichtung von Zeit Wie klassische Landschaftsgemälde­ hän- «Gemälde» harmonisch ein, nicht zuletzt, mische Geschehen. Besonders unmittel- und Raum, die Verknüpfung von Vergan- gen die drei Bildschirme in einer Kammer da die vorhandene Wandstruktur dem bar wirkt aber jener Moment, wo sich fil- genheit und Gegenwart lassen uns den anstelle jener Bilder, die vorher tatsächlich projizierten Bild eine freskohafte Materia- mischer und realer Raum deckungsgleich Bau und die Geschichten des Palazzo dort montiert waren. Die Platzierung der lität verleiht. überlagert, das heisst, wenn der im Video ­Castelmur auf überraschende Weise neu drei «Videobilder» ist dermassen nahelie- gezeigte Ausschnitt exakt dem Standort sehen. gend, dass sie zu keiner Zeit als Fremdkör- Bereits vor dem Einsatz solcher lichtstar- des Besuchers entspricht. Diese Kongru- per empfunden werden. Die Annäherung ker Tageslichtbeamer und bildhafter Flach- enz dauert nur einen Augenblick, aber der geschieht denn auch wie bei einem Ge­- bildschirme wurde Video in den 1990er- Betrachter wird anschliessend noch viel mälde. Gerber und Bardill verstärken diese Jahren breitentauglich und kunstmarktreif, stärker mitgerissen auf der rasanten Kame- Wirkung, indem die Bildschirme eine und zwar aufgrund der Grossprojektion in rafahrt vom Piz Duan durch den Palazzo menschenleere Landschaft zeigen. Bis sich der Black Box. Darin verschwanden der Castelmur bis hinab zur Maira. Denn mit leisem Geblök und Gebimmel eine architektonische Raum und die Technik durch das Vermindern der Distanz zwi- Schafherde ankündigt, die vom ersten Bild zugunsten des immateriellen Videobildes. schen Betrachter und Video greift der ins zweite fliesst, um im dritten wieder aus Durch Grösse und illusionistische Kraft Künstler in den Raum des Betrachters ein, dem Rahmen hinauszulaufen. In diesem wurde der Betrachter vereinnahmt. As-­ dessen passive Rolle sich dadurch in Rich- Moment der Bewegung böte sich auch die pekte dieser immersiven Strategie hat das tung Akteur verschiebt. kunsthistorische Lesart an, nicht auf drei Künstlerduo frölicher | bietenhader für Gemälde, sondern durch drei Fenster zu seine Arbeit «Gegenbild Oberfläche» auf- Anhand der verschiedenen Beispiele in blicken. gegriffen. Es leuchtet einen ganzen Raum dieser Ausstellung lässt sich das breite mit einer Projektion aus, die das Muster Spektrum der unterschiedlichen Raum- Eine weitere Form der Verschmelzung der Tapete auf die tatsächliche Tapete ab­- und Zeitstrategien bei Video aufzeigen. mit dem vorhandenen Raum findet sich bildet. Der Raumeindruck ist überwälti- Diese Strategien sind aber keineswegs bei Eric Lanz. Er projiziert auf eine der gend. Obwohl das Videobild statisch ist, Selbstzweck, sondern dienen der Vermitt- Judith Albert Karin Bühler Evelina Cajacob Micha Bietenhader, Selina Frölicher Gabriela Gerber, Julius, Luciano Fasciati, Lukas Bardill Eric Lanz Zilla Leutenegger Sissa Micheli Christoph Rütimann Simone Zaugg Luciano Fasciati, Christoph Rütimann, Giulio Vatrano Céline Gaillard Gian Andrea Walther, Ivana Semadeni 99

der sangen. Da, so ihre Perspektive, hech- Liebeserklärung tete aus der Dunkelheit eine Gestalt übers Feuer und schnappte sich eine Wurst von an meine einem Stecken. Hinter den Büschen bogen sich die Freunde, so meine Perspektive, Tischnachbarin vor Lachen. Das Grüpplein ums Feuer war erschreckt und entsetzt. Die Bestohlene Ursina Trautmann schwor umgehend Rache. «Lo pagherai!» Da nun die Wurst in der Hand, war die Das erste Zusammentreffen ist legendär. Mission erfüllt, vor lauter Aufregung und Es gibt die Erzählungen darüber aus zwei Herzklopfen konnte ich sie aber kaum Perspektiven. Aus ihrer und aus meiner. ­verdrücken. Auch war durch die Hecht- Ort der Handlung war das Rheinufer. Es rolle Sand an die Wursthaut geraten. Und war dunkel und zwischen den Steinen ich hatte noch zu bezahlen. Umgehend. brannte ein Feuer. Sie hatten, organisiert Wir standen noch lachend beieinander, wie sie waren, viel Bier und Würste ange- meine Freunde hatten sich hervorgewagt, schleppt und sassen nun im flackernden da stiess aus dem Dunkeln die bestohlene Licht mit den gespitzten Stecken in der Wurstbesitzerin hervor, eine Bierflasche in Hand und brieten über den Flammen ihre der Hand, deren Inhalt sie mir, es hatte ja Cervelats. genug davon, über den Kopf leerte.

Wir hatten gehört, es gebe ein Fest, und Jahre später trat ich, nach abermaligem waren hingeradelt. Kein Bier dabei, auch Klassenwechsel auf der Suche nach dem keine Wurst. Wir fanden sie schnell. Im kürzesten Weg zur schulischen Reife, ins Dunkeln konnte man sie johlen hören Zimmer des Mathematiklehrers. Erste Lek- und das Feuer brachte uns auf ihre Spur. tion in einem neuen Umfeld. Halbwüch- So standen wir eine Weile abseits im Ge-­ sige beäugten mich, ebenfalls Halbwüch- büsch. Und berieten uns, was zu machen sige. Mit starrem Blick ging ich hinüber wäre, wie man sich unbemerkt in diese zum Fenster. Da war noch ein Platz frei. Gesellschaft mischen könnte. Hin und Neben einer Brünette oder dunklen Blon- wieder stolperten Leute an uns vorbei, dine, je nach Perspektive. Ich setzte mich. alleine oder zu zweit ineinander verhan- Wir schauten uns an. Rieben gleichzeitig gen. Einige sassen gemütlich am Feuer, unsere Nasen, da sagte sie: Wir kennen führten sich die kurzen Flaschen an die uns. Ja, wir kannten uns, waren einander Lippen, betranken sich, und gut möglich, schon begegnet. dass sie dazu auch noch italienische Lie-

Sasc Tacaa 100 101

Sie kam aus dem Bergell. War dort eine Und jetzt – meine Tischnachbarin von nur so tue, als würde ich lesen, und blät- Tal. Wild. Wilder als mir die Erinnerung Zugewanderte. Ich hatte das Bergell zu damals wohnt längst in Zürich – jetzt steht tere weiter, ohne etwas aus der aktuellen zugesteht. Das Ankommen liegt in den jenem Zeitpunkt genau einmal besucht. die dritte Reise an. Ins Bergell fahre ich Berichterstattung verstanden zu haben. Kehren des Malojas. In den Lärchenspros- Mit meiner ersten grossen Liebe. Wir hat- diesmal alleine. Ein Grüpplein Künstler Dann schaue ich der Frau mir gegenüber sen. Im gerollten R der jungen Bergellerin- ten mit dem Postauto die Generalabonne- wird da sein. Man wird zusammen stehen, ins Gesicht, und sie schaut uns an, mich nen im Bus. Unvermittelt habe ich das mentsstrecken abgefahren, in Soglio ge­- schauen, reden und trinken. Und irgend- und ihren Sohn, wie wir nebeneinander Gefühl, in Schottland zu sein. Schon geht nächtigt, nicht im Palazzo Salis, da waren wann auch essen. Man wird sich nebenei- sitzen, und sie fragt sich, ich sehe es in es «ds Lòchab». 200 Höhenmeter in sieben schon alle Zimmer ausgebucht, in einer nander an den Tisch setzen. Wer weiss, ihren Augen ganz genau, sie fragt sich Kehren. Man darf nicht campieren. Noch- einfachen Herberge nebenan, wo wir auf neben wen es mich da verschlagen wird, gerade, ob ich eine für ihn wäre, für ihren mals 50 Höhenmeter und vier Kehren. Sie- dem Klo, wie und weshalb uns das gesche- wo ich noch nicht einmal weiss, wie ich Sohn. Ein Glück hält da der Zug und am ben Ameisenhaufen innert fünf Sekunden. hen konnte, weiss ich nicht mehr, das hinkommen werde, in dieses Tal am Ende Wagenende wird ein Abteil frei. Ich flüchte Und jetzt sind wir in Casaccia. Da kommt Rohr des Spülkastens aus der Wand rissen, der Welt. und kann endlich Zeitung lesen. sie her, meine Tischnachbarin. Hier war worauf uns aus der Mauer eine Wasserfon- ihre Beiz. Ist nicht mehr. Ein Kirschbaum täne entgegenspritzte. Wir steckten­­ das Mit Zug und Bus natürlich. In der Rhä- Viele Zeitungszeilen später steige ich auf blüht. Im Juni. An den Hängen alle Grün. Rohr wieder in die Wand und gingen tischen Bahn nach Sankt Moritz sitze ich das Postauto um. Einige wenige tun es Noch immer Frühling! Birken, Buchen. abends wie ein altes Ehepaar im Palazzo neben einem jungen Mann, der mit seiner mir gleich. Wir werden durchs Oberenga- Ahörner, denke ich mir, und Nashörner. Salis essen. An den Nebentischen sass Mutter unterwegs ist. Die beiden unterhal- din gefahren. In stehen gut be­- Die Sturzfahrt hat alles durcheinander­ steife Gesellschaft und am nächsten Tag ten sich über Sammlergegenstände mit tuchte Deutsche mit Funkgeräten am gebracht. «’Na tusa e prati» kommt mir in spazierten wir durch Kastanienhaine von noch nie gehörten Begriffen. Ich versuche Strassenrand und lotsen historische den Sinn. Weib und Felder. Aber hier wür- Soglio nach Bondo – oder war es Casta- zu lesen. Aber es sind diese Begriffe von Wagen durchs Dorf. Ein Mann wälzt sich den sie «Matiña» und «prà» sagen. Er segna – und fuhren weiter ins Tessin. nebenan, die mich irritieren und meinen lachend aus der stehenden, glänzenden schiebt jetzt nicht mehr, der Maloja. Wir Blick auf der Zeitungsseite minutenlang Karre und der Buschauffeur lässt auf der sind angelangt, im Tal. Das zweite Mal ins Bergell fuhr ich spä- an gleicher Stelle verharren lassen. Ich tue Weiterfahrt einen schönen Wilden mitten ter ebenfalls mit meiner ersten grossen so, als würde ich lesen, und versuche auf der Strasse, links ist See und rechts ist Ich suche nach Parallelen zum Prättigau. Liebe. Wir waren im Wahlkampf und be-­ herauszufinden, was zum Teufel die Mut- Berg, aus dem Wagen. Schade, denke ich. Das tat sie auch immer, meine Tischnach- suchten die politischen Freunde im Süden. ter meines Sitznachbars sammelt. Jetzt Der hätte noch bleiben dürfen. Aber der barin. Stuben und Pflanzen, Anhöhen, Aus dem Tischgespräch geblieben ist mir – möchte sie, dass er ihr im Internet danach schöne Mann ist weg. Sturheit und Eigensinn der Bewohner, ja alles redete Dialekt und mein Italienisch sucht. Es wird klar. Die Leidenschaft der sogar die Teiche mit ihren Lurchen waren war karg – ein Trinkspruch, kurz und effi- Mutter ist für den Sohn ein Graus. Er wim- Vor uns liegt der Maloja. Grauer Him- für sie an den beiden Orten identisch. zient: «Öppla cürva!», rief der Bergeller melt ihr Anliegen ab und lenkt sie ge-­ mel, weisse Berge, grüne Matten. Juni. Die Bestimmt sagte sie das nur so. Natürlich, und schüttete, es war wohl Branntwein, schickt auf ein anderes Thema: Edelsteine, Schweineblumen spriessen. Und der die beiden Täler verlaufen in Parallelen sich ein Glas davon in den Rachen. Wir Diamanten. Die Mutter beisst an. Ich Wagen fährt den Pass hinauf und hinauf von Ost nach West. Und was im Prättigau tranken Bier und Wein. denke, der hat längst begriffen, dass ich und oben sind wir, da liegt unter uns das die sanften Hügel sind, sind hier die Auen 102 103

auf den Stufen des Tals. Bei Casaccia. Bei Platz einnehme, jetzt sehe ich den Kern den, denke ich. Vielleicht aber redet sie wage ich nicht. Sie schnurrt, dann schläft . Wie auch immer. In Borgo- der Dinge. Den Kern von Tischnachbarin- auch nur daher, um an mir den Eindruck sie ein. Ich liege eine Weile wach mit gon- novo schieben der Bauer, die Bäuerin und nen. Katzen können vielerlei Gestalt an-­ ihrer Worte abzulesen. Ich schliesse mei- delnden Gedanken. Dann ziehen mich der Postautochauffeur einen Anhänger nehmen. Der Araber sagt «’otta», der Spa- nen Mund. Nach dem Essen gehen wir Braten und Wein in einen schweren Schlaf. mit einer Mähmaschine darauf zur Seite, nier «gata», der Franzose «chatte» und der auf den Balkon. Rauchen eine und die- Am frühen Morgen kurz vor fünf werde damit wir weiterfahren können. Eine Chinese «Mao». selbe Zigarette und stehen nahe beieinan- ich von einem alten Mafioso, er heisst schöne Bäuerin, ein schöner Bauer. Ich der. Ich setze mich auf einen Stuhl. Sie Voluto, von dessen Schlafzimmer aus er-­ notiere in mein Heft: Wird meine Tisch- Die Katze neben mir ist ein Medizin- ­schlei­cht mir um die Beine. Grau und rot schossen. Ich sagte noch, Buongiorno! nachbarin der Kapitalismus­ sein? mann, meine Tischnachbarin Ärztin. Ein und gelb und orange, weiss und himmel- Das war falsch. Als ich aufwache, ist die hochempfindlicher Mensch. Ihre Arbeit blau die Farben über uns. Es bläst ein wil- Katze weg, der Platz neben mir noch warm. Später am Abend, es wird gerade aufge- ist ihr soziales Netzwerk. Jähzornig sei sie, der Nordföhn, jagt Wolken übers Tal. tragen, sitzt neben mir am Tisch eine erzählt sie. Und illustriert, malt aus. Sie Katze. Es ist eine rote Katze mit bernstein- hat überbordenden Charme und Humor Es gibt ein Dessert. Wir könnten gemein- farbenen Augen und offenbar der grossen und nicht wenig Sex-Appeal, hat zarte sam an Erdbeeren denken, denke ich auf Gabe, die Schwachstellen anderer zu be-­ Hände und mit ihnen grosses Geschick. dem Balkon. Wie zufällig streicht sie über merken. Dort schmiegt sie sich sogleich Würde sie zeichnen, sie nähme Feder und meinen Handrücken. Für einen Augen- an, legt ihre Samtpfoten auf und beginnt orange eingefärbtes Kodan – Desinfek- blick lang ist sie ein Kater. Tigerkater. Und zu schnurren. Wenn sie mir auf dem Ohr tionsmittel – und brächte damit wunder- jetzt geht sie dem Balkongeländer entlang. liegen würde, könnte ich ihr Herz klopfen same Welten zu Papier. Da aber, sie sagt es Rastlos. Wirft mir einen Blick zu, misst und ihr Blut rauschen hören. Sie ist neu- selbst, ein Teil von ihr immer noch in der alles ab. Lass uns die Köpfe zusammen­ gierig, schwer zu fassen und zugleich Schwerelosigkeit verloren ist, greift sie stecken, ruft sie hinaus ins Tal. Ich ver- zahm wie eine alte Kuh. Sie hat auch viel statt zur Feder zum Skalpell. stehe nicht, warum sie das tut, und trete zu berichten. Sie ist ein Geschenk des zu ihr hin. Sie saugt ein letztes Mal an Himmels. Wenn ich wüsste, wie viele ihrer So sitzen wir nebeneinander. Kennen ihrer Zigarette, sagt: So, jetzt kann ich neun Katzenleben, oder sind es sieben, die uns kaum. Mit Messern bewaffnet. Ich schlafen gehen. Dann lass uns ins Bett Katzen haben, sie schon hergegeben hat – schneide damit meinen Brasà. Sie schiebt steigen, sage ich. Flink huscht sie über den für Lappalien wahrscheinlich, allesamt. sich Polenta auf die Gabel und sagt: Für Balkon, dreht noch kurz den Kopf nach Und wenn schon! Nichtigkeiten sind oft- den Risotto braucht es flache Teller. Etwas mir und verschwindet durch den Türspalt. mals grundlegend, und was heute schwer anderes würde meine italienische Kultur Ich eile hinterher. ist, kann morgen schon federleicht, bar nicht zulassen. Ich verdrehe die Augen. jeder Masse sein. Jetzt aber, da sich die Sie sagt, mit Ziegenkäse kannst du mich Noch in den Federkissen ist alle Welt in Katze in meinem zerzausten Haar verkrallt jagen, und schiebt sich ein Stück auf die Schwebe. Sie hat sich neben mir eingerollt. hat, darin hängt, wie in einem Vorhang Zunge. Mit offenem Mund schaue ich ihr Hätten wir Felle, würden sich nur unsere und lauernd darin hängen bleibt, auch zu, wie sie den Käse zerkaut. Sie muss sich Haarspitzen berühren. Behutsam streiche noch als ich aufstehe und einen anderen gerade losgelöst haben von allem Empfin- ich ihr zweimal über den Rücken, mehr Majolapass 106 107

zung findet. Es ist Luciano Fasciatis Anlie- zu Ausstellungen in Chur – in der Galerie stimmrechts» Porträts über Frauen, die am Autorinnen und gen, mittels ambitionierter Ausstellungs- Luciano Fasciati (diverse, 2009, 2010, Tag der Einführung des Schweizer Frauen- tätigkeit zu zeigen, dass Gegenwartskunst 2012), im Kunstraum Sandra Romer stimmrechts zur Welt kamen. Ihre Prosa- Autoren nicht nur in städtischen Zentren zu Hause («Echo Magique», 2009) und in der vom texte entwickelt sie in grosser Langsam- ist. Sein Interesse gilt künstlerischen Posi- Verein Art Public Chur initiierten und von keit. Sie basieren auf den Sinnesempfin- tionen, die sich mit Zeitfragen auseinan- Luciano Fasciati und Nicole Rampa kura- dungen von Auge, Ohr und Haut. Sprache Dr. Katharina Ammann dersetzen, wobei sein Fokus auf dem zeit- tierten Ausstellung im Fontanapark («Säen entspringt bei ihr zwischen eigenen und Katharina Ammann (*1973) studierte genössischen Kunstschaffen der Schweiz ernten glücklich sein», 2012) – erweiterte fremden Erinnerungsfragmenten. Kunstgeschichte und Englische Literatur liegt. sie ihr Interesse am zeitgenössischen an den Universitäten Genf und Oxford. Kunstgeschehen in der Schweiz sowie an Von 2001 bis 2004 arbeitete sie als wissen- Kunst im öffentlichen Raum. Auch Frage- Gian Andrea Walther schaftliche Assistentin am Kunstmuseum Ralph Feiner stellungen der textuellen Vermittlung Gian Andrea Walther (*1945) war wäh- Solothurn und kuratierte Ausstellungen Ralph Feiner (*1961) beschäftigt sich interessieren sie besonders. rend vierzig Jahren als Sekundarlehrer im vorwiegend zur Gegenwartskunst. Ihre primär mit Architekturfotografie. Beiträge Bergell tätig und während dreissig Jahren Dissertation «Video ausstellen – Potenziale finden sich in namhaften Architekturzeit- Präsident der «Società culturale», einer der Präsentation» schrieb sie an der Uni- schriften und Buchpublikationen. Sein Ludmila Seifert-Uherkovich späteren Sektion der PGI und Regional- versität Bern und am ZKM in Karlsruhe als Interesse gilt dem Spannungsfeld ­zwischen zentrum. Unter den vielen Ausstellungen, Ludmila Seifert-Uherkovich (*1969) hat Stipendiatin des Schweizerischen Natio- Architektur, Landschaft und den daraus die er in seiner Amtszeit organisierte, ist an der Universität Bern und der Freien nalfonds (SNF). folgenden sozialen Einflüssen. Ralph Fei- jene, die 2002 in Zusammenarbeit mit Univer­sität Berlin Kunst-, Architekturge- Seit 2008 ist Katharina Ammann Kon- ner sucht mit seiner Fotografie nach leicht dem Theologen Lukas Vischer für die schichte und Allgemeine Geschichte stu- servatorin am Bündner Kunstmuseum lesbaren Übersetzungen der komplizierten 450-Jahr-Feier der Reformation im Bergell diert. Seit 2000 ist sie selbstständig als Chur. Sie hat das Projekt FOTO SZENE GR Verflechtungen von Raum, Zeit, Licht und stattgefunden hat, wohl die bedeutendste. Kunsthistorikerin und Redaktorin tätig. In initiiert, zahlreiche Publikationen zur Ge-­ Atmosphäre. In den freien Arbeiten be­- Seit sechs Jahren ist er Aufseher des Palazzo diversen Publikationen zur Architektur- genwartskunst herausgegeben und ist als schäftigt er sich mit menschlichen Ein- Castelmur in Stampa/Coltura und Verant- und Kulturgeschichte Graubündens hat freie Kuratorin, Jury- und Kommissions- flüssen in hochalpinen ­Landschaften. wortlicher der Dokumentationsstelle pri- sie mitgewirkt. Seit Ende 2010 leitet mitglied tätig. vater Dokumente «Archivio storico» der ­Ludmila Seifert-Uherkovich als Geschäfts­ «Società culturale – PGI Bregaglia». Céline Gaillard führerin den Bündner Heimatschutz. Luciano Fasciati Céline Gaillard (*1987) ist seit März Luciano Fasciati (*1960) realisiert seit 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ursina Trautmann 1991 in der gleichnamigen Galerie in Chur Kunstmuseum St.Gallen. An der Universi- Ursina Trautmann (*1975) lebt mit ihren Ausstellungen und Projekte zur Gegen- tät Zürich absolviert sie ihren Masterstu- beiden Töchtern in Felsberg GR und arbei- wartskunst. 2008 wurde die Galerie durch diengang in Kunstgeschichte und Allge- tet als Autorin und Journalistin. Sie veröf- «Supplement», ein Schaulager, erweitert. meiner Geschichte. Sie begleitet das fentlicht Reportagen, Porträts und Be-­ Editionsprojekte und spezifische Kunst- Kunstereignis «Arte Hotel Bregaglia» als richte in verschiedenen Tageszeitungen veranstaltungen ergänzen das Programm. Assistentin von Beginn an. 2009 und 2010 und Zeitschriften. Als Ko-Autorin schrieb 2010, 2011 und 2012 kuratierte er das machte sie Praktika im Museum im Bell- sie für das Buch «Geboren am 7. Februar Kunstereignis «Arte Hotel Bregaglia» in park in Kriens und in der Alpineum Pro- 1971 – Die Mütter und Töchter des Frauen­ Promontogno, welches 2013 eine Fortset- duzentengalerie in Luzern. Bei Führungen 109

Impressum Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung Video Arte Palazzo Castelmur, 2. Juni bis 20. Oktober 2013, in Stampa-Coltura.

Ausstellungsidee © 2013 Textrechte Luciano Fasciati, Chur liegen bei den Autorinnen und Konzept / Künstlerische Leitung den Autoren Luciano Fasciati, Chur © 2013 Fotografien Kuratorin Ralph Feiner Céline Gaillard, Rapperswil Courtesy: Künstlerinnen, Künstler und Mitarbeit Video Arte Palazzo Castelmur (wenn Ivana Semadeni, Promontogno, und nicht anders vermerkt) Gian Andrea Walther, Promontogno Umschlagbild Veranstalter © 2013 frölicher | bietenhader Progetti d’arte in , Chur Ausstellungsaufbau Printed in Austria, Copyright © 2013 Giulio Vatrano, Wollerau ISBN 978-3-9523239-8-4 Führungen Sabrina Kirchner, , und Es liegt auch eine italienische Version Martina Paganini, dieser Publikation vor: Übersetzungen ISBN 978-3-9523239-9-1 Gian Andrea Walther, Promontogno Alle Rechte vorbehalten Herausgeber Kein Teil dieses Buches darf in irgend­ Progetti d’arte in Val Bregaglia, Chur, einer Form ohne schriftliche Genehmi- und Céline Gaillard, Rapperswil gung reproduziert werden. Erschienen Redaktion in der Edition Luciano Fasciati, Chur Luciano Fasciati, Chur, und Céline Gaillard, Rapperswil www.luciano-fasciati.ch Lektorat / Korrektorat Petra Meyer, Korrektorium, Römerswil Übersetzung des Vorworts von Gian Andrea Walther Silvio Maurizio, Gattikon / Vicosoprano Gestaltung Olivier Chauliac, CLUS Werbeagentur, Chur / Zürich Fotografie Ralph Feiner, Malans Plattenweg zwischen Promontogno und Soglio 110 111

Für die grosszügige Unterstützung danken wir Ein spezieller Dank geht an Beitragsfonds der Graubündner Kantonalbank · ewz · Kieswerk Casaccia · Bregaglia Katharina Ammann, Jost Auf der Maur, Ursula Bachmann-Gianotti, Hansueli Bärfuss, Turismo · CLUS Werbeagentur · Du – Die Zeitschrift der Kultur · Kunstbulletin · Elisabeth und Jakob Bardill, Linus Berther, Hercli Bundi, Anita und Curdin Candrian, ­Helibernina · Ralph Feiner Fotografie · Andrea Badrutt Olivier Chauliac, Christof Dietler, Ursula Diezi, Tobias Eichelberg, Adolfo Fasciati, ­Andres Fasciati, Rosita Fasciati, Marlene Fasciati, Rodolfo Fasciati, Ralph Feiner, Davide Swisslos / Kulturförderung, Kanton Graubünden · Comune di Bregaglia · Kulturstiftung Fogliada, Edith und Hans-Peter Freitag, Milena Frieden, Barbara Gabrielli, Marc Ganten- des Kantons ­Thurgau · Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung · Swisslos / Kultur­förderung bein, Anna ­Giacometti, Madelaine Jane Gillespie-Casparis, Patrizia Guggenheim, Hans Kanton Obwalden · Kulturförderung Appenzell Ausserrhoden · Kulturförderung des Peter Held, Gery Hofer, Silvia Hofmann, Arnout Hostens, Michael Kirchner, Sabrina ­Kanton St. Gallen / Swisslos · Kultur Stadt Bern · Migros Aare, Bern · Swisslos / Kultur Kirchner, Nicolò Krättli, Ursina und Andrea Krättli-Gianotti, Annemarie Kunz, Margrit Kanton­ Bern Kunz, Dora Lardelli, Anita Lüdi-Moos, Ladina Lys, Marlies Heidi May, Angela und Ueli ­Meinherz, Peter Mentzel, Vreni Müller-Hemmi, Markus Nigg, Orlando Nigg, Nadine Ernst Göhner Stiftung, Zug · Avina Stiftung, Hurden · Stanley Thomas ­Johnson Stiftung, Olonetzky, Martina Paganini, Diana Pavlicek, B&L Pedroni, Gian Ramming, Thomas Bern · Landis&Gyr Stiftung, Zug · Biblioteca Engiadinaisa, Segl Baselgia · Ernst und Olga Reitmaier, Andrea Ruffner Ramming, Armando Ruinelli, Kemal Sadulov, Katrin Ursula Gubler-Hablützel Stiftung, Zürich · Stiftung Stavros S. Niarchos, Chur · Anny Casty-­ Schafroth, Sabina Schärer, Hans Schüppach, Ludmila Seifert-Uherkovich, Ivana Sema- Sprecher Stiftung, Fideris · Stiftung Dr. Valentin Malamoud, Chur · Stiftung Dr. M. O. deni, Lucia und Rowan Smith, Claudia und Christoph Stäubli, Arnold Stettbacher, Winterhalder, Chur · Rudolf und Gertrud Bünzli-Scherrer Stiftung, St. Gallen · Ursula Suter Frei, Ursina Trautmann, Pius Tschumi / Kunstumsetzung, Giulio Vatrano, Fondazione Garbald, Castasegna · Pro Raetia, Felsberg Antoinette und Adriano Vonwyl, Giacomo Walther, Gian Andrea Walther, Romana Walther, Siska Willaert,­ Luisa Zendralli sowie die am Projekt beteiligten Künstlerinnen Video Arte Palazzo Castelmur wird gefördert durch und Künstler, ihre Helferinnen und Helfer für die Unterstützung und die Bergeller Corsin Bischoff, Casaccia · Herta und Gion Cadruvi, Chur · Alda Conrad-Lardelli, Chur · Bevölkerung dafür, dass sie uns stets wohlwollend und herzlich begegnet ist. Marlene Fasciati, Chur · Flexform S.P.A, Meda · Davide Fogliada, Castasegna · Susanne Frölicher-Kolb, Klosters · Christa Gebert, Jona · Peter Giacomelli, Trin Mulin · Kunst Graubünden und Liechtenstein · Kunstmuseum St. Gallen · Kerzenfabrik Hongler, ­Altstätten · Abitare M. Hürlimann AG, Chur · Claudia Lardelli, Chur · Angelika und Josef Meier, Wettingen · Marcello Negrini, Stampa · Ruinelli Associati ­Architetti, Soglio · Romano Salis, · Vittorio Scartazzini, Promontogno · Thomas Spielmann, Davos · Giulio Vatrano, Wollerau

Edition Luciano Fasciati · Chur