Projekt Erblehensee Umgestaltung und Anbindung des Erblehensees an den

Gewässer- und Habitatentwicklung/ Ökologischer Hochwasserschutz/ Ökologische Aufwertung des Neckars/ auf Gemarkung / Neckar

Projekt „Erblehensee“

Projektentwicklung als Bestandteil von „artery“

Das Projekt Erblehensee ist Teil des europäischen Gesamtprojektes „artery- Flusslandschaften der Zukunft“, in welchem 5 europäische Partner- Regionen gemeinsam und im Austausch von Ideen und Erfahrungen nach neuen Wegen für die Entwicklung von Flusslandschaften suchen. Ausgangspunkt für das Projekt der Region war zunächst eine im Jahr 2000 von der Gewässerdirektion Neckar beauftragte Studie zur Hochwasserströmung des Neckars im Abschnitt Wernau (Universität Karlsruhe – Institut für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik) sowie eine städtebaulich / landschaftsplanerische Konzeption zur Talraumentwicklung (Landschaftsarchitekten Pfrommer + Roeder – Stuttgart) im Auftrag der Stadt Wernau.

Diese Maßnahmen gingen in der interkommunalen Planung „Grüninitiative Neckarpark“ auf, welche die Städte und Gemeinden Wernau, und unter der Federführung des Verbandsbauamtes Plochingen erstellten.

Altbach

Deizisau Plochingen

Abb.: Wernau Grüninitiative Neckarpark Lageplan mit Markierung des Bereiches Erblehensee

Wegen seines interkommunalen Ansatzes und seiner Entwicklung aus dem übergeordneten Gesamtkonzept „Lebensraum Neckarpark“ eignete sich die „Grüninitiative Neckarpark“ als Beispiel für eine zukunftsweisende Entwicklung von stark städtisch geprägten Flusslandschaften.

Der Verband Region Stuttgart hat das Projekt daher im Benehmen mit den Städten und Gemeinden Wernau, Plochingen, Altbach und Deizisau sowie der Gewässerdirektion Neckar (ab 01.01.2005 Regierungspräsidium Stuttgart - Landesbetrieb Gewässer) zur Grundlage für die Beteiligung am Artery-Projekt gemacht.

Das Gesamtprojekt „artery“ beinhaltet folgende Teilprojekte: - eine integrierte Entwicklungsplanung für das Gesamtgebiet von ca. 9 km entlang des Neckars auf der Basis der „Grüninitiative Neckarpark“ - einen transnationalen Wettbewerb für Studierende - das Projekt Erblehensee als Beispiel für die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung zukunftgerichteter Ansätze

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Projekt „Erblehensee“

Der Erblehensee – Relikt des Neckarausbaues

Die früher mehrere 100 m breite dynamische Fluss-Aue des Neckars mit Überschwemmungsmulden, Kiesbänken, Stillwasserzonen und Fließwasserarmen mit einer Vegetation in unterschiedlichsten Sukzessionsstadien bis zum Auenwald wurde über viele Jahrhunderte verändert. Vor dem Bau des Neckardammes in den 60er- Jahren war der heutige Erblehensee oberhalb von Wernau ein Teil dieses Fluss-Systems.

Mit dem Ausbau des Neckars zur Steigerung der Hochwasser-Abflussleistung auf 975 m³/s und dem Bau des Neckardammes in den 60er- Jahren ist die Neckarsohle gegenüber dem alten Sohlniveau tiefer gelegt und die Einengung des Flusses auf das heute bestehende Profil vollzogen worden. In der Folgezeit hat sich die Neckarsohle um bis zu 1 m weiter eingetieft und musste durch Querbauwerke stabilisiert werden.

Dabei sind natürliche Uferpartien verloren gegangen und das Biotopverbund-System entlang des Flusses beeinträchtigt worden. Der durch den Damm abgetrennte Bereich wurde zum Stillwasserbereich verändert, dem heutigen Erblehensee.

Abb.: Baustellenbilder 1963 - 1964 Fotos: Otmar Boxler Früheres Wasserwirtschaftsamt Kirchheim

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Projekt „Erblehensee“

Ziele des Projekts und Ergebnisse der Voruntersuchung

Im Jahr 2003 eröffnete sich aus der Gunst der örtlichen Rahmenbedingungen eine Möglichkeit, den abgetrennten Erblehensee wieder dem Fließgewässer Neckar zurückzugeben. Die Initiative der Projektpartner setzte sich als Ziele, die vorhandenen Schutzgebietsflächen des NSG „Wernauer Baggerseen“ um ökologische Elemente und Habitatstrukturen zu ergänzen und gewässerökologische Verbesserungen für den Neckar herbeizuführen. Unter dem Eindruck der Rahmenbedingungen wurde, um Eingriffe in Natur und Landschaft nach Möglichkeit zu vermeiden und unvermeidbare Eingriffe zu minimieren, die räumliche Ausdehnung des Projekts auf das Notwendige begrenzt. Erste Varianten zielten insbesondere auf die Frage, ob sich eine Öffnung des Neckardammes und Aufweitung des Flussprofils bei Hochwasser mit den naturschutzrechtlichen Grundsätzen in Einklang bringen lassen.

In einer Aufweitung des Neckars und damit verbundenen Konsequenzen für die Natur wurden zwei grundsätzliche Ansätze als denkbar angesehen:

- Eine temporäre Durchströmung eines höherliegenden und so verbleibenden Stillgewässers Erblehensee bei Hochwasser des Neckars - Eine ständige Durchströmung des Erblehensees und Entwicklung von Fließgewässerbiotopen zur Stärkung des Ökosystems Neckar.

Für letztere Lösung standen wiederum folgende Möglichkeiten offen:

- Die Anhebung des Wasserspiegels des Neckars durch die Anlage einer rauen Rampe, um so die Höhendifferenz zwischen der tiefer liegenden Flusssohle und dem höher liegenden Erblehensee zu überwinden - Die Angleichung des Sohlenniveaus durch einen tieferen Aushub im Bereich des Erblehensees.

Abb.: Lageplanskizze der Zielvariante

Weil neben der Anhebung des Wasserspiegels durch eine raue Rampe zusätzlich auch eine Wiederanhebung der Flusssohle erreicht werden konnte, hat sich die Arbeitsgruppe die Verwirklichung dieser Variante zum Ziel gesetzt.

Damit war - wie in allen weiteren erörterten Varianten – u.a. auch verbunden, dass

- sich mit der Aufweitung des Neckarprofils die hydraulische Leistungsfähigkeit erhöht und im Hochwasserfall ein größerer Retentionsraum zur Verfügung steht. - sich der Neckar wieder seinem Verlauf vor Errichtung des Neckardamms annähert, die südlichen Uferbereiche wieder ihrer früheren Zweckbindung zugeführt werden und die dort vorhandenen Uferböschungen und -biotope erhalten werden. - der bestehende Bahndamm nicht tangiert wird.

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Projekt „Erblehensee“

Planungsprozess

Seit der Annahme des Projektes durch die EU wurde das Projekt Erblehensee durch eine Arbeitsgruppe, die sich aus Vertretern des Verbands Region Stuttgart, des Regierungs- präsidiums Stuttgart (Wasserwirtschafts- und Naturschutzverwaltung), der Stadt Wernau, den zuständigen Fachbehörden des Landratsamtes sowie aus Vertretern des privaten Naturschutzes und des Fischervereins Wernau zusammensetzt, betreut.

Die Federführung im artery- Projekt oblag dem Verband Region Stuttgart, die Leitung der Arbeitsgruppe Erblehensee dem Regierungspräsidium Stuttgart – Landesbetrieb Gewässer (bis Ende 2004 Gewässerdirektion Neckar – Bereich Kirchheim u.T).

Der Planungsauftrag erging im Jahr 2004 durch den Verband Region Stuttgart und die Gewässerdirektion Neckar. Als Planer und Fachgutachter wurden eingebunden:

Objektplanung / FFH-Vorprüfung / UVP-Vorprüfung / Objektüberwachung Pfrommer + Roeder, Freie Landschaftsarchitekten BDLA IFLA Stuttgart

Bodenuntersuchung - Fremdüberwachung Bodenabtrag BWU – Kirchheim u.Teck

Hydraulik - Erosionsschutz Winkler und Partner GmbH - Beratende Ingenieure, Stuttgart

Hochwasserstudie Universität Karlsruhe – Institut für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik

Vermessung - Beweissicherung Metzger GmbH, Kirchheim - Wernau

Den im Rahmen eines wasserrechtlichen Verfahrens von den Antragstellern Verband Region Stuttgart, Regierungspräsidium Stuttgart und Stadt Wernau eingereichten Plänen und Untersuchungen für den „Abtrag des Dammes zwischen Neckar und Erblehensee, für die Herstellung von zwei Verbindungen zwischen Neckar und See sowie der Herstellung einer rauen Rampe und Anhebung des Wasserspiegels des Neckars“ wurde vom Landratsamt Esslingen am 02.05.2005 die Plangenehmigung erteilt. Gleichzeitig erfolgte die naturschutzrechtliche Befreiung, Erlaubnis und Ausnahme- genehmigung zur Umsetzung der Maßnahmen innerhalb des Naturschutzgebiets „Wernauer Baggerseen“ durch das Regierungspräsidium Stuttgart.

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Projekt „Erblehensee“

Naturschutzgebiet „Wernauer Baggerseen“

Mit Ausnahme des Neckardamms als Ingenieurbauwerk sind die Flächen des Erblehensees und Umgebung Teil des Naturschutzgebiets „Wernauer Baggerseen“. Dieses Gebiet, dessen Flächen im Wesentlichen in den Restseen des früher praktizierten Kiesabbaues nördlich des Neckars liegen, gilt als eines der größten und wertvollsten Schutzgebiete im Bereich „Mittlerer Neckar“ und ist als IBA – important bird area (europ. Vogelschutzgebiet) - eingestuft.

Der Erblehensee und die auf Gemarkung angrenzenden Stillgewässer- Sekundärbiotope südlich des Neckars waren durch ihren hochgewachsenen umschließenden Baumbestand in ihrer Bedeutung als Lebens- und Nahrungsraum für Großvögel eingeschränkt.

Eine Öffnung dieses Baumgürtels in Folge des geplanten Rückbaues des Neckardamms am Erblehensee und die mit einer Aufweitung des Neckars verbundene erhöhte Biodiversität ließ erwarten, dass das neu entstehende Flussbiotop nach § 32 NatSchG Baden-Württemberg von höherer Bedeutung ist als die Gehölze an der Uferböschung des Erblehensees.

Abb.: Die Registriernummern des Gebiets nach der Gebietsmeldung des Landes Baden-Württemberg zum europäischen Naturschutz-System „NATURA 2000“ (magenta: FFH-Nummer / blau: Vogelschutz-Nummer). Die Lage des Erblehensees im Gebiet ist zusätzlich gekennzeichnet.

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Projekt „Erblehensee“

Der Neckar kehrt in sein altes Flussbett zurück – positive Wirkungen für die Gewässer- und Habitatentwicklung

Die realisierten Maßnahmen haben werterhöhende Bedeutung für das Ökosystem Neckar und für die angrenzenden Schutzgebiete:

1. Der Neckardamm wurde abgesenkt und der Erblehensee als Retentionsraum des Neckars zurückgewonnen (Erste Baustufe 2005). Das Herzstück, eine rund 40 Meter lange und flach geneigte naturraue Rampe aus tonnenschweren Kalksteinblöcken mit integrierter Stahlspundwand, bewirkt eine Anhebung des Neckarspiegels, so dass ein Teil des Neckarwassers in den wieder zum Seitenarm umgestalteten Erblehensee fließen kann. Der frühere See als neues Fließgewässer wird so wieder ständig vom Neckar durchströmt und es kann sich dort wieder ein typischer Fließgewässerlebensraum entwickeln. Die sanft geneigten Rampen im neuen Seitenarm und im Neckar soll es Fischen und anderen Wasserorganismen ermöglichen, nicht nur durch den neuen Neckarseitenarm zu wandern, sondern auch im Neckar selbst die Wasserspiegeldifferenz von 1,30 Metern in beide Richtungen zu überwinden. Darüber hinaus wird der neue Seitenarm bei Hochwasser geflutet. So können einige Zehntausend Kubikmeter neuen Retentionsraums aktiviert werden.

2. Die Reste des früheren Neckarufers mit Steilufern und dem alten Baumbestand am Südufer des Erblehensees blieben bestehen und sollen einer natürlichen Entwicklung überlassen bleiben. Dasselbe gilt für die daran angrenzenden Vegetationsflächen bis zum Bahndamm.

3. Der die Schutzziele im Naturschutzgebiet störende Uferweg auf der Südseite des Neckars wurde mit dem Abtrag des Neckardammes unterbrochen. Zukünftig wird die Wegeverbindung entlang des Neckars auf der Nordseite konzentriert.

4. Mit der Wiederherstellung eines ehemaligen Uferbereichs wurde ein Beitrag zur Renaturierung des kanalisierten Flusses in einem Teilbereich geleistet und ein naturnahes Fließgewässerbiotop wiederhergestellt.

5. Mit der Kiesinsel im Fluss und der Ausweitung einer amphibischen Senke auf der Ostseite des ehemaligen Erblehensees sind neue Bruthabitate im Naturschutzgebiet entstanden.

6. Der Biotopverbund im Gewässer und der Fischaufstieg sind mit der rauen Rampe selbst bei Niedrigwasser stets gesichert.

7. Die langsamere Fließgeschwindigkeit im neuen Seitenarm ermöglicht Schutzbereiche für den Fischbestand außerhalb der Hochwasserströmung.

8. Das ökologische Gleichgewicht im ehemaligen Erblehensee litt unter den Sauerstoffdefiziten im Sommer, die durch Verschlammung über den Laubeintrag der letzten 40 Jahre entstanden. Mit der Durchführung des artery-Projektes wurde der Erblehensee entschlammt.

Abb.: Konzeptskizze als Schnitt durch den Neckar und den Erblehensee

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Projekt „Erblehensee“

Bauausführung

Bauträger des Projekts waren das Regierungspräsidium Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Stadt Wernau /Neckar. Wegen der zeitlich gestaffelten Mittelbereit- stellung mussten die Bauarbeiten in zwei Baustufen ausgeführt werden.

Baustufe 1 – Ausführung Herbst 2005

Die Baustufe 1 umfasste den Abtrag des Neckardammes, die Vorbereitung der Durchströmungsrinne durch den Erblehensee und die Entschlammung und Absenkung seiner Sohle.

Abb.: Aufgrund einer Niedrig- wasserphase des Neckars konnte der Abtrag ohne Störungen vonstatten gehen

Nach einer Konditionierung des südlichen Neckaruferweges zur Benutzung als Zufahrt begannen die Bauarbeiten am Erblehensee mit dem Abtrag des Neckardammes von der West- zur Ostseite. Der Abtrag um ca. 4 m auf eine festgelegte Zwischenhöhe und die Abfuhr des Bodenmaterials wurden durch Bodenproben kontinuierlich überwacht, da das Dammschüttmaterial teilweise mit Schadstoffen verunreinigt sein konnte.

Abb.: Mit dem Abtrag entsteht neues Tiefland in der Breite des ursprünglichen Neckardammes

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Projekt „Erblehensee“

Ablass und Abfischung des Erblehensees

Da die Sohle des Erblehensees auf einem höheren Niveau als der Niedrigwasserspiegel des Neckars lag, konnte der See auf natürliche Weise abgelassen werden. Hierfür wurde ein Teil des noch verbliebenen Trenndammes entfernt. Mit dem Ablassen des Sees wurden Sicherungsmaßnahmen und Warnschilder um die gesamte Seefläche angebracht, die vor einem Zutritt in die verschlammte Seesohle warnten.

Am 07.10.2005 folgte die Abfisch-Aktion des Fischereivereins Wernau. Der Fischbesatz (Hechte, Karpfen, Aale etc.) wurde in der Rinne des Auslasses gekäschert und in einen der umliegenden Seen verbracht.

Abb.: Eine Vielzahl von Helfern des Fischereivereins Wernau sorgte für eine fachmännische Abfischung

Abb.: Die Arbeit im verschlammten Sediment erforderte ungewöhnliche Techniken und Balancegefühl

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Projekt „Erblehensee“

Lageplan auf Luftbildmontage

NSG Wernauer Baggerseen Neuer Uferweg

Raue Rampe

Neue Neckarinsel

Seitenarm Ehem. Erblehensee Bahnlinie

Verfasser: Pfrommer + Roeder Freie Landschaftsarchitekten BDLA IFLA Stuttgart

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Projekt „Erblehensee“

Entschlammung Erblehensee

Abb.: Der Schlamm zeigte bereichs- weise flüssige Konsistenz und konnte nicht ohne weiteres transportiert werden

Weil der Schlamm in verschiedenen Abschnitten sehr wasserhaltig war, konnte ein Abtransport nur nach einer Konsolidierung mit Zugabe von Sand erfolgen. Deshalb wurde entschieden, einen Teil des Schlamms vor Ort zur weiteren Entwässerung zwischen zu lagern. Hierfür konnte im Baufeld eine Schlammwanne abgegrenzt werden.

Ausformung der zukünftig umströmten Neckarinsel

Die Gestaltung der zukünftigen Insel wurde anhand der vorgefundenen Boden- bedingungen abschließend festgelegt und modelliert. Es wurde beschlossen, den vorhandenen und intakten Uferschutz entlang des Neckars (Steinpackungen und Drahtmatten) in weiten Teilen zu belassen und zur Ufersicherung weiter zu nutzen. Auf der Sohle des ehemaligen Erblehensees und im Bereich des abgetragenen Neckardammes wurde nun die Durchströmungs-Rinne gebaut. Alle Flächen, auf denen der anstehende Knollenmergel erreicht oder angeschnitten wurde, erhielten eine Abdeckung mit einer 20 cm hohen Kiesschüttung.

Abb.: Die Einströmrinne wurde im vorhandenen Knollenmergel ausprofiliert und mit Kies abgedeckt

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Projekt „Erblehensee“

Das neu entstandene Inselniveau lag mit 252,80 m üNN über 4 m unter der bisherigen Dammkrone des Neckardamms. Bis auf einen kleinen Trenndamm wurde der Inselkopf an der Einströmstelle hergestellt und mit Steinpackungen gegen Erosion gesichert.

Abb.: Der zukünftige Inselkopf wurde mit Steinpackungen gesichert. Drei Baumweiden der ehemaligen Uferlinie des Erblehensees konnten erhalten werden.

Bei mehreren Winter- und Frühjahrs-Hochwasserereignissen 2006-2007 hat sich das im hydraulischen Gutachten der Universität Karlsruhe prognostizierte Fließverhalten des Neckars bestätigt. Die Profilierung der Durchströmungsrinne sowie die Uferbefestigung und Inselprofilierung wurden den Anforderungen in vollem Umfang gerecht.

Abb.: Hochwasser im Februar 2006. Die Insel ist weitgehend überströmt Foto: Appl

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Projekt „Erblehensee“

Baustufe 2 – Ausführung Herbst 2006

Die Baustufe 2 umfasste den Bau der rauen Rampe zur Anhebung des Wasserspiegels des Neckars, die endgültige Ausprofilierung des neuen Neckarseitenarms und dessen Öffnung in den Neckar sowie die Ausmodellierung der Neckarinsel und der Uferbereiche zu naturnahen Lebensräumen.

Raue Rampe

Das ausführende Bauunternehmen hat sich bei der Herstellung der ca. 40 m breiten und 40 m langen rauen Rampe mit integrierter Stahlspundwand für eine trockene Bauweise mit einem temporären Umströmungsbauwerk entschieden.

Hierzu wurde oberhalb des Baufeldes der rauen Rampe ein Querdamm aus Stein- und Erdmaterial über die gesamte Breite des Neckars gebaut, der den Fluss in den Erblehensee umlenkte. Unterhalb des Baufeldes wurde sodann eine Interimsöffnung zwischen Fluss und See gebaut, durch die der Neckar wieder in sein Hauptbett zurückfließen konnte. Mit Hilfe von Betonrohren und einer Schotterauflage wurde dort eine für schwere Baufahrzeuge befahrbare Überfahrt hergerichtet. Nach Herstellung der Spundwand, die als Sohlstabilisierungselement der rauen Rampe ca. 2,5 m tief in das Bett des Neckars gerammt wurde, und nach Errichtung eines zweiten Querdamms, der einen Wasserzutritt in das Baufeld von der Gegenseite verhinderte, wurden die Wassermengen aus der entstandenen temporären „Wanne“ abgepumpt und die Sohle des Neckars für die Steinpackungen der rauen Rampe und deren Sohlnachbettsicherung ausgekoffert.

Abb.: Die Spundwand im trockengelegten Neckarbett, dahinter der Querdamm

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Projekt „Erblehensee“

Abb.: Die Flussbaustelle während des Baus der rauen Rampe. Im Vordergrund die verrohrte Überfahrt der temporären Umströmung des Baubereichs raue Rampe

Auf die Sohle des Flussbettes wurde ein Geotextil verlegt und mit einer ca. 0,2 m starken Schotterschicht bedeckt. Mit einem Langarmbagger (Auslegerlänge 18 m) wurden darauf Weißjura-Kalksteinblöcke mit Kantenlängen bis zu 1,2 m einzeln versetzt und verkeilt. Ein zweiter Bagger wurde zum Vorsortieren der Steine nach Größe eingesetzt. Den Abschluss der rauen Rampe bildete eine Nachbettsicherung. Insgesamt wurden fast 6000 Tonnen heimisches Jurakalkgestein in der rauen Rampe und für die Ufersicherung verbaut.

Abb.: Die Steinpackung wurde mit Grobschotter über- worfen, um die Verkeilung zu unterstützen.

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Projekt „Erblehensee“

Profilierung der neuen Ausströmrinne und Abtransport des Schlamms

Abb.: Die Sohle und Böschungs- flächen der Ausströmrinne wurden mit Steinschüttungen abgedeckt

Parallel zu den Arbeiten an der rauen Rampe wurde mit dem Aushub der neuen Ausströmrinne vom Erblehensee zum Neckar begonnen.

Dank der Zwischenlagerung war der vormals wässrige Schlamm konsolidiert und stichfest und in vielen Bereichen auch standfest, so dass er abtransportiert werden konnte. Aus diesem Material wurde u.a. ein Lärmschutzwall auf der gegenüber liegenden Neckarseite zwischen dem NSG „Wernauer Baggerseen“ und der Bundesstrasse B313 mit der notwendigen Vegetationsschicht versorgt.

Auf der Sohle des Erblehensees wurde die begonnene Profilierung der Strömungsrinne fortgeführt. Die neuen Uferböschungen wurden im unteren Bereich mit Jurakalksteinen gesichert. Durch die Abgrabung sind Steiluferbereiche entstanden, die speziellen Arten wie dem Eisvogel Brutstätten und Lebensraum bieten.

Abb.: Der Neckar fließt durch den neuen Seitenarm.

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Projekt „Erblehensee“

Modellierung des Inselrückens und Fertigstellung der Überströmkante

Die Uferlinie zum Neckarseitenarm wurde naturnah konturiert und mit Kiesbänken und Flachwasserzonen gestaltet. Auf dem Inselrücken entstanden flache Kiesmulden. Somit sind die Voraussetzungen für die naturnahe Entwicklung eines Fließgewässerbiotops geschaffen – die weitere Ausformung der Insel wird der Fluss selbst durch seine Dynamik vornehmen.

Abb.: Die Betonrohre der Überfahrt wurden ausgebaut und die Seitenarmmündung in den Neckar als flach geneigte raue Rampe mit Jurakalksteinen hergestellt.

Schließlich wurde die neue Seitenarmmündung mit Steinpackungen so ausgebildet, dass sie mit dafür eingerichteten Einsatzfahrzeugen des Landesbetriebs Gewässer beim Regierungspräsidium Stuttgart bei Notfällen überquert werden kann.

Abb.: Fertiggestellte Ausströmrinne im April 2007. Der diesseitige Neckaruferweg ist unterbrochen. Ein öffentlicher Zugang zur neuen Neckarinsel ist nicht mehr möglich.

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Projekt „Erblehensee“

Wegesanierung

Der Neckaruferweg, der als Bauzufahrt konditioniert worden war, wurde abschließend wieder zurückgebaut und mit einer Verschleißschicht versehen. Die Zufahrt wurde wieder mit einer Schranke versperrt.

Abb.: Mit Wendeplatte und Schranke wird der Uferweg zukünftig am Naturschutzgebiet enden.

Sanierung des Uferwegs zwischen Wendlingen und Wernau

Parallel zu den Arbeiten am Projekt Erblehensee wurde auf der linken Flussseite der vorhandene Uferweg auf dem Neckardamm zwischen Wendlingen und Wernau für die höhere Nutzungsfrequenz saniert. Mit den Sanierungsmaßnahmen von September bis November 2006 entstand ein stabiler Uferweg in wassergebundener Decke mit durchgehender Querprofilierung. Mit dem Ausbau wurden Verweilangebote und Informationstafeln des Naturschutzes ergänzt. Dieser neu ausgebaute Uferweg soll den jetzt durch Seitenarm und Neckarinsel unterbrochenen Uferweg auf der rechten Neckarseite zwischen Wendlingen und Wernau ersetzen.

Abb.: Die Vertreter der Bauträger bei einer Begehung zur Festlegung von Verweilbereichen und Sicht- fenstern

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Projekt „Erblehensee“

Finanzierung

Die Maßnahme wurde finanziert durch Mittel der Europäischen Union, des Landes Baden-Württemberg, dem Verband Region Stuttgart, der Stadt Wernau und den artery- Partnerkommunen Plochingen, Altbach und Deizisau.

Für die Umsetzung von Planung und Ausführung der Gesamtbaumaßnahme wurde ein Kostenvolumen von brutto 1,059 Mio. € erforderlich, das wie folgt finanziert wurde:

• Europäische Union € 180.000 • Land Baden-Württemberg - Umweltministerium Baden-Württemberg € 300.000 - RP Stuttgart – Landesbetrieb Gewässer € 150.000 - Glücksspirale € 150.000 - Ministerium für Ernährung und Ländlicher Raum Baden-Württemberg € 454.000 - Stiftung Naturschutzfonds € 284.000 - RP Stuttgart - Naturschutzmittel € 170.000 • Verband Region Stuttgart mit Stadt Wernau und den Artery-Partnerkommunen Plochingen, Altbach und Deizisau € 125.000

€ 1.059.000 Ausblick

Mit dem Projekt Erblehensee ist das Stillgewässer Erblehensee als neuer Seitenarm des Neckars zu einem Fließgewässerbiotop entwickelt worden. Die naturnah ausgeformten Uferbereiche mit Kiesbänken, Flachwasserbereichen und steilen Uferpartien bieten Habitatstrukturen, die es im Naturschutzgebiet „Wernauer Baggerseen“ in dieser Form bislang nicht gegeben hat. Dazu kommt eine Aufwertung des Flussabschnitts mit neuen Flucht- und Schutzzonen für Fische bei Hochwasserereignissen. Mit der Dynamik des Neckars wird sich in den kommenden Jahren ein neues natürliches Strukturgleichgewicht im Neckar und in seinem wieder zurück gegebenen Seitenarm einstellen.

Abb.: Mit der natürlichen Sukzession der Ufervegetation und der Dynamik des Neckars wird sich die neu entstandene „Kiesbank“ des Neckars standortgerecht weiterentwickeln. Foto: Appl

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Projekt „Erblehensee“

Abb.: Pressetermin zur Baustufe 1 am 24.10.2005 mit Enthüllung des artery-Steines v. l: Herr Bürgermeister Kehle, Stadt Wernau, Herr Bürgermeister Beck, Stadt Plochingen, Herr Regionaldirektor Dr. Steinacher, Verband Region Stuttgart, Herr Regierungsvizepräsident Kreuzberger, Regierungspräsidium Stuttgart

Bildnachweis: Pfrommer + Roeder sowie bei den Abbildungen genannten Quellen

Bauträger: Land Baden-Württemberg vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart Abteilung Umwelt - Landesbetrieb Gewässer - Referat Naturschutz und Landschaftspflege Verband Region Stuttgart Stadt Wernau / Neckar im Benehmen mit: NABU Kreisverband Esslingen Fischereiverein Wernau

Planung / Objektüberwachung Pfrommer + Roeder, Freie Landschaftsarchitekten BDLA IFLA, Stuttgart

Fachplanungen Universität Karlsruhe - IWK Ing-Büro BWU Kirchheim u.Teck Ing-Büro Winkler und Partner GmbH, Stuttgart Ing-Büro Metzger GmbH, Kirchheim u.Teck

Genehmigung / Bauüberwachung Landratsamt Esslingen

Ausführung Baustufe 1: Firma Karl Fischer GmbH + CO OHG, Weilheim / Teck Baustufe 2: Firma Nacken Landschaftsbau Steißlingen GmbH, Steißlingen

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