Spektrum des Jazztrios

Konzepte und Kompositionen

Maturitätsarbeit HS 2017/18 Manuel Eugster, 4g Betreuung Christoph Germann Kantonsschule Im Lee Winterthur, 08.01.2018

Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung 3

2.Geschichte des Jazztrios 4

3.Stücke 6

3.1 October In Winterthur 6 3.2 Hypochondrische Unbelehrtheit 7 3.3 A Gaze Into The Abyss 9

4. Fazit 11

5. Danksagung 13

6. Bibliographie 14

7. Anhang 15

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1. Einleitung

Rastlos wüten Oscar Petersons Finger über die Tasten, über dem dichten Klangteppich seiner zwei Mitmusiker breitet er seine Soli aus, während tief vornüber gebeugt mit einer seinesgleichen suchenden harmonischen Raffinesse mit Scott Lafaro und Paul Motian die Grenzen des zeitgenössischen ausweitet. Da schwebt Esbjörn Svensson auf völlig neuen Höhen, getragen vom modalen Groove seiner Truppe, dem man sich nur schwer entziehen kann. In höchster Ekstase scheint auch Keith Jarrett zu sein, singend und zähnefletschend bearbeitet er die Tasten neben seiner durch die Jahre zusammen- geschweissten Rhythm Section. Eine völlig neue Definition von Kollektiv bilden daneben die drei Midwestler von „The Bad Plus“, die einem mit ihrem rockigen, energiegeladenen Sound die Haare zu Berge stehen lassen. Doch was haben all die genannten Musiker gemeinsam? Nun, das lässt sich scheinbar schnell beantworten. Alle erwähnten Jazzmusiker haben ihr Hauptaugenmerk auf das Klaviertrio gelegt. Das Klaviertrio ist eine im Jazz sehr typische Konstellation, in der das Klavier von einem Kontrabass und einem Schlagzeug begleitet wird. Auffallend sind natürlich vor allem die fehlenden Bläser oder Sänger. Im herkömmlichen Jazz gehörten diese drei Instrumente allesamt zur sogenannten Rhythm Section, das heisst, zur die Hauptstimme begleitenden Gruppe. Dieses Wegfallen von reinen Melodieninstrumenten macht jedoch genau den Reiz dieser Formation aus. Die Möglichkeiten mit nur drei Instrumenten sind enorm und genau diese verschiedenen Möglichkeiten sollen Objekt meiner Maturarbeit sein. Ich habe mich auf die Suche nach verschiedenen Ansätzen und Konzepten gemacht, und dabei die Interessantesten herausgenommen, um sie in eigenen Kompositionen zu verarbeiten. Worauf legt ein Trio das Hauptaugenmerk? Wie interagieren die Musiker, gibt es eine Rangordnung? Dabei soll vor allem der Arbeitsprozess des Komponierens, des Arrangierens, des Probens mit meiner Band, sowie das schlussendliche Konzert im Vordergrund stehen. Meine Kompositionen sollen nicht von einem spezifischen Vorbild abgeleitet werden, sondern sollen vielmehr die Synthese von den gesammelten Eindrücken darstellen. Ich werde auf den folgenden Seiten zuerst eine kurze Zusammenfassung über die Geschichte des Jazztrios präsentieren, dann meine drei Kompositionen vorstellen und schliesslich in einem Fazit meine Erfahrungen beim Komponieren und Proben vorstellen.

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2. Geschichte des Jazztrios

Der Jazz ist eine unglaublich verästelte und facettenreiche Musik. Ich werde mich deshalb auf die Geschichte des Klaviertrios ungefähr seit 1960 und auf Musiker, die mich persönlich beeinflussten beschränken, da eine vollständige Geschichte des Klaviertrios auch nach einer umfassenden allgemeinen Jazzgeschichte verlangen würde. Als erstes widme ich mich Oscar Peterson, einem Pianisten aus Montreal, der etwa ab 1958 mit seinem ersten Klaviertrio auf Tour ging 1 . Er zeichnet sich vor allem durch seine ungeheuer kraftvolle Art zu swingen aus. Jedoch war er „nicht nur Plattform für pianistisches Virtuosentum, sondern auch für meisterhaft integrierte Ensembles, in denen er neue Höhepunkte in Interplay und Gruppenbalance erreichte“2 bekannt. Nach Joachim Berendt hat dann aber vor allem Bill Evans „die bis in die zwanziger Jahre zurückreichende Gattung des Pianotrios im Jazz revolutioniert.“ Diese Revolution bestand vor allem darin, die bis dahin zweidimensionale Rollenverteilung aufzubrechen, das heisst dem Bass und dem Schlagzeug den gleichen Raum für Ideen und Improvisationen zu geben wie dem Klavier. Bis anhin war das Klavier in einem Trio das dominierende Element, welches improvisierte und die Melodien spielte, während Bass und Schlagzeug vor allem als Begleitung agierten. In seinem berühmten Trio mit Scott Lafaro und Paul Motian spielte das Trio um das Jahr 1960 herum jedoch als erste Gruppe „dreidimensional“, was eine hohe Sensibilität voraussetzt, natürlich aber auch viel Raum schafft.3 Dem Beispiel von Bill Evans folgten viele junge Musiker, das Klaviertrio erlebte eine Renaissance. Ein wichtiger Vertreter davon ist Keith Jarrett, der mit Gary Peacock und Jack DeJohnette in den Achtzigern zwei Weggefährten fand, mit denen er heute noch musiziert. Keith Jarrett stützte sich wie Bill Evans oft auf die sogenannten Jazzstandarts. Das sind Kompositionen, die über die Zeit kontinuierlich von verschiedenen Jazzmusikern gespielt und neu interpretiert werden und so zu grosser Bekanntheit gelangen. Keith Jarrett zeichnet sich dadurch aus, diese Standarts auf erfrischende Art und Weise neu zu interpretieren und dabei nie seinen eigenen Stil aus den Augen zu verlieren. Er hob dieses Konzept jedoch auf ein völlig neues Level, was auch dazu führte, dass neue Konzepte entstanden, da niemand an Keith Jarretts unvergleichliche Qualität herankam.

1 Zu Oscar Peterson: https://en.wikipedia.org/wiki/Oscar_Peterson (8.1.2018). 2 Berendt, Joachim-Ernst/Huesmann, Günther: Das Jazzbuch. Frankfurt am Main 2007, S.475. 3 ebd. S.480. 4

Nennenswert wäre da auf jeden Fall das schwedische „Esbjörn Svensson Trio“, das mit einer einzigartigen Sensibilität modalen Jazz mit Pop mischte. „The Bad Plus“ dagegen vertonte anfangs bekannte Rocksongs im Jazzkontext, begannen auch mehr und mehr eigene Kompositionen zu spielen. Sie zeichnen sich durch eine Gruppendynamik aus, die von ihrer zwanzigjährigen Geschichte zeugt. Dabei verwundert es nicht, dass jeder der drei Musiker Kompositionen beisteuert. Wichtig in den letzten Jahren ist natürlich auch Brad Mehldau mit seinem Trio, der durch seine polyphonen Improvisationen zu begeistern vermag, wobei er mehrstimmig improvi- siert, und von vielen Kennern als herausragendster Vertreter des Klaviertrios angesehen wird. Ein anderes neuartiges Konzept hat dagegen Robert Glasper entwickelt, der seine Jazzharmonien mit Hip-Hop Grooves anreichert, dabei jedoch hochkomplexe harmonische Strukturen nicht vermissen lässt. Wichtig zu unterscheiden sind ausserdem Trios, welche alleine von einem Pianisten geleitet werden und bei denen dessen Kompositionen gespielt werden, und solche, bei denen der Bassist der Bandleader ist, wie zum Beispiel bei Avishai Cohen. Er sucht sich immer wieder neue junge Musiker für sein Trio, doch die meisten Kompositionen stammen von ihm. Auch der Schweizer Bassist Heiri Känzig hat mich in dieser Hinsicht beeinflusst, zeigte er mir doch bei meiner bislang einzigen Begegnung mit ihm, wie er auch am Bass oft komponiert.

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3. Stücke

3.1 October in Winterthur

Das Stück steht im 4/4 Takt und in der Tonart Es-Dur. Beim Komponieren liess ich mich vor allem von Bill Evans inspirieren. Mich interessierte bei ihm die ursprünglich einfache Melodie und die nachvollziehbaren Harmonien, welche erst im Zusammenspiel mit allen drei Musikern zur vollen Entfaltung kommen. Bill Evans wird heute als sehr wichtiger Mann für das Klaviertrio wahrgenommen, da er die drei Musiker als gleichwertig interpretierte und somit auch dem Bassisten und dem Schlagzeuger Raum für eigene Ideen gab4. Bass und Schlagzeug sind also nicht mehr nur begleitende Elemente, sondern tragen gleichberechtigt zur Gestaltung des Stückes bei. Dies wollte ich auch ausprobieren, wobei der Tune auch an die im Jazz so wichtigen Standards erinnern soll und ich als erstes Stück etwas klassisch Jazziges komponieren wollte. Das Stück hat daher eine konventionelle AABA Form, in der die Hauptmelodie zweimal gespielt wird, wonach ein neuer Teil mit neuen Harmonien und danach der A-Teil wiederholt wird. Der B-Teil dient dabei nicht nur als Abwechslung sondern auch als Verdichtung. Während der A-Teil zum Taktbeginn meist halbe Noten hat, besteht der B-Teil fast ausschliesslich aus Achtelketten, nur im vierten Takt kommt die Melodie auf einem langen D, also der Septime des Akkords zu liegen, um den ganzen Teil nicht allzu hektisch wirken zu lassen. Die langen, oben erwähnten Noten im A-Teil haben auch noch einen weiteren Sinn. Ein für mich sehr faszinierendes Element an Bill Evans Trio ist Scott Lafaros Bassbegleitung. Nicht wie bis anhin üblich, spielte er eine sich an den Akkorden orientierende Linie in Vierteln - einem Walking Bass - sondern er löste sich von diesem Muster und spinnt über die Melodie des Klaviers eigene Melodien, die sich um diejenige des Klaviers ranken und sie kontrapunktisch bereichern. Dies ist natürlich viel einfacher und auch spannender, wenn der Bass die Möglichkeit hat, in die Pausen der Klaviermelodie hineinzuspielen, da dann eine musikalische Frage und Antwort möglich ist, weswegen der A-Teil so eine lose Rhythmik hat. Harmonisch verweist das Stück stark auf die Standards des Jazz. Der Tune, wie erwähnt in Es-Dur, beginnt mit einer II-V Verbindung auf die zweite Stufe also Fmaj7, welche jedoch nach der Dominante(C7) noch auf dessen Tritonussubstitution(Gb7) moduliert, bevor sie

4 Gut zu hören auf: Evans, Bill: Waltz for Debby. 1962.

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sich auf die erste Stufe auflöst (Fmaj7). Anschliessend kommt eine typische II-V-I Verbindung auf Es, dem Grundton. Bei der Wiederholung wird im letzten Takt noch eine II- V-I Verbindung auf den ersten Akkord, also die dritte Stufe(G-7) eingeschoben. Auch der B- Teil bedient sich des oft verwendeten II-V-I Schemas, diesmal jedoch in Moll, was bedeutet, dass die zweite Stufe vermindert ist und die erste in Moll steht. Hierbei ist die erste Stufe E- 7, also die bII Stufe vom Grundton. Nach dieser Modulation und dem II-V-I Schema wird die Spannung des ausserharmonischen Akkordschemas auf den Grundton aufgelöst. Ab diesem werden die Akkorde dann drei Takte lang chromatisch tiefer bis zum letzten Takt des B-Teil(Ab7), welcher einerseits die fünfte Stufe des vorherigen Akkords darstellt, sowie die Tritonussubstitution der Dominante vom nächsten Akkord. Die Melodie hält sich harmonisch eng an den Tonleitern der jeweiligen Akkorde, wobei die längeren Töne meistens Akkordtöne, vor allem Terz und Septime, sind. Schlussendlich verweist auch der Titel auf das Realbook, indem eine Sammlung mit den bekanntesten Standarts zu finden ist. Denn einige Titel darin sind ähnlich aufgebaut wie meiner, zum Beispiel „April in Paris“. Dabei ist man sich nie sicher, ob der Titel jetzt die Stimmung oder die Entstehungszeit und den Entstehungsort des Tunes darstellen soll. Dies soll auch bei meinem Stück so sein. Wird nun die vernebelten Oktobertage und die damit einhergehende Melancholie musikalisch beschrieben, oder wurde einfach in diesem Monat das Lied komponiert?

3.2 Hypochondrische Unbelehrtheit

Das nächste Stück hebt sich nicht nur durch den verwirrenden Titel, sondern auch durch das komplett andere Grundkonzept ab. Das Stück verlässt nun den wohl bekannten und bequemen Grund des einfachen 4/4 Rhythmus und wendet sich einem etwas komplizierteren zu. Zwar ist der Tune in 3/4 notiert, jedoch bilden immer drei Takte zusammen eine grössere Gruppe, was einen 9/4 Rhythmus ergibt. Ich wählte dies so, da ich mich dem moderneren Jazz zuwenden wollte, und hier ungerade Takte nichts Ungewöhnliches sind. Durch die langen Takte können grosse Bögen gesponnen werden, was sich auch in der Melodie niederschlägt. Haupteinfluss für dieses Stück war Esbjörn Svensson5. Er war meine erste wirklich intensive Berührung mit dem Jazz. Seine langen

5 Zum Beispiel mit seiner CD: Svensson, Esbjörn: Seven Days of Falling. 2003. 7

Soli, welche sich mit jedem Ton in neue ungeahnte Höhen schwingen, faszinierten mich schon immer. Ein Hauptaugenmerk lag deshalb darauf eine Melodie zu kreieren, welche von einem fast unhörbaren Piano bis zur völligen Eskalation getrieben werden kann. So kommen die ersten zwei Töne der Melodie, eine Quinte, fast zögernd, fragend hervor. Über dem Majorakkord bilden sie die Septime und Terz. Die Melodie umspielt diese Terz leise, immer noch verhalten, bis der Akkord auf die Dominante der Molltonart wechselt. Der Zweiklang verändert sich zu einer kleinen Sext, der Quart und der vertieften Nonne. Die ganze Melodie ist also schlussendlich auf diesen Zweiklängen aufgebaut, die über dem Akkord umspielt werden. Ich versuchte dabei, eine möglichst modale Akkordstruktur zu schaffen. Auch das Intro und der Soloteil sollen nur über der lydischen Skala von F harmonisiert werden. Denn was mir bei Esbjörn Svensson sowie bei anderen ähnlichen Künstlern wie Bobo Stenson so erstrebenswert erscheint, sind diese langen aufbauenden Bögen, die über das ganze Stück hinreichen. Mit Pianissimo wird begonnen und dann wird die Lautstärke sowie die Dichte und die Artikulation stetig gesteigert, bis der Höhepunkt erreicht ist, gut zu hören in Svenssons „Seven Days Of Falling“6. Dies ist natürlich im modalen Rahmen wesentlich einfacher, da nicht immer auf Harmoniewechsel geachtet werden muss. Das bedeutet, dass statt über eine Akkordfolge häufig nur über eine einzige Skala der Kirchentonarten7 improvisiert wird. Somit ist der Verlauf des Stückes auch ein direkter Gegenentwurf zum Titel, welchen ich aus einem Buch übernahm8. Unter hypochondrischer Unbelehrtheit verstehe ich das Unver- mögen, seinen eigenen Intellekt zu erfassen und zu akzeptieren. Man fühlt sich permanent unbelehrt und dumm und präsentiert deswegen auch seine Ideen und Entwürfe nicht, eine Gefahr, die mir durchaus auch beim Komponieren nicht fremd ist. Dauernd stellt man sich Fragen wie: „Ist das jetzt wirklich würdig, aufs Papier gebracht zu werden? Tönt das wirklich gut? Stellt die Melodie nicht einfach ein paar wild durcheinandergewürfelte Töne dar?“ Ich denke von solchen Fragen darf man sich beim Komponieren nicht aus der Fassung bringen lassen, denn sie führen zu nichts. Man sollte versuchen zu seinen Ideen zu stehen und diese Hypochondrie des Geistes zu besiegen.

6 Svensson, Esbjörn: Seven Days of Falling. 2003. 7 Modaler Jazz: https://de.wikipedia.org/wiki/Modaler_Jazz (8.1.2018). 8 Mann, Thomas: Der Zauberberg. 8. Auflage. Frankfurt am Main 1991.

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So beginnt auch die Melodie unsicher und fragend. Doch nach und nach wird sie selbst- bewusster, die Schlagzeugmelodie kommt hinzu, die Akkorde werden ausgereifter. Wie ein Phönix erhebt sich das Stück aus seiner eigenen Asche und erscheint in seiner wahren Pracht. Das Arrangement beschreibt also hiermit die Bekämpfung des im Titel beschriebenen Phänomens.

3.3 A Gaze Into The Abyss

Wie schon bei „Hypochondrische Unbelehrtheit“ wählte ich auch dieses Mal eine ungerade Taktart, nämlich 7/8, ausserdem steht das Stück in D-Moll. Ziel bei diesem letzten Tune war es, nicht mit dem Klavier sondern am Bass zu komponieren und so dem Kompositionsprozess noch eine weitere Ebene hinzuzufügen. Dabei wollte ich mit einer Basslinie beginnen, welche sich weiterzieht, bis auch Klavier und Drums eingestiegen sind. Das Stück beginnt also mit einer Melodie des Basses, wobei nach und nach Akkorde, eine sanfte Schlagzeugbegleitung, sowie eine zweite Melodie des Klaviers hinzukommen. Zwei sehr inspirierende Beispiele von Bass-Soli als Einstieg waren dabei für mich einerseits „Nigerian Marketplace“9 von Niels-Henning Ørsted Pedersen vom Oscar Peterson Trio, sowie Anders Jormins Solo in „Alfonsina y el mar“10. Die Stimmung steigert sich den A-Teil hindurch stetig bis zum B-Teil, welcher mit Kicks, die alle drei Instrumente zusammen spielen, beginnt. Der Bass spielt dabei wie die linke Hand des Klaviers den Grundton des Akkords, während in der rechten Hand zuerst nur ein einzelner Ton, dann die Akkorde gespielt werden. Darüber fängt dann das Schlagzeug an zu improvisieren. Ich habe diese Idee von „The Bad Plus – Physical Cities“11 übernommen. Auch die Grundstimmung, einen sehr rockigen, brutalen Sound wollte ich von ihnen übernehmen. Ein anderes Konzept, welches ich in dieses Stück einzubauen versuchte, ist von Robert Glasper inspiriert, obgleich auch andere Künstler auf verschiedene Art und Weise damit arbeiten. Dabei liegt das Interesse auf einem einzigen Ton, um den herum verschiedene Akkorde gespielt werden und ihm somit immer eine andere Bedeutung im Akkord geben.

9 Peterson, Oscar: Nigerian Marketplace. 1982. 10 Bobo Stenson Trio: Live in the Forest: https://www.youtube.com/watch?v=-HiCop-0jIo (15:55)(8.1.2018). 11 The Bad Plus: Mint. 2007. 9

Dies ist auch mit zwei nebeneinanderliegenden Tönen möglich, ich wählte daher das Cis resp. Des und das C. Der erste Akkord ist ein G7, wodurch das C die Quarte darstellt, im darauffolgenden Akkord, C7, steht ein Des um etwas mehr Spannung herzustellen. Dann wechselt der Ton zum Cis, der Terz in A6. Doch der Ton bleibt ein Spannungston, von der kleinen Terz in Bbm7 wird er zur Septime in Es7 und zur grossen Septime in Dmmaj7 bis er wieder einen Halbton tiefer zur normalen Septime wird. Nach den Soli kommt ein weiterer Teil, der an die Melodie des ersten Teiles angelehnt ist. Auch diesmal ist der Titel eine Referenz zu einer Schwierigkeit, die mir beim Komponieren begegnete.“ A Gaze into the Abyss“ bedeutet übersetzt so viel wie „ein Blick in die Tiefe“, wobei ich mich mit der Tiefe auf meine Psyche beziehe. Das Stück stellt den Gedankengang von mir dar, wenn mein schmerzender Arm mich vom Komponieren oder Üben abhält. Der sachte Anfang alleine vom Bass gespielt und die vom Brahmsrequiem inspirierten Akkordmuster drücken einen enttäuschten Schmerz aus, die Frage, „warum gerade Ich“, die Unsicherheit. Die anderen Instrumente steigen ein, die Stimmung wird verdichteter, die hoffnungslose Trauer verwandelt sich allmählich in Wut. Diese Wut über das eigene Unvermögen eine Verbesserung herbeizuführen, über die Ungerechtigkeit, bricht schliesslich mit dem B-Teil vollständig aus. Die gemeinsam von allen Instrumenten gespielten Kicks und das anschliessende Schlagzeugsolo sollen diesen Ärger darstellen. Allmählich flaut die Wut ab, und neue Hoffnung keimt auf. Ein Bass-Solo und somit eine neue Stimme taucht auf. Die Hoffnung steigert sich wie das Bass-Solo bis zur unvermeidlichen Ernüchterung. Denn der letzte Teil ist wieder ruhig und ähnelt in Stimmung und Melodie dem ersten Teil. Die Trauer kommt zurück und zieht mich mit in den Abgrund. Zugegebenermassen kein sehr optimistischer Schluss, was jedoch auch meine Stimmung beim Komponieren dieses dritten und letzten Stückes wiedergibt.

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4. Fazit

Am Anfang hatte ich die Idee, ganze Konzepte von Trios zu analysieren, um genau in diesem Stil zu komponieren. Bald merkte ich jedoch, wie vielschichtig ein Jazzstück ist und wie schwierig eine einfache Definition von Konzept. Ich müsste für eine Komposition Harmonik, Form, Zusammenspiel, Einflüsse, Kompositionstechnik und noch mehr analy- sieren. Bald wurde mir klar, dass dies den Rahmen meiner Arbeit einerseits sprengen würde, andererseits auch nicht besonders interessant wäre. So entschloss ich mich dazu, den verschiedenen Gruppen, die mich interessierten nur jene Aspekte zu entnehmen, die mir entweder am wichtigsten oder am spannendsten erschienen. So sind in jedem meiner Stücke verschiedene Ideen von verschiedenen Künstlern eingewoben. Wie bereits angetönt, ist die grösste Schwierigkeit des Komponierens die eigene Kritik. Ich hatte jeweils schnell Ideen im Kopf, wie ich ein Stück gestalten wollte. So fange ich zum Beispiel gerne mit einem Akkordmuster an, über dem ich dann die Melodie zu schreiben versuche. Dies gestaltete sich als der schwerste Teil, da ich sehr lange herumprobierte, bis mich das Resultat zufriedenstellte. Sicher hat mir geholfen, dass ich durch meine andere Band schon Erfahrungen im Komponieren sammeln konnte. Es war jedoch etwas Neues für mich, ein ganzes Stück alleine zu komponieren. Ich denke aber, dass ich sehr von diesen Erfahrungen profitieren konnte, da ich jetzt viel selbstbewusster mit meinen Ideen umgehe. Um meine Noten erklingen zu lassen, musste ich aber noch einen Pianisten und einen Schlagzeuger finden. Einen jazzkundigen Pianisten zu finden, gestaltete sich als schwieriger als angenommen, glücklicherweise stellten sich jedoch zwei Vorstudenten des Konservatoriums zur Verfügung. Eine nächste Schwierigkeit stellte sich mir beim Proben. Da es ja mein Projekt war, tendierten die zwei Mitmusiker natürlich dazu, das Arrangieren mir zu überlassen und auch immer wieder Details zu fragen, wie sie zu spielen hätten. Dies überforderte mich anfangs, da ich nicht immer schon ein komplettes Klangbild und Arrangement im Kopf hatte. Auch war ich unsicher, ob meine Ideen nicht den ihren widersprechen würden. Nach einer Zeit fanden wir uns aber besser zurecht, so dass auch sie wertvolle Ideen einbrachten, ich aber immer den Gesamtüberblick behielt. Ausserdem zeigte ich ihnen die Beispiele anderer Bands, die mich beim Komponieren beeinflusst hatten und erklärte ihnen das Konzept. Dadurch wurden die Proben das Highlight meiner Arbeit, was Sinn macht, da die Interaktion mit anderen Musikern das Interessante im Jazz ist.

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Ein weniger angenehmer Punkt sind die chronischen Schmerzen, die mich etwa ab der Hälfte der Arbeit im rechten Arm zu plagen begannen. Ich musste mich im Umfang einschränken, konnte eine Zeit lang gar nicht mehr spielen, und mich nur noch auf das Hören und Ideen sammeln konzentrieren. Es ist wohl ein starkes Zeichen meines Körpers, mich nicht zu verausgaben, was ich möglicherweise vor allem in den Herbstferien mit Komponieren, Üben und Proben gemacht habe. Dieses Hindernis verlangsamte und hemmte meine Arbeit zwar, jedoch konnte ich glücklicherweise trotzdem noch einen dritten Tune zu Ende führen. Ein viertes, bereits angefangenes Stück konnte ich jedoch nicht mehr weiterführen, ich denke aber, drei Stücke entsprechen einem respektablem Gehalt. Natürlich konnte ich auch weniger als geplant proben, weswegen ich das dritte Stück etwas vereinfachen musste, da der ungewöhnliche Rhythmus mehr Zeit gefordert hätte. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich durch die Maturitätsarbeit neue, spannende Erfahrungen im Komponieren machen konnte. Durch die vertiefte Befassung mit der spezifischen Form des Klaviertrios konnte ich trotz meines Vorwissens noch viele neue Aspekte lernen und verschiedene Konzepte der gleichen Besetzung erfassen. Ich lernte, mit meinen Kompositionen an einem gewissen Punkt zufrieden zu sein, wobei man natürlich an jedem Tune immer weiterarbeiten könnte. Ich kann sagen, dass ich auf die drei geschaffenen Stücke stolz bin, ich denke vor allem das modale Stück wird mit der Band noch einmal beträchtlich interessanter als lediglich auf dem Notenpapier. Trotzdem stehe ich in meinem Schaffen erst am Anfang und will noch viel über das Komponieren und Arrangieren lernen.

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5. Danksagung

Somit bleibt mir nur noch, Christoph Germann herzlich zu danken, meine Maturitätsarbeit betreut zu haben, und immer für Fragen bereit zu stehen. Ausserdem geht ein grosser Dank natürlich an meine beiden Musiker, Christoph Meier und Manuel Serafin Romeo Ramirez Ramos, denn ohne sie wäre das Projekt unmöglich gewesen. Ausserdem möchte ich meinen Eltern und Paula Hsu für das aufmerksame Durchlesen meiner schriftlichen Arbeit danken.

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6. Bibliographie

6.1 Literatur

- Berendt, Joachim-Ernst/Huesmann, Günther: Das Jazzbuch. Frankfurt am Main 2007. - Mann, Thomas: Der Zauberberg. 8. Auflage. Frankfurt am Main 1991.

6.2 Internet-Quellen

- Bobo Stenson Trio: Live in the Forest: https://www.youtube.com/watch?v=-HiCop-0jIo (15:55)(8.1.2018). - Modaler Jazz: https://de.wikipedia.org/wiki/Modaler_Jazz (8.1.2018). - Oscar Peterson: https://en.wikipedia.org/wiki/Oscar_Peterson (8.1.2018).

6.3 Musik (als Vorlage und Inspiration)

-The Bad Plus: Mint. 2007. -The Bad Plus: Give. 2004. -Black, Jim: Actuality. 2014. -Brahms, Johannes: Ein Deutsches Requiem. 1868. -Cohen, Avishai: Gently Disturbed. 2008. -Evans, Bill: Portrait in Jazz. 1960. -Evans, Bill: Sunday at the Village Vanguard. 1961. -Evans, Bill: Waltz for Debby. 1962. -Evans, Bill: I Will Say Goodbye. 1980. -Glasper, Robert: Covered. 2015. -Jarrett, Keith: Tokyo ’96. 1996. -Jarrett, Keith: Somewhere. 2013. -Maestro, Shai: The Road To Ithaca. 2013. -McBride, Christian: Out Here. 2013. -Mehldau, Brad: The Art of the Trio, Vol.1. 1997. -Mehldau, Brad: Ode. 2012. -Peterson, Oscar: Nigerian Marketplace. 1982. -Stenson, Bobo: Goodbye. 2005. -Stenson, Bobo: Cantando. 2008. -Stenson, Bobo: Indicum. 2012. -Svensson, Esbjörn: Seven Days of Falling. 2003. -Svensson, Esbjörn: Viaticum. 2005. -Svensson, Esbjörn: Tuesday Wonderland. 2006. 14

7 Anhang

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A Gaze into the abyss

Manuel Eugster

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