Spektrum Des Jazztrios
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Spektrum des Jazztrios Konzepte und Kompositionen Maturitätsarbeit HS 2017/18 Manuel Eugster, 4g Betreuung Christoph Germann Kantonsschule Im Lee Winterthur, 08.01.2018 Inhaltsverzeichnis 1.Einleitung 3 2.Geschichte des Jazztrios 4 3.Stücke 6 3.1 October In Winterthur 6 3.2 Hypochondrische Unbelehrtheit 7 3.3 A Gaze Into The Abyss 9 4. Fazit 11 5. Danksagung 13 6. Bibliographie 14 7. Anhang 15 2 1. Einleitung Rastlos wüten Oscar Petersons Finger über die Tasten, über dem dichten Klangteppich seiner zwei Mitmusiker breitet er seine Soli aus, während Bill Evans tief vornüber gebeugt mit einer seinesgleichen suchenden harmonischen Raffinesse mit Scott Lafaro und Paul Motian die Grenzen des zeitgenössischen Jazz ausweitet. Da schwebt Esbjörn Svensson auf völlig neuen Höhen, getragen vom modalen Groove seiner Truppe, dem man sich nur schwer entziehen kann. In höchster Ekstase scheint auch Keith Jarrett zu sein, singend und zähnefletschend bearbeitet er die Tasten neben seiner durch die Jahre zusammen- geschweissten Rhythm Section. Eine völlig neue Definition von Kollektiv bilden daneben die drei Midwestler von „The Bad Plus“, die einem mit ihrem rockigen, energiegeladenen Sound die Haare zu Berge stehen lassen. Doch was haben all die genannten Musiker gemeinsam? Nun, das lässt sich scheinbar schnell beantworten. Alle erwähnten Jazzmusiker haben ihr Hauptaugenmerk auf das Klaviertrio gelegt. Das Klaviertrio ist eine im Jazz sehr typische Konstellation, in der das Klavier von einem Kontrabass und einem Schlagzeug begleitet wird. Auffallend sind natürlich vor allem die fehlenden Bläser oder Sänger. Im herkömmlichen Jazz gehörten diese drei Instrumente allesamt zur sogenannten Rhythm Section, das heisst, zur die Hauptstimme begleitenden Gruppe. Dieses Wegfallen von reinen Melodieninstrumenten macht jedoch genau den Reiz dieser Formation aus. Die Möglichkeiten mit nur drei Instrumenten sind enorm und genau diese verschiedenen Möglichkeiten sollen Objekt meiner Maturarbeit sein. Ich habe mich auf die Suche nach verschiedenen Ansätzen und Konzepten gemacht, und dabei die Interessantesten herausgenommen, um sie in eigenen Kompositionen zu verarbeiten. Worauf legt ein Trio das Hauptaugenmerk? Wie interagieren die Musiker, gibt es eine Rangordnung? Dabei soll vor allem der Arbeitsprozess des Komponierens, des Arrangierens, des Probens mit meiner Band, sowie das schlussendliche Konzert im Vordergrund stehen. Meine Kompositionen sollen nicht von einem spezifischen Vorbild abgeleitet werden, sondern sollen vielmehr die Synthese von den gesammelten Eindrücken darstellen. Ich werde auf den folgenden Seiten zuerst eine kurze Zusammenfassung über die Geschichte des Jazztrios präsentieren, dann meine drei Kompositionen vorstellen und schliesslich in einem Fazit meine Erfahrungen beim Komponieren und Proben vorstellen. 3 2. Geschichte des Jazztrios Der Jazz ist eine unglaublich verästelte und facettenreiche Musik. Ich werde mich deshalb auf die Geschichte des Klaviertrios ungefähr seit 1960 und auf Musiker, die mich persönlich beeinflussten beschränken, da eine vollständige Geschichte des Klaviertrios auch nach einer umfassenden allgemeinen Jazzgeschichte verlangen würde. Als erstes widme ich mich Oscar Peterson, einem Pianisten aus Montreal, der etwa ab 1958 mit seinem ersten Klaviertrio auf Tour ging 1 . Er zeichnet sich vor allem durch seine ungeheuer kraftvolle Art zu swingen aus. Jedoch war er „nicht nur Plattform für pianistisches Virtuosentum, sondern auch für meisterhaft integrierte Ensembles, in denen er neue Höhepunkte in Interplay und Gruppenbalance erreichte“2 bekannt. Nach Joachim Berendt hat dann aber vor allem Bill Evans „die bis in die zwanziger Jahre zurückreichende Gattung des Pianotrios im Jazz revolutioniert.“ Diese Revolution bestand vor allem darin, die bis dahin zweidimensionale Rollenverteilung aufzubrechen, das heisst dem Bass und dem Schlagzeug den gleichen Raum für Ideen und Improvisationen zu geben wie dem Klavier. Bis anhin war das Klavier in einem Trio das dominierende Element, welches improvisierte und die Melodien spielte, während Bass und Schlagzeug vor allem als Begleitung agierten. In seinem berühmten Trio mit Scott Lafaro und Paul Motian spielte das Trio um das Jahr 1960 herum jedoch als erste Gruppe „dreidimensional“, was eine hohe Sensibilität voraussetzt, natürlich aber auch viel Raum schafft.3 Dem Beispiel von Bill Evans folgten viele junge Musiker, das Klaviertrio erlebte eine Renaissance. Ein wichtiger Vertreter davon ist Keith Jarrett, der mit Gary Peacock und Jack DeJohnette in den Achtzigern zwei Weggefährten fand, mit denen er heute noch musiziert. Keith Jarrett stützte sich wie Bill Evans oft auf die sogenannten Jazzstandarts. Das sind Kompositionen, die über die Zeit kontinuierlich von verschiedenen Jazzmusikern gespielt und neu interpretiert werden und so zu grosser Bekanntheit gelangen. Keith Jarrett zeichnet sich dadurch aus, diese Standarts auf erfrischende Art und Weise neu zu interpretieren und dabei nie seinen eigenen Stil aus den Augen zu verlieren. Er hob dieses Konzept jedoch auf ein völlig neues Level, was auch dazu führte, dass neue Konzepte entstanden, da niemand an Keith Jarretts unvergleichliche Qualität herankam. 1 Zu Oscar Peterson: https://en.wikipedia.org/wiki/Oscar_Peterson (8.1.2018). 2 Berendt, Joachim-Ernst/Huesmann, Günther: Das Jazzbuch. Frankfurt am Main 2007, S.475. 3 ebd. S.480. 4 Nennenswert wäre da auf jeden Fall das schwedische „Esbjörn Svensson Trio“, das mit einer einzigartigen Sensibilität modalen Jazz mit Pop mischte. „The Bad Plus“ dagegen vertonte anfangs bekannte Rocksongs im Jazzkontext, begannen auch mehr und mehr eigene Kompositionen zu spielen. Sie zeichnen sich durch eine Gruppendynamik aus, die von ihrer zwanzigjährigen Geschichte zeugt. Dabei verwundert es nicht, dass jeder der drei Musiker Kompositionen beisteuert. Wichtig in den letzten Jahren ist natürlich auch Brad Mehldau mit seinem Trio, der durch seine polyphonen Improvisationen zu begeistern vermag, wobei er mehrstimmig improvi- siert, und von vielen Kennern als herausragendster Vertreter des Klaviertrios angesehen wird. Ein anderes neuartiges Konzept hat dagegen Robert Glasper entwickelt, der seine Jazzharmonien mit Hip-Hop Grooves anreichert, dabei jedoch hochkomplexe harmonische Strukturen nicht vermissen lässt. Wichtig zu unterscheiden sind ausserdem Trios, welche alleine von einem Pianisten geleitet werden und bei denen dessen Kompositionen gespielt werden, und solche, bei denen der Bassist der Bandleader ist, wie zum Beispiel bei Avishai Cohen. Er sucht sich immer wieder neue junge Musiker für sein Trio, doch die meisten Kompositionen stammen von ihm. Auch der Schweizer Bassist Heiri Känzig hat mich in dieser Hinsicht beeinflusst, zeigte er mir doch bei meiner bislang einzigen Begegnung mit ihm, wie er auch am Bass oft komponiert. 5 3. Stücke 3.1 October in Winterthur Das Stück steht im 4/4 Takt und in der Tonart Es-Dur. Beim Komponieren liess ich mich vor allem von Bill Evans inspirieren. Mich interessierte bei ihm die ursprünglich einfache Melodie und die nachvollziehbaren Harmonien, welche erst im Zusammenspiel mit allen drei Musikern zur vollen Entfaltung kommen. Bill Evans wird heute als sehr wichtiger Mann für das Klaviertrio wahrgenommen, da er die drei Musiker als gleichwertig interpretierte und somit auch dem Bassisten und dem Schlagzeuger Raum für eigene Ideen gab4. Bass und Schlagzeug sind also nicht mehr nur begleitende Elemente, sondern tragen gleichberechtigt zur Gestaltung des Stückes bei. Dies wollte ich auch ausprobieren, wobei der Tune auch an die im Jazz so wichtigen Standards erinnern soll und ich als erstes Stück etwas klassisch Jazziges komponieren wollte. Das Stück hat daher eine konventionelle AABA Form, in der die Hauptmelodie zweimal gespielt wird, wonach ein neuer Teil mit neuen Harmonien und danach der A-Teil wiederholt wird. Der B-Teil dient dabei nicht nur als Abwechslung sondern auch als Verdichtung. Während der A-Teil zum Taktbeginn meist halbe Noten hat, besteht der B-Teil fast ausschliesslich aus Achtelketten, nur im vierten Takt kommt die Melodie auf einem langen D, also der Septime des Akkords zu liegen, um den ganzen Teil nicht allzu hektisch wirken zu lassen. Die langen, oben erwähnten Noten im A-Teil haben auch noch einen weiteren Sinn. Ein für mich sehr faszinierendes Element an Bill Evans Trio ist Scott Lafaros Bassbegleitung. Nicht wie bis anhin üblich, spielte er eine sich an den Akkorden orientierende Linie in Vierteln - einem Walking Bass - sondern er löste sich von diesem Muster und spinnt über die Melodie des Klaviers eigene Melodien, die sich um diejenige des Klaviers ranken und sie kontrapunktisch bereichern. Dies ist natürlich viel einfacher und auch spannender, wenn der Bass die Möglichkeit hat, in die Pausen der Klaviermelodie hineinzuspielen, da dann eine musikalische Frage und Antwort möglich ist, weswegen der A-Teil so eine lose Rhythmik hat. Harmonisch verweist das Stück stark auf die Standards des Jazz. Der Tune, wie erwähnt in Es-Dur, beginnt mit einer II-V Verbindung auf die zweite Stufe also Fmaj7, welche jedoch nach der Dominante(C7) noch auf dessen Tritonussubstitution(Gb7) moduliert, bevor sie 4 Gut zu hören auf: Evans, Bill: Waltz for Debby. 1962. 6 sich auf die erste Stufe auflöst (Fmaj7). Anschliessend kommt eine typische II-V-I Verbindung auf Es, dem Grundton. Bei der Wiederholung wird im letzten Takt noch eine II- V-I Verbindung auf den ersten Akkord, also die dritte Stufe(G-7) eingeschoben. Auch der B- Teil bedient sich