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Tabelle 65: Naturraumgliederung auf der Grundlage Forstlicher Mosaikbereiche (nach D.Kopp) Wuchsgebiet (Naturraumgebiet) Wuchsbezirk (Naturraumbezirk) (mit Beschreibung der Bodenverhältnisse)

Lüchow-Salzwedeler-Niederung Ostniedersächsisch- (grundwasserbeeinflusste Sand- und Lehmböden) Altmärkisches Altmoränenland Seehausen-Gartower Elbniederung (durch Auensediment geprägter Raum mit unterschiedlichem (nördliches Untersuchungsgebiet) Grund- und Stauwassereinfluss) Pritzwalker Platte (im Untersuchungsgebiet grundwasserfreie Sandböden angren- zend an Elb-Havelaue) Mittleres Norddeutsches Altmorä- Stendaler Platte nenland (im Untersuchungsgebiet überwiegend entwässerte Sand-Lehm Böden angrenzend an Elbaue) (südwestliches Untersuchungsge- Magdeburger-Wittenberger Elbaue biet) (im Untersuchungsgebiet überwiegend durch Auensedimente geprägter Raum) Mittelbrandenburger Elbe-Havelwinkel-Niederung Talsand- und Moränenland (grundwasserbeeinflusste Sandböden; Auenlehmböden im Be- reich der ) (südöstliches Untersuchungsgebiet) Schollener Platte (überwiegend grundwasserarme bis schwachgrundwasserbeein- flusste Sandböden) Quelle: Forstliche Landesanstalt Sachsen-Anhalt (2001): Naturraumerkundung des Landes Sachsen-Anhalt

Die mittlere Jahrestemperatur für das Untersuchungsgebiet liegt bei durchschnittlich 8 bis 8,5º Celsius. Die Anzahl der Vegetationstage bewegt sich innerhalb von 220-225 Tagen. Lediglich die Schwankung der durchschnittlichen Jahresniederschlagsmengen variiert in ei- nem relativ größeren Bereich von 500 mm im südlichen Elbebereich bis nahezu 650 mm an der Alandmündung im Norden.

4.1.3 Relief und Boden 4.1.3.1 Relief Das hauptsächlich durch die Weichselkaltzeit geprägte Relief verläuft in einer Abdachung der Niederungen der im Süden von etwa 60 m NN nach Norden bis auf etwa 20 m NN; im Tal der Elbe bis auf unter 10 m NN. Die großflächigen Auenbereiche selbst sind schwach reliefiert.Im Bereich des westseitigen Elbetals im Süden des Untersuchungsgebiets, ungefähr zwischen Dalchau und Hämerten, befindet sich ein bewaldetes Steilufer, eine deut- liche Geländestufe von 20 m in der Elbeniederung zu einer sich auf ca. 60 m NN erhebenden Hochfläche. Am Ostufer der Elbe sind ebenfalls Steilufer bis 30 m NN ausgebildet. AEP Elbe 1 - Seite 152 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Der ostelbische Teil im Bereich der Niederung der Havel wird nördlich und südlich durch flachwellige Moränenlandschaften, begrenzt. Nördlich der Stadt ist die höchste Erhebung der Lange Berg (52 m NN). Im Süden sind dies die Hochflächen-Dünen-Komplexe mit der Klietzer Hochfläche, die Kamernschen und die Rehberger Berge (110 m NN) sowie das Ländchen . Der Schollener See liegt in einem flachen Becken in einer schwach reliefierten Landschaft. 4.1.3.2 Boden Entsprechend ihrer ähnlichen geologischen Entwicklung werden im UG die Bodenregionen der Flusslandschaften und angrenzend (partiell) der Jungmoränen- und Altmoränen- landschaften unterschieden.51

Abbildung 12: Karte der Standortgruppen

Quelle: Agraratlas des Landes Sachsen-Anhalt 1996 Im Untersuchungsgebiet herrschen Auenböden (Vega) und Gleye vor. Diese Überflutungs- bzw. Grundwasserböden zählen zu den semiterrestrischen52 Böden. Einen Überblick gibt die nachfolgende Tabelle.

51 Kainz, W., String, P., Weller, M. (1999): Bodenatlas Sachsen-Anhalt. 52 Abteilung der Bodentypen, bei der die Bodenentwicklung eindeutig vom Grundwasser bestimmt wird AEP Elbe 1 - Seite 153 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Tabelle 66: Vorherrschende Böden im Untersuchungsgebiet Bodenlandschaft vorherrschende Böden durchschnittliche Bo- denwertzahlen Wische und nördli- Vega-Gleye aus Aueschluff und Auelehm (elbnah) Vega, Gley-Vega aus che Elbe mit Arne- Vega-Gleye, Humusgleye und Pseudogleye aus Auenton und -lehm: burger Elbrinne; Auenlehm und –ton (Wische und Alandniederung) >70; Untere Havelaue Vega, Gley-Vega aus Elbe-Havel-Winkel Gley-Vega, Auengleye Auensande: 50 bis 70 aus Auenschluff und –lehm, Auengleye aus Auen- lehme, Humusgleye: Humusgleye und Vega-Gleye aus Auenton ca. 50 Quelle: eigene Darstellung Im Untersuchungsgebiet weiter vorhanden sind Böden mit tonigen bis sandigen Substraten unmittelbar an der Stromelbe (Auenregosole), in den Dünenbereichen (z.B. San- dau/Schönfeld, Nitzow) sowie im Bereich des Sandergebietes bei und im Land Schol- lene. Die Bodenwertzahlen liegen dort bei ca. 30. Durch Verlandung von Flussläufen, Über- flutungen und langanhaltende Vernässungen enstanden außerdem in der Unteren Havelaue und im Bereich Schollene (z.T. naturnahe) Niederungsmoore.

4.1.4 Gewässer, Hydrographie und Hochwasserschutz

4.1.4.1 Gewässer im Untersuchungsraum Die bedeutendsten Gewässer im Untersuchungsraum sind die Fließgewässer Elbe, Havel und Aland. Die Elbe als großer europäischer Strom mit ausgeprägtem Tieflandcharakter weist eine weitgehende Naturnähe auf. Innerhalb breiter Überschwemmungsgebiete ist eine typische Auenlandschaft mit verschiedensten Lebensraumstrukturen, wie weiten Elbwiesen, Altgewässern und Auwaldbeständen erhalten geblieben. Die Havel als rechter Nebenfluss der Elbe ist ebenfalls ein typischer Tieflandfluss, der aufgrund seines geringen Gefälles sehr langsam fließt und dadurch Grundlage für das Feuchtgebiet Internationaler Bedeutung in der Unteren Havelniederung ist. Der Aland mit seinem Gewässersystem aus Milde, Biese und Aland selbst (ab Seehausen bis zur Einmündung in die Elbe bei Schnackenburg) ist der linke Nebenfluss der Elbe im Untersuchungsraum. Gleichfalls durch eine geringe Fließgeschwin- digkeit gekennzeichnet, ist er bis auf einige mäandrierende Abschnitte bei Wanzer, die öko- logisch wichtige Rückzugsgebiete für die Fauna der Elbe darstellen, relativ naturfern gestal- tet53. Weitere Fließgewässer im AEP-Gebiet sind der Trübengraben, der Rütschgraben und Neue Jäglitz, die Große Wässerung und zahlreiche kleinere Gräben als Gewässer II. Ord- nung. Bedeutende stehende Gewässer sind zuvorderst der Schollener See, die Trübengra- benseen (Klietzer, Kamernscher und Schönfelder See) sowie verschiedene Altgewässer. 4.1.4.2 Hydrographie Die hydrographischen Bedingungen im AEP-Gebiet werden durch Elbe, Havel und Aland bestimmt. Groß angelegte Meliorationen seit den Zeiten Friedrichs II. – wie v.a. das Wi- scheprojekt in den 60ern – be- bzw. entwässern das Gebiet. In Abhängigkeit der Wasserfüh-

53 nach Angaben des LAU Halle in „Hochwasserschutz in Sachsen-Anhalt“ (2002) AEP Elbe 1 - Seite 154 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes rung in den Vorflutern (starke jahreszeitliche Schwankungen) liegt der Grundwasserspiegel 2 bis 3 m unter Gelände; in Extremsituationen 6 bis 7 m unter Gelände. Außerdem werden an Deichbauten angrenzende Flächen von Qualmwasser54 beeinflusst. Beiderseits der Elbe werden die hydrologischen Verhältnisse durch die wechselnden Wasserstände der Elbe mit deren Einfluss auf die Grundwasserstände bestimmt. In der Altaue befinden sich noch zahl- reiche Altwasser. Buhnenbau verhindert die Neubildung von Altwassern. In der Havelniede- rung entwässern zahlreiche Gräben (insgesamt 721 km im Bereich des Unterhaltungsver- bandes Trübengraben) das Gebiet zur Havel. Die Grundwasserneubildung erfolgt in den sandigeren Höhenlagen; der Grundwasserfluss in Richtung Havel. 4.1.4.3 Hochwasserschutz und Sommerhochwasser 2002 Aufgrund der dargestellten hydrologischen Spezifik im Untersuchungsraum hat der Hoch- wasserschutz seit langem einen enormen Stellenwert. So ist für ein Hochwasserereignis im März 1771 verzeichnet, dass die gesamte Wische mit 2 Städten und 40 Dörfern von Über- schwemmungen betroffen war. Auch im Winter 1909 strömte infolge von Deichbrüchen bei Elbewasser in den Wischepolder und überschwemmte 220 km² linksseitig sowie gleichzeitig Bereiche zwischen und Havelberg auf der rechten Elbseite55. Zur Sicherung der elbnahen Bereiche wurde schon im 12. Jahrhundert von Holländern Dei- che errichtet. Seitdem wurden die Einrichtungen des Hochwasserschutzes beständig erwei- tert. Seit 1978 werden die Elbdeiche am Wischepolder saniert und bis dato sind insgesamt 33,5 km Deiche ausgebaut (derzeitig Baumaßnahmen südlich von Werben). Durch die Er- richtung des Alandabschlusswehres bei Aulosen von 1986 bis 1991 kann die Alandniede- rung vor dem Einströmen von Elbe-Hochwasser geschützt und somit auf die Sanierung von 40 km Alanddeichen verzichtet werden. Notwendig dazu ist das noch in Planung befindliche Aland-Überleitungswehr, welches in enger Abstimmung mit dem Land Niedersachsen Aland- Hochwasser in die Seege umzuleiten vermag. Ein zweites wichtiges Wehr ist die Wehrgrup- pe Quitzöbel an der Havelmündung, durch die eine Regulierung des Elbe- und des Havelpe- gels möglich ist. Trotz dieser Einrichtungen des Hochwasserschutzes bewies die Flutkatastrophe im Sommer 2002 zweifelsfrei, wie gefährlich die Besiedlung der natürlichen Überflutungsauen ist und wie unberechenbar gerade die Elbe durch ihre große Dynamik in der Wasserführung ist. Nach tagelangen Regenfällen im südlichen Einzugsgebiet der Elbe (Tschechien, Sachsen) kam es im August 2002 zu einem unerwartet hohen Hochwasserereignis. Das relativ seltene Som- merhochwasser hatte verheerende Folgen; nach vorläufigen Schätzungen der betroffenen 5 Bundesländer liegen die Schäden bei mindestens 22,6 Milliarden €, der Anteil der Landwirt- schaft bei ca. 300 Millionen €56. Während das Land Sachsen-Anhalt im Bereich der ebenfalls hochwasserführenden Mulde und durch Deichbrüche bei Wittenberg und Magdeburg be- trächtliche Flutschäden zu verzeichnen hatte, wurde die AEP-Region – auch dank des gro- ßen Einsatzes vieler Hilfskräfte – vom Elbehochwasser weitgehend verschont.

54 das hinter dem Deich aufsteigende Wasser 55 LAU Halle in „Hochwasserschutz in Sachsen-Anhalt“ (2002) 56 Stand November 2002 – aktuellere Zahlen der Bundesregierung gehen von 9,6 Milliarden € insgesamt aus. AEP Elbe 1 - Seite 155 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Abbildung 13: Hochwasser bei Beuster

Indirekt durch die Havel kam es jedoch im Havelberger Bereich zu größeren Überflu- tungen. Dabei wurde durch das Ziehen des erwähnten Wehres in Quitzöbel Elbewasser in die Havel umgeleitet, um die Scheitelwel- le zu kappen und eine mögliche Überflu- tung Wittenberges und weiterer Siedlungs- bereiche – u.a. auch auf sachsen- anhaltinischer Seite – zu verhindern. Dies geschah auf Grundlage einer Vereinbarung mit dem Land zur Wehrbedienung und zum Einsatz der zur Aufnahme von Hochwasser vorgesehenen Flutungspolder an der Havel. Allerdings war diese Vorgehensweise bis zum 20. August 2002 nur wenigen Bewoh- nern der Region bekannt, so dass das Schlitzen bzw. Sprengen der Polderdeiche zu be- trächtlichen Schäden auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen geführt hat. Weitere Schäden ergaben sich aus der langen Ablaufzeit des Wassers von den überfluteten Feldern und dem Fischsterben infolge Sauerstoffmangel sowie bei einzelnen Gebäuden und bei Inf- rastruktureinrichtungen im Gebiet der Stadt Havelberg.

4.1.5 Biotoptypen und ökologische Anforderungen Weite Bereiche des Untersuchungsgebietes sind Stromtäler und Flußauen von Elbe und Havel. Diese Gebiete gehören zu den artenreichsten Landschaftsräumen. Entsprechend dem Konzept der Biosphärenreservate sollen diejenigen Nutzungsformen erhalten und wei- terentwickelt werden, von denen die naturraumtypischen Arten und Ökosysteme abhängen 57. Im Landschaftsprogrammes des Landes Sachsen-Anhalt sind zu den einzelnen Land- schaftsbestandteilen schutz- und entwicklungsbedürftige Ökosysteme beschrieben:

Tabelle 67: Biotoptypen sowie schutz- und entwicklungsbedürftige Ökosysteme

Biotoptyp vorrangig schutz- und besonders schutz- und schutzbedürftig, z.T. entwicklungsbedürftig entwicklungsbedürftig entwicklungsbedürftig ELBTAL Wälder und Gebü- Weichholzaue, Stielei- Erlen-Bruchwälder, Stielei- Kiefern-Eichen-Wälder sche chen- Ulmen- Auwälder chen-Hainbuchen-Wälder auf Binnensanddünen, Weidengebüsche an Fließ- und Stillgewässer- ufern Feuchtgrünland und Röhrichte, Seggenrieder seggen- und binsenreiche Sümpfe Nasswiesen, Feuchtwiesen Trocken- und Mager- Sandtrockenrasen, Halb- biotope trockenrasen auf Binnen- sanddünen

57 Ministerium für Raumordnung und Umwelt Sachsen-Anhalt (1998): Biosphärenreservate im Vergleich zu ande- ren Schutzgebieten, Vergleichende Schutzgebietscharakteristik. AEP Elbe 1 - Seite 156 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Biotoptyp vorrangig schutz- und besonders schutz- und schutzbedürftig, z.T. entwicklungsbedürftig entwicklungsbedürftig entwicklungsbedürftig sonstige Biotope ackerwildkrautreiche Auen- dörfliche und städtische äcker, Streuobstwiesen Ruderalfluren PERLEBERGER HEIDE Wälder und Gebü- Kiefern-Eichen-Wälder sche Trocken- und Mager- Binnendünen Sandtrockenrasen auf biotope Sanddünen RHIN-HAVEL-LUCH Wälder und Gebü- Erlen-Bruchwälder Erlen-Eschenwälder Stieleichen-Buchen- sche Stieleichen-Hainbuchen- Wälder Wälder Moore Niedermoore Gewässer Seen Schollener See Fließgewässer Verlandungsbereiche stehender Gewässer Feuchtgrünland und Röhrichte, Seggenrieder Nasswiesen Feuchtwiesen Sümpfe LÄNDCHEN IM ELBE-HAVEL-WINKEL (LAND SCHOLLENE) Wälder und Gebü- Stieleichen-Hainbuchen- sche Wälder, Kiefern-Eichen-Wälder Gewässer Bachläufe Feuchtgrünland und Nasswiesen, Sümpfe Feuchtwiesen Trocken- und Mager- offene Binnendünen Magerrasen, biotope Zwergstrauchheiden sonstige Biotope Ackerflächen als Ä- sungsflächen Quelle: Ministerium für Umwelt und Naturschutz des Landes Sachsen-Anhalt (1994): Landschaftspro- gramm des Landes Sachsen-Anhalt.

4.1.6 Landschaftsbild Ein vielfältig geprägtes Landschaftsbild ergibt sich aufgrund der Größe sowie der relativ wei- ten Nord-Süd-Ausdehnung des Untersuchungsgebietes. Insgesamt prägend ist die eiszeitlich entstandene Tallandschaft der mittleren Elbe und der unteren Havel. Der nördliche Teil des Untersuchungsraums wird im Westen durch die weiten Mäander der Elbe geprägt. Diese Bereiche mit den außen- und innendeichs gelegenen Flächen sind auf- grund ihrer landschaftlichen und naturräumlichen Einzigartigkeit und ihres ökologischen Wer- tes größtenteils unter Landschafts- und Naturschutz gestellt. Es ergibt sich eine weitläufige, durch Grünland, Weiden und Äcker geöffnete Landschaft mit Auwaldresten, Baumreihen, Solitärbäumen und Hecken. Eingelagert in die Landschaft sind Altwasser, Kolke58 und Grä- ben.

58 Reste von Altarmen in den Niederungen. AEP Elbe 1 - Seite 157 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Nördlich von Havelberg bestimmen Kiefernforste der Perleberger Heide das Landschaftsbild. Die Niederungen im Rhin-Havel-Luch sind durch intensiv, meist als Grünland genutzte Flä- chen, durchzogen von kanalisierten Vorflutern, gekennzeichnet. Eine Aufwertung durch Restwälder, Gehölze und extensive Nutzung erfolgt nur partiell. Weite mittlere Bereiche des Untersuchungsgebietes gehören zur sogenannten „Altmärki- schen Wische“, einem traditionell landwirtschaftlich genutztem Gebiet. Zahlreiche vorhande- ne Kleinstrukturen (z.B. Alleen, Hecken, Feldgehölzinseln, Sölle) in weiträumigen Land- schaftsteilen ergeben ein strukturreiches Landschaftsbild. Die sich südlich anschließenden Gebiete sind die „Märkische Elbtalniederung“ beiderseits der Elbe, die „Untere Havelniederung“ beidseitig der Havel bis zur Einmündung in die Elbe sowie das „Land Schollene“ bei Schollene und Klietz. Für den Bereich Klietz ist die „Klietzer Heide“ (mit dem Truppenübungsplatz) durch die Heidekraut-Heiden und Silbergrasfluren landschaftsprägend.

4.2 Analyse der Ausgangssituation Die Besonderheit des Untersuchungsgebietes ist die Ausweisung als Teil des länderüber- greifenden Biosphärenreservates „Flusslandschaft Elbe“. Die Diskussion in den Beteilungs- prozessen während der Erarbeitung der AEP war von der Unsicherheit vor allem der Land- wirte durch die mit der Ausweisung befürchteten Nutzungsbeschränkungen bestimmt. Dazu trug auch bei, dass das angekündigte Rahmenkonzept des Biosphärenreservates für den Bereich „Flusslandschaft Mittlere Elbe“ z.Z. der Erarbeitung der AEP nicht vorlag. Der Ent- wurf zur Verordnung über die Festsetzung des Biosphärenreservates Flusslandschaft Mittle- re Elbe wurde erst im April 2002 veröffentlicht. Zumindest aufgrund der beschriebenen Ziele im o.g. Entwurf der Verordnung für das Bio- sphärenreservat sind Befürchtungen für weitergehende Nutzungseinschränkungen unbe- gründet:

Auszug aus dem Entwurf der Verordnung über die Festsetzung des Biosphärenreservates Flussland- schaft Mittlere Elbe, April 2002: § 9 Landwirtschaft 1. Die nachhaltige Landwirtschaft ist wesentliche Voraussetzung zur Erhaltung, Pflege und Entwick- lung der Kulturlandschaft im Biosphärenreservat. 2. Die Biosphärenreservatsverwaltung erarbeitet gemeinsam mit der zuständigen Landwirtschafts- behörde unter Beteiligung von Vertretern der Landkreise sowie der Naturschutz- und Landwirt- schaftsverbände und -vereine „Leitlinien zur Landwirtschaft im Biosphärenreservat“. Die Leitlinien verfolgen die Ziele: - langfristig und stabil hochwertige, gesunde Nahrungsmittel und nachwachsende Rohstoffe be- reitzustellen, - die Bodenfruchtbarkeit durch standortgerechte Düngung zu erhalten und zu verbessern, - Bodenerosion durch schonende Bodenbearbeitung zu vermeiden, - Oberflächen- und Grundwasser vor Einträgen von Pflanzennährstoffen und Pflanzenschutz- mitteln zu schützen, - die Biotop- und Artenvielfalt zu erhalten und zu fördern. AEP Elbe 1 - Seite 158 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

In Gesprächen wurde die allgemeine Akzeptanz der Landwirte für Naturschutzmaßnahmen deutlich, wenn für die Landwirte erkennbar wird, das von Seiten des Naturschutzes die für eine Beurteilung notwendige Orts- und Fachkenntnis vorhanden ist. Maßnahmen des Ver- tragsnaturschutzes werden generell akzeptiert. Hier wird jedoch der hohe bürokratische Auf- wand deutlich kritisiert. Es ist die Bereitschaft vorhanden, an der Erarbeitung einfacher unbü- rokratischer und wirtschaftlich tragfähiger Modelllösungen mitzuwirken.59 Die Haltung der Landwirte gegenüber Maßnahmen zur Erweiterung von Retentionsflächen (Deichrückbau, Deichschlitzung) ist vordergründig ablehnend („Nutzungseinschränkungen gefährden die Wirtschaftlichkeit und damit die Überlebensfähigkeit der Betriebe“). Grundsätzlich ist diese Haltung gegenüber einer Erweiterung von Retentionsflächen wie auch generell gegenüber bewirtschaftungseinschränkenden Naturschutzmaßnahmen von potenziellen Anpassungs- und Kompensationsmöglichkeiten, welche betrieblich sehr unter- schiedlich sind, abhängig.60 Die Forderung hierbei sind außerdem langfristige und stabile Rahmenbedingungen. Abbildung 14: Wildgänse Zum Landschaftsbild und zum Naturerleben gehö- ren die im Untersuchungsgebiet jährlich rastenden nordischen Wildgänse. Mit unterschiedlicher Betroffenheit und unterschiedlichem Ausmaß werden durch die Beweidung von landwirtschaftlichen Nutzflächen, insbesondere von überwinternden Raps- und Getreidesaaten, Ertragsschäden verursacht. Diese werden mit dem Hinweis der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) bisher durch das Land Sachsen-Anhalt nicht ausgeglichen. Nach dem Grundsatz Schadensverhütung vor Schadensersatz wird nach Lösungen gesucht (Wildgän- semanagement), Ertragsverluste für die einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe zu minimie- ren. Ausdruck dafür ist die vom Kreisbauernverband e.V., der Kreisjägerschaft Sten- dal e.V. und dem Naturschutzbund Stendal e.V. im Januar 2002 gemeinsam verabschiedete „Schelldorfer Erklärung“61. Ansätze für ein komplexes Herangehen sowie notwendige Vorgehensweisen werden im Rahmen der AEP in der Beschreibung eines Management in dem im Kapitel 4.5.1 ausgewie- senem Leitprojekt für den Untersuchungsraum dargestellt.

59 Die Ideen in den Diskussionsrunden gingen soweit, dass vorgeschlagen wurde einen allgemeinen Zuschlag für die Bewirtschaftung im Biosphärenreservat als Anerkennung ökologischer Leistungen für die Gesellschaft zu gewähren. Damit sollen pauschal Leistungen wie z.B. Heckenpflege, Wildgänseschadensausgleich, Biotoppflege etc. auf der Grundlage des Vertrauensschutzes honoriert werden. 60 vgl. auch: Dehnhardt, A. u.a. (2001): BMBF Projekt „Rückgewinnung von Retentionsflächen und Altauenreakti- vierung an der Mittleren Elbe in Sachsen-Anhalt“. Teilprojekt 3: Sozioökonomie. 61 Siehe Anhang AEP Elbe 1 - Seite 159 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

4.3 Leitbild

Im Untersuchungsraum wird Landnutzung als Einheit von Nutzung und Pflege zum Erhalt und zur Entwicklung der naturnahen Landschaften mit ihren naturraumtypischen Arten und Ökosystemen (besonders in den Auenlandschaften) verstanden. Für die Erhaltung der Kulturlandschaft und des Landschaftsbildes ist eine Bewirtschaftung durch die Landwirtschaft Voraussetzung. Integrative Naturschutzstrategien sind nur durch eine flächendeckende naturverträgliche landwirtschaftliche Nutzung langfristig umsetzbar.

4.4 Leitlinien und Handlungsempfehlungen Im Rahmen der „Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung“ werden aus Sicht der Landnutzung und unter Berücksichtigung der Ausweisung des größten Teiles des Untersuchungsgebietes als Biosphärenreservat sowie unter dem Eindruck der jüngsten Hochwasserereignisse fol- gende Leitlinien und Handlungsempfehlungen in diesem Themenschwerpunkt formuliert: · Ableitung von Zielen und Maßnahmen des Naturschutzes in einem kontinuierlichen Ab- stimmungsprozess unter Einbeziehung der regionalen Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei und der Jagd; Umsetzung auf Betriebsebene · Aufbau einer kooperativen und unbürokratischen Zusammenarbeit mit der regionalen Biosphärenreservatsverwaltung (Entwicklung und Einsatz von Fachkompetenz) · Schwerpunkte der Zusammenarbeit von Biosphärenreservatsverwaltung und Landwirt- schaftsbetrieben sollten beispielhaft sein:

- Erhaltung und Wiederherstellung von Landschaftsbildern

- Entwicklung einer naturbezogenen Erholung durch gezielte Besucherlenkung u.a. durch Ausweisung von Orten aktiver Naturaneignung; die Verbindung von Land- schaftsbild, naturbezogener Erholung und Wegerouten, Urlaub auf dem Bauernhof

- Umweltbildung u.a. über die Aufgaben der Landwirtschaft in der Kulturlandschaft · kontrollierte Wiedereinführung der Deichpflege mit Schafherden, die aufgrund der be- kannten Qualitäten („goldener Tritt“ und „eiserner Zahn“62) optimal geeignet sind · Vermeidung weiterer Siedlungsentwicklung in den natürlichen Überflutungsauen von El- be und Havel; Nutzungskonzeption zur Konfliktminimierung in den Havelpoldern · Abbau von Informationsdefiziten und Organisation eines transparenteren Entscheidungs- prozesses bei der Wehrbedienung und Polderflutung im Bereich der Unteren Havel · Erhöhung des Rückhaltevermögens der Landschaft (Bodendurchlässigkeit, Wald) insbe- sondere am Oberlauf der Elbe, aber auch im gesamten Flusseinzugsgebiet63

62 Hierzu auch das Positionspapier der KOST der KAG vom 17.09.02 63 Vergleiche dazu das 5-Punkte-Programm der Bundesregierung von September 2002 und das 7-Punkte- Programm zum Hochwasserschutz vom IÖR Dresden, 19.08.2002 AEP Elbe 1 - Seite 160 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

4.5 Maßnahmen

4.5.1 Leitprojekt: Wildgänsemanagement Die Begründung der Auswahl des Wildgänsemanagements als Leitprojekt im Rahmen der AEP ergibt sich aus

- der länderübergreifenden Ausdehnung des Biosphärenreservats,

- der sehr unterschiedlichen und widersprüchlichen Bewertung des Auftretens rastender Gänse aus Sicht der Landwirtschaft, der Jagd und des Naturschutzes (vergl. auch 4.2),

- der öffentlichen Brisanz, die mit einzelnen Managementmassnahmen (insbesondere Be- jagung und Vergrämung der Tiere) verbunden ist. Benannte Gründe erfordern eine Harmonisierung des Vorgehens im Gänsemanagement zwischen den beteiligten Bundesländern. Hintergrund ist weiterhin die Umsetzung europäi- scher und nationaler Schutzziele unter Berücksichtigung sozioökonomischer Erfordernisse, welche einen weitgehenden Lastenausgleich zwischen den Belangen der Landwirtschaft, der Jagd, des Naturschutzes und der Öffentlichkeit ermöglichen sollten. Die Betrachtungen zum Gänsemanagment erfassen daher eine Analyse der gegenwärtigen Schadenssituation, Erfahrungen aus anderen Bundesländern und Pilotprojekten aus Sach- sen-Anhalt zum Rastvogelmanagement sowie Vorschläge und Schlussfolgerungen zur Be- handlung der „Gänseproblematik“. Die Entwicklung eines Modells für ein Wildgänsemana- gement besitzt somit Beispielcharakter zur Lösung auftretender Konfliktfelder im Zusam- menhang mit der Umsetzung von Schutzzielen im betrachteten Biosphärenreservat. Die folgenden Kapitel zum Projekt wurden fachlich durch Herrn Dr. Wolfgang Heyer64 erar- beitet und mit dem Kreisbauernverband , der Biosphärenreservatsverwaltung Nord und einzelnen Landwirten diskutiert. 4.5.1.1 Schadensituation im AEP-Gebiet

Die Einschätzung der Schadensituation und deren Ursachen ist eine wichtige Grundlage für die Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für das Management der diskutierten Wildvogelar- ten (hier: Saatgans, Bläßgans, Schwan und Kranich). Neben Situationsanalysen auf den Nahrungsflächen werden Informationen über Anbauver- hältnisse, die im Gebiet über die Zeit und die Region verweilenden Tiere sowie Ergebnisse aus Falluntersuchungen benötigt. Angaben über die Flächennutzung und Anbaustruktur sind im Kapitel „Landwirtschaft“ dargestellt. Als potenzielle Nahrungspflanzen kommen insbeson- dere Getreide, Körnermais, Raps, Zuckerrüben und Kartoffeln in Betracht. Der Anbau von Körnermais, Zuckerrüben und Kartoffeln erfolgt in einem sehr geringen Um- fang. Die Fläche dieser Kulturen erfasst in ihrer Gesamtheit lediglich ca. 4 % der Ackerflä- che. Zuckerrübe und die Kartoffel sind zudem Fruchtarten, die zur Ertragssicherung hohe Aufwendungen im Pflanzenschutz benötigen. Daher sind die Chancen der Einbeziehung

64 Institut für Acker- und Pflanzenbau der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

AEP Elbe 1 - Seite 161 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes dieser energiereichen Früchte in Managementsysteme mit einer Herbstfütterung über Ernte- reste, noch dazu für Flächen innerhalb eines Schutzgebietes gering. Denn unter Natur- schutzauflagen (Verbot oder Reduktion des Produktionsmitteleinsatzes) ist der Anbau von Hackfrüchten irrelevant. Vom Anbauumfang interessante Kulturen sind das Getreide und der Raps mit ca. 65 % der Ackerfläche. Der Rhythmus der Getreideproduktion, insbesondere der frühe Erntezeitpunkt, erlaubt es nicht, über Ernterückstände ein Schadenmanagement innerhalb eines normalen landwirtschaftlichen Produktionsablaufes zu realisieren. Dies wäre nur über die zielgerichtete Anlage oder Auswahl von Getreidefutterflächen möglich und entsprechend mit Zusatzkosten verbunden. Aus Sicht des Produktionsablaufes ist lediglich der Körnermais als energiereiche Herbstfutterkultur diskutabel. Er besitzt allerdings einen geringen Flächenanteil. Dass die Körnermaisflächen in den bevorzugten Nahrungsarealen der Gänse oder Kraniche liegen ist eher unwahrscheinlich. Eine Nutzung von Rückständen dieser Kultur als Nahrungsgrundlage rastender Vögel wäre nur über eine Steuerung des Anbaus (Verteilung im Territorium, weni- ger Ausdehnung der Anbaufläche) möglich. Für die Ernährung der Zugvögel kann auch das Grünland Bedeutung haben. Sein Anteil ist mit ca. einem Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Planungsgebiet überdurch- schnittlich hoch, wobei ein wesentlicher Flächenanteil extensiv bewirtschaftet wird. Diese Flächen leisten aus einer Gesamtsicht einen wichtigen Beitrag für den Naturschutz. Sie sind für die diskutierten Zielarten aber eher uninteressant, weil das Grünland in Konkurrenz zu Ackerfrüchten steht. Die Flächen sind bei gegebener Vorraussetzung (z.B. Überstauung) als potenzielle Schlafplätze von Interesse, beeinflussen indirekt die Wahl der Nahrungsflächen und werden während der Frühjahrsrast auch in stärkerem Maße als Äsungsflächen ange- nommen. Der Rückgang des Grünlandanteiles zugunsten von Ackerflächen in vergangenen Jahren erhöhte somit die Attraktivität des Rastgebietes für die durchziehenden Gänsearten durch das Angebot relativ energiereicher Pflanzengrünmasse auf Getreide- und Rapsschlägen. Auf diese Kulturen konzentrieren sich auch die Schadensmeldungen. Bedeutende Schäden auf dem Grünland sind aus den aufgeführten Gründen kaum zu erwarten. Die Schadensituation wird neben den vorstehenden acker- und pflanzenbaulichen Parame- tern von der Anzahl der im Planungsgebiet verweilenden oder lebenden Tiere und den von ihnen aufgesuchten Fruchtarten beeinflusst. Für einen Teil des Planungsgebietes, die Aland – Elbeniederung, wurden in verschiedenen Jahren Gänsezählungen mit hoher zeitlicher Fre- quenz (alle drei bis 4 Tage) über mehrere Monate von der Karl Kaus Stiftung für Tier und Natur (Aulosen) durchgeführt65. Eine zusammenfassende Übersicht der Zähldaten in Ge- genüberstellung der Gänsezahlen zu Zeiten des Zuges (Oktober – November bzw. Februar – März) und der Überwinterung (Dezember – Januar) vermittelt die Tabelle 68. Es ergibt sich bei Betrachtung der Mittelwerte keine deutliche Differenzierung zwischen den Populations- dichten des Herbst- und Frühjahrszuges. Es finden sich ständig überwinternde Gänse im

65 Karl Kaus Stiftung für Tier und Natur (2000): Gänse in der Elbe-Alandniederung - Ein Winterquartier für nordi- sche Rastvögel AEP Elbe 1 - Seite 162 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Gebiet. Die Individuenzahlen entsprechen ca. 50 – 80 % der Gänsezahlen während der Herbstzugzeit (ohne das Jahr 1996). Dargestellte Maximalwerte stellten sich nur über kurze Zeiten (1 bis 2 Tage) ein. Zudem ergeben sich zwischen den Jahren erhebliche Schwankun- gen der registrierten Individuenzahlen, die auch das Ergebnis differenzierter Witterungsab- läufe darstellen und prognostisch nicht kalkulierbar sind.

Tabelle 68: Relation der Bestandsgröße im Winter zu den Individuenzahlen während der Zugzeiten

Jahr Okt. / Nov. Dez. / Jan. Febr. / März Anteil Dez./Jan. % max. Mittel max. Mittel max. Mittel Herbst Frühjahr 1995 4.050 3.027 6.000 1.428 4.050 1.591 47,18 89,75 1996 800 380 3.050 1.400 2.300 2.955 368,42 47,38 1997 6.600 1.227 2.600 985 1.750 740 80,28 133,11 1998 6.600 1.656 1.600 810 6.100 2.927 48,91 27,67 Mittelwert 1.572,5 1.155,75 2.053,25 136,20 74,48 Quelle: verändert nach Gänsezähldaten der Karl Kaus Stiftung für Tier und Natur für das Gebiet der Aland – Elbeniederung

Dennoch ergeben überschlägige Kalkulationen für das Gebiet der Aland – Elbniederung jähr- lich 290.000 Gänse(fraß)tage. Beobachtungen des Anflugverhaltens der Gänse zu den Landwirtschaftsflächen vermitteln, dass davon ca. 55 % auf Grünland, 20 % auf Ernterück- stände und 25% Wintersaaten entfallen. Etwa 1/6 (ca. 1000 ha) der LF im beobachteten Ge- biet wurde mehr oder weniger häufig von den Gänsen angeflogen. Davon wurden ca. 400 ha sehr oft frequentiert. Die zur Nahrungsaufnahme aufgesuchten Standorte waren über mehre- re Jahre weitgehend identisch. Die Aland - Elbeniederung ist zu weiten Teilen als Natur- oder Landschaftsschutzgebiet aus- gewiesen. Die dort siedelnden Gänse sind somit relativ ungestört. Dennoch sind die ermittel- ten Zusammenhänge weitgehend auf andere Regionen des Planungsgebietes übertragbar, wie die Daten des Modellprojektes „Untersuchungen zur Verhütung von Wildgänseschäden im Landkreis Stendal“ belegen. Im Rahmen dieses Projektes wurden 1999 über 10 Bereiche verteilt (von Aulosen im Norden der Altmark bis Königsborn in Höhe von Magdeburg), die Gänsedichten und Besiedlungszeiten auf Landwirtschaftsflächen registriert. Die Ergebnisse lassen folgende ergänzende Aussagen zu:

- Der Einflug der Gänse erfolgte Mitte bis Ende September und Gänsegruppen waren bis ca. Anfang Dezember auszumachen. Eine Besiedlung der Schläge erfolgte in der Zeit von September bis Dezember. Ausnahme war das Gebiet um Aulosen. Hier hielten sich die Gänse bis Ende März auf.

- Kurzeitig wurden sehr hohe Besatzdichten mit 3.500 bis 4.000 Tieren je ha erreicht und für die bei der Rast aufgesuchten Schläge (Wintergetreide / Winterraps) wurden im Be- reich der Gemarkung Sandau durchschnittlich 1.505 Gänsetage errechnet. AEP Elbe 1 - Seite 163 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

- Aufgesucht wurden in Reihenfolge der registrierten Gänsedichten Winterweizen, Winter- raps, Triticale, Wintergerste und Winterroggen.

- Maisstoppel erwiesen sich als attraktiv und wurden vor der Besiedlung von Ablenkflächen angeflogen.

- Neben den Gänsen wurden Schwäne auf den Feldern beobachtet. Sie waren auch wäh- rend des Winters vorzufinden. Die Besatzdichten betrugen ca. 120 Tiere je ha.

- Schlafplatzzählungen im Bereich des Arendsees zeigten einen Gesamtbestand von ca. 70.000 bis 80.000 Gänsen zur Hauptzugzeit. Die Aussagen beruhen auf lediglich einjährigen Untersuchungen. Sie sind aber im Kontext der sehr detaillierten Zählungen im Bereich der Aland- Elbeniederung (vgl. Tabelle 68) und den Erfahrungen und Beobachtungen der Landwirte und des Naturschutzes als gesichert anzusehen. Entsprechend den aufgeführten durchschnittlichen Populationsdichten ergibt sich für das Bezugsgebiet unter Annahme eines Verzehrs von 1,3 kg je Tier ein täglicher Bedarf von ca. 20 bis 27 dt Grünmasse. Als Vergleichsmaßstab sei angefügt, dass ein Winterweizen- oder Rapsbestand im Oktober / November ca. 30 bis 70 dt/ha Grünmasse trägt. Der aufgeführte Nahrungsbedarf kann nicht den real eintretenden Ertragsverlusten gleichge- setzt werden. Zur Wertung der Gänseschäden bei Raps und Getreide wurden daher im Rahmen des oben aufgeführten Modellprojektes Erhebungen zum Schadensumfang und zu Ertragsverlusten durchgeführt. Die Untersuchungen waren methodisch nicht ausgereift. Sie lassen im Zusammenhang mit anderen Forschungsergebnissen dennoch einige wichtige Schlussfolgerungen zu. Diese sind, dass

- durch Gänsefraß die Pflanzengrünmasse des Rapses stark reduziert werden kann. Die Pflanze wird auf 1 bis 3 Blattstrunken zurückgefressen. Ihr verbleiben ca. ¼ der ur- sprünglichen Assimilationsfläche. Das ist ein sehr hoher Schadenwert, da zu diesem Zeitpunkt für phytophage Schädlinge (z.B. Rapserdfloh, Ackerschnecken) Bekämpfungs- richtwerte von 10% geschädigter Blattfläche angegeben werden.

- Bei Getreide (Triticale) die Pflanzen bis auf ca. 0,5 cm über dem Erdboden abgefressen wurden. Untersuchungen zu Befall-Schaden-Beziehungen zeigen, dass dieser Wert meist noch tolerabel ist.

- Schäden im Verlauf der Jugendentwicklung der Pflanzen bis zur Vorblüte des Rapses nicht vollständig kompensiert werden konnten. Pflanzenlänge und Stängeldurchmesser waren im Vergleich zu ungeschädigten Rapspflanzen um ca. 47 % bzw. 38 % verringert. Schäden am Getreide wurden hingegen im Frühjahr überwachsen.

- die Bestandesdichte durch Gänsefraß sowohl bei Getreide als auch bei Raps nur gering- fügig reduziert wird. Es wurden keine aus dem Boden herausgerissenen Pflanzen gefun- den.

- Im Raps bei einem Ertragsniveau von 27,6 dt / ha Ernteverluste von 26 % (7,16 dt) ein- traten. Diese Verlusthöhe ist auf der Grundlage von Kenntnissen und Untersuchungen zur Ertragsbildung und Befall-Schaden-Beziehungen nachvollziehbar.

AEP Elbe 1 - Seite 164 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

In Hinsicht auf ein praktikables Gänsemanagement ergeben sich somit die folgenden Schlussfolgerungen:

- Es sind nicht genügend geeignete Flächen vorhanden, um im Rahmen gegenwärtiger- Fruchtfolgen und Fruchtartenstrukturen „Resterträge“ auf den Feldern zu belassen, die der Ablenkung der Tiere dienen könnten. Ergeben sich solche günstigen Flächen, wer- den sie sehr offensichtlich angenommen.

- Die Zielrichtungen eines Managements zur Schadenminimierung sollten im Herbst bzw. Frühjahr differenziert sein. Im Herbst ist das Ziel die Verhinderung der Aufnahme kom- pletter Körner bzw. frischer Saaten um Totalschäden zu vermeiden. Das setzt eine opti- male und der Situation angepasste Bestandesführung voraus, einhergehend mit der An- lage von Ablenkflächen mit direkter (Körnerfutter) oder indirekter (belassen von Ernteres- ten) Fütterung. Im Frühjahr eine Schadenminimierung durch Düngungsausgleich und zielgerichtete Bestandesführung auf weniger stark geschädigten Flächen.

- Eine Vernässung von Grünlandstandorten trägt besonders im Frühjahr zur Ablenkung der Gänse von Ackerflächen bei.

- Eine objektive Bewertung entstandener Gänseschäden ist schwer zu realisieren. Es mangelt insbesondere an geeigneten, wenig zeitaufwendigen und vergleichbaren (stan- dardisierten) Methoden. Ein gerechter finanzieller Ausgleich von Schäden ist bereits aus diesem Grund sehr schwierig umzusetzen.

- Das Rast- und Siedlungsverhalten der Gänse zeigt über die Jahre eine weitgehende Stabilität hinsichtlich der aufgesuchten Flächen. Damit sollte es möglich werden, geeig- nete Stör- und Ruheräume zuzuordnen und Risikoflächen für Fraßschäden auszuweisen. Diese Flächen sollten im Rahmen der gegebenen betrieblichen Spielräume im Gesamt- ansatz eines Gänsemanagements besonders berücksichtigt werden.

4.5.1.2 Schadenverhütung, –minimierung und -ausgleich Für das betrachtete Gebiet liegen teils ausführliche Daten über die Gänse vor. Sie ergeben jedoch noch kein passfähiges Bild mit Blick auf umfassende Schadensprognosen bzw. der Vorhersage des Schadenverlaufes. Ein zielgerichtetes Management der Wildvogel- populationen bedarf somit der Nutzung verschiedener Ansätze der Schadenverhinderung, -minimierung und des –ausgleichs. Neben der vorstehenden Analyse der Situation im Pla- nungsgebiet sollen daher auch Erfahrungen aus anderen Rastgebieten bzw. Bundesländern dargestellt werden.

Grundsätzliche Strategien einer Schadenverhütung Überlegungen zur Verhütung von Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen durch Vogelfraß müssen berücksichtigen, dass die in Rede stehenden Vogelarten einen unterschiedlichen Schutzstatus besitzen. Gänse und Schwänen zählen zu dem jagdbaren Wild, während der Kranich unter Schutz steht. Bei den Gänsen und Schwäne kommen somit zur Schadenab- wehr zwei grundsätzliche Ansätze in Betracht. Der erste besteht in einer Vergrämung der Tiere von den Feldflächen, ein weiterer in der Ablenkung der Gänse und Schwäne von den AEP Elbe 1 - Seite 165 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Kulturpflanzenbeständen durch die Bereitstellung oder Anlage von Äsungsflächen. Erfahrun- gen und Kenntnisse zur Biologie und Ökologie zeigen jedoch, dass durch keine der benann- ten Methoden eine vollständige Schadensverhütung erreicht werden kann. Gleichwohl ist eine Minimierung der Schäden in der Landwirtschaft durch konzertierte Aktionen möglich, indem sowohl Maßnahmen der Vertreibung von empfindlichen Saaten, als auch der Ablen- kung durch Äsungsflächen ergriffen werden. Das AEP – Gebiet bietet für dieses koordinierte Vorgehen gute Voraussetzungen, da u.a. ausreichend Nassflächen für die Äsung bereitge- stellt werden könnten und die Beruhigung ausgewählter Zonen auf der Grundlage der gege- benen Gesetzeslage besser umgesetzt werden kann. Durch die Unterschutzstellung des Kranichs, entfallen Möglichkeiten einer aktiven Vergrä- mung (Vertreibung) der Tiere von den Wirtschaftsflächen.

Erfahrungen und Modelle anderer Rastgebiete Es liegen europaweit Erfahrungen zum Management der Gänsepopulationen und anderer auf Landwirtschaftsflächen angewiesene Zugvögel vor. Zudem wird diese Aufgabe auch in den Bundesländern mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung angegangen. Wesentlich ist die Feststellung, dass allein ein finanzieller Schadenausgleich für die betroffenen Landwirte das Schadenproblem in seiner Gesamtheit nicht löst. In den Niederlanden wurden relativ großzügige Entschädigungen gezahlt, was zu einem weiteren Anstieg der Attraktivität der Nahrungs- und Rastplätze für die Gänse führte. Dies zog nach sich, dass finanzielle Auf- wendungen zum Schadenausgleich über die Jahre sehr schnell anstiegen. Diese Erfahrun- gen verdeutlichen die Notwendigkeit konzertierter Aktivitäten zum Management der Gänse, da das Problem auf Dauer allein durch finanzielle Entschädigungen nicht zu lösen ist. Somit sind verschiedene Maßnahmen zur Beeinflussung der Populationen zu kombinieren und komplex anzuwenden. Eine derartige Zielrichtung setzt das Vorhandensein organisatorischer Strukturen mit festgesetzten Verantwortlichkeiten voraus. Letzteres betrifft zugleich den fi- nanziellen Schadenausgleich, dessen administrative Umsetzung ebenfalls einer organisato- rischen Basis bedarf. Diese Aspekte sollen im Folgenden besonders betrachtet werden.

Tabelle 69: Inhaltliche Schwerpunkte von Maßnahmen zur Minderung von Gänseschä- den in der Landwirtschaft, Beispiele verschiedener Bundesländer

Region Vergrämung Ablenk- Ablenkfutter- Schaden- fütterung plätze ausgleich Nordrhein-Westfalen xxx* kein gesondertes Programm Niedersachsen xxx Schleswig-Holstein x* xxx Brandenburg x gegenwärtig kein Programm Mecklenburg-Vorpommern xxx xxx * Begleituntersuchungen im Rahmen geförderter Projekte, Anzahl der Kreuze zeigt die Gewichtung der Maßnahmen AEP Elbe 1 - Seite 166 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

In Nordrhein-Westfalen stehen Gänseschäden seit den 70er Jahren zur Diskussion. Um Konflikte zwischen Landwirtschaft und Vogelschutz zu mindern, wurden im Jahr 1986 Ver- einbarungen zwischen der Landesregierung und den Bauernverbänden geschlossen. Sie beinhalten die Duldung der Gänse auf Landwirtschaftsflächen. Dafür wurden im Gegenzug Möglichkeiten eines Schadenausgleichs getroffen. Es wird auf eine Ablenkfütterung orien- tiert, die verschiedene „Maßnahmepakete“ enthält. Der Abschluss des Bewirtschaftungspa- ketes „nicht bewirtschaftet“, d.h. belassen der Erntereste (Körnermais, Zuckerrüben) und Bearbeitung der Flächen erst ab dem 15.2. des neuen Jahres wurde häufig angenommen. Der dafür gezahlte finanzielle Ausgleich beinhaltet Einbußen durch verspäteten Umbruch (fehlende Frostgare) und der Deckungsbeitragsdifferenz zwischen Winter- und Sommer- fruchtart. Im Bundesland Niedersachsen liegt die örtliche Schwerpunktsetzung des Programms auf dem Küstenraum und das geplante Biosphärenreservat der Elbe. Bis zum Jahr 1999 wurden verschiedene Projekte zum Gänsemanagement durchgeführt und erprobt (z.B. Äsungsflä- chen für Gastvögel in der Elbaue [ÄgidE]). Die Bereitschaft der Landwirte Gänse zu dulden, wird im Rahmen des Vertragsnaturschutzes gefördert. Ein direkter Ausgleich von Fraßschä- den erfolgt nicht. Schleswig-Holstein setzt stärker auf einen Schadenausgleich, wobei die Schadenschätzung relativ einfach gehalten ist. Die Maßnahmen werden über den Vertragsnaturschutz finanziell abgesichert. Dies ist realisierbar, da insbesondere Grünlandflächen betroffen sind. Die Kos- ten halten sich dadurch in Grenzen. Insgesamt ist die Schadensituation in diesem Bundesland wenig mit den Gänseschäden in Sachsen-Anhalt vergleichbar. In Brandenburg bestehen bisher noch keine abschließenden Regelungen zum Gänsemana- gement und begleitenden Ausgleichszahlungen. Vorjährige Begleiterhebungen und Untersu- chungen hatten vielmehr den Status von Projekten. Ehemalige Regelungen über den Aus- gleich von Gänseschäden wurden aufgehoben. Gegenwärtig wird stärker auf eine Ablenkung der Gänse von potenziellen Schadflächen orientiert.

Tabelle 70: Übersicht zu Maßnahmen und zur Durchführung von Programmen zum Gänseschutz

Region Verantwortlich- Maßnahme- Fördertopf keiten übersicht Nordrhein-Westfalen Biologische Station, Stoppel- und Untersaat Projektstatus Landwirtschafts- Ausfallgetreide kammer, Nichtbearbeitung Landwirtschafts- Sonderpakete verbände - Grünlandpflege - Einsaat auf Stillle- gungsflächen AEP Elbe 1 - Seite 167 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Niedersachsen Amt für Agrarstruktur, Extensive Bewirtschaf- EAGFL* Naturschutzbehörden, tung nach Vorgaben Extensive Bewirtschaf- Landesamt für Ökologie bzw. in Abstimmung mit tung von Rast- und NLÖ, Nahrungsflächen nordi- örtlich eingegrenzte scher Gastvögel Maßnahmen Schleswig-Holstein Gutachterbüros Mähzuschuss EAGFL* Schadensent- Halligenprogramm schädigung Schadenausgleich Wirtschaftsbe- Ausgleich von Er- Gänse ratungsstellen tragseinbußen auf dem auf Ackerflächen Acker (Schadenschätzung) Vertragsnaturschutz

Angebot ungestörter „Nahrungsgebiete für Grünlandbereiche mit Gänse und Enten“ finanziellem Ausgleich Brandenburg Projektstatus Mecklenburg- Ämter für Umwelt und Stoppel- und Ernte- EAGFL* Vorpommern Natur bzw. Ämter der rückstände Förderung der extensi- Schutzgebiete Gezielte Ansaat von ven Ackernutzung im Winterkulturen Bereich von Rastplatz- zentren wandernder Vogelarten * Mittel des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft Auch im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern erfolgt kein Ausgleich direkter Äsungsschä- den durch Rastvögel. Vielmehr wird auf eine Schadenverhütung orientiert, indem genügend Äsungsflächen bereit gestellt werden sollen, um von potenziellen Schadflächen abzulenken. Finanzielle Beihilfen im Rahmen des EAGFL werden erst mit Beginn der Förderperiode 2000 – 2006 gewährt, weshalb entsprechende Übersichten zum Förderumfang noch nicht vorlie- gen. Im Rahmen der Fördermaßnahme wird zwischen Verpflichtungsfläche und Förderfläche differenziert. Damit wird formell ein Flächenbezug hergestellt und gleichzeitig eine relative Flexibilität für den Landwirt (Fruchtfolge) erhalten. Finanzieller Ausgleich erfolgt für die För- derfläche (mindestens 1/5 der Verpflichtungsfläche) innerhalb der festgelegten Verpflich- tungsfläche (mindestens 10 ha).

Tabelle 71: Finanzielle Ausstattung von Maßnahmen zum Gänseschutz

Region Beihilfen Gebietsbezug Bemerkung in EUR je ha Nordrhein- 61 (belassen Ausfall-getreide) Potenzielle Rast- Staffelung nach Aufwen- Westfalen 306 (Untersaat zu Mais) plätze dung für die Maßnahmen Niedersach- ext. Grünland 100 Zugeschnitten auf Staffelung nach Aufwen- sen ext. Getreide ohne Ernte 466 – 738 Gebietskulisse, u.a. dung für die Maßnahmen geplantes Biosphä- Belassen Erntereste 50-64 ren-reservat „Elbe- Winterraps als Zwischenfrucht ohne tal“ Ernte 209 Schleswig- Grünland 40 - 76 Rastplätze auf Halli- Bewertung auf Grundlage Holstein Salzwiesen 230 gen von Schad-stufen, I. 10-30 dt, II. >30dt Verlust. Schadensausgleich mit jährlicher Ackernutzflächen AEP Elbe 1 - Seite 168 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Festlegung Großflächiges, stö- Ausgleich nach vertraglich Grünland 122 - 153 rungsarmes Grün- festgelegten Nutzung- land (Nordsee) seinschrän-kungen Brandenburg Winterzwischenfrucht 60 – 85 Kein Gebietsbezug, Fall- Verzögerung der Herbstfurche 50 – ergebnisse einer Projekt- 170 studie, zuzüglich ca. 3.700 EUR Kosten für Einsatz Häckseln von Ernterückständen 150 eines Feldhüters Mecklen- Mais 409 Flächen in oder burg- Winterraps bei reduzierter Düngung angrenzend an EU – Vorpommern 215 Vogelschutzgebiete (festgelegte Ge- Wintergetreide bei reduzierter Dün- biets-kulisse) gung 394

4.5.1.3 Vorschläge zur Schadenverhütung und für Ausgleichsmaßnahmen Eine Schadenverhütung und Ausgleichsmaßnahmen für Rastvogelschäden bedürfen eines komplexen Vorgehens unter Anwendung verschiedener methodischer Wege. Zudem sind für das Land Sachsen-Anhalt erarbeitete Studien und Übereinkünfte zwischen Beteiligten zu berücksichtigen66. Aus dem vorliegenden Wissen wird folgender Vorschlag unterbreitet, der insgesamt sieben Teilansätze zu einem Managementsystem zusammenfasst Die Einord- nung der einzelnen Maßnahmen sowie ihre Bedeutung im System des Managements ist in der Abbildung 15 als Übersicht dargestellt.

Abbildung 15: Maßnahmeübersicht zum Rastvogelmanagement im AEP – Gebiet

Ausserhalb Maßnahme I Maßnahme II

von Futterplätze Ablenkfutterflächen (Körnerfütterung) (Ernterückstände) Maßnahme VI

Vergrämung Innerhalb von Schutzgebieten aktiv / passiv Schaden- minderung Maßnahme III Maßnahme VII und -verhütung Winterüberstau Acker- und pflanzenbauliche (Grünland) Vorleistungen

Schutz- Maßnahme V Maßnahme IV gebieten Schadenausgleich Ablenkfutterflächen (Produktionsschläge) (Getreide und Raps)

66 siehe „Schelldorfer Erklärung“ im Anhang; Studie der Karl Kaus Stiftung für Tier und Natur, Elbe-Aland Niede- rung von 1995 - 2000 AEP Elbe 1 - Seite 169 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Der Vorschlag verfolgt das Prinzip „Schadenverhütung vor Schadenausgleich“ durch ein ge- zieltes „Stören und Beruhigen“ der Vogelpopulationen (mit Ausnahme des Kranichs) unter annähernd gleicher Lastenverteilung für die Landwirtschaft, Jagd und den Naturschutz. Zielstellung ist das Halten der Tiere in Nähe potenzieller Schlafstätten innerhalb des Planungsgebietes durch Bereitstellung geeigneter Nahrungs- und Ruheflächen. Dies hat den Vorteil, dass der Energiebedarf der Vögel durch Einkürzen der Flugstrecken gering gehalten wird. Ferner ist die Beobachtung und der Umgang mit möglichen Schäden vereinfacht, da über- wiegend vorausschauend planbare Handlungsabläufe im Rahmen der Maßnahmen I bis IV und VII zu organisieren sind, die Ökologie der Tiere gut bekannt ist und wichtige Verhaltens- weisen wie der Bezug zu Schlafplätzen, bevorzugten Rastorten und Äsungsflächen weitge- hend stabil sind. Hinzu kommen die als Maßnahme V und VI aufgeführten Handlungen. Sie stellen im We- sentlichen Reaktionen auf einen potenziellen oder bereits erfolgten Schaden an Kulturpflan- zen dar. Unter diesem Umstand sind jeweils aktuelle Reaktionen von Nöten, Flächenzuord- nungen sind in der Regel vorab nicht möglich. Zudem muss vermerkt werden, dass eine ak- tive Vergrämung der Tiere (Verscheuchen durch Jagd oder Flurhüter) zur Minderung des Schadfraßes nach naturschutzrechtlichen Regelungen nur auf Flächen außerhalb des Pla- nungsbereiches möglich sein wird. Dabei sind besonders ertragsgefährdete Kulturen (Win- terraps) prioritär zu behandeln. Für ein funktionierendes Management im Sinne einer Schadenminimierung in der landwirt- schaftlich geprägten Region sind diese Flächen aber mit zu betrachten. Die in der Abbildung 15 aufgeführten Maßnahmen sind auf Grundlage der beschriebenen Situation unterschied- lich gewichtet. Für das Management bedeutendere Maßnahmen sind über hervorgehobene Strichstärken der Pfeile gekennzeichnet. Die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen soll- te nach dem Freiwilligkeitsprinzip erfolgen. Dadurch ist abgesichert, dass gravierende und kostenträchtige Rückwirkungen auf das landwirtschaftliche Betriebssystem vermieden wer- den. Die in der Abbildung 15 dargestellten Maßnahmen sind in den nachfolgenden Tabellen in- haltlich untersetzt. Maßnahme I (Anlage von Futterplätzen) ist auf die Bereitstellung von Nahrungsressourcen für den Kranich zuge-schnitten. Für den Herbstzug der Tiere sollten in den bekannten Rastorten Äsungsflächen mit attraktiven Ernterückständen bereitgestellten werden. Da po- tenzielle Nahrungsressourcen (Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben) auf Grund des begrenzten Anbauumfanges rar sind, sollten in Abstimmung zwischen Landwirtschaft und Naturschutz potenzielle Anbauflächen für diese Fruchtarten gezielt ausgewählt werden.

Tabelle 72: Inhaltsübersicht zu Maßnahme I (Anlage von Futterplätzen)

Kriterium Bemerkungen

Zielarten Kranich Bezugsflächen Flächen in Gunstlagen nahe der Schlafplätze AEP Elbe 1 - Seite 170 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Strategie der Schadensver- Schaffung von hütung a) Äsungsflächen bzw. b) Futterplätzen Umzusetzende Maßnah- a) Potenzielle Rastflächen sind, soweit sie geeignete Fruchtarten (ins- men besondere Mais) tragen, so zu behandeln, dass sie als Futterflächen angenommen werden können (Belassen von Pflanzenrückständen), Umbruch erst nach der Herbstrast, Abwenden von Störungen b) Anlage von Futterplätzen (Direktfütterung), wenn auf Grund der Fruchtfolge keine geeigneten Futterpflanzen auf potenziellen Rast- flächen angeboten werden können. Flächenumfang relativ geringer Flächenumfang (ca. 2 x 25 ha / Jahr) Ausgleichsleistungen für - verminderte Ertragsleistungen der Fläche - Flächenbereitstellung, eingeschränkter Flächenzugang und vermin- derte Leistungen der Sommersaaten Finanzbedarf a) 40 – 122 EUR Für b)Flächenstillegung und c) Fütterungskosten nach Erfahrungen aus Mecklenburg Vorpommern 117 – 511 EUR / ha finanzielle Regelungen a) Finanzierung über Ausgleichszulage b) - Ausgleich der Flächenbereitstellung über staatliche Mittel (Flächen- prämie für Stilllegung), - Finanzbedarf für Futtermittel und laufende Kosten ist über Projekte, touristische Aktivitäten im Bereich des Naturschutzes, aufzubringen Verantwortlichkeit Fachverbände des Naturschutzes und der Landwirtschaft, Landwirt- schaftsbetrieb in direkter Partnerschaft mit der UNB Bemerkungen zur administ- a) gesetzliche Regelungen existieren in Sachsen-Anhalt bisher nicht rativen Umsetzung b) - gesetzliche Regelungen über Ausgleichsleistungen bei Flächenstill- legungen existieren in Sachsen-Anhalt gegenwärtig nicht, Teilaus- gleich über EU-Flächenprämie. - Erfahrungen über diesen Weg liegen in Sachsen-Anhalt bisher nicht vor.

Die Kranichpopulationen des Frühjahrszuges sind relativ klein. Äsungsflächen können zu dieser Zeit nicht bereit gestellt werden. Bei Bedarf sollten örtlich begrenzte Fütterungen der Tiere erfolgen. In Abstimmung mit den UNB´s sind potenziell in Betracht kommende Land- wirtschaftsflächen zu benennen, für die eine Stillegung in Betracht käme. Sie dienen dann als Futterplätze. Der Flächenumfang von ca. 25 ha je Rastgebiet leitet sich nicht allein aus dem Nahrungsbedarf, sondern der Einhaltung von Fluchtdistanzen ab. Für Gänse und Schwäne sind gleichartige Maßnahmen vorzusehen, da Ernterückstände eine hohe Anziehungskraft haben, wenn sie innerhalb ungestörter Räume liegen. Die Potenz dieser Maßnahmen ist bei den Gänsen sehr hoch, wie Untersuchungen auf dem Territorium des Landes Brandenburg zeigen. Schwäne sprechen schwieriger auf diese Maßnahme an, da sie einem anderen Zeitrhythmus unterliegen, d.h. über den gesamten Winter eine Nah- rungsgrundlage benötigen und insgesamt schwerer leitbar sind. In der Regel sind diese Flä- chen andere, als die Äsungsflächen der Kraniche. Die inhaltlichen Schwerpunkte dieser Maßnahme zeigt die Tabelle 73.

AEP Elbe 1 - Seite 171 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Tabelle 73: Inhaltsübersicht zu Maßnahme II (Ablenkfutterflächen / Ernterückstände)

Kriterium Bemerkungen Zielarten Gänse, Schwäne Bezugsflächen Gunstlagen im Umkreis von ca. 7 km von den Schlafplätzen Strategie der Schadensver- Belassen geeigneter Äsungs- bzw. Rastflächen hütung Umzusetzende Maßnah- Potenzielle Rastflächen sind, soweit sie geeignete Fruchtarten (insbe- men sondere Mais, Kartoffeln, Zuckerrüben) tragen, so zu behandeln, dass sie als Futterflächen angenommen werden können (belassen von Pflan- zenrückständen, ca. 5-10 dt/ha), Umbruch erst nach der Herbstrast, Ab- wenden von Störungen Flächenumfang mittlerer Flächenumfang (ca. 50 – 60 ha / Jahr), Wahrscheinlichkeit grö- ßerer Flächenanteile ist gering (gegenwärtige Anbaustruktur) Ausgleichsleistungen für - verminderte Ertragsleistungen der Fläche - eingeschränkter Flächenzugang und verminderte Leistungen der Sommersaaten Finanzbedarf 40 – 190 EUR finanzielle Regelungen Abdeckung über Ausgleichszulage Verantwortlichkeit UNB, ALF , Naturschutzverbände Bemerkungen zur administ- Potenzielle Äsungs- und Rastflächen sind auf Antrag des Landwirtes in rativen Umsetzung Zusammenarbeit mit der UNB auszuwählen. Gesetzliche Regelungen existieren in Sachsen-Anhalt bisher nicht mögliche Problemfelder Es bestehen Widersprüche in Bezug auf die Zuwendungsvoraussetzun- gen im Rahmen der „Ausgleichszulage“ (MBL.LSA Nr. 10/2001, S. 150). Sie betreffen insbesondere die Flächenbindung von 5 Jahren, die durch jährlich wechselnde Flurstücke (durch Fruchtfolge dürften nicht immer geeignete Futterpflanzen zur Verfügung stehen) kaum eingehalten wer- den kann. Ferner sind zeitmäßige Nutzungsbeschränkungen auf dem Ackerland als Ausgleichskriterium bislang nicht vorgesehen.

Die Umsetzung der Maßnahme kann jährlich nur in begrenztem Umfang erfolgen, da das Angebot attraktiver Feldfrüchte innerhalb der vorhandenen Anbaustruktur gering ist. Ent- sprechend muss der Umfang von Äsungsflächen (Maßnahme IV) variieren bzw. angepasst werden. Nassbereiche tragen sehr entscheidend zu einer Ablenkung der Rastvögel von ge- fährdeten Ackerfrüchten bei. Ein hoher Grünlandanteil wird im Planungsgebiet extensiv be- wirtschaftet, weshalb eine Ertragsminderung durch Äsung weitgehend ausgeschlossen ist. Eine Finanzierung dieser Maßnahme über den Vertragsnaturschutz, soweit sie nicht bereits aus anderen Gründen (extensive Grünlandbewirtschaftung) erfolgt, erscheint zweckmäßig, denn Nassbereiche haben für die biotische Umwelt insgesamt einen hohen Stellenwert. Da sich eine Überschneidung mit weiteren Naturschutzzielen ergibt, ist der allein den Rastvö- geln zuzuordnende Flächenanteil relativ gering (Tabelle 74).

Tabelle 74: Inhaltsübersicht zu Maßnahme III (Winterstau / Grünland)

Kriterium Bemerkungen

Zielarten Gänse, Schwäne Bezugsflächen Grünland im Umkreis der Schlafplätze AEP Elbe 1 - Seite 172 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Verantwortlichkeit UNB`s , ALF Strategie der Schadensver- Gezielte Bereitstellung von Nassbereichen auf Grünlandstandorten zur hütung Ablenkung der Rastvögel von Ackerflächen Umzusetzende Maßnah- zeitlich befristete Vernässung von Grünlandbereichen men Flächenumfang ca. 50 ha / Jahr (den Gänsen zuzuordnen) Ausgleichsleistungen für Ausgleichszahlung für zeitlich beschränkte Nutzungen des Grünlandes Finanzbedarf ca. 72 - 289 EURO / ha finanzielle Regelungen Abdeckung über Ausgleichszahlungen im Rahmen des Vertragsnatur- schutzes auf dem Grünland, Mähweide mit terminlicher Einschränkung – 256 EURO / ha- Bemerkungen zur administ- Eine Zuordnung der Maßnahme zu den VNS-Maßnahmen wäre möglich. rativen Umsetzung Bei der administrativen Umsetzung sollte analog dem Antragsverfahren gehandelt werden. mögliche Problemfelder keine

Für die im Planungsgebiet siedelnden Vogelarten kann eine alleinige Bereitstellung von Ä- sungsflächen mit Ernterückständen nicht bedarfsdeckend sein. Ein Angebot zusätzlicher Nahrungsflächen erscheint notwendig, um ausgeprägte Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen zu mildern. Ein gezieltes Angebot von Äsungsflächen (Ablenkfutterflächen) nahe der Schlafplätze ist daher vorzuhalten und entsprechend der Maßnahme IV zu behandeln (Tabelle 75).

Tabelle 75: Inhaltsübersicht zu Maßnahme IV (Ablenkfutterflächen / Getreide, Raps)

Kriterium Bemerkungen

Zielarten Gänse, Schwäne Bezugsflächen Ackerflächen innerhalb des Planungsgebietes Verantwortlichkeit Ämter für Landwirtschaft und Flurneuordnung, UNB Strategie der Schadens- Gezieltes Angebot von Ablenkfutterflächen (Getreide, Raps) in Nähe po- verhütung tenzieller Schlafplätze Umzusetzende Maßnah- Schaffung attraktiver Äsungsflächen für die Rastvögel einschließlich der men Durchführung von Anlockmaßnahmen (Gänseattrappen usw.), Schaffung und Sicherung von Ruhezonen Flächenumfang höherer Flächenumfang (ca. 100 - 150 ha / Jahr) Ausgleichsleistungen für Modell 1) Umbruch und Deckungsbeitragsdifferenz zu Sommersaaten Modell 2) Entstandene Fraßschäden auf den Äsungsflächen Finanzbedarf Modell 1) a) Wintergetreide b) Winterraps 380 EUR / ha Modell 2) Ausgleich der Ertragsverluste 102 – 130 EUR / ha finanzielle Regelungen Abdeckung über Agrarförderprogramme Bemerkungen zur Die potenziell in Frage kommenden Flächen sind von den UNB’s in Zu- administrativen sammenarbeit mit der Landwirtschaft festzulegen. Es ist ein größeres Flä- Umsetzung chenareal als Ruhezone auszuweisen. Innerhalb dieses Bereiches sollten im Rahmen der Fruchtfolge ca. 1/3 der Fläche mit Äsungskulturen bestellt sein. AEP Elbe 1 - Seite 173 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes mögliche Problemfelder Die angebotenen Äsungsflächen müssen attraktiv sein. Dies setzt zumin- dest eine optimale Düngung der Kulturen voraus, was im Widerspruch zu anderen Maßnahmen des Vertragsnaturschutzes oder den Förderkriterien der Ausgleichszulage steht. Modell 2 ist wahrscheinlich weniger finanzaufwendig, in der Anlage (Ernte der geförderten Fläche) aber nicht EU-konform. Die Förder-Intension der EU (Umbruch und Sommerung) ist auf Grund der Bodenverhältnisse (Mi- nutenböden) praktisch kaum umzusetzen.

Tabelle 76: Inhaltsübersicht zu Maßnahme V (Schadenausgleich / Produktionsschläge)

Kriterium Bemerkungen Zielarten Gänse, Schwäne Bezugsflächen Ackerflächen innerhalb des Planungsgebietes, aber außerhalb des Ein- zugbereiches der potenziellen Schlafplätze Verantwortlichkeit Landwirtschaft, Jägerschaft und ihre Verbände unter Einbeziehung von Fachverbänden des Naturschutzes 1)67 Strategie der Schadensver- Keine vorausschauende Schadensverhütung möglich, da die betroffenen hütung Flächen von Jahr zu Jahr verschieden sind. Umzusetzende Maßnah- Passive Vergrämungsmaßnahmen men Ausgleichsleistungen für Entstandene Ernteverluste (Schadenausgleich) Flächenumfang höherer Flächenumfang (ca. 100 - 150 ha / Jahr) Finanzbedarf a) Passive Vergrämung ca. 25 EUR / ha b) Ausgleich für Ertragsminderungen 102 – 130 EUR / ha finanzielle Regelungen Abdeckung ernster Schadensfälle über „Ausgleichskasse“ oder andere Modelle (siehe Text) Bemerkungen zur administ- In Zusammenarbeit der Landwirtschafts- und Jagdverbände wird auf eine rativen Umsetzung Schadensverhütung bzw. –minimierung orientiert. mögliche Problemfelder Es ist nicht möglich, die Schadgebiete vorausschauend flächenmäßig abzugrenzen. Dies ist jedoch formelle Grundlage für Ausgleichsleistun- gen im Rahmen der Agrarumweltförderung. EAGFL – Mittel entfallen daher. Ein monetärer Verlustausgleich ist nur bei begleitender Schaden- bzw. Verlustschätzung möglich. Dieser erfordert einen hohen Sachverstand. Es müssten Schadensschätzer über die Landwirtschaftsverbände be- stimmt werden. Da die Schadenwahrscheinlichkeit beim Winterraps hö- her anzusetzen ist, sollten Ausgleichsleistungen evtl. auf diese Fruchtart beschränkt werden (Aufwand – Nutzen – Verhältnis)

Bedingt durch Besonderheiten des Standortes kommt dem Ausgleich von Schäden durch rastende Wildvogelarten (Tabelle 76 und Tabelle 77) im Planungsgebiet und der Umgebung im Vergleich zu anderen Raststandorten ein höherer Stellenwert zu. Wichtige Faktoren sind a) die Flächengröße. Sie macht im wesentlichen die Attraktivität des Rastgebietes aus, da Fluchtdistanzen leichter eingehalten werden können.

67 siehe auch „Schelldorfer Erklärung“ im Anhang AEP Elbe 1 - Seite 174 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes b) Die im Gebiet vorherrschende Bodenform (Aluvialböden), die nur über kurze Zeitab- schnitte für Bearbeitungsmaßnahmen zugänglich sind (Minutenböden). Daher sollte für den Fall einzelner wiederkehrender und ernster Schäden Regelungsmög- lichkeiten für einen Schadenausgleich überdacht werden. Hier sind verschiedene Denkan- sätze in der Diskussion die als Anregungen im Folgenden erläutert sind.

Anregung 1 Schadenregulierung über eine „Ausgleichskasse“, an welcher Jagd- und Landwirtschaftsver- bände sowie das Land Sachsen-Anhalt paritätisch beteiligt sein könnten. Nachteilig wäre hierbei wahrscheinlich ein hoher administrativer Aufwand, der nicht auf ehrenamtlicher Basis zu leisten ist. Damit sind Zusatzkosten zu erwarten. Aus diesem Grund, und wegen des ü- bermäßigen organisatorischen Aufwandes wird dieser Vorschlag vom Bauernverband als ungeeignet angesehen. Anregung 2 Es bestehen gegenwärtig Aktivitäten, Möglichkeiten für die Versicherung von Gänseschäden zu erarbeiten. Inwieweit diese zur Umsetzung kommen ist offen. Gegenwärtige Fehlstellen sind geeignete Methodiken zur monetären Bewertung der Gänseschäden. Probleme der Umsetzung liegen auch in der Ökologie der Gänse begründet. Da die Gänseschäden relativ „ortstreu“ auftreten, werden wahrscheinlich nur wenige Betriebe Versicherungsangebote an- nehmen, was zu hohen Versicherungsprämien führen dürfte, da nahezu jährlich Schäden zu erwarten sind. Anregung 3 Bei den Landwirtschaftsverbänden besteht weiterhin die Forderung nach Ausgleichsleistun- gen für entstandene Schäden durch Gänse und Schwäne, weil die naturschutzfachlichen Zielstellungen im Planungsgebiet die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Schäden auf Kulturpflanzenbeständen eher erhöhen als mindern. Die Duldung der Gänse auf Feldflächen übersteigt unter diesen Umständen die Grenzen von (finanziellen und ideellen) Leistungen im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Letztere werden für die Schadenminde- rung (Vergrämungsmaßnahmen einschließlich Kosten für Feldhüter, Aussaatstärken und – zeiten, Schadenausgleich über die Bestandesführung) bereits erbracht (Tabelle 78). In den Diskussionen wird auf die Rahmenvorgaben des neuen Naturschutzgesetzes (BNatSchG) zu Ausgleichsregelungen für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft verwiesen, die landesin- tern zu untersetzen sind. Anregung 4 Die Umsetzung der Gemeinsamen Agrarpolitik auf EU Ebene eröffnet über den Weg der Modulation Freiräume zur Finanzierung umweltspezifischer Zielsetzungen, die nicht an fest- gelegte Gebietskulissen gebunden sein müssen (z.B. auch Maßnahme VI). Eine Umschich- tung der Flächenbeihilfen trägt dann auch indirekt zur Schadenminderung bei, da schaden- anfällige Fruchtarten (Ölfrüchte) u.U. keine Gewinnvorteile mehr erbringen. Da auf diesem Gebiet in den nächsten Jahren viel Bewegung zu erwarten ist, sollten von den Fachverbänden des Naturschutzes und der Landwirtschaft verstärkt auf die Spezifik der AEP Elbe 1 - Seite 175 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Gänseproblematik im Land Sachsen-Anhalt aufmerksam gemacht werden und administrativ umsetzbare Vorschläge zur Handhabung eines Schadenausgleiches unterbreitet werden (z.B. Methodik der Schadenaufnahme, Flächenabgrenzung usw.).

Tabelle 77: Inhaltsübersicht zu Maßnahme VI (Vergrämung / aktiv, passiv)

Kriterium Bemerkungen Zielarten Gänse, Schwäne Bezugsflächen Ackerflächen außerhalb des Planungsgebietes Verantwortlichkeit Landwirtschaft, Jägerschaft und ihre Verbände unter Einbeziehung von Fachverbänden des Naturschutzes Strategie der Schadensver- Keine vorausschauende Schadensverhütung möglich, da die betroffenen hütung Flächen von Jahr zu Jahr verschieden sind. Umzusetzende Maßnah- Aktive und passive Vergrämung der Rastvögel, Schadenbeurteilung in men Sonderfällen Kosten für a) Aufwendungen für die Tätigkeit des Feldhüters Aufwendungen für passive Vergrämungsmaßnahmen (Scheuchen usw.) b) Aufwendungen für Ertragsverluste im Schadenfall Flächenumfang kein direkter Flächenbezug, jährlich variabel, schätzungsweise ca. 300 - 400 ha in Teilgebieten Finanzbedarf 102 – 130 EUR / ha finanzielle Regelungen a) Eigenleistungen der Betriebe b) Abdeckung ernster Schadensfälle über „Ausgleichskasse“ Bemerkungen zur administ- In Zusammenarbeit der Landwirtschafts- und Jagdverbände wird auf eine rativen Umsetzung Schadensverhütung bzw. –minimierung orientiert. Sie schließt auch eine Bejagung der Gänse ein. Im Fall des Eintretens ernster Schäden, sollte ein Schadensausgleich über eine verbandesgeführte „Ausgleichskasse“ erfolgen, an welcher Jagd- und Landwirtschaftsverbände sowie das Land Sachsen-Anhalt paritätisch beteiligt sein sollten. mögliche Problemfelder Es ist nicht möglich, die Schadgebiete vorausschauend flächenmäßig abzugrenzen. Dies ist jedoch formelle Grundlage für Ausgleichs- leistungen im Rahmen der Agrarumweltförderung. EAGFL – Mittel entfal- len daher. Ein monetärer Verlustausgleich ist nur bei begleitender Schaden- bzw. Verlustschätzung möglich. Dieser erfordert einen hohen Sachverstand. Es müssten Schadensschätzer über die Landwirtschaftsverbände be- stimmt werden. Da die Schadenwahrscheinlichkeit beim Winterraps hö- her anzusetzen ist, sollten Ausgleichsleistungen evtl. auf diese Fruchtart beschränkt werden (Aufwand – Nutzen – Verhältnis)

Maßnahmen der Vergrämung (Tabelle 77) und der Jagd werden seitens der Landwirtschafts- und Jagdverbände sowie des Naturschutzes kontrovers diskutiert und sind auch in der Öf- fentlichkeit umstritten. Im Rahmen des in Vorschlag gebrachten Managementsystems dienen die aufgeführten Stö- rungen der Tiere nicht ihrer Vertreibung aus dem Rastgebiet, sondern einer gezielten Um- lenkung der Populationen auf beruhigte Äsungsflächen innerhalb des Planungsgebietes. Unter dieser Voraussetzung können die vorgeschlagenen Maßnahmen erfolgversprechend AEP Elbe 1 - Seite 176 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes sein. Werden sie konsequent umgesetzt, dürften ernsthafte Schäden an landwirtschaftlichen Kulturpflanzen eher selten sein. Die Umsetzung der Maßnahme erfordert ein abgestimmtes Vorgehen zwischen der Landwirtschaft, Jagd und Verbänden des Naturschutzes. Entspre- chende Vorstellung über die organisatorische Umsetzung sind dem Anhang (Schelldorfer Erklärung) zu entnehmen.

Tabelle 78: Inhaltsübersicht zu Maßnahme VII (Acker- und pflanzenbauliche Vorleis- tungen)

Kriterium Bemerkungen

Zielarten Gänse, Schwäne Bezugsflächen Ackerflächen außerhalb und innerhalb des Planungsgebietes Verantwortlichkeit Landwirtschaftsbetrieb, UNB‘s Strategie der Schadensver- Vorausschauende Schadenminimierung durch Acker- und pflanzenbauli- hütung che Maßnahmen auf potenziellen Schadenflächen. Umzusetzende Maßnah- Termingerechte Aussaat der Winterkulturen und Einhaltung optimaler men Saattiefen, evtl. erhöhte Aussaatstärken einschließlich einer sachgerech- ten Bestandesführung zur Stärkung der Pflanzenbestände Ausgleichsleistungen für entfällt Flächenumfang kein direkter Flächenbezug Finanzbedarf ohne finanzielle Zuschüsse finanzielle Regelungen evtl. Mehraufwendungen sind vom Landwirtschaftsbetrieb zu tragen Bemerkungen zur administ- Eigenverantwortung der Landwirtschaftsbetriebe rativen Umsetzung mögliche Problemfelder Innerhalb des Planungsgebietes sind Abstimmungen mit dem Natur- schutz zu realisieren. Sie betreffen Maßnahmen einer optimalen Bestan- desführung zur Stärkung der Pflanzenbestände und zur Verlustminimie- rung bei aufgetretenem Schadfraß. Sie schließen insbesondere die Höhe des Düngungsniveaus und die Umsetzung von Pflanzenschutzmaßnah- men ein.

4.5.1.4 Flächenbedarf für Ausgleichsmaßnahmen und Schätzung finanzieller Aufwendungen Eine genaue Kalkulation des Flächenbedarfes für die Umsetzung der Maßnahmen für ein Management der Rastvogelarten ist auf Grund der Größe des Planungsgebietes und des Fehlens genauer und zeitlich geschlossener Übersichten zu den rastenden Vogelpopu- lationen nicht zu leisten. Für Teilbereiche des Gebietes liegen jedoch sehr ausführliche Da- ten des Rastverhaltens und der Populationsdichten vor, die eine vorsichtige Hochrechnung des notwendigen Flächenbedarfes und Rückschlüsse auf evtl. bereit zu stellende Finanzmit- tel erlauben. Die Tabelle 79 und Tabelle 80 vermitteln eine Übersicht der Kalkulationen zum Flächenbedarf und den notwendigen finanziellen Aufwendungen. Der aufgeführte Flächenbedarf der Maßnahmen I, II und IV ergibt sich nicht allein aus dem Nahrungsanspruch der Tiere, sondern berücksichtigt die Einhaltung notwendiger Fluchtdis- tanzen. Ferner ist es nicht immer notwendig, dass alle Maßnahmen innerhalb eines Raumes zur Anwendung gelangen (z.B. Maßnahme I für den Kranich). Maßnahmen II und IV stehen AEP Elbe 1 - Seite 177 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes im Wechselverhältnis. Lässt sich Maßnahme II auf Grund der Anbaustruktur nicht umsetzen, sollte der Flächenanteil der Maßnahme IV aufgestockt werden. Flächen der Maßnahme V umschließen Pflanzenbestände die mehrmals aufgesucht werden. Weitere Vorschläge sind alternativer Art (Modelle der Maßnahme IV). Der insgesamt benötigte Flächenumfang für direktere Managementaufgaben ergibt sich somit nicht als Summe der aufgeführten Positio- nen sondern würde bei ca. 400 – 450 ha in der Nähe eines Schlafplatzes liegen.

Tabelle 79: Flächenbedarf bzw. betroffener Flächenumfang zur Umsetzung des Ma- nagementvorschlages in einem Teilgebiet68 des Planungsraumes

Maßnahme Inhalt Flächenumfang1) in ha Nr. von bis I a) Ernterückstände 25 35 b) Flächenstilllegung 25 35 II Ablenkfutterflächen 60 80 III Vernässung 50 IV Ablenkfutterflächen (Winterraps) 25 50 Modell 1 Modell 2 V Schadenausgleich Produktions- 300 400 flächen VI Vergrämung aktiv / passiv 1.500 Schadenausgleich Produktions- 200 300 fläche VII Acker- und pflanzenbauliche 800 1.000 Vorleistungen 1) Geschätzter Flächenbedarf im Umkreis eines Hauptschlafplatzes Tabelle 80 verdeutlicht den finanziellen Umfang zur Umsetzung eines entsprechenden Ma- nagementsystems. Auch hier gelten zunächst analoge Hinweise, wie sie zum Flächenbedarf gegeben wurden. Mit Blick auf die Ausgleichsforderungen der Landwirtschaft ist es günstiger Ablenkäsungsflächen anzulegen, um Schäden auf den Produktionsflächen einzuschränken oder zu unterbinden. Dabei erfordert das Modell 2 der Maßnahme IV einen vergleichsweise geringen finanziellen Aufwand und ist unter den Standortbedingungen besser umzusetzen. Formelle Vorgaben der EU (Ansaat von Sommerungen nach Umbruch der Äsungsfrucht) sind hier kontraproduktiv.

Tabelle 80: Überschlägige Kalkulation der Finanzmittel zur Umsetzung des Mana- gementvorschlages in einem Teilgebiet69 des Planungsraumes

Maßnahme Inhalt Aufwen- Ausgleichs- Bemerkung Nr. dungen bedarf (€ / (€ / ha) Teilgebiet)

68 Den Kalkulationen liegen die Untersuchungen der Karl-Kaus-Stiftung für Tier und Natur für die Elbe- Alandniederung von 1995-2000 auf einer Beobachtungsfläche von ca. 6.000 ha zugrunde. 69 Den Kalkulationen liegen wieder die Untersuchungen der Karl-Kaus-Stiftung zugrunde. AEP Elbe 1 - Seite 178 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

I a) Ernterückstände 40 – 122 1.000 – 4.270 Belassen von Ernteresten, Getreide 5 – 15 dt/ha b) Flächenstilllegung 117 – 511 2.925 – 17.885 Nach Fallstudien aus Mecklenburg- Vorpommern Futterkosten 320 Kosten für ca. 20 dt Getreide II Ablenkfutter- 40 – 122 2.400 – 9.760 Belassen von Ernteresten, Getreide flächen 5 – 15 dt/ha 190 11.400 – Nach Fallstudien aus Nieder- 15.200 sachsen III Vernässung 72 - 289 3.600 – 14.450 Kalkulationen bei verspätetem Flä- chenzugang und je Ausgangslage (Extensiv- oder Intensivgrünland) IV Ablenkfutterflä- Nach Fallstudien anderer Bundes- chen (Winterraps) länder unter Berücksichtigung Diffe- renz Flächenbeihilfen Sommerung / Modell 1 380 9.500 – 19.000 Winterung Modell 2 102 - 130 2.550 – 6.500 Nach Fallstudien Sachsen-Anhalt (Winterraps) V Schadenausgleich Produktions- 102 – 130 30.600 – Nach Fallstudien Sachsen-Anhalt flächen 52.000 (Winterraps) VI Vergrämung aktiv / 25 – 30 37.500 – Aufwendungen für Abwehrmaß- passiv 45.000 nahmen (Bänder, Scheuchen) inkl. Feldhüter nach Betriebsangaben Schadenausgleich 102 - 130 20.400 – Produktionsfläche 39.000 Nach Fallstudien Sachsen-Anhalt (Winterraps) VII Acker- und pflan- 5 - 10 4.000 – 10.000 Aufwendungen für höhere Saatmen- zenbauliche Vor- gen u. Sonderleistungen der Be- leistungen standsführung nach Betriebsanga- ben

Bisher mögliche Ausgleichsleistungen für die Landwirtschaft betreffen die Maßnahme III, da es möglich ist, über den Vertragsnaturschutz (VNS) zu handeln. Der Ausgleich für einen ver- späteten Flächenzugang liegt gegenwärtig bei 256 Euro/ha, was die Aufwendungen zum Teil ersetzen kann. In Einzelfällen kann ein Ausgleichbeitrag über die Flächenstilllegung (EU- Flächenprämie) erfolgen. Für die Anlage von Äsungsflächen sollte eine finanzielle Förderung über den FFH-Bereich (Gebiete mit umweltspezifischen Einschränkungen) ermöglicht wer- den. Die in Sachsen-Anhalt vorgesehenen Förderbeiträge bewegen sich um 170 Euro. Bis- her beinhalten Fördervorgaben allerdings keine Kriterien eines Gänsemanagements. Abschließend ist zu bemerken, dass sich vorstehende Kalkulationsbeispiele (Tabelle 79 und Tabelle 80) auf lediglich ein Teilgebiet, die Elbe-Alandniederung mit angrenzenden Ackerflä- chen (ca. 6.000 ha) beziehen, denn es wird nicht möglich sein, im gesamten Gebiet einheit- lich zu handeln. Nach bisherigen Übersichten werden sich im Planungsgebiet der AEP ca. 5 Räume abgrenzen lassen, in denen das Auftreten von Rastvögeln in stärkerem Maße ein gezieltes Management verlangt, um Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen zu mildern. AEP Elbe 1 - Seite 179 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

4.5.1.5 Handlungsbedarf und offene Fragen Die aufgeführten Vorschläge zur Behandlung der Rastvogelpopulationen sind zunächst ge- nereller Art und stellen die Problematik eines Gänsemanagements unter den gegebenen Rahmenbedingungen dar. Sie bedürfen teilweise einer weiteren Untersetzung und Überprü- fung, da verschiedene Faktoren in ihrer Wirkung gegenwärtig noch nicht in ihren Einzelheiten zu durchschauen sind. Zudem bestehen in Hinsicht auf ein praktikables Management ver- schiedene Widersprüche und offene Fragen, die es zu klären gilt. Davon sind folgende Be- reiche betroffen: Administrative Probleme · Diese liegen zunächst im Verweis auf die Sozialpflichtigkeit des Eigentums durch das Land Sachsen-Anhalt. Diese Haltung wird im Sinne eines direkten Ausgleichs von Fraß- schäden durch Rastvogelpopulationen von den meisten anderen betroffenen Bundeslän- dern (Ausnahme Schleswig-Holstein) geteilt, auch weil die Handhabung eines Schaden- ausgleichs in Bezug auf Ackerkulturen schwer methodisch umzusetzen ist. Nach dem Grundsatz einer Schadenverhütung vor Schadenersatz werden im vorliegenden Mana- gement-Vorschlag Ausgleichsmöglichkeiten angesprochen, die zu einer Schadenverhü- tung begleitend zu den konzertierten Aktivitäten der Landwirtschaft und Jagd (siehe Schelldorfer Erklärung) wesentlich beitragen können und auch in anderen Bundesländern Anwendung finden. Damit wird ebenfalls der Tatsache Rechnung getragen, dass die Jagd bzw. Vergrämung der Gänse im Planungsgebiet nicht der Hauptschlüssel einer Problemlösung sein kann. · Die Gewährung von Ausgleichszulagen / bzw. Beihilfen folgt formalen Vorgaben. Eine EU - Kofinanzierung wäre nur bei langjähriger Flächenbindungen (5 Jahre) im Rahmen des Vertragsnaturschutzes (VNS) möglich. Programme für das Grünland erfahren trotz hoher administrativer Aufwendungen eine hohe Akzeptanz. Hier sollte geprüft werden, ob bei Vernässung des Grünlandes evtl. Maßnahmen einer verspäteten Grünlandnutzung (ähnlich vorgegebener Schnitttermine) zur Anwendung gelangen könnten. Dabei ergeben sich gleichzeitig Positiveffekte auf weitere Elemente der Flora und Fauna. Bei zielgerich- tetem Vorgehen ist der entsprechende Bedarf finanzieller Mittel überschaubar. · Weiter ist zu bemerken, dass vorstehende Vorschläge in Einzelfällen (Anlage von Äsungsflächen) einen Förderbeitrag über die Flächenstilllegung (EU-Flächenprämie) vorsehen. Für das Belassen von Ernterückständen für Ablenkflächen sollte eine finanziel- le Förderung über den FFH-Bereich (Gebiete mit umweltspezifischen Einschränkungen) ermöglicht werden. Bisher beinhalten entsprechende Fördervorgaben des EPLR des Landes allerdings keine Kriterien eines Gänsemanagements. Im Rahmenkonzept des Biosphärenreservats für den Bereich „Flusslandschaft Mittlere Elbe“ und der durch den Verordnungstext über die Festsetzung des Biosphärenreservats vorgesehenen „Leitlinien zur Landwirtschaft im Biosphärenreservat“ sollten entsprechende Massnahmen ange- sprochen werden. Auch hierbei wäre der notwendige Mittelbedarf ebenfalls moderat. · Zukünftige Agrarpolitische Entwicklungen in Richtung einer Umschichtung von Direktzah- lungen in den Umweltbereich könnten den Flächenanteil besonders gefährdeter Kulturen (Raps) senken. Andererseits würden sich erweiterte Spielräume für umweltschonende AEP Elbe 1 - Seite 180 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Maßnahmen der Landwirtschaft eröffnen, die über bestehende Verbote bzw. Einschrän- kungen der Anwendung von Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie der Bodenbearbei- tung hinausreichen und einer Schadenverhütung dienlich sein könnten. · Die aufgeführten Möglichkeiten führen insgesamt zu einer ausgewogeneren Lastenvertei- lung zwischen Landwirtschaft, Jagd und Umwelt. Bestehendes Konfliktpotenzial wird ent- sprechend gemindert, wobei die Hauptaktivitäten einer Schadenverhütung durch die Landwirtschaft und Jagd getragen werden.

Abstimmung und Zielfindung · Hier bedarf es der Festlegung der anzustrebenden Naturschutzziele und ihrer hierarchi- schen Einordnung. Dies ist von Interesse, weil allgemeine Naturschutzziele meist über Extensivierungsprozesse (verminderter Dünger- und PSM-Einsatz) in der Landwirtschaft umgesetzt werden. Diese Zielstellung ist auch dem Verordnungsentwurf für das Biosphä- renreservat „Flusslandschaft Mittlere Elbe“ zu entnehmen. In Bezug auf die Rastvögel wäre dies aber der falsche Weg, da Möglichkeiten eines Schadenausgleiches durch acker- und pflanzenbauliche Maßnahmen eingeschränkt werden. Dies ist auch für die Ablenkfütterung von Bedeutung, da insbesondere energie- und grünmassereiche Pflanzenbestände zur Verfügung gestellt werden müssen. Extensive Bestände werden nicht angeflogen.

Biologisch ökologische Grundlagen · Die Datenlage für das Planungsgebiet ist insofern unzureichend, als eine zusammenfas- sende Übersicht der Rastvogelbestände einschließlich ihrer örtlichen Verteilung über die Zeit und die beteiligten Bundesländer fehlt. Diese Daten sind notwendig, um den zeitli- chen Nahrungsbedarf der Vogelpopulation abzuschätzen und übergreifende Handlungen abzuleiten (z.B Umfang der Ablenkfütterung). · Die Einzelmaßnahmen des Managements bedürfen einer Überprüfung. Z. B. ist zu klä- ren, ob gezielt angelegte Ablenkfutterplätze die Schäden auf Produktionsschlägen tat- sächlich reduzieren und die Vögel weitgehend innerhalb des Planungsgebietes gehalten werden können. · Ergeben sich durch Naturschutzanforderungen bzw. die Erweiterung der Retentionsflä- chen Änderungen im Anbauspektrum bzw. in den Betriebsstrukturen, würden sich daraus auch Änderungen im Managementsystem ableiten. Methodische Probleme · Sie ergeben sich vordringlich bei einer Schadenbewertung und Erfassung. Eine einheitli- che Methodik der Bewertung ist unabdinglich, wenn sie als Grundlage finanzieller Aus- gleichsleistungen entsprechend der Anregungen 1 bis 4 dienen soll. Von Interesse ist weniger die Feststellung eines exakten Ertragsverlustes, als vielmehr die Gleichbehand- lung der einzelnen Schadensfälle. Dies kann nur über standardisierte methodische Vor- gaben erreicht werden, die gegenwärtig nicht zur Verfügung stehen. AEP Elbe 1 - Seite 181 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5 Siedlungsentwicklung und Infrastruktur

5.1 Ausgangssituation Siedlungsentwicklung und Infrastruktur sind maßgebliche Faktoren der ländlichen Regional- entwicklung und tragen entscheidend zur Lebensqualität in ländlichen Räumen bei. Auch innerhalb der AEP Elbe 1 haben diese kommunalpolitischen Themen neben dem agrarstruk- turellen Schwerpunkt einen besonderen Stellenwert.

5.1.1 Siedlungsstruktur Wie bereits in Kapitel 1 hergeleitet, handelt es sich beim Untersuchungsraum um einen peri- pheren ländlichen Raum mit einer sehr geringen Bevölkerungsdichte und einer dispersen Siedlungsstruktur. Diese Charakteristika bestimmen auch Siedlungsentwicklung sowie tech- nische und soziale Infrastruktur. Das Gebiet ist traditionell durch kleine bis mittelgroße Dörfer (v.a. Hufendörfer sowie auch Reihen-, Haufen- und Rundlingsdörfer)70, Streusiedlungen und Einzelgehöfte gekennzeichnet. Für die kleinen Siedlungsbereiche übernehmen die größeren Dörfer und die Städte im Untersuchungsraum zentrale Funktionen. Neben den zentralen Orten der Raumordnung71, also Osterburg und Havelberg sowie Seehausen, und Schönhausen zählen dazu auch Gemeinden wie Groß Garz, Krüden, Werben, Iden, Sandau, , Klietz oder Schollene. Diese Orte übernehmen nicht nur Versorgungsfunktionen für die kleineren Siedlungen; sie verfügen auch über weitere soziale Infrastruktur. Die Verteilung der Schulstandorte im Gebiet entspricht weit gehend dieser Zentrenstruktur. Tabelle 81: Schulstandorte im Untersuchungsraum

Ort Grundschule Sekundarschule Gymnasium Sonderschule Seehausen x x x Groß Garz x Krüden x Schönberg x Arneburg x (x)72 Werben x Iden x x Osterburg x x x x Havelberg x x x x Sandau x Klietz x x Kamern x Schönhausen x (x) Schollene x Quelle: Schulzielpläne des Landkreises Stendal bis 2004/2005

70 Vergleiche dazu die entsprechenden Kapitel in den beiden AVP sowie die verschiedenen Dorfer- neuerungskonzepte 71 Vergleiche die Planungsvorgaben (LEP, REP) im Kapitel 1 72 Nach den Zielplänen des Landkreises stellen die mit (x) gekennzeichneten Standorte „Auslaufende Beschulungsvarianten“ dar AEP Elbe 1 - Seite 182 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Die nachfolgende Karte gibt einen Überblick über die Schulstandorte und die zentralen Orte; gleichzeitig wird die Erschließung des Untersuchungsraums durch das Verkehrsnetz von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen dargestellt. Abbildung 16: Siedlungsstruktur und Verkehrsinfrastruktur

Quelle: eigene Darstellung nach Informationen des Landkreises Stendal AEP Elbe 1 - Seite 183 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.1.2 Verkehrsinfrastruktur Das in der Abbildung 14 abgebildete, übergeordnete Straßennetz wird ergänzt durch öffentli- che und private Gemeindestraßen, landwirtschaftliche Wege, Forst-, Rad- und Fußwege. Das System ländlicher Wege im Untersuchungsraum ist wenig vernetzt und größtenteils in schlechtem Zustand – trotz einiger Maßnahmen des ländlichen Wegebaus der letzten Jah- re73. Bei den übergeordneten Straßen befinden sich v.a. die Gemeindestraßen außerhalb der Ortslagen und die Landesstraßen bisher noch in weniger gutem Zustand, während bei den anderen Kategorien schon zahlreiche Ausbau- und Sanierungsmaßnahmen zu einer Ver- besserung des Straßennetzes beigetragen haben. Zukünftige Investitionen werden sich vor- aussichtlich – neben den Planungen gemäß LEP und REP (Verlängerung der Autobahn A 14, Brücke bei Havelberg, Ortsumfahrung Stendal) – auf den Bereich Arneburg konzentrie- ren, um die verkehrstechnische Erschließung des IGPA Niedergörne zu verbessern. Die Situation im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs wird von den Befragten der Region als ausreichend bezeichnet. Dabei sind die Interessen der weniger mobilen Bevölke- rungsgruppen (Alte, Sozialschwache, Alleinerziehende, Frauen, Kinder und Jugendliche) und Bewohner weiter abgelegener Siedlungsbereiche allerdings unterrepräsentiert. Der ÖPNV wird hauptsächlich durch den Busverkehr übernommen, wobei es eine enge Verzahnung mit den Schulbusrouten gibt. An den Schienenverkehr angebunden sind nur die Bereiche an

- der Strecke Wittenberge - Stendal - (Magdeburg) mit Halten in Geestgottberg, Seehau- sen und Osterburg

- der Strecke Wittenberge - Salzwedel mit Halten in Geestgottberg, Krüden und Groß Garz

- der Strecke Stendal - Rathenow - (Berlin) mit Halt in Schönhausen.

5.1.3 Technische Infrastruktur Im Bereich der technischen Infrastruktur ist die Ausstattung mit Erschließungsmedien unter- schiedlich. Elektro- und Telefonversorgung ist in allen Gemeinden gesichert - mit Ausnahme von einigen entfernt liegenden Siedlungsbereichen; größtenteils auch in Erdverkabelung und nicht mehr als Freileitung. Gasleitungen erschließen nur knapp die Hälfte der Gemeinden, oftmals wird von den Bewohnern auch Flüssiggasbehältern der Vorzug gegeben oder ganz auf dieses Medium verzichtet. Die Versorgung mit Trinkwasser ist fast überall gegeben, nur in wenigen Ortsteilen und Einzelgehöften ist die Selbstversorgung über Hauswasserwerke / Brunnen nötig. Nach Angaben der Trink- und Abwasserzweckverbände werden nahezu alle größeren Siedlungsbereiche bis 2004 angeschlossen sein. Anders ist die Situation im Bereich der Abwasserentsorgung. Im Teilraum I, also im Bereich des Wasserverbandes Stendal-Osterburg (WVSO) sind 23 Gemeinden vollständig ohne zentrale Abwassererschließung. Hinzu kommen Ortsteile und Einzellagen der anderen Ge- meinden. Im Teilraum II, der nahezu identisch mit dem Verbandsgebiet des Trink- und Ab- wasserzweckverbandes Havelberg (TAHV) ist, sind 11 Gemeinden ganz oder teilweise be- troffen, insgesamt sind 23 Ortsteile sowie etliche Einzelgehöfte ohne zentrale Entsorgung.

73 Nähere Ausführungen im Schwerpunkt Ländliches Wegesystem in diesem Kapitel AEP Elbe 1 - Seite 184 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Mehr als die Hälfte der Gemeinden ist also mit dem Problem der fehlenden zentralen Ab- wasserentsorgung konfrontiert. Da es sich vornehmlich um die kleineren Gemeinden bzw. Ortsteile und weniger um die Städte und zentralen Siedlungsbereiche handelt, entspricht dies etwa einem Drittel der Bevölkerung der Untersuchungsregion. Somit haben über 15.000 Einwohner nur die Möglichkeit der Abwasserentsorgung über Kleinkläranlagen und Sammel- gruben. Die vorhandenen dezentralen Einzellösungen entsprechen bis auf wenige Ausnah- men, die in den letzten Jahren neu errichtet oder nachgerüstet wurden, nicht den heutigen Standards. Nach gemeinschaftlichem Umweltrecht (EU-Wasserrahmenrichtlinie) ist das Land Sachsen-Anhalt verpflichtet, diese mangelhafte Situation bis 2006 zu klären.

5.1.4 Soziokulturelle Infrastruktur Die Ausstattung mit sozialen und kulturellen Einrichtungen ist ein entscheidender Faktor der Lebensqualität im ländlichen Raum. Die Versorgung mit soziokultureller Infrastruktur ist an- nähernd gleichwertig in der gesamten Untersuchungsregion. Es ist lediglich – auf Grund tra- ditioneller Strukturen und dem System zentraler Orte entsprechend – eine Konzentration der Infrastruktureinrichtungen (z.B. Schulstandorte), wie auch der Angebote im Bereich Gastro- nomie, Handel und Versorgung, in den größeren Städten erkennbar. Tabelle 80 fasst die Einrichtungen der soziokulturellen Infrastruktur zusammen.

Tabelle 82: Soziokulturelle Infrastruktur in den Verwaltungsgemeinschaften 2000/2001

VGem KITA´s Schulen Ju- Sport- Vereine Gastro- Handel (anteilig im AEP-Gebiet) gendc- stätten nomie lubs Seehausen 7 6 10 23 81 39 53 Arneburg-Krusemark 4 3 4 12 30 28 27 Mittlere Uchte 2 2 1 4 11 5 5 Osterburg 3 4 2 8 65 31 100 Schönhausen 1 3 3 9 29 23 34 Elb-Havel-Land 7 4 5 11 30 15 22 Havelberg 3 4 1 7 60 39 90 AEP-Gebiet 27 26 26 74 306 180 331 Quelle: eigene Erhebungen auf Grundlage der LOCALE-Konzepte

Neben den vorhandenen Infrastruktureinrichtungen wird das soziale und kulturelle Leben maßgeblich durch die Bewohner und ihre Aktivitäten bestimmt. Im Untersuchungsraum exis- tiert ein aktives Dorfgemeinschaftsleben mit vielfältigen sozialen Netzwerken. Ein Indikator dafür ist die hohe Anzahl von Vereinen, wobei die Freiwilligen Feuerwehren und die Jugend- abteilungen mit eingerechnet werden. Die Wehren stehen im Mittelpunkt des Dorflebens und sind zugleich eine feste Größe im Veranstaltungskalender. In jedem Dorf gibt es mehrere regelmäßige Veranstaltungen im Jahr; die Befragungen ergaben durchschnittlich 6 solcher kultureller Aktivitäten. Diese reichen von traditionellen Dorffesten über Oster- und Weih- nachtsfeiern bis zu touristischen Events. Zusammen mit den Kirchen und ihrer Arbeit oder mit den teilweise vorhandenen Heimatmuseen und verschiedenen Formen der Brauchtums- pflege sind diese Feste von großer Bedeutung für die regionale Identität und die Lebensqua- lität der Bewohner. AEP Elbe 1 - Seite 185 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.2 Analyse

5.2.1 Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung Die besonderen Charakteristika des Untersuchungsraums (disperse Siedlungsstruktur mit sehr geringer Bevölkerungsdichte) werden durch die derzeitige und zukünftige Bevölke- rungs- und Siedlungsentwicklung in ihren negativen Auswirkungen verschärft. Der Einwoh- nerrückgang infolge von Wanderungsverlusten und Geburtendefizit wird sich ohne entschei- dende externe Einflüsse – dies könnte beispielsweise die immer noch für möglich gehaltene Errichtung und erfolgreiche Positionierung des Internationalen Flughafens Berlin Internatio- nal bei Stendal sein – fortsetzen. So ist es durchaus vorstellbar, dass einige Siedlungsbereiche derart massive Einwohnerver- luste verzeichnen werden, dass neue Wüstungen entstehen werden74. Andererseits setzt sich der Trend zur Abwanderung aus städtischen Agglomerationen fort, verstärkt sich also auch die Tendenz der Zersiedlung und der Bedeutungs- und Steuereinnahmeverlust der Zentren. Diese Entwicklung ist auch bei den ländlichen Kleinstädten der AEP-Region zu ver- zeichnen, wo es in den letzten Jahren zu einem erhöhten Wanderungsverlust gekommen ist. Tabelle 83: Bevölkerungsentwicklung im Stadt-Land-Vergleich Gebiet 1993 2000 Veränderung real in % Gemeinden über 2.000 EW 23.254 21.052 -2.202 -9,47 Gemeinden unter 2.000 EW 23.567 22.597 -970 -4,12 AEP-Untersuchungsraum 46.821 43.649 -3.172 -6,77 Quelle: eigene Darstellung nach Angaben des Statistischen Landesamtes 2001

Abbildung 17: Bevölkerungsentwicklung im Stadt-Land-Vergleich Die Auswertung nach Größe Bevölkerungsentwicklung

Gemeinden über 2.000 EW Gemeinden unter 2.000 EW der Gemeinden ergibt, dass 30000 auch die Zentralen Orte der

27500 AEP-Region infolge des

25000 Suburbanisierungsprozesses

22500 Bevölkerung und Einnahmen an die Umlandgemeinden

Einwohner 20000 verlieren. Da im Falle Oster- 17500 burgs nur die östlichen Nach- 15000 1 2 3 4 5 6 7 8 bargemeinden im AEP-Raum Jahre erfasst sind, ist es wahr- scheinlich, dass ein Teil des Rückgangs im gesamten Untersuchungsraum mit einer Wanderung ehemaliger Osterburger vor die westlichen Stadttore zu erklären ist. Dies würde auch den in Kapitel 1 analysierten höheren Bevölkerungsschwund in der Altmärkischen Wische betreffen.

74 Diese Entwicklung könnte in ökologisch besonders wertvollen Räumen aus naturschutzfachlicher und regionalplanerischer Sicht eventuell durchaus gewollt sein. AEP Elbe 1 - Seite 186 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

In der nachfolgenden Abbildung der Bevölkerungsentwicklung in den einzelnen Gemeinden ist als weitere wichtige Detailinformation zu beachten, dass der extrem hohe Bevölkerungs- verlust in Aulosen mit der Verkleinerung des Auffanglagers für Russlanddeutsche zusam- menhängt75. Abbildung 18: Bevölkerungsentwicklung in den Gemeinden

Osterburg (Altmark), Stadt Havelberg, Stadt Seehausen (Altmark), Stadt Schönhausen (Elbe) Klietz Arneburg, Stadt Schollene Iden Sandau (Elbe), Stadt Werben, Stadt Groß Garz Krüden Kamern Fischbeck (Elbe) Schönberg Behrendorf Beuster Königsmark Walsleben Wulkau Nitzow Hohengöhren Geestgottberg Aulosen Lichterfelde Meseberg Hindenburg Neuermark-Lübars Düsedau Wahrenberg Pollitz Vehlgast-Kümmernitz Wendemark Gollensdorf Warnau Falkenberg Neukirchen Schönfeld Schwarzholz Sandauerholz Storkau (Elbe) Gemeinden nach Größe Kuhlhausen Jederitz Losenrade Garz Altenzaun Losse Wanzer -50,00 -40,00 -30,00 -20,00 -10,00 0,00 10,00 20,00 Veränderung in % Quelle: eigene Darstellung nach Angaben des Statistischen Landesamtes 2001

Welche Faktoren die positive Bevölkerungsentwicklung in den 12 „Gewinnergemeinden“ be- einflussten, ist unterschiedlich und lokal bedingt. Oftmals sind es Wanderungsgewinne aus den Nachbargemeinden, die wie in Arneburg z.B. mit der Sanierung und Revitalisierung der Altstadt oder wie in Nitzow und Hindenburg auch mit dem Angebot an Wohnbauflächen und einer erfolgreichen Dorfentwicklung der letzten Jahre zusammenhängen. Das Förderinstrument der Dorfentwicklung / Dorferneuerung hat in den vergangenen 12 Jah- ren ganz entscheidend zur gestalterischen Aufwertung und zur Erhöhung der Lebensqualität in den ländlichen Gemeinden der Region beigetragen. Sämtliche Dörfer und Ortsteile des Untersuchungsraums waren bzw. sind noch – in unterschiedlicher zeitlicher Staffelung – am Förderprogramm beteiligt. Von den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen wird die Dorfer- neuerung / Dorfentwicklung durchweg als das wichtigste Förderinstrumentarium angesehen und eine Fortsetzung – in welcher Form auch immer – gewünscht. Es hat sich als ein prag- matisches und effizientes Förderinstrument erwiesen, das nah an den Problemen der ländli- chen Bevölkerung ist. So konnten im kommunalen Bereich vorwiegend Infrastrukturinvestiti- onen (innerörtliche Straßen, Wege und Plätze; Freiraumgestaltung sowie Dorfgemein- schaftshäuser) und im privaten Bereich insbesondere bauliche Maßnahmen zur Gebäudesa- nierung, die wiederum zu einer höheren Lebensqualität und zu einer stärkeren regionalen Bindung und Bleibebereitschaft über das Eigentum führen, befördert werden.

75 Angabe aus LOCALE-Konzept VGem Seehausen 2000, S. 8 AEP Elbe 1 - Seite 187 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Diese vorwiegend baulich-gestalterischen Erfolge können jedoch nicht darüber hinwegtäu- schen, dass in den meisten Gemeinden noch immer schwierige Probleme auf eine Lösung warten. Das betrifft v.a. den Leerstand innerörtlicher Gebäudesubstanz. Die Sanierung und Nutzung bzw. Umnutzung von Gebäuden oder innerörtlichen Brachen ist nicht nur aus ge- stalterischer Sicht wünschenswert, sondern auch eng mit dem prioritären Ziel des Erhalts der Funktionsfähigkeit der Dörfer (Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohnraum) verbunden. Die Weiterentwicklung des Förderinstruments zur integrierten Dorfentwicklung im Rahmen der Richtlinie zur Entwicklung des ländlichen Raumes bietet dafür durchaus Voraussetzungen. Die leer stehende Bausubstanz stellt in der gesamten AEP-Region ein großes Problem der Siedlungsentwicklung dar. Dabei handelt es sich nicht nur um innerörtlich gelegene Wohn- gebäude und Gebäudeensemble, sondern auch um historisch wertvolle Bausubstanz wie Vierseithöfe in Einzellagen oder um ehemals agrarisch genutzte Altanlagen aus DDR-Zeiten im Außenbereich. Einige der Objekte wurden in den letzten Jahren saniert und verschiedenen Nutzungen zugeführt, für andere scheint der Rückbau mittlerweile die einzige Lösungsmöglichkeit zu sein. Diese Problematik bedarf dringend eines finanziellen Instrumentariums und eines integrierten Handlungsansatzes76. Abbildung 19: Leerstand von Bausubstanz Eine Analyse der Bauleitplanung der Gemeinden ergibt, dass eine Steuerung der Siedlungs- entwicklung mit den Instrumenten Flächennutzungs- und Bebauungsplanung durchaus an- gestrebt wird. Allerdings liegen Flächennutzungspläne nicht überall rechtsverbindlich ge- nehmigt vor, meistenteils handelt es sich dabei um angefangene Werke, die seit mehreren Jahren nicht weiter bearbeitet wurden. Gründe dafür sind i.d.R. Finanzierungsprobleme oder aufgetretene fachliche Komplikationen. Häufig hat sich aber auch die Notwendigkeit erübrigt, da die weniger dynamische Siedlungsentwicklung in vielen Orten keine Konfliktpotentiale hervorruft und somit auch kein Steuerungsinstrumente erforderlich macht. In den Flächennutzungsplänen sind zumeist Dorfgebiete dargestellt, womit der Entwicklung – auch aus Sicht der landwirtschaftlichen Produktion – Spielräume gegeben werden. Gewerbe- flächen beschränken sich – mit Ausnahme der größeren Gewerbegebiete77 – auf ehemalige landwirtschaftlich genutzte Anlagen. Dennoch muss festgestellt werden, dass die Planungen durchweg von Wachstum ausgehen und somit nicht der realen Entwicklung entsprechen. Gleiches gilt für die Bebauungspläne, die in einigen Gemeinden aufgestellt wurden. Nicht überall haben sich die Erwartungen erfüllt, so dass es einige Areale mit ungenutzem er- schlossenem Gewerbebauland oder Wohnbauland gibt. Eine Übersicht über die Bebauungs- pläne (bestätigt und unbestätigt) geben die Karten des Kartenteils der AEP.

76 Siehe dazu auch Kapitel 3 mit dem Leitprojekt Kompensationsflächenpool 77 Siehe dazu die Übersicht in Kapitel 6 AEP Elbe 1 - Seite 188 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.2.2 Verkehr und Technische Infrastruktur Die Analyse der Verkehrsinfrastruktur ergibt, dass der Untersuchungsraum noch immer nur unzureichend erschlossen ist – dies gilt sowohl für die überregionale Anbindung als auch für die kleinräumige Erschließung. Dies resultiert zum Großteil aus der naturräumlichen Lage an Elbe und Havel. Insbesondere die Elbe hat eine erhebliche Barrierewirkung; zwischen den Brücken in Wittenberge und Tangermünde existieren nur 3 Fähren. Der große Nachteil der Gierfähren besteht nicht unbedingt im Zeitverlust oder in den Fährkosten, sondern in der Unregelmäßigkeit der Überfahrt. Bei Dunkelheit78, Nebel oder Hochwasser ist keine Über- querung per Fähre mehr möglich. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch der große kulturhistorische und touristische Wert der bislang erhalten gebliebenen Fähren. Abbildung 20: Fähre in Sandau Trotz der zentralen Lage in Deutschland ist der Anschluss an das Bundesautobahnnetz mangelhaft. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass das Verkehrsaufkommen in der Region verhältnismäßig gering ist – ebenso wie die Verkehrsbelastung, die allerdings mit einer Realisierung der Autobahn im Gebiet steigen würde. Diese Umwandlung in einen ge- wöhnlichen Transitraum würde der Region auch den zumindest von einigen Touristen ge- schätzten Charme der Abgeschiedenheit79 nehmen. Auch im Schienenverkehr bestehen regionale Erschließungsdefizite. Von der Lage zwischen den beiden Bahnknotenpunkten Stendal und Wittenberge profitiert der Raum nur wenig; die Anbindung nach Berlin ist auf Grund der unattraktiven Verbindung ab Schönhausen mangel- haft. Die Aufgabe der Havelberger Strecke hat einen großen Einzugsbereich vom Schienen- system abgeschnitten; Havelberg ist nun nur über den Bahnhof Glöwen erreichbar. Die vom Land Sachsen-Anhalt zum Oktober 2002 abbestellte Zugverbindung von Salzwedel, über Arendsee nach Wittenberge wird für 1 Jahr als Modellversuch weitergeführt. Dieses kombi- nierte Bahn-Bus-Projekt sieht vor, den Einsatz des Beförderungsmittels vom aktuellen Bedarf abhängig zu machen. Bei größerem Fahrgastaufkommen sollen wie bislang Schienenfahr- zeuge eingesetzt werden, bei geringen Passagierzahlen hingegen soll ein Bus fahren. Unabhängig von diesem Modellversuch kann der Rückzug der Bahn aus der Fläche von Bussen nur ungenügend kompensiert werden, zumal auch diese durch die geringen Taktfre- quenzen keine Alternative zum Individualverkehr im ländlichen Raum darstellen.

78 nur die Fähre Sandau fährt in den Sommermonaten bis 24 Uhr 79 entsprechende Ergebnisse im Kapitel 6 AEP Elbe 1 - Seite 189 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Zu den Defiziten, die im Gegensatz zu den vorher genannten Problemen mit einer Agrar- strukturellen Entwicklungsplanung angegangen werden können, gehört die schlechte Er- schließung durch das ländliche Wegesystem. Eine im Verlauf der AEP durchgeführte Analy- se der Situation in der Region ergab, dass sowohl der Zustand, die Nutzbarkeit als auch die Vernetzung vieler Wege verbesserungswürdig ist. Zugleich aber wurde auch festgestellt, dass in den Verwaltungsgemeinschaften bisher keine brauchbaren konzeptionellen Überle- gungen zum Ausbau des Wegesystems existierten, vielerorts auch keine Angaben über die Eigentumsverhältnisse gemacht werden konnten. Weitere Probleme bestanden bei Rück- übertragungsansprüchen umgepflügter Wege und bei Fragen der Widmung, so dass die Er- stellung ländlicher Wegekonzepte als ein vordringliches Aufgabenfeld identifiziert wurde80. Im Bereich der technischen Infrastruktur lässt die Analyse der Ausgangssituation den Schluss zu, dass die Abwasserentsorgung das größte Defizit des Untersuchungsraums dar- stellt, während alle anderen Medien nur partiell Probleme bereiten. Da über die Hälfte der Gemeinden im AEP-Gebiet nach den Abwasserrahmenplänen der beiden zuständigen Zweckverbände bis 2015 nicht zentral erschlossen werden können, sind alternative Lösun- gen notwendig. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, aber auch die Beeinträchtigung der Umwelt- und Lebensqualität sowie die investitionshemmende Wirkung erfordern einen drin- genden Handlungsbedarf.

5.2.3 Soziokulturelle Infrastruktur und Lebensqualität Die Analyse der Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung hat gezeigt, dass sich die flächen- deckende Ausstattung mit notwendiger Infrastruktur immer schwerer aufrechterhalten lassen wird, zumal sich die derzeit noch günstige Altersstruktur in Zukunft immer einseitiger entwi- ckeln wird. Dies gilt für die gesamte Infrastruktur im ländlichen Raum, jedoch insbesondere für die sozialen und kulturellen Einrichtungen, da diese als erste von unzureichender Auslas- tung und Finanzierungskosten der Unterhaltung betroffen sein werden. Bisher ist der Untersuchungsraum ausreichend mit Einrichtungen der soziokulturellen Infra- struktur versorgt. Veränderungen der letzten Jahre konnten größtenteils kompensiert wer- den. So übernimmt beispielsweise seit langem schon die Fahrbücherei die Funktion stationä- rer Bibliotheken im ländlichen Raum. Im Gebiet gibt es einen modern ausgestatteten Bü- cherbus mit festen Fahrtrouten. Es ist sogar geplant einen mobilen Internetanschluß zu installieren, um so auch diesen Informationsbedarf in den Gemeinden zu befriedigen. Durch Übernahme weiter öffentlicher Funktionen kann der Bus schrittweise zu einem „Bürgermobil“ in den entlegenen Gebieten werden.

Abbildung 21: Fahrbücherei in Havelberg

80 Weitere Aussagen dazu im Punkt 5.5.4 und in den extern vorliegenden Wegekonzepten AEP Elbe 1 - Seite 190 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Auch im privatwirtschaftlichen Sektor sind Veränderungen der Versorgungskapazitäten zu erkennen; so ist der Trend zur Schließung zahlreicher Verkaufseinrichtungen auf den Dörfern offensichtlich. Von den Befragten wird dies jedoch nicht zwangsläufig als Qualitätsverlust gesehen, da an ihre Stelle „fliegende Händler“ mit festen Routen getreten sind. Absehbar ist, dass auch größere Orte und andere Bereiche von ähnlichen Entwicklungen erfasst werden. So stehen mit Post und Banken weitere Versorgungseinrichtungen vor einem Rück- zug aus der Fläche; im öffentlichen Sektor betrifft dies in erster Linie den Bildungsbereich. Die Sekundarschulen in Arneburg und Schönhausen z.B. werden geschlossen, selbst das Gymnasium in Havelberg steht zur Disposition. Abbildung 22: Verkauf in Düsedau

Am Beispiel Havelberg wird deutlich, welche Anschlußwirkungen die Aufgabe von Infrastruk- turen hat: è Schließung des Amtsgerichts, è Verlagerung des Grundbuchamtes, è Wegzug von Notaren, Anwälten und weiteren Beschäftigten, è Schließung des Gymnasiums, è Verlust kultureller Einrichtungen, è Abnahme der Lebensqualität und der touristischen Qualität, è Abbau weiterer weicher ökonomischer Standortfaktoren usw.. Dieses gewiss etwas überspitzte Szenario81 lässt sich in seiner Wirkungskette verallgemei- nern für den gesamten ländlichen Raum und den Erhalt der nötigen Infrastruktur. Gerade die soziokulturelle Infrastruktur im ländlichen Raum wird von einem fatalen Kreislauf aus:

- abnehmender Bevölkerung,

- fehlenden Nutzern und Einnahmen,

- zunehmenden Leerstand,

- sinkender Attraktivität und Lebensqualität

- und schließlich weiteren Einwohnerverlusten betroffen. Somit ist unbestritten, wie wichtig die soziokulturellen Infrastruktureinrichtungen für die Att- raktivität der ländlichen Gemeinden sind und wie notwendig Überlegungen zum effizienten und nachhaltigen Erhalt dieser Einrichtungen sind.

81 basierend auf einem Gespräch mit dem Bürgermeister von Havelberg, Juni 2001 AEP Elbe 1 - Seite 191 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.3 Leitbild Das Leitbild der Siedlungsentwicklung muss sich an den realen Veränderungen der Einwoh- nerzahl und Altersstruktur orientieren, so dass ein pragmatischer Umgang mit dem Schrump- fungsprozess erreicht wird und gleichzeitig die Entwicklungschancen für den attraktiven Le- bens- und Wirtschaftsraum der Elb-Havel-Region genutzt werden. Die Infrastruktur als wich- tiger Bestandteil der Lebensqualität im Untersuchungsraum muss als Grundversorgung er- halten und durch innovative Lösungen bedarfsgerecht ausgebaut werden.

5.4 Leitlinien und Handlungsempfehlungen Diesem Leitbild für die AEP-Region folgend und ausgehend von den analytischen Betrach- tungen im Bereich Siedlungsentwicklung und Infrastruktur werden die folgenden Leitlinien und Handlungsempfehlungen formuliert:

- Der Schrumpfungsprozess muss regional- und kommunalpolitisch akzeptiert und konzep- tionell begleitet werden, damit die Veränderungen – z.B. in der Altersstruktur – berück- sichtigt und als Chancen für die zukünftige Entwicklung des Gebiets genutzt werden kön- nen. Die Sicherung der Lebensqualität ist dabei eine Grundvoraussetzung um die länd- lich-periphere Region als Lebensraum für bestehende und neue Bevölkerungsgruppen attraktiv zu gestalten. So könnte die Region durchaus auch für Pensionäre und junge Kreative aus Ballungsräumen interessant sein, wenn die infrastrukturellen Rahmenbe- dingungen stimmen.

- Mit der Infrastruktur müssen die Voraussetzungen für die Besiedlung des Gebiets ge- schaffen werden (Zuwegung) und Investitionshemmnisse durch bedarfsgerechte und in- novative Lösungen (Abwasser) abgebaut werden. Für die Soziokulturelle Infrastruktur muss ein Erhalt des bestehenden Versorgungsniveaus erreicht werden. Möglichkeiten dafür bieten sich in einer effizienteren (Mehrfach-)Nutzung durch interkommunale Koope- ration, in einer bedarfsgerechten Umorientierung sowie durch mehr privates Engagement (vom Sponsoring bis zum Ehrenamt).

- Für den Leerstand unterschiedlichster Art müssen integrierte Lösungen gefunden wer- den, vom Abriss und Entsiegelung der Agraraltanlagen bis zur Sanierung und Wieder- /Umnutzung von historischer Bausubstanz. Gerade in letzterem bestehen Potenziale zur Ansiedlung neuer Bevölkerungsgruppen und zur Bildung von Eigentum in der Region. Si- cher müssen dabei auch die möglichen Probleme, wie verwaiste Zweitwohnsitze oder Überfremdung der alteingesessenen Bevölkerung berücksichtigt werden. Dennoch bieten die spezielle touristische Attraktivität der Region und die Möglichkeiten der Informations- gesellschaft zahlreiche Potenziale, die es zu nutzen gilt. Aus den Handlungsempfehlungen können demnach als Schwerpunkte identifiziert werden:

- Verbesserung der Lebensqualität und Erhalt der Soziokulturellen Infrastruktur

- Innovative Lösungen für die dezentrale Abwasserentsorgung

- Strategischer Umgang mit Bevölkerungsentwicklung und Bausubstanz / Leerstand

- Verbesserung des ländlichen Wegesystems AEP Elbe 1 - Seite 192 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.5 Maßnahmen

5.5.1 Projekte zur Verbesserung der Lebensqualität 5.5.1.1 Ansatz und Handlungsfelder Zu den wesentlichen Aufgaben in der integrierten ländlichen Regionalentwicklung gehört der Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum. Der weitgefasste Beg- riff der Lebensqualität wird von verschiedenen Faktoren bestimmt:

- gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen (politische Stimmung, wirtschaftliche La- ge, kulturelle Ereignisse, Zukunftsperspektiven)

- Arbeitsfunktion (Beschäftigung, Einkommen, Arbeits- und Ausbildungsplatzangebot, Pendelbeziehungen)

- Wohnfunktion (Wohnsituation, Wohnstandards, Bauzustand)

- Freizeit- und Erholungsfunktion (naturräumliche Lage, klimatische Bedingungen, Um- weltsituation, Rekreationsmöglichkeiten)

- lokales Gemeinschaftsleben (Dorfleben, regionale Identität, Brauchtum und Tradition, Integration und Toleranz)

- Infrastrukturelle Ausstattung (Verkehr, Erschließung, soziokulturelle und versorgungs- technische Ausstattung). Mit der vorliegenden Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung soll sich in diesem Maßnah- menpaket auf die Ausstattung mit soziokultureller Infrastruktur konzentriert werden, da diese in der Analyse als wichtiges Handlungsfeld identifiziert wurde. 5.5.1.2 Projekte und Umsetzung Aus der Befragung und der nachfolgenden Problemanalyse ist im Bereich der soziokulturel- len Infrastruktur in erster Linie das Problem der Jugendbetreuung hervorgegangen. Dies wurde in jenen Gemeinden festgestellt, die zwar über Einrichtungen für Jugendliche verfü- gen, aber die Betreuung nicht kontinuierlich, sondern nur über befristete ABM-Kräfte organi- sieren. Die Qualität hängt fraglos von der persönlichen Eignung der betreuenden Menschen ab. In der Regel scheint dieses Modell jedoch nicht die gewünschten Erfolge zu zeigen und ist aufgrund der Abhängigkeit von der Arbeitsmarktförderung nicht sehr zukunftsfähig. An- ders verhält es sich in zahlreichen Gemeinden im Teilraum II, in denen die Jugendarbeit von einem Verein aus Havelberg übernommen wird. Alle Befragten zeigten sich sehr zufrieden mit der Betreuung der Jugendclubs und sonstigen Aktivitäten des Vereins. Da die Kosten dieses Betreuungsmodells für die Gemeinden sogar etwas geringer sind, scheint es ratsam über eine Ausdehnung des Erfolgsmodells in andere Gemeinden nachzudenken. Ob dabei die Havelberger Einrichtung ihren Wirkungsbereich erweitern kann oder vergleichbare Träger im Teilraum I gefunden bzw. neu etabliert werden, muss eine eventuelle Umsetzungsphase des Projekts zeigen. Jedenfalls scheint dieser innerregionale Erfahrungstransfer geeignet, um bestehende Defizite abzubauen und die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen, aber auch von alleinerziehenden Frauen und jungen Familien zu verbessern. Die stärkere Einbeziehung von privaten Initiativen ist generell anzustreben, um den Erhalt bzw. bedarfsgerechten Ausbau soziokultureller Infrastruktur realisieren zu können. Ein weite- AEP Elbe 1 - Seite 193 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes res Beispiel dafür sind die weitgehend privat initiierten Bemühungen um die Gründung einer Schule mit Internat für Hochbegabte „Nova Scola“ in Seehausen. Diese Idee wird seit länge- rem von engagierten Privatpersonen (z.B. von der Fachhochschule Stendal-Magdeburg) in Kooperation mit der Stadt und der Verwaltungsgemeinschaft Seehausen verfolgt. Das Kon- zept steht; als Räumlichkeiten kommt ein innerstädtisches Ensemble leerstehender histori- scher Bausubstanz in Betracht. Doch obwohl das ambitionierte Vorhaben auch als LOCALE- Projekt Aufnahme gefunden hat, ist es bisher nicht gelungen, die nötige Förderung zur Rea- lisierung zu erlangen. Dieses Projekt des inzwischen gegründeten Vereins wäre bei erfolg- reicher Umsetzung sicherlich ein Gewinn für die gesamte Region mit Auswirkungen, die weit über soziale oder kulturelle Belange hinausgingen. Als drittes Beispiel wie privates Engagement82 zur Verbesserung der Lebensqualität im Hin- blick auf soziokulturelle Infrastruktur beitragen kann, soll hier auf ein neues Kulturangebot hingewiesen werden. Die im Jahre 2002 erstmalig veranstaltete „KulTourspur Wische“ ver- band verschiedene Orte von der Dorfkirche bis zum Biolandhof in der Altmärkischen Wische mit einer Kulturkarawane. Dieses Ereignis wurde vollkommen privat initiiert und finanziert – bei freiem Eintritt für die Besucher. Die hoffnungsvollen Ansätze sollten fortgesetzt und un- terstützt werden, so dass weitere derartige Potentiale in der Region genutzt werden können. Vorstellbar ist die Öffnung der historischen Dorfkirchen für die Organisation eines Kultur- sommers oder eine Veranstaltungsreihe mit klassischen Konzerten auf den zahlreichen Gutshöfen und Herrenhäuser der Region. Dies hätte neben einer interessanten Bereiche- rung des kulturellen Angebots für die Bewohner gleichzeitig große touristische Anziehungs- kraft. Letztendlich soll in diesem Maßnahmenschwerpunkt auch ein Projekt der Koordinierungs- stelle der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Zusammenarbeit im Elbetal erwähnt wer- den. Es handelt sich dabei um einen Wettbewerb zum schönsten Bauernhof im Biosphären- reservat, der entsprechende Anreize zur Pflege der Gebäudeensemble geben soll83. Positi- ve Effekte können auch hierbei nicht nur in Bezug auf die touristische Außenwirkung, son- dern auch in Form einer indirekten Steigerung der Lebensqualität und Erhöhung der regiona- len Identität erzielt werden. All diese kleineren Projekte tragen in ihrer Wirkung auf die soziokulturelle Infrastruktur zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum bei. Wie in der oben hergeleiteten Vielfältigkeit des Begriffes Lebensqualität angedeutet, fließen aber in dieses wesentliche Ziel ländlicher Regionalentwicklung eine Reihe weiterer Faktoren ein. So sind natürlich auch die nachfolgenden Leitprojekte aus den Handlungsfeldern Technische Infrastruktur, Verkehr und Siedlungsentwicklung entscheidende Elemente zur Verbesserung der Lebensqualität.

82 die Bedeutung der Privatinitiative vom Sponsoring bis zum Ehrenamt wurde auch auf der Konferenz „Der ländliche Raum zwischen Schrumpfung und Entwicklung“ im Juni 2002 in Wittenberge herausge- stellt 83 ein ähnliches Projekt existiert im benachbarten Landkreis (Wettbewerb des schönsten bäu- erlichen Vorgartens) AEP Elbe 1 - Seite 194 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.5.2 Leitprojekt „Innovative dezentrale Abwasserentsorgung“ 5.5.2.1 Ansatz Die Problemanalyse der AEP Elbe 1 und deren Diskussion im regionalen Arbeitskreis erga- ben im Bereich Siedlungsentwicklung und Infrastruktur einen dringenden Handlungsbedarf für die Abwasserproblematik. Wie in der Analyse beschrieben, müssen in den zahlreichen Siedlungsbereichen, die nicht an die zentrale Abwasserentsorgung angeschlossen sind und in näherer Zukunft auch nicht werden, innovative Lösungen für die dezentrale Abwasserbe- handlung gefunden werden. Dies gilt für beide Teilräume gleichermaßen, dennoch wurde sich mit diesem Maßnahmeschwerpunkt der AEP Elbe 1 auf den rechtselbischen Bereich konzentriert. Grund dafür waren höhere Realisierungschancen, die sich infolge aktueller förderpolitischer Entwicklungen ergaben. Für den Teilraum II eröffnete sich im Frühjahr 2002 die Chance, mit den regionalen Akteuren im Verbandsgebiet des Trink- und Abwasserzweckverbandes Ha- velberg (TAHV) eine Entwicklungsstrategie gerade für die drängende Abwasserproblematik zu erarbeiten. Dies geschah innerhalb des Wettbewerbs für die EU-Gemeinschaftsinitiative LEADER+, die Lokale Aktionsgruppen (LAG) in den ländlichen Regionen Europas dazu ani- miert, integrierte Entwicklungskonzepte für ihre Gebiete zu entwickeln und umzusetzen. Mit dem TAHV, Vereinen, Firmen und Vertretern der Verwaltung fand sich eine engagierte Loka- le Aktionsgruppe, die mit Unterstützung der Bearbeiter der AEP Elbe 1 die Abwasserthema- tik zum zentralen Leitthema einer innovativen Entwicklungskonzeption machte. Daraus sol- len hier die wichtigsten Gedanken vorgestellt werden.84 Die Integrierte Entwicklungsstrategie für das Gebiet zwischen Elbe und Havel wurde in ei- nem offenen und konstruktiven Diskussionsprozess erarbeitet. Der Prozess verlief aufgrund der anspruchsvollen Zeitvorgaben sehr ergebnisorientiert. Den entscheidenden Impuls gab der aus verschiedenen Gründen abgelehnte LEADER+-Antrag der LAG für die gesamte Alt- mark vom Mai 2001. Nach dessen Ablehnung suchten die dort beteiligten Akteure aus dem Gebiet zwischen Elbe und Havel nach den Entwicklungsmöglichkeiten ihrer Region. Eine Diskussionsrunde über die regionale Entwicklung führte zur dargestellten Thesenformu- lierung und zur Identifikation der Abwasserproblematik als Engpassfaktor und brisantes Handlungsfeld. Unterstützt wurde diese Zielrichtung durch die vorläufigen Untersuchungser- gebnisse der AEP Elbe 1. Dementsprechend konnten auch nützliche Daten aus der AEP in die Bestandsanalyse - genauso wie Daten des TAHV zur Erschließungssituation - bei der Erarbeitung der Entwicklungsstrategie integriert werden. Der entwickelte Handlungsansatz im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative LEADER + verfolgt daher das nachstehende regionale Entwicklungsziel als übergeordnetes Thema:

Verbesserung der Lebensqualität in den ländlichen Siedlungsbereichen der Region durch Umsetzung innovativer Lösungen zum Abbau von Engpassfaktoren kommunaler Entwick- lung unter besonderer Berücksichtigung von gemeinschaftlichen Umweltqualitätszielen

84 das gesamte Konzept kann auf Wunsch bereitgestellt werden AEP Elbe 1 - Seite 195 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Dieses regionale Leitthema lässt sich in die drei folgenden, kohärenten Leitziele unterteilen:

- Verbesserung der Lebensqualität in ländlichen Gebieten

- Verbesserung der Umweltqualität und Umweltbildung in NATURA 2000-Gebieten

- Förderung von Innovation und Abbau von Investitionshemmnissen

1. Verbesserung der Lebensqualität in ländlichen Gebieten Die Lebensbedingungen der Bewohner in der LEADER+-Antrags-Region hängen unmittelbar mit der öffentlichen und privaten Infrastruktur zusammen. Insbesondere eine moderne und effektive Entsorgung des kommunalen Abwassers trägt zu einer Steigerung des Ausstat- tungsniveaus bei und sorgt für eine Erhöhung der Lebensqualität eines jeden einzelnen. Da- durch werden nicht nur die Lebensbedingungen in einem benachteiligten ländlichen Raum an das bundesdeutsche Ausstattungsniveau angepasst, sondern zugleich erhebliche Sorgen und Zukunftsängste beseitigt, da die derzeitige „ungeklärte“ Situation durch Unsicherheit und allgemeine Informationsdefizite geprägt ist. Auf Grund der komplexen Problematik, die schließlich auch dafür verantwortlich zeichnet, dass die Abwasserentsorgung noch immer einer optimalen Lösung harrt, benötigen die Men- schen vor Ort fachliche, organisatorische und finanzielle Hilfestellung. Nicht zu vernachlässi- gen ist, dass darin auch politische und soziale Komponenten enthalten sind: Eine konstrukti- ve Problemlösung wird das Vertrauen in Gesetzgebung und Verwaltung stärken, zugleich mehr Akzeptanz gegenüber politischen Zielsetzungen schaffen. Eine gemeinsame Herange- hensweise soll dafür sorgen, dass sowohl bei Bewohnern als auch regionalen Unternehmen Kooperation und Netzwerkarbeit bis hin zum zivilgesellschaftlichen Engagement befördert wird.

2. Verbesserung der Umweltqualität und Umweltbildung in NATURA 2000-Gebieten Ein zweites Ziel, das mit der Klärung der Abwassersituation verfolgt wird, ist der Abbau von Umweltbeeinträchtigungen in einem sensiblen Naturraum, der zu großen Teilen aus NATURA 2000-Gebieten besteht. Die umweltgerechte Abwasserentsorgung wird effektiv zu einer Verbesserung der Wasserqualität führen, zugleich sind neue Kleinbiotope, ein geringe- rer Schadstoffeintrag in den Boden und ein sinkendes Verkehrsaufkommen zu erwarten. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die positive Sensibilisierung der Menschen vor Ort für die Bedürfnisse der Umwelt und die Zielstellungen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik. Nur durch aktive und konstruktive Unterstützung kann eine Akzeptanz gegenüber der Umweltpo- litik erreicht werden, die sonst nur als negative Einflußnahme auf den Status quo der Men- schen vor Ort wahrgenommen wird. Gerade die Umsetzung der EU–Wasserrahmenrichtlinie in den nächsten Jahren kann nur durch eine solche Kooperation konfliktfrei betrieben wer- den, zumal das Umweltamt des Landkreises durch den unverhältnismäßig großen Aufwand an seine Kapazitätsgrenzen stoßen wird. Große Potenziale bestehen im Zusammenhang mit der Umsetzung innovativer Abwasserlö- sungen für die Umweltbildung. Gerade im Biosphärenreservat mit den bereits bestehenden Ansätzen kann eine solche Art der Modellregion für umweltgerechte Abwasserentsorgung große Effekte nach sich ziehen. AEP Elbe 1 - Seite 196 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

3. Förderung von Innovation und Abbau von Investitionshemmnissen Als drittes Leitziel ist der positive Einfluss der integrierten Entwicklungsstrategie auf die wirt- schaftliche Entwicklung zu sehen. Durch Beratung, Organisationsleistungen und Know-How- Transfer soll eine gezielte Förderung regionaler Unternehmensinnovation erreicht werden. Die regionalen Firmen aus der seit einiger Zeit konjunkturell stark betroffenen Baubranche sollen so befähigt werden einen Zukunftsmarkt innerhalb und auch außerhalb der Region bedienen zu können. Für die wirtschaftliche Entwicklung ganz wesentlich ist der Abbau von Entwicklungshemm- nissen, die mit der unbefriedigenden Abwassersituation verbunden sind. Dies betrifft sowohl die kommunale Entwicklung als auch private Investitionen. Zukünftig sollen dringend benötig- te Investitionen, die beispielsweise der Verbesserung der touristischen Infrastruktur dienen, nicht an den finanziellen oder baurechtlichen Engpässen aus der Abwasserproblematik scheitern. 5.5.2.2 Handlungsfelder Die innerhalb der LEADER+-Region entwickelte Strategie mit ihren 3 wesentlichen Leitzielen zeigt, dass die Abwasserentsorgung ein Kernproblem der regionalen Entwicklung in diesem ländlichen Raum ist. Eine eigenständige Änderung dieser unbefriedigenden Situation ist in nächster Zeit unwahrscheinlich, da der Arbeitsaufwand überfordert und private Investitionen derzeit keine finanzielle Unterstützung finden. Dabei kann mit innovativen Lösungen der Abwasserproblematik nicht nur sektoral Abhilfe geschaffen werden, sondern vielmehr wirkt die Entwicklungsstrategie integriert auf die ver- schiedensten Handlungsfelder ländlicher Entwicklung ein. Zudem bedarf die Komplexität der Thematik auch einer vielschichtigen Betrachtungsweise. Deshalb soll sich diese pilothafte Strategie explizit auf das Thema Abwasser und dessen regionale Effekte konzentrieren. Ein Blick auf einige Daten des Trink- und Abwasserzweckverbandes Havelberg (TAHV) zeigt, dass die zentrale Erschließung für diese Region keine Entwicklungsperspektive dar- stellt. Bedenkt man zudem die Bestandsanalyse im Bereich Siedlungsstruktur und Bevölke- rungsentwicklung wird offensichtlich, in welcher ungünstigen Situation der Verband bzw. die Region und deren Bewohner sind. Anzahl Orte und Ortsteile des Verbandes 41 Einwohner im Einzugsgebiet (30.06.01) 18.333 Einwohner durchschnittliche Besiedlungsdichte 36 Einwohner/km² Anzahl Sammelgrube (SG) 1300 Stück Anzahl Kleinkläranlage (KKA) 380 Stück

Weit über die Hälfte der Orte und Ortsteile des Verbandes sind nicht zentral erschlossen und werden in den nächsten 15 Jahren auch nicht an das zentrale Netz angeschlossen werden können. Nach Aussage des Generalentwässerungskonzepts des Verbandes handelt es sich dabei zumeist um 28 kleinere, weit verstreut liegende Ortsteile aber auch größere Gemein- den – zumeist abseits der B 107 in Havelnähe gelegen. Die nachfolgende Karte ermöglicht einen genauen Überblick.

AEP Elbe 1 - Seite 197 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Abbildung 23 : Karte der Siedlungsbereiche ohne zentrale Erschließung bis 2014

LEADER+-Gebiet zwischen Elbe und Havel

Quelle: eigene Darstellung nach Angaben des Generalentwässerungskonzepts (TAHV 1999) Da nicht nur die Bewohner der aufgelisteten Siedlungsbereiche ohne zentrale Erschließung leben, sondern auch in den anderen Orten und Ortsteilen Siedlungsabwasser partiell dezen- tral entsorgt wird, betrifft die Abwasserproblematik über ein Drittel der Bewohner direkt. AEP Elbe 1 - Seite 198 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.5.2.3 Umsetzung Die oben genannten Fakten zeigen aus fachlicher Sicht die Notwendigkeit, innovative dezen- trale Lösungen für die Abwasserentsorgung zu finden. Die Bedeutung für die Lebensqualität und für die wirtschaftliche Entwicklung wurde in der Herleitung der Strategie nachgewiesen. Und nicht zuletzt hat die Ensorgungsthematik auch immense Bedeutung für die Akzeptanz gemeinschaftlicher Umweltpolitik – gerade im Hinblick auf die aktuellen Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie der EU. Durch diese komplexe und integrierte Zielstellung ist keine bestehende Institution der administrativen, politischen oder privaten Ebene in der Lage, die geforderte Funktion zu erfüllen. Trotz großen persönlichen Engagements und fachlicher Kompetenz der verantwortlichen Akteure bedarf es angesichts der Aufgabenfülle und – vielfalt eines Externen mit persönlichen und finanziellen Kapazitäten und umfassender Kom- petenz in allen genannten Bereichen. Deshalb kommt die größte Bedeutung bei der Realisie- rung der Entwicklungsstrategie einem umfassenden Management zu. Leitprojekt Management Das Management ist somit als das prioritäre Leitprojekt anzusehen. Dabei ist es nicht, wie in herkömmlichen regionalen Entwicklungskonzepten auf die Umsetzung von einzelnen Projek- ten beschränkt. Vielmehr stellt es in seiner Wirkung von der Information und Sensibilisierung bis zum Know-How-Transfer die Entwicklungsstrategie selbst dar. Das LEADER+- Management muss also äußerst umfassend angelegt sein, nicht nur in den beschriebenen Kompetenzen, sondern auch in den verschiedenen Aufgabenbereichen. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die herausragenden Anforderungen und die Schnittstellenfunktion des Managements.

Abbildung 24: Managementfunktion

Lebensqualität Umweltqualität, -bildung Innovationsförderung (Soziale Zielstellung) (Ökologische Zielstellung) (Ökonomische Zielstellung)

Dezentrale Abwasserentsorgung innovative und effektive Lösungen

umfassende Kompetenzen LEADER+-MANAGEMENT umfassende Aufgaben

Prozessmanagement Projektmanagement Innovationsmanagement (Information, Sensibilisierung) (Organisation, Umsetzung) (Know-How-Transfer, Marketing)

Quelle: eigene Darstellung AEP Elbe 1 - Seite 199 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Die vielschichtigen Aufgaben lassen sich in drei Bereiche einteilen:

- Prozessmanagement

- Projektmanagement

- Innovationsmanagement

Das Prozessmanagement beinhaltet das Informationsmanagement, insbesondere die Sensi- bilisierung und Mobilisierung der Bewohner. Es wird ein öffentlichkeitswirksamer Prozess initiiert und organisiert, die Lokale Aktionsgruppe in ihrer Arbeit unterstützt, so dass es zur Auswahl und Realisierung von Projekten kommt. Das Projektmanagement begleitet und steuert die Umsetzung der Vorhaben, von der Idee über die Finanzierung bis zur dauerhaften Inbetriebnahme. Es umfasst dabei die direkte Ak- teursbetreuung sowie die vertragliche, finanzielle und fachliche Problemlösung. Als Innovationsmanagement soll schließlich der Aufgabenbereich zusammengefasst werden, der sowohl die Projektträger als auch die regionalen Firmen als eventuelle Auftragnehmer über den aktuellen Stand der Möglichkeiten informiert. Dieser Know-How-Transfer soll aber nicht nur in eine Richtung fließen, sondern soll im Verlauf der Realisierung der Entwicklungs- strategie aus der Region hinausgehen. Ziel ist es mit den Ergebnissen und Erfahrungen des LEADER+-Gebietes als Modellregion für umweltgerechte, dezentrale Abwasserentsorgung auch aktives Regionalmarketing zu betreiben.

Leitprojekt Sensibilisierung Aus dem Management, insbesondere dem Prozessmanagement heraus erfolgt die Sensibili- sierung der Bewohner für den persönlichen Handlungsbedarf, mithin für die ökologischen Anforderungen in ihrem Naturraum. Damit wird eine Akzeptanzsteigerung der Umwelt- schutzbemühungen von unten erreicht. Dieser eher „weiche“ Projektansatz hat durchaus harte Fronten zu durchbrechen, da die Menschen vor Ort Umweltpolitik in der Vergangenheit vielfach als Reglementierung von oben wahrgenommen haben. Mit der LEADER+-Strategie besteht dabei erstmals die Chance den Bürger direkt zu erreichen und ein konstruktives Mit- einander zu etablieren, dass den beiden Interessen Lebensqualität und Umweltqualität ge- recht wird. So sollte den Bürgern nicht einfach ein Bescheid ins Haus flattern, der sie zur Sanierung ihrer Entsorgungsanlagen auffordert und dabei viele finanziell und organisatorisch überfor- dert. Ziel ist stattdessen, einen Info-Letter an die Haushalte zu verteilen, der die größten Wissensdefizite beseitigen hilft und einen Prozess initiiert, der über Workshops, Fachvorträ- ge und Praxisseminare weitergeführt wird. Vorstellbar sind auch Exkursionen in bereits be- stehende Modellregionen (Weserbergland, Oberlausitz, Biosphärenreservat Rhön). Selbstverständlich ist dabei eine enge Zusammenarbeit zwischen Management, LAG und anderen wichtigen Akteuren, Institutionen und Prozessen in der Region, so dass keine Kon- kurrenzen entstehen, sondern bewährte Strukturen genutzt werden. Angestrebt wird über- dies eine Kooperation mit einer wissenschaftlichen Forschungseinrichtung, wie dem Fachbe- reich / Institut für Wasserwirtschaft an der FH Magdeburg-Stendal oder der TU Berlin. AEP Elbe 1 - Seite 200 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Leitprojekt Innovation Dieses Leitprojekt beschäftigt sich explizit mit dem größten Wissensdefizit in der Region, es sorgt in Fortsetzung der Sensibilisierung für den fachlichen und rechtlichen Input. Es umfasst neben der eben beschriebenen Information der Bewohner auch den Know-How-Transfer an die regionalen Unternehmen über Instrumente wie Workshops, Vorträge und Exkursionen. Dabei geht es zunächst um die technischen Möglichkeiten, also um die auf dem Markt und in der wissenschaftlichen Forschung existierenden dezentralen Abwasserentsorgungssysteme. Moderne Kläranlagen sind grundsätzlich in zwei Gruppen zu unterscheiden:

- Naturnahe Anlagen

- Anlagen mit hoher technischer Ausstattung. Zu den derzeit verbreitetsten dezentralen Anlagen bzw. Verfahren zählen:

- Abwasserteichanlagen

- Pflanzenkläranlagen

- Scheibentauchkörperanlagen

- Festbettanlagen

- Anlagen mit aerobem Wirbelbett

- Belebtschlammanlagen

- Mikrofiltrationsanlagen

- Tropf- und Tauchkörperverfahren

- Sandfiltergräben Die beiden bekanntesten Anlagen zur dezentralen Entsorgung von Siedlungsabwasser sind die seit Jahrzehnten bewährten Teichanlagen und die neueren Pflanzenkläranlagen, welche durch verschiedene Vor- und Nachteile gekennzeichnet sind. Abwasserteichanlagen, auch Oxidationsteichanlagen beruhen auf dem Wirkungsprinzip des Sauerstoffeintrags an der großen Teichoberfläche. Sie zeichnen sich durch einen hohen öko- logischen Wert, große Robustheit sowie niedrige Bau- und Betriebskosten (zumeist ohne Fremdenergie) aus. Sie verfügen über ein hohes Puffervermögen und können Schwankun- gen des Zulaufs in Qualität und Quantität zuverlässiger ausgleichen. Pflanzenkläranlagen (auch Wurzelraumkläranlagen oder Phytofilt-Anlagen) in verschiedenen Ausführungen (Bodenfilter, Vertikalfilter oder Horizontalfilter; nicht bindige Böden oder hu- mose Böden) haben ein niedrigeres Puffervermögen. Etwas höheren Betriebs- und Herstel- lungskosten stehen eine hohe Reinigungsleistung, ein geringer Flächenbedarf und ein sehr hoher ökologischer Wert gegenüber. Generell kann festgestellt werden, dass dezentrale Anlagen dank ihrer Reinigungsleistung, Bau- und Betriebskosten zu einer gleichwertigen Alternative zur zentralen Entsorgung im ländlichen Raum geworden sind – sofern sie nicht der überregionalen Abwasserbeseiti- gungsplanung widersprechen.

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Entscheidend ist, dass die Varianten den Anforderungen vor Ort entsprechend ausgewählt und angepasst werden, um die beste Leistungsfähigkeit zu erreichen. Dazu ist die Fachkom- petenz eines unabhängigen Beraters notwendig. Das Management hat dabei auch den zwei- ten weitaus komplizierteren Teil des Innovationstransfers zu bewältigen: Die rechtliche Di- mension einer effektiven Organisation einer dezentralen Entsorgung. Entsprechend der Entwicklungsstrategie wird angestrebt, eine umweltgerechte dezentrale Abwasserentsorgung nicht nur individuell, sondern vornehmlich in Gemeinschaft zu beför- dern. Das heißt, mit Hilfe des Managements sollen Zusammenschlüsse mehrerer Nutzer zu einer Orts- bzw. Kleinkläranlage organisiert werden. In der Praxis haben sich dabei ver- schiedene Varianten bewährt; sie reichen vom Zusammenschluss einzelner Nachbarn über die gemeinsame Entsorgung einer kleinen Streusiedlung bis hin zum Zusammenschluss mehrerer Gemeinden. Organisiert werden muss der Bau der Entwässerungsleitungen (nicht zwingend im Straßenraum und beispielsweise auch über Vakuumsysteme möglich), die Auswahl, der Bau, der Betrieb und die Wartung der biologischen Kleinkläranlage sowie die rechtliche Regelung. Dafür existieren ebenso bereits praktische Erfahrungen; die rechtliche Organisation ist möglich über:

- einen eingetragen Verein (z.B. Schurtannen, Baden-Württemberg),

- eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (z.B. Avendshausen, Niedersachsen),

- eine eingetragene Genossenschaft (z.B. Oberlausitz, Sachsen)

- oder in Verantwortung der Gemeinde selbst (Bayern).

Leitprojekte Pilotanlagen Im Ergebnis der eben beschriebenen drei Leitprojekte, die als prozessfördernde Entwick- lungsmaßnahmen fungieren, sollen schließlich auch konkrete Projekte realisiert werden, die als nicht einkommensschaffende Investitionen zur Steigerung der Lebensqualität im ländli- chen Raum beitragen sollen. Angestrebt wird, die im Leitprojekt Innovation kurz umrissenen Varianten dezentraler Entsorgung in konkrete Pilotanlagen in der Region zu überführen. Welche der Verfahren und Organisationsformen dabei Anwendung finden werden, ist ab- hängig von der Analyse der Bedingungen und den Abstimmungsprozessen vor Ort. In Anbetracht dieser aufwändigen Vorbereitungsphase sollen in dieser Phase der Entwick- lungsstrategie keine konkreten Projekte benannt werden - zumal dies nur ein vager Vorgriff auf die detaillierte Planung wäre. Darüber hinaus sollten nicht im Vorfeld weitere Erwar- tungshaltungen in den Gemeinden produziert werden, denn schließlich gibt und gab es be- reits vielfältige Ansätze in der Region. So existieren seit einigen Jahren in der Gemeinde Kuhlhausen aktive Bestrebungen zur Realisierung einer organisierten dezentralen Entsor- gung des kommunalen Abwassers. Diese fanden beispielsweise auch Aufnahme in die Lan- desinitiative LOCALE, dennoch konnten die Ideen aufgrund von Informationsdefiziten und fehlender finanzieller Unterstützung bisher nicht umgesetzt werden.

AEP Elbe 1 - Seite 202 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Abbildung 25: Deckblatt der LEADER+-Strategie Ähnliche Ansätze bestehen in ver- schiedenen Gebieten der Region und bei vielen anderen Akteuren, auch außerhalb der Lokalen Akti- onsgruppe. Bei der Realisierung der Entwicklungsstrategie soll an- gestrebt werden, den Modellcharak- ter der Anlagen, dadurch zu unter- stützen, dass sowohl das Spektrum der Verfahren und Organisations- modelle als auch der verschiede- nen Siedlungsbereiche repräsen- tiert ist. Also von einer Einzellösung oder einer Streusiedlung, wie bei- spielsweise Waldfrieden (mit sozia- ler Nutzung) über einen kleinen Siedlungsbereich wie Ferchels (mit der Naturschutzstation) oder Ortsteilen wie Melkow bis hin zu ganzen Gemeinden wie eben Kuhl- hausen oder Garz und Warnau. Der Modellcharakter der LEADER+- Strategie soll Impulse für die ganze AEP-Region haben. Durch die im LEADER+-Programm ausdrück- Quelle: LEADER+-Beitrag der LAG, Sandau 2002 lich gewünschte gebietsübergrei- fende Kooperation sind Effekte für den gesamten Untersuchungsraum zu erwarten – zumal auch im Bereich der VGem Arneburg-Krusemark eine LEADER+-Initiative aktiv ist. Das hier in Auszügen vorgestellte LEADER+-Konzept der LAG für das Gebiet zwischen Elbe und Havel wurde am 10.09.2002 vom Regionalen Begleitausschuss gebilligt und als eine von 9 Initiativen in das LEADER+-Programm des Landes Sachsen-Anhalt aufgenommen. Für die drei Leitprojekte der Strategie und die noch näher zu identifizierenden Pilotanlagen stehen somit bis 2006 bis zu 2 Millionen € EU-Fördermittel zur Verfügung. Der Landkreis Stendal hat seine Bereitschaft zur Komplementärfinanzierung bekundet. Der erste Antrag für das Management ist mittlerweile gestellt, so dass Anfang des Jahres 2003 mit der konkreten Umsetzung der Integrierten Entwicklungsstrategie mit dem Schwerpunkt einer innovativen dezentralen Abwasserentsorgung begonnen werden kann.

AEP Elbe 1 - Seite 203 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.5.3 Leitprojekt zur Beseitigung von Gebäudeleerstand 5.5.3.1 Ansatz Die Analyse der Bevölkerungs- und Siedlungsentwicklung hat aufgezeigt, welche Probleme in der Region im Zusammenhang mit dem Leerstand von Gebäuden bestehen. Dies reicht

- von innerörtlich gelegenen Wohngebäuden und Gebäudeensembles,

- über historisch wertvolle Bausubstanz wie Vierseithöfe in Einzellagen,

- bis zu ehemals agrarisch genutzten Altanlagen aus DDR-Zeiten im Außenbereich. Für den Umgang mit dieser leerstehenden Bausubstanz muss es je nach Art, Zustand und Bedarf auf den Einzelfall abgestimmte Lösungen geben – vom Abriß bis zur Sanierung und Umnutzung. Ein Ort, an dem diese verschiedene Leerstandsarten und nötigen Lösungsstrategien zu- sammenfallen, ist Germerslage in der Gemeinde Sandauerholz. Aufgrund der besonderen Häufung und der bis dato ungelösten Leerstandsprobleme soll diese Ortslage hier exempla- risch für ähnliche Fälle in der AEP-Region stehen.

Abbildung 26: Germerslage – Lage und Gebäudebestand

Quelle: Luftbildaufnahme im Auftrag der LGSA, 2001 und eigene Darstellung Germerslage ist eine weitgehend brachgefallene Siedlung im einmaligen Naturraum unweit der Elbe. Vom ehemals bestimmenden Gutshof ist nicht mehr viel erhalten, lediglich eine Scheune, ein Stall und Wirtschaftsgebäude existieren noch. Daneben gibt es noch einige Wohngebäude, meistenteils verfallen oder leerstehend. Hinzu kommen Überreste aus der landwirtschaftlichen Produktion zu DDR-Zeiten: Die zwei Schweineställe, die Lagerhalle, die Garage und die Tankstelle können als Altlastenverdachtsflächen angesehen werden. Ge- nutzt werden nur noch die Wohngebäude in dem Gebiet: Einige Altbauten im mittleren und südlichen Bereich, sowie zwei neuere Eigenheime im Norden und Süden. AEP Elbe 1 - Seite 204 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.5.3.2 Handlungsfelder Aufgrund der vorhandenen Altbausubstanz verschiedener Qualität besteht in Germerslage Handlungsbedarf sowohl bei den Agraraltanlagen als auch bei den ungenutzten Wohnge- bäuden. Das bedeutet zum einen den Rückbau der Altanlagen, inklusive einer eventuell not- wendigen Altlastensanierung. Zum anderen sollte bei den wenigen nicht vollends verfallenen historischen Wohn- und Nebengebäuden eine behutsame Instandsetzung und nachfolgende Nutzung angestrebt werden. In jedem Falle bedeuten die beiden Handlungsfelder sowohl eine gestalterische, als auch eine ökologische Aufwertung der Ortslage. Derartige Effekte sind gleichsam bei anderen Objekten im gesamten AEP-Gebiet zu erwarten. Ein möglicher Nebeneffekt bei einer Wiedernutzbarmachung von historischer Bausubstanz können auch neue Impulse für die Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung im ländlichen Raum sein.

Abbildung 27: Gebäudebestand in Germerslage

Quelle: eigene Aufnahme, Juni 2001 5.5.3.3 Umsetzung Umgesetzt werden sollten die zwei Handlungsansätze im Falle von Germerslage über ein kombiniertes Verfahren aus verschiedenen Instrumentarien:

- Rückbau über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und Förderung der Altlastensanierung

- Konzentration von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen auf die leerstehenden Anlagen

- Leerstandsbeseitigung durch Nutzung einer ländlichen Gebäudebörse Beim ersten Instrumentarium handelt es v.a. um ein Finanzinstrument: Der Rückbau wird dabei über die Einbeziehung von Vergabe-ABM durch die Kommune (70% Förderung bei im Falle von Germerslage ca. 150.000 € Abrisskosten) gefördert, die eventuell nötigen Maß- nahmen zur Erkundung und Sanierung von Altlaststandorten können mit bis zu 85 % über die Förderrichtlinie MRLU-31 „Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förde- rung von Maßnahmen zur Abfallwirtschaft, Altlastensanierung und zum Bodenschutz“ bezu- schusst werden. Für die Entsiegelung und Begrünung im Zusammenhang mit dem Rückbau der Agraraltanla- gen können zum zweiten auch Maßnahmen aus der Eingriffsregelung nach Baugesetzbuch bzw. Bundes- und Landesnaturschutzgesetz eingesetzt werden. Diese Kompenationsmaß- nahmen können unter bestimmten Voraussetzungen in einem Kompensationsflächenpool in AEP Elbe 1 - Seite 205 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Verbindung mit der Führung eines Ökokontos gezielter eingesetzt werden85. Für Germersla- ge kommen dabei neben eventuell zukünftig zu erwartenden Ausgleichs- und Ersatzmaß- nahmen durch die Verlängerung der A 14 v.a. Kompensationen im Zusammenhang mit der Errichtung von Windkraftanlagen im Bereich Hohenberg-Krusemark in Frage. Für die Wiedernutzbarmachung von Gebäudeleerstand stellt schließlich die Ländliche Ge- bäudebörse ein geeignetes Instrument dar. Diese Informationsbörse ungenutzter oder unter- genutzter ländlicher Gebäude kann beispielsweise als elektronische Datenbank im Internet konzipiert sein. Mit ihrer Hilfe wird versucht, das Informationsdefizit zwischen den Verkäufern von leerstehenden Immobilien und den Menschen, die auf der Suche nach nutzbarer histori- scher Bausubstanz sind, zu beheben. Denn in der Tat gibt es in den Ballungsräumen noch immer Nachfrage nach schön gelegenen alten Gebäuden, die jedoch durch professionelle Immobilienmakler nicht abgedeckt wird. Eine aktuelle und gewissenhaft geführte Ländliche Gebäudebörse kann dem Abhilfe schaffen und Verkäufer und Käufer – oder auch Verpächter und Pächter – unkompliziert zusammenbringen. Dieses Instrument wird in einigen ländlichen Räumen unterschiedlicher Größe erprobt bzw. erfolgreich eingesetzt. Beispiele dafür sind die Bauernhausbörse Minden-Lübbecke, die Fachwerk Börse Südniedersachsen und die Ländliche Gebäudebörse Sachsen86. Auch im Rahmen der AEP wurden Ideen zu einem solchen Projekt entwickelt und u.a. Kontakt mit der Fachhochschule Bernburg aufgenommen. Dort wurde innerhalb eines vergleichbaren Pro- jekts ein datenbankbasiertes Kataster für ungenutzte Gutshäuser und Domänen erstellt. E- ventuell lässt sich diese Projektidee auch nach Beendigung der AEP weiterverfolgen und über den Untersuchungsraum und den Wohngebäude-Schwerpunkt hinaus entwickeln, so dass beispielsweise auch das Kataster von Agraraltanlagen des Amtes für Landwirtschaft und Flurneuordnung Altmark aktualisiert aufgenommen werden kann. Für Germerslage deutet sich an, dass junge Leute aus dem Berliner Raum an einigen erhal- tenswerten Gebäuden Interesse zeigen. Diese Entwicklung ist sicherlich zu unterstützen. Dabei wird aber auch ein Problem deutlich: Die Eigentumsproblematik87 ist sehr kompliziert und erfordert auch für die anderen Vorhaben im Bereich Rückbau ein umfassendes Projekt- management, um die aufgezählten Instrumentarien sinnvoll einsetzen zu können.

85 Vergleiche hierzu ausführlich das Leitprojekt im Kapitel Forstwirtschaft 86 Im Internet unter www.gebaeudeboerse.de, mittlerweile mit einem bundesweiten Ansatz 87 ca. 50% der Fläche gehört 22 verschiedenen Privaten, 25% BVVG, 25% Gemeinde und Land AEP Elbe 1 - Seite 206 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

5.5.4 Leitprojekt Ländliche Wegekonzepte 5.5.4.1 Ansatz Als letzter Maßnahmeschwerpunkt im Bereich Siedlungsentwicklung und Infrastruktur ist die Verbesserung des Ländlichen Wegesystems zu nennen. Dazu wurden als vorgezogene Teil- leistung der Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung „Altmärkische Wische und Untere Ha- velniederung / AEP Elbe 1“ von September 2001 bis Januar 2002 fünf Ländliche Wegekon- zepte erarbeitet. Nach Absprache mit dem Auftraggeber wurden die Konzepte für jene 5 Verwaltungsgemeinschaften erstellt, die überwiegend im AEP-Gebiet liegen, also die: · Verwaltungsgemeinschaft Arneburg-Krusemark, · Verwaltungsgemeinschaft Elb-Havel-Land, · Verwaltungsgemeinschaft Havelberg, · Verwaltungsgemeinschaft Schönhausen, · Verwaltungsgemeinschaft Seehausen (Altmark). Bereits in der Analysephase der AEP wurde festgestellt, dass das Wegesystem zu den be- sonderen Problembereichen in der Region gehört. Die Defizite betreffen nicht nur den Zu- stand der ländlichen Wege im Allgemeinen, sondern wurden auch im Problemlösungsmana- gement ermittelt: Es gab weder ausreichende Recherchegrundlagen noch aktuelle konzepti- onelle Vorstellungen in den Verwaltungsgemeinschaften, so dass sich die Erarbeitung von Wegekonzepten als vordergründiges Aufgabenfeld für die AEP ergab. Mitten in der Bearbeitungsphase der Konzepte beauftragte das MRLU die Erstellung einer landesweiten Wegekonzeption mit einem Bearbeitungszeitraum bis März 2002. Dadurch mussten die AEP-Konzepte an die Struktur angepasst und dem plötzlichen Bedeutungsge- winn Rechnung tragen. Mit der landesweiten Konzeption soll eine planerische Grundlage für die Entwicklung eines leistungsfähigen Wegenetzes für die ländlichen Räume Sachsen- Anhalts geschaffen werden. Sie soll gleichzeitig den veränderten Rahmenbedingungen landwirtschaftlicher Produktion gerecht werden, die ökologische Belange der jeweiligen Kul- turlandschaft berücksichtigen sowie die Integration verschiedener Nutzungsansprüche, wie Ortsverbindungsfunktionen, Naherholung und Tourismus gewährleisten. Bei der Erarbeitung der ländlichen Wegekonzepte bildet eine detaillierte Bestandsaufnahme- einen wesentlichen Schwerpunkt. Ziel ist ein umfassendes Bestandskataster der ländlichen Wege in der Verwaltungsgemeinschaft. Dies ist umso vordringlicher, als dass vielerorts keine genaue Vorstellung über den Bestand an Wegen in der Feldflur, den Zustand, die Ausbauart und insbesondere die eigentumsrechtliche Situation besteht. Bei der Konzepterstellung in- nerhalb der AEP wurde deshalb auf die flurstücksgenaue Recherche der Wege Wert gelegt, zumal noch immer Unklarheiten bei umgepflügten Wegen und einigen zu DDR-Zeiten ohne eigentumsrechtliche Grundlagen angelegten Wegen / KAP-Straßen bestehen. Bei der Be- standsrecherche in Zusammenarbeit mit den Verwaltungsgemeinschaften und den Gemein- den sollte weiterhin darauf abgezielt werden, dass den Verwaltungen - auch im Hinblick auf eine eventuell bevorstehende Kommunalgebietsreform - mit dem Kataster ein Instrument zur AEP Elbe 1 - Seite 207 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Verfügung gestellt wird, das nicht allein den Zeitpunkt der Erfassung dokumentiert, sondern in digitaler Form erstellt wird und somit jederzeit aktualisiert werden kann. Den eigentlichen Schwerpunkt der Wegekonzepte stellt der analytische und konzeptionelle Teil dar. Dazu müssen die regionalen Rahmenbedingungen und die Prioritätensetzung der Gemeinden / Verwaltungsgemeinschaft erfasst werden, um schließlich in Abstimmung mit den interessierten Akteuren und den Trägern öffentlicher Belange eine Planung der wichtigs- ten Wegebaumaßnahmen zu erarbeiten. Damit soll der Region ein einheitlicher Handlungs- rahmen an die Hand gegeben werden. Dieser kann nicht als statischer Plan für die nächsten Jahrzehnte gelten; er soll vielmehr als Orientierungsrahmen für alle mit der Thematik befass- ten Entscheidungsträger fungieren. In erster Linie ist dabei neben den Verwaltungsgemein- schaften natürlich der Auftraggeber zu nennen, dessen Fördergrundsätze mit dem Erlaß vom 08.02.01 ein ländliches Wegekonzept als Voraussetzung zur Förderung des Wegebaus au- ßerhalb von Bodenordnungsverfahren fordern. 5.5.4.2 Handlungsfelder Das Wegenetz in den untersuchten Verwaltungsgemeinschaften der AEP-Region entspricht trotz der Investitionen in den letzten Jahren noch immer nicht durchweg den verschiedenen aktuellen Anforderungen. Defizite bestehen im Zustand der Wege, in der Geschlossenheit des hierarchischen Verkehrsnetzes, in eigentumsrechtlichen Fragen, in ökologischen Belangen und in der Mehrfachnutzung bzw. -nutzbarkeit. Abbildung 28: Unbefestigter Weg, Gemeinde Neukirchen Ein effizientes ländliches Wegenetz hat eine herausragende Bedeutung für die Stärkung der Wirtschaftskraft im ländlichen Raum. Es trägt zur Zukunftssicherung der Landnutzung bei und garantiert somit die ökonomische, ökologische und soziokulturelle Funktionsfähigkeit ländlicher Räume. Ein solches Wegesystem muss unter Einbeziehung der Gemeindestraßen und sonstiger Straßen die Anbindung an das überörtliche Verkehrsnetz gewährleisten, zugleich die optimale Bewirtschaftung land- und forstwirtschaftlicher Flächen ermöglichen. Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass das ländliche Wegenetz andere Funktio- nen, wie Erholung / Fremdenverkehr und Erhaltung der Kulturlandschaft zu erfüllen hat. Für den ländlichen Wegebau hat die sogenannte äußere Erschließung, also der Anschluß von Einzelgehöften und landwirtschaftlichen Betriebsstätten, Vorrang. Zugleich ist die innere Erschließung, d.h. die Erschließung land- und forstwirtschaftlicher Flächen, zu verbessern. Betriebsspezifische Nutzeransprüche sowie überbetriebliche Kooperations- und Verkehrsbe- ziehungen müssen dabei Berücksichtigung finden. Die aktuellen Veränderungen im landwirt- schaftlichen Verkehr, die wachsenden Transportstrecken, die steigenden Transportmassen, Breiten und Achslasten der Fahrzeuge, die zunehmende Trennung von Feldtransport und Weitertransport auf Wegen und Straßen (v.a. mit LKW) führen zu neuen Anforderungen an ländlichen Wege in den Punkten Ausbaumaterialien, Belastbarkeit und Fahrbahnbreiten.

AEP Elbe 1 - Seite 208 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Den Schwerpunkt des Verkehrs auf ländlichen Wegen bildet der land- und forstwirtschaftli- che Verkehr, er umfasst aber in der Regel die ganze Bandbreite: Vom Verkehr mit Fahrzeu- gen, über den Radfahrverkehr, das Reiten und den Fußgängerverkehr bis zum Treiben und Führen von Tieren. Daher müssen diese Überlagerungen in der Planung und in der Realisie- rung bzw. Realität (rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen) Berücksichtigung finden und eine verstärkte Mehrfachnutzung des ländlichen Wegenetzes angestrebt werden. Die Verknüpfung verschiedener Wegearten, also Wirtschaftsweg, Rad-, Reit- und Wanderweg in einer Trasse ist das originäre Ziel eines integrierten Wegekonzeptes. 5.5.4.3 Umsetzung Eine Verknüpfung wird mit den neu erstellten Wegekonzepten auch im Bereich der Förde- rung des Wegebaus angestrebt. Es geht um eine integrierte Förderung aus verschiedenen, bereits vorhandenen Förderquellen. Die wichtigste Finanzierungsquelle für Wegebau in den ländlichen Räumen bildet nach wie vor die Förderung des ländlichen Wegebaus. Daneben gibt es noch eine Reihe anderer Fördermöglichkeiten aus den verschiedenen Ressorts88, die mit der landesweiten Konzeption erstmals auch integriert Anwendung finden sollen. Um den integrierten Ansatz und die ambitionierte Zielstellung des Wegekonzeptes zu errei- chen, ist eine enge Kooperation mit allen relevanten Akteuren nötig. Insbesondere betrifft dies die Nutzer in den jeweiligen Gemeinden und die Verwaltungen. Angestrebt wurde des- halb eine Zusammenarbeit mit den Liegenschafts- und Bauämtern der Verwaltungsgemein- schaften, die wiederum die Kontakte zu den Gemeinden nutzen sollten. Idealtypisch sollte eine Eigentumsrecherche der Wegeflurstücke erfolgen, die unter Auswer- tung der Flurkarte in eine topographische Karte der Gemeinden und in eine Tabelle übertra- gen werden. Diese tabellarische Zusammenstellung enthält geordnet nach den Wegen der Gemeinde weitere Angaben, wie · Widersprüche zwischen Natur und Flurkarte, · Widmung, · Nutzung, · Zustand, · Ausbauart und · Prioritäten, die in Abstimmung mit dem Bauamt der Verwaltungsgemeinschaft und den Gemeinden festgelegt werden. Unter Berücksichtigung regionaler Belange (Raumordnung, Planungen des Landkreises, LOCALE-Konzepte, Naturschutz, Agrarstrukturen, Touristische Faktoren) erfolgt die Analyse der Bestandsdaten und der Wünsche der Verwaltungsgemein- schaft / Gemeinden und schließlich die Konzeption mit Vorschlägen zur bautechnischen Aus- führung.

88 Weitere Informationen sind in den Wegekonzepten unter dem Punkt Förderung zusammengetragen AEP Elbe 1 - Seite 209 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Aufgrund verschiedener Ausgangsbedingungen in den einzelnen Verwaltungsgemeinschaf- ten ist dieses Vorgehen je nach zur Verfügung stehenden zeitlichen und personellen Res- sourcen sowie eventuellen Vorarbeiten entsprechend modifiziert worden. Die Konzepte sind durchweg so gegliedert, dass in den Anlagen zunächst die Bestandskarte und das Bestandsverzeichnis mit sämtlichen Wegeabschnitten der Verwaltungsgemein- schaft, dann die Analysekarte und schließlich die Planungskarte und das Verzeichnis priori- tärer Wegebaumaßnahmen erscheinen. Die Vorschlägen für prioritäre Wegebaumaßnahmen orientieren sich wiederum stark an den Wünschen der Verwaltungsgemeinschaft. Das gilt auch für die bautechnischen Empfehlungen, die im Verzeichnis der geplanten Maßnahmen gegeben werden. Generell wurde gemäß der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des ländlichen Raumes (RdErl. des MRLU vom 08.02.01), Anlage C angestrebt, die Befesti- gung mit geschlossenen Decken weitestgehend zu vermeiden. Für landwirtschaftliche Wege wurde auf Grund der geringeren Versiegelung, aber auch der geringeren Abnutzung und Unterhaltungskosten gegenüber Bitumen ein Ausbau in Betonspurbahnen favorisiert. Die bituminöse Ausbauweise sollte auf bereits befestigten Wege und auf Trassen mit einer fahr- radtouristischen Nutzung beschränkt sein. Zum Teil sind auch Empfehlungen zum Bau reiner Radwege ausgesprochen worden. Die nachfolgende Tabelle gibt eine Zusammenstellung der wichtigsten Wegebaumaßnah- men, die aus der AEP Elbe 1 heraus zum jetzigen Zeitpunkt – also auch nach vollständigem Abschluss der Analyse der Agrarstruktur – vorgeschlagen werden. Dabei handelt es sich auch um Wegeabschnitte aus den beiden Verwaltungsgemeinschaften aus dem Erweite- rungsgebiet, für die innerhalb der AEP keine Wegekonzepte erstellt wurden. Für die eindeu- tige Identifikation der Wege wurde in den Konzepten ein Code verwendet, der sich aus 3 Buchstaben der Gemeinde und aus der laufenden Nummer der Wege in der Gemeinde zu- sammensetzt.

Tabelle 84: Prioritäre Wegebaumaßnahmen

Code Gemeinde VGem Nutzung Zustand Ausbau Länge Planung

BEU21D89 Beuster Seehausen B III (GW) 408 m Neu BIT - RQ3 (Altmarkrundkurs) LIC11 Lichterfelde Seehausen C III (BET)(NP) 1.370 m Neu / Sanierung BET - RQ2 LIC13 Lichterfelde Seehausen C(E,F) III (GW) 1.075 m Neu BET - RQ2 NEU11 Neukirchen Seehausen C III (DOB) 914 m Neu BIT - RQ3 Zuwegung Deich WAH03 Wahren- Seehausen C;D(E;F) III (BET)(DOB) 3.108 m Sanierung / Neu berg BET - RQ2 BEH71 Behrendorf Arneburg- 2.314 m BET - RQ2 Krusemark

89 im November 2002 realisiert AEP Elbe 1 - Seite 210 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Code Gemeinde VGem Nutzung Zustand Ausbau Länge Planung

BEH81 Behrendorf Arneburg- (GW) 2.605 m BET - RQ2 (Rad- Krusemark wege) SWZ39 Schwarz- Arneburg- 730 m BIT - RQ3 (Rad- holz Krusemark wege) SWZ47 Schwarz- Arneburg- (GW), san- 650 m BIT - RQ3 (Rad- holz Krusemark dig wege) NML02 Neuermark- Schönhau- A, C 2.117 m BIT - RQ3 (Ver- Lübars sen bindung Radwege - Elbe / Skate- rundkurs) SOL15 Schollene Schönhau- C; D II; III (GW) 1.838 m BET - RQ2 (Ver- sen bindung Havel- radweg - Altmark- rundkurs) SOL16 Schollene Schönhau- D II (DOB)(GW) 1.891 m BIT - RQ3 (Alt- sen markrundkurs) SOL17 Schollene Schönhau- C II; III (GW) 1.474 m BET - RQ2 (Ver- sen bindung Havel- radweg - Altmark- rundkurs) 75, 76 Garz, Ka- Elb-Havel- F, E, C, D III (BET) 682 m Sanierung BET - mern Land RQ2 (Verbindung Havelradweg - Altmarkrundkurs) 78, 79, Kamern Elb-Havel- C, E, F II (DOB) 6.548 m Sanierung BET - 80, 81 Land (BET) RQ2 (Verbindung Havelradweg - Altmarkrundkurs) 145 Sandau Elb-Havel- F, C, D III (GW) 2.669 m BIT - RQ3 Land HAV07 Havelberg Havelberg C, E III 2.795 m BIT - RQ3 (Elbe- radweg) (Deich- verteidigungsweg) HAV18 Havelberg Havelberg A, C, E II (BET- 6.444 m Sanierung BET - Platten) RQ2 NIT04 Nitzow Havelberg C, A III (GW) 2.668 m BIT - RQ3 (Elbe- radweg) (Deich- verteidigungsweg) Rengersla- Osterburg III (GW) 4.812 m BET - RQ2 ge Iden Mittlere III (GW) 1.442 m BET - RQ2 Uchte Walsleben Mittlere III (GW) 1.640 m Neu BIT - RQ4 Uchte (Altmarkrundkurs) 48.416 m Quelle: eigene Zusammenstellung auf Grundlage der Wegekonzepte von Januar 2002 AEP Elbe 1 - Seite 211 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

In den Verzeichnissen, wie auch in dieser Zusammenstellung werden zahlreiche Kriterien erfasst, die z.T. generalisiert sind; diese Abkürzungen bedeuten im Einzelnen:

Abbildung 29: Wegebestandsverzeichnis (Auszug)

Nutzung (derzeitig): A - Ortsverbindung B - Gemeinde C - Landwirtschaft D - Forstweg E - Radweg F - Reitweg

Zustand (derzeitig): I - sehr gut Quelle: Wegekonzept VGem Seehausen 2002 II - mittel III - schlecht

Ausbau (derzeitige und vorgeschlagene Ausbau- bzw. Befestigungsart): BET - Beton BIT - Bitumen DOB - Decke ohne Bindemittel GW - Grünweg

5.5.4.4 Weitere Projekte Zu den weiteren Projekten gehören alle Maßnahmen, die sich mit der konkreten Umsetzung von Wegebaumaßnahmen bzw. Themenrouten befassen. Zu nennen ist dabei in erster Linie der geplante Verlauf des Havelradwanderwegs, zu dem es verschiedene Abstimmungster- mine gab - unter anderem auch für den Abschnitt nördlich von Havelberg, wo ein Verlauf auf dem Deichverteidigungsweg diskutiert wird. Generell muss ein Schwerpunkt bei der zukünftigen Planung und Umsetzung von Radrouten in der Region sein, die größten touristischen Potentiale – also die Flusslandschaft von Elbe und Havel – nicht zu verstecken, sondern auf den Deichen erfahrbar zu machen. Entsprechend dieser Forderung konnte mit dem Ausbau des Deichverteidigungsweges zwi- schen Werben und Losenrade als Teilabschnitt des Elberadweges ein wichtiges Leitprojekt mitinitiiert und bis in die Umsetzung begleitet werden. Ausgangspunkt dieses Projekts war das Analyseergebnis der AEP, dass in diesem Bereich eine eklatante Lücke im Netz der überregionalen Radwanderwege in Sachsen-Anhalt klafft. Dadurch gehen der Region nicht nur Touristen und somit Einnahmen und Marketingmöglichkeiten verloren, sondern zugleich fehlt ein wichtiges Verbindungsstück für die einheimische Bevölkerung. In enger Kooperation AEP Elbe 1 - Seite 212 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes mit der Regionalberatung Altmark90 wurde eine Initiative gestartet, um mit den Akteuren im Radtourismus und im Hochwasserschutz sowie den betreffenden Gemeinden endlich eine Lösung des Problems herbeizuführen. Nach mehreren Arbeitskreisen, zu denen die Regio- nalberatung als Koordinator des Projekts eingeladen hatte, konnten mittlerweile Anträge auf Baugenehmigung und zur Befahrung der Deiche gestellt werden. Projektträger ist dabei die Gemeinde Schönberg; das Bauamt der Verwaltungsgemeinschaft Seehausen ist verantwort- lich für Antragstellung und Baubetreuung. Die Baumaßnahmen umfassen zum einen zwischen Losenrade und Neukirchen (Angler- heim) den Umbau der Spurbahnen des Deichverteidigungsweges zu einem gefahrlos be- fahrbaren Radweg durch Auffüllung des 80 cm breiten Zwischenraumes. Zum zweiten ist ein Umbau der Poller für eine barrierefreie Benutzbarkeit für Radfahrer auf der gesamten 46 km langen Strecke zwischen Werben und Losenrade erforderlich.

Abbildung 30: Deichverteidigungsweg bei Schönberg und befahrbarer Deich bei Berge

Als letzer Projektschritt muss für eine Ausschilderung und Ver- marktung als Teilabschnitt des Elberadweges gesorgt werden. Infolge verschiedener Abstimmungs- und Genehmigungsprobleme sowie des Elbe- Hochwassers im August 2002 konnte die Baugenehmigung nicht – wie geplant noch in 2002 – erteilt werden. Somit konnte die eigentlich vorgesehene Förderung über das Arbeitsamt nicht in Anspruch genommen werden. Es wird aber versucht, diese Mittel auch für den Maß- nahmebeginn im Jahr 2003 nutzbar zu machen. Aller Voraussicht könnte die Baugenehmi- gung im März erteilt werden, so dass die Bauarbeiten im Frühsommer 2003 beendet wären und eine Nutzung während der Radfahrsaison möglich wird. Vergleichbare Projekte, die auch Eingang in die ländlichen Wegekonzepte fanden, aber noch nicht die Realisierungsphase erreicht haben, sind der Skaterrundkurs im Raum Schönhau- sen und der Energielehrpfad in der Verwaltungsgemeinschaft Arneburg-Krusemark. Auf Grund der touristischen Zielsetzung der Projekte wird darauf im Maßnahmenteil des folgen- den Kapitels „Wirtschaft und Tourismus“ eingegangen.

90 zu diesem BMVEL-Modellprojekt mit dem Ansprechpartner Herrn Gille siehe auch Kapitel 0 AEP Elbe 1 - Seite 213 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

6 Wirtschaft und Tourismus

6.1 Ausgangssituation

6.1.1 Wirtschaft Das AEP-Gebiet ist ein strukturschwacher peripherer ländlicher Raum mit ungünstigen öko- nomischen Voraussetzungen. Im Kapitel 1 wurde die vergleichsweise schlechte Situation im Bereich Wirtschaft und Beschäftigung dargelegt und die Wirtschaftsstruktur sowie die Be- schäftigungsprobleme analysiert. In diesem Schwerpunkt soll darüber hinaus auf die Ar- beitsplatzsituation, Pendlerbeziehungen und wirtschaftliche Verflechtungen eingegangen werden, um nach einer Analyse der Ausgangslage zu Handlungsempfehlungen zu kommen. Eine Analyse der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, wie sie anhand der Daten in Tabelle 83 möglich ist, ergibt eine Konzentration von Arbeitsplätzen91 in den Städten, aber auch vereinzelt in kleineren Gemeinden, wie beispielsweise Storkau. Besonders gering ist das Arbeitsplatzangebot in Altenzaun, Gollensdorf, Losenrade, Kuhlhausen, Sandauerholz und Wanzer. Damit verteilen sich diese Gemeinde uneinheitlich im Untersuchungsgebiet, eine Häufung im Teilraum I ist erkennbar. Die hohe Konzentration von Arbeitslosen im Ver- hältnis zu den Einwohnern im nördlichen Bereich der Altmärkischen Wische, wie sie in Kapi- tel 1 festgestellt wurde, findet sich in der Betrachtung der Arbeitsplätze so nicht wieder.

Tabelle 85: SV-Beschäftigte und Pendler in der Region 1999

Gemeinde Bevölke- SV-Beschäftigte 1999 Auspend- Arbeits- rung 1999 nach Ar- nach Wohn- Einpendl ler 1999 platzangebot beitsort ort er 1999 je 100 EW Altenzaun 136 0 38 0 38 0,0 Arneburg 1.812 683 639 542 498 37,7 Aulosen 264 42 82 27 67 15,9 Behrendorf 572 53 160 29 136 9,3 Beuster 578 75 195 39 159 13,0 Düsedau 372 76 121 46 91 20,4 Falkenberg 264 27 89 18 80 10,2 Fischbeck 735 133 264 71 202 18,1 Garz 168 23 54 16 47 13,7 Geestgottberg 432 125 165 104 144 28,9 Gollensdorf 333 5 90 3 88 1,5 Gross Garz 911 79 304 42 267 8,7 Havelberg 6.539 2.002 2.346 759 1.103 30,6 Hindenburg 458 98 134 82 118 21,4 Hohengöhren 485 38 150 25 137 7,8 Iden 1.137 203 361 111 269 17,9 Jederitz 165 47 67 37 57 28,5

91 gemessen an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort AEP Elbe 1 - Seite 214 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Kamern 782 111 259 52 200 14,2 Klietz 1.744 462 682 240 460 26,5 Königsmark 544 24 165 9 150 4,4 Krüden 766 130 266 88 224 17,0 Kuhlhausen 198 9 55 3 49 4,5 Lichterfelde 334 37 119 18 100 11,1 Losenrade 169 0 54 0 53 0,0 Losse 127 29 32 27 30 22,8 Meseberg 420 27 154 11 138 6,4 Neuermark-L. 384 28 105 16 93 7,3 Neukirchen 286 32 103 26 97 11,2 Nitzow 561 49 207 35 193 8,7 Osterburg 7.934 3.120 2.839 1.990 1.709 39,3 Pollitz 358 34 119 19 104 9,5 Sandau 1.085 239 386 144 291 22,0 Sandauerholz 196 9 54 5 50 4,6 Schönberg 566 102 203 73 174 7,0 Schönfeld 258 52 92 35 75 20,2 Schönhausen 2212 524 704 297 477 23,7 Schollene 1447 177 464 69 356 12,2 Schwarzholz 257 18 82 7 71 7,0 Seehausen 4.674 1.536 1.634 845 943 32,9 Storkau 191 368 89 326 47 192,7 Vehlgast-K. 310 26 73 20 67 8,4 Wahrenberg 383 28 134 18 124 7,3 Walsleben 495 19 182 13 176 3,8 Wanzer 114 11 28 7 24 9,6 Warnau 261 72 93 45 66 27,6 Wendemark 288 29 77 26 74 10,1 Werben 924 49 281 22 254 5,3 Wulkau 495 96 123 60 87 19,4 AEP-Gebiet 44.124 11.156 15.117 6.497 10.457 25,3 Quelle: Daten des Statistischen Landesamtes

Setzt man die SV-Beschäftigte am Arbeitsort ins Verhältnis zu den Einwohnern vor Ort, er- hält man ein ungefähres Bild vom Arbeitsplatzangebot pro Einwohner. Der Vergleich der in der vorangegangen Tabelle berechneten Kennwerte je 100 Einwohner ergibt wiederum eine relativ gute Ausstattung in den Städten; das hohe Arbeitsplatzangebot in Storkau wird nun- mehr umso deutlicher. Dennoch liegt der Quotient für das gesamte AEP-Gebiet mit 25,3 noch weiter unter dem Landesdurchschnitt von 32,2 Arbeitsplätze je 100 Einwohnern. Dies unterstreicht die bereits angedeutete, ungenügende Beschäftigungssituation und Wirt- schaftsstruktur. Eine entscheidende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage ist auch nicht durch die seit der Wende entstandenen Gewerbegebiete erreicht worden. Ein Vergleich des Arbeitsplatzindika- tors mit den Standorten der Gewerbegebiete zeigt, dass zumindest in der Beschäftigungssi- tuation keine signifikante Verbesserung zu vermuten ist. Neben neuen Handelseinrichtungen haben sich in den Gewerbegebieten oftmals bereits bestehende Gewerbebetriebe aus den AEP Elbe 1 - Seite 215 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Gemeinden angesiedelt, so dass sich zwar die Produktionsbedingungen der Betriebe ver- bessert haben, aber damit keine positive Entwicklung der Beschäftigungssituation und Wirt- schaftsstruktur einher ging. Dabei sind die Gewerbegebiete in der AEP-Region sehr unter- schiedlich ausgelastet, wie die nachfolgende Übersicht über Größe und Auslastung der Ge- biete verdeutlicht.

Tabelle 86: Gewerbegebiete im Untersuchungsraum

Netto- belegt in verfügbar Anzahl der Auslastung Gewerbegebiet fläche ha in ha Unternehmen in % Arneburg (IGPA) 590,0 ha 290,0 300,0 31 48% Arneburg, Stendaler Straße 3,5 ha 0,9 2,6 3 26% Osterburg, Am Schaugraben 13,4 ha 10,1 3,3 8 75% Osterburg, Am Bültgraben 15,0 ha 9,5 5,5 16 60% Seehausen, Die langen Stücke 7,0 ha 6,0 1,0 13 86% Seehausen, Die Talergalgen 8,0 ha 4,0 4,0 1 50% Schönhausen Süd 5,9 ha 5,9 0,0 13 100% Hohengöhren 13,0 ha 2,0 11,0 1 15% Fischbeck 6,0 ha 0,7 5,3 1 12% Sandau 2,7 ha 0,7 2,0 1 22% Havelberg Nord 8,3 ha 8,3 0,0 7 100% Quelle: Landkreis Stendal, Stand Oktober 2000 unter http://www.landkreis-stendal.de/

Vor allem das 590 ha große Areal des Industrie- und Gewerbeparks Altmark (IGPA) bei Ar- neburg gehört dabei seit Jahren zu den Hoffnungsträgern der Region. Zwar ist es inzwischen fast zur Hälfte ausgelastet, die wichtigen produktiven Kerne konnten aber noch immer nicht für eine Ansiedlung gewonnen werden. Mittlerweile sind die Chancen zur Ansiedlung des dringend erwarteten Zellstoffwerkes wieder gestiegen, da seit Kurzem die Fördermittel zur Errichtung bewilligt wurden. Neben dem Zellstoffwerk und seinen nachfolgenden Subunternehmen werden in der Region, wie in der gesamten Altmark, aus wirtschaftlicher Sicht hohe Erwartungen an das Großpro- jekt eines Internationalen Luftdrehkreuzes für den ostdeutschen Raum92 sowie an die Ver- längerung der Autobahn A 14 von Magdeburg nach Norden geknüpft. Bei letzterer sind Aus- führung und Trassenverlauf93 noch immer umstritten. Ohne Frage hätten diese Projekte bei einer Realisierung entscheidende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Region. Insbesondere durch den Großflughafen werden immense Beschäftigungseffekte erwartet, sollte es gelingen ihn erfolgreich im Standortwettbewerb zu positionieren. Zum Teil müssten sich dadurch Wirtschaftszweige wie der Agrarsektor (inklusive Forstwirtschaft) oder Teile des Dienstleistungsgewerbes an diese Impulsgeber anpassen, andere Bereiche wie der Tourismus müssten sich eventuell gänzlich umorientieren. Bei einer Ausrichtung auf ei- nen naturnahen Tourismus, wie sie jetzt größtenteils besteht, könnten die Großprojekte auch negative Folgen zeitigen.

92 anstelle des bisher favorisierten Großflughafens Berlin-Schönefeld 93 in der Diskussion sind verschiedene Varianten, z.B. über Salzwedel nach Hamburg oder über Sten- dal nach Schwerin; eventuell als X- oder H-Variante bzw. doch nur als ausgebaute B 189 AEP Elbe 1 - Seite 216 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

6.1.2 Tourismus Der vom Tourismus abhängige Wirtschaftsbereich des Gastronomie- und Beherbergungs- gewerbes hat in den letzten Jahren für die Region an Bedeutung gewonnen. Allein 2001 hat- te das Reisegebiet Altmark im bundesdeutschen Vergleich ein überdurchschnittliches Wachstum an Gäste- und Übernachtungszahlen aufzuweisen. Insgesamt nutzten im vergan- genen Jahr 142.000 Besucher mit fast 400.000 Übernachtungen die Beherbergungseinrich- tungen der Altmark, was 7,4 Prozent mehr Gästen und 2,8 Prozent mehr Übernachtungen im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Für den Untersuchungsraum konnten vom Statistischen Landesamt bisher nur Zahlen für 2000 erhalten werden und auch diese sind aus Datenschutzgründen leider nicht weiter ana- lysierbar. Generell kann aber angenommen werden, dass der oben genannte Trend auch für die AEP-Region zutrifft. Schließlich befindet sich mit Havelberg einer der touristischen Hauptorte der Altmark im Gebiet (11.121 Übernachtungen in 2000) und mit Tangermünde (33.472 Übernachtungen in 2000) der Spitzenreiter in unmittelbarer Nähe.

Abbildung 31: Impressionen aus Havelberg

Quelle: eigene Aufnahmen, Mai 2001 Ebenfalls in direkter Umgebung des Untersuchungsraums liegen weitere touristische Attrak- tionen: Arendsee und Jerichow (Sachsen-Anhalt), Schnackenburg (Niedersachsen) und Rühstädt (Brandenburg) ziehen viele Gäste an, die gleichsam die AEP-Region besuchen. Auch hier gibt es zahlreiche Sehenswürdigkeiten mit zum Teil überregionaler Attraktivität. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die touristischen Anziehungspunkte. AEP Elbe 1 - Seite 217 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Tabelle 87 : Sehenswürdigkeiten im Bereich der AEP Elbe 1

Orte Sehenswürdigkeiten Attraktivität Tangermünde Altstadt, Gastronomie, Burghotel (au- überregionale Attraktivität ßerhalb) Jerichow Kloster (außerhalb) überregionale Attraktivität Arendsee Bad, Gastronomie (außerhalb) überregionale Attraktivität Schnackenburg Altstadt, Gastronomie (außerhalb) überregionale Attraktivität Rühstädt Dorfbild, Störche, Elbe (außerhalb) überregionale Attraktivität Wahrenberg Dorfbild, Störche, Elbe überregionale Attraktivität Havelberg Dom, Altstadt, Gastronomie überregionale Attraktivität Werben Altstadt, Gastronomie, Bad überregionale Attraktivität Calberwisch Schloßhotel überregionale Attraktivität Büttnershof, Käcklitz Gutshof, Gastronomie, Turm überregionale Attraktivität Arneburg Altstadt, Gastronomie, Burgberg überregionale Attraktivität Storkau Schloßhotel überregionale Attraktivität Schönhausen Schloßpark, Bismarckmuseum überregionale Attraktivität Wischer Bad, Zeltplatz (außerhalb) hohe regionale Attraktivität Osterburg Altstadt, Gastronomie, Bad hohe regionale Attraktivität Seehausen Altstadt, Gastronomie hohe regionale Attraktivität Beuster Dorfbild, Störche, Elbe hohe regionale Attraktivität Schollene Wasser, Gastronomie hohe regionale Attraktivität Kamern See, Bad, Wald, Ferienhäuser hohe regionale Attraktivität Garz, Warnau Dorfbild, Gastronomie, Havel hohe regionale Attraktivität Aulosen, Wanzer, Stresow Dorfbild, Natur, Grenze gering; weniger bekannt Niedergörne ehem. KKW-Gelände gering; weniger bekannt Billberge CJD, Pferdehof gering; weniger bekannt Schönfeld Dorfbild, Kunst, Natur gering; weniger bekannt Kuhlhausen, Vehlgast Dorfbild, Havel gering; weniger bekannt Nitzow Dorfbild, Boots-, Ferienhäuser gering; weniger bekannt Quelle: eigene Erhebung und Darstellung

Abbildung 32: Schloss Calberwisch und Freibad in Kamern Quelle: eigene Aufnahmen 2001 AEP Elbe 1 - Seite 218 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Abbildung 33: Auszug aus dem Flyer zum Elberadweg

Mittlerweile werden diese Orte durch ein gut ausgebautes System von Radrouten miteinan- der verbunden. In erster Linie ist dabei der Elberadweg zu nennen, der jedes Jahr mehr Radtouristen in die Region zieht. Dieser attraktive Radweg entlang der gesamten Elbe wird stark frequentiert; in der Rangfolge der meist befahrenen Radrouten in Deutschland konnte er 2001 sogar den 2. Platz belegen. Aber auch der Altmarkrundkurs, der die AEP-Region großräumig erfasst, ist zu einer bedeutenden Radroute geworden. Als dritter Quelle: Fremdenverkehrsverein „Altmärkische Wische“ Werben (E) e.V. 2001 überregionaler Radweg wird in Kürze der Havel-radwanderweg hinzu kommen, dadurch das System komplettieren und vor allem besser an den Ballungs- raum Berlin anschließen. Einen entsprechenden Überblick über die beschriebenen Radrouten und Sehenswürdigkei- ten gibt die Abbildung 33. Des Weiteren enthält die Karte Informationen zu den tourismusre- levanten Einrichtungen im AEP-Gebiet. Diese Angaben basieren auf der Bestandsanalyse des Projektes Blaues Band, welches auf die Steigerung der wassertouristischen Attraktivität der Elbe und ihrer Nebenflüsse abzielt. Bereits jetzt nutzen zahlreiche Wasserportler die El- be und insbesondere die Havel für ihre Freizeittouren. Desgleichen gibt es einen zunehmen- den Verkehr mit Fahrgastschiffen auf Elbe und Havel.

Abbildung 34: Elbe und Havel

Quelle: eigene Aufnahmen, 2001

AEP Elbe 1 - Seite 219 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Abbildung 35: Touristische Infrastruktur

Quelle: eigene Darstellung unter Verwendung von Daten des Projekts „Blaues Band“

Neben den Rad- und Wassertouristen gibt es einen weitere besondere touristische Zielgrup- pe für die das Gebiet besonders interessant ist: Die Reiter. So wie sich die gesamte Altmark als Reitparadies vermarktet, gibt es auch in der AEP-Region seit Langem Initiativen zur För- derung des Reittourismus. Das Projekt „Sternreiten in der Altmark“, das auf eine Initiative der AEP Elbe 1 - Seite 220 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Verwaltungsgemeinschaft Arneburg-Krusemark zurückgeht und dort auch verantwortlich betreut wird, verbindet nunmehr auf ausgewiesenen Reitpfaden zahlreiche Pferdehöfe in der Altmark. Daneben gibt es in der Region zahlreiche ausgeschilderte Wanderwege, die zu Ausflügen durch die Natur einladen. Trotz dieser Aktivitäten ist natürlich auch in der AEP- Region der Pkw das verbreitetste Fortbewegungsmittel der Gäste und Erholungssuchenden.

6.2 Analyse der Ausgangssituation

6.2.1 Wirtschaft Eine Analyse der wirtschaftlichen Ausgangslage des Untersuchungsraums ergibt, dass die AEP-Region trotz der beschriebenen negativen ökonomischen Kennwerte auch zahlreiche positive Aspekte aufweist. Zu den Stärken bzw. Chancen der künftigen Entwicklung zählen:

- Verfügbarkeit junger, zum Teil gut ausgebildeter Arbeitnehmer,

- eine wirtschaftliche Basis kleiner und mittelständischer Betriebe,

- eine handwerkliche Tradition, insbesondere im agraraffinen Bereich,

- entstehende Zentren gewerblicher Produktion (z.B. Havelberg mit Polstermöbelwerk und Werft; auch positive Entwicklungen in Schönhausen und Osterburg),

- zunehmende Impulse aus sozialorientierten Wirtschaftsbereichen (von den Behinderten- werkstätten / Schönhausen bis zu Pflege- und Altenheimen),

- wachsender Dienstleistungssektor, insbesondere tourismusrelevante Einrichtungen,

- generelle Bedeutungszunahme regionaler Produkte und Leistungen (ein Beispiel dafür ist der relativ gut besuchte Bauernmarkt in Stendal),

- Potentiale im I&K-gestützten Servicebereich (z.B. Callcenter dank hochdeutsch spre- chender Bevölkerungssgruppen),

- zunehmende Chancen aus der Entwicklung der Informationsgesellschaft in Verbindung mit landschaftlicher Schönheit und Leerstandsquote,

- Hoffnungen auf geplante Großprojekte und deren Effekte; u.a. die Errichtung des Zell- stoffwerks auf dem Gelände des IGPA. Dennoch überwiegen – den derzeitigen wirtschaftlichen Fakten entsprechend – die negati- ven Aspekte in der ökonomischen Situation der Region:

- sehr hohe Arbeitslosenquote durch ausgeprägte strukturelle Beschäftigungsdefizite,

- zahlreiche Arbeitskräfte mit geringem Qualifikationsniveau bzw. nicht mehr nachgefrag- ten Spezialisierungen,

- einseitige Wirtschaftsstruktur, überwiegend primärer Sektor (Land-, Bauwirtschaft),

- Gesamtwirtschaft noch nicht erholt vom Strukturbruch der frühen 90er Jahre, zugleich betroffen vom künftigen Strukturwandel,

- im Bundesvergleich unterdurchschnittlicher Dienstleistungsanteil,

- Innovationsschwäche; geringe Technologieorientierung,

- geringe Fertigungstiefe; oftmals nur Lohnfertigung, AEP Elbe 1 - Seite 221 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

- wenig regionale Wertschöpfungsketten, insbesondere im agraraffinen Bereich,

- wenig außerregionale Investitionen; bedeutungslos im globalen Standortwettbewerb (ab- gesehen von möglichen Investments wie Flughafen und Zellstoffwerk),

- geringe Kapitaldecke der regionalen Unternehmen,

- wenige regionaltypische Marken (Produkte, Dienstleistungen),

- ausgeprägte Pendlerströme und hohe Abhängigkeit von anderen Wirtschaftsregionen. Insbesondere der letzte Punkt soll hier noch einmal eingehender analysiert. In der Tat gibt es starke Verflechtungen zu anderen Region, die Menschen pendeln vorwiegend in die Kreis- stadt Stendal, sowie weiter in die Magdeburger Region. Weiterhin bestehen trotz der relativ großen Entfernung Pendelbeziehungen in die westlichen Bundesländer. Dabei ist Ostnieder- sachsen vorwiegend das Ziel täglicher Auspendler, während die süddeutschen Regionen und Hamburg, aber auch schon die Hannover Region zahlreichen Menschen (insbesondere Auszubildenden) als Arbeits- und Wohnort in der Woche dienen. Im rechtselbischen Teil- raum hingegen ist die Sogwirkung des Berliner Wirtschaftsraums offensichtlich. Gleichzeitig bestehen hier traditionell eher kleinräumige Beziehungen in die benachbarten Regionen und Städte (Rathenow, Brandenburg/Havel, mittlerweile auch Bad Wilsnack). In einer Analyse der Pendlersaldi der Gemeinden werden gerade diese Verflechtungen deut- lich. Schollene, Kamern, Havelberg aber auch Werben weisen allesamt über 200 Auspendler mehr als Einpendler auf. Abbildung 36: Pendlerbeziehungen Gleichzeitig werden bei einer kartografischen Auswertung die innerregio-nalen Wirtschafts- beziehungen deutlich. Osterburg bietet mit über 3.000 Arbeitsplätzen nicht nur die meis- ten Beschäftigungsmöglichkeiten des Unter- suchungsraums; die größte Stadt der AEP- Region ist zugleich auch Ziel von fast 2.000 Einpendlern. Im Saldo pendeln so ca. 280 Beschäftigte in die Biesestadt ein. Bemer- kenswert ist, dass Storkau94 ein ähnlich hohes positives Pendlersaldo von ca. 275 Beschäftigten hat, somit fast 1/3 mehr als die Gemeinde überhaupt Einwohner hat. Mit Arneburg bietet eine weitere Gemeinde ein positiver Pendlersaldo von ca. 50 Beschäftigten. Die restlichen Gemeinden hingegen weisen eine negative Differenz auf, so dass die AEP-Region insgesamt fast 4.000 mehr Aus- als Einpendler verzeichnet.

Quelle: eigene Auswertung nach Informationen des Statistischen Landesamtes

94 Grund dafür ist v.a. das Christliche Jugenddorf Billberge; z.T. auch das Schloßhotel AEP Elbe 1 - Seite 222 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

6.2.2 Tourismus Die Analyse im Bereich Tourismus kommt zu dem Ergebnis, dass die AEP-Region nicht zu den Top-Fremdenverkehrsregionen wie die Küstengebiete oder die Alpenlandschaft gehört und auch nie gehören wird. Aber die Region verfügt über genügend touristische Potenziale und Alleinstellungsmerkmale, um in einem noch stärkerem Maße als bisher vom Fremden- verkehr zu profitieren. Die Stärken des Untersuchungsraums in diesem Bereich sind:

- Region mit ausgeprägter ländlicher Tradition und interessanter Geschichte (Hanse)

- Reiz der Peripherie: Charme eines abgeschiedenen und ursprünglichen Landstrichs

- viele historische Dörfer und Städte mit sehenswerter Bausubstanz, wie z.B. den Zeug- nissen der Romanik; Einbindung in die touristische „Straße der Romanik“

- gutes Fahrrad- und Reitwegenetz mit überregionalen Verbindungen; darunter der Elbe- radweg als „Autobahn“ des Radtourismuses

- wassertouristische Frequentierung mit weiteren Potentialen für Wasserwandern

- generell große Potentiale für Kultur-, Natur-, Sport- und Familienurlaub

- zahlreiche kulturelle Einrichtungen mit touristischer Außenwirkung (z.B. Hofmuseum Läu- fer in Klietz oder knapp außerhalb die englisch-sprachige Sommerschule Wust)

- Gebiet mit intakter Natur ohne große menschliche Eingriffe

- Elbe als Fluss nationaler Bedeutung und besonderer Naturraum, der als dynamische Flusslandschaft zu jeder Jahreszeit eine besondere Attraktivität besitzt

- Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“ als Markenzeichen und großer Standortfaktor In einer Befragung zum Tourismus im Biosphärenreservat wurde weiterhin festgestellt, dass die Besucher v.a. die Ruhe, den weiten Horizont und die idyllischen Dörfer schätzen. Außer- dem werden von Ihnen als besondere Attraktionen die so genannten „big five“ der regionalen Tierwelt (Adler, Störche, Biber, Gänse, Kraniche) geschätzt95.

Abbildung 37: Touristische Potentiale

Quelle: eigene Aufnahmen 2001

95 So Dr. Frank Neuschulz, Leiter der BioRes-Verwaltung „Flusslandschaft Elbe-Brandenburg“, Rüh- städt in seinem Beitrag auf der Konferenz zum ländlichen Raum im Juni 2002 in Wittenberge AEP Elbe 1 - Seite 223 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Demgegenüber bestimmen auch einige negative Aspekte das Bild des Tourismussektors in der Region:

- Es herrscht noch immer eine teilweise mangelhafte touristische Infrastruktur vor; auch wenn mittlerweile zahlreiche Einrichtungen und Voraussetzungen entstanden, fehlen be- stimmte Angebotssegmente.

- Trotz der intensiven Bemühungen ist das Marketing nicht ausreichend, um den traditio- nell eher geringen Bekanntheitsgrad der östlichen Altmark im Wettbewerb mit etablierten Ferienregionen in Ost und West wesentlich zu steigern.

- Dabei ist insbesondere von Nachteil dass die Region kein klassisches Ziel für Freizeit und Naherholung von Besuchern größerer Ballungsräume ist; dafür liegt das Gebiet zu weit entfernt von Berlin, Hamburg, Hannover und selbst Magdeburg, um ohne Zutun Ziel von Wochenendausflüglern zu sein.

- Obwohl gerade in dieser kritischen Entfernung auch die Chance auf Wochenendgäste liegt, sind die Übernachtungszahlen und somit auch die Einnahmen eher mäßig.

- Generell lassen die Gäste zu wenig Geld in der Region, was jedoch auch an den fehlen- den Möglichkeiten dafür (Gastronomie, Unterkünfte aller Kategorien, Wellness, Kultur) liegt; um nicht nur Transitregion (z.B. für Elberadwegtouristen) zu sein, müssen Angebote zum Verweilen existieren.

- Der Tourismus ist mit seinen Schwerpunkten Radeln und Reiten immer noch sehr saiso- nal ausgeprägt, auch wenn die dynamische Flusslandschaft der Elbe verschiedene Ge- sichter in den vier Jahreszeiten bietet; dieser Fakt und witterungsunabhängige Ange- botserweiterungen sollten genutzt werden.

- Nachteilig ist auch dass, die Region bis auf wenige Ausnahmen wie Havelberg und Tan- germünde keine überregional bekannten Sehenswürdigkeiten oder sonstige Besuchermagneten bietet.

- Abschließend ist anzumerken, dass die Tourismusentwicklung von der konstruktiven Lö- sung bestehender oder zukünftiger Konflikte, z.B. mit dem Naturschutz oder den geplan- ten Großprojekten abhängig ist.

Die genannten Defizite und Probleme sind allesamt durch gezielte Maßnahmen zu mindern oder gänzlich zu beseitigen. Dahingehend werden nach Leitbild bzw. Leitlinien für den Be- reich Wirtschaft und Tourismus prioritäre Handlungsempfehlungen formuliert.

AEP Elbe 1 - Seite 224 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

6.3 Leitbild Die regionale Entwicklung von Wirtschaft und Beschäftigung muss auf Basis solider kleiner und mittelständischer Unternehmen erfolgen, die unter Nutzung von Kooperations- und Inno- vationspotentialen flexibel auf ökonomische Leistungsanforderungen reagieren können. Da- bei sollten Schwerpunkte auf dem agraraffinen und tourismusnahen Bereich liegen, gleich- zeitig müsste eine zunehmende Orientierung auf Zukunftsfelder wirtschaftlicher und gesell- schaftlicher Entwicklung angestrebt werden – unter Berücksichtigung der aus den Großpro- jekten erwachsenden Chancen. Im Bereich Tourismus sind die bisherigen Bestrebungen zu unterstützen, die Region auf Na- tur-, Kultur- und Aktivurlaub zu spezialisieren. Dazu müssen Angebote (Wege, Einrichtun- gen, Touren) erweitert und die Vermarktung der Tourismusregion stetig verbessert werden.

6.4 Leitlinien und Handlungsempfehlungen Ausgehend von Analyse und Leitbild sind die nachfolgenden Leitlinien und Handlungsemp- fehlungen entwickelt worden, die sich zunächst mit der gesamten regionalen Ökonomie be- schäftigen und anschließend für den wichtigen Wirtschaftsbereich Tourismus konkretisiert werden:

- Innovation und Marktorientierung sind die regionalökonomischen Anforderungen für die Zukunft - gerade für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, welche die wirt- schaftliche Grundlage der Region bilden. Entsprechende Qualifikation und Spezialisie- rung bieten sich in den Bereichen Abwasser, Energie, I&K-Einrichtungen, Altenpflege und Tourismus an.

- Insbesondere in der Verbindung aller regionalökonomischen Bereiche zum prägenden Land- und Forstwirtschaftssektors liegen ungenutzte Potenziale; hier muss die regionale Fertigungstiefe durch Vernetzung und aktive Ansiedlungspolitik gestärkt werden. 96 - Durch eine gezielte Vernetzung der kleinen und mittelständischen Unternehmen in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen können wertvolle Synergieeffekte erschlossen wer- den und die Region zu einem leistungsstärkeren Kooperationsraum entwickelt werden. So muss die Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe, insbesondere zwischen Landwirt- schaft – Handwerk – Gastgewerbe angestrebt werden.

- Die Aktivitäten der Wirtschaftsförderung müssen professionalisiert und auf die Ansied- lung von benötigten Verarbeitungsunternehmen konzentriert werden. Insbesondere die unausgelasteten Gewerbegebiete benötigen ein besseres Marketing und sollten sich durch spezielle Angebotsprofile im Standortwettbewerb hervortun.97

- Eine verbesserte Vermarktung unter Betonung der besonderen Qualitäten bis hin zu ei- nem kompletten Regionalmarketing innerhalb des Regionalmanagements Altmark muss zugleich auch die touristischen Vorzüge präsentieren.

96 versucht wurde dies in Projekten vom Unternehmensnetzwerk Altmark e.V. (UNA) in Stendal 97 die Zusammenlegung der Wirtschaftsförderung des Landkreises und der Stadt Stendal mit den ent- sprechenden Aktivitäten des Buisness Innovation Centre in Stendal ist dafür ein wichtiger Schritt. AEP Elbe 1 - Seite 225 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

- Für den Tourismus sollte eine weitere Spezialisierung auf die 3 Segmente Natur-, Kultur- und Aktivurlaub erfolgen. Dies schließt alle Besuchergruppen wie Individualreisende, Familien und organisierte Reisegruppen ein.

- Dazu muss die touristische Angebotspalette von der technischen Infrastruktur über gast- ronomische und kulturelle Einrichtungen bis zur Erarbeitung und Vermarktung von Kom- plettangeboten weiter ergänzt werden.

Aus diesen Leitlinien und Handlungsempfehlungen ergeben sich im beschränkten Rahmen einer Agrarstrukturellen Entwicklungsplanung vor allem 5 Maßnahmenschwerpunkte:

- Verbesserung der regionalen Wertschöpfung im agraraffinen Bereich

- Nutzung von Innovationspotentialen im Bereich regenerativer Energien

- Nutzung von Innovationspotentialen im Bereich dezentraler Abwasserentsorgung

- Förderung von Freizeit und Urlaub auf dem Lande

- Verbesserung der Wegerouten für die aktive Erholung

6.5 Maßnahmen

6.5.1 Projekte im Bereich Wirtschaft Die genannten Maßnahmenschwerpunkte im Bereich Wirtschaft sind allesamt bereits in den vorngegangenen Kapiteln mit Projekten unterfüttert worden. Daher soll hier nur noch auf die Maßnahmen in den entsprechenden Kapiteln verwiesen werden. Die Verbesserung der regionalen Wertschöpfung im agraraffinen Bereich ist Schwerpunkt der beiden Maßnahmen im Kapitel Landwirtschaft:

- Möglichkeiten der Vermarktung am Beispiel der Schafhaltung im Biosphären- reservat

- Landschaftspflegerische Maßnahmen. Die Nutzung von Innovationspotenzialen im Bereich regenerativer Energien wird ebenfalls ausführlich im Kapitel 3 behandelt mit der Maßnahme „Nutzung regenerativer Energien“. Der Maßnahmenschwerpunkt „Nutzung von Innovationspotenzialen im Bereich dezentraler Abwasserentsorgung“ schließlich ist Inhalt des Leitprojekts „Innovative dezentrale Abwas- serentsorgung“ im Kapitel Siedlungsentwicklung und Infrastruktur. Somit werden im Bereich Wirtschaft keine weiteren Projekte vertieft. Dies darf jedoch keines- falls so verstanden werden, dass dieser Bereich von untergeordneter Bedeutung ist. Viel- mehr besitzen alle der bisher vorgestellten Maßnahmen aus anderen Themenbereichen zugleich auch immer einen starken wirtschaftlichen Aspekt.

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6.5.2 Projekte im Bereich Tourismus Auch für den Bereich Tourismus sind bereits in anderen Kapiteln, z.B. bei der Landwirtschaft oder beim Punkt Infrastruktur, Projektansätze und Ideen angedeutet und auch konkretisiert worden. Dies verdeutlicht – analog zum Bereich der gesamten Wirtschaft – den integrierten und vernetzten Ansatz der vorliegenden Planung. Einige Aspekte können hier allerdings noch vertieft werden. 6.5.2.1 Förderung von Freizeit und Urlaub auf dem Lande Die Förderung von Freizeit und Urlaub auf dem Lande umfasst eine Reihe von Maßnahmen- feldern und möglichen Projekten. In diesem Schwerpunkt wurden ganz bewusst die beiden Begrifflichkeiten Freizeit und Urlaub betont, da es neben dem klassischen Fremdenverkehr auch um andere Varianten der Freitzeitbeschäftigung geht. Gerade in der derzeitigen gesell- schaftlichen Entwicklungsphase, die von einigen Soziologen schon als Freizeitgesellschaft tituliert wird, wachsen die Bedürfnisse der Menschen an ihre Freizeitaktivitäten. Dabei kann der ländliche Naturraum nicht nur für die Bewohner vor Ort, sondern auch für die Masse der urbanen Bevölkerung zu einem vielfältigen Angebotsraum werden. Dies umfasst z.B.:

- Naturerlebnisse

- Sport, Fitness, Wellness

- Erkenntnissgewinn durch Kultur, Tradition, Bildung

- Suche nach sinnvoller, praktischer Beschäftigung (z.B. Sanierung historischer Gebäude)

- Realisierung alternativer Lebensformen bzw. alter Träume (Idealistische Motive) Diese Bedürfnisse sollten von den Akteuren im ländlichen Raum aufgegriffen und in Angebo- te umgemünzt werden. Die AEP-Region hat mit ihren Potenzialen – und ihren Defiziten – beste Vorraussetzungen dazu. Konkrete Handlungsfelder sind dabei: 1. Aktive Vermarktung leerstehender Bausubstanz und des gesamten ländlichen Lebens- raums für bestimmte Zielgruppen (gestresste Städter auf der Suche nach einem Ort der Ruhe für die Freizeit; Senioren auf der Suche nach einem idyllischen Altersruhesitz, jun- ge Familien auf der Suche nach einem alternativen Lebensmodell) 2. Betonung der kulturellen und naturräumlichen Besonderheiten durch Brauchtumspflege, Themenrouten und Vermittlung der bäuerlichen Lebensweise – insbesondere durch An- gebote wie Urlaub auf dem Bauernhof. 3. Schaffung der wesentlichen Voraussetzungen für sportliche Freizeitaktivitäten (von ei- nem Kurzangebot wie z.B. eine abendliche Inlineskatetour, über mehrtägiges Rad- oder Wasserwandern bis zu längeren Reiterferien und Wellnessangeboten) Auf den zuerst genannten Punkt wurde bereits im Verlauf dieser Ausarbeitung eingegangen; im Bereich Siedlungsentwicklung und Infrastruktur zielt das Leitprojekt zur Beseitigung von Gebäudeleerstand darauf ab. Das wesentliche Element des 2. Handlungsfeldes – der Urlaub auf dem Lande – wird im Kapitel Landwirtschaft in der Maßnahme Touristische Entwicklung abgehandelt; auf den Teilaspekt Themenrouten hingegen und auf den dritten Punkt soll sich im folgenden Maßnahmenschwerpunkt konzentriert werden. AEP Elbe 1 - Seite 227 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

6.5.2.2 Verbesserung der Wegerouten für die aktive Erholung Die Verbesserung von Wegen und Etablierung von Routen für die aktive Erholung ist ganz entscheidend für die touristische Vermarktung der Region – zugleich aber auch für die Le- bensqualität der Bewohner. Wie das Projekt des neuen Abschnitts des Elberadwegs zwi- schen Werben und Losenrade zeigt98, sind gerade auch die hier lebenden Menschen daran interessiert, unbekannte Ecken der Heimat und neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung für sich zu erschließen. So wie mit den Projekten also nicht nur der Gast der Region angesprochen ist, soll auch die aktive Erholung nicht nur die rein körperliche Betätigung beinhalten. Aktive Freizeitgestaltung ist gleichsam Kultur, Natur und Bildung erleben – sowie eben auch sportliche Ertüchtigung und Entspannung für Körper und Geist (Wellness). In diesem Sinne umfasst das hier vorge- stellte Maßnahmenbündel also alle Zielgruppen und Varianten der aktiven Erholung. Trotz dieser Fülle ist allen Projekten der Zusammenhang mit einem Weg bzw. einer Route gemein. Dabei geht es nicht immer nur um den Neu- oder Ausbau von Strecken, sondern auch um die bessere Nutzung, kulturelle Aufwertung oder professionellere Vermarktung von beste- henden Routen. Ein Projekt mit einer vordergründigen Ausrichtung auf eine sportliche Nutzung ist die Idee eines Rundkurses für Inlineskater im Raum Schönhausen. Wie beim erwähnten Radweg zwischen Werben und Losenrade ist auch hier die Mitbenutzung des landschaftlich äußerst attraktiven Deichverteidigungsweges angedacht. Auch wenn eine umfassende Sanierung des rechten Elbdeiches und somit auch eine Finanzierung eines Deichrad- und Skatewegs nicht in Sicht ist, kann zumindest schon jetzt auf eine spätere Befahrbarkeit der Deichvertei- digungswege hingewirkt werden. Für den Skater-Rundkurs können zunächst bereits ausge- baute Wege – wie der Altmarkrundkurs und die vorzüglichen Wege entlang der Neubaustre- cke der Deutschen Bahn (Stendal-Berlin) einbezogen. Ziel des Projekts ist es neben den Radfahrern eine neue Nutzergruppe für den Aktivurlaub in der Region zu gewinnen. Dabei sind sowohl Einheimische als auch Touristen angesprochen, wobei die recht günstige Lage an der besagten Bahnstrecke sowie die touristischen Potenziale (Elbdeich, Dammdörfer, Klietzer See, Bismarckmuseum99) vorteilhaft erscheinen. Dass es nicht unrealistisch ist, auch die unzähligen Inlineskate-Begeisterten aus dem Berliner Großraum für abendliche Kurztrips oder Wochenendausflüge zu gewinnen, zeigt das mittlerweile erfolgreiche Beispiel der Flä- ming-Skate-Strecke bei Luckenwalde / Brandenburg. Dieser sehr gut vermarktete Rund- kurs100 bietet Skatern und Radfahrern die Möglichkeit, 100 km auf teilweise neu gebauten Wegen durch Wälder und Felder abseits des Autoverkehrs zu rasen – ein Angebot, dass vorwiegend von Berlinern angenommen wird. Entsprechend unterstützt wird diese Initiative von gastronomische und sonstigen touristischen Anbietern – bis hin zu Sportgeschäften, die Inlineskates verleihen.

98 Eingehende Beschreibung bei weitere Projekte im Kapitel Siedlungsentwicklung und Infrastruktur 99 Nebenbei bemerkt, könnte gerade Bismarcks Wirken als Deichhauptmann zu einem Marketingin- strument werden 100 z.B. im Internet unter www.flaeming-skate.de, aber auch mit Werbespots in Berliner U-Bahnen AEP Elbe 1 - Seite 228 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Handelt es sich beim Skaterrundkurs um ein Vorhaben, dass die kulturhistorischen und na- turräumlichen Qualitäten nur am Rande vermarktet, ist das nächste Projekt explizit auf Wis- sensvermittlung im Bereich Umweltbildung ausgerichtet. Es handelt sich dabei um den Ener- gielehrpfad, der auch gleichzeitig Leitprojekt des LOCALE-Konzeptes der Verwaltungsge- meinschaft Arneburg-Krusemark ist. Hierbei sollen Kinder, Schulklassen oder sonstige Inte- ressierte zu Fuß oder per Fahrrad die Möglichkeit haben, anhand eines ausgeschilderten Lehrpfades die auf engem Raum gelegenen Beispiele aus der Welt der Energie – von der Nutzung regenerativer Energien über den sparsamen Einsatz bis hin zum ehemaligen Kern- kraftwerksstandort – hautnah erleben zu können. Da für dieses Projekt zunächst nur wenige Wege ausgebaut werden müssen, ist es ein gutes Beispiel für eine Mitnutzung und Aufwer- tung vorhandener Radrouten (Altmarkrundkurs und Elberadweg). In einer zweiten Phase ist die Erweiterung des Lehrpfades bis nach Germerslage angedacht, wo das Leitprojekt einer energieeffizienten Modellsiedlung realisiert werden soll101. Weitere Ideen für themenorientierte Routen könnten in der kulturhistorischen Einzigartigkeit der Altmärkischen Wische (Landnahme des Menschen von den Deichbauten der Holländer im 13.Jahrhundert bis zum sozialistischen Aufbauprojekt in den 60er Jahren, das zahlreiche interessante Spuren102 hinterlassen hat) oder in einer Ergänzung der Straße der Romanik durch Wege der Romanik, die zu den zahlreichen Feldsteinkircken der Region führt. Generell sollte eine Verknüpfung mit den überregionalen Tourismusrouten angestrebt werden, um nicht Infrastruktur zu schaffen, die von keinem gefunden – oder nicht mal gesucht wird, da es am professionellen und gesamtheitlichen Marketing mangelt. Möglich wäre auch eine Erweiterung des bestehen- den Mühlenweges der Altmark, um weitere Mühlen- standorte in der Planungsregion anzuschließen. Mit Unterstützung der ländlichen Regionalberatung Altmark gibt es beispielsweise in Wanzer sehr große Bestrebungen, die verfallene Mühle des Ortes zu restaurieren und in das Dorf einzubinden. Da für die Sanierung sowieso ein kompletter Ab- und Wiederaufbau nötig ist, soll die Mühle auch einen neuen gemeindeeigenen Standort direkt an Elberadweg und Altmarkrundkurs bekommen, damit eine touristische Nutzung möglich wird.

Abbildung 38: Lage und Zustand der Mühle in Wanzer

101 Ausführliche Informationen dazu im Kapitel Siedlungsentwicklung und Infrastruktur 102 wie z.B. FDJ-Mosaike auf Pflasterstraßen AEP Elbe 1 - Seite 229 - Dezember 2002 Gemeinnütziges Unternehmen für die Entwicklung des ländlichen Raumes

Ein Vorhaben, dessen Route im Gegensatz zu den vorhergenannten nicht übers Land führt, ist das Projekt Wasserwandern auf dem Flußsystem Milde-Biese-Aland und im Trübengra- ben. Diese beiden kleineren Flüsse im AEP-Gebiet, sind im Unerschied zu Elbe und Havel wassertouristisch nicht erschlossen. Um das Wasserwandern in der Region attraktiver zu machen, wäre diese wasserseitige Vernetzung und Erschließung durchaus wünschenswert. Allerdings sind dabei zahlreiche wasserwirtschaftliche und naturschutzrechtliche Einschrän- kungen zu berücksichtigen. Im Bereich von Milde-Biese-Aland verhindern verschiedene Wehre und Brückenbauwerke eine bequeme Passage, im NSG „Garbe-Alandniederung“ ist das Befahren des Alands verboten. Interessenkonflikte mit dem Naturschutz wären auch auf dem Trübengraben (NSG „Jederitzer Holz“) zu klären, ebenso mit der Bundeswehr im Bereich des Klietzer Sees, bevor die Idee weiterverfolgt werden kann. Aufbauend auf Vorarbeiten der Tourismusförderung des Landkreises Stendal soll diese Problematik in Zusammenarbeit mit dem Landkreis und der Regionalberatung Altmark vertieft werden. Abbildung 39: NSG Jederitzer Holz

Schließlich soll in diesem Maßnahmenschwerpunkt ein weiteres Projekt anderer Akteure aufgelistet werden. Es handelt sich dabei wiederum ein Projekt der Koordinierungsstelle der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft zur Zusammenarbeit im Elbetal. In Kooperation mit einem Touristik-Projektbüro in Niedersachsen wurde das Marketinginstrument „Tourismusband El- be“ ins Leben gerufen. Dabei geht es um die Förderung und Vermarktung eines umweltbe- wußten Fremdenverkehrs im Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“ – beispielsweise über die Organisation geführter Fahrradtouren unter dem Namen „Die grenzenlose Elbpartie“ oder über die Prämierung umweltverträglicher Hotel- und Gastronomiebetriebe.

Abbildung 40: Auszug aus dem Flyer zum „Tourismusband Elbe“