Wicherns Erbe und heutige diakonische Her- ausforderungen Pfarrer Klaus-Dieter Kottnik Präsident des Diakonischen Werkes der EKD Seite 3

450 Jahre Landesuniversität Jena

Prof. Dr. Ing. habil. Dagmar Schipanski MdL Präsidentin des Thüringer Landtags Seite 6

11 Gewissen und Amt in der Politik 12 Irakische Christen brauchen Hilfe 14 Evangelisches Leserforum Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08  Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, bei der SPD geht es drunter Kein Mensch glaubt der SPD angesichts dieses Verhaltens, dass und drüber. Das haben die sie es nicht auch bei der Bundeskanzlerwahl mit den Kommunis- letzten Wochen deutlich ten machen würde. Deshalb ist klar: Nur ein starkes bürgerliches gezeigt: Der unwürdige Ab- Bündnis wird den Linksruck in Deutschland aufhalten können gang von Kurt Beck und die und die Weichen für eine zukunftsorientierte und verantwort- Selbstinthronisation von liche Politik der kommenden Jahre stellen. Frank-Walter Steinmeier zum Kanzlerkandidaten sind dabei Vor kurzem hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nur die Spitze des Eisberges ihre neue Denkschrift „Das rechte Wort zur rechten Zeit“ veröf- und für den Zustand der SPD fentlicht. Unsere Gesellschaft profitiert davon, wenn die Kirchen insgesamt symptomatisch: In zu zentralen Fragen unserer Zeit, beispielsweise der Achtung den letzen fünf Jahren hat die der Menschenwürde, der Menschenrechte, der Feiertagskultur SPD fünf (!) Parteivorsitzende oder dem Schutz von Ehe und Familie, auf der Grundlage ihres gehabt. Von Stabilität und Verkündigungsauftrages Position beziehen. Insbesondere unter Verlässlichkeit kann hier keine den Bedingungen des Pluralismus mit seiner unübersichtlichen Kein Mensch glaubt der SPD Rede sein. Dass die SPD oben- Vielzahl an Stimmen und Meinungen ist es wichtig, dass vom angesichts ihres Verhaltens, dass drein einen gerade vor zwei Evangelium her klare und hilfreiche Orientierungen angeboten sie es nicht auch bei der Bundes- Jahren aufgrund inhaltlicher werden, die den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft im Geist kanzlerwahl mit den Kommunis- Richtungskämpfe zurückgetre- der Liebe, des gegenseitigen Verständnisses und der Solidarität ten machen würde. tenen Parteivorsitzenden nun fördern. Unsere Gesellschaft braucht das Wort der Kirche.“ abermals aufstellt, ist gleicher- maßen eine Verzweiflungstat wie auch ein Symbol für die inhalt- Gottes Segen! liche Ziellosigkeit dieser Partei. Ihr

Als die eigentliche Schicksalsfrage der SPD wird sich dabei zwei- fellos ihr Verhältnis zur Linkspartei erweisen. Schon der Wille von Frau Ypsilanti, sich in Hessen mit Unterstützung der Links- partei wählen zu lassen, war, ist und bleibt ein eindeutiger „Wort- bruch“. Auch bei der Bundespräsidentenwahl will die SPD mit der PDS-Linken gemeinsame Sache machen, um ihre Kandi- datin durchzusetzen. Hier gehen Machtinteressen eindeutig Thomas Rachel MdB vor Staatsinteressen. Bundesvorsitzender des EAK der CDU/CSU

Inhaltsübersicht 2 Editorial 12 Irakische Christen brauchen dringend europäische Hilfe 3 Wicherns Erbe und heutige diakonische Herausforderungen 14 Evangelisches Leserforum

6 450 Jahre evangelische 15 Aus unserer Arbeit Landesuniversität Jena

11 Gewissen und Amt in der Politik

 Editorial Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Wicherns Erbe und heutige diakonische Herausforderungen Pfarrer Klaus-Dieter Kottnik, Präsident des Diakonischen Werkes der EKD

Auf der kirchlichen Oktoberversamm- Erbe er uns darin für unsere heutigen Her- sie zu einem Abschluß gelangen, wenn lung 1871 in Berlin hielt Johann Hinrich ausforderungen hinterließ. Er war der Einseitigkeiten und Verkehrtheiten ver- Wichern seinen letzten öffentlichen Vor- Auffassung: mieden werden sollen. Charakteristisch trag. Wenige Monate zuvor hatte er einen „Die soziale Frage gehört der ganzen bleibt, dass gerade unsere Zeit zur Lösung erneuten Schlaganfall erlitten, sich jedoch Kulturwelt an und der Staat ist dabei dieser Frage berufen ist, sie, die wegen zunächst einigermaßen erholt. Nun ebenso beteiligt wie theoretisch und prak- ihrer Zerrissenheit und leidenschaftlichen beschäftigte sich der Gründer der moder- tisch die Kirche. Sie hat nicht bloß poli- Erregung und in ihrer Unsicherheit, in der nen Diakonie noch einmal – bevor er sich tische, sondern ebenso wesentlich kirch- sie alles in Frage stellt, am wenigsten zur aus gesundheitlichen Gründen völlig aus liche Seiten. Ebenso schweift die soziale Lösung geeignet scheint.“ 1 dem beruflichen Leben zurückziehen Frage hinüber in den Bereich der Schule, mußte – ausführlich mit dem Thema: „Die der Wissenschaft, der Kunst, der Litera- ieser zuletzt zitierte Satz von Mitarbeit der evangelischen Kirche an tur und hat allerorten ihre Provinzen. Im Wichern könnte genauso heute den sozialen Aufgaben der Gegenwart“. besonderen Sinne aber ist sie der Gegen- gesprochen werden. Zerris- Wicherns Thema ist heute so aktuell wie stand ihrer Fachwissenschaft, der Natio- senheit, Unsicherheit; die Suche nach damals. Und so können wir zunächst seinen nalökonomie. Nur durch das Zusam- DGewissheiten, nach Festlegungen, die Vortrag daraufhin betrachten, welches menwirken aller dieser Faktoren kann Diskussion, welche Werte in unserer

Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Wicherns Erbe  Gesellschaft noch Gültigkeit haben, sind aller Orten zu diagnostizieren. Und kön- nen wir nicht ebenso gut sagen, dass auch unsere Zeit dazu berufen ist, Antworten auf diese Fragen zu finden? Problemfelder im Bildungswesen, in der wirtschaft- lichen Entwicklung, Fragen der Grenzen im Bereich der Wissenschaft sind keines- wegs altmodisch oder überkommen. Es muss uns eher wundern, dass wir nach 140 Jahren noch immer keine solchen Ant- worten gefunden haben, die uns erlauben würden, wenigstens eines der Themen ad acta legen zu können. Zwei Herausforde- rungen möchte ich herausarbeiten:

Eine erste Herausforderung: Lebendige Kirche

ichern setzte sich während seines letzten öffentlichen Auftritts vor allem mit der erstarkenden Arbeiterbewegung, dem WKommunismus und den Tendenzen der Säkularisierung in der Gesellschaft der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus- einander und setzte in seiner Analyse gegen den Begriff der Gesellschaft den der christlichen Gemeinde. Damit ver- wies er noch einmal auf das zentrale Pro- jekt seines Lebens: die „innere Mission“ und mit ihr die sogenannte „freie Dia- konie“. „Freie Diakonie“2 war für ihn die Form von Hilfe, die durch die christliche Gemeinde geleistet wird. Und christliche Gemeinde war aus seiner Sicht keines- wegs auf bestimmte kirchliche Strukturen festgelegt. Sie geschieht in Selbstorgani- sation, in freien Vereinen und „Assoziatio- nen“, wie er meinte; „in Selbsthilfegrup- pen und sozialen Initiativen“ sagen wir heute. Der „freien Diakonie“ räumte Wichern den Vorrang vor der kirchlichen und staatlich organisierten Sozialarbeit ein. Denn gerade hier sah er Milieukom- petenz und besondere Innovationspoten- tiale3. Und so war für ihn die Gestaltung der Gesellschaft durch die Kirche eine Aufgabe aller Bürgerinnen und Bürger, wir würden heute sagen: die zivilgesell- schaftliche Herausforderung seiner Zeit ichern hatte die Vision einer Reich Gottes. In Preußen konnte er dabei und ich füge hinzu: auch unserer Zeit. Als Gemeinschaft, die er auch mit der Unterstützung des Regenten rech- ein wichtiges Erbe hat er uns damit auf- als christlichen Sozialismus nen, denn der preußische König Friedrich getragen, nicht nur ihn als einen Pionier beschrieb. Die zum Wesen des christlichen Wilhelm IV., der in seiner Regierungszeit der Zivilgesellschaft zu würdigen, sondern WGlaubens findende Volkskirche ist dafür (1840–1861) über 300 Parochialkirchen die Herausforderungen der eigenen Zeit die Basis. Innere Mission ist das breit mit dem Ziel der Missionierung des wachen Blicks zu erkennen, sie in der Pre- angelegte Engagement von Menschen, die Volkes bauen ließ, erhoffte sich von der digt, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit im Sinne Martin Luthers mit Ernst Christ Lebendigkeit des Glaubens im Volk einen publizistisch beim Namen zu nennen und sein wollten. Ziel war die Gewinnung Rückgang der sozialen Nöte. Für den als drittes durch die Tat die zivilgesell- des ganzen Volkes getaufter Christen zu König und seine Berater waren die soge- schaftlichen Herausforderungen weiter zu einem Leben nach der Botschaft von Jesus nannten kirchlichen Notstände weniger entwickeln. Christus. Die Gestaltung des sozialen durch ökonomische, denn durch mora- In seinem Vortrag benannte er genau und gesellschaftlichen Lebens entsprach lische Missstände hervorgerufen. Durch diese drei Punkte: Predigt, das gedruckte für ihn der Botschaft der von Christus das Wirken der freien Vereine und Gesell- Wort und die Tat als die drei Zeichen der gerecht gemachten Sünder. Gesellschaft- schaften, die auch wirtschaftlich unab- lebendigen Kirche, durch die sie sich den liches Leben sozial gerecht zu gestalten, hängig sein sollten, sollte die gesellschaft- Menschen aus seiner Sicht erweisen müsste. bedeutete deshalb für ihn Mitwirkung am liche Erneuerung von innen erfolgen. Weil

 Wicherns Erbe Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 „Glaubenswort und Glaubenstat“ für ihn einen waren es die Straßenkinder, die er Auftrag hinterlassen, was wir für jede Zeit unmittelbar zusammenhingen, sollte sich in die Familiengruppen seines Rettungs- neu als Herausforderung erkennen soll- auch der im Glauben gewonnene Geist hauses aufnahm, damit sie durch das Erle- ten: den Mut zum Querdenken. Wichern in der gesellschaftlichen Gestaltung nie- ben familiären Zusammenseins sozusagen fand die Lösung der „Inneren Mission“, derschlagen. Das bedeutete damals und „en passant“ zu christlichen Bürgerinnen weil er das scheinbar vorgegebene System bedeutet bis heute für die Diakonie zu und Bürgern heranwuchsen. Dazu zählten verließ und über den sprichwörtlichen Tel- aller erst das Engagement für die gesell- natürlich auch schulische und außerschu- lerrand hinausblickte4. Was wir in so vielen schaftliche Teilhabe der Menschen, die lische, musische Angebote. Schulen, Lehr- festgefahrenen Fragestellungen brauchen, nicht aus eigenen Kräften zu mitgestal- werkstätten beispielsweise im Bereich sind Menschen, die diese Fähigkeit haben: tenden Gliedern der Gesellschaft werden der Druckerei, die Agentur des Rauhen Die Fähigkeit über Systeme hinaus zu können. In diesem Engagement lässt sich Hauses, die die Flie- denken, die Fähigkeit, die ganze Bandbreite diakonischer Tätig- genden Blätter heraus- Wichern erkannte, dass Bildung das Ganze noch einmal keiten von der Selbsthilfegruppe bis zur gab, und die sein Werk ein Schlüssel zur gesellschaftlichen gegen den Strich zu Arbeit eines Unternehmens der Altenhilfe weit über Deutschland Teilhabe ist. bürsten, die Fähigkeit, zusammen sehen. hinaus bekannt machte quer zu denken. Sol- und ins Gespräch brachte, gehörten in che Querdenker sind natürlich oft unbe- eshalb richtet das Diakonische diesen Erziehungsplan, damit aus den quem, sie lassen sich schlecht einordnen. Werk der EKD sein großes Augen- Kindern solche Erwachsene werden wür- Und vielleicht liegen die Schwierigkeiten merk darauf, dass sich immer den, die ihr Leben gut meistern konnten. der Interpreten Johann Hinrich Wicherns mehr inhaltliche und strukturelle Verbin- Dies war die eine Seite seines Bildungs- darin, dass Wichern so ein typischer Quer- Ddungen zwischen Kirchengemeinden, dia- konzeptes. Er erkannte zugleich, dass denker war. Und sein bleibendes Erbe, konischen Initiativen und diakonischen zu einer guten Erziehung gut ausgebil- sein Vermächtnis ist die Aufforderung und Unternehmungen ergeben und entwi- dete Lehrende gehören und so wirkte er Ermutigung quer zu denken. ckeln. Missionarisch diakonische Kirchen- entscheidend mit bei der Professionali- gemeinden begreifen sich als Verant- sierung männlicher Lehrkräfte, den Dia- icherlich versuchte Wichern ange- wortliche in einem Sozialraum, den sie konen. Das war die andere Seite seines sichts der großen Veränderungen mitgestalten. Kirchliche Orte können zu Bildungsplanes. durch Industrialisierung und Folgen Mittelpunkten von Netzwerken werden, Wichern erkannte, dass Bildung ein der Freiheitskriege den linken Revolutio- durch die Kindertagesstätten, Beratungs- Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe närenS mit deutlichen Worten entgegen stellen, Altenhilfeeinrichtungen oder ist und dass damit eine Chancengerechtig- zu wirken, und den Blick auf das Bewah- Wohneinrichtungen für Menschen mit keit bezüglich der Zugangsmöglichkeiten renswerte zu lenken. Deshalb gilt er auch Behinderungen zusammen wirken. Das zu Bildungsinstitutionen verbunden sein als Vertreter der konservativen, restaura- Bundesprogramm „Soziale Stadt“ bietet muss. Für uns heute bedeutet dies, dass tiven Bewegung seiner Zeit. Gleichwohl hierfür mannigfache Möglichkeiten, die wir dafür Sorge tragen, dass elterliches passt dieses eine Bild allein nicht, um noch vielerorts unentdeckt sind. Der Got- Einkommen und Bildungsniveau, Migra- Wicherns vielfältigen Weitblick zu fassen. tesdienst und die eucharistische Begeg- tionshintergrund, körperliche oder psy- Das Diakonische Werk hat daher den 200. nung, die Kirchenmusik und die zuge- chische Beeinträchtigungen nicht Hürden Geburtstag zum Anlass genommen, um wandte Seelsorge greifen ineinander und beim Zugang zu Bildung sind. unter neuen Fragestellungen – ein neues führen zu Veränderungen, die gesell- Bildung darf daher auch nicht auf den Wichernbild zu entdecken: Das Bild eines schaftliche Auswirkungen haben. Erwerb von sogenanntem Verfügungswis- Mannes, der sich nicht einfach in Schubla- Als Hilfestellung dafür, dass diese Ver- sen reduziert werden, sonst trägt sie für den einordnen lässt. Wichern selbst sagte bundenheit auf allen Ebenen des Dienstes individuelle und gesellschaftliche Belange zum Verhältnis von Vergangenheit und in der Diakonie Wirklichkeit werden kann, nur wenig aus. Nur in der Kombination Zukunft in seinem Vortrag folgendes: hat das Diakonische Werk der EKD „Cha- von Verfügungs- und Orientierungswissen „Darum wurzelt das Einzelne wie rakteristika einer diakonischen Kultur“ kann Leben gelingen. Die evangelische das Ganze in der Vergangenheit, d.h. in entwickelt. Die darin Kirche und ihre Diako- der Geschichte, aber in der lebendigen formulierten Anre- Der „freien Diakonie“ räumte Wich- nie hat immer wieder Gegenwart liegt zugleich der Keim des gungen wollen Unter- ern den Vorrang vor der kirchlichen darauf hingewiesen, Zukünftigen. Darum ist die Gemeinde stützung geben bei und staatlich organisierten Sozial- dass Persönlichkeitsbil- Christi nichts ohne Vergangenheit und den Bestrebungen der arbeit ein. dung in all ihren Facet- Geschichte und nicht ohne Zukunft, d.h. verschiedenen Einrich- ten wichtiger Bestand- ohne Hoffnung.“5 tungen, die Mitarbeitenden in die Lage teil von allen Bildungsprozessen sein zu versetzen, sprachfähig in Glaubensdin- muss: als Anregung der kognitiven, sozi- 1 Wichern, Johann H., Sämtliche Werke, hrsg. v. Peter gen zu werden, und den Geist der Zusam- alen, emotionalen und ästhetischen Kräfte Meinhold, Bd III/Teil 2 S. 192 ff menarbeit mit den Hilfesuchenden und und als aktive Aneignung der Welt. In die- 2 Ders., Gutachten über die Diakonie und den Dia- untereinander zu gestalten. Der partner- sem Sinne ist Bildung der „Zusammen- konat, a.a.O., 141. schaftliche Umgang zwischen Leitung und hang von Lernen, Wissen, Können, Wer- 3 Ders., Gutachten über die Diakonie und den Dia- Dienstnehmern ist Teil dieser Kultur. tebewusstsein, Haltungen (Einstellungen) konat, a.a.O., 136. und Handlungsfähigkeit im Horizont sinn- 4 Vg. dazu Matthias Varga von Kibed. Insa Sparrer, Eine zweite Herausforderung: Bildung stiftender Deutungen des Lebens.“ (EKD- Ganz im Gegenteil. Tetralemmaarbeit und andere Denkschrift Maß des Menschlichen). Grundformen systemischer Strukturaufstellungen – Wichern hatte mit der Gründung des für Querdenker und solche, die es werden wollen, Hei- Rauhen Hauses in Hamburg im Jahr 1833 Zum Bildungskanon gehört aber delberg 2005, 25f. und dem evangelischen Johannesstift 25 auch, sich an Vorbilder zu erinnern: Und 5 ebda. S. 200 Jahre später in Berlin zwei Einrichtungen hier sollten wir die Person Wichern als geschaffen, die Lösungsansätze im Bil- Ganzes sehen. Denn der Begründer der dungsbereich seiner Zeit anboten: zum modernen Diakonie hat uns als Erbe und

Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Wicherns Erbe  450 Jahre evangelische Landesuniversität Jena Prof. Dr. Ing. habil. Dagmar Schipanski MdL, Präsidentin des Thüringer Landtags

Die Universität Jena verfügt über Der Aufbruch der Hohen Schule: Das der reformatorischen Lehren und zum eine wechselvolle und spannungsreiche Gründungsjahrzehnt der Universität Zentrum für die Ausbildung reformato- 450-jährige Geschichte, die sich mit den Jena 1548/58 rischer Pfarrer und Beamter geformt. Begriffen Krise, Umbruch und Neube- ginn treffend umreißen lässt. Das Wort en Ernestinischen Kurfürsten 1530 beanspruchten die Protestanten Krise ist kein Reizbegriff für Universi- galt die Universität als ein wich- mit einem eigenen Bekenntnis ihr Recht täten. Denn auch für sie gilt: Krisenhafte tiges, wenn nicht gar unabding- auf Glaubensfreiheit. Ein Jahr später grün- Situationen spornen zu Umgestaltungen bares Instrument der Aufrechterhaltung deten sie ein Verteidigungsbündnis, den und Innovationen an. Die Universität Jena Dund Sicherung des wahren evangelischen Schmalkaldischen Bund, in dem der ernes- verdankt ihre Existenz einem Aufbruch in Glaubens. In diesem Sinne hatten sie die tinische Kurfürst Johann Friedrich maß- einer solch krisenhaften Situation. Wittenberger Universität zu einem Hort geblich den Ton angab. Die Wittenberger

 450 Jahre Jena Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Universität war nicht die einzige Hoch- Dieses konfessionelle, vom Territo- „Klassische Universität“ und „akade- schule im Reich, die sich der neuen Lehre rialstaat festgelegte Gründungsfunda- mische Provinz“. öffnete. Der hessische Landgraf richtete ment bildete den spezifischen Charakter 1527 in Marburg ebenso eine protestan- und den Identitätskern der Salana über ie Jahrzehnte um 1800 werden als tische Lehranstalt ein. Eine weitere ent- die gesamte frühe Neuzeit. Die Jenaer Jenas „klassische Zeit“ bezeich- stand in Königsberg im Jahr 1544. Universität profilierte sich in den konfes- net. Die Universität Jena stieg – sionell-politischen Konflikten des 16. und mit legendärem Glanz verbunden – zum Die 1548/58 zunächst als Hohe Schule 17. Jahrhunderts zunächst als Hort luthe- D„eigentlichen Sitz der geistigen Bestre- entstandene, dann kaiserlich privilegierte rischer Orthodoxie, dann aber auch als bungen in Deutschland“. „Salana“ in Jena – also unsere Jubilarin – Stätte geistig-wissenschaftlicher Emanzi- war bereits eine Gründung, die unter dem pation von der Allmacht der orthodoxen Für uns hat das „klassische Jena“ bis Zeichen der Konfessionalisierung im Reich Theologie. heute eine Bedeutungsaura, die ihres- stand. Schon die Gründungsumstände im gleichen im Florenz der Mediceer oder Gefolge des 1547 vom Schmalkaldischen im Paris der Enzyklopädisten findet. Tat- Bund verlorenen Krieges verweisen auf den sächlich war Jena um 1800 Anziehungsort für die Geschichte der Alma Mater Jenen- und Wirkungsstätte für die größten deut- sis so charakteristischen Zusammenhang schen Philosophen und Denker: Goethe von Krise, Aufbruch und Neubeginn. und Schiller, Reinhold und Fichte, Schel- ling und Hegel, Fries und Oken, die it dem Sieg über den Schlegels und Humboldts, Tieck und Schmalkaldischen Bund Novalis, Feuerbach und Hufeland. und der Gefangennahme seiner Führer waren allerkühnste Strukturell gesehen, entstand Hoffnungen,M aber auch schlimmste und entwickelte sich die Alma Mater Befürchtungen verbunden. Johann Jenensis als kleinstaatlich geprägte Friedrich I. unterschrieb am 19. Mai und getragene Universität des 1547 die Wittenberger Kapitulation. ernestineschen Rest-Herzogtums Mit diesem Vertrag wurde den Sachsen-Weimar und seiner zuletzt Ernestinern die Kurwürde entzogen. noch vier Nachfolgestaaten. Zudem verloren sie etwa zwei Drit- tel ihres Gebietes. Übrig blieben zwei Wenn ein Weimarer Minister ein- getrennt voneinander liegende Teile in mal davon sprach, dass die Universität Thüringen – die Gebiete um Eisenach und Jena zu den „schönsten Kronjuwelen des Gotha sowie Weimar, Jena, Saalfeld Ernestinischen Hauses“ gehöre, war und die Pflege Coburg. dies letztlich auch Ausdruck, welch großen Wert die Erhalterstaaten auf In dieser Krisensituation war der Fort- ihre Landesuniversität legten. In diesen bestand der Dynastie tagtäglich in Frage Rahmen gehört nicht zuletzt die einmalig gestellt. Dennoch gründeten die Ernesti- Friedrich-Schiller-Universität Jena enge Verbindung zwischen dem wissen- ner eine Hohe Schule in Jena. Ausgangs- schaftlichen Jena und dem literarischen punkt war die Bestrebung, ein geistig-kul- Weimar. Auch das Wirken Goethes für turelles Zentrum unter der Prämisse des Erst nach Ende des verheerenden die Universität und das wissenschaft- „wahren Luthertums“ im verbliebenen Dreißigjährigen Krieges konnte sich die liche Leben Jenas sind hier einzuordnen, Territorium zu schaffen. In der nun ein- Universität neu ausrichten. Die Jenaer ebenso wie der Freundschaftsbund mit setzenden lutherischen Konfessionalisie- Universität entwuchs langsam ihren Kin- Schiller und ihr gemeinsamer Konnex mit rung gewann die Jenaer Hohe Schule als derschuhen: Sie trat aus der konfessi- den Brüdern Humboldt. Ausbildungsstätte und als Zentrum luthe- onellen und an den Stifter wie die Stif- rischer Theologie rasch an Bedeutung. tungsintension des 16. Jahrhunderts Mit diesen Namen stieg die Universi- Sie wurde zum Struktur prägenden Fak- gebundenen Phase, in ein Stadium der tät Jena noch einmal zur Spitze der deut- tor der damals 4.000 Einwohner zählen- Selbstprofilierung und der erneuten Orts- schen Universitäten auf. Goethe prägte den Stadt, die sich weitgehend auf die bestimmung der Universität in ihrem so- entscheidend die Weimarsche Univer- Universität ausrichtete und zugleich zu zialen Umfeld. sitäts- und Wissenschaftspolitik, die zu einem wichtigen Verlagsort aufstieg. Beginn der 90er Jahre des 18. Jahrhun- or diesem Hintergrund vollzog derts liberale Elemente mit einer for- Vom Hort lutherischer Orthodoxie zur sich zwischen 1650 und 1730 der cierten Kontrolle der akademischen Dis- Aufklärung. Die Universität Jena im geradezu ergreifende Aufstieg ziplin verband. Dies bildete den Rahmen 16. und 17. Jahrhundert des kleinen Jena zu führender Stelle unter einer neuen Blütezeit der „Salana“ und denV deutschen Universitäten. In dieser ermöglichte auch die Bewältigung der Kri- er Aufbruch, der mit der Grün- Zeit wurde der philosophische Rang Jenas sensituationen zum Zeitpunkt des Zusam- dung der Jenaer Universität ein- erstritten und seine moderat-freisinnige menbruchs des Alten Reiches. herging, war grundlegender Tradition begründet, die in Deutschland Natur. Es ging nicht nur um eine Neustif- und Europa Resonanz fand. Das Jahr der preußischen Niederlage Dtung oder eine Universitätsreform, son- Mit dem Wirken des Universalgelehr- bei Jena und Auerstedt 1806 ist erneut dern um eine „Glaubens“-Entscheidung, ten Erhard Weigel (1653/99) begann ihr symbolhaft für den Zusammenhang von um die Weichenstellung für den künftigen Aufstieg zur philosophischen Universität, Krise und Neubeginn. Dabei führte Jenas Werdegang „lutherischer“ Reformation im „zu einer Geburtsstätte rationalistischer, Modernisierungsweg vor allem über den Territorium und im Reich. frühaufklärerischer Wissenschaften“. Ausbau naturwissenschaftlich-medizinischer

Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 450 Jahre Jena  Sammlungen und Institutionen, die unter Jahren des Kaiserreiches entscheidend der gesamtthüringischen Landeskirche direkter Weimarer, also Goethescher Auf- mitprägten. Dazu zählte der im Herbst auch zur Neustrukturierung der kirch- sicht standen. Dieser „Goethesche Wis- 1871 nach Jena berufene Theologe Richard lichen Verwaltung. senschaftskonzern“ sicherte Jena in den Adalbert Lipsius (1830-1892), einem der ersten Jahren des 19. Jahrhunderts die bedeutendsten Vertreter der „liberalen“, Die demokratisierenden Wirkungen Flexibilität, die für den engen Anschluss also historisch-kritisch und philosophisch der Revolution begünstigten die Reform- an den Fortgang der Wissenschaftsent- eingestellten protestantischen Theolo- ansätze an der Universität, die nun auf wicklung notwendig war. gie der Zeit. Er gab der Theologischen das neue Land überging und seit 1921 Fakultät in den 70er und 80er Jahren des „Thüringische Landesuniversität Jena“ Aufbruch in die Moderne. Die 19. Jahrhunderts ihr Gepräge. hieß. Die Mehrheit der Mitglieder der Universität Jena und der „Großbetrieb Hochschule stand jedoch dem neuen poli- der Wissenschaft“ (1871-1914) Thüringische Landesuniversität Jena. tischen System distanziert gegenüber. Die Zwischenkriegszeit (1918-1933) Die vielfach geforderte „geistige Neuord- it der Jenaer Großindustrie nung“ erfolgte an der Universität weni- der Zeiss- und Schottwerke er Erste Weltkrieg, diese „Urka- ger im republikanischen, als vielmehr im wandelte sich die typische Uni- tastrophe des zwanzigsten Jahr- republikdistanziert bis antirepublikani- versitätsstadt Jena zu einer Industrie-, hunderts“, schlug auch der Jenaer schen Sinn. Arbeiter-,M Wissenschafts- und Universi- Universität tiefe Wunden. Rund 500 Stu- tätsstadt mit sehr spezifischen Milieus. Ddierende – 27 Prozent der Frequenz von In den Jahren der Weimarer Repu- Die vom Industrie-Physiker, Unternehmer 1914 – fielen dem Massensterben zum blik erlebte die Jenaer Universität eine und Sozialpolitiker Ernst Abbe 1889/96 Opfer. Krieg, revolutionsbedingtes Ende neue Phase geistigen Aufbruchs, des Re- begründete Carl-Zeiss-Stiftung führte der des Kaiserreiches, die Gründung der Wei- form- und Modernisierungswillens und finanziell karg ausgestatteten Universi- marer Republik 1919 eindrucksvoller wis- tät beträchtliche Mittel zu, die industrie- und die des Landes Eine Geschichte der Jenaer Univer- senschaftlicher Inno- nahe Einrichtungen und Forschungen, Thüringen 1920 haben sität im 20. Jahrhundert wird aber vationen. Besonders aber auch der Gesamtuniversität zugute das Gesicht der Jenaer auch ihre Schattenlinien klar umrei- auf den Gebieten der kamen. Universität im frühen ßen müssen. Medizin, Physik, Päda- Auch innerhalb der protestantischen 20. Jahrhundert ent- gogik, Nationalökono- Theologie gab es in Jena herausragende scheidend geprägt. Ein Jahr nach der Lan- mie und des Arbeitsrechts erreichte sie Vertreter, welche ihre Fachdisziplin in den desgründung kam es mit der Etablierung eine führende Stellung.

Nach der Deformation internatio- naler Wissenschaftsbeziehungen durch den Weltkrieg erlangte Jena rasch wieder europäische Ausstrahlungskraft beson- ders nach Osteuropa. Die Universität, die Pressemitteilung vom 09.07.2008 sich im 19. Jahrhundert mühsam den Weg Für eine verantwortliche Unternehmenskultur in die Moderne gebahnt und um 1900 eine neue Glanzzeit erreicht hatte, war auf dem besten Wege wissenschaftlicher Entfal- Anlässlich der heutigen Veröffentlichung der neuen Denkschrift „Unterneh- tung – nunmehr als thüringische Landes- merisches Handeln in evangelischer Perspektive“ des Rates der Evangelischen universität mit einer entsprechenden För- Kirche in Deutschland (EKD) erklärt der Bundesvorsitzende des Evangelischen dergesellschaft und einer modernisierten Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK) und Parlamentarische Staatssekretär, Tho- Fakultätsstruktur. mas Rachel MdB: Abkehr vom Wissenschaftsethos. „Es ist sehr zu begrüßen, dass die EKD 60 Jahre nach der Einführung der Die Universität Jena in der NS-Diktatur Sozialen Marktwirtschaft durch Ludwig Erhard (CDU) an deren tragende gei- (1933-1945) stige, religiöse und ethische Wurzeln erinnert und zu einer neuen und dringend notwendigen Diskussion über verantwortliches, unternehmerisches Handeln ine Geschichte der Jenaer Uni- einlädt. Mit Recht kritisiert die Denkschrift sowohl die Negativbeispiele Ein- versität im 20. Jahrhundert wird zelner als auch die strukturell problematischen Auswüchse unternehmerischen aber auch ihre Schattenlinien klar Handelns in unserer heutigen Zeit, ohne dabei jedoch die zentrale Bedeu- umreißen müssen. Zu diesen Schatten- tung des Unternehmertums für Innovation, Wertschöpfung und Wohlstand aus linienE gehören die vielfältigen Erschei- dem Blick zu verlieren. Es ist daran zu erinnern, dass der Wiederaufbau und die nungen der Deformierung der Jenaer Wohlstandsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland ohne die überzeu- Universität in den Jahren des National- genden Unternehmerpersönlichkeiten in der Sozialen Marktwirtschaft nicht sozialismus und der DDR. möglich gewesen wären. Mit dem Machtantritt des National- Gerade auch vor dem Hintergrund zunehmender Globalisierungsherausfor- sozialismus 1933 erfuhr die Wissen- derungen brauchen wir dringend eine erneuerte Kultur des verantwortlichen, schafts- und Bildungseinrichtung der unternehmerischen Handelns auf der Basis des christlichen Menschenbildes 20er Jahre abrupten Abbruch. Sie erhielt und eines Berufsethos, das dem christlichen Freiheitsbegriff verpflichtet ist. eine geradezu verhängnisvolle Tendenz. Es ist in diesem Zusammenhang ausgesprochen verdienstvoll, dass der Rat der Insgesamt wurde die Universität in ein EKD auch die protestantischen Wurzeln der Konzeption der Sozialen Marktwirt- Regime eingebunden, dass nicht nur die schaft erneut ins Bewusstsein ruft.“ Unterdrückung nach innen, sondern auch Krieg, Expansion und Völkervernichtung

 450 Jahre Jena Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 auf seine Fahnen schrieb. In dieser Zeit Das Vorgehen von Staat und FDJ gegen erfolgte ein deutlicher Bruch mit dem diese Gruppierungen war Ausdruck einer Wissenschaftsethos. „forcierten Säkularisierungspolitik“, die in den fünfziger Jahren hauptsächlich auf Das 375. Gründungsjubiläum der die Jugend und die Studierenden gerich- „Salana“ stand deutlich im Schatten des tet war. Damit wurde die Hoffnung ver- Jahrestages der „Machtergreifung in Thü- bunden, durch die Bestimmung über die ringen“. In der Universitätsstadt Jena er- Jugend die Herrschaft über die Zukunft hielt dieser mit Reden und Aufmärschen zu erlangen. In den Fokus der Machtha- begangene Festtag seine besondere Note. ber geriet dabei die Junge Gemeinde, An diesem Tag wurden verfemte Bücher vor allem die Evangelische Studenten- öffentlich auf dem Markt verbrannt. Am gemeinde, die sowohl in ihrer institutio- 18./19. November 1933 fanden in Jena Pfr. i. R. Johannes Göttsching, Landesvorsitzen- nellen Form als auch in Gestalt einzelner Luther-Feiern statt, welche das evangeli- der des EAK Thüringen, und Dagmar Schipanski Mitglieder angegriffen wurde. sche Erbe der Landesuniversität und damit die Tradition der Jenaer Hochschule sicht- Zeichen eines antifaschistischen Neuauf- Eine ganz entscheidende Zäsur stellte bar für die nationalsozialistischen Macht- baus unterzogen. Übrigens war die Jenaer das Jahr 1961 dar. Mit dem Bau von Mauer haber zu instrumentalisieren versuchten. Universität die erste der sowjetischen und Stacheldraht wurde der gesamt- Seit dem Sommer 1933 revidierten die Besatzungszone, die wieder eröffnet deutsche Akademikeraustausch unmög- Länder die Hochschulverfassungen und wurde. Gerade in den ersten Nachkriegs- lich gemacht. Die individuelle Alterna- stellten die akademische Selbstverwal- jahren war die Situation in vielerlei Hin- tive einer Flucht durch Verlassen der DDR tung auf das „Führerprinzip“ um. sicht noch offen. stand in der Regel nicht mehr zur Verfü- gung. Die DDR setzte nunmehr auf wirt- Die Pervertierung des akademischen uch in der Kirche war es während schaftlich-technische Autonomie und Freiheitsgedankens und der evangelischen der amerikanischen Besatzungs- militärische Landesverteidigung. Wurzeln der Universität wurde ein Jahr zeit zu einem einschneidenden später mit der Ernennung des Deutsch- Wechsel gekommen: Das deutschchristli- Die Universitäten der DDR verän- christen Wolf Meyer-Erlach zum Rektor Ache Kirchenregiment wurde im April 1945 derten sich in dieser Zeit grundlegend. der Universität Jena erneut besonders durch Repräsentanten der Lutherischen Die Forcierung des akademischen Umge- deutlich. Seine Ambitionen erstreckten Bekenntnisgemeinschaft abgelöst. Darin staltungsprozesses im Verlaufe des Jah- sich auf den Umbau der hatten der spätere Lan- res 1968 hing gewiss mit den Tempo- und Alma Mater Jenensis Ohne die revolutionären Ereignisse desbischof Moritz Mit- Überholvisionen der späten Ulbricht-Ära zu einer „völkisch-poli- des Umbruchs von 1989/90 wäre es zenheim und auch der zusammen. Diese betrafen Jena massiv, tischen Universität“ nicht zu der Umgestaltung des Hoch- spätere Oberkirchenrat insbesondere die Entwicklung der Stadt und einer „geistigen schulwesens gekommen. und damalige Professor und des VEB Carl Zeiss. Gerade Jena, das Waffenschmiede des für Praktische Theolo- sonst eher im Schatten der Berliner Uni- Dritten Reiches“. Als Theologieprofes- gie in Jena, Erich Hertzsch, entscheidende versität und der “Bezirkshauptstadt” sor bestand Meyer-Erlach darauf, dass Funktionen inne. Gera stand, wurde in den 60er Jahren zum die Studierenden vor ihrem Examen Hit- Modellfall entsprechender Experimente lers „Mein Kampf“ und die Schriften des Damit begann die Umgestaltung der mit dem Ziel, hier gleichsam ein Hoch- NS-Ideologen Alfred Rosenberg lasen. Landeskirche, die an vorderster Stelle technologiezentrum zu schaffen. die deutschchristliche Politik innerhalb Zu welchem Ende der Wahnsinn der evangelischen Kirche in Deutsch- Stabilität und Krise. des NS-Systems führte, ist bekannt. Die land propagiert und betrieben hatte, Die Universität Jena in der Gedenktafel im Stadtzentrum Jenas erin- durch die bisherige Opposition. An der „Ära Honecker“ (1971-1989) nert jeden Lebenden an die Folgen des theologischen Fakultät wurden die geis- von Deutschland in die Welt getragenen tigen Fundamente des Studiums erneu- n den 70er und 80er Jahren führten Krieges. Seit den amerikanischen Bom- ert. Dazu gehörte die Wiedererteilung Lockerungstendenzen und Struktur- benangriffen vom Februar und März 1945 des Hebräischunterrichts, welchen die entscheidungen zu neuen Disproporti- lagen große Teile der Jenaer Klassiker- und Nationalsozialisten verdrängt hatten. onen und Erstarrungen an der Universität. Bildungsstätten in Schutt und Asche. Gleichzeitig wurde das Studium des Alten AndererseitsI wurden wissenschaftliche Testaments wieder zur obligatorischen Höchstleistungen trotz negativer Rah- Sowjetisierung, Reform und Konflikt. Vorraussetzung der Ordination zum menbedingungen erbracht, die vor die- Von der Wiedereröffnung bis zur Drit- Pfarramt erklärt. sem Hintergrund umso beachtlicher sind. ten Hochschulreform (1945-1968/71) Die allgemein beklagte, angespannte und Die Situation an der Hochschule sich weiter zuspitzende Versorgungslage Wie ging es dann nach 1945 weiter? war in vielerlei Hinsicht offen. Doch betraf nicht nur den privaten Bereich, son- Diesmal war der Einschnitt noch tiefer als wurden die demokratischen Neuansätze dern machte sich auch im Arbeitsprozess 1918. Es galt, eine aus den Fugen geratene bald verdrängt. Schon die Jahre 1945 empfindlich bemerkbar. Welt neu zu ordnen, einer desorientierten bis 1948 waren von politischen Ein- und ratlosen Jugend und ebenso vielen griffen geprägt. Bis 1968 erlebte die Immer wieder wurden Missstände Erwachsenen eine neue geistige Heimat Jenaer Universität eine Phase strikter aufgezeigt, die den Studien- und For- zu bieten. Etwa ein Drittel der Thürin- Gesellschaftseinbindung mit dem Ziel schungsalltag erschwerten. Dies betraf ger Pfarrerschaft war an den Fronten des der Schaffung einer „sozialistischen so alltägliche Dinge wie die Zuteilung von Zweiten Weltkrieges umgekommen. Universität“. Vergaserkraftstoff, Chemikalien und Aus- Nach 1945 wurde die Universität Dazu gehörte auch der Kampf gegen rüstungsgegenständen wie auch Fragen einem tief greifenden Strukturwandel im christliche Studentengruppen 1952/1953. der Werterhaltung von Gebäudesubstanz.

Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 450 Jahre Jena  Die insgesamt von einer Intelligenz- der Studierenden an der FSU Jena (2 Pro- iemals zuvor wurde der Wider- politik repressiver Toleranz gezeichnete zent) und damit weniger als an ande- spruch, geistiger Weltbürger zu Honecker-Ära bietet überwiegend ein Bild ren Hochschulen, sah im Frühjahr 1989 sein und sich zugleich in engen der Stabilität. Doch es gab auch gegen- in dem Festhalten an der bisherigen nationalen, gesellschaftlichen und poli- läufige Tendenzen. Zu nennen sind hier politischen Linie die Voraussetzung für Ntischen Grenzen zu bewegen, so offensicht- in überregionalem Zusammenhang vor eine erfolgreiche Weiterentwicklung lich wie in diesen Perioden. Niemals zu- allem die Biermannaffäre 1976, die Anti- der DDR. Insgesamt speiste sich aus all vor traten Fragen des Wissenschaftsethos Raketenbewegung Anfang der 80er Jahre dem ein kräftiger Wille demokratischer und der Verantwortung des Wissenschaft- und die beginnende Ökologiebewegung, Selbsterneuerung der Jenaer Universi- lers so deutlich hervor. Wissenschaftsge- letztere vor allem eine Basisbewegung der tät. Allerdings nahm die Universität ge- schichte und damit auch die 450-jährige Studenten und der jungen Wissenschaftler. samtgesellschaftlich keine aktive Vorrei- Vergangenheit der Universität Jena ist terrolle in Sachen Opposition und Wider- untrennbar verwoben mit Selbstreflexion, Im Jenaer Kontext fallen hier unwei- stand ein. also dem Nachdenken über grundsätzliche gerlich die Namen der Schriftsteller Lutz Fragen des Verhaltens von Wissenschaft- Rathenow und Jürgen Fuchs ins Gewicht. Auf dem Weg in ein neues Kapitel. lern und der Rolle von Wissenschaft im Beide stehen zugleich für erneute Repres- Die Universität Jena und das Ende des Allgemeinen. Nur durch kritischen, selbst sionen des Freiheitsstrebens. Seit Mitte Kalten Krieges. (1989-1991) reflektierenden Umgang mit der Tradition der 80er Jahre wurden auch Teile der SED- kann aus Vergangenheit und Tradition verbundenen Intelligenz – bis in den Kreis Ohne die revolutionären Ereignisse erneut Hoffnung und Zuversicht für die der Professoren hinein – von der mit den des Umbruchs von 1989/90 wäre es nicht Zukunft der Hochschule erwachsen. Begriffen „Perestroika“ und „Neues Den- zu der Umgestaltung des Hochschulwe- ken“ umschriebenen Reformbewegung sens gekommen. Und zu diesem Umbruch Dies verdeutlicht allein schon das erfasst. gehörte, dass eine Mehrheit der Bürger Motto der „Lichtgedanken“, unter dem der DDR dem bisherigen System ein Ende das Jubiläum der Jenaer Hochschule steht. ehrere Gruppen sammelten machen und auch das Hochschulwesen Diese Metapher bezeugt, dass das Sich- sich auch unter dem institutio- radikal verändern wollte. Nach 60 Jahren Besinnen und das Streben nach Erkennt- nellen Dach der Kirche. Von überwiegend politisch autoritärer Verhält- nis im Sinne von Geistesblitzen elementar der Universitätsleitung wurde eine „auf- nisse richteten sich die Bestrebungen ver- mit dem Menschsein verbunden sind. fallendeM Offensive und Aktivität religi- ständlicherweise vor allem auf die Hoch- öser Studenten“ konstatiert. Studenten schulautonomie. ie Universität hat sich in den letz- der „Jungen Gemeinde“ traten verstärkt ten 18 Jahren zu einer Institu- in Wohnheimen, der Mensa sowie in Lehr- Bereits im November 1989 konstitu- tion der gelebten Freiheit und der veranstaltungen auf. ierte sich unter dem Dach der „Reform- Erkenntnisförderung entwickelt. Als eine haus“-Bewegung ein demokratisch legiti- Dder bedeutendsten deutschen Traditions- In den 80er Jahren kam es auch zu mierter Studentenrat. In kurzer Zeit wurden universitäten lenkt sie unter dem Motto einer Welle von Ausreisebewegungen an sehr schnell sehr wichtige Entscheidungen der „Lichtgedanken“, übrigens dem Werk der Alma Mater Jenensis. Bei den Studie- getroffen. Nach dem Verwaltungsumbau ihres Namenspatrons Friedrich Schil- renden an der Friedrich-Schiller-Universität gelang auch die Rückkehr zu den Fakul- ler entlehnt, unseren Blick sowohl in ihre lässt sich insbesondere im Jahrzehnt vor täten als einer alten deutschen Universi- Geschichte als auch in die Zukunft. Ihrem dem politischen Umbruch im Jahr 1989 ein tätstradition. Innerhalb der Zeit zwischen sich bereits in ihren Anfangszeiten her- „gravierender Mentalitätswandel“ kons- dem Frühjahr 1990 und dem 3. Oktober auskristallisierenden Aufbruchscharak- tatieren, der mit einem auffälligen Bin- 1990 befand sich allerdings der Zustand ter ist die Universität Jena innerhalb ihrer dungsverlust zur FDJ, der sozialistischen der Universität weitgehend in einer „anar- wechselvollen Geschichte dabei bis heute Staatengemeinschaft und zur SED ein- chischen Schwebe“. Der Erneuerungspro- treu geblieben. Aus Krisensituationen hergeht. Nur noch eine kleine Minderheit zess erhielt seine juristische Beschleuni- und materiellen wie geistigen Nieder- gung durch den Abwicklungsbeschluss des lagen ist sie immer wieder aufgebrochen Landes Thüringen vom Dezember 1990. zu neuen Strukturen und Horizonten, die den Bedürfnissen der jeweiligen Gegen- ie Abwicklung war in vielen Fällen wart Rechnung trugen. Zuletzt hat dies ein schmerzlicher und von Unge- die erfolgreiche Erneuerung nach 1989 rechtigkeiten nicht freier, aber bewiesen. Spendenstand letztlich notwendiger Akt der personellen Seit dem 1. Januar 2008 haben ins- DNeugestaltung. Sowohl in der NS-Zeit als Gekürzte Fassung des Vortrages von Dagmar Schi- gesamt 148 Spender 8.991,00 Euro auch in der DDR nahm der politische und panski anlässlich der EAK-Landestagung Thüringen für die Evangelische Verantwortung ideologische Druck auf die Universität am 29. April 2008 in Jena. Der vollständige Vortrags- gespendet. Wir möchten uns herz- enorm zu. Professoren und Studenten text ist abrufbar unter: www.eak-cducsu.de unter der lich bei Ihnen für diese Unterstützung standen vor Belastungen und Entschei- Rubrik: Download „Artikel aus Evangelischer Verant- bedanken. dungen von oft geradezu existenzieller wortung“. Bedeutung. Zahlreiche Schicksale bele- Unterstützen Sie die Arbeit des EAK gen das. der CDU/CSU: Prof. Dr. Ing. habil. Commerzbank Berlin, BLZ 100 400 00, Nach der Wende wurde im Foyer Dagmar Schipanski MdL Konto-Nr. 266 098 300 der Aula eine Gedenktafel für die Opfer Präsidentin des politischer Unterdrückung an der Fried- Thüringer Landtags Informieren Sie sich über die Arbeit rich-Schiller-Universität enthüllt, die in des EAK: www.eak-cducsu.de Anlehnung an eine Stelle des Johannes- Evangeliums (Kap. 8, Vers 32) gestaltet ist.

10 450 Jahre Jena Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Gewissen und Amt in der Politik PD Dr. phil. habil. Jürgen Plöhn

üngst war es in Hessen Dagmar Metz- behauptet hatte, so dass dieser sich zum Materien das Gewissen der Mandatsträ- ger (SPD), die einmal mehr ein altes Ausscheiden aus der Regierung genötigt ger angeblich nicht berühren sollen. Eine und sehr grundsätzliches Thema der sah. Die Abtreibungsfrage in den 70er und solche Differenzierung mag leicht zu prak- Politik in Erinnerung und zurück in 90er Jahren des letzten Jahrhunderts und tizieren sein. Eine andere Frage ist aber dieJ Diskussion gebracht hat: Was darf ebenso die Entscheidungen der letzten ihre sachliche Angemessenheit. ein Abgeordneter – gleich, welchen Jahre zur Stammzellenforschung haben Geschlechts? Wieviel Loyalität kann seine eine solche Nähe zu höchstpersönlichen Die rechtliche Komponente Partei von ihm oder ihr erwarten? Gibt Wertüberzeugungen und Güterabwä- es Fragen, bei denen sich ein gewählter gungen gehabt, dass im Parlament zu die- m Grundgesetz ist das Gewissen in Volksvertreter legitimerweise auf sein sen Fragen auf den Versuch einer verbind- zwei unterschiedlichen Zusammen- Gewissen berufen darf, ja, vielleicht sogar lichen parteipolitischen Organisierung der hängen angesprochen und insgesamt berufen muss? Abgeordneten verzichtet worden ist.1 fünfmal erwähnt – bemerkenswert oft. In der deutschen Nachkriegspolitik Gibt es danach die Gewissensfrage als I Zunächst begegnet einem das Gewis- hat das Thema von den Anfängen bis zur solche? Lassen sich Gewissensentschei- sen in Artikel 4 Abs. 1 GG in der allgemei- Gegenwart eine Spur über die großen dungen von anderen Fragen nach irgend- nen Garantie der Glaubens-, Bekenntnis- Auseinandersetzungen hinweg gezogen: welchen Kriterien trennscharf abgrenzen? und Gewissensfreiheit, wie sie im übrigen Gustav Heinemann (CDU) verließ 1950 Wie ist die Rechtslage? Und wie sieht eine in ähnlichem Wortlaut auch in Artikel 9 seine Partei in der Auseinandersetzung Beurteilung aus Sicht der evangelischen Abs. 1 der Europäischen Menschenrechts- um die Wiederbewaffnung. Erich Mende Ethik aus? konvention ausgedrückt ist. Im Grund- (FDP) verzichtete 1961 auf den Eintritt Journalisten scheinen immer wieder rechtsteil der Verfassung findet sich in die Regierung, nachdem er im Wahl- Probleme damit zu haben, die Berufung sodann in Artikel 4 Abs. 3 eine Konkreti- kampf gegen eine weitere Kanzlerschaft von Politikern auf ihr Gewissen richtig ein- sierung der Gewissensfreiheit mit Blick Adenauers eingetreten war. In der SPD- zuordnen. Parteiführungen streben regel- auf den „Kriegsdienst mit der Waffe“, FDP-Koalition wurde den Gegnern Willy mäßig danach, Gewissensentscheidungen, zu dem in Deutschland niemand „gegen Brandts, die diesen 1969 nicht zum Kanz- die für sie unberechenbare Elemente ent- sein Gewissen“ gezwungen werden darf. ler gewählt hatten oder sich bis 1972 von halten, gegenständlich einzugrenzen. Dann Hieran anknüpfend regelt Artikel 12a Abs. ihm abwendeten, Illoyalität, ja, sogar werden Gewissensentscheidungen mit den 2 GG die Konsequenzen einer Verweige- Käuflichkeit unterstellt. Nach der Wahl seltenen Fällen gleichgesetzt, in denen rung des Kriegsdienstes schon für den von 1976 kündigten einige SPD-Abgeord- Abgeordneten für ihr Abstimmungsverhal- Wehrdienst, der nach Abs. 1 für Männer nete ihre Bereitschaft zur Unterstützung ten keine Fraktionslinie empfohlen wird. So obligatorisch ist. Auch hinsichtlich des der Regierungspolitik auf, als offenbart finden sich Versuche, politische Gewissens- Wehrdienstes wird im Verweigerungs- wurde, dass die Altersrenten keineswegs entscheidungen nach materiellen oder for- fall auf eine „Gewissensentscheidung“ so sicher waren, wie der damalige Arbeits- malen Kriterien abzugrenzen – mit der Kon- und die dafür maßgeblichen „Gewissens- und Sozialminister, Walter Arendt (SPD), sequenz, dass die nicht darunter fallenden gründe“ Bezug genommen.

Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Gewissen und Amt in der Politik 11 eitere Erwähnungen findet das Individualethik. Für die neuere katho- Johann Gottlieb Fichte das Gewissen als Gewissen an völlig anderer lische Auffassung ist dabei die Vorstellung „Stimme in meinem Inneren“, das mir in Stelle, nämlich im Staatsorga- vom Gewissen als dem Ort der sittlichen jeder konkreten Situation gebietet, „was nisationsrecht: Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG Urteilsfähigkeit des einzelnen prägend. ich bestimmt in dieser Lage zu tun, was Wcharakterisiert die Abgeordneten als „Ver- Das Gewissen wird somit – bei einer ich in ihr zu meiden habe“ (1800). Inhalt- treter des ganzen Volkes, an Aufträge und geeigneten Bildung – zur Bedingung der lich an beide Vorstellungen anknüpfend, Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Möglichkeit individueller sittlicher Hand- hat Helmut Thielicke als evangelischer Gewissen unterworfen“. In adjektivischer lungen.2 Demgegenüber ist die Gewis- Theologe des 20. Jahrhunderts formu- Form und dadurch leicht zu übersehen, senslehre Martin Luthers im Zusammen- liert‚ im Gewissen trete „der Mensch mit begegnet einem das Gewissen schließ- hang mit seiner Rechtfertigungslehre zu dem Anspruch des Sollens seinem So-sein lich auch im Amtseid des Bundespräsi- sehen: Nicht die Erkenntnis des göttlichen gegenüber“.4 Dies ist außerhalb der christ- denten, der wortgleich von den Mitglie- Willens, die dem Men- lichen Theologie von dern der Bundesregierung abzulegen ist schen nach dem Sün- Die moderne Vorstellung eines indi- äußeren Anforderun- (Artikel 64 Abs. 2 GG). Gemäß Artikel 56 denfall verwehrt ist, viduellen Persönlichkeitskerns, der gen gelöst und auf die Abs. 1 GG hat der Präsident zu schwören, sondern die Erfahrung einen Anspruch auf rechtlichen eigene Person bezogen seine Pflichten „gewissenhaft“ erfüllen zu der Gnade Gottes als Schutz erheben kann, ist bei den worden. So kommt für wollen. Als Regelfall ist dazu die religiöse rettendes Handeln lässt Reformatoren noch keineswegs Erich Fromm im „huma- Beteuerungsformel vorgesehen: „So wahr ein „gutes“ Gewissen angelegt. nistischen Gewissen“ mir Gott helfe“. Angesichts einer so häu- entstehen.3 Wenn für die „Interessiertheit figen Verwendung im Verfassungstext Luther das Gewissen damit zur Basis der des Menschen an sich und seiner Integri- liegt die Vermutung nahe, dass es sich Beziehung jeder Person zu Gott geworden tät“ zum Ausdruck. beim Gewissen erstens um einen eindeu- ist, ist seine Auffassung indes unmittelbar tig geklärten Begriff handelt, der daher an eine Glaubensaussage gebunden, die er ausgeprägte Personenbezug zweitens im Grundgesetz eine einheitliche sie vom neuzeitlich-philosophischen Ver- bedeutet in diesem Zusammen- Verwendung hat finden können. Beide ständnis grundlegend unterscheidet. hang zweierlei: einerseits unbe- Vermutungen sind jedoch unzutreffend. Die moderne Vorstellung eines indi- dingte Verbindlichkeit, diese ist anderer- viduellen Persönlichkeitskerns, der einen Dseits jedoch auf denjenigen beschränkt, Philosophische und theologische Anspruch auf rechtlichen Schutz erheben der die betreffende Gewissensentschei- Beiträge kann, ist bei den Reformatoren noch kei- dung gefällt hat. Das Gewissen ist danach neswegs angelegt. Bei Immanuel Kant eine höchstpersönliche, keine allgemein- Einerlei, wie man das Gewissen (1797) hingegen findet sich das Gewissen verbindliche Instanz, dessen verpflichten- konkret versteht, gehört seine Behand- als „Bewusstsein eines inneren Gerichts- den Anspruch der Mensch – unabhängig lung offenkundig in den Bereich der hofes im Menschen“. Ähnlich versteht vom Inhalt – als den Kern seiner Persön- lichkeit berührend erfahren kann. Für den Christen kann hierdurch eine subjektive Gotteserfahrung vermittelt wer- den. In diesem Zusammenhang ist auffäl- lig, dass eine Berufung auf das Gewissen Pressemitteilung vom 23.07.2008 mit Konfliktsituationen einhergeht. Sie hat Irakische Christen brauchen dringend europäische Hilfe daher mit typisch neuzeitlichen Entschei- dungssituationen und deren Offenheit zu tun, in der das Individuum einen Rückbezug Im Vorfeld des gemeinsamen Treffens der EU-Innenminister am kommenden Don- auf Verhaltensorientierungen sucht und nerstag in Brüssel erklärt der Bundesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises benötigt, die ihm eine Bewahrung seines der CDU/CSU (EAK) und Parlamentarische Staatssekretär, Thomas Rachel MdB: Selbst gestatten, welche durch eine unre- flektierte Orientierung an Herkommen und „Als Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU unterstützen wir ausdrücklich die Gewohnheit nicht mehr erreichbar ist. Vorschläge von Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble zur Aufnahme eines Als Konsequenz wird die Gewissens- Kontingents von Flüchtlingen aus dem Irak, die wegen ihres Glaubens um ihr Leben freiheit für die Privatsphäre zum Schutze bangen müssen. Natürlich gilt unsere Solidarität allen Betroffenen, deren Menschen- der Persönlichkeit durch die genannten rechte mit Füßen getreten werden. Es kann nicht geleugnet werden, dass die grau- Grundrechte abgesichert. Hierzu hat das samen Verfolgungen und Vertreibungen zu einem großen Teil gerade die Angehöri- Bundesverfassungsgericht erklärt, dass gen der christlichen Kirchen betreffen. Diese Tatsache muss uns zum entschlossenen eine „’Gewissensentscheidung’ im Sinne Handeln motivieren. Deutschland und die Europäische Union sind zur schnellen, des Art. 4 Abs. 3 GG“ – also auf diese Be- humanitären Hilfe dort aufgerufen, wo Menschen an Leib und Leben bedroht sind. stimmung beschränkt – „jede ernste sitt- liche, d.h. an den Kategorien von ‚Gut’ und Die Gesamtsituation im Irak und in den Flüchtlingslagern Syriens und Jordani- ‚Böse’ orientierte Entscheidung“ sei, „die ens ist besorgniserregend. Vordringliches Ziel aller politischen und diplomatischen der einzelne in einer bestimmten Lage als Bemühungen muss es sein, dass die religiösen Minderheiten, also auch die Christen, für sich bindend und unbedingt verpflich- in ihrer angestammten Heimat ohne Verfolgung und Diskriminierung leben können. tend innerlich erfährt, so dass er gegen sie Dies sollte bei einer europäischen Lösung mitbedacht werden. nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte“ .5 Dort, wo es aber um die unmittelbare Bedrohung des Einzelnen geht, muss die humanitäre Hilfe und gegebenenfalls die Gewährung von Asyl in der Europäischen Das Gewissen im politischen Amt Union erfolgen.“ Anders stellt sich das Problem hinge- gen dar, wenn eine Person zugleich Träger

12 Gewissen und Amt in der Politik Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 eines öffentlichen Amtes ist und in diesem als Bezugspunkt für die Rechtfertigungs- Interesse des Menschen an der Bewahrung handelt. Denn eine Berufung auf eigene pflicht.8 seiner eigenen Integrität, von dem bereits Grundrechte scheidet aus, wenn das Han- Aus Sicht der Fraktionsführung sind die Rede war, stellt sich dabei gerade deln öffentlich und für andere zu gesche- Abweichler von der mehrheitlich vertre- für einen auf persönliche Vertrauens- hen hat. Es geht insoweit gerade nicht um tenen Fraktionslinie stets ein Ärgernis, würdigkeit angewiesenen Inhaber eines das Gewissen einer Privatperson in ihrer denn sie stellen die Fähigkeit zu geschlos- politischen Amtes als zentraler Bezugs- individuellen Lebenssphäre, sondern um senem Handeln in Frage und schwächen punkt sowohl der eigenen Würde des das „Amtsgewissen“: sehr bewusst um die argumentative Position der eigenen Amtsträgers als auch der Wahlentschei- das Gewissen eines Funktionsträgers mit Seite gegenüber den politischen Geg- dung der Wählerinnen und Wähler dar. Kompetenzen, über die er im privaten nern. Insofern wird sich ein Abweichler Umfeld nicht verfügt. von der Fraktionslinie stets fragen lassen nnerhalb eines Parlaments verdient müssen, ob für ihn – trotz der Argumente indes das Interesse der Parteien an ugleich können sich für einen der Fraktionsmehrheit – die inhaltlichen einem nach außen hin überzeugenden Christen im politischen Amt Span- Gründe für seine Auffassung gegenü- Auftreten angesichts der Offenheit der nungen aus der individualethischen ber den problematischen Aspekten eines politischenI Auseinandersetzung gleich- Ausrichtung der Forderungen in der Berg- abweichenden Verhaltens für die Gruppe falls Anerkennung. Argumentative Über- Zpredigt Jesu6 und den im eigenen Gewis- tatsächlich ein Übergewicht haben. Ande- zeugungskraft gewinnen Parteien jedoch sen wahrgenommenen Verpflichtungen rerseits aber enthebt auch die Befolgung nur, wenn sie von Kritikern – auch von zugunsten Dritter ergeben: Die Auffor- der Mehrheitslinie seiner Fraktion nach internen – herausgefordert werden kön- derung, nicht zu morden, gibt für den evangelischer Auffassung keinen Abge- nen. Bei reflektierter Beurteilung richtet verantwortlichen Politiker in Bezug auf ordneten der eigenen Gewissensprüfung sich daher ihr wohlverstandenes Eigenin- die zu treffenden Maßnahmen zur wirk- und Rechtfertigungspflicht. teresse nicht auf bedingungslose Gefolgs- samen Bewahrung des Friedens und zum Ebenso wie das individuelle Gewissen leute, sondern auf überzeugte und be- Schutze der Bürger vor inneren und äuße- irren kann und zwei Personen bei einer gründungsfähige Gesinnungsfreunde. ren Bedrohungen nichts her. Ein Amt for- Entscheidung unter Unsicherheit Chan- dert daher von seinem Träger ein waches cen und Risiken unterschiedlich einschät- 1 Zur parlamentarischen Praxis siehe insbesondere Bewusstsein zur Wahrnehmung verpflicht- zen mögen, können auch Kollektive irren die Dokumentation: Peter Schindler: Datenhandbuch ender Ansprüche und eine eigene Urteils- oder Fehleinschätzungen unterliegen. zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis fähigkeit hinsichtlich der bestmöglichen Daher verdient weder der unbedingte 1999, 3 Bde., Baden-Baden 1999 und den Fortset- Erreichung der anzustrebenden Ziele. Der Unterstützer der Fraktionsführung noch zungsband von Michael Feldkamp für die Jahre 1994 englische Parlamentarier Edmund Burke der Abweichler als solcher von vornher- bis 2003, Baden-Baden 2005. hat daher in einem Abgeordneten einen ein eine besondere Wertschätzung. Jeder 2 Konrad Hilpert: Gewissen. Theologisch-ethisch, in: „philosopher in action“ gesehen.7 Mandatsträger hat sich vielmehr der auf Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kir- Der Abgeordnete steht hinsichtlich ihm liegenden Verantwortung bewusst che, 4. Bd., Freiburg/Basel/Rom/Wien 1995, Sp. 624 der Wahrnehmung seines Mandates indes und damit über die Rechenschaftpflichtig- (621-626). noch in einer besonderen Situation: Er ist keit seines Handelns klar zu sein. 3 Friedhelm Krüger: Gewissen. Mittelalter und Refor- auf kollektives Handeln angewiesen und mationszeit, in: Gerhard Müller (Hrsg.): Theologische daher seinen politischen Handlungspart- ngesichts der gelegentlich erregt Realenzyklopädie (TRE), Bd. XIII, Berlin/New York nern in besonderer Weise verpflichtet. geführten Debatten um Fraktions- 1984, S. 223 (219-225). Zugleich hat er ein befristetes Vertrau- disziplin und die reale Freiheit des 4 Helmut Thielicke: Theologische Ethik Bd. I, Tübin- ensamt inne, das er nur erneut erlangen Mandats9 ist festzuhalten: Der Deutsche gen 1958, S. 498. kann, wenn er seiner Wählerschaft fort- BundestagA hat im Laufe der Zeit zahl- 5 Entscheidung vom 20.12.1960, BVerfGE 12, S. 45 gesetzt vertrauenswürdig erscheint. Von reiche prominente Abweichler vorzuwei- (45-62). daher hat ein Mandatsträger ein beson- sen gehabt. Diese sind keineswegs rigo- 6 Matth. 5-7. deres Interesse an der Bewahrung sei- ros „abgestraft“ worden, sondern haben 7 Zu Burkes Mandatsauffassung: Winfried Steffani: ner Vertrauenswürdigkeit – zu der indes als respektierte Kollegen weiteramtie- Edmund Burke: Zur Vereinbarkeit von freiem Mandat auch seine Verlässlich- ren können. Manche und Fraktionsdisziplin, in: Zeitschrift für Parlaments- keit als Fraktionsmit- Aus Sicht der Fraktionsführung sind – wie Blüm oder Kiep fragen 12. Jg. (1981) H. 1, S. 109-122. glied gehört. Die Aus- Abweichler von der mehrheitlich nach einem offen aus- 8 Hans-Hugo Klein: Art. 38, in: et al. übung eines Mandates vertretenen Fraktionslinie stets ein getragenen Dissens (Hrsg.): Grundgesetz. Kommentar, begr. v. Theodor ist danach einerseits Ärgernis. über den Grundvertrag Maunz/Günter Dürig, Bd. IV, Loseblattausgabe, Mün- durch besondere Anfor- mit der DDR – haben chen, Stand: Dezember 2007, Rdnr. 195. derungen an das Gewissen, andererseits nachfolgend sogar Regierungsämter auf 9 Grundlegende kontroverse Positionen in: Hans- dadurch gekennzeichnet, dass sie ohne Bundes- oder Landesebene erreicht. Der Peter Schneider/Wolfgang Zeh (Hrsg.): Parlaments- den rechtlichen Schutz des Gewissens in Missbrauch eines Fraktionszwanges, wie recht und Parlamentspraxis, Berlin/New York 1989 der Privatsphäre auskommen muss. ihn die KPD durch Blanko-Mandatsver- (Claus Arndt, Hildegard Hamm-Brücher) und bei In westlichen Demokratien gewähr- zichtserklärungen im ersten Deutschen Eberhard Schütt-Wetschky: Grundtypen parlamenta- leistet der Staat hierzu lediglich die von auszuüben versucht hat, ist rischer Demokratie, Freiburg/München 1984. Rechtspflichten freie Ausübung des Man- vom Bundestag unterbunden worden und dates als Voraussetzung für die Über- in jüngerer Zeit nicht mehr zu beobachten nahme politischer Verantwortung. Die gewesen. Er ist selbst bei den Rotationen Dr. Phil. habil. Jürgen Plöhn spezifisch deutsche Erwähnung des Ge- der Grünen in ihrer antiparlamentarisch Privatdozent am Institut für Politikwissenschaft der Mar- wissens in diesem Zusammenhang bedeu- gestimmten Anfangsphase nicht mehr tin-Luther-Universtiät Halle- tet keine – wie fälschlich immer wieder aufgetreten. Wittenberg und Bezirksvorsit- angenommen wird – amtsbezogene Ga- Die eigene Urteilsbildung eines Man- zender des EAK Niederrhein rantie der Gewissensfreiheit, sondern datsträgers sollte in jedem Falle Respekt bezeichnet den Kern der Persönlichkeit vor seiner Überzeugung abnötigen. Das

Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Gewissen und Amt in der Politik 13 Evangelisches Leserforum

Günther/Taupitz/Kaiser: Embryonenschutzgesetz – Juristischer Kommentar mit medizinisch – naturwissenschaftlichen Einführungen Verlag W. Kohlhammer , Stuttgart 2008 ISBN 978-3-17-019356-7 428 Seiten (Broschur), 98,– EUR

Kaufmann/Kottje/Moeller/Wolf (Hrsg.), Dieser juristische Kommentar stellt eine umfassende Neu- Ökumenische Kirchengeschichte bearbeitung der 1992 erschienenen Erläuterungen zum Embry- Bd. 1 (Von den Anfängen bis zum Mittelalter) und onenschutzgesetz von Keller/Günther/Kaiser dar und reflektiert Bd. 2 (Vom Hochmittelalter bis zur frühen Neuzeit), die seit dieser Zeit zu verzeichnende medizinisch-naturwissen- Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008 schaftliche Entwicklung auf den Gebieten der Fortpflanzungs- Bd. 1: ISBN-13: 978-3-534-15804-1/ISBN-10: 3-534-15804-0, medizin und der Humangenetik auf der einen und die vielfäl- Bd. 2: ISBN 978-3-534-19238-0, Gebunden, tige ethische und rechtliche Diskussion auf der anderen Seite. In 272 Seiten, 49,90 EUR (Bd.1); 586 Seiten, 79,90 EUR (Bd.2) einem ersten einleitenden Teil wird in gebündelter und gut ver- ständlicher Form über die naturwissenschaftlichen Grundlagen Die ersten beiden Bände der Neuausgabe der bekannten Öku- aufgeklärt. In einem zweiten Teil detailliert über die rechtspoli- menischen Kirchengeschichte, liegen nun in gründlicher Bearbei- tischen und rechtlichen Grundlagen des Embryonenschutzge- tung vor. Die Gestalt (erweiterter Herausgeber- und Autorenkreis) setzes informiert. Das Embryonenschutzgesetz (in seiner Fassung hat sich zwar in mancherlei Hinsicht geändert, der ursprünglichen vom 23. Oktober 2001) wird im Wortlaut und mit ausführlicher Konzeption, nämlich die einzelnen Abschnitte zunächst jeweils Kommentierung präsentiert. Im Anhang finden sich die „Maßga- von renommierten Autoren unterschiedlicher Konfession abzufas- ben“ der Bundesärztekammer sowie der Deutschen Gesellschaft sen und dann unter Vermerkung der abweichenden Meinungen für Humangenetik. Sehr zu empfehlen für alle, die sich vor allem gemeinsam zu ratifizieren, ist jedoch beibehalten worden und hat in rechtlicher Hinsicht gründlich und detailliert über das Embryo- sich bewährt. Gerade auf dem Gebiet der Kirchengeschichte tre- nenschutzgesetz informieren wollen. Der Preis ist allerdings eher ten ja traditionell die unterschiedlichen Betrachtungen besonders abschreckend. deutlich hervor und die kirchenhistorische Wissenschaft hat lei- der immer wieder „als Waffenlieferant im innerchristlichen Streit“ Empfehlung (s. S. 9) herhalten müssen. Das Fazit des Herausgeberkreises im ***** Vorwort ist daher nun auch durchweg positiv: „Das wissenschaft- liche Zusammenwirken der Konfessionen ist alltäglich geworden.

Empfehlung Bedford-Strohm/Jähnichen/ ***** Reuter/Reihs/Wegner: Kontinuität und Umbruch im deutschen Wirtschafts- und Sozialmodell (Jahrbuch Sozialer Protestantismus Bd. 1) Gütersloher Verlagshaus , 2007 ISBN 978-3-579-08050-5 Wolfgang Huber: 381 Seiten (Broschur), 29,90 EUR Der christliche Glaube – Eine evangelische Orientierung Vor dem Hintergrund der einschneidenden Veränderungen Gütersloher Verlagshaus, 2008 im Wirtschaftsstil und sozialpolitischen Paradigma der Bundesre- ISBN 978-3-579-06449-9 publik Deutschland versammelt dieser Band Aufsätze von führen- Gebunden, 286 Seiten, 19,95 EUR den Vertretern des sozialen Protestantismus wie beispielsweise Traugott Jähnichen, Wolfgang Huber und Gerhard Wegner. Neben Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland den Beiträgen zum Schwerpunktthema finden sich Berichte aus (EKD), Bischof Dr. Wolfgang Huber, dem man gewiss nicht nach- der Praxis, Buchrezensionen, Dokumentationen und Würdi- sagen kann, dass er seit der Übernahme seines Bischofsamtes die gungen der EKD-Denkschrift „Gerechte Teilhabe“. Die Bedeutung beeindruckende Liste seiner bisherigen Veröffentlichungen nicht des sozialen Protestantismus für die Herausbildung und Weiter- hinreichend weiter gepflegt hätte, legt hier sein neues Werk vor. entwicklung des Ordnungsmodells der Sozialen Marktwirtschaft Huber führt in allgemeiner und gerade auch für Nicht-Theologen auf der Basis des christlichen Menschenbildes wird ausführlich verständlicher Weise in den christlichen Glauben (in der Perspek- und tiefgründig vermittelt. Aktuelle Herausforderungen werden tive der „reformatorischen Wiederentdeckung des Evangeliums“) eingehend thematisiert. Der Beitrag von Gerhard Wegner, Lei- ein und versteht es, die wichtigsten Themen wirklichkeitsnah und ter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD, zu den Trans- lebendig darzustellen. Ein zeitgemäßer Katechismus für alle „Gebil- formationen der Sozialen Marktwirtschaft („So hatte es Ludwig deten“ unter den Verehrern wie „Verächtern“ des Glaubens. – Erhard aber nicht gemeint“; S. 162 – 207) ist schlechterdings kon- Wie immer intellektuell herausfordernd und brillant! genial. Sehr zu empfehlen.

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14 Evangelisches Leserforum Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Aus unserer Arbeit Landesministerin Johanna Wanka MdL ist neue Vorsitzende des EAK Berlin-Brandenburg

uf der diesjährigen Delegierten- vor dem Worte Gottes, die den Politikern versammlung des Evangelischen von heute mehr aufgetragen ist als allen Arbeitskreises von Berlin-Bran- anderen früher. Ob es nun um Fragen der denburg (EAK BB) wurde Johanna Wanka Bioethik, der Menschenwürde am Anfang AMdL, brandenburgische Landesministerin oder Ende des Lebens geht, die Fragen der für Wissenschaft, Forschung und Kultur Religionsfreiheit und der Menschenrechte, mit 100 % der Stimmen zur neuen Län- des Einsatzes für ein gedeihliches Staats- dervorsitzenden des EAK BB gewählt. Der Kirche-Verhältnis oder um diejenigen der EAK-Bundesvorsitzende, Thomas Rachel Friedensethik oder der gerechten Teilhabe MdB, gratulierte Landesministerin Wanka in der Gesellschaft, bei allen diesen, uns zu Ihrer Wahl (s. nebenstehendes Bild) beim EAK bewegenden Fragen müssen wir und wünschte Ihr für Ihr neues Aufgaben- immer den Kompass des christlichen Men- gebiet alles Gute und Gottes Segen. In sei- schenbildes im Auge behalten.“ nem Grußwort unterstrich er mit einem Als stellvertretende Vorsitzende wur- Zitat von Hermann Ehlers noch einmal den Dr. Ulrich Pohlmann und Claudia die bleibende Aufgabe des Evangelischen Rahn gewählt. Zu den Beisitzern des neu- Arbeitskreises: „Es geht uns nicht um Prin- gewählten Landesvorstandes gehören zipien und Schlagworte, es geht uns aber unter anderem die ehemalige Vorsitzende darum, dass in allen Bereichen unseres Silke Adam, die ehemalige Referentin des Lebens sichtbar wird, dass es ein Funda- EAK der CDU/CSU, Melanie Liebscher und ment haben muss, nämlich den Glauben Rainer Eppelmann. an Jesus Christus und die Verantwortung

CDU Eberstadt: Hohe Auszeichnung für „einen von uns“ Bundesverdienstkreuz für Michael Bergmann

napp eine Woche nach seinem vielfältige Positionen in Politik, Kirche und in der Dekanatssynode. Hinzu kommen 68. Geburtstag wurde Michael weiteren Gremien inne. Zwölf Jahre lang das Engagement für die Kirchliche Zusatz- Bergmann aus Darmstadt-Eber- war er Vorsitzender der Eberstädter CDU, versorgungskasse und die Zeit als Eltern- stadt das Bundesverdienstkreuz am 13 Jahre lang Stadtverordneter in Darm- beirat. Zwei Eberstädter Projekte für die KBande verliehen. Im Auftrag von Bundes- stadt in verschiedenen Ausschüssen und er sich in seiner Zeit als Kommunalpoli- präsident Horst Köhler übergab der hes- als stellvertretender Fraktionsvorsitzen- tiker besonders eingesetzt hat sind der sische Justiz- und Kultusminister Jürgen der, beim Evangelischen Arbeitskreis der Erhalt des Ernst-Ludwigs-Saales mit dem Banzer MdL (CDU) die hohe Auszeich- CDU (EAK) war er Darmstädter Kreisvor- gleichnamigen Förderverein und der Gei- nung im Darmstädter Karolinensaal an sitzender und stellv. hessischer Landes- belschen Schmiede mit dem Eberstädter den Geehrten. vorsitzender. 23 Jahre lang war Michael Bürgerverein. Michael Bergmann, bis zu seiner Bergmann Kirchenvorstandsmitglied in Michael Bergmann habe mit seinem Pensionierung Vorsitzender Richter am der evangelisch-lutherischen Dreifaltig- Engagement in Kirche, Partei, Kommu- Landessozialgericht in Darmstadt, hatte keitsgemeinde Darmstadt-Eberstadt, auch nalpolitik, Schule und den weiteren

Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Aus unserer Arbeit 15 Aus unserer Arbeit

Bereichen die aktive, freiheitliche Gleichheit und Brüderlichkeit könne sicher Engagement ausgezeichnet, dafür sind wir Bürgergesellschaft mit Leben gefüllt jeder unterschreiben, aber die Auswüchse dankbar, darauf sind wir stolz“, so abschlie- und so „die Demokratie zum Strahlen der französischen Revolution zeigten, wie ßend Rafael Reißer und Wolfgang Franz, gebracht“, sagte Minister Banzer bei der wichtig stabile Grundwerte in der Politik die CDU-Vorsitzenden von Darmstadt Ehrung. Bergmanns gelungenes Selbst- seien. „Einer von uns – der für unsere Werte und Eberstadt sowie Karin Wolff MdL als management bei allen Herausforde- steht, wurde heute für sein langjähriges frühere Landesvorsitzende des EAK. rungen und das pralle berufliche und pri- vate Leben, in dessen Zentrum immer die Familie mit Frau, Kindern und Enkeln stehe, sei eine hervorragende Wer- bung für das Ehrenamt. Der Parlamen- tarische Staatsekretär, Andreas Storm MdB (CDU), hob Bergmanns Engage- ment vor Ort hervor, besonders in Eber- stadt, und sein Eintreten mit dem EAK (Ev. Arbeitskreis) als Kompass für eine werteorientierte Politik – sowie seinen Einsatz, beruflich wie ehrenamtlich „Recht und Gerechtigkeit in Einklang zu bringen“. Der Geehrte selbst dankte den Rednern und den zahlreich erschienenen Wegge- fährten aus allen Bereichen, vor allem aber seiner Frau Uta und seiner Familie. Die Verleihung des Ordens finde am 14. Juli, v. l. n. r.: Stellv. Stadtverordnetenvorsteher Ludwig Achenbach, Rafael Reißer, Andreas Storm MdB, dem Tag des Sturms auf die Bastille statt, Uta und Michael Bergmann, Stadtverordnetenvorsteher Wolfgang Gehrke, Jürgen Banzer MdL und so Bergmann: Die Werte von Freiheit, Karin Wolff MdL

Der EAK-Bundesvorsitzende zum irakischen Flüchtlingsproblem in „Report München“

er EAK-Bundesvorsitzende, Tho- gegenüber „Report München“: „Ich glaube mas Rachel MdB, traf sich kürzlich es ist wichtig, und das wollen wir auch als mit Schwester Hatune Dogan, Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU einer syrisch-orthodoxen Nonne aus dem deutlich machen, dass hier religiöse Min- DKloster St. Jakob in Warburg (Westfalen), derheiten, vor allem Christen, die Ver- zu einem intensiven Gedankenaustausch nichtung droht.“ Die Bilder und die Nach- über die Problematik der Verfolgung und richten über die verfolgten Menschen im Vertreibung der religiösen Minderheiten Irak seien schockierend, „man kann es gar aus dem Irak. Schwester Hatune, die seit nicht glauben, dass das im 21. Jahrhun- zwei Jahren den Nahen Osten bereist, das dert möglich ist. Deutschland, Europa und Leid in den Elendsvierteln und Flüchtlings- die Welt seien gefordert, so Rachel, das lagern dokumentiert und Spenden und „nackte Überleben“ dieser Menschen zu Hilfsmittel organisiert, informierte aus gewährleisten. erster Hand insbesondere auch von dem (Mehr Infos zu dieser Sendung unter: schweren Leid der christlichen Flücht- www.br-online.de/daserste/report/archiv/ linge aus dem Irak (s. nebenstehendes 2008/00492/. Ein Mitschnitt dieser Sendung Bild). „Report München“ berichtete in kann über die EAK-Bundesgeschäftsstelle einer Sendung vom 4. August über diesen bezogen werden. Infos zur Arbeit von Schwes- Besuch von Schwester Hatune beim EAK. ter Hatune und ihrer Stiftung unter: www. „Deutschland soll vorangehen“, so Rachel sisterhatunefoundation.com/iraq.htm)

16 Aus unserer Arbeit Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 v. l. n. r.: Octavio Oana, Renate-Katja Wolf-Eichel, Wolfgang Reeder, Gabriele Müller, Ingrid Link, MdL, Stellv. EAK-Landesvorsitzender Dr. Dirk Loomans, Adalbert Leiner und die Kreisvorsitzende der Frauen Union Mainz Karin Trautwein

10 Jahre EAK Mainz Festakt mit der Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit des Landes Thüringen und Stellvertretende Bundesvorsitzende des EAK der CDU/CSU, Christine Lieberknecht MdL

er Evangelische Arbeitskreis der Rückblick auf die letzten 10 Jahre gegeben freuen, wenn auf sie zugegangen wird. CDU Mainz feierte mit einer und die stetige Arbeit der fünf ehema- Einen weiteren Schwerpunkt des Vortrags Andacht und einem Festvortrag ligen Vorsitzenden gewürdigt. Loomans bildete das Thema Armut, speziell Kinder- der thüringischen Sozialministerin Chris- betonte in seiner Ansprache: „Die Frage armut. Die Ministerin dazu: „Die jüngst Dtine Lieberknecht MdL sein 10-jähriges nach der Verantwortung für den Nächsten veröffentlichten Zahlen zur Kinderarmut Jubiläum. Christine Lieberknecht, die auch ist es, die den EAK beschäftigt. Wir boh- sind erschreckend und ein Zeichen dafür, stellvertretende Bundesvorsitzende des ren dabei dickere Bretter als in der aktu- dass nicht die Politik alleine Abhilfe schaf- EAK der CDU/CSU ist, war bereits 1998 ellen Tagespolitik.“ Der EAK habe sich in fen kann. Gefragt sind neue Wege, von bei der Veranstaltung zur Wiederbegrün- den letzten Jahren, wie der Landesvorsit- Patenschaften, Nachbarschaftshilfe über dung in Mainz dabei. Die Urgründung des zende des EAK Rheinland-Pfalz, Wolfgang Vereine bis hin zu einer gemeinsamen Ver- EAK in der katholischen Hochburg Mainz Reeder, formulierte, dabei als besonders antwortung von Politik und Gesellschaft liegt zwar schon 50 Jahre zurück, in den stabil erwiesen. für unsere Kinder – unsere Nächsten“. 90er Jahren des vergangenen Jahrhun- derts war die Arbeit allerdings zum Erlie- Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums Im Anschluss an den Festvortrag der gen gekommen. des Sozialreformers Johann Hinrich Wich- Ministerin sprachen der Vorsitzende des ern sprach die Ministerin über: „Mitten EAK Mainz Dr. Dirk Loomans und der Lan- Seit seiner Neubegründung arbeitet der im Leben: Politik aus christlicher Verant- desvorsitzende des EAK Rheinland-Pfalz EAK-Mainz kontinuierlich daran, eine Ver- wortung“. Die Ministerin betonte: „Es Wolfgang Reeder. Eine Diskussion mit den bindung zwischen täglicher Politik und dürfe nicht länger weggeschaut werden – übrigen Anwesenden über die christlichen christlichem Glauben herbeizuführen. Bedürftige sollen angesprochen werden Werte in der Politik und mögliche Alterna- Im Rahmen der Veranstaltung wurde und Ihnen ist Hilfe anzubieten“. Aus eige- tiven zur praktischen Umsetzung ließ die durch den derzeitigen Kreisvorsitzenden ner Erfahrung wisse sie, dass gerade diese Veranstaltung ausklingen. des EAK Mainz, Dr. Dirk Loomans, ein Menschen sich oft besonders darüber

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v.l.n.r.: Jürgen Scharf MdL, Dieter Steinecke MdL, Christiane Schneppe, Jens Michalke und Helge Klassohn

EAK engagiert auf dem Anhaltischen Kirchentag Jürgen Scharf MdL

„Und Friede auf Erden“ – unter die- begründete Konzept der inneren Führung mit dem Thema „Im Frieden zusammen sem Motto versammelten sich kürzlich ist eine große Errungenschaft“ (EKD- leben und zusammen arbeiten mit Men- rund 6.000 Christinnen und Christen zum Denkschrift 154 /2007). Zwar könne die schen aus Osteuropa“ auseinander. In 7. Anhaltischen Kirchentag in Köthen. Bundeswehr nicht mit dem Heer Kaiser einem weiteren Forum zum Thema „End- Prominente Mitglieder des Evangelischen Konstantins, der Reichswehr oder der NVA lich Friede in der Gesellschaft!“ brachte Arbeitskreises der CDU Sachsen-Anhalt verglichen werden. Die Notwendigkeit sich Landtagspräsident Dieter Steinecke haben das Großereignis mitgestaltet. einer besonderen Legitimierung bleibe als Podiumsgast ein. aber bestehen, dass ihr Einsatz trotz des Kirchenpräsident Helge Klassohn „deutlicheren Zeichens“ eines zivilen Frie- Zahlreiche Kirchentagsbesucher eröffnete am Sonntagmorgen gemeinsam densdienstes (Bundessynode der Evange- nutzten nach den Gesprächsforen die mit Landtagspräsident und EAK-Mit- lischen Kirchen in der DDR 1987) z. B. im Gelegenheit zum Spaziergang über das glied, Dieter Steinecke MdL, den Kir- Kosovo oder in Afghanistan notwendig Kirchentagsgelände in der Köthener Alt- chentag auf dem Köthener Marktplatz. sei. Bei dieser Gratwanderung sei es gut, stadt. Auf dem „Markt der Möglichkeiten“ Anschließend gestaltete der EAK Lan- dass die Kirchen heute in der Seelsorge an konnten Sie sich an einem Informations- desvorsitzende, Jürgen Scharf MdL, eine Soldaten die notwendige Gewissensschär- stand zur Arbeit des EAK informieren, der Bibelarbeit zu dem bekannten Bibelwort fung und die ganz persönliche Seelsorge von den Mitgliedern des Landesvorstan- aus Micha 4 „Schwerter zu Pflugscharen“. „vor Ort“ leisten dürften und sich diesem des Wolfgang Löw, Jens Michalke, Jür- Dienst auch nicht verweigerten, so Scharf gen Scharf MdL und Christiane Schneppe Scharf rief dazu auf, in Demut vor abschließend. betreut wurde. Themen wie der christli- dem Friedensstifter Jesus Christus nach che Religionsunterricht und christliche Frieden zu streben und den Frieden zu In drei Gesprächsforen, zu denen die Schulgründungen, Kirchensanierungen erhalten. Der christliche Friede sei ein Kirchentagsorganisatoren im Anschluss und Maßnahmen gegen die Vernachlässi- Geschenk Gottes an die Menschen, das an die Bibelarbeiten eingeladen hatten, gung und Misshandlung von Kindern stan- es als Botschaft und Angebot in die Welt saßen Mitglieder des EAK Sachsen-Anhalt den im Mittelpunkt der Gespräche mit zu tragen gelte. Christen seien dabei auch mit auf dem Podium. EAK-Landesvorsit- den Kirchentagsbesuchern und Stand- zur Auseinandersetzung mit den eige- zender Jürgen Scharf diskutierte mit Kir- nachbarn. nen, individuellen Aggressionen und Kon- chenvertretern und einem Vertreter des flikten aufgerufen: Auch in Deutschland Umweltbundesamtes zum Thema „Wan- Beendet wurde der Kirchentag mit müssten Grundwerte wie Freiheit, Solida- del des Klimas – Wandel im Lebensstil?“. einem großen Festgottesdienst unter rität und Gerechtigkeit durch verantwort- Der Parlamentarische Staatssekretär im freiem Himmel. Die Predigt hielt Kirchen- liches Handeln immer wieder von Neuem Bundesministerium des Innern, Dr. Chris- präsident Helge Klassohn. Am 6. Juni 2010 begründet werden. Der Dienst der Bun- toph Bergner MdB, setzte sich in seiner findet der nächste Anhaltische Kirchentag deswehr sei demokratisch legitimiert: Funktion als Bundesbeauftragter für Aus- in Dessau-Roßlau statt. „Das ethisch, historisch und rechtlich siedlerfragen und nationale Minderheiten

18 Aus unserer Arbeit Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 EAK im Ammerland Impressum Meinungen und Informationen aus dem Evangelischen Arbeitskreis gegründet der CDU/CSU Herausgeber Thomas Rachel, Dr. Ingo Friedrich, n Rastede im Schloßpark-Hotel Hof Christine Lieberknecht, Dieter Hackler, von Oldenburg fand die Gründungs- Hans-Michael Bender, Norbert Kartmann versammlung des EAK der CDU Am- merland statt. Initiatorin und neue Vor- Redaktion Christian Meißner (V. i. S. d. P.) Isitzende ist die Rastederin Gerta Pfeifer. Klingelhöferstraße 8, 10785 Berlin, Sie ist bereits Vorstandsmitglied des CDU Tel.: 030/22070-432, Fax: 030/22070-436, Gemeindeverbands Rastede, stellv. Vor- E–Mail: [email protected], www.eak-cducsu.de sitzende der FU Rastede und Mitglied des Konto Commerzbank Berlin, BLZ 100 400 00, Kreisvorstandes des CDU-Kreisverbands Konto-Nr. 266 098 300 Ammerland. Ebenso liegt ihr als Organis- v.l.n.r.: Anne Wildeboer, Gerta Pfeifer, tin und Lektorin die kirchliche Arbeit am Peter Krug und Walter Karch Autoren Herzen. Die neugewählte Vorsitzende Herrn Pfarrer Klaus-Dieter Kottnik weist ausdrücklich daraufhin, dass natür- Schriftführerin: Anne Wildeboer (Wes- Präsident des Diakonischen Werkes der EKD e. V. lich alle interessierten CDU-Mitglieder terstede) Schatzmeister: Fritz-Jürgen Präsidialbüro herzlich eingeladen sind im Evangelischen Baumann (Apen), Beisitzerinnen: Yvonne Reichensteiner Weg 24 Arbeitskreis mitzuwirken. Röttger (Rastede), Helma Müller (Raste- 14195 Berlin Dies gilt auch für alle anderen Interes- de), Elke Wiemken (Bad Zwischenahn), sierten, die sich vielleicht erst einmal über Christine Schienke-Treinzen (Apen) Frau Prof. Dr. Ing. habil. Dagmar Schipanski MdL den EAK informieren wollen. Präsidentin des Thüringer Landtags Neben den Wahlen berichtete der Zu einem Gedankenaustausch trafen Jürgen-Fuchs-Str.1 Landesvorsitzende des EAK Niedersach- sich die Vertreter des Vorstands des neu 99096 Erfurt sen, Hans Bookmeyer, von der Arbeit gegründeten Evangelischen Arbeits- des Evangelischen Arbeitskreises in Nie- kreises der CDU Ammerland mit Bischof Herrn PD Dr. Phil. habil. Jürgen Plöhn dersachsen. Außerdem lobte er das Enga- Peter Krug. Bischof Krug betonte den Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gement der neuen Vorsitzenden und Wunsch nach einer Parteienlandschaft, in Philosophische Fakultät I wünscht ihr und ihrem Vorstand eine der christliche Werte geachtet und gelebt Institut für Politikwissenschaft und Japanologie erfolgreiche Arbeit und Gottes Segen. werden. Die Kreisvorsitzende des EAK 06099 Halle (Saale) Zum Vorstand wurden gewählt: Ammerland Gerta Pfeifer hofft auf eine 1. Vorsitzende: Gerta Pfeifer (Rastede), gute und enge Zusammenarbeit mit Ver- Druck Druckerei Conrad Stellvertreter: Walter Karch (Wiefelstede) tretern der Landeskirche. Gestaltungskonzeption/Realisation Agentur kollundkollegen., Berlin

Fotonachweis Fotos S. 3, 4 und 6 epd-bild, Foto S. 7 Universität Jena, Simone Scholz ist nun Foto S. 11 © shocky–fotolia.de Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung der Redaktion und mit Quellen- angabe kostenlos gestattet – Belegexemplar Simone Handt erbeten. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stellen die Meinung des Verfassers dar, m 8. August dieses Jahres hat nicht unbedingt die der Redaktion oder der Simone Scholz, Sekretärin in der Herausgeber. Bundesgeschäftsstelle des EAK, standesamtlich geheiratet. Am 9. August Papier: 100 % chlorfrei Awurden Simone und Martin Handt in der Sankt Marien-Kirche in Beeskow vom Bundesgeschäftsführer des EAK, Pastor Christian Meißner, getraut.

Wir wünschen dem frisch getrauten Ehepaar Handt alles erdenklich Gute für ihre gemeinsame Zukunft und Gottes rei- chen Segen!

Evangelische Verantwortung 9+ 10 | 08 Aus unserer Arbeit 19 „Schaffet, dass ihr selig werdet…!“ (Phil 2,12) – Reformationstag 2008 Das klingt aufs erste wie ein absoluter Widerspruch: Zunächst ergeht die Mahnung des Apostels Paulus an seine Gemeinde „… schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern“ (v 12b) und dann heißt es: „… Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“ (v 13)! Geht es nun doch um menschliche Werke oder um Gnade? Und ist am Reformationstag nicht die Grundbotschaft Luthers von der Rechtfertigung allein aus Glauben zum Leuchten zu bringen? Wo steckt denn hier die frohe und gewiss machende Botschaft vom Frei- spruch des Sünders, wenn es andererseits ums Fürchten und Zittern geht? Die Antwort auf diese Fragen und der Schlüssel zum Verständnis dieser Zeilen ist so einfach wie fremd zugleich: Luther und die Refor- matoren lebten noch aus dem heraus, was man mit tiefer „Gottesfurcht“ beschreiben kann. Die Ehrfurcht vor dem Geheimnis unserer Bestimmung und der Ernst der Entscheidung für gerade die Wege, die wir zwar alle- samt und aus eigenem Antrieb zunächst nicht gehen wollen, die wir aber um unseres Heiles willen gehen müssen, um Jesus nahe zu sein, gab den Vätern und Müttern im Glauben einerseits festen Stand gegen alle Stürme des Lebens und erhielt sie andererseits in der notwendigen Demut vor ihrem Schöpfergott. Ist das ein veralteter, antiquierter Gedanke? Ich meine, eine solche „Ehrfurcht“ vor Gott stünde auch unserer so selbstsicher und oftmals selbstgerecht gewordenen Zeit gut an, denn sie ist die notwendige Ergänzung zur gewiss machenden Frohbotschaft von der Gnade Gottes, die eben keine „billige Gnade“ ist. Gleichwohl ist dies keine leichte Übung, wie wir alle wissen. Nur allzu oft mangelt es in unserem Alltag leider nicht nur an der nötigen Ehrfurcht vor Gott, son- dern schon an der hinreichenden Ehrfurcht vor unseren Nächsten. Der Zusammenhang zwischen beidem ist jedenfalls biblisch evident, und wir erkennen von neuem, dass wir selbst auch immer wieder der „Reforma- tion“ unseres inwendigen Wesens bedürfen.

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