Mainfähre Mühlheim/Maintal- Dörnigheim

BERICHT ÜBER DIE MÖGLICHKEITEN DER FORTFÜHRUNG DES FÄHRBETRIEBS KREISAUSSCHUSS DES KREISES OFFENBACH IN ZUSAMMENARBEIT MIT DER STADT MAINTAL, DER STADT MÜHLHEIM AM UND DEM MAIN-KINZIG-KREIS

Dietzenbach, den 25.05.2020 Grundsätzliches zur Fähre

Die Fährstelle zwischen Mühlheim und Maintal-Dörnigheim existiert seit 1902. Die derzeitige Wagenseilfähre „Dörnigheim“ (Baujahr 1963) ist seit 1971 an dieser Fährstelle im Einsatz. Alternativen zur Fährverbindung finden sich in Richtung Osten mit der Mainbrücke der B 43 bei -Steinheim; im Westen mit der Mainfähre Rumpenheim sowie mit der Carl-Ulrich-Brücke zwischen Offenbach am Main und am Main. Darüber hinaus können Fußgänger und Radfahrer die Schleuse Mühlheim zur Querung des Mains nutzen.

Die Fähre benötigt für den Betrieb ein Fährzeugnis, welches in der Regel jeweils fünf Jahre gültig ist. Alle fünf Jahre wird die Fähre der s. g. Landrevision unterzogen. Hierbei handelt es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene technische Prüfung der Fähre durch die zuständige Behörde, der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Etwaige Mängel, die bei dieser Überprüfung festgestellt werden, müssen beseitigt werden, bevor ein neues Fährzeugnis – wiederum für fünf Jahre – erteilt werden kann.

Die Fährverbindung wurde seit Jahrzehnten durch Pächter in Eigenregie erbracht. Der Kreis Offenbach hatte dementsprechend auch keine Kosten zu tragen. Erst in den letzten Jahren musste der Kreis Offenbach finanziell dergestalt unterstützen, dass die Kosten der Landrevision übernommen wurden.

Nutzung der Fähre

Der Kreis Offenbach hat durch die Hochschule im September 2017 die Pendlerströme erheben lassen. Die Fähre wird demnach überwiegend von berufstätigen männlichen Personen (68 %) im Alter von 41-65 Jahren genutzt (58 %). 80 % der Nutzer sind Selbstfahrer.

Die Nutzung der Fähre erfolgt hauptsächlich von Montag bis Freitag (80 %) zudem überwiegend mehrmals täglich (60 %) in der Regel für die Hin- und Rückfahrt.

Aus der Erhebung wird deutlich, dass die Fährverbindung überwiegend von Personen aus Mühlheim und Maintal genutzt wird. Eine regionale Bedeutung der Fährverbindung kann den Ergebnissen der Erhebung nicht entnommen werden. Dennoch gibt es Erkenntnisse, dass vor allem zahlreiche Pendler die Fährverbindung nutzen, insbesondere wenn die direkten und überörtlichen Verkehrswege wie Bundesstraßen und Autobahnen aus dem Umland nach Frankfurt Verkehrsbehinderungen aufweisen.

Unterstellt man, dass der überwiegende Teil der Nutzer auf der Hinfahrt am Morgen von zuhause aus die Fahrt antritt, so kommt der größte Teil der Nutzer mit 43 % aus Maintal (inkl. Dörnigheim), gefolgt von Mühlheim (inkl. Dietesheim) mit 31 %.

Aufgrund dieser Erkenntnis wurde im Zusammenhang mit dem letzten Betreibervertrag eine Einigung mit den beiden Kommunen Mühlheim und Maintal sowie dem Main-Kinzig-Kreis über eine Kostenteilung getroffen.

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Bisherige Bemühungen der Wiederinbetriebnahme

Neuverpachtung

Nachdem der letzte langjährige Pachtvertrag im Jahr 2017 verhaltensbedingt gekündigt werden musste, erfolgte eine Ausschreibung der Fährverbindung die als Ergebnis ein Betreibermodell hervorbrachte, welches einen regelmäßigen, niedrigen kommunalen Zuschuss vorsah. Aufgrund der Havarie am ersten Betriebstag am 08.07.2019 und der in der Folge auszusprechenden Kündigung, konnten keine Erfahrungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit bzw. Tragfähigkeit dieses Konzept gemacht werden.

Der Kreis Offenbach hatte nach Beendigung des letzten Betreibervertrags im Jahr 2019 umgehend die Neuausschreibung der Verbindung veranlasst. Die Ausschreibung verlief ergebnislos. Lediglich ein Bewerber hatte fristgerecht Unterlagen eingereicht. Die nähere Prüfung der Unterlagen ergab jedoch keine Eignung des Bieters.

Es ist daher festzustellen, dass es für das bisherige Pachtmodell aktuell keinen Markt gibt.

Ein Kernproblem, welches sich in der Ausschreibung zeigte, welches aber auch bereits in der Vergangenheit wiederholt deutlich wurde, ist das fehlende Personal. Es sind aktuell offenbar nur wenige Binnenschiffer bzw. Fährleute auf dem Arbeitsmarkt verfügbar.

Mit dem nahenden Winter Ende 2019 wurde die Fähre aus Verkehrssicherungsgründen an einen sicheren Liegeplatz im Frankfurter Osthafen gebracht.

Übernahme des Fährbetriebs durch die Kommunen

Nach der erfolglosen Ausschreibung der Fährverbindung haben die vier kommunalen Partner, der Kreis Offenbach, der Main-Kinzig-Kreis, die Stadt Mühlheim und die Stadt Maintal, vereinbart, konkret zu untersuchen, ob der Fährbetrieb durch eine Übernahme z. B. durch Stadtwerke eine mögliche Alternative darstellen könnte.

Deshalb haben die kommunalen Partner verschiedene Gespräche mit dem Betreiber der Fähre Rumpenheim, ehemaligen Pächtern und Fährleuten und zahlreichen Interessenten als Fährmann bzw. als Betreiber unter der Trägerschaft einer kommunalen Gesellschaft geführt.

Besonders die Aktion von Radio FFH im Februar 2020 hat dabei zu überregionaler Aufmerksamkeit geführt, worauf sich ebenfalls Interessenten an der Fährverbindung gemeldet hatten. Auch hat die Bürgerinitiative „Fähre Mühlheim Maintal“ mit Aktionen zur Wiederaufnahme der Fährverbindung aufmerksam gemacht und wurde gleichwohl angefragt, ob sich potentielle Fährleute für den Betrieb der Fährverbindung auch bei ihr gemeldet hätten.

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Der Abschluss dieser Überlegungen wurde in seiner finalen Phase leider durch die Corona- Einschränkungen verzögert.

Entwicklung eines konkreten Betriebsmodells

Die Gespräche mit den eben genannten Fachleuten haben gezeigt, dass die Fährverbindung Mühlheim- Maintal nicht ohne weiteres aufgenommen werden könne und der Betrieb dieses Fährmodells technisch anspruchsvoll sei. Das schnelle Scheitern des ehemaligen Betreibers hat dies sehr deutlich gemacht. Neben einem wirtschaftlichen Betriebsmodell ist vor allem der Einsatz von zuverlässigem und kompetentem Personal unerlässlich. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass es für die Suche nach Fährleuten mit Patent keinen Markt gebe. Binnenschifffahrer abzuwerben sei durch die Lohnunterschiede und dort besseren Arbeitsbedingungen kaum möglich und auch deren Einsatz erfordere ein entsprechendes Patent für den Betrieb.

Trotz dieser Rahmenbedingungen wurde der Kontakt zu Interessenten aufgenommen und ein möglicher Business Plan entwickelt. Um zuverlässige Betriebszeiten dauerhaft abdecken zu können und für die nicht einfache Tätigkeit genügend Pausen- und Ruhezeiten einzuplanen wurde sich an anderen Betriebsmodellen orientiert. Demnach ist für den Betrieb mit Betriebszeiten von Montag bis Freitag von 6.00 Uhr bis 21:00 Uhr und samstags und sonntags für rund 10 Betriebsstunden die Anstellung von 4 lizenzierten Fährleute in Vollzeit notwendig. Zusätzlich müssten Stundenkräfte als Kassierer eingeplant werden. Auf die weitere Vorhaltung eines Aushilfsfährführers wurde verzichtet, genauso wurde eine Reduzierung auf 3 Fährleute für nicht sinnvoll erachtet, um zum einen gute Arbeitsbedingungen zu bieten und um zum anderen die Betriebszeiten auch bei Urlaub und Krankheit abdecken zu können. Die Erweiterung des Fährbetriebs um einen Brötchen- oder Getränkeverkauf wurde nicht weiter verfolgt, da dieser weitere Kosten bei ungewissen Einnahmen mit sich bringen würde und ein ähnliches Geschäftsmodell eines Dritten bei einer anderen Fährverbindung nach nur wenigen Wochen ohne Erfolg eingestellt wurde.

Business Plan

Ausgaben Monat in EUR

Gehälter 26.500 Betriebsmittel 4.000 Reparatur (Rücklage) 3.500 Versicherungen 500 Sonstiges 300

SUMME 34.800 JAHR 417.600

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Einnahmen

Bei 600 Fahrgästen ergeben sich ca. 800,- EUR an Tageseinnahmen montags bis freitags. Am Wochenende sind ca. 35 % der Einnahmen eines Werktages möglich.

Arbeitstag Mo-Fr in Hessen im Jahr 2020: 254 203.200 Samstage: 52 14.560 Sonntage: 52 14.560 Feiertage: 8 2.240

SUMME JAHR 234.560

DEFIZIT JAHR 183.040

Die Aufstellung des Business Plans enthält eine relativ knapp kalkulierte Kostenseite und stellt die Einnahmenseite positiv dar. Eine Anlaufphase ist hierbei nicht berücksichtigt, außerdem ist nicht berücksichtigt, ob durch die Havarie ehemalige Nutzer nicht mehr bereit sind, dieser Verbindung zu vertrauen. Zudem werden Betriebszeiten ohne Einschränkungen wie beispielsweise Hochwasser angenommen. Dies entspricht nicht dem Grundsatz eines vorsichtigen Kaufmanns und unterstellt vielmehr, die Fährverbindung unbedingt wieder aufnehmen zu wollen – das prognostizierte Defizit ist also als Mindestgröße für einen Zuschuss zu verstehen. Aus kaufmännischer Sicht ist ein weitaus höheres Defizit zu erwarten!

Personalakquise

Insgesamt hatten sich in den letzten Monaten nur 9 Interessenten gemeldet. Darunter befinden sich lediglich zwei Interessierte, die in etwa die notwendigen Voraussetzungen erfüllen, darunter ein Interessent mit negativer Berichterstattung über einen bereits gescheiterten Betrieb einer Fährverbindung. Alle weiteren Interessenten erfüllen die Voraussetzungen nicht. Details können der anonymisierten Anlage entnommen werden.

Deshalb wurde sich mit der Überlegung befasst, eigenes Personal auszubilden. Voraussetzung hierfür ist eine mindestens einjährige Ausbildung bei einem zur Ausbildung Berechtigten. Hierbei wäre die Suche und Bezahlung eines Ausbilders bzw. Ausbildungsbetriebs und die Bezahlung der Auszubildenden notwendig. Ehemalige Fährleute und Fährbetreiber einer anderen Fährverbindung in der Nähe unserer Fährverbindung stehen auf Nachfrage hierfür nicht zur Verfügung. Außerdem würde die Fähre mindestens ein weiteres Jahr nicht zuverlässig betrieben werden können und es bestünde keine Möglichkeit, die ausgebildeten Fährleute vorab vertraglich an diese Fährverbindung zu binden! Deshalb wurde diese Möglichkeit nicht weiterverfolgt.

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Rechtliche Unsicherheiten bei einer Eigenerledigung

Unabhängig von der Höhe der Kosten des Betriebs besteht ein erhebliches rechtliches Risiko. Die Kommunen obliegen bei der wirtschaftlichen Betätigung den Beschränkungen des § 121 HGO. Demnach darf sich die Gemeinde nur wirtschaftlich betätigen, wenn:

1. der öffentliche Zweck die Betätigung rechtfertigt,

2. die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht und

3. der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

Aufgrund der ergebnislosen Ausschreibung kann zwar davon ausgegangen werden, dass die konkrete Fährstelle zwischen Mühlheim und Maintal nicht „ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt wird oder erfüllt werden kann“, jedoch darf hierbei nicht außer Acht gelassen werden, dass in unmittelbarer Nähe die Fähre Rumpenheim als privates Unternehmen ohne öffentliche Zuschüsse tätig ist.

Die Entfernung von Fähranleger Mühlheim zum Fähranleger Rumpenheim beträgt ca. 4,4 km Fahrtstrecke mit dem PKW; auf der Maintaler Seite beträgt die Entfernung ca. 3,1 km. Dieser „Umweg“ dürfte zumindest in Bezug auf PKW vernachlässigbar sein.

Der Betrieb eines Konkurrenzangebots mit erheblichen öffentlichen Zuschüssen ist vor diesem Hintergrund nicht zu rechtfertigen, zumal es keine belastbaren Erkenntnisse darüber gibt, dass die Kapazität der Fährverbindung Rumpenheim nicht ausreichen würde. Erschwerend kommt noch hinzu, dass das eingesetzte Personal aufgrund der Marktlage deutlich höher als üblich bezahlt werden müsste.

Da die Fährverbindung in den vergangenen Jahrzehnten nie durch den Kreis Offenbach selbst betrieben wurde, kann sich auch nicht auf die Ausnahme in § 121 Abs. 1 Satz 4 HGO berufen werden. Diese Vorschrift sieht Ausnahmen für wirtschaftliche Betätigungen vor, die bereits vor dem 1. April 2004 ausgeübt wurden.

Abschließende Empfehlung

Die Fährverbindung kann nicht aufgenommen werden, weil kein ausreichendes qualifiziertes Personal zur Verfügung steht und auch nicht zeitnah und nachhaltig ausgebildet werden kann. Außerdem ist mit einem erheblichen finanziellen Defizit zu rechnen und das gesamte Betriebsrisiko zu tragen. Zudem bestehen erhebliche wettbewerbsrechtliche Bedenken.

Aufgrund des immensen öffentlichen Zuschussbedarfs in Höhe von mindestens 183.040 EUR bei einer überschaubaren Nutzerzahl und bei gleichzeitig bestehendem Alternativangebot (Fähre Rumpenheim) wird empfohlen, die Fährverbindung dauerhaft aufzugeben und weitere Bemühungen zur Personalakquise einzustellen.

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