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DIE WIENER MODERNE

Ornament und Experiment

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades einer Magistra der Philosophie der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Heidrun PRODINGER

am Institut für Kunstgeschichte

Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Dr.phil. Josef Ploder

Graz, 2014

Inhaltsverzeichnis

VORWORT 3

DER JUGENDSTIL 5

TECHNIK UND KONSTRUKTION 7 EINFLÜSSE UND ENTSTEHUNG 9 ARTS AND CRAFTS EXHIBITION SOCIETY 10 MOTIVE UND IHR URSPRUNG 12 AUSBREITUNG 14 ORNAMENTALE JUGENDSTIL 15 GEOMETRISCHE JUGENDSTIL 18

DIE ZEIT DER WIENER MODERNE 20

POLITISCHE SITUATION 21 REVOLUTION! 21 DIE DOPPELMONARCHIE 24 DER UNTERGANG 26 ZEITGEISTIGE SITUATION 28 DER WIENER IM GEISTE 28 DER WIENER KÜNSTLER 29 WIEN ALS HAUPTSTADT DER MODERNE 32 ARCHITEKTONISCHE SITUATION 33 NATIONALARCHITEKTUR ODER NICHT 33 WIENER ARCHITEKTUR DER MODERNE ZWISCHEN ORNAMENT UND EXPERIMENT 35

DIE ARCHITEKTUR DER WIENER MODERNE 37

DIE RINGSTRAßE UND IHRE KRITIKER 39 KUNSTHISTORIKER DER ZEIT 42 DIE ORNAMENTALE MODERNE 45 DIE 48 DAS PRINZIP 50 DIE FASSADE 51 53 DIE GEOMETRISCHE MODERNE 57 DAS NEUE ARCHITEKTURBILD 57 OTTO WAGNER 62 RINGSTRAßENPERIODE 62 ORNAMENTALE PERIODE 63 KLASSISCHE PERIODE 69 DIE WAGNERSCHULE 74 JOSEF HOFFMANN 76 ORNAMENTALE PERIODE 77 GEOMETRISCHE PERIODE 80 WIENER WERKSTÄTTE 84 86

1 IMPULSGEBER DES 20. JAHRHUNDERTS 88

ORNAMENT UND EXPERIMENT 90

NATUR UND ARCHITEKTUR 91 ARCHITEKTUR UND ORNAMENT 93 ORNAMENT UND EXPERIMENT 97 EXPERIMENTELLE ARCHITEKTUR 98 EXPERIMENT UND OLBRICH 100

EXPERIMENT UND UTOPIE 111

UTOPIE UND WAGNER 111 UTOPIE UND DIE WAGNERSCHULE 119

SCHLUSSBETRACHTUNG 124

ABBILDUNGSVERZEICHNIS 125

LITERATURVERZEICHNIS 144

BUCHQUELLEN 144 INTERNETQUELLEN 149

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VORWORT

Es kann als unbestrittene Tatsache genommen werden, dass die Wiener Architektur der Jahrhundertwende seit geraumer Zeit immer mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, was auf der einen Seite mit der auf sie projizierten und viel zitierten ‚Wiener Lebenslust’ des Fin de Siècle zu tun haben mag, andererseits jedoch, und das scheint weitaus mehr Wert zu haben, auf ihre „penetrante Art lokaler Zeitlosigkeit“1 zurückzuführen ist, wie sich Friedrich Achleitner, Architekturkritiker und Mitglied der „Wiener Gruppe“2, auszudrücken pflegt.

So scheint Wien nicht nur der touristische Angelpunkt Österreichs schlechthin zu sein, sondern beschäftigt ebenso Theoretiker, Kritiker und schriftstellernde Kenner, die sich mit dem Phänomen der Wiener Kunst auseinandersetzten. Immer wieder ist in diesem Zusammenhang von der besonderen Situation der zu Ende gehenden Doppelmonarchie zu lesen, in deren interkulturellen Kontext erst das Entstehen, oder vielmehr die Geburt dieser Kunst möglich war, immer wieder findet man Verweise auf Freud und die Psychoanalyse, die nicht ohne Auswirkungen auch auf die Kunst blieb. Das besondere im ‚guten alten Wien’ ist, das naturwissenschaftliche sowie geisteswissenschaftliche Errungenschaften der Zeit auf eine Art und Weise zusammenspielen, die das Entstehen einer Kunst erlauben, deren endgültiges Ziel nicht die Abbildung des Geschauten, sondern des Dahinter, der Seele, ist.

Nun ist man geneigt, diese Eigenschaft speziell der Bildkunst dieser Zeit zuzuschreiben, doch wird dabei nur allzu leicht übersehen, dass auch die Architektur seit jeher Anspruch erhebt, mehr als nur ein funktionalistischer Steinhaufen zu sein. Dies gipfelte zweifellos in der „architecture parlante“ des französischen ausgehenden 18. Jahrhunderts, deren

1 Achleitner, Friedrich, Wiener Architektur. Zwischen typologischem Fatalismus und semantischen Schlamassel, Böhlau, Wien: 1996, S. 9 2 Die ‚Wiener Gruppe‘ ist eine Lose Verbindung österreichischer Schriftsteller, deren Arbeiten in der Barockdichtung, im Expressionismus, Dadaismus und Surrealismus fußen, wobei sie auch von Sprachskeptikern, Sprachkritikern und Sprachphilosophen (Hugo von Hoffmannsthal, , ) nicht unwesentlich beeinflußt werden.

3 Architektursprache das zu Bauende förmlich und im wahrsten Sinne durch die Bauform um- bzw. beschreibt. Dieses Extrem der Architektursprache ist in dieser Form einzigartig geblieben und als solches nicht in der Wiener Architektur anzutreffen, doch kommt es in dieser Bauart zu einer, man möchte fast sagen grazilen Art der ornamentalen Ausschweifung, die stark an die dekorative Bildende Kunst der Jahrhundertwende erinnert und als solche einen spannenden Gegensatz zu der klaren Architektur eines Otto Wagners oder der experimentalen Architektur seiner Schule erzeugt. Dieses Spiel- und Spannungsfeld ist Gegenstand dieser Diplomarbeit: „Die Wiener Moderne. Ornament und Experiment“.

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DER JUGENDSTIL

Die veränderten Ideale und Normen der Gesellschaft am Ende des 19. Jahrhunderts, die auf die Industrialisierung sowie auf die enormen Entwicklungen in den Sektoren der Philosophie, Medizin und Technik, aber ebenso der Politik (Liberalisierung, später aufkommender Antisemitismus) zurückzuführen sind, brachten auch eine Auflösung der traditionellen architektonischen Konzepte mit sich. Diese äußerten sich zunächst in der Flucht in den Eklektizismus (im Falle Wiens entsteht das berühmte Beispiel der Ringstraße) bevor der Versuch unternommen wurde, eigene, neue Formen zu entwickeln, die dem ‚modernen‘ Leben gerecht werden. Wie schwierig sich das in den aktuellen zeitlichen Umständen gestaltet zeigt die Tatsache, dass sich zwei Stile in Wien mehr oder weniger parallel entwickeln, der eine aus dem anderen hervorgehend. Der ornamentale Jugendstil ist die Wiener Fortsetzung der geschwungenen Linie des belgischen , aus dem heraus sich binnen weniger Jahre der geometrische Jugendstil entwickelt. Er stellt den starken Zweig der Wiener Moderne dar, löst europäischen Widerhall aus, während sich die floralen Formen, die einen mitunter überirdischen symbolischen Gehalt transportieren, nicht behaupten können. Als Initiator dieser Entwicklung kann Otto Wagner angesehen werden, der schon 1895 mit seinem Werk „Moderne Architektur“ die Leitlinien für eine neue funktionalistische Architektur formulierte.

Rationale und irrationale Impulse, die vor allem aus der Philosophie Nietzsches und Kants sowie der Freud’schen Psychoanalyse herrühren, fließen in den Stil der neuen Kunstrichtung mit ein, um das neue, von Naturformen abgeleitete, ästhetischen Gedankengut in gebaute Formen umzusetzen. So kann mit der Hilfe des Gusseisens nahezu jede noch so geschwungene Vorlage in sein filigranes dreidimensionales Pendant übersetzt werden, wohingegen Eisenstreben für die nötige strukturelle Festigkeit der Bauten sorgen. Die so entstehende allegorische Aussagekraft der Architektur übertrifft in Folge alles bisher da Gewesene, wobei die organische Vorstellung

5 der Architektur zusammen mit einer universal-ästhetischen Lebensauffassung zu einem visuellen Gesamtkunstwerk führt,3 die kennzeichnend für die Zeit der Jahrhundertwende ist. Der gesamte Wohnbereich, angefangen von den Möbeln bis hin zur Türklinke und dem Handtuchhalter, wird vom Architekten selbst entworfen; diese Konzentration auf den Gedanken des Gesamtkunstwerkes und seiner Ausformung bewirkt jedoch, dass der Jugendstil nur kaum in bestehende Raumlösungen eingreift bzw. eigene Konstruktionsmethoden entwickelt. Die so entstandene Meinung, der Jugendstil hätte somit als eigene Architekturrichtung in dem Sinne nicht existiert, da er sich zu stark auf das Dekorelement beschränkte, mag gerechtfertigt sein, jedoch darf nicht übersehen werden, dass der Jugendstil als Ausdruck eines gebauten Lebensgefühls anzusehen ist, ein, wenn man so will, Zufluchtsort vor der hektischen modernen Welt. Interessant hierbei ist die Tatsache, dass ausgerechnet das habsburgische Wien – seit jeher traditionell eingestellt - für einige Jahre zu einem künstlerischem Zentrum avancierte, und das, obwohl sich in der Kaiserhauptstadt der ornamentale Jugendstil mit seinen vegetabilen und freischwingenden Ornamenten in der Architektur nicht so sehr durchsetzten konnte wie in anderen Zentren, namentlich Paris oder Brüssel. Vielmehr wurde hier, in der österreichischen Kaiserhauptstadt, die geometrische Variante des Jugendstils ausgebildet, für die Wien nicht nur tonangebend war, sondern deren Errungenschaften auf der unmittelbaren Vorstufe zur modernen Architektur stehen.

Neue Baustoffe wie Eisen in Verbindung mit Beton (Vorläufer des heute allseits verwendeten Stahlbetons) und Glas waren die Voraussetzungen für diesen Stil, welche zunächst zum Experimentieren geradezu einluden. Durch die Anregung der avantgardistischen Gruppen der Malerei entwickelten die Architekten in allen Teilen Europas, allen voran Belgien und Frankreich, biomorphe Formen in ihren Bauten, wobei sich fast zeitgleich unter Einfluss der englischen Arts-and-Crafts Bewegung auch eine geometrische Linie des Jugendstils entwickelte.

3 Lieb, Stefanie, Was ist Jugendstil. Eine Analyse der Jugendstilarchitektur 1890 – 1910, Primus, Darmstadt: 2000, S. 12

6 Technik und Konstruktion

Die baulichen Voraussetzungen für den bewegten wie auch funktionalen Jugendstil werden schon Ende des 18. Jahrhunderts geschaffen, als sich das Material Eisen im Ingenieurbauwesen etabliert. Industrielle Revolution und die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs erfordern neue Bautypen wie große Fabriks- oder Bahnhofshallen, aber auch Passagen und schnell zu errichtende Weltausstellungsgebäude gehören zu den neuen Bautypen, die ohne dem extrem flexiblen und gleichzeitig stabilen Eisen nicht denkbar gewesen wären. Waren die ersten Eisenbauten noch Brücken wie jene über den Severn, Coalbrookdale (1776- 78, Abraham Darby III., John Wilkinson, Thomas F. Pritchard), ermöglichte die industrielle Entwicklung durch Produktionssteigerung sowie verbesserte Qualität in Zusammenhang mit dem ab 1850 entstehenden Gebiet der Statik bald gigantische Großbauten wie den Kristallpalast anlässlich der Weltausstellung 1851 in London, die im Skelettbau errichtet und mit Glas geschlossen wurden.

Die so sichtbare Konstruktion und Gestaltung des Bauwerkes entspricht wiederum dem rationalistischen Ansatz von Eugène Viollet-le-Duc (1814-1879; ABB. 1a,b,), jenem Hauptvertreter der französischen Neugotik, der durch seinen konstruktiven Gedanken Jugendstilarchitekten wie Victor Horta (ABB. 1c) oder Antoni Gaudi beeinflusste. Viollet-le-Ducs Ziel, technische Errungenschaften in Verbindung mit mittelalterlichen Bautraditionen zu setzten, ließen ihn eine Vielzahl von Techniken entwickeln, um neue Bauformen zu ermöglichen. Sein architektonischer Ansatz galt der ästhetischen Verbindung von Mauerwerk und unverkleideten Eisenkonstruktionen, die das statische System unterstützen sollten.

Die neuen Gestaltungsmöglichkeiten, die das Material Eisen zuließ, inspirierten wiederum die Jugendstilarchitekten zu bis dahin ungewöhnlich neuen Formen im Wohnbau. Ähnlich wie Viollet-le-Duc empfanden die Theoretiker, allen voran John Ruskin (1819-1900), und Architekten wie William Morris (1834-1896) die Gotik als Ideal der Handwerkskunst und strebten nach einer Neubelebung der Zeit im Sinne der technisch-konstruktiven Grundauffassung, Logik der Gestaltung und materialgerechte Arbeit zu verbinden. Das Ziel, sich von jeglicher bisherigen Stilvorstellung zu lösen und der Glaube, nur der Natur entnommene Formen sind ästhetisch

7 relevant, führt schließlich zur Entwicklung des Jugendstils, der vor allem durch Victor Horta eine einmalige Verschmelzung mit den neuen Materialien erfährt. Als einer der ersten, die Eisen und Glas sichtbar in seinen Gebäuden zeigt, gibt er etwa Eisensäulen eine organische Struktur und lässt das Material leicht und filigran erscheinen. Erst durch das Eisen und der Möglichkeiten der Vorfertigung wurden berühmte Bauten des Jugendstils überhaupt möglich. So bediente sich Hector Guimard dieser Annehmlichkeiten, um eine Vielzahl an Métro-Stationen in Paris in kurzer Zeit seriell erbauen zu können und auch die Weltausstellungsgebäude zu jener Zeit, im Stile der Glashäuser gefertigt, bedienen sich der konstruktiven aber vor allem der formalen Bandbreite des Eisens, insbesondere Eiffel schuf hier Grundsatzlösungen. Im Wohnbau des ornamentalen Jugendstils wird in weitere Folge das Eisen weitestgehend von seiner statischen Funktion entbunden und dient fast ausschließlich nur mehr als Dekorationsmaterial. Das Material findet somit als schmückendes Beiwerk seinen Weg in die Architektur, wie es mitunter bei den Brückenbauten Otto Wagners der Fall ist, doch gewinnt Funktion und Material immer mehr die Oberhand gegenüber Entwurf und Form. Im Konkreten heißt das, dass es nicht lange dauert, bis I-Profile oder Ähnliches unverkleidet und somit klar ersichtlich z.B. als Fensterüberlagen gezeigt werden oder, wie im Falle Wagners Österreichischem Postsparkassenamt in ihrer tragenden Funktion der Hallenüberspannung auch in öffentlichen Bauten für jedermann zu bestaunen war. Die neuen puren kalten Eisen- oder auch Aluminiumkonstruktionen wirkten ohne Zweifel in hohem Maße nüchtern auf die Bevölkerung, deren Auge bis dahin doch dekorative Architektur in ihrer Reinform gewohnt war, doch mit der Proklamation der sachlichen Architektur durch Hermann Muthesius 1902, mit dem Versuch Otto Wagners, die Struktur des Gebäudes sprechen zu lassen oder mit der Vision Adolf Loos‘, Material und Konstruktion als alleinige Kriterien der Architektur gelten zu lassen, wird hier der Weg für die Moderne geöffnet, eine konstruktive, funktionale Bauzeit beginnt.

Die Erfindung des Eisenbetons stellt ein zusätzliches Mittel der Neuerung dar. Dessen flexible Möglichkeiten in der Formgebung und den äußerst guten tragenden Eigenschaften lassen eine veränderte Fassaden- und Grundrißgestaltung zu.

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Einflüsse und Entstehung

Schon die Vielzahl der Namen, die ein und dieselbe Kunstrichtung meinen, zeigt, wie unterschiedlich diese in den einzelnen Ländern aufgenommen wurde. Modern Style in Großbritannien, Stil Liberty in Holland, Stile Floreale in Italien, Art Nouveau in Frankreich, Jugendstil in Deutschland oder Secessionsstil in Österreich wird jene kurze, aber schnell verbreitete internationale Epoche unter anderem genannt, die das Bindeglied zwischen Historismus und Moderne darstellt, und deren Hauptbauten der florealen Richtung in den späten 1890 Jahren entstanden. Jedoch bereits 1905 hielten nur mehr wenige an der verspielten Formensprache fest und wandten sich jener abstrakt-geometrischen Spielart des Jugendstils zu, die zur schlichten Sachlichkeit in der Moderne führte.

Doch was führte zu dieser in der Geschichte der Kunst einmaligen Architektur, die auch heute noch europäische Zentren unverkennbar prägt? Als Hauptgrund kann hier die Industrialisierung angeführt werden, die nicht nur mehr Arbeitsplätze und einen wirtschaftlichen Aufschwung mit sich brachte (u.a. Erfindung des Benzinmotors 1887, Entdeckung der Röntgenstrahlen 1895, Beginn der Atomphysik 1899 und schließlich die Entwicklung der Stahlbetonbauweise seit 1880), sondern ebenso eine zunehmende Verstädterung, Entwurzelung der Arbeiter aus den traditionellen, meist kleingehaltenen Familienbetrieben und die Massenproduktion. Die Kunstszene steht dieser Entwicklung äußerst kritisch gegenüber, es bildet sich eine Art resignative Dekadenz unter der Bourgeoisie heraus, die aus der Gegenwart zu flüchten versucht. Die daraus entstehende Aufbruchsstimmung führt zu einer sowohl geistigen als auch körperlichen Befreiung von bisher geltenden Normen und somit zu einer neuen Kunstrichtung, die sich bewusst gegen die Verwendung historischer Stilzitate wandte. Sie trat nun im Sinne der neuen Empfindsamkeit dem Ich gegenüber4 für eine Kunst ein, die einen sensiblen Umgang mit der Naturornamentik und – symbolik pflegt, wie sie schon in den

4 siehe hierzu auch Kapitel „Der Wiener im Geiste“

9 japanischen Künsten vorkommt, die erstmals Ende des 19. Jahrhunderts durch eine Wiener Ausstellung in Europa bekannt wird.5

Arts and Crafts Exhibition Society

Ebenso kommt es, verursacht durch die maschinelle (Massen-)Produktion, zu einer romantisierten Rückbesinnung auf mittelalterliche Handwerkstraditionen und deren Kunst, wie sie zum Beispiel die 1848 gegründete englische Gruppe der Präraffaeliten pflegten.

In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts stößt der junge Maler und Architekt William Morris zu der Malergemeinschaft hinzu, die unter John Ruskins Einfluss allmählich zu einer Kunsthandwerkergesinnung im mittelalterlichen Sinne geworden war. Die Anprangerung der vorherrschenden Umstände in sozialer wie auch künstlerischer Hinsicht, die sich vor allem auf die Fabrikarbeit bezogen, verband die beiden unerschütterlichen Viktorianer. Sie sahen im Fortschritt vor allem die Gefahren wie unwürdige Massenquartiere der Arbeiter, monotone Arbeit und fehlende Identifikation mit dem fertigen industriellen Produkt sowie reines Profitdenken. Die Ausbeutung der Arbeiter in materieller wie auch psychischer Beziehung veranlasste Morris und Ruskin nach einer ästhetischen wie auch sozialen Alternative zu suchen. Unter Einfluss der vorherrschenden englischen Neugotik finden sie ihr Ideal schließlich ähnlich wie die Präraffaeliten in der mittelalterlichen Gesellschaft, in der Handwerker und Architekt gleichberechtigt waren - freilich in Ausblendung sämtlicher anderer, zum Teil zu tiefst widriger Umstände. Die Programme von Ruskin und Morris wiederum beeinflusste die 1884 gegründete „Art Workers Guild“6, aus der schließlich 1888 „The Arts and Crafts Exhibition Society“ hervorging. Vor allem Ruskins „The Seven Lamps of Architecture“ (1848) ist hier zu erwähnen, mit der er sich für eine Beseelung der Architektur und Ornamentik aussprach, wobei die Formen aus der

5 Der späte Einfluss dieser Kultur ist vor allem auf die lange Selbstisolierung Japans zurückzuführen, die erst 1868 durch den Kaiser Mutsuhito aufgehoben wurde. 6 Nach dem Vorbild von der von Morris 1861 gegründeten Kunstgewerbefirma entstanden in den 1880er Jahren einige unterschiedliche kunsthandwerkliche Gemeinschaften in England, die sich in Anlehnung an das Mittelalter ‚Gilden‘ nannten. Vgl.: Lieb, Was ist Jugendstil, S. 27

10 Natur zu entnehmen seien – ein wichtiger Ansatzpunkt des Jugendstils, auch wenn Ruskin vor allem gotische Formen damit meinte.

Die Architektur der Arts and Crafts-Bewegung kennzeichnet eine Vorliebe für den Landhausstil, der jedoch nicht mehr nur für den Adel vorbestimmt war, sondern auch dem wohlhabenden Bürgertum zugänglich wurde. Cottages wie das „Red House“ (Philipp Webb, William Morris, 1859) oder „The Barn“ (zu Deutsch: Die Scheune, Edward S. Prior, 1897; ABB. 2) zeichnen sich durch eine neue Kargheit im Design und Offenlegung der Struktur aus, wobei florale (gotische) Komponenten nur sehr sparsam eingesetzt wurden. Die niedrig gehaltenen Häuser scheinen mit der Umgebung zu verschmelzen; wie weit diese Architekturauffassung von den ausschwelgenden Gebäuden des ornamentalen Jugendstils entfernt ist, ist offensichtlich. So kritisierten Arts and Crafts-Architekten wie Mackay Hugh Baillie-Scott (1865-1945) oder Charles Voysey (1857-1941) sogar die übertriebene Dekorhaftigkeit des Jugendstils als eine „ermüdende Wiederholung sich erschöpfender Formen“7 und sind mit ihrer Philosophie vor allem ausschlaggebend für die Entwicklung des Geometrischen Jugendstils, der Wiener Moderne eines Otto Wagners oder Josef Hoffmanns.

Die Kunstrichtung des Ästhetizismus im graphischen Design hingegen, mit Aubrey Beardsley (ABB. 3) an ihrer Spitze, kann als Wegbereiter des Jugendstils angesehen werden. Ihr Interesse an sinnlichen dekorativen Elementen, das von der japanischen Kunst herrührt, zeigt eine enge Verbundenheit mit dem auf dem europäischen Festland ausgeübten Art Nouveau. Jedoch auch innerhalb Englands übte die Strömung Einfluss auf die Architektur aus. So hatte Beardsley (ähnlich wie ), der für seine Darstellungen unterdrückter Erotik oftmals Kritik erntete, großen Einfluss auf einen der ersten Jugendstilarchitekten überhaupt: Charles Rennie Mackintosh (1868-1928). Seine Werke zeichnet vor allem das Prinzip der Deformierung in Graphik wie Design aus (ABB. 5). Überlängte Figuren, überhöhte Stuhllehnen oder die Architektur des berühmten „Hill House“ (1902-1904, Helensburgh, ABB. 6) stehen eindeutig im Zusammenhang mit beiden Ausformungen der Wiener Moderne; daher wird Mackintosh auch

7 Tahara, Keiichi, Jugendstil. Aufbruch zu einer neuen Architektur, Harenberg, Dortmund: 1991, S. 13

11 immer wieder als ihr größter Mentor angeführt. Er strebte ebenso wie die Arts and Craft Exhibition Society eine Ästhetisierung der Alltagsbereiche an, zu denen er vor allem Möbel und Innenausstattung zählte. Zusammen mit den „Glasgow Four“8, die innerhalb des Arts and Craft den geometrischen Stil prägte, entwickelten sie eine Kunstwelt, die sich vom schwerfälligem Viktorianischen Stil wegbewegte hin zu einer sparsam eingesetzten Ornamentik mit zarten pflanzlichen oder geometrischen Schmuck. Möbel, wie Kamine oder Schränke, wurden hierbei in das geometrische Raster mit einbezogen um den Raum als ein Gesamtkunstwerk zu präsentieren.

Motive und ihr Ursprung

Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass es sich beim Jugendstil um eine Kunstrichtung handelt, in der die Architektur sehr eng mit der Malerei verbunden ist. Die Bauornamentik lässt sich dabei, wie sich schon bei Beardsley9 zeigt, direkt von der Graphik ableiten. Als Anstoß gilt das vom englischen Architekten und Designer Arthur H. Mackmurdo 1883 illustrierte Buch über die Londoner Kirchenbauten von Sir Christopher Wren10, dessen Titelblatt eine betont asymmetrische florale Komposition in extremer Stilisierung aufweist (ABB. 6). 11

Man kann davon ausgehen, dass Mackmurdo sich nicht nur von der keltischen Ornamentik und dem um 800 entstandenen „Book of Kells“ (ABB. 7) beeinflussen ließ. Schon vom Historismus wiederentdeckt, wurde diese zu jener Zeit als Urform des germanischen Raumes gefeiert. Im entstehenden Jugendstil werden auch weitere starke Einflüsse bemerkbar. So übt die Gotik und die im Mittelalter übliche Art zu konstruieren und zu produzieren eine große Anziehung auf die neue Generation der Intellektuellen und Künstler aus, die sich bewusst von der

8 Die „Glasgow Four“ bestanden aus Mackintosh, seiner Ehefrau Margaret Macdonald, James Herbert MacNair und dessen Gattin Frances Macdonald, der Schwester von Margaret. Sie lernten sich an der Kunstschule von Glasgow kennen, und stellten eine sich gegenseitig intensiv anregende künstlerische Gruppe dar, die vor allem auf das Kunsthandwerk und die Innenraumgestaltung einen enormen Einfluss hatten. 9 Sein Interesse an exotischen und empfindsamen dekorativen Elementen sind wichtige Impulsgeber für die Ästhetisierung des Jugendstils. 10 Wren (1632-1723) war im England des 17. Jahrhunderts dafür verantwortlich, dass die Kirchen nach dem verheerenden Brand von 1666 wieder aufgebaut wurden. 11 Vgl. Tahara, Jugendstil, S. 13 Interessanter Weise beeinflusste Mackmurdo auch die Arts and Crafts Bewegung, die ihrerseits der Ornamentik des Jugendstils jedoch kritisch gegenüber stand.

12 Massenproduktion des Industriezeitalters absetzen will. Dass die Neugotik sich schon im Historismus, den es ja zu überwinden gilt, größter Beliebtheit erfreute wird insofern nicht anerkannt, als dass es sich hierbei in der Ansicht der revoltierenden Künstlerschicht um ein bloßes Nachbauen handelt – ohne eigenen Kunstwillen. Weiter noch: es wird sogar eine handfeste Aversion gegen die Neugotik entwickelt und ihr Formenrepertoire nur in modifizierter Form wiedergegeben. Man kann durchaus von einem recht eigentümlichen Verhalten zu dieser Epoche sprechen. Wie auch immer, der Einfluss ist vorhanden, und bei Victor Horta oder Antonio Gaudí (beide beeinflusst von Violet-le-Duc) besonders spürbar.

Die Abstrahierung des (gotischen) Formenrepertoires ist ohne Zweifel von der japanischen Kunst inspiriert, die Ende des 19. Jahrhunderts durch die Weltausstellungen in Paris oder Wien in Europa für Aufsehen sorgt. Verbunden mit der Aufhebung der japanischen Grenzen durch Kaiser Mutsuhito ist es möglich geworden, die künstlerischen Erzeugnisse außerhalb des Kaiserreiches zu präsentieren. Es setzt eine allgemeine Begeisterung für diesen Stil ein, zunächst bei den Impressionisten und in Folge bei den Künstlern des Jugendstils. An Beispielen wie „Kanagawa oki nami ura“ (Unter der Welle im Meer vor Kanagawa, Katsushika Hakusai, 1830; bekannt als „Die große Welle“, ABB. 8) sind die Anregungen schnell abzulesen: die Vorliebe für geschönte Naturformen und ihre flächige Darstellungsweise sowie die Dezentralisierung der Motive rufen eine enorme Resonanz in der Kunst des Jugendstils hervor.12 Aber auch die japanische Raumauffassung mit ihrer oft vereinfachten, flachen, dynamischen Formen und der Einbindung des Leerraumes als gestalterisches Element wirkt auf die Architekten ein, und fließt in Verbindung mit einer westlichen Interpretation in die Gebäude mit ein.13 Lange, schmale Körperformen wie Fische, Seerosen oder Schilfpflanzen aber auch langstielige Blumen mit schmalen Blättern (Tulpen, Lilien, Chrysanthemen) und der stilisierte weibliche Körper dienen als Inspirationsquelle der Jugendstilkünstler, die Kunst des Orients mit seiner

12 Der Japonismus beeinflusst in diesem Zusammenhang vor allem den Impressionismus und französischen Art Nouveau, z.B. Claude Monet oder Toulouse Lautrec, in Wien regte er vor allem Gustav Klimt an. 13 Tahara, Jugendstil, S. 18

13 kleinteiligen, filigranen Ornamentik und den arabischen Arabesken spielt vor allem im spanischen Modernismo oder in den USA (ABB. 9) eine Rolle.

Das Mittel der Stilisierung, die der Formenwelt des Jugendstils eine hohe Abstraktion verleiht, wird zu einem wesentlichen Faktor, wobei dem Dargestellten oftmals nicht nur eine rein schmückende Funktion sondern auch ein symbolhafter Charakter zu Teil wird. Durch diese Abstrahierung kommt es schließlich zu einer Differenzierung innerhalb des Jugendstils in zwei diametrale Richtungen: der Organisch-Biomorphen und der Geometrisch-Kubischen Form, die sich selbstredend untereinander beeinflussen können. Die so entstandene Ornamentik wird nun entweder als eine Art Überzug auf die Fassade aufgetragen, ohne einen wirklichen Bezug zur Architektur zu entwickeln, oder die Motive werden auf die einzelnen Architekturglieder selbst übertragen – außen wie innen (ABB. 10). Das Bauwerk wird als Organismus verstanden, bei dem die Funktion der Bauglieder durch organische Analogien zur Anschauung gebracht werden.

Ausbreitung

Am Kontinent ist der Einfluss zunächst bei dem autodidaktischen belgischen Architekten Henry van de Velde (1863-1957) ersichtlich, der im Sinne Morris‘ Mobiliar, Gebrauchsgegenstände oder Frauenbekleidung entwirft (ABB. 11, 12), wobei er eine starke Affinität zur frühmittelalterlichen keltischen Ornamentik aufweist.

In weiterer Folge breitet sich der Jugendstil rasch am ganzen Kontinent aus, wobei er als Baustil der oberen Bürgerschicht fast ausschließlich in den europäischen Hauptstädten anzutreffen ist: Berlin, München, Weimar, Darmstadt, Wien, Paris, Nancy, Glasgow, Brüssel, Barcelona oder Prag sind hier als die wichtigsten Zentren zu nennen. Eine nicht unwesentliche Rolle in der Verbreitung spielt dabei die Graphik, die als erste Kunstgattung die geschwungene Linie für sich einsetzt. Typographien, Buchdruck oder die Plakatgestaltung waren zunächst Ausdrucksträger der neuen Kunst, die sich in Ranken wellenartigen Haaren, Schlangen oder Jungmädchenmasken zeigt. Kunstzeitschriften entstehen in diesem Zusammenhang, um nicht nur den neuen Stil öffentlich zu präsentieren, sondern auch

14 um einem breiteren Publikum in regelmäßigen Abständen die neuesten Trends in Bezug auf Malerei, Design aber auch der Architektur zugänglich zu machen. Sie tragen wesentlich zur Verbreitung des Jugendstils bei, wobei man einmal mehr dem englischen Beispiel folgt: „The Hobby Horse“ (1882)14 und „The Studio“ (1893)15. Es handelt sich hierbei um Zeitschriften, die über die Grenzen Großbritanniens hinaus bekannt und im Umlauf waren, wodurch sich neue Theorien und Ideen besonders schnell verbreiten konnten. Nach diesem Vorbild entstehen in den einzelnen Zentren eigene Kunstzeitschriften, die als wichtige Quelle der Künstler angesehen wurden: „Jugend“ in München ab 1896 (diese Zeitschrift soll namensgebend für die Bewegung gewesen sein), „Der Architekt“ ab 1895 in Wien, der sämtliche Entwürfe und Texte aller maßgeblichen österreichischen Architekten veröffentlichte oder „Ver Sacrum“ (1898-1903) als Pendant für die secessionistischen Maler.

Ornamentale Jugendstil

Zunächst ist es wichtig festzuhalten, dass England zwar eine entscheidende Rolle in der theoretischen Entwicklung der Formensprache spielte, jedoch sind hier kaum Bauten im Sinne des Jugendstils anzutreffen. Dies mag vor allem am enormen Einfluss der Arts and Craft- Bewegung liegen, die den Jugendstil per se ablehnte, doch fand der Gedanke der Ästhetisierung des Alltagsbereiches am ganzen Kontinent in unterschiedlichsten Interpretationen Anklang.

Art Nouveau in Belgien

Die bekannteste Kunstströmung der vorigen Jahrhundertwende trat am Festland zuerst in Belgien auf, wobei sich die Hauptwerke in Brüssel befinden. Die Zeitschrift „L’Art Moderne“ diente ab 1881 als Organ der jungen Symbolisten und Jugendstilkünstler, 1883 folgte die Gründung der avantgardistischen Künstlergruppe „Les Vignts“, der unter anderem Persönlichkeiten wie Auguste Rodin, George Minne, Paul Signac oder Henry van de Velde angehörten.

14 Arts-and-Crafts Exhibition Society; es handelt sich hierbei um eine der ersten Kunstzeitschriften überhaupt 15 Guild and School of Handicraft

15 Im belgischen Jugendstil herrscht eine Konzentrierung auf die ornamentale Kurve vor, und wird von Henry van de Velde als die „belgische Linie“ proklamiert,16 auch wenn sie bei ihm noch eher zurückhaltend eingesetzt wird. So ist es auch nicht weiter überraschend, dass gerade er es ist, der sich ab 1900 nach Deutschland hin orientiert und mit dem Kölner Werkbundtheater (1914) den Weg in die Neue Sachlichkeit einschlägt.

Aber auch Victor Horta (ABB. 13) oder Paul Hankar (ABB. 14) haben sich der organischen Linie verschrieben, wobei Horta eine ausgeprägte Vorliebe für verschnörkelte gusseiserne Elemente entwickelt, die einer rein organischen Struktur entsprungen zu sein scheinen, während Hankar einer strengeren, an die Renaissancearchitektur angelehnten Form folgt, die er durch großflächige Fassadenmalereien zu beleben sucht.

Art Nouveau in Frankreich

Den (vorläufigen) Höhepunkt erlebt der vegetabil-ornamentale Jugendstil mit seinen fließenden Linien und Kurven in Paris, ausgelöst durch die Weltausstellung 1889, von der aus sich der Jugendstil in Folge in ganz Europa17 ausbreitet und wesentliche architektonische Impulse setzt, vor allem in Hinblick auf Eisen-Beton-Konstruktionen. Einen weiteren wichtigen Faktor bei der Verbreitung des Jugendstils stellt die Galerie „Salon de l’Art Nouveau“ dar. 1895 von einem der bedeutendsten Kunstsammler und -händler asiatischer Kunst und Begründer des Japonismus, Samuel Bing, gegründet, war sie namensgebend für den französischen Jugendstil. Bing präsentierte in der von Victor Horta entworfenen Galerie neben ostasiatischer Kunst vor allem Jugendstilobjekte aus ganz Europa, mit denen er für großes Aufsehen sorgte. Unter den Architekten ist vor allem Hector Guimard hervorzuheben, der nicht nur zahlreiche Stationen der Pariser Métro entworfen hat (ABB. 15a), die auch heute noch das Stadtbild prägen, sondern mit seinen Bauten wichtige Akzente in der bewegten Jugendstilarchitektur setzte.

16 Lieb, Was ist Jugendstil, S. 89 17 So zeigen auch die Türkei, Russland und vor allem Tschechien Einflüsse des Jugendstils, die hier aber nicht näher erläutert werden sollen.

16

Um 1900 bildet sich neben Paris, das zu dieser Zeit als die Kunststadt schlechthin gefeiert wird, ein zweites Jugendstilzentrum in Frankreich heran, jenes in Nancy (ABB. 15b). Wie Gaudi in Katalanien oder die deutschen Künstler von der Mathildenhöhe in Darmstadt von der sozialen und ästhetischen Philosophie der Gartenstadtbewegung beeinflusst, entsteht hier ab 1901 eines der ersten Gartenstadtprojekte: „Le Parc du Saurupt“. Die Bauten mit floral- gotisierenden Einschlag wurden hierbei in die Umgebung integriert und standen untereinander in Einklang. Auch wenn das Vorhaben letztendlich nur in kleinem Maßstab ausgeführt wurde, so spielte die École de Nancy doch eine wichtige Rolle in der künftigen modernen Stadtplanung.

Stile Modernista in Spanien

Eine Sonderstellung innerhalb des ornamentalen Jugendstils nimmt zweifellos der spanische Stile Modernista mit seinem Zentrum in Katalonien ein, wo sich der Einfluss des französischen Art Nouveau ab 1890 bemerkbar macht. In den bunten und geschwungenen Bauten werden Anleihen aus der islamischen Kunst sichtbar, aber auch romanische, maurische, gotische und barocke Traditionen führen zu den beispiellosen Bauten, die meist aus dem traditionellem Material Backstein erbaut und mit den ebenso typischen Majolikafliesen verkleidet wurden. Vor allem Antoni Gaudí i Cornet ist hier besonders hervorzuheben. Angelehnt an Eugène Emmanuel Viollet-le-Ducs konstruktivischen Ansatz und mittels des Prinzips des Hängemodells zur Ermittlung der tragende Struktur war es ihm möglich, komplizierte Formen mit minimalen Materialeinsatz zu realisieren. So entstanden phantastisch anmutende Bauten wie die Casa Batlló (Barcelona, 1904-06; ABB. 16), aber auch die Sagrada Familia (Barcelona, 1883-1926), Gaudis Lebenswerk, das jedoch unvollendet blieb.

Ein weiteres typisches und bemerkenswertes Projekt, an dem die außergewöhnlich bunte, biomorphe Architektur zu Tage tritt, ist jenes des Park Güell (1900-04; ABB. 17). Als Gartenstadt für Eusebio Güells Arbeiter am Rande Barcelonas geplant, entwarf Gaudí Marktplatz, Theater und Kirche der Anlage sowie die Gärten, durch die sich eine schlangenartige Riesenbank mit 5000 Sitzplätzen zieht. Und auch wenn sich das Projekt zu einem finanziellen Fehlschlag

17 entwickelte (Gaudís Modellhaus fand keinen Anklang), so bleibt es doch eines seiner typischsten und diente später als Vorlage für naturnahes Bauen.

Während man sich im Rest Europas dem geometrischen Jugendstil und der Vorbereitung der Moderne zuwandte, verdeutlichen all diese Beispiele, wie sehr man sich von einer rein funktionalistischen und rasterartigen Großstadtarchitektur entfernte. Der katalonische Modernisme steht somit auf der letzten Stufe der Entwicklung des biomorphen Jugendstils, wobei dieser wiederum als Vorbild für die expressionistische Architektur in Deutschland diente.

Geometrische Jugendstil

Mehr noch als im ornamentalen Jugendstil, der ab der Jahrhundertwende allmählich vom geometrischen abgelöst wird, ist bei dieser Spielart des Jugendstils die Herkunft aus der bereits erwähnten Arts and Craft Bewegung zu spüren. Deutlich ist vor allem der Einfluss von William Morris erkennbar, der mit der Gruppe der „Glasgow Four“ sowohl die Architektur und Kunst in Deutschland und vor allem in Österreich prägte. In der Ornamentik wesentlich zurückhaltender bzw. klarer, konzentriert sich der geometrische Architekturstil auf reduzierte Details - das Quadrat wird hier fast ausschließlich als Dekor der Fassade, Möbel oder Alltaggegenstände eingesetzt. Der Architekt selbst lässt sich jedoch nicht mehr ganz so stark vom Gedanken des Gesamtkunstwerkes leiten und lenkt die Gebäudegestaltung in eine funktionalistischere Richtung, in der er sich durchaus die Frage nach der Sinnhaftigkeit einzelner Wohnaspekte stellt. Er ist bemüht, durch seine Architektur den modernen Alltag zu erleichtern, erörtert Themen wie das der Hygiene und setzt somit den ersten Schritt für die zukünftige Architektur der Moderne der 20er Jahre.

Jugendstil in Deutschland

Deutschland ist mit Abstand das Land, das die meisten Zentren im Jugendstil herausgebildet hat.

18 Eines der ersten war jenes in Dresden mit den Dresdener Werkstätten, für die vor allem das Vorbild Morris bestimmend war. Doch nicht so sehr im Sinne der Material- und Formgebung, wie es in Österreich der Fall ist; vielmehr ist es die aus England kommende Philosophie, die die deutschen Künstler und die 1897/98 gegründeten „Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk“, der fast alle namhaften Künstler beigetreten sind, in ihrer Arbeit prägen. Dies zeigt sich, indem sie einen Weg abseits vom traditionellen Handwerksideal einschlagen, und sich der Frage nach der Qualität des Wohnens widmen. Das Ergebnis sind Gartenstadtprojekte nach dem Vorbild Sir Ebenezer Howards (1850-1928), dem englischen Erfinder der Gartenstadt, wie sie zum Beispiel in Hellerau bei Dresden oder auf der Mathildenhöhe in Darmstadt18 entstehen. Möglicherweise hat bei den Gartenstadtprojekten in Deutschland Camillo Sitte Einfluss genommen. Hierbei handelt es sich um jenen österreichischen Theoretiker, der sich im Gegensatz zu Otto Wagner für eine auf die Gemeinschaft bezogene Stadtplanung mit grünen Ruheoasen einsetzte, um der schnelllebigen Gesellschaft einen Gegenpol zu setzen.

Und während in Hellerau dieser Gedanke zusätzlich durch Bauten im Heimatstil19 unterstrichen wird, ist in der Architektur der Mathildenhöhe deutlich der Wiener Ästhetizismus zu erkennen, wie es am Beispiel des von Joseph Maria Olbrich 1900, als gemeinschaftliches Ateliergebäude entworfenen Ernst-Ludwig-Hauses (ABB. 18) ersichtlich wird - immerhin war der Architekt zuvor einer der Pioniere des Wiener floralen Jugendstils. Zusammen mit dem englischen Kunsthandwerk und dessen Schlichtheit verschmelzen die einzelnen Aspekte schließlich zu einer neuen Kunstrichtung innerhalb des Jugendstils – dem geometrischen Stil.

18 Vor allem diese 1899 von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und zu Rhein gegründete Künstlerkolonie ist auf Grund ihrer hochkarätigen Mitglieder wie Peter Behrens (er entwarf als einziger sein Haus selbst), Joseph Maria Olbrich (er entwarf alle übrigen Gebäude), Ludwig Habig oder Hans Christiansen hervorzuheben. 19 Innerhalb des Jugendstils und als Folge der nationalen Bestrebungen kommt es auch zu einer Rückbesinnung auf den Heimatstil, wie er teilweise im Wiener Raum anzutreffen ist. So lassen sich Bürger der obersten Schicht, wie zum Beispiel der bekannte Philosoph Ludwig Wittgenstein, gerne ihre Landhäuser in einem volkstümlichen Stil errichten, der sich durch eine reiche Verwendung von Holz und gebogenen Elementen im Innen- wie auch Außenbereich auszeichnet.

19 Secessionsstil in Österreich

Österreich, und hier vor allem Wien, ist in der Jugendstil-Architektur stark auf einen sensiblen Ästhetizismus ausgerichtet, in der die mitunter unterschwellige Symbolik des ornamentalen Jugendstils gepaart mit einem vermeintlich dekadenten Lebensgefühl eine große Rolle spielt. Gemäß dem Leitgedanken der Wiener Werkstätte, dass das Kunsthandwerk und die Architektur im Dienste des Gesamtkunstwerkes zu stehen haben, die Kunst alles durchdringen solle, entsteht eine ästhetische Philosophie, die für den Geist der Zeit und der Architektur spricht und zunächst vor allem durch Joseph Maria Olbrich vertreten wird (ABB. 19a).

Jedoch schon zur Jahrhundertwende wird der florale Stil allmählich durch den geometrischen Jugendstil abgelöst. Als Auslöser für diese Wende kann einmal mehr das Werk des Designers und Architekten Charles Rennie Mackintosh angeführt werden, der mit seinen geradlinigen und nahezu schmucklosen Objekten Architekten wie Otto Wagner (ABB. 19b), Josef Hoffmann oder Adolf Loos beeinflusste. Somit herrschen in Österreich als einzigem Land beide Auffassungen des Jugendstils vor, wobei zunächst weder die eine noch die andere Richtung Oberhand zu gewinnen scheint und gleichberechtig nebeneinander existieren. Letztendlich setzt sich jedoch die Geometrie in der Architektur durch, bevor sie schließlich im Klassizismus mündet.

DIE ZEIT DER WIENER MODERNE

Habsburg, Sissi, Romantik, intellektueller Zeitgeist und die berühmte Wiener Höflichkeit: allzu leicht wird die Zeit um die vorherige Jahrhundertwende in den Köpfen der meisten Menschen in ein verklärtes Bild gepresst, wobei allgemeine Schlagworte unreflektiert in eben dieses übernommen werden. Tatsachen wie der aufkommende Antisemitismus, Untergang der Monarchie und Vorahnung des ersten Weltkrieges werden ausgeblendet oder sind schlichtweg nicht bekannt. Dabei ist eben dieses Zusammenspiel von typisch wienerischen (bzw. habsburgerischen) Verhaltensmustern in Verbindung mit aktuellen politischen Ereignissen

20 wichtig für das beschwingte Gefühl des Untergangs, das wesentlich zur Entstehung jenes Kunstbereiches beigetragen hat, der heute weit über die Grenzen Österreichs bekannt ist.

Politische Situation

„Fröhliche Apokalypse Wiens um 1880“ - nicht treffender könnte man die Wiener Situation beschreiben, im intellektuellen wie auch politischen Sinne. Allein den Zeitbegriff könnte man im Nachhinein bis auf das weniger glorreiche Ende des Habsburgerhauses ausdehnen, das Hermann Broch vielleicht vorauszusehen wagte, wenn er von Wien um 1880 als „Un- Weltstadt“20 spricht, die zwar „noch Metropole, aber Barock-Metropole, und zwar eine, für die es keine Barock-Politik mehr gab“21 war. Tatsächlich verdichten sich die politisch-historischen Ereignisse im Habsburgerreich derart rasch, so dass das Wien des Fin de Siècle in Kombination mit seiner letzten kulturellen Blütezeit heutzutage gemeinhin gar zur Archetype einer untergehenden Welt hochstilisiert wird. 22

Revolution!

Der Zeitpunkt des Unterganges beginnt jedoch nicht 1880 oder gar erst 189723, sondern dieser muss, bei genauerem Betrachten wenig überraschend, in das Jahr 1848 verlegt werden - dem Jahr der Revolutionen, in dem die Voraussetzungen für eine geistige und kulturelle Prosperität geschaffen werden. Nach den europäischen Revolutionen, die einige Herrscherhäuser zu Fall bringen, erlebt Österreich nach der Inthronisierung Kaiser Franz Josefs I. trotz seiner vielen unterschiedlichen Nationen ein neues Zusammengehörigkeitsgefühl. „Viribus Unitis“, der Wahlspruch von Franz Josef, soll das gemeinsame Pflichtbewusstsein dem Kaiser gegenüber unterstützten und die Einheit der vielen Völker zum Ausdruck bringen. Und in der Tat herrscht eine schon fast

20 Broch, Hermann, Die fröhliche Apokalypse Wiens um 1880, in: Wunberg (Hrsg.), Die Wiener Moderne, S. 95 21 Broch, Hermann, Die fröhliche Apokalypse Wiens um 1880, in: Wunberg (Hrsg.), Die Wiener Moderne, S. 96 22 Vgl. Schröder, A., Zeitenwende, S. 7, in: Schröder, K. (Hrsg.), Egon Schiele und seine Zeit. Österreichische Malerei und Zeichnung von 1900-1930, Prestel, München: 1988 23 Zum ersten Mal gelingt es dem Volk durch eine Straßenkundgebung den Kaiser zu nötigen, sodaß sich dieser gezwungen sieht, den polnischen Grafen Badeni fallen zu lassen, welcher den Sprachenstreit in Böhmen mit Gewalt lösen wollte.

21 abgöttische Verehrung des Kaisers vor, der in den Augen seines Volkes unfehlbar zu sein scheint - doch die Realität zeigt sich schon bald anders: Es tobt der Kampf um die Macht im deutschen Raum, in dem vor allem Erzherzog Johann mit Hilfe von Schwarzenberg Österreich und Deutschland unter der Stephanskrone vereint sehen wollte (die sogenannte großösterreichische Lösung gegenüber der großdeutschen Lösung).

Mit dem Verlust von Oberitalien 1859 und mit der Schlacht von Königgrätz 1866, in der der Preuße Otto von Bismarck Österreich eine empfindliche Niederlage bereitet, verliert die österreichische Monarchie jedoch an Einfluss und ihr Stern beginnt zu sinken. Zusätzlich zeigt sich, wie fragil das Gleichgewicht des Vielvölkerstaates ist: es kommt zu einem Aufruf an die Böhmen und Mähren, sie sollen sich Ungarn gleich ihre nationalen Wünsche verwirklichen. Gezeichnet: „Das Preußische Oberkommando“ – ein Dolchstoß für das Habsburgerreich. Der Nationalitätenstreit und die Frage der Unabhängigkeit sind erneut entbrannt und greifen wie ein loderndes Feuer um sich, welches vom Kaiser nur schwer zu bekämpfen ist. Die in der österreichischen Architektur brisante Frage der Nationalarchitektur als eine völkervereinende Instanz ist auf diese Umstände zurückzuführen.

Durch eine zunächst absolutistische Herrschaft des Kaisers, in der er unter anderem den Reichstag auflöst, versucht er Ungarn mittels einer Militärdiktatur in Zaum zu halten. Dem politischen Geschick Ferencz Déaks, dem Anführer der passiven Widerstandskämpfe in Ungarn, und Gyula Andrásys ist es schließlich zu verdanken, dass Franz Josef 1867 das Parlament wieder einberief und im selben Jahr die von den Magyaren geforderte Doppelmonarchie auf konstitutioneller Basis ausgerufen wurde. Diese sah zwei voneinander relativ unabhängige Staaten vor, regiert von Franz Josef als Kaiser von Österreich und König von Ungarn, basierend auf dem Prinzip des Dualismus.24 Eine nicht unerhebliche Rolle in diesem politischen Zusammenfinden beider Länder hielt die im ganzen Land und über die Grenzen Österreichs hinaus beliebte Kaiserin Elisabeth inne. Aufgrund ihrer überaus großen Liebe zum ungarischen Land, ihrer Begeisterung für den nach Freiheit

24 Die Tatsache, dass der Kaiser es auf Grund dieses Prinzips sogar ablehnte, vom böhmischen Volk in Prag ebenfalls gekrönt zu werden zeigt, wie pflichtbewusst er seine Angelegenheiten führte.

22 strebenden Nationalhelden Andrásy sowie ihres Einflusses auf Franz Josef kam schnell dieses Gebilde zustande, das später von Robert Musil (1880 – 1942) in ironisch-liebevoller Weise als Kakanien in seinem Hauptwerk „Der Mann ohne Eigenschaften“ (1931) skizziert wird.

Exkurs: Musils Kakanien

Auch wenn Robert Musil gleich zu Anfangs feststellt: „Die Überschätzung der Frage, wo man sich befinde, stammt aus der Hordenzeit (…).“25, und die genaue Stadtbenennung nur von Wichtigerem ablenke26, so nennt er es doch im berühmten 8. Kapitel seines Buches Österreich- Ungarische Monarchie – es wird somit ein Bild der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien gezeichnet. Er tut dies mehr als ein Jahrzehnt nach dem Untergang der Monarchie mit einem lächelnd-satirischen Rückblick, wobei er besonders die Gemütlichkeit des Ortes und der darin lebenden Personen und seiner Widersprüche betont, ein Ort, dem die Geschwindigkeit der modernen Welt entzogen wurde:

„Dort, in Kakanien, diesem seither untergegangenen, unverstandenen Staat, der in so vielem ohne Anerkennung vorbildlich gewesen ist, gab es auch Tempo, aber nicht zu viel Tempo. (…) Natürlich rollten auf diesen auch Automobile; aber nicht zu viel Automobile! (…) Man ließ hie und da ein Schiff nach Südamerika oder Ostasien fahren; aber nicht zu oft. Man hatte keinen Weltwirtschafts- oder Weltmachtehrgeiz; man saß im Mittelpunkt Europas, wo die Weltachsen sich schneiden; die Worte Kolonie oder Übersee hörte man an wie etwas noch gänzlich Unerprobtes und Fernes. Man entfaltete Luxus; aber nicht so überfeinert wie die Franzosen. Man trieb Sport; aber nicht so närrisch wie die Angelsachsen. Man gab Unsummen für das Heer aus; aber doch gerade nur so viel, daß man sicher die zweitschwächste der Großmächte blieb.“27

25 Musil, Robert, Der Mann ohne Eigenschaften, Rowolth, Hamburg: 1978, S. 9 26 Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, S. 10 27 Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, S. 32 f.

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Und in der Tat war das Habsburgerreich für seine Unliebe und Trägheit gegenüber Erneuerungen bekannt. So setzte man zum Beispiel auch nach der Erfindung der Dampfschiffe auf die traditionelle Schifffahrt, allein aus Furcht vor Explosionen des Dampfkessels. Ebenso wurde der Forderung nach einem einheitlichen Wirtschaftsbund nicht nachgegeben,28 und der streng geregelte, einheitliche Tagesablauf des Kaisers Franz Josef war schon zu dessen Lebzeiten Gespräch in Wien (jedoch in einer liebevollen, väterlichen Art und Weise). Österreich nimmt sich somit bewusst aus der schnellen Zeit der Entwicklung heraus – das Ruhebedürfnis macht auch hiervor nicht halt. Oder anders gesagt: ein bisschen Fortschritt eben; aber nicht zu viel! In diesem Sinne wird denn auch die Kunst der Secession, die jener der Wiener Moderne gleichzusetzen ist, kritisch beobachtet.

Die Doppelmonarchie

Die so seit 1867 existierende Doppelmonarchie mit ihren 11 Nationalitäten29 durchlebte in den folgenden zwei Jahrzehnten ihre glücklichste Epoche, in der Wien dank der Nationenvielfalt zu einem Schmelztegel der zisleithanischen Bevölkerung wurde. Und das ist der Punkt, warum es in Wien möglich wird, eine Kunst zu erschaffen, die in verschiedene Richtungen strebt. Durch die unterschiedlichen kulturellen Einflüsse der unterschiedlichen unter einer Krone vereinten Nationen entsteht ein Nährboden der Inspiration und des Austausches, der eine einmalige zeitgeistige Situation hervorruft. Die Bemühungen, mit der Ringstraße der Stadt als Ausdruck der Nationenvielfalt ein Denkmal zu setzen, arten jedoch in die Negation des Baustils aus und führen die Architekten des Kaiserreiches in jenen Stil, der Intimes schaffen soll und Neues bringt. Die unterschiedlichen Einflüsse der einzelnen Gebiete sollen dabei berücksichtigt werden, bevor der ornamentale Jugendstil zu den klaren Formen übergeht, die einen kosmopolitischen Anspruch (im Sinne einer vereinenden Architektur) erheben.

28 Aus dem daraufhin von Friedrich List 1819 gegründeten Handels- und Gewerbeverein ging später der deutsche Zollverein heraus, der wiederum von den Preußen eingesetzt wurde, um Wien matt zu stellen. Vgl. Herm, Gerhard, Glanz und Niedergang des Hauses Habsburg, Econ, Düsseldorf (u.a.): 1989, S. 263 f. 29 Den Hauptteil bildeten Deutsche, Magyaren, Tschechen, Polen, Rumänen, Slowaken

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Zur Zeit der Jahrhundertwende sah sich die Doppelmonarchie mit schweren Problemen konfrontiert, die sich vor allem aus dem Nationalitätenkonflikt und dem mit ihm vor allem im slawischen Teil der Bevölkerung einhergehenden Widerstand gegen den österreichischen Führungsanspruch. Allein in Zisleithanien existierten 15 Kronländer und 8 Nationen, wobei die Völker keine Einheit bildeten. Vielmehr schien es sich um Ungarn und ‚den Rest‘ zu handeln, ein Umstand, der durch den (ungleichen) Dualismus evoziert wurde. Verwirrung und Rivalität um die Gunst des Kaisers waren die Folge und der Nationenkonflikt unausweichlich. Nachdem sich der Liberalismus gegenüber der „kulturfeindlichen Masse“30 (Neue Freie Presse) der Deutschnationalen nicht behaupten konnte, trat 1897 mit der neugegründeten Partei der Christlich-Sozialen und ihrem Oberhaupt und Bürgermeister von Wien, Karl Lueger31, Antisemitismus, Klerikalismus sowie Sozialismus auf allen Ebenen ein.32 Dadurch verabschiedete sich ein System, das sich gerade erst zu etablieren begann, früher als in allen anderen europäischen Ländern von der politischen Bühne.33 Die zentralistisch geführte Monarchie, in der der Kaiser immer wieder mit dem ‚Vierzehner‘, Paragraph 14 der damaligen Rechtsordnung, durch eine Art Notverordnung am Parlament vorbei regierte, schürte Misstrauen, Verwirrung und Intrigen, zeitgleich gab es nach dem Selbstmord des liberal eingestellten Kronprinzen Rudolfs 1889 Probleme der möglichen Nachfolge Kaiser Franz Josefs, da viele Mitglieder des Habsburgerhauses entweder austraten oder verstoßen wurden.

Dennoch ist der Kaiser als Vater des Landes ungemein beliebt. Mit der Feier zum 60jährigen Thronjubiläum 1908, die mit einem gewaltigen Umzug und unter der Beteiligung vieler Künstler zelebriert wurde, wurde denn auch die Beliebtheit Franz Josefs zur Schau getragen. Mit diesem

30 Vgl. Schorske, Carl, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, Frankfurt/Main: Fischer, 1982, S. 6 31 In die Funktion des Bürgermeisters 1895 gewählt, wurde Karl Lueger erst nach dreimaliger Wiederholung der Wahl und längeren Auseinandersetzungen vom Kaiser 1897 bestätigt! Vgl.: Wunberg, Die Wiener Moderne, S. 85 32 Vgl. Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 5 33 Gemeint sind politische Entwicklungen in Hinblick auf das Aufbegehren der Bürgerschicht gegen den Adel (z.B. Französische Revolution 1848) und den daraus resultierenden Liberalismus sowie der einhergehenden gesellschaftlichen Umstrukturierung, die in Österreich nicht in dem Maße stattfand bzw. stattfinden konnte. Vielmehr ist für Wien bezeichnend, dass sich das Bürgertum weder mit dem Adel verschmelzen, noch diesen zerstören konnte, wodurch sie dem Kaiser verhaftet blieben.

25 Fest, in dem der Kaiser als Inbegriff der herrscherlichen Würde gefeiert wurde, konnte Franz Josef noch einmal seine Macht demonstrieren – wohin man blickte, man sah nur Wien. Die Reichshauptstadt und ihr Kaiser präsentieren sich in diesen Tagen als unumstößlich, vom Volk geliebt und am Höhepunkt der Monarchie. Mit viel Pomp und Trara huldigt man dem Habsburger in alter Manier, während in einer zeitgleich stattfindenden Ausstellung der Künstlergruppe um Gustav Klimt im Wiener Belvedere, in der unter anderem die Gemälde „Danae“ (1907) und „Der Kuss“ (1907-1908) gezeigt werden, eben jenes Althergebrachte im Motto der Ausstellung angeprangert wird: „Der Untergang des Alten ist verkündet und ist unwiderruflich. Das Alte ist dahingegangen. - Aber ach, das Neue erscheint noch in den Geburtswehen um das Neue.“34 Dieses Motto der Ausstellung, das eigentlich ein aus dem englischen nicht ganz richtig übersetzte Zitat von Thomas Carlyle ist, versinnbildlicht jedoch auch die Situation der Monarchie in ihren letzten Jahren: Auch wenn sich niemand gegen den stark väterlichen Charakter des strengen, aber doch liebevollen Vaters verwehren kann, brodelt es unter der Oberfläche. Seit der Jahrhundertwende hat der Kaiser mit einer immer stärker werdenden Strömung seitens Ungarn in Richtung Loslösung von der Doppelmonarchie zu kämpfen und fast zeitgleich, 1903, kommt es nach der Ermordung des serbischen Königs Alexander Obrenovic und dessen Frau zum Bruch des Österreichs friedlich gesinnten Kurses. Und während Conrad von Hötzendorf einen Präventivkrieg gegen Serbien vorschlägt und selbst der erklärte Kriegsgegner Franz Ferdinand (seines Zeichen Thronfolger Kaiser Franz Josefs I.) ihn in seinen Plänen unterstütz, wählt der Kaiser den Weg des Friedens, doch am Balkan bleibt es nicht lange still.

Der Untergang

Zu den massiven Problemen der Vielvölkernation, die an sich schon ein Pulverfass darstellen, kommt es 1912 zu der für Österreich äußerst ungünstigen Gründung des „Balkanbundes“35, der sich gegen Besatzungsmächte türkischen Gebietes richtet. Die Balkankriege toben und in Österreich beginnt der Antisemitismus immer mehr um sich zu greifen, während wichtige

34 Thomas Carlyle, zitiert nach: http://www.kulturraumverdichtung.de/2008/10/21/klimt-und-die-kunstschau- 1908-im-wiener-belvedere.html 35 serbisch-bulgarisches Bündnis gegen die Türkei, dem sich auch Griechenland und Montenegro anschließen

26 Künstler und Mäzene der Zeit Juden waren. Ariosophen entwickeln esoterische Lehren, die nicht nur dem einfachen Volk zugänglich sind und auch einen jungen Mann namens Adolf Hitler für sich einzunehmen beginnen.36 Mit dem Wissen der Jetztzeit erschließt sich einem immer die Vergangenheit, jedoch ist es einem, gefangen in der Zeit, meist unmöglich, die Folgen der Geschichte vorauszusehen, deren Ende als logische Konsequenz erscheinen. Haben schon nur wenige der ehemals regierenden Familien den Sturm der Revolution überlebt (Habsburg, Romanow, Hohenzoller), so hat auch für diese nun die letzte Stunde geschlagen – der Balkan erhebt sich.

1911 wird der serbische Offiziers-Geheimbund „Die schwarze Hand“, als Nachfolgeorganisation der „Weißen Hand“, die maßgeblich am Umsturz und Ermordung des serbischen Königs und seiner Gattin 1903 beteiligt war, gegründet, die die Vereinigung des Serbentums zum obersten Ziel hat. Mit der Ermordung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Gemahlin Herzogin Sophie von Hohenberg in Sarajewo am 28. Juni 1914 (die Beteiligung der „Schwarzen Hand“ ist aus heutiger Sicht gesichert) ergeht im Zuge der Julikrise eine scharfe Note an Belgrad, die nicht zeitgerecht beantwortet wurde. So kommt es zur Kriegserklärung an Serbien seitens Österreich-Ungarns mit der Folge einer seltsamen Kriegsbegeisterung in ganz Europa, ohne freilich das Ausmaß der Weltkatastrophe zu erahnen. Auch lassen sich viele Intellektuelle vom „Geist von 1914“ anstecken, mit dem Glauben an einen schnellen Sieg: Kokoschka, Schiele etc. melden sich freiwillig zum Krieg.

Am 21. November 1916 stirbt schließlich Franz Josef auf seinem einfachen Eisenbett in Schönbrunn mit der Aussicht auf einen noch nicht verlorenen Krieg. Sein geheimer Favorit und Liebling Erzherzog Karl wird neuer Kaiser, doch lässt sich das Ende der Monarchie schon erahnen. Tschechien und Polen wollen sich ablösen, die Völker drängen in die Unabhängigkeit und so bleibt dem letzten Kaiser Österreichs nur mehr am 11. November 1918 die Abdankungsurkunde zu unterschreiben, mit der er jedoch die Krone des Reiches nicht

36 Herm, Glanz und Niedergang des Hauses Habsburg, S. 338

27 ausdrücklich niederlegte. Kaiser Karl I. verstarb am 1. April 1922 an einer schweren Lungenentzündung im Exil.

Zeitgeistige Situation

Als Resultat der Ereignisse herrscht eine explosiv-verdichtete Stimmung vor, wobei nicht zuletzt die Gazetten ab 1890 immer wieder eine gewisse Endzeitstimmung formulieren. In diesem von Schorske als „scharf empfundenes Beben einer sozialen und politischen Desintegration“37 beschriebenen Umfeld entwickelt sich eine Schicht der Intellektuellen, die auf allen Ebenen – sei es im Bereich der Musik, Literatur oder Kunst, aber auch im Bereich der Wissenschaften – Revolutionäres schaffen. Mit dieser Entwicklung geht ein radikaler Wandel der Gesellschaft einher, der sich vor allem durch die „ungewöhnliche Verbindung von Provinzialismus und Weltbürgertum, Traditionalismus und Modernität“38 charakterisiert, die den reichhaltigen Nährboden für die Secession und den folgenden Expressionismus darstellt. Die Vorahnung des Untergangs in Zusammenspiel mit einer wientypischen Dekadenz, die Kunst und das Leben zu vereinen, führen zu einer somnambulen Stimmung der Bourgeoisie. Das Leben in Kunst und Luxus liest sich für manch einen wie ein „grotesker Totentanz“39.

Der Wiener im Geiste

Jede Jahrhundertwende hat es an sich, bestimmte Untergangsgefühle und -szenarien in den Köpfen der Menschen hervorzurufen. Für die Zeit des Wiener Fin de Siècle ist es jedoch bezeichnend, dass die zeitliche Verdichtung historischer Ereignisse trotz ihrer dramatischen Entwicklungen eine sonderbare Leichtigkeit im Denken der Bevölkerung – vor allem im jenen der Mittelschicht – hervorrief, oder wie Hermann Broch es ausdrückt: „Auch in Wien beherrschte das Wert-Vakuum die Jahre von 1870 bis 1890, aber die waren hier eben die

37 Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. X 38 Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. XVIII 39 Hofmann, Werner (Hrsg.), Experiment Weltuntergang. Wien um 1900, Prestel, München: 1981, S. 252

28 Backhendl- und nicht wie in Deutschland die Gründerzeit, und sie wurden daher so leicht genommen, wie es sich für ein Vakuum geziemt.“40

Auf der anderen Seite wird der Begriff des „Unrettbaren Ichs“ von geprägt, der es seinerseits von Ernst Machs „Beiträge zur Analyse der Empfindungen“ (1886 veröffentlicht) übernommen hat und die allgemein vorherrschende Identitätskrise des psychischen und physischen Körpers zum Ausdruck bringen soll. Philosophie, Literatur oder die Malerei, ja sogar die Medizin greifen diese Themen auf,41 und die Psyche wird zum vorherrschenden Thema dieser Zeit – offensiv expressiv oder unterschwellig sinnlich. Auch die Architektur widmet sich den neuen Themen der Gesundheit (etwa das Sanatorium Am Steinhof, Otto Wagner, 1907 eröffnet), und erfindet den Sozialbau neu. Im Gegensatz hierzu wird jedoch auch der Gedanke des Raumes als Gesamtkunstwerk sehr stark gefördert, in dem der Mensch mehr als Statist denn Bewohner zu sein scheint.

Und diese Zwiespältigkeit im Denken und Fühlen der sich neu bildenden Elite – einerseits der Überschwang, andererseits die sich abzeichnende Erschöpfung – ist es, die das Fin de Siècle charakterisiert. Mehr noch, der Begriff ‚Fin de Siècle‘ gilt in der gebildeten Schicht als modern, und die ihr immanente Verbindung aus Ermattung und Dekadenz avanciert zum neuen Lebensgefühl, in dem soziale sowie nationale Konflikte intensiver als anderswo in Europa erlebt werden.

Der Wiener Künstler

Die Zeit um 1900 bedeutet für den Wiener jedoch nicht nur die Vorahnung über den bevorstehenden Untergang des Reiches. Neben dieser bedeutenden politischen Wandlung beeinflussen auch erhebliche Fortschritte der Technik und Wissenschaft die Gesinnung der Menschen. Vor allem ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts findet ein rasanter sozial-

40 Broch, Hermann, Die fröhliche Apokalypse Wiens um 1880, in: Wunberg, Die Wiener Moderne, S. 86 41 Man denke nur an Freuds Psychoanalyse, Nietzsche, Mach, Kraus, Schnitzler, Hofmannsthal, Klimt Kokoschka oder Schiele

29 ökonomischer Wandel statt, der letzlich auch die Habsburgermonarchie erfasst und sowohl ein kollektives wie auch individuell verändertes Bewusstsein evoziert. Wie in allen urbanen Zentren entsteht eine Arbeiterbewegung, die als Sprachrohr der neuen sozialen Schicht der Industriearbeiter fungiert. Der durch die Industrialisierung in Wien (seit Mitte des 19. Jahrhunderts) entstehende rasante Anstieg der Bevölkerungsanzahl bewirkt einen Zuwachs von einer Million 1870 auf zwei Millionen 1910, die Arbeiterklasse entsteht. Vor den Toren des Glacis, der heutigen pompösen Ringstraße, formieren sich mehr oder weniger Armenviertel anstelle der dörflichen Alt-Wiener Bebauung. Hier entstehen vier- bis sechsgeschossigen Miet- und Geschäftsgebäude mit kleinen Wohneinheiten, die sich die große Unterschicht sogar noch mit Hilfe des „Bettgeher-Prinzips“ teilen musste.

Dieser sozialarmen Unterschicht steht die sich neu entwickelnde, quasi subkulturellen Oberschicht gegenüber, die sich zwar von bestehenden Institutionen des Kaiserstaates (Adel, Militär und auch Bürokratie) loslöst, jedoch denselben Luxus lebt und sich als Träger der Kultur begreift: die Bohemiens. Es handelt sich hierbei um eine elitäre Gruppe, die sich selbst als Avantgarde betrachtet und sich im Bereich der Grenznormen ansiedelt, gleichzeitig jedoch als Gruppe der Bourgeoisie angehört, die erheblich den Trend der Moderne unterstützt und fördert. Die Bourgeoisie zählt zur oberen Mittelschicht des Bildungs- und Besitzbürgertums, das einerseits eine starke jüdische Prägung hat, andererseits können rund 80%42 der Kreativen und Intellektuellen der Wiener Jahrhundertwende ihr zugezählt werden. Sie kämpfen gegen das gängige habsburgerische Prinzip, Neuerungen als Unnütz oder gar als Bedrohung des Systems aufzufassen und können als Grenzgänger angesehen werden, soweit es ihre soziale (Op)Position bezüglich der Werte, Ideale oder Moralvorstellungen (Stichwort: Antisemitismus) betrifft.

Der „moderne“, meist finanziell als auch sozial gut gestellte, Künstler selbst formierte sich schließlich, abgesehen von der Secession oder der Wiener Werkstätte, weniger in festen Gruppen, als in zwanglosen Formationen. Allein gemeinsame ästhetische Werte und die

42 Péter Hanák, Social Marginality and Cultural Creativity in and , in: Emil Brix, Allan Janik (Hrsg.), Kreatives Milieu, Wien um 1900, Oldenbourg, München: 1993, S. 157

30 Ablehnung jeglicher akademischer oder konventioneller Bezüge verschafften ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, die nationale Identität ist höchst sekundär. Durch diesen Identitätspluralismus entsteht jene Verbindung an Nationen, die zur Befruchtung der Wiener Moderne wesentlich beigetragen hat.

Das Habsburgerreich hatte somit zwar sozial wie politisch gesehen wenig Struktur, aber viel Atmosphärisches, das sich aus dem Konglomerat der Sprachen, Verhaltens- und Lebensweisen in einer einzigartigen Art und Weise vermischt, so dass sich zumindest auf diesem Weg eine Einheit entwickeln konnte. Und gerade dieser Umstand ist es, der bewirkte, dass sich die intellektuelle Elite des Wiener Fin de Siècle niemals als solche begriff. Im Gegensatz zu anderen europäischen Zentren herrschte in der Residenzstadt der Habsburger ein reger Austausch zwischen den einzelnen Disziplinen Kunst, Literatur, Journalismus und Wissenschaft, der auf vielen Gebieten zu Neuerungen führt, allen voran Inventionen in der Musik oder Psychoanalytik. Wissenschaftliche wie kulturelle Erzeugnisse dringen weit über die Grenzen Wiens und der Monarchie hinaus: neben dem rein literarischen Wirken sind hier vor allem Freuds Psychoanalyse (1899, veröff. 1900), Theodor Herzls Zionismus oder Arnold Schönbergs Zwölftontechnik zu nennen. Gefördert wurde dieser Dialog durch die Entstehung einer einzigartigen Salon- und Caféhauskultur (Griensteidl, Central, Café Museum); Gebildete und Künstler wie Kraus, Bahr, Klimt, Kokoschka, Schönberg oder Loos (um nur einige wenige zu nennen) trafen sich im öffentlichen Raum in gemütlicher aber luxuriöser Umgebung, um in der neu geschaffenen gesellschaftlichen Ebene der Bohemiens zu diskutieren und zu philosophieren. Diese junge Kultur nimmt zudem einen derart großen Stellenwert im Alltag der Intellektuellen ein, dass sie sogar als ‚Universalsorgenbrecher in jeder Lebenslage‘ ansah.43 Der Begriff „Die Jungen“ wird zum Synonym für die Vorreiter der Moderne in Literatur, Kunst und Architektur, die zunächst dem Jugendstil folgten, sich jedoch, das väterliche Erbe abstreifend, von diesem lösten und revolutionäre neue Wege einschlugen.

43 Rieder, Heinz, Geburt der Moderne. Die Wiener Kunst um 1900, Stiasny, Graz/Wien: 1965, S. 22

31 Wien als Hauptstadt der Moderne

Wien ist nicht der Geburtsort der Moderne! Freud ist von seinen Studienjahren in Paris beeinflusst, Mahler befand sich für den Großteil seiner Karriere nicht in Wien, Wittgenstein wurde als Professor in Oxford berühmt und selbst das berühmteste Gebäude des Wiener Jugendstils, das Palais Stoclet, steht nicht Wien, sondern in Brüssel.

Bis ca. 1880 hatte Wien nicht einmal den Anspruch gehabt, modern zu sein. Eine kulturelle oder intellektuelle Avantgarde, abgesehen von der Musik oder Medizin, existierte schlicht weg nicht – die konservative Regierung der Habsburger ließ dies kaum zu. Ein Umschwung kam mit der der liberalen Phase ab 1880, in der Wien schnell wächst und als Hauptstadt zusehends polyglott wird. Der Einfluss der jüdischen Bourgeoisie44, die mit den Werten der traditionellen Habsburgermonarchie wenig gemein hatten, wächst auf Grund der politischen Situation und sie bekamen die Möglichkeit, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Und auch wenn sie die moderne Kultur nicht kreierten, so haben sie doch eine wesentliche Rolle für ihre Entstehung und Entwicklung gespielt. Es ist auffallend, wie viele Intellektuelle der Wiener Moderne einen jüdischen Hintergrund haben (Freud, Wittgenstein, Mach, Schnitzler, Kraus etc.), wobei sich dieses Phänomen auf den Bereich der Wissenschaft und Literatur zu beschränken scheint. In der Kunst und Architektur jedoch sind es meist nicht die Künstler selbst, sondern ihre Mäzene (Hevesi, Zuckerkandl, Wärndorfer…), die jüdischer Herkunft sind und oftmals auch die Kontakte zu Künstlern anderer Kunstzentren herstellen.45 Und diese relative Aufgeschlossenheit der künstlerischen wie wissenschaftlichen Avantgarde gegenüber anderen kulturellen Zentren, die eine Reinterpretation britischer, französischer und deutscher Ideen erlaubte, in Verbindung mit der Multikulturalität machte aus Wien zumindest eines: Hauptstadt der Moderne.

44 Siehe hierzu auch Kapitel “Der Wiener im Geiste” 45 Steven Beller, Who made Vienna 1900 a capital of modern culture?, in: Brix, Kreatives Milieu. Wien um 1900, S. 178

32 Architektonische Situation

Die Kunst der Wiener Moderne wird somit nicht nur durch zahlreiche Verflechtungen mit anderen kulturellen Ländern von außen positiv angeregt, vor allem die Multikulturalität in den eigenen Reihen lässt Wien aufleben. Dieser Umstand führte jedoch immer wieder an die Frage nach einer Architektur heran, die als Zeichen der Doppelmonarchie bestand hat. Das Bestreben, das Kaiserreich baulich repräsentativ darzustellen, lähmte zunächst jedoch die Entwicklung einer eigenen Formensprache, die nach dem Aufstand der Jungen in der Propagierung der neuen Architektur durch Otto Wagner, Joseph Olbrich oder Adolf Loos mündet.

Nationalarchitektur oder nicht

Der Frage, ob es denn nun eine Nationalarchitektur in dem Sinn gab, wo doch kein Nationalstaat per se existierte und sogar die Suche nach einer Definition oder Interpretation für „österreichisch“ (ganz abgesehen von dem Dilemma in Zusammenhang mit „wienerisch“) zur Zeit der Habsburger schwierig wird, kann demnach nicht so leicht eine Antwort gegeben werden. Genau genommen existierte nicht einmal die Wiener Architektur schlechthin, da diese meist von Architekten aus den Bundes- bzw. Kronländern geschaffen wurde.

Die Umstrukturierung der sozialen Schichten, hervorgerufen durch die Industrialisierung, bedingt in der Kunst zunächst einen Stilpluralismus, der besonders in der Architektur zum Ausdruck kommt und in den Bauten der Wiener Ringstraße gipfelt. Hof, Adel sowie das Bürgertum treten hier nebeneinander als Bauherren auf, wobei die unterschiedliche soziale Gruppierung einen ebenso unterschiedlichen Geschmack und Funktion der Gebäude bedingt.46 Allen gemein ist jedoch die Vorliebe für die historistische Idee, die der Ringstraße und ihren Prunkbauten ein charakteristisches Aussehen verleiht, und für welches das Wien der zu Ende gehenden Monarchie noch heute berühmt ist. Als Symbol der Kosmopolität verstanden, wird sie

46 So hat der sich frisch nobilitierte Adel eine Vorliebe für die Palazzi der italienischen Renaissance, das Bürgertum bevorzugt hingegen den späthanseatischen gotischen Stil. Vergl. Prokop, Ursula, Das Experiment der Institutionalisierung eines österreichischen Nationalstils. Otto Wagners Supernationale Moderne versus Ludwig Baumanns „Reichsstil“, in: Senarclens de Grancy, Uhl, Heidemarie (Hrsg.), Moderne als Konstruktion. Debatten, Diskurse. Positionen um 1900, Pochat, Götz, Acham, Karl (Hrsg. u. a.), Studien zur Moderne 4, Passagen Verlag, Wien: 2001, S. 109

33 ebenso zum Assimilationspunkt der jüdischen Bourgeoisie, die hier häufig als Bauherren auftreten – man sah den Traum von Integration und Emanzipation durch Bauten wie dem Palais Epstein (Theophil von Hansen, 1868-1871, Neorenaissance, Bauherr: der jüdische Bankier Gustav Ritter von Epstein, Bauleiter: Otto Wagner; ABB. 20), oder dem Palais Todesco (Ludwig von Förster, , 1861-64, Bauherr: jüdischer Baron Eduard von Todesco; ABB. 21) verwirklicht.47

Den Ringstraßenbauten im Stile der Neorenaissance oder -gotik wird der Neobarock mit seiner national ausgerichteten Metaphorik entgegengesetzt, die durch ihre Rezeption des Barock weitaus mehr den konventionellen politischen Vorstellungen entsprach. So werden auch die Anläufe einer progressiven Architektur vollkommen auf den privaten Bereich zurückgedrängt, während öffentliche Gebäude weiter im traditionellen, rückwärtsgewandten Neobarock erbaut werden.

Somit kann sich an der Ringstraße kein Nationalstil etablieren – so sehr in einem multinationalen Gebilde wie der Habsburgermonarchie nach einer alles verbindenden Architektur gesucht wurde. Nichts grundsätzlich Neues haftet ihr an, außer vielleicht der Tatsache, an der Ringstraße einen stilgeschichtlichen Rundgang vornehmen zu können. Und so nahm die Begeisterung für dieses Projekt auch schnell ab, selbst die an ihr beteiligten Architekten nahmen in späteren Jahren Abstand von diesem Bauvorhaben. Man muss jedoch auch erwähnen, dass gerade dieser Stilpluralismus zumindest symbolhaft ein Spiegelbild des Vielvölkerstaates hervorbrachte, und die ehemaligen Gebieten der Donaumonarchie noch heute an diversen Gebäuden wie Verwaltungsbauten, Bahnhöfen oder Theatern durch die „subtile Dialektik von Vielfalt und Einheitlichkeit“48 zu erkennen sind.

Nein, es gab keine Nationalarchitektur im Wien des Fin de Siècle, so wie es die Barockarchitektur mit ihrer vermeintlichen genuinen österreichischen Kultur für die Monarchie

47 Senarclens de Grancy, Moderne als Konstruktion, S. 122 48 Achleitner, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 11

34 darstellte, aber eine Prägung, die auch über ein Jahrhundert später als Architektur der Donaumonarchie Joseph I. aufgefasst wird. Die „blindwütige Modernität der Ringstraßenherrlichkeit“49 konnte sich nicht behaupten und historisierende Stilzitate wurden von der neuen Generation als obsolet angesehen; die Zeit der Wiener Moderne war gekommen. Die Trennung von Architektur und dem Ingenieurwesen im 19. Jahrhunderts führte zudem zu neuen ästhetischen Kategorien und die Forderung nach einer Wahrhaftigkeit in der Architektur wurde laut. Die Ironie: ausgerechnet der moderne Jugendstil, der von reaktionären Kräften immer wieder mehr oder weniger bekämpft wurde, steht heute für das Wien wie es sonst nur der Barock vermocht hatte.

Wiener Architektur der Moderne zwischen Ornament und Experiment

Es waren vor allem zwei der berühmtesten Architekten, die Wien zu jener Zeit hervorbrachte, die Ende des 19. Jahrhunderts eine architekturtheoretische Diskussion über die ‚Wahrhaftigkeit der Architektur‘ entfachten: Otto Wagner und Adolf Loos. Mit ihren Schriften „Moderne Architektur“ (1896) bzw. „Die Potemkinsche Stadt“ (1898) führten sie einen Feldzug gegen den Historismus der Ringstraße, für den auch Hermann Bahr, einer der führenden Literatur- und Kunstkritiker jener Zeit, Worte findet: „Ich habe sie als Bub gehorsam erstaunend bewundert, ich habe sie später jahrelang heiß gehaßt; (…) Niemals hat sich Ohnmacht von einer so bezaubernden Anmut, Kühnheit und Würde gezeigt, keine Null ist je mit solcher fruchtbaren Hülle gesegnet, niemals Nichtssagendes von einer so hinreißenden Beredsamkeit gewesen. (…) Als Leistung staunenswert, vor allem gleich dadurch, daß sich überhaupt Männer fanden, sie zu wagen (…). (…) als sich ein Menschenalter später die jungen Baukünstler der Sezession erdreisten wollten, ihre Modernität gegen jene inzwischen schon wieder veraltete der sechziger Jahre nun mit eben derselben Rücksichtslosigkeit einzusetzen, noch die ganze Stadt empört aufschrie, gegen die junge Modernität, für die verwichene.“50

Mit der Propagierung einer von Staub und Dekor losgelösten Architektur geht die Gründung der Secession 1898 einher. Die von dieser künstlervereinigung beeinflussten Architekten kämpfen

49 Hermann Bahr, Die Ringstraße, in: Wunberg, Die Wiener Moderne, S. 108 50 Hermann Bahr, Die Ringstraße, in: Wunberg, Die Wiener Moderne, S. 108f.

35 zeitgleich für eine intimere Gestaltung und für eine neue Form des Rationalismus in der Baukunst, begreifen ihre Gebäude als Gegenpol zu den stereotypen Lösungen der Ringstraßenarchitektur, wobei das Dekorative zwar nicht ausgeschaltet, jedoch von Grund auf erneuert wird (eine Ausnahme stellt hier Adolf Loos dar). Voraussetzende Annahme hierfür ist jene, dass das Ornament als geistige Kategorie begriffen wird, die für das Leben unverzichtbar ist - die Gestalttheorie wird in Wien als psychologisches Regulativum zur Form entwickelt.51 Hierbei entsteht nun ein Spannungsfeld zwischen einer ornamentalen, von den Wellenlinien der Secession beeinflusste Architektur (z.B. Olbrich) und der linearen Architektur etwa eines Josef Hoffmanns, für den das Quadrat als Symbol des Gleichgewichts als einziges Dekormittel zulässig erscheint. Otto Wagner, Vater und Lehrer der Modernen Architektur, fungiert hier nicht nur als eine Art Bindeglied, sondern auch als Motivator: von seinen Schülern forderte er experimentale Architektur geradezu ein, um „den göttlichen Funken der Phantasie (…) zur leuchtenden Flamme anzufachen“52 - der Bogen vom Ornament zum Experiment innerhalb der Wiener Moderne ist gespannt.

51 Borsi, Franco, Godoli, Ezio, Wiener Bauten der Jahrhundertwende. Die Architektur der Habsburgerischen Metropole zwischen Historismus und Moderne, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart: 1985, S. 13 52 Otto Wagner, zitiert nach: Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 157

36 DIE ARCHITEKTUR DER WIENER MODERNE

Dass die Zeit der Wiener Jahrhundertwende an sich schwer zu fassen ist, zeigt sich schon an der Fülle der Bezeichnungen, die für diese Periode ihre Verwendung finden. Jugendstil oder Wiener Moderne sind hier die gebräuchlichsten Begriffe, ‚Fin de Siècle’53 fällt in diesem Zusammenhang, auch wenn dieser mehr als nur den Jugendstil an sich umschreibt. Gemein ist ihnen jedoch der Umstand, dass sie allesamt, mehr oder weniger exakt, den gleichen kunstgeschichtlichen Zeitraum umschreiben, der darüber hinaus einen nur relativ kurzen Zeitabschnitt in der Historie der Architektur darstellt.

Als modern gilt seit jeher die Kunst, die als Reaktion auf die bisherige als normativ angesehene Kunst entsteht. Der Begriff der ‚Wiener Moderne’ an sich ist eine Umschreibung für einen Zeitraum, der auf formalen, funktionalen und auch moralischen Instanzen in der Architektur fußt, wobei die Einflüsse bis in das 18. Jahrhundert zurückgehen. Vor allem die Hinterfragung der vitruvianischen Autorität und seiner klassischen Architekturregeln, die mit der Ablehnung der Barock- und Rokokoformen einhergeht, ist insofern richtungsweisend für die Wiener Moderne, als dass diese sich ebenfalls vom Kanon zu lösen versucht.54 Ebenso gibt die Revolutionsarchitektur des ausgehenden 18. Jahrhunderts Anregungen, wie es an den Beispielen der Wagnerschule ersichtlich wird.

Im architektonischen Sinne bedeutet ‚modern‘ die Haltung der gebauten Umwelt in Bezug zu aktuellen und zeitgeistigen Diskursen, ist mitunter auch Reaktion auf politische Verhältnisse, wie es bei der Wiener Moderne der Fall ist. Im nationenreichen Österreich-Ungarn ist man auf Tradition bedacht und versucht den nicht vorhandenen Nationalstil durch ein nebenher mehrerer Stile auszugleichen, wobei der Historismus an sich schon Ausdruck einer Orientierungslosigkeit ist, beruft man sich doch nicht

53 Genau genommen handelt es sich hierbei nicht um einen kunstgeschichtlichen Begriff sondern um eine zeitliche Angabe, in die der Jugendstil zwar hineinfällt, jedoch nicht ausschließlich damit gemeint ist. Von der Ringstrassenzeit bis zum ersten Weltkrieg deckt dieser Ausdruck alle Bereiche ab. 54 Vgl. Kostof, Spiro, Geschichte der Architektur. Band 3. Vom Klassizismus bis zur Moderne, Deutsche Verlags- Anstalt, Stuttgart: 1993, S. 509

37 nur auf vorangegangene Stile, sondern mit diesen auch auf vorangegangene Werte. Und während woanders (Italien und Frankreich) schon früh die ersten Stimmen nach einer funktionalen Architektur laut werden, wendet sich der gemütliche Wiener den schon erprobten Stilen zu, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. Mit der Industriellen Revolution ändert sich zwar der Geschmack und der Weg ist frei für eine neue Architektur, die durchaus das Potenzial einer Nationalarchitektur gehabt hätte, jedoch zeigt sich hier, dass der Wiener anscheinend trotz aller Bemühungen, modern zu sein, nicht mit einem gewissen Stilpluralismus abschließen konnte: Es kommt zur einzigartigen Situation in der kurzen Epoche des Jugendstils, dass sich in Wien beide Ausformungen und noch dazu fast zeitgleich entwickeln. Möchte man dennoch eine Chronologie aufstellen, so ist, parallel zur Kunstgeschichte der Malerei (die ihrerseits wiederum die Architektur beeinflusste), dem floralen Jugendstil der Vortritt zu geben, der nach einer Phase der Koexistenz schließlich vom geometrischen Jugendstil verdrängt wird. Darüber hinaus kommt es zu einer Wiederbelebung des Heimatstils, der sich dank englischer Einflüsse und einer Rückbesinnung auf Tradition und Werte als Gegenpol zur schnelllebigen industriellen Gesellschaft einer neuen Beliebtheit erfreut. Mit der Architektur der Wiener Moderne werden die Miseren des Vielvölkerstaates und der Versuch, den Barock (ausgerechnet!)55 als Nationalarchitektur zu etablieren, bewusst untergraben, indem eine Architektur entwickelt wird, die mit ihrem im Vergleich kubischen Körpern keine Zugehörigkeit ausdrücken will. ‚Modern’ wird zum epochalen Zeitbegriff und diese spezielle Epoche markiert bis heute die Wende hin zur modernen Architektur.

Architekten wie Otto Wagner, Josef Hoffmann (ABB. 22), Josef Maria Olbrich (ABB. 23) oder Adolf Loos, die dieser Zeit ihren unverkennbaren baukünstlerischen Ausdruck gaben, sind auch über hundert Jahre später noch in der breiten Öffentlichkeit bekannt, was nicht nur für die

55 Im Grunde markieren der Barock und der verwandte Rokoko die Wende in der Architektur hin zu klaren Formen. Heftige Reaktionen auf die überschwelgenden Formen und überladenen Bauten führen hin zu einer deutlich reduzierten Architektur des Klassizismus, der mit den elementaren Formen in ihrer reinen Form spielt. In abgeschwächter Form tritt dieser Sachverhalt wieder im geometrischen Jugendstil auf, der als Reaktion auf den Historismus schließlich den Weg zur Modernen Architektur vorbereitet. Anders ergeht es dem floralen Jugendstil, der im Willen zur Erneuerung in einer formal-ästhetischen Revolution stecken bleibt und im Prinzip die Krise der Orientierungslosigkeit des Historismus mitnimmt und in einer Sackgasse endet. Vgl. Müller, Werner, Vogel, Gunther, Baugeschichte von der Romanik bis zur Gegenwart, 10. Auflage, dtv-Atlas Baukunst, Bd. 2, Deutscher Taschenbuch Verlag, München: 1997, S. 497

38 Präsenz ihrer Bauten spricht, sondern ebenso für die zukunftsweisende Arbeit, die sie leisteten. Die Annahme, die Ästhetik ergebe sich aus der Funktion der einzelnen Bauelemente ist wesentlich für diesen neuen Baustil, der in erster Linie durch die deutschen Architekten Walter Gropius mit der Weimarer Kunstschule „Bauhaus“, Mies van der Rohe oder durch den Schweizerisch-Französischen Le Corbusier und dem Internationale Stil (um nur einige zu nennen) vertreten wurde.

Die Architektur der Wiener Moderne bewegt sich schließlich in einem Spannungsfeld zwischen Experiment und Ornament. Die floralen dekorativen Formen der Malerei und Graphik werden in der Architektur derart miteinbezogen, so dass sich hieraus teilweise experimentelle Herangehensweisen ableiten lassen. Der Glaube, mit Hilfe der Natur einen ätherischen Raum zu erzeugen, führt zu einer Baukunst, die sich mitunter in völlige Abhängigkeit des Ornaments begibt. Dieser Ansatz, die Architektur mit Natur zu überziehen, führt aber auch zu einer zeitgleichen Kritik des überschwelgenden Ornaments. Eine klare, geradlinige Architektur wird entwickelt, die ihrerseits zu Architekturxperimenten mit kubischen Formen führt, welche durch ihre klare Sprache überzeugen.

Die Ringstraße und ihre Kritiker

Die Geschichte der Architektur der Wiener Moderne fängt mit einem der größten Bauprojekte Wiens, der Ringstraße, an – auch wenn die historisierenden Bauten und schwerfällig anmutenden Wohnhäuser im Sinne Gottfried Sempers (noch positiv besetzter) Bekleidungstheorie es kaum vermuten lassen.

Das Projekt der Ringstraße (ABB. 24), welches am ehemaligen Glacis rund um den Stadtkern im Stile vergangener Zeiten sowie im klassischen Stil entstand, sollte dem Bürger das Gefühl einer auf sicheren und festen Fundamenten ruhenden Monarchie vermitteln, in der Künstlertum und Schöngeistigkeit sich vereinen. In diesem vom Kaiser unterstützten Projekt wurden die meisten öffentlichen wie auch privaten Gebäude hauptsächlich vor 1870 realisiert, vollendet wurde das Projekt der Ringstraße jedoch erst 1913 mit der Fertigstellung des Kriegsministeriums – eine

39 Zeit, in der selbst anfängliche glühende Verfechter wie Otto Wagner sich bereits dem Jugendstil zugewandt hatten.

Dieses Mammut-Projekt, das das Stadtbild der habsburgerischen Reichshauptstadt bis heute am stärksten prägt, ist ausschlaggebend dafür, dass sich die Architekten der Zeit der Frage nach einer angemessenen Architektur für das moderne Leben, das in der neu entstehenden Wiener Bourgeoisie immer mehr um sich greift, stellen. Nichts scheint dem modernen Geist mehr zu widersprechen, als in Bauten zu wohnen, die den Formen und Gedankengut vergangener Zeiten nachhängen und somit dem heroischen Ideal einer Reichsarchitektur entsprechen mögen, nicht aber der aufstrebenden intellektuellen und kulturellen Elite Wiens. Wie gesagt: es scheint.

Denn die Ringstraßenarchitektur mitsamt ihrem imperialen Historismus bedeutet den ersten Ausbruch aus der Traditionsarchitektur des Barock, der bis Ende des 19. Jahrhunderts den politischen Ideologien des Habsburgerhauses Ausdruck verlieh. So wurde die Barockrezeption im betont traditionellen Habsburgerhaus sogar bei dem an sich aufgeschlossenen Erzherzog Franz Ferdinand als architektonisch manifestierter Kampf gegen die Moderne und gegen die großdeutsche Lösung angesehen, wodurch einer der größten Architekten der Wiener Moderne, Otto Wagner, schon während seiner im Vergleich bieder anmutenden Phase der Ringstraßenarchitektur in das Visier der reaktionären-konservativen Partei geriet.56

Stilantizipation wurde bewusst gewählt, um vor allem die vier öffentlichen Monumentalbauten der Ringstraße jenem historischen Stil zu unterwerfen, den man für ihre Funktion angemessen erachtete. So stand das gotische Rathaus (Friedrich von Schmidt, 1872-83) für Wiens Ursprung als mittelalterliche Stadt, das im klassischen Stil der Griechen erbaute Parlament (Theophil Hansen, 1874-83, ABB. 25) für den Ursprung der Demokratie, das frühbarock gehaltene Burgtheater für eine Kunst, in der kein Unterschied zwischen den Ständen herrscht.57 Und schließlich noch die Universität, die in der Tradition der Neorenaissance im Sinne Gottfried

56 Besonders die Neorenaissance im Sinne Sempers stand für eine gehobene, liberale (mitunter jüdische) Gesellschaft, deren Aufgeklärtheit dem konservativen Lager ein Dorn im Auge war. Vgl. Prokop, in: Senarclens de Grancy, Moderne als Konstruktion, S. 122

40 Sempers steht und der Aufgeklärtheit und dem Liberalismus des gehobenen (jüdischen) Bürgertums Ausdruck verlieh,58 das der insgesamt relativ starren und neo-absolutistischen Habsburgermonarchie entgegenzuwirken suchte.59 Auch die Mietshäuser (oder auch Zinspalast genannte Wohngebäude) wurden im Stil der Renaissance erbaut, wodurch die Ringstraße, vom Kaiser nach politischem Druck 1857 zur Erweiterung frei gegeben, zum Sinnbild der höchsten Werte des Liberalismus wird, während sich im Herzen Wiens, der Altstadt, mit der barocken Hofburg, den Kirchen und eleganten Palais des Hochadels die architektonischen Symbole des 1. und 2. Standes befinden. Eine scheinbare unsichtbare Grenze herrscht zwischen den Lagern, die durch die von Ludwig Förster entworfenen Stadtplanung nur noch betont wird. So existieren keine barocken Perspektiven, wie zum Beispiel strahlenförmige Verbindungen zur Innenstadt, sondern es wird vielmehr auf die Betonung des Fließens Wert gelegt und der einstige militärische Gürtel, das Glacis, wird so zur gesellschaftlichen Trennlinie. Dass die Gleichwertigkeit der Anordnung der einzelnen Gebäude, egal ob sie im politischen, kulturellen oder erzieherischen Kontext stehen, jedoch auch ein Gefühl der Bezugslosigkeit der Bauten untereinander auslöst, wird durch das Nebenher der Stile nur noch verstärkt und die Diskrepanz zwischen Stil und Funktion ruft Kritiker hervor, die sogar aus den eigenen Reihen kommen: Camillo Sitte und Otto Wagner.

Camillo Sitte („Der Städtebau“, 1889) trat für eine Stadt ein, in der der psychologische Erholungswert mit einbezogen wird. Im konkreten bedeute dies, dass Sitte weder den Historismus noch die Dissonanzen der Ringstraße in Frage stellte, sondern den Umstand des nicht vorhandenen freien Raumes, der zum Verweilen einlud. Die logische Folgerung war die Schaffung von psychologisch funktionalen Plätzen als Inseln menschlicher Gemeinschaft, die

57 Im barocken Zeitalter kam es erstmals zu dem Umstand, dass Geistliche, Höflinge und Bürger gemeinsam einem künstlerischen Beitrag folgten. Vgl. Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 35 58 So glaubte man in einer Zeit des aufkeimenden Antisemitismus durch das Ringstraßenmodell den Traum von Assimilation und Emanzipation verwirklicht zu sehen, wodurch die Ringstraße nicht nur zu einem architektonischen sondern auch einem tief in der gesellschaftlichen Ordnung verankerten Diskurs führte. Vgl. Prokop, Das Experiment der Institutionalisierung eines österreichischen Nationalstiles. Otto Wagners Supernationale Moderne versus Ludwig Baumanns „Reichsstil“, in: Senarclens de Grancy, Moderne als Konstruktion, S. 123 59 Mit Erfolg, so konnte der Einfluss der Liberalen die Wandlung in eine konstitutionelle Monarchie bewirken.

41 den Fluss der Ringstraße unterbrechen sollten, um seiner Vision eines wieder menschlich gewordenen städtischen Raumes zu entsprechen. Auch für Otto Wagner, der für Ökonomie und Effizienz der Gebäude stand, wurde die Ringstraße schnell zum Brennpunkt architektonischer wie ästhetischer Kritik. Mit seinem Leitsatz „Artis Sola Domina Necessitas“ (Die Notwendigkeit ist die einzige Herrin der Kunst) steht er im offensichtlichen Gegensatz zu Camillo Sittes psychologischem Ansatz. Die Forderung nach einer zweckgebundenen Architektur steht bei Wagner ohne Zweifel in Vordergrund, wobei er die identitätsstiftende Funktion der Gebäude außer Acht läßt, die wiederum im ornamentalen Jugendstil bestimmender Faktor schlechthin ist.

Kunsthistoriker der Zeit

Die Lehre Gottfried Sempers (1803-1879) hat entscheidenden Einfluss auf die Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Als führender Kunsttheoretiker und Architekt seiner Zeit (unter anderem zeichnet er sich zusammen mit Karl von Hasenauer verantwortlich für den Entwurf und Bau der Wiener Museen der Ringstraße) versteht er die Kunst als Resultat der Umstände, unter denen sie entsteht: „Nur einen Herrn kennt die Kunst, das Bedürfnis.“60 Die „praktische Ästhetik“61, die er proklamiert, ist unschwer in Wagners Manifesten wieder zu erkennen („Etwas Unpraktisches kann nicht schön sein!“)62, auch die Forderung nach Einbindung moderner Konstruktionen und Baustoffe lässt sich nahtlos in die Linie Wagners (und in weiterer Folge auch jene von Adolf Loos!) einbinden. Auch wenn der große Wiener Architekt die historisch orientierte Architektur eines Sempers vehement ablehnte, und die so gängigen Studienreisen zum Studium der Antike verabscheute, so muss doch bedacht werden, dass Wagner aus eben dieser Schule des Historismus kommt und Semper in der Theorie moderner war als in der Architektur.

60 Kultermann, Udo, Kleine Geschichte der Kunstheorie. Von der Vorgeschichte bis zur Gegenwart, Primus, Darmstadt: 1998, S. 164 61 Der Begriff ‚Praktische Ästhetik’ findet sich als Untertitel in Sempers Hauptwerk „Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten“ (1860/1863) wieder, in der er die Lehre vom Stil in eine ‚natürliche’ und eine ‚historische’ Ebene aufspaltet. 62 Wagner, Otto, Moderne Architektur. Seinen Schülern ein Führer auf diesem Kunstgebiete, 3. Auflage, Schroll, Wien: 1902, S. 44

42 Stoffwechseltheorie und das Prinzip der Bekleidung - Gerüst und Haut - sind die beherrschenden Themen in Sempers Theorie. Die Haut nimmt die primäre Rolle ein, ist Maskierung des Stofflichen, ist Träger der Symbolik, die gerade im Jugendstil eine vakante Rolle einnimmt. Dass Semper überzeugt davon war, dass die meisten Dekorsymbole sich von der Textilkunst bzw. von textilen Verbindungen ableiten,63 die ihrerseits im Jugendstil zu einem neuen Höhepunkt gelangt, sei nur nebenbei bemerkt. Die „Tarnung der Realität“64, die Semper proklamierte, entspricht wiederum exakt der Herangehensweise von Olbrich an die Baumaterie (ABB. 26), der mit seinem Schaffen in Mitteleuropa die ansonsten vorwiegenden von Wagner beeinflussten sachlich-tektonischen Entwürfe durchbricht. Dass die Architektur aus einem rein funktional gesteuerten Entwurfsprozess entsteht, ist Olbrich fremd. Die Kunst soll nicht der Alltäglichkeit dienen, sondern ist Mittel, um aus gerade dieser auszubrechen, daher wird die Struktur nur bei der Modellierung der Baumasse, nicht aber bei der Anbringung der Ornamente sichtbar. Das Schaffen einer sphärischen Welt ist bei Olbrich zentrales Thema, die „Sempersche Faschingslaune“65 wird bei Olbrich Programm.

Josef Strzygowski hingegen attestiert den Bauten im floralen Jugendstil ein Fehlen jeglichen Inhalts, da sie auf die Dekoration beschränkt seien. Nun stimmt es, dass gerade der ornamentale Jugendstil keine innovativen Raumlösungen parat hält; jedoch nimmt er gerade den Weg über das Ornament, um zu einem völlig neuen Wohngefühl zu führen. Gerade Strzygowski, der das Individuum und nicht wie Riegl das Kollektiv als Maß der Dinge bestimmt, hätten die Traumwelten eines Olbrichs zusagen müssen. „Ein Kunstwerk in diesem Sinne ist der seelische Gehalt des Künstlers in ein anschauliches Bekenntnis umgesetzt.“66 Allerdings gibt sich der Kunstkritiker auch nicht mit der Architektur des Modernisten Wagner zufrieden. Bei ihm wiederum kritisiert er die Tatsache, dass der Bau zwar im Äußeren bloß liegt, die Struktur

63 Vybíral, Jindrich, Junge Meister. Architekten aus der Schule Otto Wagners in Mähren und Schlesien, Böhlau, Wien/Köln/Weimar: 2007, S. 47 f. 64 Vybíral, Junge Meister, S. 47 65 Vybíral, Junge Meister, S. 60 66 Strzygowski, Josef, Krisis, 1923, S. 167 ff., zitiert nach: Lachnit, Erwin, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte und die Kunst ihrer Zeit, S. 78

43 jedoch verborgen bleibt.67 Selbst die Schmuckplatten Wagners scheinen Strzygowski zu viel Dekor zu sein.

Alois Riegl, der Gegenspieler Strzygowskis und bedeutendster Kunsthistoriker zu jener Zeit, gesteht dem Ornament immerhin eine eigenständige Entwicklung zu und erkennt es somit als Stilträger an.68 Das wesentliche Moment in seiner Lehre ist die Idee des Kunstwollens, das heißt, dass dem Künstler oder Menschen überhaupt der Trieb formschöne Dinge zu erschaffen innewohnt. Somit stellt er sich gegen Semper, der die Kunst als Produkt von Funktion, Material und Technik sah. Riegl stülpte dem Ganzen den Trieb zu Erschaffen über, und sagt somit der normativen Ästhetik den Kampf an. Das Kunstwollen, wie er jenen Trieb nennt, sagt sich von jeglichen berechenbaren Parametern los: „Es bleibt nur das Kunstwollen als einzig sicher Gegebene übrig.“69 Damit vertritt er den Standpunkt, dass jede Kunst auf ihr zeitgeschichtliches Umfeld antwortet und von philosophischen Anschauungen der Zeit derart beeinflusst wird, so dass sie vom modernen Standpunkt aus nicht rückwirkend verstanden werden kann. Von daher lehnt er absolute Stilgesetzte wie auch eine absolute Ästhetik ab, und bezieht konsequenter Weise auch zur modernen Kunst, die als undifferenzierte Größe als letztes Glied in der Kunsthistorie steht, keine konkrete Stellung. Für den Jugendstil ist diese Methode prägend, das Kunstwerk in engem Zusammenhang mit der Entstehungszeit und dem jeweiligen Umfeld zu stellen und dementsprechend in allen Kunstdisziplinen gemeinsame Elemente zu sehen, deren Entwicklung ebenso gemeinsam verläuft. Dieser Gedanke entspricht jenem der Wiener Secession, die mit ihrer Idee des Gesamtkunstwerkes viele Bereiche der Kunst vereint.

67 Oechslin, Werner, Stilhülse und Kern. Otto Wagner, Adolf Loos und der evolutionäre Weg zur modernen Architektur, gta, Zürich: 1994, S. 96 68 Vybíral, Junge Meister, S. 58 69 Riegl, Alois, Naturwerk und Kunstwerk, in: Riegl, Aufsätze, 1929, S. 60, zitiert nach: Lachnit, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte und die Kunst ihrer Zeit, S. 54

44 Die ornamentale Moderne

Die nur zwei Jahre andauernde ornamentale Moderne erlebt ihren Höhepunkt kurz vor ihrer Ablösung durch die geometrische Moderne. Angeregt durch den 1889 fertiggestellten Bau der Wiener Secession endet sie 1900 mehr oder weniger schlagartig mit der Abwerbung des prominentesten Wiener Architekten des floralen Jugendstils durch den hessischen Großherzog Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstadt, der durch mehrere Wienreisen auf Olbrich aufmerksam wurde und ihn schließlich 1899 nach Darmstadt rief, um dort die Künstlerkolonie Mathildenhöhe zu gründen. Nach dem Weggang Olbrichs und auf Grund der kritischen Stimme der Secession selbst, die immer mit Missgunst die massenhafte Nachahmung des Stils betrachtete, löst sich das überschwängliche Ornament zugunsten der modernen Flächigkeit auf.

Ausgehend von einem vegetativen Prinzip, wird eine metaphysische Ebene beschworen, die vor allem in der Malerei der Zeit zum Ausdruck kommt und die Architektur in ihrem Formfindungsprozeß insofern prägt, als dass diese die Ornamente vom Bild löst und auf den Baukörper (oder Möbel) überträgt. Beeinflusst von der Psychologie Sigmund Freuds und der allgemeinen Untergangsstimmung des Fin de Siècle begeben sich die Künstler aller Bereiche auf die Suche nach einer Bildsprache, die die Wahrheit zwar zeigt, jedoch, man möchte fast sagen, auf eine philosophische, ja religiöse Art und Weise. Erschreckend real und doch pathetisch sind die Werke, dionysisch und zart zugleich. Als Beispiel kann hier Gustav Klimt (ABB. 27, 28) angeführt werden, der um die Jahrhundertwende zunächst mit Hilfe archaischer Symbolik und des Impressionismus die unterdrückte Sexualität thematisiert. Seine Gemälde zeigen eine Triebhaftigkeit, die durch die dämonisch-sinnliche Diskrepanz ihre Anziehung erzielt. Der Künstler spielt bewußt mit diesen Gegensätzen, wobei Klimt in Folge der heftigen Diskussionen um seine Fakultätsbilder70 „Philosophie“ (1899-1907), „Medizin“ (1900-03, ABB. 29) und „Jurisprudenz“ (1903-07) fast vollständig auf die Darstellung allegorischer und philosophischer Themen verzichtet.

70 Das vorgegebene Thema „Der Sieg der Dunkelheit über das Licht“ hat Klimt zwar berücksichtigt, doch zeigt er entgegen den Erwartungen der Professoren und auch entgegen den ersten eingereichten Skizzen eine Welt voll düsterer Vorahnungen, in der das „Licht“ kämpfen muss. Klimt zeigt sich hier inspiriert durch die Weltvisionen von Schopenhauer oder Nietzsch – der Sieg (der Intelligenz) ist kein leichter.

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Die Ästhetisierung jedes noch so kleinen Gegenstandes ist wichtiger Bestandteil der Zeit, um dem Ziel einer heiligen Welt näher zu kommen. Dieser Eindruck wird – parallel zur Malerei und Graphik - durch ein Formenrepertoire erreicht, das sich aus japanischen, englischen und auch mittelalterlichen Einflüssen zusammensetzt, gepaart mit einer dem Wiener immanenten Dekadenz, wie sie nur in der österreichischen Monarchie zu finden ist. Die düstere Seite der Symbolik wird zwar in der Architektur weitestgehend ausgeschaltet, die floralen Ornamente werden aber derart in die Baukunst miteinbezogen, so dass diese als die plastische Ausformung der Malerei gelesen werden kann, wie das Beispiel der Geschäftsniederlassung „Apollo“ (ABB. 31) von Hoffmann zeigt. Auch wenn der Verbund mit der Architektur hier noch etwas zaghaft ist, kann der Weg des Ornaments hier gut nachvollzogen werden. Das ornamentale Geschmiede erinnert an die bildende Kunst, das Fenster stellt den Bildersatz dar, das Bild wird lebendig. Die Baukunst verlässt hier das Bezugssystem des unbedingten Gefallens und schließt vor allem bei Joseph Maria Olbrich eine psychologisch-emotionale Funktion mit ein, wodurch sich die Architekten auf einer Gratwanderung zum experimentellen Bauen hin befinden. Eine Gratwanderung, die, wie schon angeführt, in der Zeit des Fin de Siècle kritisch kommentiert wurde, und ohne die Secession als Organ der neuen Künstlergeneration kaum denkbar gewesen wäre.

Das erste bestimmende Mittel des ornamentalen Jugendstils ist die (belgische) Kurve, sei es in der Malerei, Gewerbekunst, Grafik oder Architektur. Ob floral gestaltet, gedrängt oder als ausholende Welle, wird sie in der Dekoration wie als Raumwölbung verwendet und zieht sich an der Außenhaut fort. Alles durchdringend verleiht sie so mit ihrer sakral-erotischen Symbolik den Gebäuden des ornamentalen Jugendstils eine überirdische Konnotation. Die Beseelung des tektonischen Gefüges ist das Ziel, dem der Architekt Joseph Maria Olbrich mit seiner vegetabilen Architektur sehr nahe kam. Der Natur entlehnte Formen, allen voran die der Welle, gehören zum Standard, sind ein eindeutiger Hinweis auf die Zeit. Und genau diese Formen haben die Architekten des floralen Jugendstils auf die Bauform übertragen. Bauteile bekommen geschwungene Formen, die

46 Außenhaut wird zum Gemälde und das Innere unterliegt dem Konzept des Gesamtkunstwerkes. Edle Materialien wie Onyx, Marmor, Glas oder Mosaikfliesen sind en vogue, Stahlstrukturen werden zum integrativen Bestandteil der dekorativen Architektur um die neu gewonnene Preziosität zu betonen.

Das Naturornament wird nicht als Flächenschmuck, sondern als ästhetisches Prinzip verstanden und zwar in einer derartigen alles aus- und erschöpfenden Art und Weise, das es doch als (wenn auch relativ kurze) Architekturepoche (1898-1900) angesehen werden muss, auch wenn dem ornamental-biomorphe Jugendstil oftmals attestiert wird, keine neuen Bautypen, -formen oder –konstruktionen an sich geschaffen zu haben. Dass die Secession jedoch schon das System der getrennten Raumeinheiten des Historismus verlassen hat und den durchgehenden Raum bevorzugte, wird dabei gerne übersehen. Dennoch: noch vielmehr liegt sein Vermächtnis darin, eine gänzlich neue Dimension für das Haus geschaffen zu haben, dem es untergeordnet wird.

Primäre Aufgabe eines Wohnhauses (und auch Bestreben der Urhütte) ist der Schutz vor Naturgewalten. Demnach soll es in aller erster Linie so gebaut sein, dass es Wind und Wetter standhält. Hinzu kommt die sekundäre Aufgabe, die Repräsentation. Je nach Wahl der Grundstruktur machen unterschiedliche Bautypen die Architektur für uns zu eindeutig erkennbaren Gebäuden, die nach klaren und für jedermann lesbaren Codes erschaffen werden. Als dritte Ebene kommt die schmückende hinzu, welche den zeitlichen und örtlichen Gegebenheiten unterliegt. Die Architektur der Wiener Moderne fügt dem Ganzen eine vierte Dimension hinzu: die Architektur wird zum Träger eines Lebensgefühls, ganz den psychologischen Ansprüchen der Zeit gerecht werdend. Jedes noch so kleinste Detail ist davon betroffen. Dementsprechend wird das Gebäude als Organismus verstanden, das es zu beleben, nach Wiener Art zu beseelen gilt – und so wird die Ästhetisierung eines der wichtiges Triebmittel der Secession und der Architektur des Jugendstils.

47 Die Secession „Unser Programm ist ja: Fenster aufreißen, frische Luft hereinlassen in unsere übelriechende Kunstwelt.“71 Die nach Kolo Moser „übelriechende Kunstwelt“ muss überwunden werden, der französische Art Nouveau sorgt für Furore in Europas Metropolen, und „die Jungen“72 in Wien suchen nach einer neuen „österreichischen“ Ausdrucksmöglichkeit. In Künstlerstammtischen wie der Haagengesellschaft,73 dem 1886 gegründeten Aquarellistenclub oder dem Siebenerclub C7 (Klimt, Moser, Hoffmann und Olbrich) im Café Sperl kommt es zu einem regen Austausch. Verbunden durch gemeinsame ästhetische Werte und den Protest gegen herrschende konventionelle Ausstellungstechniken und -organisationen, kommt es zum Austritt einiger Künstler wie Kolo Moser, Josef Hoffmann, Joseph Olbrich, Joseph Urban oder Gustav Klimt aus dem Künstlerhaus. Nach dem faktisch damit verbundenen Ausstellungsverbot stellte sich die Frage nach einer geeigneten Möglichkeit, Werke moderner Kunst regelmäßig präsentieren zu können. Der zunächst aus einem Künstlerstammtisch hervorgegangene Siebenerclub sollte insofern zur Keimzelle der Secession werden, als dass sich die meisten ihrer Mitglieder Gustav Klimt anschließen und unter dessen Führung 1897 nach dem Münchner Beispiel die „Vereinigung bildender Künstler Österreichs, Wiener Secession“ gegründet74 wird. Die Wiener Gruppierung versteht sich allerdings nicht nur als ‚salon des refusés’, also als Club der Zurückgewiesenen, sondern auch bzw. vor allem als neue ‚secessio plebeo’. Der Name ist so nicht nur als Abspaltung vom Alten (dem Historismus) zu verstehen sondern auch als Anspielung auf den römischen Ständekampf zwischen Patrizier und Plebejer 494 v. Chr. (lat. secessio = Abspaltung).75

71 Vereinigung bildender Künstlerinnen Wien, Secession. Die Architektur, Schroll, Wien: 2003, S. 87, zitiert nach: Iris Meder, Naissance der Architektur. Zum architektonischen und geistigen Umfeld der Secession 72 „Die Jungen“ wird zum gemeinsamen Namen der Revoluzzer in den unterschiedlichsten Bereichen. Angefangen in der Politik (späte 1870er) wird der Begriff nach den Literaten (um 1890) auch für die Künstler und Architekten der Mitte der 1890er Jahre verwendet. Vgl. Schorske, S. 200 73 Die Haagengesellschaft wurde 1880 gegründet und 1900 vom Hagenbund (Joseph Urban ist einer der Gründungsmitglieder) abgelöst. Sein Ziel: neben der Secession mit einem gemäßigten Stil zum Hauptträger der Moderne zu werden. De facto stand der Hagenbund bis zur Auflösung der Secession in ihrem Schatten und konnte ihren ersten Höhepunkt erst nach der „Kunstschau 1908“ verbuchen. 74 Gründungsmitglieder sind: Josef Olbrich, Josef Hoffmann, Gustav Klimt, Ernst Stöhr, Johann Victor Krämer, , , Rudolf Bacher, Julius Mayreder 75 Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 201

48 Das Sprachrohr der Secessionisten war die Zeitschrift ‚Ver Sacrum’ (Heiliger Frühling; 1898- 1903). Sie stand unter dem Leitsatz, keinen Unterschied zwischen den Künsten zu machen, alle ebenbürtig zu behandeln, waren doch auch alle Künstler selbst trotz unterschiedlicher sozialer, religiöser und politischer Herkunft auf gleicher Höhe. Gemein war ihnen ihr Streben nach Modernität, wobei es unerheblich war, ob der Ansatz im Naturalismus, Impressionismus, Jugendstil oder Expressionismus gefunden wurde, so lange die künstlerische Ehrlichkeit nicht verletzt wurde. So vereint die Wiener Secession im Gegensatz zur deutschen Vereinigungen nicht nur bildende Künste, sondern zieht auch die Architekten in ihren Bann.

Als einzige klar formierte moderne Gruppe Wiens fehlt es den Secessionisten nicht an finanzieller Unterstützung.76 In ihrem von Joseph Olbrich (einem der begabtesten Wagner- Schüler) entworfenen Tempel der Kunst an der Friedrichstraße in Wien soll die österreichische Kunst den Anschluss an die westeuropäische Moderne finden. So werden internationale Kunstausstellungen organisiert (van Gogh, Mackintosh, Hodler, Munch, Rodin etc.), für deren Raumgestaltung nach Olbrichs Weggang sich meist Josef Hoffmann verantwortlich zeichnet,77 und vice versa ist auch die Kunst der Secession ihrerseits auf Schauen außerhalb der Monarchie vertreten – in diesem Sinne verstand sich die Secession als supranationale Kunst.78 Sie vereint die Künste der Malerei, der Grafik, der Plastik und auch des Kunstgewerbes in sich, wobei sich 1900 mit der VIII. Secessionsausstellung der Wandel von der vegetabilen Form hin zur geometrischen vollzieht. Die Psychoanalyse spielt in den bildenden Künsten wie auch in der Architektur eine wichtige Rolle, die oft wellenartige von der Natur entlehnten Formen werden auf eine metaphorische Eben gehoben, die als Ausdruck des (erotischen) Trieblebens gelten. Vor allem Gustav Klimt wird vom Gesellschaftsmaler des Historismus zum psychologischen Maler und Hauptmotivator der Secession, der Lust und Leid, Schmerz, Leben und Tod in seinen Bildern auf eine sinnliche Art und Weise thematisiert.

76 Zu den Mäzenen der Secession zählten unter anderem die Familie der Wittgensteins. 77 Die neue Methode, Kunst zu präsentieren, sollte maßgeblich für das zukünftige Ausstellungswesen werden: auf Teppiche, Vasen, Arkaden oder ähnliches historisches Gestaltungsrepertoire wird verzichtet. Statt dessen werden die Gemälde einzeln und in größeren Abständen auf einer kahlen Wand präsentiert, wobei der Ton der Wand auf jenen der Bilder abgestimmt ist. 78 Prokop, Das Experiment der Institutionalisierung eines österreichischen Nationalstiles. Otto Wagners supranationale Moderne versus Ludwig Baumanns „Reichsstil“, in: Senarclens de Grancy, Moderne als Konstruktion, S. 113

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Dies ist auch, so befremdlich es zunächst klingen mag, auf die Historienmalerei zurückzuführen. So war es Hans Makart (1840-1884), der auf Grund einer manieristischen (nicht renaissancehaften) Malweise eine Rückbesinnung auf „allegorische und emblematische Verkleidung kosmischer und organischer Kräfte“79 schafft. Ohne Zweifel wären diese Worte auch auf den Wiener Secessionismus umlegbar. In ihr konnten sich europäische Einflüsse wie der französische Impressionismus, die Kunst der Präraffaeliten oder des deutschen Jugendstils sammeln, wobei die Kunst der Secession nicht nur bildende Künstler beeinflusste. Otto Wagner, der Baukünstler der Secession schlechthin, wechselte fast 60jährig zu ihr, ebenso gehörte der Erbauer des Secessionsgebäudes, Joseph Maria Olbrich ihr an und der erklärte Ornamentgegner Adolf Loos ließ sich desgleichen von der Künstlergruppe inspirieren – allesamt Architekten, deren Bauten zu Sinnbildern des Wiener Kunst- und Kulturlebens werden.

Zum Stolperstein der Secession wird ausgerechnet der Grund, weswegen sie sich formiert hat: die Zukunftsperspektive fehlte. In ihren Höhepunkten großartig, fand die Secession keinen Weg aus der Diskrepanz zwischen den beiden Lagern des Jugendstils. Mit dem daraus resultierenden Austritt der Klimt-Gruppe (neben Klimt, Wagner, Hoffmann oder Moser) aus der Secession 1905 wurde ein Bruch geschaffen, durch den der Jugendstil in Österreich langsam vom beginnenden Expressionismus abgelöst wird.

Das Prinzip Gesamtkunstwerk Der Anspruch des Jugendstils, ein Gesamtkunstwerk zu erschaffen, ist eines der wenigen Beispiele in der Geschichte der Architektur, in der die Architektur zu einem Teil eines größeren Konzeptes wird. Neben der neuen Formfindung lag das Hauptaugenmerk der Jugendstilarchitekten auf der Ausgestaltung des gesamten Wohnbereiches im Sinne eines kunstvollen Arrangements. Der Architekt übernimmt hier gleichzeitig die Funktion des Designers, um seine Bauten außen wie innen durchzugestalten. Konstruktion, Funktion und Repräsentation sowie sämtliche Gegenstände des Alltags (Möbel, Geschirr, Tapete,

79 Seling, Hans, Jugendstil. Der Weg ins 20. Jahrhundert, Keysersche, Heidelber/München: 1959, S. 155

50 Handtuchhalter etc.) wurden hierbei von ihm durchdacht und nach seinen Plänen angefertigt. Der Gedanke des Gesamtkunstwerkes beherrscht den Jugendstilarchitekten, der mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versucht, einen angemessenen Raum für den modernen Menschen zu entwerfen. Oder wie es in einem Artikel von „Der Architekt“ ausgeführt wird, bedeutet die Raum/Traumkunst „nicht bloß das Ausschmücken des Innenraumes (...). Vielmehr handelt es sich darum, die Grundzüge des Raumes, den sogenannten Raumbau, einheitlich kunstvoll zu gestalten und sodann die einzelnen, den Raum füllenden Objekte so zusammenzuordnen, dass sich das Ensemble gut sehen lassen kann.“80 Und auch wenn gerade der Aspekt des Gesamtkunstwerkes von Adolf Loos heftigst kritisiert wurde und er den Menschen in diesem Kunstwerk nur mehr als Statist, nicht als Bewohner, sehen konnte, so kann hier angeführt werden, dass große Architekten der Moderne ebenso als Designer von Möbeln, Türen oder Ähnlichem fungierten, wie eines der bedeutendsten Beispiele der modernen Architektur, die Villa Tugendhat in Brünn (1929/30, Mies van der Rohe), zeigt. Raumhohe Türen, durchscheinende Marmorwände oder eine halbrunde Wand aus Ebenholz sowie Möbel der Villa, die zum Designklassiker geworden sind, zeigen, wie wichtig ein durchgestaltetes Haus auch nach dem Jugendstil geblieben ist.

Die Fassade Die Fassade wird als Haut aufgefasst, die zu tätowieren ist, um in der organischen Sprache zu bleiben. Die Mauer wird hier mitunter vollständig mit einem gemäldegleichen, stilisierten Dekor überzogen, auf typische Jugendstilmuster81 wie Ranken, Medusen, Jungmädchenmasken oder Polypenarme verzichtet der Wiener Architekt weitgehend. Es liegt auf der Hand, dass diese Art der Ornamentierung aus der graphischen oder bildenden Kunst der Secession herrührt und ausschließlich der künstlerischen Phantasie dient, ohne einen Dialog mit der Architektur einzugehen oder einen formalen Bezug zu dieser herzustellen. So erwecken diese Fassaden den Eindruck, als wären sie ein übergroßes Blatt, das gestaltet wurde, wobei die Verwendung von Keramikfliesen hierbei typisch ist. Dass diese auf Grund ihrer gestalterischen Möglichkeiten

80 zitiert nach: Forsthuber, Sabine, Moderne Raumkunst. Wiener Ausstellungsbauten von 1898 – 1914, Pius, Wien: 1991, S. 7 81 wie sie in Süddeutschland, Paris oder Barcelona vorkommen

51 einen Ersatz für die Freskomalerei darstellen, ist offensichtlich, doch wird die polychrome Wandgestaltung von ihrem Bezug zum Inneren nun gelöst und auf die Außenhaut projiziert.

Als eindrucksvolles Beispiel für diese ‚tätowierte Fassade’ und ihre Entsprechungen in den bildenden Künsten kann das von Otto Wagner erbaute ‚Majolikahaus’ (Linke Wienzeile 40, 1898-1899; ABB. 32) angeführt werden. In den oberen vier Stockwerken komplett mit glasierten Majolikafliesen überzogen, die rote Blüten mit blauen und grünen Blättern ranken lassen, handelt es sich um eine sehr kostspielige Fassade, entworfen vom Wagner-Schüler Alois Ludwig. Vergleiche lassen sich mit Josef Auchentallers Buchschmuck zu einem Gedicht aus dem Jahr 1898 (ABB. 33) ziehen, der ähnliche Blüten zeigt, Bilder wie Gustav Klimts „Mohnwiese“ (1907) erinnern noch später an das Majolikahaus.

Ein weiteres Beispiel ist die Apotheke zum Weißen Engel (Engel-Apotheke) von Otto Wagners Schüler Oskar Laske (Bognergasse 9, 1901-1902; ABB. 34), der hier Wagners Lehre vom strengen Aufbau und künstlerischer Gestaltung nachkommt. Der schlichte weiße Bau des Wohnhauses mit Lokal in der untersten Ebene wird an der Front mit Marmor und zwei Glasmosaikengeln geschmückt, wobei hier die symbolische Bildsprache in Bezug zu dem Gebäude zu stellen ist: Engel, um deren Arm sich eine Äskulapnatter ringelt, tragen je eine Schale mit einer um die Fenster fließenden Tinktur. Um ihre Häupter ist ein Ring aus vergoldetem Kupfer gelegt, ein Sonnenblumenfries schließt die Szenerie nach oben hin ab. Die leere Fläche dient als Gestaltungselement, die Symmetrie ist augenfällig und weist so schon in Richtung geometrischen Jugendstil mit seiner klar geordneten Struktur. Es ist das Einzige erhaltene Beispiel einer Geschäftsfassade als Symbolträger, wie sie um die Jahrhundertwende in und um Wien sehr beliebt waren.82

Die Villa Vojcsik (Otto Schönthal, ebenfalls Wagnerschüler, 1901; ABB. 35) stellt schließlich den Übergang zur modernen Architektur dar. Kachelfriese in floraler Form stehen in Kontrast mit

82 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 227

52 abstrakten, symmetrisch angebrachten Elementen und erzeugen eine klar geordnete geometrische Struktur auf dem weißen Kubus.

Im Gegensatz zur Fassadenornamentik steht die Methode, funktionelle Bauglieder durch ihre organischen Analogien zu ersetzen. Weiche, rhythmische Formen bestimmen das Erscheinungsbild der Architektur, die auch im neu auflebenden Heimatstil Niederschlag finden. Für diese Architektur steht in Wien Joseph Maria Olbrich wie kein anderer.

Joseph Maria Olbrich

Dem 1867 geborenen und 1908 früh verstorbenen schlesischen Architekten Joseph Maria Olbrich reichten 10 Jahre reines Schaffen aus, um zur Schlüsselfigur im Jugendstil zu werden. Zunächst u.a. in der Lehre von Camillo Sitte an der staatlichen Gewerbeschule in Wien, besuchte er von 1890 bis 1893 die Klasse von Konrad von Hasenauer an der Akademie der bildenden Künste. Bei einer Schulausstellung wurde schließlich Otto Wagner auf Grund Olbrichs hervorragender zeichnerischer Fähigkeiten auf den jungen Architekten aufmerksam und bot ihm eine Stelle in seinem Atelier an. Eine 5-jährige Zusammenarbeit folgte, wobei sich die Architekturauffassung der beiden Architekten grundlegend unterschied. So stimmte Olbrich nicht mit Wagner überein, der eine neue Ästhetik mit Hilfe der Funktionalität schuf, sondern er wollte in Fortführung der romantisch-individuellen Vorstellungen Sittes mit seinen Bauten eine geistige und spirituelle Ersatzwirklichkeit entstehen lassen, die oft wenig Rücksicht auf die Psychologie des eigentlichen Benutzers nimmt. Die ästhetische Komponente gewinnt eindeutig die Oberhand in Olbrichs schaffen (zum Nachteil der praktischen)83, er stimmt die organische Vorstellung der Architektur mit einem universal-ästhetischen Lebensgefühl ab.

Das erste Gebäude seiner Wiener Zeit und zugleich berühmteste in seiner Karriere ist der Ausstellungsbau der Wiener Secession (1897-1898; ABB. 36b), dessen Grundsteinlegung während der 1. Secessionsausstellung erfolgte, die Eröffnung folgte zur 2.

83 So entwirft er zum Beispiel Bänke, die sich unverrückbar an die Wände anschmiegen.

53 In diesem Bau, der nicht einem typischen Olbrich-Bau der weiteren Wiener Jahre entspricht, konnte er sich dem Einfluss Wagners noch nicht entziehen. In den zahlreichen erhaltenen Skizzen zu dem Bau (ABB. 36a) wirkt der Bau noch verspielter, doch entschied sich der Architekt zu einer Reduktion des Ornaments zu Gunsten einer stereometrischen Gestaltung. Diese wiederum sowie die kubische Komplexität und Flächigkeit gehören zum Formenrepertoire der Wagnerschen Prinzipien (wie sie etwa bei den Stadtbahnstationen84 angewandt wurden) ebenso wie die nach hinten gestaffelte Hauptfassade.85 Auch das auffälligste Merkmal, die moderne Rezeption einer Barock-Kuppel, kommt in Entwürfen Wagners vor.86 Olbrich nimmt somit in seinem Hauptwerk bei seinem Mentor Anleihen, die er sonst ausschließt. Gerade die Anleihe bei der mediterranen Architektur ist in vielen Entwürfen der Wagnerschule zu erkennen und wird zum bestimmenden Einfluss der Villenentwürfe von Hoppe, Fenzl oder Kammerer. Olbrich nimmt diese Einflüsse, macht sie sich eigen und entwirft ein sakral anmutendes Gebäude, das trotz der bescheiden eingesetzten Materialien (auch Wellblech kommt im Dachbereich zum Einsatz) und der zurückhaltenden Dekoration (die in den zahlreichen Entwürfen dominanter war) Erhabenheit transportiert. Mit der Symmetrie der Anlage, der aus vergoldetem durchbrochenem Eisen gestaltete Kuppel in Form von Lorbeerblättern, den Sgraffito-ähnlichen Stuckverzierungen Kolo Mosers oder auch dem erwähnten mediterranen Zitat schafft Olbrich einen Tempel der Kunst, der im Inneren auf eine fixe Raumgliederung verzichtet.

Der monumental wirkende Bau, dessen Volumen von Olbrich horizontal zweigeteilt wurde, wird durch zwei Elemente bestimmt: einerseits der geschlossenen, leeren Außenwand, die dem Gebäude Masse verleiht und andererseits durch die dekorative Kuppel (ABB. 37a), die von vier Pylonen getragen wird – sie gibt dem Bau eine sakrale Note, die sich in vielen Details wiederfindet. Alles Pflanzliche strebt dieser Kuppel entgegen: der Lorbeerbaum bewächst sozusagen das Gebäude, als Zeichen des Sieges über das Alte. Er findet sich an den Pilastern des

84 Auch hier war Olbrich maßgeblich beteiligt. 85 Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 87 86 So zum Beispiel beim Festpavillon für den Empfang der Prinzessin Stephanie, 1881 oder einem Entwurf für den Berliner Dom.

54 Vordertraktes und der imposanten Eingangsnische, der Reigen der Kranzträgerinnen an der Rückseite nehmen das Motiv ebenso auf wie die vereinzelt angebrachten Kränze.

„Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit“ prangt als Motto der Secession auf dem Gebäude, welches als gebautes Sinnbild für den Leitspruch der Vereinigung gilt, mit dem Olbrich schon früh den Geist des Secession einzufangen gewusst hat. Neben den zarten Ornamenten und der starken Symbolik bedient er sich einer klaren architektonischen Formensprache, die den Weg der Secessionskunst vorwegnimmt und ein spannendes Gegenüber beider Stilrichtungen darstellt. Der Kontrast zwischen Eingang und Kuppel, die „Synthese von Archaik und Moderne“87 und der symbolische Gehalt machen das Gebäude schließlich zu einem Markstein zwischen Historismus und Moderne. Die Betonung der weißen Fläche, das Prinzip der Leere, fast Stille, die Olbrichs Bau prägt („Die Wände sollten weiß und glänzend, heilig und keusch sein.“)88, wird er in keinem weiteren Bau seiner Wiener Zeit mehr erreichen. Dennoch ist es beispielgebend für die frühe Architektur einer ganzen Architektengeneration, die sich immer wieder auf das Gebäude als Ausdruck vollkommener secessionistischer Baukunst rückbeziehen. Entwürfe wie eine Villa von Kammerer aus dem Jahr 1900 (bemerkenswert mit dem auskragenden ‚schwebenden’ Dach; ABB. 38) oder das Stipendistenheim von Feigl (1901; ABB. 39) erinnern an den Secessionsbau, bei denen die Lorbeerkuppel natürlicher Dachbewachsung gewichen ist.

Zeitgenössische Kritiker wie Ludwig Hevesi oder Hermann Bahr erkannten im Secessionsgebäude den Kern der architektonischen Moderne, in der das Entkleiden zum Programm wird. Dieser positiven Beurteilung steht jedoch die schon fast symptomatische Ablehnung secessionistischer Bauten in der Bevölkerung gegenüber, die das Secessionsgebäude spöttisch „Krauthapperl“ nannten. Mitunter mag auch dies ein Grund sein, warum sich Olbrich in seinen weiteren Bauten in Wien dem allseits beliebten Thema der Heimatkunst in der Architektur zuwandte.

87 Kapfinger, Otto, Des Kunsttempels Traumlandsherkunft, in: Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 35 88 Boubnova, Iaroslava (u.a.), Wiener Secession 1898-1998. Das Jahrhundert der künstlerischen Freiheit, Prestel, München/New York: 1998, S. 20

55 Olbrich beginnt mit Hilfe des Naturornaments eine Welt zu kreieren, die das herkömmliche Bezugssystem verlassen will. So lehnt er denn auch die Architektur des Klassizismus und die Jesuitenarchitektur entschieden ab. Vielmehr lässt sich Olbrich von Makartschen, gotischen und barocken Gestaltungselementen beeinflussen: weit ausholende, pompöse Elemente wie der Bogenform und eine Melange der vergangenen Stile schaffen in seiner Architektur ein neues Raumgefühl, das ihn in Wien zum Architekten des floralen Jugendstils schlechthin werden lässt. Vor allem die hufeisenförmigen Öffnungen werden zu einem Markenzeichen Olbrichs und üben auch Einfluss auf die Architektur Josef Hoffmanns aus, der sich in frühen Jahren von seinem Freund inspirieren ließ (ABB. 43). Dem richtungsweisenden Architekten des Wiener floralen Jugendstils geht es nicht um Raumfolgen, allein der Raum für sich zählt. Und hier wiederum lässt Olbrich die Grenzen zwischen Raum und Innenarchitektur verschwinden, indem er immer wieder einzelne Elemente miteinander verschmelzen lässt. Er experimentiert mit der Auflösung von Architekturelementen in dem Sinn, dass er bestrebt ist, markante Stellen der Architektur mit der Inneneinrichtung derart in Einklang zu setzten, sodass man meinen möchte, dass das Innere zuerst existierte und nicht umgekehrt. Man betrachte allein das Schlafzimmer der Villa Friedman (ABB. 42), in dem die Wandmalerei von Adolf Böhm, ein Birkenhain, mit dem Mobiliar koexistiert: „Mauerwerk und Holzwerk vermählen sich bei ihm in ganz organischer Weise zu Bildungen, wie sie die landläufige Architektur nicht kennt. (...) Ein Olbrich’sches Haus ist ein lebender Organismus, und jeder Raum darin ein lebendes Organ.“89

Am Höhepunkt dieser Architektur und zugleich am Ende der Wiener Zeit Olbrichs steht das Haus Bahr (1899-1900, ABB. 40), erbaut für den Ideologen der Secession: schlicht aneinander gefügte Baukörper vereint Olbrich unter einem großen Dach im Heimatstil, das durch ein hölzernes Beiwerk mit der Basis verbunden wird. Ein „unnützes und poetisches Geäst“90, wie Franco Borsi schreibt, doch notwendig für das Gefühl, das Olbrich zu erreichen sucht.

89 Olbrich, Ideen von Olbrich, 2. Auflage, Arnold’sche, Wien: 1904, S. VIII f. 90 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 85

56 1900 verlässt Olbrich wie erwähnt nach einer nur äußerst kurzen Schaffensperiode Wien, um sein Experimentierfeld auf die Mathildenhöhe91 zu verlegen, der unter anderem auch Peter Behrens oder Paul Brück angehören. Ausgehend von dem Grundgedanken des Jugendstils, Kunst und Handwerk zusammenzuführen, entstanden hier 1901 eine Wohnsiedlung und eine Kunstschule, in der die Künstler selbst unterschiedlichste Techniken unterrichteten. Somit stellt die Mathildenhöhe den Beginn der institutionalisierten Design-Ausbildung im Jugendstil im Sinne der A&C-Bewegung dar. Diesem Beispiel folgen unter anderem Henry van de Velde 1906 in Weimar, die Wiener Werkstätten 1903 in Wien oder der Deutsche Werkbund 1907 und nicht zuletzt das Bauhaus 1919.92

Die geometrische Moderne

„Die Zeit der falschen Curven ist bei uns Gott sei Dank schon vorüber...“93 schreibt Josef Hoffmann im Rahmen der Vorbereitung zur VIII. Secessionsausstellung 1900. Die kommerzielle Nachahmung des Stils, die formale Übersteigerung und die Unruhe innerhalb der Secession führen schließlich zur Abkehr von den Kurven des Art Nouveau. Die Entwicklungen in Großbritannien mit Charles Robert Ashbee und dessen einfach gehaltenen Möbel stehen im Fokus, welche 1900 auch in Wien während der VIII. Secessionsausstellung gezeigt werden.

Das neue Architekturbild

Auch wenn mit dem Secessionsgebäude ein Schritt in Richtung Moderne getan war, so war der ornamentale Jugendstil zunächst noch tonangebend. Die kurvenreiche Kunst findet allerdings bald diverse Nachahmer, die von den Mitgliedern der Secession und auch von Kritikern mit Argwohn beobachtet wird. Ganz Wien ist den biomorphen Linien verfallen und Hermann Bahr spricht gar von der „falschen Secession“94, wenn er über die oberflächlichen Imitationen, deren

91 Hier entsteht unter anderem das heutige Wahrzeichen der Stadt, der 1908 fertig gestellte und von Olbrich geplante Hochzeitsturm. 92 Lieb, Was ist Jugendstil, S. 34 ff. 93 Bahr, Hermann, Secession, Wien 1900, S. 169 ff., zitiert nach: Sekler, Eduard, Josef Hoffmann. Das architektonische Werk. Monographie und Werkverzeichnis, Residenz, Salzburg/Wien: 1982, S. 37 94 Bahr, Hermann, Secession, Wien 1900, S. 169 ff., zitiert nach: Sekler, Josef Hoffmann, S. 37

57 formale Übersteigerung und deren Kommerzialisierung spricht. Die Folge ist eine Abkehr vom gekurvten Stil und den Linien des Art Nouveau, die in einer Hinwendung zum Klassizismus endet. Die neu entstandene Architektur hebt sich zunächst durch ihre klare Formensprache deutlich von jener der Ringstraßenarchitektur ab. Das augenfälligste Merkmal der neuen secessionistisch-geometrischen Architektur ist der reduzierte kubische Körper, der klar hervortretend für sich im Vordergrund steht. Die Fläche der Fassade wird nicht versteckt, im Gegenteil, sie wird oftmals als gestalterisches Element an sich betont und durch wenige dekorative Ornamente gegliedert. Und ist noch am Ende des 19. Jahrhunderts die Funktion der Repräsentation ein wichtiges gestalterisches Ziel, so wird nun der Zweck allein vorrangig und bestimmt die Form, wobei die Verwendung moderner Materialien als unerlässlich erachtet wird – die Forderungen Otto Wagners werden laut.

„Moderne Architektur“

1895 entsteht Otto Wagners Schrift „Moderne Architektur. Seinen Schülern ein Führer auf diesem Kunstgebiete“, eine Sammlung der Vorlesungen an der Akademie der Bildenden Künste, deren 4. Auflage 1914 unter dem Titel „Die Baukunst unserer Zeit“ erscheint. In diesem Werk widerspricht Wagner dem geltenden Postulat, dass der „Architekt jeder seiner Kompositionen durch die Wahl eines sogenannten Stils eine Unterlage schaffen muss, ja man verlangt, dass er dann immer jene Stilrichtung, für die er Eignung zeigt, mit besonderer Vorliebe pflege“95. Wagner wehrt sich geradezu gegen jenes Kopieren des Historismus, das er zwar selbst auch betrieben hat, jedoch gerne darüber schweigt. „Es hat den Künstlern gefallen, mit Lupe und Lanzette Tote zu sezieren, statt den Lebenden an den Puls zu greifen und ihre Schmerzen zu lindern.“96 Seiner Ansicht nach muss die moderne Architektur dem modernen Menschen ein Umfeld schaffen und das moderne Schaffen repräsentieren. Um dies zu erreichen, rät Wagner vom Studium antiker Denkmäler ab,97 um sich nicht zu sehr von diesen Formen binden zu lassen. Der eigene schöpferische Akt wird vehement in den Vordergrund gestellt, wobei sich die

95 Wagner, Otto, Moderne Architektur, S. 47 96 Wagner, Otto, Moderne Architektur, S. 59 97 Wagner meint damit tatsächlich nur antike Denkmäler, rät er doch im Kapitel „Komposition“ in Bezug auf die Fassadengestaltung zur Studie des Barock.

58 Komposition dem Material und der Technik fügen muss, das heißt, aus der Konstruktion heraus hat der Architekt die Kunstform zu entwickeln. Im Grunde hat man es mit drei Prinzipien zu tun, die für die neue Architektur Wagners und der Moderne stehen: - 1I Vorrang des Zwecks - 2I Ehrliche Verwendung moderner Materialien - 3I Antihistorische Formensprache98

Ad 1I Vorrang des Zwecks: Führt man sich die Architektur der vergangenen Epochen vor Augen, so muss man zu der Einsicht kommen, dass die Fassade bis dato vielfach als Schmuckstück begriffen wurde, die allenfalls eine repräsentative Funktion erhielt. Selbst in der berühmten Ringstraßenarchitektur, die zu jener Zeit ihren Zenit erreichte, wurden der Gebäudefront dekorative Teile vorgeblendet, die die Funktion des Gebäudes maximal erahnen ließen – wobei man sich mit diesem Thema auch schon dem Hauptkritikpunkt an den alten Stilen angenähert hat.

In logischer Konsequenz wurde eine Formensprache entwickelt, die, abgeleitet von der neuen Sparte der Ingenieurarchitektur, durch die Funktion der einzelnen Bauteile dominiert wurde. Vor allem Otto Wagner, Ringstraßenarchitekt und erprobter Architekt der Eisenarchitektur, ist bei der Neuorientierung der Wiener Architektenavantgarde von maßgeblicher Bedeutung, sein Werk „Moderne Architektur“ ein Leitfaden für das moderne Bauen und sein Leitsatz „Artis sola domina necessitas” steht wie kein zweiter für die Forderung nach reinem, zweckgebundenen Bauen. Demnach soll ein Bauelement nur dann eingesetzt werden, wenn es auch zwingend für das Gebäude notwendig ist – vorgeblendete Lisenen, Pilaster, Portiken et cetera werden entschieden aus dem Formenrepertoire verbannt: die Reduzierung der Architektursprache wird als echtes Kunstwollen empfunden. Einzig den Privatetagen werden noch ein reduziertes Dekor als Zeichen des guten Geschmacks zugestanden, wohingegen die Geschäftsetage im Erdgeschoss in einer Eisen-Glas-Konstruktion klar an der Fassade hervortritt (ABB. 44).

98 Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 81

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AD 2I Verwendung moderner Materialien: Die Verwendung moderner Materialien soll den Akt der modernen Formgebung insofern unterstützen, als dass die Eigenschaften, die zum Beispiel den Materialien Aluminium oder Eisenbeton innewohnen, zu bis dato ungewohnten Entwürfen führen. Fast noch mehr als das erste Prinzip ist dieses hier von dem neu aufkommenden, selbstständigen Bereich der Ingenieurbauten abgeleitet. Das Eisen half einen Weg aus dem formenüberladenen Barock zu finden, der bis zu der großen Umwälzung um 1900 ohne Zweifel die österreichische Architekturidentität darstellte, der Eisenbeton ermöglichte eine flexible Formbegung bei hoher statischer Sicherheit.

AD 3I Architektursprache der Moderne: Wie jeder sich neu formende Stil lehnte auch die Wiener Moderne vehement das althergebrachte Formenrepertoire ab – in diesem Fall jenes des Eklektizismus. Eine klare, zunächst fast symbolhafte Sprache wird entwickelt, sei es, in dem man wie bei dem Gebäude der Wiener Secession einzelne Gebäudeteile wie die Kuppel als Symbol für die ‚Religion‘ der Kunst einsetzt, oder die architektonische Trennung einzelner Etagen durch das Material ersichtlich macht. Jedoch werden beide Formen des Symbolismus, wie sie im ornamentalen Jugendstil vorkommen, innerhalb eines sehr kurzen Zeitrahmens von nur ein paar Jahren von einem neuen Rationalismus verdrängt, der die reine Form zum Ziel hat und sich fast zeitgleich mit dem Ornamentalen Jugendstil zu entwickeln beginnt. Dieser neue geometrische Jugendstil, wie er in Wien vorzufinden ist, kann unbestritten als der in der Architekturgeschichte bedeutendere Stil eingestuft werden.

Abgesehen von grundlegenden stilistischen Unterschieden ist eine weitere Tatsache ausschlaggebend für das ‚Weiterleben’ der klassischen Moderne in zukünftigen Stilen, allen voran die „weiße Moderne“99: im Gegensatz zum ornamentalen Jugendstil schaffen es die Baukünstler des geometrischen Stils, Gebäude nicht nur im äußeren Erscheinungsbild der ‚Hülle’ zu verändern, sondern, basierend auf den neuen Materialien und Techniken, auch einen neuen (um mit Sempers Worten zu sprechen) ‚Kern’ zu schaffen. So ist laut Wagner einem

99 Meder, Iris, Naissance der Architektur. Zum architektonischen und geistigen Umfeld der Secession, zitiert nach: Secession (Hrsg.), Secession, S. 101

60 symmetrischen Grundriss immer der Vorzug zu geben, nur auf Grund der lokalen asymmetrischen Gegebenheiten des zu bebauenden Grundstückes ist eine Unregelmäßigkeit in der Planung gerechtfertigt.

Zu einem der wichtigsten zukunftsweisenden Bauten, die diese Prinzipien verkörpern, wird Wagners k.k. österreichische Postsparkassenamt im I. Wiener Bezirk (1904-1906; 1910-1912 Erweiterungsbau). Die Form ergibt sich aus der Funktion, der Forderung nach neuen Materialien wurde etwa mit der Verwendung von Eisenbeton in der Deckenkonstruktion oder mittels Aluminiumdetails an der flächig gestalteten Fassade genüge getan. In Zusammenhang mit den von ihm geforderten und hier erfüllten geraden Linien, glatten Flächen und vereinfachten geschlossenen Grundrissdispositionen stellt das Postsparkassenamt einen Vollzug der Klassischen Moderne par excellence dar.

Trotz aller Technik und jedem Bestreben, die Architektur unter einen funktionellen Fokus zu stellen, bleibt das Kunstwollen im Bauwesen für Wagner jedoch ein elementarer Bestandteil. Und zwar in solch einer Art und Weise, dass er sogar dem Thema der Darstellungstechnik ein eigenes Kapitel widmet, in dem er sich für ein klares, präzises Bild ausspricht, dass ohne Täuschungen wie dem Aquarell das geplante Objekt vermitteln. So versteht Wagner die Arbeit des Architekten, ganz dem Geiste des Gesamtkunstwerkes entsprechend, als vollkommene Einheit von graphischer, künstlerischer und technischer Durchgestaltung des Bauwerks.

Sucht man denn nach Schriften zur Architektur der Wiener Moderne, so muss man sich mit einigen wenigen begnügen, da sich die Architekten der Zeit mehr auf das Planen und Entwerfen der Gebäude konzentriert haben, als auf das Verfassen von theoretischen Äußerungen. So war die Architektur der vorausgehenden 150 Jahre in Wien bestimmt von immer wiederkehrenden Gedanken, die neu interpretiert wurden – Friedrich Achleitner spricht in diesem Zusammenhang gar von einer „Denkfaulheit“ der Wiener Architekten.100 Mit der Frage und Forderung nach der

100 Achleitner, Wiener Architektur, S. 20

61 „Wahrhaftigkeit“ der Architektur, der eine Kritik am „Maskenball der Stile“101 impliziert ist, löst Wagner, wie bereits erwähnt, am Ende des 19. Jahrhunderts mit seiner Schrift „Moderne Architektur“ (1895) dennoch einen theoretischen Diskurs aus, dem sich unter anderem Adolf Loos oder Camillo Sitte anschlossen. Aber genau diese Architekten sind es, die posthum zu Weltruhm gelangten: Otto Wagner, Josef Hoffmann, Joseph Olbrich und, als einziger auch polemisch, Adolf Loos.

Otto Wagner

Als unbestrittener Vater der klassischen Wiener Moderne gilt somit Otto Koloman Wagner, der erst rund 60-jährig in seiner reifen Periode die Leitlinien für die neue Formensprache mit dem zuvor besprochenen Buch „Moderne Architektur“ (1895) propagierte. Er steht hier für ein auch für heutige Verhältnisse erstaunlich klares Architekturbild, dessen Ästhetik im Funktionalismus liegt.

Ringstraßenperiode

Otto Wagner wurde am 13. Juli 1841 in Penzing bei Wien in großbürgerliche Verhältnisse hineingeboren. Sein Studium der Architektur absolvierte er bei August Siccard von Siccardsburg (1813-1868) und Eduard van der Nüll (1812-1896), den Erbauern der Wiener Staatsoper, die ihn nach eigenen Angaben in Bezug auf das „Utilitätsprinzip“ (Siccardsburg) und in seiner Hingabe zur Zeichnung (van der Nüll) prägten.102 In Berlin, das in der Schinkel-Tradition der Zweckmäßigkeit des Bauens stand, trat Wagner 1862 in das Atelier von Ludwig von Förster ein – dem Planer und geistigen Vater der Ringstraße so wie Herausgeber der „Allgemeinen Bauzeitung“.

101 Prokop, Das Experiment der Institutionalisierung eines österreichischen Nationalstiles. Otto Wagners Supernationale Moderne versus Ludwig Baumanns „Reichsstil“, in: Senarclens de Grancy, Moderne als Konstruktion, S. 110 102 Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 10

62 Als Mitarbeiter Försters wird er mit Projekten der Ringstraße betraut, wobei Wagner bei einer großen Zahl seiner frühen Bauten wenig Interesse zeigt, seine Urheberschaft klar zu stellen.103 Der von ihm zur Schau getragene Historismus jener Zeit ist ihm sogar unangenehm und wird von ihm gerne verschwiegen. Doch schon hier zeigt sich die zeichnerische Präzision, die er mit Leidenschaft betreibt. Erst später, 1879, erlangt der immer wieder von Schaffenskrisen befallene Wagner mit der Dekoration für den Festzug anlässlich der Silbernen Hochzeit des Kaiserpaares große Bekanntheit (ABB. 45). Dieser steht noch gänzlich in der Makartschen Tradition samt Überschwall und Stilimitation, auch wenn sich Wagner rühmt, schon hier mit der Maskerade der Stile gebrochen zu haben. Trotz des hohen Prestiges, dass er durch diese Arbeit erhielt, folgte eine auftragslose Zeit, in der er zwar an vielen (auch internationalen) Architekturwettbewerben teilnahm,104 trotz eines guten Abschneidens jedoch ohne nennenswerte Bauaufträge blieb. Das Spannungsfeld zwischen Neuerung und Tradition, das sich einerseits durch die Faszination der neuen Techniken (insbesondere der Ingenieurkunst und das Interesse an neuen Materialien wie Stahl) und andererseits durch ein barock bestimmtes Dekor äußert, ist typisch für diese Periode. Den ‚horror vacui’ des Historismus mit all seinen „vollgestopften Innenräumen und dem Sammelsurium aus stilgeschichtlichen Versatzstücken“105, den Wagner in seiner Ringstraßenzeit noch selbst pflegte, lässt Wagner hinter sich, wobei sich schon hier erahnen lässt, dass es nicht seiner Intention entspricht, einen radikalen Traditionsbruch zu schaffen.

Ornamentale Periode

Interessanterweise kommt es schon in der Phase des Historismus zu einer Spaltung, die sich einerseits mit der strengen Geometrie der architektonischen Form und diametral dazu durch einen romantischen Realismus widerspiegelt.106

103 Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 14 104 Wagner sah dies als Übung der Phantasie an und regte dementsprechend auch seine Schüler an, an möglichst vielen Wettbewerben teilzunehmen. 105 Lachmayer, Herbert, Modernität und Fortschritt bei Otto Wagner, in: Museum Moderner Kunst (Hrsg.), Otto Wagner. Möbel und Innenräume, Residenz, Salzburg/Wien: 1984, S. 65 106 Borsi, Wiener Bauten der jahrhundertwende, S. 25

63

Der Beginn der zweiten Stilentwicklung und Grundstein seines Erfolges kann mit dem 1. Preis für den Generalsanierungsplan der Stadt Wien dem Jahr 1893 (ABB. 46) festgelegt werden, der ihm nicht nur den ersehnten beruflichen Erfolg auf dem Baufeld bringt, sondern ihm auch den Weg in hohe Ämter ebnet – bis hin zur Bestellung als Nachfolger von Carl Hasenauer an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Die Beauftragung mit der Gestaltung des Donaukanals und der Stadtbahn, den beiden Arterien der Stadt, und die Berufung zum Beirat der Kommission für die Wiener Verkehrsplanung und Donau-Regulierungskommission gab ihm freie Hand zur Verwirklichung seiner städtebaulichen Konzepte, wobei auch hier seine zwei wichtigsten Projekte nicht zur Ausführung gelangten. Der Generalsanierungsplan von 1893, der eine Systematisierung der Großstadt Wien vorsieht, und die Studie „Die Großstadt“ (1911), ein axialsymmetrisch ausgearbeiteter Plan für 12 Bezirke, blieben Utopie, ebenso wie „Artibus“ (1890), ein Idealentwurf für einen ganzen Museumsbezirk, an Hand dessen er sein von Semper entlehntes Motto „Artis sola domina necessitas“ erstmals erprobte. Das Kunstwollen wird in Wagners Architektur an erste Stelle gestellt und allein durch die Notwendigkeit reguliert.

In seinem städtebaulichen Konzept war es Wagners Ziel, den Historismus zugunsten einer fortschrittlichen Zivilisation zurückzudrängen und so steht er in Widerspruch zu seinem Gegner Camillo Sitte, der den Menschen mit Hilfe vergangener Stile von Technik und Nützlichkeit befreit wissen wollte. Für Wagner ist das moderne Leben Ausgangspunkt des künstlerischen Schaffens, für das er neue moderne Ausdrucksformen sucht. Es ist der Wendepunkt vom Ringstraßen- Wagner zum Wagner der Moderne, der über die Wege des Ingenieurbaus (Konstruktionsprinzipien) und jenen der Secession (ästhetische Gestaltung) zum Stil der Zukunft findet. So sind auch Wagners Brückenkonstruktionen wie die Nußdorfer Wehr (1894-1898; ABB. 47), eine zeitgenössische architektonische Sensation, nicht ein reiner Ingenieurbau geblieben, sondern tragen auch sehr zum Gefallen der Bevölkerung dekorative Elemente. Zwei mächtige Bögen die als Form in den Widerlagervoluten wiederholt werden, symbolisieren nicht nur die Wellen der Donau, sondern stützen die beidseitig des Wassers aufragenden Pylonen, die ihrerseits die bronzenen Königslöwen Rudolf Weyrs tragen, die, flussaufwärts blickend, für eine

64 stolze Monarchie stehen. Wagner war einer der ersten Wissenschaftler unter den Architekten. Vor allem die Statik sah er als einzig möglichen Maßstab an, um eine funktionale Architektur bis ins kleinste Detail zu schaffen. Die Konstruktion, die zur Jahrhundertwende ob ihrer technischen Akribie für reges Aufsehen sorgte, versinkt im Wasser, während sich das Kunstwollen nach oben und auch über das Verwaltungsgebäude erstreckt. Die Art und Weise, wie sich Wagner seinem Werk nähert, ist durchaus eine patriotische. Er möchte als echter Wiener eine Identifizierung mit dem Kaiserreich schaffen, für das er lebt und arbeitet, das er liebt.

Richtungsweisend für die neue architektonische Philosophie Wagners sind seine Leistungen die Stadtbahn (1894 – 1901) betreffend, an denen er seine Vorliebe für Stahl demonstrieren konnte. I-Profile wurden unverhüllt gezeigt; gelbe Ziegel, Stein und Eisenskelette bestimmen das Erscheinungsbild der insgesamt 36 Bahnhöfe und Haltestellen (ABB. 48, 49), wobei sich bei diesen eine stilistische Entwicklung ablesen lässt und den nahestehenden (und während der Bauarbeiten vollzogenen) Beitritt zur Secession erahnen lassen.107 Stehen die ersten Bauten an der Gürtellinie noch in einer klassizistischen Tradition, zeigen die Gebäude an der Donaukanallinie schon konstruktive Eisenständerstützen und Metallgitterträger. Das typische Spiel mit den kalten Materialien des Eisens und den vegetabilen Ornamenten wie dem Sonnenblumenfries oder Flechtwerke, nach Franco Borsi die harmonischste Periode Wagners,108 findet er schließlich an den Pavillons der Wientallinie. Keines der noch so unscheinbaren Elemente wird nicht aufeinander abgestimmt. Balustraden, Ecken, Vordächer, Verbindungen – alles wird durch stimmige geschwungene Ornamente zusammengehalten. Die sinusförmige Linie, die schon in der griechischen Vasenmalerei auftritt, bevor sie über Victor Horta auch Otto Wagner (und mit ihm die Secession) erreicht, wird ein wichtiges Stilelement in Wagners Dekorationen.109 Während die Kunst der Variation bei Ledoux eine rein theoretische Übung bleibt und diese Kunst bei Guimard in Serienanfertigung geht, dient sie Wagner zur Stadtgestaltung.110 Die angewendeten Motive stehen in der Tradition des floralen Jugendstils,

107 Auch Josef Olbrich, selbst Secessionsmitglied und Wagnerschüler, wirkte bei der Gestaltung der Stationen mit. 108 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 32 109 Borsi, Franco, Paolo Portoghesi, Victor Horta. Beherrschende Gestalt des europäischen Jugendstils, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart: 1991, S. 21 110 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 36

65 dem Wagner sich zunächst auf der Suche nach einem Zukunftsstil zugetan fühlte, bevor er sich radikal dem Nutzstil zuwandte.

Beiden Stilphasen gemein ist die Überzeugung, die konstruktive Methode müsse sich einem ästhetisierenden Funktionalismus unterordnen, der jedoch nicht zwangsweise aus dem Zweck und der Konstruktion entstehen muss. Dies bedeutet, der Architekt müsse die geeignete Konstruktion finden, die dem zu bauenden Projekt entspricht, wobei Wagner nicht so weit wie Muthesius geht, und der Funktion alles unterordnet bzw. sie selbst als Kunst deklariert. Vielmehr vertritt der Wiener Architekt den Standpunkt, dass Funktion zwar die Form diktiert, zur ästhetischen Überhöhung der Bauten die Konstruktion wie bei seinen frühen Brückenbauten jedoch ornamental wird. Und dies könne wiederum nur durch die Personalunion des Architekten und Ingenieurs gelingen.111 In Wagners Augen ist der Ingenieur ‚nur’ ein Wissenschaftler, der dem Architekten neue Möglichkeiten eröffnet, jedoch allein den Tod der Schönheit mit sich bringt. So kann zwar der Architekt Ingenieur werden, der Umkehrschluss ist jedoch nicht möglich. Und während die Franzosen die beiden Bereiche Ingenieurtechnik und Baukunst weiterhin strikt trennen, ist Wagner bemüht, den Erfordernissen der Architektur alles unterzuordnen.

Die drei Prinzipien seiner neuen Bauauffassung hat Wagner erstmals bei den Gebäuden der Linken Wienzeile (1898-1899; ABB. 50, 51) angewandt. Es handelt sich hierbei Mietshäuser, die er im Allgemeinen als „Zellen-Konglomerat“112 betrachtete und sie so im Verbund zu zweit oder dritt erbaute. Der Zweck ist klar durch die Architektur ersichtlich, Materialien sind unverhüllt gezeigt sowie ehrlich verwendet und die Ornamentierung im neuen, unhistorischen Stil überstreckt sich über die oberen Geschoße zur Kennzeichnung des Privaten. Die beiden Wohnhäuser zeigen den Stil der Secession, die radikal mit der üblichen Renaissance-Architektur der Ringstraße brechen. Otto Wagner trennt Geschäfts- und Wohnbereiche klar durch die Architektur und stellt sich somit gegen die gängige Bauweise, dem Gebäude einen einheitlichen

111 Haiko, Peter, Otto Wagners Interieurs: vom Glanz der französischen Könige zur Ostentation der „modernen Zweckmäßigkeit“, in: Museum Moderner Kunst (Hrsg.), Otto Wagner. Möbel und Innenräume, S. 38 112 Geretsegger, Heinz, Peinter, Max, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt. Beginn der Modernen Architektur, dtv, München: 1980, S. 120

66 Charakter zu verleihen, der den eigentlichen Zweck verschleiert. Ein kräftiges Band aus Eisen und Glas zieht sich über die ersten beiden Geschoße, erstreckt sich über beide Häuser hinweg und krümmt sich schließlich um die Ecke, an der die Eisenarchitektur in Bezug auf die kleine Fläche eine imposante Stellung einnimmt. Durch die vergoldeten, filigranen Girlanden, Zweige und Statuen in den Obergeschossen wird der kühle Charakter des Eisens verstärkt. Die gerundete Ecklösung, die klar hervortritt, trägt ebenso dazu bei, dass Dualität der Wagner’schen Gebäude auf den Gipfel getrieben wird: der unmittelbare Anschluss an den alten Architekturbestand, der die Geschäftslokale unsichtbar in sich aufnimmt, lässt den Kontrast zwischen neuer und alter Baukultur deutlicher werden. Die symbolische Formensprache beginnt erst ab der zweiten Etage und kennzeichnet so den Wohnbereich des (modernen) Menschen. Das Kunstwollen hat hier oberste Priorität, die regelmäßig mit Fenster unterbrochene Fassade bedurfte einer Aufwertung durch die Kunst. Die Ornamentik des Hauses Linke Wienzeile 38/Ecke Köstlergasse113 von Joseph Olbrich ist mit ihren vergoldeten, palmengeschmückten Amuletten und Frauenköpfen typisch für den floralen Jugendstil. Symmetrisch und filigran ist das Ornament auf die Fassade aufgesetzt und erzeugt einen erhabenen Charakter des Gebäudes.

Mit der Wahl der Keramik als fassadengestaltendes Mittel für das Majolikahaus an der Linken Wienzeile Nr. 40 (ABB. 50, 52) entscheidet sich Wagner für ein Material, das sich im Art Nouveau großer Beliebtheit erfreute. Mit ihm konnte sich Wagner, der hier im Übrigen als Bauherr auftrat, ein einziges Mal seinen Wunsch nach einer dauerhaften (weil witterungsbeständigen)114 und zugleich polychromen Außenhaut erfüllen. Die Fliesen, welche vom Secessions-Mitbegründer Koloman Moser entworfen wurden, zeigen ein rankendes Blütendekor, das in Löwenköpfen aus Keramik mündet, welche unterhalb eines bunt kolorierten Gebälks angebracht sind. Das für Fassaden ungewohnte Material erklärt sich durch seine Eigenschaften: es ist witterungsbeständig, entspricht den neu formulierten hygienischen Anforderungen (kann gut gesäubert werden), hat geringe Instandhaltungskosten und eine

113 In der Köstlergasse 3 wohnte Wagner selbst. 114 Hygiene wurde im schnell wachsenden Wien zum modernen Schlagwort, dem Wagner mit pflegeleichten und abwaschbaren Materialien entgegen kam.

67 höhere Lebenserwartung als Putz. Obendrein ist der ästhetische Aspekt nicht außer Acht zu lassen, weswegen dieses Material auch von Wagner sehr geschätzt wurde. Die Fassade zählt heute zu den berühmtesten Wiens, wurde jedoch zur damaligen Zeit, wie sollte es anders sein, als Gipfel der Hässlichkeit oder auch mit negativem Konnex als „wild secessionistisch“ erachtet. Ein Argwohn einer Stadt, die Wagner seinen Beitritt zur Secession und die offenkundige Abwendung vom Historismus übel nahm.115 Dennoch finden sich bis 1902 auch bei Wagners Schülern ähnliche Beispiele der Fassadengestaltung wieder: Hans Schlechtas Entwurf für die Fassade eines Mietshauses (ABB. 53) sowie jener Entwurf von Wunibald Deininger (ABB. 54), beide um 1900, zeigen eine künstlerische Behandlung der Fassade. Während Schlechta die Birken ähnlich dem Blütendekor ornamental über die gesamte Wand wachsen lässt und ein beispielhaftes Ergebnis einer tätowierten Wand entwirft, findet Deininger zu einer Formensprache, die mehr der geometrischen Phase zuzuordnen ist. Das kreisförmige Ornament selbst ist zwar ohne Ordnung zwischen die Fenster gestreut, gehorcht aber in seiner Anordnung den Gesetzten der Symmetrie und kann in die Folge des Hauses Köstlergasse 38 eingereiht werden: die Palmetten Olbrichs sind auf Bögen reduziert, der Goldregen wird durch (von Hoffmann inspirierte) sich überlappende geometrische Kreisornamente vereinfacht aufgefasst.

Die so entstandene „doppelte Redeweise“116, mit der modernen Architektur der Geschäftslokale und der Secessionskunst in den oberen Etagen, in der Wagner beide Phasen des Jugendstils vereint, ist als Übergang zu betrachten, bevor Wagner den rationalen Stil der kommerziellen Gebäude auch in den privaten Bereich überträgt. Genau genommen kann man diese Übertragung schon erkennen, wenn man um die Ecke schaut. Die Fassade des Gebäudes Köstlergasse 3 (ABB. 55) ist deutlich reduziert und weist geometrische Motive auf; hier wohnte Wagner selbst.

115 Vgl. Gertsegger, Unbegrenzte Großstadt, S. 19 116 Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 84

68 Klassische Periode

Wagner ist überzeugt davon, der Zukunftsstil sei der Nutzstil, der sich primär durch die Konstruktion und den Zweck definiert – zugunsten einer Ästhetik der Sachlichkeit. Ausgelöst durch eine politische Krise, in der der Kaiser erstmals durch das Volk genötigt wird, seine Entscheidungen zu überdenken, kommt es zu einem Umschwung im intellektuellen Lager. Nach dem Ende der liberalen Politik und dem Beginn der antisemitisch gestimmten christlich- sozialen Politik Karl Luegers (wobei Wagner dieser als Privatperson nicht abgeneigt war)117, lassen Klassenkämpfe und unerbittlicher Rationalismus viele in eine schöpferische Krise fallen. Entfremdung und das Unterbewusste werden thematisiert und bringt letztendlich die ‚Kunstwirklichkeit’ in Form der Secession hervor, mit deren Hilfe als Inspirationsquelle Wagner die klassische Periode des Jugendstils in der Architekturgeschichte begründet.

Wagner lässt sich auf der Suche nach einer neuen Formensprache von jüngeren Künstlern und Intellektuellen inspirieren. Olbrich oder Hoffmann, die auch seine Schüler waren, dienen ihm als Anregung, vor allem aber Gustav Klimt (ABB. 56, 57), den Wagner geradezu vergötterte, beeinflusste den Architekten.

Auf die Parallelen zwischen Klimts Kunst und der ornamentalen Architektur wurde schon hingewiesen, und so ist es nicht weiter erstaunlich, dass auch Klimts Wandel hin zur (radikalen) Abstraktion der Fläche in Verbindung mit dem sich endgültig durchsetzenden byzantinischem Einfluss mit der Entwicklung der Architektur gleichgesetzt werden kann. Psychologische und metaphysische Revolten wurden wie zuvor der Historismus von dem Maler abgelegt und auch der Architekt im Allgemeinen verabschiedet sich von einer überirdischen Vorstellung des Raumes. Als Hauptvertreter der Secession ist Klimt mit seiner Entwicklung hin zur flächenhaften Darstellung des Hintergrundes in Kombination mit geometrischen, ineinander verschachtelten Elementen zwar nicht dafür verantwortlich, aber doch ein Grund für die Weiterentwicklung Wagners. Die abstrahierten geometrischen 2D-Raumvorstellungen Klimts führten den

117 So pflegte Wagner enge Kontakte zu Lueger und hatte mit nur einen jüdischen Studenten in seiner Wagnerschule. Vergl. Meder, Naissance der Architektur, in: Secession (Hrsg.), Secession. Die Architektur, S. 82

69 Architekten, der in der Secession nach neuen optischen Anreizen suchte, zu einer neuen Auffassung der Wand, die sich weit weg von jener Überladenheit der Ringstraße befindet. Dennoch bleibt die Beziehung zur Secession komplex, da sie ihn zwar in seinem Streben nach der Moderne unterstützte, jedoch in Bezug auf Nützlichkeit und Funktion völlig konträr zu seinen Theorien steht.

Unter diesen Gesichtspunkten entsteht eines der Meisterwerke Wagners, das ‚Österreichische Postsparkassenamt’ in Wien (1904-06; ABB. 58, 59), das von der christlich-sozialen Partei als Antwort auf die Macht des jüdischen Bankenkreises benutzt wurde.118 Das Baugefüge wurde rein aus den funktionellen Bedingungen heraus entwickelt, das bis ins kleinste Detail technisch wie künstlerisch durchdachte Gefüge hat sich, wie die Stadtbahn, bis heute in der Praxis bewährt. Gänzlich mit dem neuen Material des Eisenbetons errichtet, verkleidet Wagner den Bau mit Marmorplatten, die mit Hilfe von sichtbaren Aluminiumbolzen in der Wand verankert werden. Die Fenster hebt der Architekt fast in die gleiche Ebene wie die Platten, wodurch ein flächiger Eindruck entsteht, der durch die Symmetrie der Bolzen rhythmisiert wird - das Ornament ist funktional bedingt. Die Form wird geometrisiert, ist schnörkellos vereinfacht und bietet trotz der ornamental anmutenden Aluminiumelemente einen schlichten Gesamteindruck, der sich in die umgebenden Gebäude einfügt. Zu den revolutionären Neuerungen zählt bei diesem Bau neben der offenen Grundrißgestaltung die Anwendung der Plattentechnik, mit deren Hilfe der Bau verkleidet wird. Sie verleiht dem Gebäude eine Monumentalität, die nicht über die Größe erzielt wird, sondern über das Material und den Bautypus. Bis zu diesem Zeitpunkt entsprach es den Gepflogenheiten, den Bau bestenfalls zu verputzen, doch über den Weg der Majolikafliesen findet hier Wagner den Weg zu einer neuen Ausdruckssprache in der Architektur. Die Platten ersetzten die großen Steine der (Renaissance-)Architektur, die für Horta oder andere Vorreiter des Art Nouveau noch zum Standardrepertoire zählten. Josef Plecnik übernimmt diese Technik für das Palais Zacherl (1903-05), ein Bau, der auch Wagners Ecklösung an der linken Wienzeile/Ecke Köstlergasse als gerundet ausgebildete Lösung übernimmt. Die Einführung neuer Materialien wie Eisenbeton und Aluminium in Zusammenhang mit der

118 Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 85

70 Abwendung von vielen traditionellen Architekturbestandteilen führt zu einem Funktionalismus, der bis heute in der Architektur nachwirkt.

Im Inneren (ABB. 60, 61) gelangt Wagner zu weiteren Neuerungen: der puristische Schaltersaal ist ein weitgehend von Säulen befreiter Raum, der von einem gläsernen Satteldach mit 40° Neigung überspannt wird. Das Licht, das durch dieses in den Raum fällt, wird durch in den Fußboden eingelassene Glasbausteine in die darunter liegenden Räume weitergeleitet. Die Stahlstützen, die das Dach tragen, bleiben nackt. Runde Aluminiumtürme an den Wänden sind nicht bloß schlichtes Dekor, sie dienen auf Grund der schlechten Wärmedämmung als Heizelemente, das Dach selbst wird durch beheizbare Rohre vor Schneelasten und Vereisungen geschützt. Die Räume für den Scheckverkehr liegen übereinander, um die Verbindung mittels Aufzüge zu gewährleisten, Eisenbetondecken befreien die Kassensäle von störenden Stützen und garantieren eine leichte Zugänglichkeit. Mit der Postsparkasse kommt Wagner somit dem theoretischen Ziel eines Nutzbaues sehr nahe, in dem die Bauformen und das Gefüge sich allein aus der Notwendigkeit heraus entwickeln.

Ein für den modernen Menschen Wagner untypisches Projekt im Sinne der Bauaufgabe ist die (1902-07, ABB. 62, 63) auf der Baumgartnerhöhe in Wien, einem der Hauptwerke der Wiener Moderne. Hierbei handelt es sich um eine Anstaltskirche für psychisch kranke Menschen der Psychiatrischen Heil- und Pflegeanstalt Niederösterreich, die sich am höchsten Punkt einer gestaffelten Anlage mit über 60 Bauten erhebt. Außen wie innen ist diese Kirche ein Meisterstück, spiegelt sie doch die Intentionen des Jugendstils wie kaum ein anderer Bau wieder. Der reine, weiße Bau mit seiner kubischen Formensprache, der reduzierte Grundriss und das symbolhaltige goldene Ornament verleihen dem Bau jene Erhabenheit, die die Secession anstrebte bei zeitgleicher absoluter Funktionalität vor allem im Innenbereich. Weiße Marmorplatten verkleiden den Bau, welche mit Hilfe von Kupferbolzen befestigt sind, eine Technik, die Wagner schon bei dem Postsparkassenamt angewandt hat. Auf einem Tambour thront die Kuppel, ein ehemals vergoldetes Kupferdach, und verleiht somit dem Bau jenen sakralen Charakter, der nicht nur aus der Bauaufgabe heraus resultiert. Innen wird die Kuppel durch eine Eisenbetonkonstruktion als Zwischendecke gestützt,

71 die sich hinter der inneren Kuppel verbirgt. Sie stellt eine Reminiszenz an die byzantinische Kunst dar, doch auch andere Elemente betonen diesen feierlichen Charakter der Byzantiner: das Punktmuster der Bolzen, das teure Gold und edle Mosaike lassen den Bau beinahe übersphärisch erscheinen. Lineare Betonung, ein überkuppelter Zentralraum und die Farbenvielfalt sind typisch für die Architektur des Orients, die doppelschalige Kuppel wie sie bei der Hagia Sophia vorkommt wird ebenso aus diesem Formenrepertoire entnommen. Die Kuppel selbst ist schon bei dem Bau der Wiener Secession zu finden, stilisiert durch Lorbeerblätter, die sich als beliebtes Motiv von Wagner (Postsparkasse, Stadtbahn) auch an der Kirche Steinhof unterhalb des Gesimses in einer Zierleiste finden. Überhaupt fällt einem die äußerliche Ähnlichkeit beider Bauten in das Auge, was auf die gegenseitige Inspiration von Wagner und seinen Schülern zurückzuführen ist. Die Verherrlichung der Kunst weicht hier jedoch nicht in erster Linie der Verherrlichung des Herren. Schon der kreuzförmig konzipierte Grundriss mit kurzen Armen verrät, dass es sich bei dieser Kirche mehr um eine Andachtsstätte und Ort der Ruhe handelt als um ein Gotteshaus im herkömmlichen Sinn: der Bau ist nach Süden hin ausgerichtet und nicht nach Osten, wie es der Kanon vorschreibt; die Kirche ist als mystischer Ort und Zufluchtsstätte zu verstehen. Einen ebensolchen Bruch stellen die Figuren des Heiligen Severin und des Heiligen Leopold, dem die Kirche als Landespatron Wiens und Niederösterreichs geweiht ist, dar: die sich auf den Glockentürmchen befindenden Statuen wurden von Richard Luksch sitzend anstatt stehend entworfen. Die vier schmucklosen Engel (ABB. 64a), die über dem nur für große Feierlichkeiten benutzten Haupteingang mit gesenktem Haupt thronen, sind ebenso ein beliebtes Motiv der Secessionskunst wie der Lorbeerkranz und verleihen dem Bau zusätzlichen sakralen Charakter, den der Bau auf Grund seiner ungewöhnlichen und reduzierten Form benötigt.

Der Innenausbau (ABB. 64b) zeichnet sich vor allem durch eine Funktionalität aus, die auf Wagners besondere Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Benutzer fußt. So entwirft er das Weihwasserbecken nicht als offene Schale, sondern als Brunnen, der auf Knopfdruck das heilige Wasser spendet. Die Kirchenbänke sind kurz gehalten, um den Pflegern ein rasches Eingreifen zu ermöglichen und der Fußboden ist auf Grund der besseren Reinigung leicht abfallend

72 ausgeführt. Selbst die Anordnung der von Koloman Moser konzipierten Bleiglasfenster wurde von Wagner bestimmt, um dem Raum eine bestmögliche Lichtführung zu garantieren. Die erhabene Symmetrie des Baus in Zusammenspiel mit der außergewöhnlichen kunsthandwerklichen Ausführung und dem hohen künstlerischen Anspruch machen aus der Kirche ein Gesamtkunstwerk hohen Niveaus, die durchaus mit jener des Palais Stoclet konkurrieren kann. Sie ist äußerst charakteristisch für die Vorstellungen der Zeit in Bezug auf Architektur, Ornament und dem sphärischen Gedanken, der dem Secessionsstil immanent ist und als solches Juwel im Gespräch für das UNESCO-Weltkulturerbe.

Das Spätwerk Wagners wie die Mietshäuser in der Neustiftgasse/Ecke Döblergasse (1909/10; ABB. 65), oder die Lupiusheilstätte (1910-13), aber vor allem die zweite Villa Wagner (1912/1913; ABB. 66), die direkt neben der renaissancehaften Villa Wagner I (1886-88; ABB. 67) steht, zeigen schließlich das, was 100 Jahre später immer noch Gültigkeit besitzt: einen reduzierten Kubus mit glatter Putzfläche, in den die Fensterpartien klar eingeschnitten sind. Auch das Flachdach nimmt eine heute beliebte Typologie vorweg und selbst die strengen Grundrisse unterscheiden sich kaum mehr von gängigen Lösungen unserer Zeit. Treppen, Platten, Auskragungen und dergleichen geben dem Gebäude einen Bezug zur Umwelt wobei die klare Geometrie als letzte Stufe in Wagners Entwicklung eineutig mit einer Loos’schen Architektur zu vergleichen ist. Zwar verwendet Wagner bei der Villa Wagner II noch klassizistische Zitate wie den Portikus, doch verschiebt er diesen an die Seitenfront, um der Straßenseite eine reduzierte kubistische Fassade zu zeigen. Vor allem der Vergleich mit der direkt am Nebengrundstück stehenden Villa Wagner I zeigt die imposante Formentwicklung Otto Wagners.

So ist aus dem Ringstraßen(er)bauer nicht nur ein Pionier der Wiener Moderne geworden, sondern, wenn man so will, auch ein Pionier der Architektur der Zukunft. Aus den Bemühungen und Errungenschaften Wagners heraus entstand eine universelle Architektur, die viele große Architekten der nächsten Generation als Basis ihrer Arbeit sahen und so zu seinen unmittelbaren Erben werden.

73 Die Wagnerschule

Otto Wagner sah ohne Zweifel die Lehrtätigkeit als eine seiner Pflichten als Architekt an. Mit seiner Berufung als Professor an die k.u.k. Akademie der bildenden Künste 1894, man rechnete mit ebenso einem Traditionalisten wie es sein Vorgänger Carl von Hasenauer war, beginnt nicht nur der Höhepunkt in Wagners Schaffen, sondern auch der Grundstein seiner Schule (1989- 1907) ist damit gelegt, in der sich radikal das Neue entfalten sollte. Um dies zu erreichen, selektierte Wagner stark, wobei er nie mehr als 12 Schüler (von mehr als 100 Bewerbern mitunter auch aus Übersee) aufnahm um ein extrem hohes Niveau halten zu können. Wie hoch das Niveau tatsächlich war ist aus den Abschlüssen ersichtlich: von insgesamt 190 Schülern schloss nur rund ein Drittel die Lehre bei Wagner tatsächlich ab – unter ihnen Josef Hoffmann, Joseph Maria Olbrich oder Josef Plecnik, aber auch die Begründer der neuen Sachlichkeit in Wien, Emil Hoppe und Otto Schönthal, lernten bei Otto Wagner.

Dank seines Gespür für Talent und seiner Lehrmethode avanciert die Schule bald zu den bedeutendsten Bildungsstätten für Architektur in Europa. Eine Mythenbildung rund um Wagner setzt schon zu seinen Lebzeiten ein. „Er hat es verstanden, uns zu ermutigen und unsere Hoffnung zu unterstützen. Zu fördern und zu führen war ihm gegeben. Er war eben ein großer und bedeutender Lehrer.“119, so Josef Hoffmann über seinen Professor. Wagner war bekannt dafür, ein väterliches Verhältnis zu seinen Schülern zu pflegen, das vor allem auf einem ständigen Schüler-Lehrer-Austausch basierte, jedoch nicht ohne Herausragendes von ihnen zu fordern. So ist bis 1899 eine eindeutige Orientierung der Schüler an den Bauten ihres Lehrers zu erkennen bevor ab 1900 eine gegenseitige Beeinflussung von Schüler (vor allem Josef Hoffmann und Joseph Urban) und Professor einsetzt, die sicherlich auch auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass Wagner die talentiertesten Hörer dazu aufforderte, ihn in seinem Atelier, dass sich neben dem Zeichensaal der Studenten befand, zu unterstützen. Die Ausbildung selbst gliederte Wagner in drei Jahre: Im ersten Lehrgang wurde das einfache Wiener Zinshaus und später das Einzelhaus thematisiert, im zweiten Lehrgang standen öffentliche Gebäude im Blickpunkt um sich im abschließenden dritten Lehrgang der Entwicklung

119 Handschriftensammlung I. der Wiener Stadtbibliothek Österreichische Galerie, Oberes Belvedere (Nachlass Ankwicz-Kleehoven), Wien, Nr. 172.568, zitiert nach: Sekler, Josef Hoffmann, S. 13

74 der Phantasie durch Gebäude mit experimentellen Charakter zu widmen. Diese drei Stufen dienten Wagner dazu, seinen Studenten in lockeren Vorlesungen jenen theoretischen Funktionalismus zu lehren, den er in „Moderne Architektur“ zusammenfasste. Sein Ziel war der Architekt als Individualist, der die bauliche Gestaltung als funktionellen, rationalen und mechanischen Prozess definiert, jedoch nicht ohne nach künstlerischer Freiheit zu streben (ABB. 68, 69).

Künstlerische Freiheit war auch ein Ziel Wagners in Bezug auf die Architekturzeichnung, die er dermaßen förderte, sodass manche seiner Schüler wie zum Beispiel Marcel Kammerer fast meinten, die architektonische Darstellung sei wichtiger als der Akt des Entwerfens. Sie vermuteten sich in direkter Konkurrenz zu Malern und Graphikern, und sahen unter dem Druck ihre eigentliche Arbeit vernachlässigt.120 Hier muss jedoch erwähnt werden, dass die graphische Darstellung im Wiener Jugendstil allgemeine Bedeutung gewann und Wagner auch auf diesem Gebiete eine Elite schulen wollte.

Bedeutende Werke seiner Schüler sind unter anderem die am Donaukanal gelegene Volkshochschule Urania (, 1905-09), die Heiliggeistkirche in Ottakring (1910-13) sowie das Zacherlhaus (1903-05, beide Josef Plecnik) oder der Erweiterungsbau des Hotel Wiesler in Graz (Marcel Kammerer, 1904-08).

Das Wohnhaus Dr. Vojczik (1901/02; ABB. 70, 71) stellt das Hauptwerk Otto Schönthals in Wien dar, dessen Auftrag er noch in seiner Studienzeit erhielt. Dem klassizistischen Bau wohnt eine betonte Sachlichkeit inne, an dem typische secessionistische Ornamente angebracht wurden. Der zentrale Haupttrakt wird an der Straßenseite von zwei zurückgesetzten Flügeln begrenzt, die an der Gartenfront wiederum hervorspringen. Das auskragende Flachdach ist typisch für Wagnerschüler der Zeit, das sich in weiterer Folge zu einem abgesetzten Dach entwickelt, das einen schwebenden Eindruck hervorruft. Mit ihrer zurückgenommenen Ornamentik und der

120 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 158

75 kubischen Auffassung der Bauform steht die Villa am Übergang zur klassischen Moderne in Wien.

Mit dem für die Schule Wagners bedeutenden Palais Zacherl (ABB. 72, 73) in der Nähe des Wiener Stephansdoms überwindet Josef Plecnik den Jugendstil. Die monolithische Geschlossenheit des Baus mit einer gerundeten Eckpartie wird durch die Verwendung von grauschwarzen Granitplatten erreicht. Sie wurden mittels Profilleisten, die ebenfalls aus Granit bestehen, in der Wand aus Eisenbeton verankert, wodurch das Gebäude eine ornamentale Wirkung erhält, die sich aus der Funktion ableiten lässt und nicht nur schmückendes Beiwerk ist. Die Einfassung der Fenster, die dem Rhythmus der Platten entsprechen, ist gegenüber der Fassade leicht zurückgesetzt, wodurch der flächige Charakter nicht gestört wird. Unter dem doppelten Dachgesims befindet sich eine Reihe von Atlanten in glasiertem Klinker, die als Anspielung an die Architektur der Renaissance gelesen werden können. Bei gleichzeitiger Ablehnung jeglichen Eklektizismus runden sie die Monumentalität des Baues ab, die durch die Auffassung der Wand als Platte entsteht. Somit entspricht das Palais der Lehre Wagners, der Funktionalität, Flächigkeit und die ehrliche Verwendung moderner Materialien forderte.

Josef Hoffmann

Josef Hoffmann steht werklich gesehen zwischen Otto Wagner und Joseph Olbrich. Dem Stil der geometrischen Moderne verhaftet, ist er wie Olbrich bestrebt, die Familie und das Individuum in den Vordergrund zu stellen. Das Gebäude soll außen wie innen Ausdruck der Persönlichkeit sein. Er erreicht dies mit einer Mischung aus Moderne (Jugendstil) und Tradition (dem Biedermeier, dem er eine lebenslange Bewunderung entgegenbringt), lässt die Funktionalität seines Lehrers erkennen und den Olbrich‘schen Einfluss spüren, von dessen eindrucksvollen und schwungvollen Zeichnungen Hoffmann sich beindruckt zeigt. Dass er auch von der mediterranen Architektur Capris fasziniert war, in der er die essentielle Schlichtheit der klassischen Architektur sieht, beweisen die unzähligen Skizzen seiner jungen Jahre (1895/96).

76 Der ursprünglich für das Jusstudium bestimmte Josef Hoffmann wächst gutbürgerlich in Mähren auf, deren Landschaft ihn und seine Architekturvorstellung prägte. Nach seinem Schulabschluss121 geht er 1892 an die Akademie der Bildenden Künste in Wien, wo er zunächst in der Meisterklasse Carl von Hasenauers, einem Ringstraßenarchitekten, studiert. Nach dessen Tod übernimmt 1894 Otto Wagner die Klasse, der seinen Schülern die Orientierung an der Zukunft und einen von Semper abgeleiteten Rationalismus lehrt. Eine große Bewunderung für den Meister entsteht, der es verstand, den individuellen Stil seiner Schüler zu unterstützen. Für Wagner selbst war Josef Hoffmann ein Lieblingsschüler, den er bei seiner Pensionierung für seine eigene Nachfolge vorschlug.

Hoffmann schließt sein Diplom mit dem begehrten Rompreis ab, die Reise selbst tritt er gemeinsam mit Olbrich an, jenem Jungarchitekten, mit dem Hoffmann am engsten befreundet ist. Die Begeisterung für die anonyme Volksarchitektur Capris entsteht, die für viele Architekten zur Quelle der Inspiration wurde. In Wien arbeitet er anschließend in einem fast väterlichen Verhältnis im Atelier Wagners, der ihn auch gerne als Schwiegersohn gesehen hätte, tritt dem Siebenerclub, der Keimzelle der Secession, bei, dem auch Olbrich oder Koloman Moser angehören und knüpft hier erste Kontakte zu Ludwig Wittgenstein, einem wichtigen Bauherren und Mäzen in Hoffmanns Tätigkeit. Als Secessionsmitglied drängt er Adolf Loos aus derselbigen hinaus und wird noch nicht 30-jährig Professor an der Kunstgewerbeschule, an der er die Klassen Architektur, Metallarbeit, Emailarbeit und Kunstgewerbe unterrichtet. Bis 1900 allerdings, dem Zeitpunkt, zu dem Olbrich Wien verlässt, steht Hoffmann in dessen Schatten und auch unter dessen Einfluss.

Ornamentale Periode

Die frühe Architektur Josef Hoffmanns lässt somit sowohl den Einfluss Olbrichs wie auch jenen Wagners spüren. Stilisierte Blatt- und Blütenmotive, die ihren Ursprung in der Arts and Craft- Bewegung haben, sind beliebte Motive der Zeit, sogar Wagner hat sich hin und wieder ähnlicher Formen bedient und auch bei Le Corbusier kommt es etwas später zur Stilisierung ähnlicher

121 Hoffmann lernte an der Bauabteilung der Höheren Staatsgewerbeschule in Brünn, die zur gleichen Zeit auch Adolf Loos besuchte.

77 Pflanzen. Die Abwandlungen Olbrichs und Hoffmanns sind vergleichbar, wobei Hoffmann nicht die symbolische Bedeutung des Motivs in den Vordergrund stellt, im Gegenteil, oftmals ist diese nicht nachzuweisen. Ausnahmen stellt etwa der „Saal der Erkenntnis“ (ABB. 74) dar, einem tonnengewölbten Saal in Steinkonstruktion. Zwischen zwei Säulen, die als Bäume stilisiert ein Kapitell aus Blattwerk tragen, sitzt Eva, den Apfel in der Hand. Den Rahmen für dieses Motiv ist ein mit vegetabilen Ornament und Masken reich skulpturierte Raum mit mehrfach abgetreppten Pfeilern. Schon hier zeigt sich in der Geometrisierung des Ornaments die spätere Hinwendung zur klassischen Moderne. Künstlerische und erotische Kraft sind hier genauso eng miteinander verknüpft wie in Gustav Klimts Gemälden.

Studien zu einem Ausstellungspavillon, vermutlich jenem der Secession, lassen noch die schwungvolle Linie Olbrichs erkennen, die zwar Beachtung erhielten, jedoch ohne architektonische Folge blieben. Der Entwurf eines Wettbewerbes für den Ausstellungspavillon der Stadt Wien 1898 (ABB. 75a), an dem auch Wagner und Olbrich teilnahmen, lässt auch die Linie Wagners spüren, wenngleich der Art Nouveau für Hoffmann eine Möglichkeit bietet, sich von seinem Lehrer abzugrenzen. Hoffmann lehnt sich mit seinem Vorschlag typologisch an den ersten Entwurf Olbrichs für die Wiener Secession (ABB. 75b) an: eine dreiteilige symmetrische Fassade mit erhöhtem Mittelrisalit, das von zwei breiten Pylonen mit ornamentalem Abschluss eingefasst wird. Diese sind zwar längs kanneliert und unterstreichen somit ihre Funktion, doch ist Hoffmann nicht an der tektonischen Sichtbarmachung interessiert. So schließt etwa der Segmentbogen ohne Widerlager an das Mauerwerk an, statt einem Schlussstein ist ein Wappenmotiv der Stadt Wien zu erkennen. Es ist offensichtlich, dass Hoffmann in dieser Periode seines Schaffens auf das Dekorative das Hauptaugenmerk legt. Vegetabile Schmuckformen, eine reiche bildnerisch ausgestattete Fassade und Bäume werden wirkungsvoll als Gegenpol zur Architektur inszeniert. Der Entwurf ist ohne Zweifel dekorativer durchgestaltet als jener von Wagner, dessen Vorschlag an einige Bauten der Stadtbahnstationen erinnert. Die tektonische Strenge, durch horizontale und vertikale Abschlüsse ohne Bögen erzielt, ist bei Hoffmann nicht gegeben, der Entwurf Olbrichs hingegen scheint noch wirkungsvoller. Durch die Konzentration auf den Mittelteil (die seitlichen Risalite sind bei Olbrich nicht vorhanden), erzielt Olbrich nicht nur einen weicheren Charakter des Gebäudes, sondern gibt der temporären

78 Komponente mehr Ausdruck als Hoffmann.

Mit dem Eintritt in die Wiener Secession 1897 beginnt schließlich die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Hoffmann und Olbrich, in der sich Hoffmann dem Interieur und der Gestaltung von Möbel widmet, während Olbrich die Architektur der Ausstellungsräume, in denen diese stehen sollen, entwirft. Hierbei lässt sich Hoffmann stilistisch auch von der bildenden Kunst beeinflussen, einmal mehr fällt die Nähe zu Gustav Klimt fällt. Hoffmanns Formenrepertoire besteht aus der flachen Kurve, stilisierten Naturformen sowie klassizistische Palmetten und abstrakt-geometrische Formen in Verbindung mit einer ungewohnten Farbgebung, jedoch nicht ohne auf die materialgerechte Verwendung zu achten (ABB. 76). Sein Hang zur Volkskunst und ihrem intimen Charakter fällt auf (im Gegensatz zu Wagners urbanen Rationalismus), was unter anderem Bertha Zuckerkandl oder Joseph Anton Lux zu Begeisterungsstürmen hinreißen lässt: „... und es ist darin kein Tisch, kein Stuhl, kein Schrank, kein Gegenstand des Gebrauchs, der nicht den Geist der Vorfahren trüge und dabei durch die konstruktive Einfachheit und Zweckdienlichkeit als Niederschlag unserer allgemeinen modernen Kultur erschiene.“122 Mit dem gleichzeitig schon vorhandenen Hang zur geometrischen Stilisierung heben sich seine Interieurs von anderen innerhalb der Bewegung ab und können so als Vorreiter für den Umschwung des secessionistischen Stils betrachtet werden. Für diese phantasievollen Ausschweifungen seiner frühen Laufbahn erntet Hoffmann jedoch schon Kritik von Loos, die sich später zu einer feindlich gesinnten Stimmung gegenüber dem Schulfreund auswächst.

Als 1899 Hoffmann gemeinsam mit Freunden der Secession (u.a. Koloman Moser, Alfred Roller) zum Professor an die Kunstgewerbeschule berufen wird, beginnt unter dem Aspekt eines gesicherten Einkommens die Abkehr von den floralen Motiven. Die Arbeit mit Gleichgesinnten aus der Secession und die (nach Wagner-Vorbild) experimentelle Arbeit mit seinen Schülern begünstigen die Entwicklung einer eigenen Architektursprache und als Olbrich 1900 Wien verlässt, wird Hoffmann zum führenden Architekten unter den ‚Jungen Wilden’.

122 Lux, Joseph A., Die dekorative Kunst des Prof. J. Hoffmann, Wien, in: Innendekoration V, Mai 1902, S. 129 f., zitiert nach: Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 98

79

Geometrische Periode

Neben dem Weggang Olbrichs ist auch die Berührung mit dem Werk Ashbees und Mackintoshs elementar in der Entwicklung der Formensprache Hoffmanns. Während der VIII. Secessionsausstellung 1900 (ABB. 77a), die dem Kunstgewerbe gewidmet ist, lernt er das Ehepaar Mackintosh kennen und zeigt sich tief beeindruckt von ihrer subtil fragilen Arbeit, einer Mischung aus geometrischen Formen und einer ornamentalen Poesie (ABB. 77b). Hoffmann selbst arbeitet zu diesem Zeitpunkt schon mit rechtwinkeligen Geraden und verzichtet auf Dekor, was ihn mehr in die Nähe des Rationalismus Ashbees einordnen lässt (ABB. 78), doch auch Bauten wie das „Hill House“ nehmen deutlich Einfluss auf den Formfindungsprozess bei Hoffmann.

Die Briten Mackmurdo, Walton und Scott liefern zusätzliche motivische Inspiration; Hoffmann gibt der einfachen geometrischen Form den Vorzug, und gelangt zu einem Purismus, der nicht immer den Intentionen seiner Auftraggeber entspricht. Die Künstlerkolonie auf der Hohen Warte (1900 – 1911) am Rande des Wiener Waldes ist ein Beispiel für Hoffmanns Bandbreite. Er übernimmt den Auftrag von Olbrich und entwirft hier Villen für einige Künstler und Mäzene Wiens (unter ihnen Koloman Moser oder Hugo Henneberg), die hier den ‚Heiligen Frühling’ und das gesamtkompositorische Lebensgefühl darstellen. Die Häuser sind kompositorisch aufeinander bezogen und zeigen Häuser im Heimatstil (ein Bezug zur englischen Arts and Craft – Bewegung ist deutlich) den Hoffmann mit seiner neu entstehenden Formensprache kombiniert. Fachwerke stehen mediterranen Einflüssen gegenüber, der Klassizismus hält mit dem letzten Bau der Kolonie für Eduard Ast (1909-11) Einzug.

Mit der XIV. Secessionsausstellung 1902 (ABB. 79), die auf Max Klingers Beethovenstatue ausgerichtet ist, zeigt sich Hoffmann am Höhepunkt seiner puristischen Phase. Er hat die künstlerische Gesamtleitung inne und gestaltet alle Räume selbst. Mit Hilfe elementarster Einfachheit erzeugt Hoffmann eine Raumwirkung, die von Kritikern als archaisch und modern

80 zugleich beschrieben wird. Vorgestellte, glatte weiße Flächen ohne Ornament und gerade Linien bestimmen die Ausstellung, um den Werken genügend Raum zur Wirkung zu geben. Die Wand dahinter ist mit Landschaftsmotiven im typischen zarten Secessionsstil ausgestattet, Entlehnungen aus der Gartenarchitektur wie Brunnennischen im Hauptsaal oder lebendige Bäume runden das Gesamtbild ab. Hoffmann selbst stellt hier ein nicht mehr erhaltenes Supraportenrelief in Gipsschnitt aus, ein in verschiedenen Tiefen sich überlappendes Gebilde aus Rechtecken, das in ein Quadrat eingeschrieben ist. Es stellt in Hoffmann Werk die endgültige Abkehr vom wellendominierten floralen Jugendstil dar, und nimmt die Formen des späteren Konstruktivismus vorweg.

Das Quadrat wird zum Markenzeichen Hoffmanns, dem er laut eigener Aussage zusammen mit den Nicht-Farben Schwarz und Weiß deswegen Beachtung schenkte, da sie in der Kunst bis dahin nicht vorkamen.123 Genau betrachtet ist es jedoch eine Neuinterpretation des Japonismus, diesmal auf die Architektur und nicht auf die Malerei bezogen: die Aufteilung der Tür- und Fensterpartien japanischer Häuser in Quadratfelder übernimmt der Wiener Architekt in sein Formenrepertoire, selbst seine Vorentwürfe zeichnet er auf kariertem Papier. Hoffmann sieht im Quadrat die Figur der Einheit und der Ruhe, das die Proportionen seiner Entwürfe bestimmt – alles wird auf das Quadrat zurückgeführt. Selbst die Bündel paralleler Geraden, die zur Betonung vertikaler Flächen dienen, finden ihre Entsprechung im rythmischen Viereck. Dabei werden sie so hoch angelegt, dass sie auf den ersten Blick nicht zahlenmäßig zu erfassen sind. Als gerillte Elemente sind sie eine Anspielung auf die klassische Ordnung der Antike, die Hoffmann in Bezug auf Proportionen schätzte. Aus diesen Quellen zieht der Architekt sein Gefühl für die Beziehung einzelner Flächen zueinander, die er entweder mittels Verzierungen und Material betont (z.B. Palais Stoclet, 1905-1911) oder auf das Wesentliche beschränkt, wie das Beispiel des Sanatoriums Purkersdorf zeigt.

Das Sanatorium „Westend“ in Purkersdorf (1904-05; ABB. 80, 81) entwarf Hoffmann nach einem Auftrag von Direktor Victor Zuckerkandl, der bestehende Altbauten mit Schlafräumen durch ein

123 Sekler, Josef Hoffmann, S. 54

81 Kurhaus ergänzen wollte. Es sollte höchsten Ansprüche in Bezug auf Komfort und Gesellschaft gerecht werden und ist der erste Auftrag Hoffmanns, der nicht dem Wohn- oder Ausstellungszweck dient. Er entwickelt den Bau aus den Primärformen heraus, die die klassizistisch-rationale Idee eines Wagner erkennen lässt, ohne den Klassizismus formal in Erscheinung treten zu lassen. Im Gegenteil, durch die glatte Wand und das ungewöhnliche Flachdach, das durch den Einsatz von Eisenbeton möglich ist, wird eine plattenartige Wirkung des Baus erzielt, der auf Grund seiner Klarheit zu Berühmtheit gelangte. Die dekorative Komponente beschränkt sich auf die blau-weißen Quadratbänder, die Türen und Fenster umrahmen. Rücksprünge und unterschiedliche Höhen lassen Sekler das Sanatorium als bauliche Umsetzung des Supraportenreliefs lesen,124 Einflüsse von Max Fabiani (glatte Wand), Olbrich (Ernst-Ludwig-Haus, Darmstadt, 1901; ABB. 82) oder Adolf Loos (Klassizismus) sind vorhanden, doch bleibt es eine eigenständige Arbeit Hoffmanns, mit der er sich sein persönliches Grundvokabular schuf.

Ausgeführt wird das Gebäude vom Rohbau bis zu den Möbeln der Gesellschafts-, Spiel- und Schreibzimmer, die Hoffmann in Zusammenarbeit mit Koloman Moser selbst entwarf, von der Wiener Werkstätte, die 1903 von Hoffmann gegründet wurde. Unter den Einrichtungsgegenständen, die er für das Sanatorium plante, gelangte die „Sitzmaschine“ (ABB. 83) zu besonderen Ruhm. Hierbei handelt es sich um einen Stuhl mit verstellbarer Rückenlehne mit den für Hoffmann-Möbel typischen Kugeln und Quadrataussparungen.

Das Palais Stoclet (1905-11, Brüssel; ABB. 84) wiederum, das ohne die formalen Experimente in Purkersdorf kaum vorstellbar wäre, stellt das Hauptwerk Josef Hoffmanns dar. Es handelt sich hierbei um ein Gesamtkunstwerk par excellence, das durch die Architektur wie auch durch die Innenausstattung zu Berühmtheit gelangte. Die Auftraggeber Suzanne und Adolphe Stoclet waren als extravagant Persönlichkeiten bekannt, die ihr Leben mit Leib und Seele der Kunst verschrieben. Nach ihrem Tod 1949 hinterließen sie eine einzigartige Sammlung mit dem Hauptaugenmerk auf der exotischen und archaischen Kunst.125

124 Sekler, Josef Hoffmann, S. 72 125 Sekler, Josef Hoffmann, S. 98

82 Für dieses Ehepaar, das keine finanzielle Obergrenze vorgab, plante Hoffmann ein Gebäude mit atektonischer Wirkung, die auf die Würfelformen und die Verwendung des Quadrats sowohl im Grundriss als auch im Aufriss zurückzuführen ist. Sogar Gegenstände im Inneren erhielten ihren festen Platz durch in den Fußboden eingelassene Quadrate. Bei dem Palais handelt es sich um ein dreistöckiges Gebäude, doch mit dem Abstufen und Ineinander setzten einzelner Würfelformen vermeidet der Architekt eine monumentale Gesamtwirkung. Vielleicht mag sich Hoffmann hier Anleihen bei Le Corbusier, den er zu jener Zeit studierte, geholt haben, die Kombination von hohen Räumen und niedrigen Galerien lässt jedenfalls darauf schließen. Die Fläche als Tafel auszubilden ist wiederum eine Umsetzung des von Wagner geforderten Postulats, das aber von ihm nie so konsequent ausgeführt wurde wie von seinem Schüler. Der Gesamteindruck ist somit ein statischer, doch scheinen die durch Metallleisten klar abgegrenzten Flächen aneinander vorbeizugleiten, was dem Bau eine passive Dynamik verleiht.

Die Raumabfolge des Palais Stoclet ist sorgfältig aufeinander abgestimmt, Proportionen, Lichtführung, Farbgebung oder die Oberflächenbehandlung sind als zusammenhängendes Gesamtbild geplant und gipfeln im Hauptsaal mit dem Musik- und Theaterzimmer auf der einen und dem Speisezimmer auf der anderen Seite. Wiederum zeichnet sich die Wiener Werkstätte als ausführendes Organ für diesen Bau verantwortlich, der Aufwand war enorm und zahlreiche bildende Künstler wirkten mit – das Palais wird zum Monument der Wiener Werkstätte. Durch die pekuniäre Freiheit gelangen einige Großaufträge zur Ausführung, unter ihnen das berühmte Fries Gustav Klimts im Speisezimmer des Palais (ABB. 85, 86), das durch leicht vor- und zurücktretende Materialien eine dreidimensionale Wirkung erzeugt. Im Sinne eines Gesamtkunstwerkes erreichen Hoffmann und Klimt - Raum und Mosaik - eine vollkommene Einheit.

Das Werk wird euphorisch in der Fachwelt aufgenommen und zum Ort der Inspiration vieler Künstler: Corbusier, Behrens oder Matisse besuchten es, Mies van der Rohe, Rietveld oder Doesburg haben das Meisterwerk Hoffmanns zumindest gekannt. Und auch wenn der erste Weltkrieg 3 Jahre später das Ende jener Epoche brachte, für die das Palais Stoclet als der Innbegriff schlechthin galt, so hat es doch Spuren im Wiener Architektenkreis hinterlassen. Etwa in einem der bekanntesten Wiener Gemeindebauten der Nachkriegsjahre im ‚Roten Wien’, dem

83 „Karl-Marx-Hof“ (1927-30, ABB. 87, 88) des Wagnerschülers Karl Ehn, ist der Einfluss dieser Architektur offensichtlich. In der gesamten Komposition ergibt sich zwar nicht zuletzt auf Grund der Vielzahl an geplanten Wohnungen (1382) und der Ausdehnung des mehrstöckigen Mietshauses auf 1.000 m ein gewisser Festungscharakter, eine stellenweise Orientierung am Palais Stoclet ist jedoch erkennbar, unterschiedlich gestaffelten Kuben und die klare Fassadengestaltung lassen sich von diesem ableiten.

Mit dem Haus Beer-Hofmann (1905-06; ABB. 89) wendet sich Hoffmann in der späten Wiener Moderne dem Klassizismus zu. Diese Entwicklung in Hoffmanns Werk ist mit der Hingabe zum Biedermeier und der Beeinflussung durch die Wagnerschule zu erklären und entspricht den europäischen Tendenzen. Das Haus ist durch pilasterähnliche Wandstreifen, Kassettierungen und eine symmetrische Gartenfassade gekennzeichnet, enthält also noch keine gezielten klassischen Zitate, doch ist die folgende Rückkehr zum Klassizismus spürbar, den er bei dem Österreichischen Pavillon auf der Internationalen Kunstausstellung in Rom 1911 oder der Villa Skywa-Primavesi (ABB. 90) in Wien 1914 ausformuliert. Die Bauten bedeuten den Verlust des Jugendstil-Ornaments und das Ende der hedonistischen Linie in Hoffmanns Werk, das Prinzip des Gesamtkunstwerkes bröckelt, der erste Weltkrieg steht vor der Tür und mit ihm das endgültige Ende des Jugendstils. Seine formalen Intentionen jedoch werden nach dem Krieg vor allem in Amerika gewürdigt und sind eine wichtige Inspirationsquelle für den Art Decó.

Wiener Werkstätte

Das der Einfluss englischer Entwicklungen bei Josef Hoffmann immer wieder zu Richtungswechseln in seiner Architektur veranlasst haben, ist unbestritten. 1902 unternimmt er eine Studienreise nach England, wo er sich intensiv mit den Zielen und Methoden der Kunstgewerbebewegung beschäftigt. Schon seit seiner Berufung zum Professor an die Wiener Kunstgewerbeschule 1899 gilt sein Interesse neben der Architektur dem Kunsthandwerk, was auch seine Arbeit für die Secession deutlich macht. Nach persönlichen Kontakten mit Charles Rennie Mackintosh während der VIII. Secessionsausstellung und nach dem Vorbild der von

84 Ashbee gegründeten ‚Guild of Handicraft’ gründet Hoffmann 1903 zusammen mit Koloman Moser und Fritz Wärndorfer, dem ersten Finanzier der Vereinigung, die Wiener Werkstätte als „Produktiv-Genossenschaft von Kunsthandwerkern Ges.m.b.H“.126 In den ersten Jahren ist ihr auch eine Bauabteilung unter der Leitung Hoffmanns, dem Motor der Vereinigung, angeschlossen, die jedoch nach Differenzen zur Abrechnung beim Bau des Sanatoriums Purkersdorf ausgegliedert wurde. Ihr Ziel ist es, als Gegenpol zur industriellen Anfertigung das Kunsthandwerk zu fördern, indem Alltagsgegenstände in hochwertigen Materialien einer eleganten und zugleich extravaganten sowie individuellen Form zugeführt werden. Sie verschreibt sich komplett dem Prinzip Gesamtkunstwerkes mit dem Ziel, das Gegenstände aus einem Haus nicht mit dem eines anderen ausgetauscht werden können. Alles, vom Lichtschalter bis zum Kronleuchter, von der Kaffeekanne bis zum Tisch wird für ein Haus entworfen, um ein absolut stimmiges Bild unter dem Aspekt der Kunst entstehen zu lassen. Ihr Einfluss auf die Kunst und Architektur der Wiener Moderne ist enorm und trägt wesentlich zu ihrer internationalen Bedeutung bei.

Die Formensprache der Wiener Werkstätte ist zunächst der Hoffmann’schen gleichzusetzen. Geometrische Formen und die vordergründige Abkehr vom Ornament prägen die Gegenstände und auch die japanische Flächenkunst, nimmt Einfluss auf den Gestaltungsprozess. Der Stil des Biedermeier, den Hoffmann sehr schätzte, wird in Bezug auf die formale Einfachheit, Materialgerechtigkeit und Funktionalität zum Vorbild; er vermittelt als vorindustrielle Epoche den Künstlern um 1900 ‚echte’ Werte, da Entwurf und Ausführung noch in einer Hand lagen. Mit dem Ende der Secession 1905 kommt es zu Variationen der einfachen Grundformen, schwingende und naturalistische Elemente erweitern das Repertoire und mit dem Eintritt Dagobert Peches 1915 erhält das Unternehmen neue Impulse.

Die Entwürfe der Wiener Werkstätte waren zukunftsweisend und als solche immer wieder der Kritik ausgesetzt. Mit dem Palais Stoclet setzt sich die Werkstätte ein Denkmal, doch trotz der Fähigkeit Hoffmanns, sich auf die Wünsche der Auftraggeber perfekt einstimmen zu können, ist das Unternehmen immer wieder in finanziellen Notlagen, die erste schon 1906. Die Krise nach

126 Sekler, Josef Hoffmann, S. 62

85 dem ersten Weltkrieg und die daraus resultierende rückgängige Auftragslage sowie die immer wieder kehrende Misswirtschaft zwingen die Wiener Werkstätte 1932 schließlich zur Schließung. Selbst Josef Hoffmann, der in seiner Laufbahn über 6000 Entwürfe für diverse Arbeiten der Wiener Werkstätte vorlegte, zeigte sich am Ende desinteressiert. „Ganz wienerisch mit dem Reiz des schönen Todes“127 geht die Wiener Werkstätte am Ende unter. Das Festhalten an der handwerklichen Kunst erwies sich als nicht haltbar in einer neuen Welt, in der die Industrie und das Industrial Design die Führung übernahmen.

Adolf Loos

Einer der sich gänzlich von der Kunst des Jugendstils und der Secession lossagte, war Adolf Loos. Geboren 1870 in Brünn, genießt er 1893 - 1896 eine Ausbildung in den Vereinigten Staaten, welche ihn stark in Bezug auf die Kunst der angelsächsischen Welt prägte. Bei zeitgleicher Ablehnung der Wiener Strömung setzt er mit seinen kubistischen Bauten ohne jegliches Ornament sich von den übrigen Architekten seiner Generation deutlich ab und führt die Arbeit Otto Wagners, den er als Architekten geschätzt hat, in radikalisierter Weise fort. Er ist somit der letzte Architekt der Wiener Moderne, dessen Kritik am Stil des Dekors dazu beitrug den Olbrich’schen Einfluss in der Architektur zu überwinden.

Weder Hoffmann noch van de Velde besitzen für Loos Gültigkeit, sondern die Formen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, ohne die Vorstellung von Modernität zu berücksichtigen. Hieraus ergibt sich eine Formensprache, die durch die vehemente Ablehnung des Zeitgeistes auf das Wesentliche reduziert ist, die er in seinen Streitschriften wie „Das Prinzip der Bekleidung“ (1898) oder „Ornament und Verbrechen“ (1908) darlegt. In der Tradition Sempers und Wagners führt er eng an die Frage des Materials heran, distanziert sich aber insofern von seinen Vorgängern, als dass er eine zeitlose Architektur ohne jegliches Ornament schaffen will. In seinen Augen bedeutet der Verzicht auf jeglichen Zierrat kulturelle Entwicklung, sein Interesse gilt dem Grundsätzlichen. Seine ausgeprägte Ablehnung gegen überflüssiges Dekor und das

127 Fahr-Becker, Gabriele, Wiener Werkstätte. 1903 – 1932, Taschen, Köln: 2008, S. 13

86 Prinzip des Gesamtkunstwerkes (er war ein entschiedener Gegner der angewandten Kunst), das den Bewohner seiner Auffassung nach zum Gefangenen werden lässt, führt ihn zu einer puristischen Architektur, die Stilhülse im Sinne Sempers fällt ab. Die Idee der Klassik und ihrers Formspieles ist in seinen Arbeiten vorhanden, ohne auf das ornamentale Element einzugehen - die schlichteste Form ist in seinen Augen die nachhaltigste. Edle Materialien, allen voran der Marmor, sind für Loos zwingend und unter Bedachtnahme der jeweiligen eigenen Formensprache einzusetzen. Mit dieser Auffassung gelangt er zu einer architektonischen Form, die ihn neben Peter Behrens (ABB. 93) oder Frank Lloyd Wright zu den bedeutendsten Vertretern der beginnenden modernen Architektur werden lässt.

Als Ausdruck der Loos’schen Formensprache stehen etwa das „Looshaus“ (1910) oder das „Haus Steiner“ (1910, ABB. 94, 95), das von der Straßenseite aus einstöckig wirkt, tatsächlich jedoch ein dreigeschossiger Bau ist. Um der damaligen Bauordnung genüge zu tun, konzipiert Loos den puristischen Bau mit einem hohen blechernen Tonnengewölbe, eine Dachform, die Loos in Wien einführte. Beim Haus Steiner dient es dem Architekten als Kunstgriff, der es ihm ermöglicht, den eigentlichen dreigeschossigen Bau zu verstecken, da die Gebäude von der Straßenseite eingeschossig sein mussten. An der Gartenfront offenbart sich der ganze Körper mitsamt seinen Geschossen, die mittels einer Holzzementkonstruktion flach abgeschlossen wurde, wodurch eine homogene Form erzielt wurde. Die trotz der risalitartigen Vorsprünge kühle Strenge der gartenseitigen (privaten) Fassade ist durch die schmucklose Behandlung der Wand zurückzuführen, wohingegen die Straßenfront durch das gewölbte Dach und die an japanische Vorbilder erninnernden Fenster geradezu einladend wirkt – auch hier stellt sich Loos gegen die gängige Konvention, den Bau zur Straße hin abzuschotten und nach hinten zu öffnen. Im Inneren offenbart sich sich die Einraumidee, die Loos verfolgte. So erstreckt sich der Wohnraum über die gesamte Länge und ist nur durch Vorhänge unterteilt. Die seitlichen Zugänge zur Küche bzw. Diele sind asymmetrisch gelegt, eine direkte Raumabfolge vermeidet Loos. Die von ihm entworfenen, weiß lackierten Möbel im Obergeschoß sind zum Teil noch

87 erhalten, die für Loos typische gemütliche Kaminecke befindet sich im Wintergarten, der durch Glasschiebetüren vom Wohnraum abgegrenzt wurde.

Sein „Looshaus“ (1910; ABB. 96, 97) oder auch „Haus am Michaelerplatz“ genannte Geschäftsgebäude ist ein Paradebeispiel für seine funktionalistische Architektur, die noch radikaler einschlägt als jene Wagners einige Jahre zuvor. Ist der in Skelettbauweise errichtete Bau im untersten Geschoß noch mit edlem Marmor verkleidet (hier befanden sich die Geschäftsräumlichkeiten des Herrenausstatters Goldman & Salatsch), sollte die Fassade in den oberen Etagen mit Mäanderstreifen und Quaderverputz gestaltet werden. Indes: sie zeigt sich entgegen den Einreichplänen nackt, die Fenster etwa blieben ohne Gesims. Ein Baustopp war die Folge, der erst durch das nachträgliche Anbringen brozener Blumenkästen aufgehoben wurde. Die schlichte Wand provoziert und sorgt für einen der größten Architekturskandale der Zeit. Mit seiner Architektur nimmt Adolf Loos eine Sonderstellung in Wien ein, seine radikalen Lösungen setzen sich schließlich bei Architekten wie Walter Gropius oder Le Corbusier fort.

Impulsgeber des 20. Jahrhunderts

Das in Österreich schließlich der Jugendstil zurückgedrängt wird, ist nicht nur ein Ergebnis des europäischen Einflusses, sondern ist ebenso der österreichischen Kritik geschuldet. Auch wenn Kaiser Franz Joseph die Secessionskunst letztlich anerkannte, so ist die Diskussion um die Moderne doch auch immer eine der Gesellschaft gewesen. Der Gedanke an eine Nationalarchitektur war immer präsent und schließlich konnte sich die konservative Vorstellung, Architektur habe mit der Kaiserdynastie und nichts mit der Vielvölkernation zu tun, behaupten. So war auch Erzherzog Franz Ferdinand ein klarer Befürworter der traditionellen Einstellung, dass eine repräsentative Architektur einen stark deutsch-österreichischen Charakter haben müsse und sich nicht um eine integrative Formensprache aller Nationen bemühen müsse. Als im Wettbewerb um das Amtsgebäude des k.u.k. Reichskriegsministerium, an dem auch Otto

88 Wagner teilnahm, letztendlich ein barock-klassizistischer Entwurf von Ludwig Baumannn128 gewann, bedeutet dies das endgültige Ende der progressiven Architektur im öffentlichen Raum.129 Sie konnte sich als Träger einer Staatsideologie nicht behaupten, und das, obwohl das heutige Kriegsministerium gegenüber einem der Schlüsselwerke der Moderne, der Postsparkasse Wagners (1904-06), entstehen sollte. Die moderne Architektur wird in Folge zur Gänze in den privaten Bereich zurückgedrängt, eine Ernüchterung gegenüber der Moderne tritt ein und sogar ehemalige Wegbereiter wie Wagner, Olbrich oder Behrens in Deutschland begannen sich unter Einfluss des allgemeinen ‚Kunstwollens’ der klassischen Formensprache zu bedienen - der Klassizismus wird somit verfestigt.

Dennoch hat Otto Wagner viele junge Architekten seiner Zeit stark beeinflusst und geprägt. Vor allem Joseph Maria Olbrich und Josef Hoffmann sind zu weiteren Pionieren des letzten beginnenden Jahrhunderts in seiner Schule gereift, aber auch außerhalb seiner Schule kämpften sich Architekten ganz nach vorne, wie das Beispiel Adolf Loos zeigt. Zusammen mit Otto Wagner wirken diese Architekten auf die Wiener Architektur mit ihrer puristischen Architekturauffassung dermaßen ein, sodass sie international nicht nur Anerkennung findet, sondern auch wichtige Impulse für die Entwicklung der Architektur im Allgemeinen setzen. Zusammenfassend kann der Weg der Wiener Moderne von Olbrichs floralen Jugendstil über Josef Hoffmanns Geometrisierung der Architektur hin zu Loos gezeichnet werden. Für ihn ist die schlichteste Form die nachhaltigste und so führt er den von Wagner eingeschlagenen Weg weiter in Richtung der puristischen Architektur der Neuen Sachlichkeit, der sich unter anderem auch die Wagnerschüler Emil Hoppe, Otto Schönthal und Marcel Kammerer verschrieben haben.

Mit Charles-Édouard Jeanneret-Gris, genannt Le Corbusier, reiht sich als Bewunderer des secessionistischen Formensprache schließlich ein weiterer großer Architekt und Impulsgeber des 20. Jahrhunderts in die Folge Wagners und jener Hoffmanns ein, der sich mit seiner Architektur an der Grenze zur voll ausgebildeten Moderne mit ihren klaren, nackten Baukörpern

128 Ludwig Baumann gilt als einer der wichtigsten Vertreter des Neobarock in Österreich, der vor allem in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts große Popularität genoss. 129 Prokop, Das Experiment der Institutionalisierung eines österreichischen Nationalstils. Otto Wagner supranationale Moderne versus Ludwig Baumanns „Reichsstil“, in: Senarclens de Grancy, Moderne als Konstruktion, S. 128 f.

89 befindet (ABB. 98). Le Corbusier ist unbestritten ein Hauptvertreter der Moderne mit ihrer Baumassenästhetik, doch hat Wagner einen wesentlichen Anteil am Weg zu dieser geleistet. Mit der Proklamierung der funktionalen Architektur unter Einbezug modernster Materialien und Techniken nimmt er die Radikalität eines Le Corbusier vorweg. Auch wenn Wagner etwa die Klarheit seiner Fassade mittels Plattentechnik erreicht den Baukörper somit nicht nackt zeigt, oder funktionelle Elemente zur Ornamentierung nutzt so hat er doch die Türen hin zur Architektur des 21. Jahrhunderts geöffnet.

ORNAMENT UND EXPERIMENT

Die Definition des Wiener Jugendstils muss also gleichermaßen jenen programmatischen Funktionalismus eines Otto Wagners beinhalten, wie auch die architektonischen Phantasien eines Joseph Olbrich. Und wenn man von Phantasien spricht, von Visionen oder gar Hirngespinsten, wie weit ist dann dieser Jugendstil vom Experiment entfernt? Kann denn eine ganze Architekturperiode als Experiment betrachtet werden, das gleichermaßen scheitert wie fruchtet? Ernst H. Gombrich jedenfalls betrachtet zumindest die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts als Zeit der experimentellen Kunst.130 Der Versuch dies für den Jugendstil vorzuschlagen wird hier unternommen.

Schon die Definition des Wortes Experiment beinhaltet in derselben Weise das Scheitern wie auch das Fruchten einer Sache, die, wenn man will, auf den ornamentalen Jugendstil und dessen geometrische Ausbildung angewandt werden kann. Während jedoch die klare, kubistische Architekturform in die moderne Architektur hinein-, oder zumindest überführt, so schlägt der florale Jugendstil in ganz Europa den Weg in eine Sackgasse ein. In Wien wird dieser Umstand durch die fast parallele Existenz beider Spielarten nur noch umso deutlicher: das Experiment mit dem Natur-Ornament scheitert. Aber nur vorerst.

130 So sieht Gombrich neben der Jugendstilarchitektur auch das Bauhaus-Gebäude in Dessau (1926) als experimentelle Architektur an. Vgl. Gombrich, Ernst, Die Geschichte der Kunst, Phaidon, Berlin: 1996, S. 557 ff.

90

Natur und Architektur

„Haben nicht die meisten Architekten heutzutage vergessen, dass die große Baukunst schon mit dem Ursprung der Menschheit eingesetzt hat und dass sie unmittelbare Äußerung menschlicher Instinkte ist?”131

Um zur Frage der ‚gebauten Natur’ zu gelangen, wie sie der dekorative Jugendstil in Wien beinahe darstellt, möchte ich nochmals kurz den Umweg über die Nationalarchitektur nehmen. Der Begriff selbst wird in den Jahren der großen Revolutionen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Frankreich geprägt. Die zunehmende Hinwendung zu vergangenen Stilen und der mit ihr einhergehenden Freude an der scheinbaren wahllosen Mischung derselben wurde nach den Aufständen der Bürgerlichen als etwas Fremdes verstanden und der Wunsch nach einer originären Architektur führte direkt in den Stil, die den neu geordneten Staat zu vertreten hatte: die Nationalarchitektur. Dieser Umstand wiederum regte dazu an, die Ursprünge (und Regeln) der Architektur zu erforschen. Marc-Antoine Laugier (1713-1769) beispielsweise veröffentlichte zu diesem Thema erstmals 1753 seinen „Essai sur l’architecture“, eines der meistgelesensten Architekturtraktate der Zeit. In diesem widmet er sich einer nach rationalen Gesetzten konzipierten Kunst die, und das ist das wesentliche für dieses Thema, auf dem Bild der vitruvianischen Urhütte fußt. Diese Urhütte, ein Naturvorbild aus Baumstämmen und Ästen, propagiert Abbé Laugier als primitives Ur- und Vorbild eines Tempels und im weiteren Sinne der Architektur– ohne jeglichen Zierrat.132 Einfach und nackt ist das ideale Bauwerk, dessen Qualität sich unabhängig vom Ornament allein durch die Proportionen zeigt, aber mit dem Vorbild der Natur.

In England unterdessen machte sich Sir James Hall, ein schottischer Geologe und Begründer der Experimentalgeologie, ebenso zu dem Thema der nationalen Ordnung Gedanken.

131 Le Corbusier, Ausblick auf eine Architektur, Braunschweig/Wiesbaden: 1982, S. 63, zitiert nach: Rykwert, Joseph, Adams Haus im Paradies. Die Urhütte von der Antike bis Le Corbusier, Gebr. Mann Verlag, Berlin: 2005, S. 17 132 Dass die Existenz solch einer Urhütte umstritten ist, sei hier nur kurz erwähnt. Einige Thesen verneinen dies mit den Hinweis auf mit Fellen bedeckte Schutzhütten, wie sie vor rund 400.000 Jahren in Terra Amata bei Nizza entstanden sind.

91 Erstaunlicherweise argumentierte er auf die exakt gleiche Art und Weise wie der französische Edelmann Ribart de Chamoust in seinem Werk „L’ordre Francois trouvé dans la nature“ (Die in der Natur entdeckte französische Ordnung, 1783, ABB. 99), der sich, ähnlich wie Laugier, auf eine Nachahmung einer natürlich gewachsenen Baumformation als Ursprung einer nationalen Bauordnung (bei Laugier die Urhütte) 133 bezieht. Er geht sogar noch weiter und errichtet einen gotischen Bau aus Pfählen, Weiden und Geflechten, um den experimentellen Beweis zu erbringen, dass sich jegliche in Stein übersetzte Form von der Natur ableite. Abgesehen davon, dass er von zusammengeführten Weiden das Rippengewölbe sowie gebündelte Säulen und Spitzbögen ableitete, sah er den endgültigen Beweis seiner Theorien erbracht, als im Laufe der Zeit die Stämme Wurzeln schlugen und zu grünen begannen. Nach Halls Beobachtungen bildeten sich exakt an jenen Stellen der Pfähle und Bögen Blätterbüschel aus, an denen in der gotischen Architektur beispielsweise an den Säulen das entsprechende ornamentale Pendent in Stein gehauen zu finden ist. Auch die Verzierungen an den Rosetten leitet er davon ab. Für Hall war somit der Beweis erbracht, dass sich die Gotik zur Gänze von der Natur ableite und keine willkürlichen Aspekte beinhaltet; wann sich jedoch in der Geschichte der Übergang von Natur zu Stein vollzogen hat, bleibt er schuldig.134 Die Entstehung einer neuen Begrifflichkeit in Bezug auf die Natur ist mit einer ebenso neuen Ästhetik zu begründen, die im 18. Jahrhundert auf Grund einer verstärkten Hinwendung zu Wahrnehmungsphänomenen entsteht. So waren die vorwiegend auf die Baukunst konzentrierten Theoretiker dieser Zeit überzeugt davon, Architektur leite sich gänzlich von der Natur ab. Die von ihr vorgegebenen Formen führen zum klassizistischen Stil, der in den Details der Natur huldigt und die Harmonie als oberstes Prinzip hat.

Dass die Gotik eine wesentliche Rolle in diesem Zusammenhang spielt, ist bekannt. Als Vorbild für den vegetabilen Jugendstil wurde sie in der Romantik von Schriftstellern wie Goethe, Hegel oder Coleridge als versteinerter Wald angesehen und ihre unmittelbare Abhängigkeit zur Natur bewundert. Diese Bewunderung lebt im Jugendstil weiter, die Einflüsse der Gotik und der Architekturtheorie des 18. Jahrhunderts liegen auf der Hand. Im Jugendstil wird das Experiment,

133 Rykwert, Adams Haus im Paradies, S. 82 ff. 134 Rykwert, Adams Haus im Paradies, S. 86 ff.

92 die Architektur der Natur gleichzusetzen, nun direkt auf das Medium Holz bzw. Stein übertragen. Die Natur ist bestimmendes Regulativ, die Mimesis nicht zwingend erforderlich. Vegetabile Elemente halten Einzug und stülpen sich über Bauteile als wären diese versteinerte Natur. Sie reicht in der Wiener Moderne von innen nach außen und durwächst scheinbar jedes Element. Das Gebäude selbst wird zum Experimentierfeld ernannt, auf der Suche nach einer neuen Ausdrucksform für eine neue Sinnlichkeit, die sich vor allem auf die Errungenschaft der Psychologie gründet. Diese Architekturauffassung steht an der Grenze zum Experimentellen, stellt sie doch den Versuch dar, Natur mit Architektur gleichzusetzen.

Architektur und Ornament

Keine Epoche ist, was das Ornament betrifft, mit dem Jugendstil vergleichbar – definiert sich doch die Architektur des Jugendstils an sich schon fast ausschließlich durch das florale Ornament. Ein „ästhetischer Tagtraum“135 soll geschaffen werden als Gegenposition zu der herrschenden Weltuntergangsstimmung, die im schönen Wien mit seiner schönen Leich’ um 1900 eine besondere Rolle spielt. Dass diese Ästhetisierung mit Hilfe des Ornaments erreicht wird, wurde hier schon dargelegt. Und dass das Ornament schon von jeher eine erzählende Kraft besitzt, ist hinlänglich bekannt.

Das Wort ‚Ornament’ leitet sich vom lateinischen Wort ‚ornare’ ab, was schmücken, zieren oder ausstatten bedeutet. Es ist also ein Beiwerk, das sich deutlich vom Hintergrund abhebt, wobei das gegenständliche dem abstrahierten gegenüber steht. Typisch für das Ornament ist seine symbolische Funktion, die auch mit der Wahrnehmung des Menschen spielt und so auch in Hinblick auf die Psychologie eine wichtige Rolle einnimmt. Laut Freud äußern sich denn auch psychologische Mechanismen in entstellten, dem rationalen Bewusstsein nicht erklärbaren Formen, die in der Malerei als äußerliche Reaktion ihren Ausdruck finden können. So ist es auch für die secessionistischen Künstler unabdinglich, dass die Kunst nachempfunden wird, und nicht nur nach formalen Gesichtspunkten beurteilt wird. Gerade im Jugendstil, der sich dem

135 Hofmann (Hrsg.), Experiment Weltuntergang, S. 6

93 Freud’schen Es und der Seele verschrieben hat, nimmt das Ornament daher einen speziellen Platz in der Architektur ein.

Natürlich ist der Jugendstil nicht die erste Epoche, in der die Naturornamentik Teil der Architektur ist, doch schafft keine vorherige Stilrichtung eine derart konsequente Erfüllung des Naturgedankens am Gebäude. Schon im alten Orient finden sich geometrische Musterungen, im alten Ägypten ist der Lotus ein beliebtes Motiv. In der Antike kommt es zur Ausbildung plastisch-realer Metopen – als Erzählwerk der Mythologie. In der Gotik, die wie schon erwähnt Einfluss auf den Jugendstil ausübt, ist die Rosette und das Maßwerk ein nicht wegzudenkender Maßstab in der sakralen Architektur. In der Renaissance schließlich kommt es erstmals durch Leon Battista Alberti zu einer Definition, die das Ornament mit Schönheit geradezu gleichsetzt. In seinem Werk „de re aedificatoria“ (10 Bücher über die Architektur, 1443-52) beschreibt er die Schönheit eines Bauwerkes als einen Zustand der erreicht wird, wenn dem Gebäude nichts entfernt oder hinzugefügt werden muss. Mit der Einstellung, dass dies de facto jedoch nicht erzielt werden kann, wird das Ornament vom Künstler angebracht, um Mängel zu kaschieren und Vorzüge zu betonen. Im Jugendstil wiederum erhält das Ornament keine sekundäre, sondern eine primäre Rolle als Träger der Symbolik, ohne die die Bauten des floralen Wiener Fin de Siècle nicht ihr Auslangen finden. Ebenso wie Laugier nach ihm, stützt sich Alberti in seinem Architekturtraktat der Neuzeit auf das einzige aus der Antike erhaltene Architekturtraktat, dem „de architectura libri decem“ von Vituv (30-20 v. Chr.). Alberti übernimmt dessen Gliederung in 10 Bücher sowie die virtuvianischen Begriffe firmitas (Stabilität), utilitas (Nützlichkeit) und venustas (Schönheit). Vor allem der ‚venustas’ widmet der Humanist Alberti viel Aufmerksamkeit. So geht er weiter als Vitruv, der mit dem ‚Wegnehmen’ und ‚Hinzufügen’ diesbezüglich sein Auslangen findet, und erarbeitet erstmals in der Kunstgeschichte eine konkrete Definition von Schönheit, die als harmonisches Zusammenspiel der einzelnen Teile in Zahl und Anordnung beschrieben wird. Die Entwicklung der Theorie von Skelett und Haut, oder Hülle und Kern, wie es später bei Semper heißt, geht mit der neuen Begrifflichkeit der Ästhetik unter der Bezugnahme der subjektiven Wahrnehmung einher.

94 Ende des 19. Jahrhunderts begründet Alois Riegl die Stilgeschichte des Ornaments mit seiner ersten theoretischen Schrift „Stilfragen“ (1893), in der er das Kunstwollen in den Vordergrund stellte. Im Gegensatz zu Semper, der eine praktische Ästhetik propagierte, sah der österreichische Kunsthistoriker die Ästhetik als eine nicht wissenschaftlich befragbare Norm an. Allein das Streben der Menschen nach Harmonie ist für den Kunstschaffenstrieb (und somit für das Entstehen von Ornament) verantwortlich. Den Ursprung des Ornaments im Allgemeinen wiederum sieht Riegl in der Natur, mit der sich die Kunst misst und die in jede harmonische Ordnung eingefügt werden kann. Das Naturvorbild ist daher eine nicht abzustreitende Voraussetzung für die Kunst, eine Annahme, die die Künstler des Jugendstils aufgreifen. Das Ornament entsteht aus der Natur und wird in abstrahierter bzw. stilisierter Weise in die Architektur integriert. Noch mehr: die Architektur wird mit all seinen Bögen und Blüten selbst zum versteinerten Naturobjekt.

Die extreme Behandlung des Ornaments evoziert jedoch, wie sollte es auch anders sein, eine extreme Kritik am selbigen. Und ironischerweise wirft man dem vegetabilen Jugendstil nahezu den gleichen Un-Stil vor, mit dem man ein paar Jahre zuvor noch den Ringstraßenstil kritisiert hatte. Mit Wagner setzt fast zeitgleich mit der Entstehung eine Abkehr von den floralen Auswüchsen in der Architektur ein, die in Adolf Loos’ „Ornament und Verbrechen“ (1908) gipfelt. In diesem Manifest stellt sich Loos gegen die vorherrschende „ornament-seuche“136 des Jugendstils, indem er seine Behauptungen darauf aufbaut, dass das (erotische) Ornament der Ursprung der Bildenden Kunst sei. Da der moderne Mensch sich jedoch nicht mit den Urvölkern auf eine Stufe stellen kann, ist jeder, der das Ornament vorantreibt, ein Degenerierter oder ein Verbrecher. Das Aufleben des Ornaments in einer derart umfangreichen Art und Weise ist für Loos gleichbedeutend mit dem Niedergang der ästhetischen Entwicklung denn „evolution der kultur ist gleichbedeutend mit dem entfernen des ornamentes aus dem gebrauchsgegenstande.“137. So sieht Loos den vegetabilen Jugendstil als eine Richtung an, die

136 Loos, Adolf, Ornament und Verbrechen, 1908, in: Conrads, Ulrich (Hrsg.), Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts, Berlin/Wien (u.a.): 1964, S. 17 137 Loos, Adolf, Ornament und Verbrechen, 1908, in: Conrads (Hrsg.), Programme und Manifeste zur Architektur des 20. Jahrhunderts, S. 16

95 verzweifelt nach dem Ornament, nach dem Stil seiner Zeit sucht, und freut sich zugleich, dass dieses in seinen Augen nicht gefunden wird. Das Ornament ist überwunden. Auch Karl Kraus, Kulturkritiker und Gründer der Zeitschrift „Die Fackel“, bezeichnet die Architekten als „Dekorateure des Untergangs“ und möchte „dieses von einer lausigen Glorie ornamentierte Leben in die tabula rasa“ verwandeln.138

Sie entsprechen somit der internationalen Stimmung unter den Architekten, die den Weg der reinen Architektur, die allein durch ihren Baukörper überzeugt, propagieren. Mit klaren Linien und durch leere Wände werden sie zu Heroen der Moderne. Bis heute hat das Ornament keinen Weg zurückgefunden in die Architektur und es stellt sich die Frage, ob der florale Jugendstil tatsächlich eine Sackgasse war oder ob er am Ende einer jahrhundertlangen Entwicklung steht, die mit dem Jugendstil endet. Denn wohin führt eine Architektur, die schon selbst gebogen wird unter der Last der Bögen? Die durch das Naturornament überwuchert wird, das den ganzen Raum für sich benötigt und dem Bewohner zum Statisten macht? Die Architektur bricht zusammen. Sie bricht zusammen wie die Gesellschaft, die Monarchie, das Land. Noch bevor der tatsächliche Untergang mit dem ersten Weltkrieg einsetzt, und alle düsteren Vorahnungen des Fin de Siècles Wirklichkeit werden, endet die Architektur, die getrost als letzte ‚österreichische’ Architektur angesehen werden kann – auch wenn die Secessionisten sie gerade nicht als solche verstanden wissen wollten. Eine supranationale Kunst sollte er sein, der Jugendstil, und doch ist er mit all seinem wientypischen Ornament heute zu einem Sinnbild für das Wien um 1900 geworden.

Die gebaute Natur kehrt zu ihren Wurzeln zurück, der Kreis schließt sich. Und wenn man will verdoppelt sich der Kreis: alles Ornament fällt, wenn auch unter Protest der Bürger, ab und übrig bleibt, was nötig ist: vier Wände und ein Dach. Eine reduzierte Architektur ist bis heute das Ideal, Standards der Architektengeneration nach Otto Wagner haben bis heute Gültigkeit.

Wenn man den Gedanken des Naturornaments, das zu den Wurzeln zurückkehrt weiter denkt, so kommt man zu dem Schluss, dass das Ornament wieder Natur wird. Der geschwungene

138 Hofmann (Hrsg.), Experiment Weltuntergang, S. 6 f.

96 Bogen wird wieder ein Ast, ein Baum, das Blütenornament realisiert sich als Blume. In der Hoffmannschule ist denn die Gartenkunst auch ein wichtiger Bereich der Planung, in der der Garten als organische Fortsetzung des Hauses verstanden wird. In London, erste und auch größte Industriestadt der Zeit, steht zeitgleich ein anderes Projekt in den Startlöchern: die Gartenstadtbewegung. Mit dem Buch „A Peaceful Path to Urban Reform“ (1898; in späteren Auflagen „Garden Cities of To-Morrow“, ABB. 100) spricht sich der Brite Ebenezar Howard gegen privaten Grundbesitz und den dazugehörigen Spekulationen aus, die die Preise der Grundstücke in den immer größer werdenden Städten ins Maßlose treiben. Darüber hinaus wollte man die Baracken mit ihren schlechten Wohn- und Lebensverhältnissen bekämpfen und bewusst Grünraum schaffen, der durch zusammenwachsende Städte immer weiter zurückgedrängt wurde. Ziel der Idee war es somit, mehr oder weniger autarke Städte zu erbauen, die zwar Industrie und Geschäfte aufweisen, jedoch von Bauernhöfen umgeben waren, um die Nahrungsversorgung zu gewährleisten. Sie versteht sich als politisch und wirtschaftlich unabhängige mittlere Stadt, deren einzelne konzentrische Kreise mit unterschiedlicher Funktion durch breite Grüngürtel zusammengehalten werden.

Die Gartenstadt wird somit als als Gegenpol zur Industrialisierung und der damit verbundenen Bevölkerungsexplosion und daraus resultierenden Wohnungsnot entwickelt. Jedoch fehlt ihr gänzlich der ästhetische Ansatz eines Lebensmodells, das dem Jugendstil innewohnt. Und dennoch: Auch diese Bewegung mit ihrer Kritik an der Verbetonierung des Landes überdauert bis in die Jetztzeit, in der sogar Wände aus Kletterpflanzen geschaffen werden und das Blütenornament in dieser Hinsicht lebendig geworden ist – the return of nature ist vollzogen. So kann der florale Jugendstil in Hinblick auf die naturbezogene Architektur nicht als Sackgasse abgetan werden und steht auch nicht am Ende einer Entwicklung. Vielmehr ist er ein weiterer Baustein hin zu einer Architektur, die im Einklang mit der Natur und dem Bewohner stehen will.

Ornament und Experiment

Geht man von der Tatsache aus, dass es sich bei Projekten wie dem ‚Residence Tower Mumbai’

97

(SITE, 2003, ABB. 101a), eine Hommage an die Babylonischen Gärten und indischen Konstruktionsprinzipien, dem ‚New Museum of ’ (R&Sie Francois Roche, Stephanie Lavaux, 2004, Lausanne) einem fast komplett bewachsenen Museum oder ‚Extension to a House’ (24H, 2002-05, Övre Gla, ABB. 101b), das selbst zur organischen Struktur im Wald wird, um experimentelles Bauen handelt, dass das Wirken der Natur in der Architektur und auf ihren Bewohner untersucht, um neue Wege im Bauwesen zu begehen, wo ist der Unterschied zu einer Architektur, die denselben Weg gegangen ist – nur 100 Jahre zuvor? War es doch auch der Jugendstil, der gerade diesen Ansatz geprägt hat und mit seinen naturbezogenen Formen, nur eben gebaut, gemeißelt und geschmiedet, einen Ausweg aus einer immer schneller werdenden Welt suchte, zurück zu den Wurzeln.

Experimentelle Architektur

Unter experimenteller Architektur versteht man jene Architektur, die sich von jeglichen Normen distanziert, die statischen und gestalterischen Möglichkeiten ausreizt und überschreitet um gewohnte Sphären der Vorstellung zu durchbrechen. Voraussetzungen, die auf die Architektur des Wiener Fin de Siècle zutreffen. Normen werden mit Hilfe des Naturornaments durchbrochen, der Raum in ein flirrendes Bild verwandelt. Mit Hilfe neuer Materialien werden neue Bautypen ausgelotet und abstrakte Architektur entworfen. Untersuchungen mit experimentellen Charakter gibt es schon seit der Antike, wobei die ‚Theoria’ sich noch rein über das Denken definierte. Karl Popper hingegen propagierte in „Logik der Forschung“ die These, dass jede Theorie frei erfunden werden könne, und diese durch das Experiment veri- oder falsifiziert werden kann.139 Dass die heutige Definition des Experiments eine klar formulierte Frage, ein gezieltes Beobachten des Versuches und dessen Interpretation beinhaltet, zeigt, wie groß (und mitunter auch schwammig) gefasst der Begriff des Experiments sein kann und ist.

139 Vgl. Moravánszky, Ákos, Kirchengast, Albert (Hrsg.), Experiments. Architektur zwischen Wissenschaft und Kunst. Architecture between sciences and the arts, Jovis, Berlin: 2011, S. 8,

98 In die Architektur wurde der Begriff ‚experimentell’ erst relativ spät, 1970, durch Peter Cooks „Experimental Architecture“ eingeführt, in dem konzeptionelle Architekturprojekte u. a. von Archigramm140 oder Hans Hollein vorgestellt werden. Wesentlich ist hier, dass diese Entwürfe nicht zur Ausführung bestimmt sind, also das Experiment nicht zur Umsetzung gelangen soll, was im extremen Gegensatz zur wissenschaftlichen Auffassung des Begriffs steht. Aber selbst innerhalb dieses Teilgebietes der Architektur kommt es zu unterschiedlichen Auffassungen, was denn nun experimentell in der Architektur sei. Das Problem einer konkreten Erläuterung der experimentellen Architektur ergibt sich hier auch durch das große Spektrum, das ihr innewohnt. Ausgehend vom ‚Formwillen’ (Frank Llyod Wright)141 über die Antwort auf die zeitlichen Umstände bis hin zur tatsächlich im physikalischen Experiment erprobten Architektur deckt der Begriff alles ab. Der gemeinsame Nenner ist immer der zielorientierte Prozess der Formfindung, der in einem innovativen architektonischen Entwurf endet. Bei Olbrich trifft dies auf den Innenraum zu, in der Wagnerschule auf die äußere Form.

Architekten der Jetztzeit haben hier natürlich einen radikaleren Ansatz, der modifiziert auf die Wiener Moderne angewandt werden kann: Lebbeus Woods zum Beispiel sieht so die Aufgabe der experimentellen Architektur darin, neue und radikale Lösungen für Raumkonzepte zu finden (der Versuch wurde im floralen Jugendstil unternommen); bei Martino Stierli ist nachzulesen, dass die experimentelle Architektur die Grenzen der architektonischen Kreativität sowie die Auffassung des architektonisch Schönen durchbrechen müsse, was auf die Wagnerschule umlegbar ist. Ein Ansatz, der ähnlich schon mit der ‚architecture parlante’ der Revolutionsarchitektur und ihren utopische Entwürfen einsetzt und bei Gaudí in radikaler Weise fortgeführt wird. In diesem Sinne ist der Jugendstil mit seinem Gesamtkunstwerk ein Experiment, das nicht nur spekulativ blieb, sondern durch das Gebaute das (Gedanken- )Experiment eines allumfassenden Lebensgefühls zunächst verifizierte. Die gesamte Architektur samt Türklinke und Lichtschalter wird entworfen, es wird nichts dem Zufall überlassen, um ein neues Raumgefühl allein durch die Summe der Details entstehen zu lassen. Die Radikalität

140 Peter Cook selbst war Mitglied der in den 60er Jahren populären britischen Gruppe, deren Name sich von ARCHItectue und teleGRAMM zusammensetzt. Sie zeigten utopische Stadtentwürfe vermischt mit Comiczeichnungen und Gedichten. 141 Wright legte als einer der ersten Arcitekten um die Jahrhundertwende den Focus auf den Raum und nicht auf die Fassade.

99 bezieht sich hier auf die konsequente Durchgestaltung jeder Ecke, das Experiment auf die Mimesis in der Architektur und ihrem Innenleben. Wenn schon Vitruvs Erklärung für den Ursprung des Hauses in all seinen Variationen (Laubhütte, Vogelnest, Höhle) als Ur-Experiment angesehen wird,142 so kann dessen Fortführung im Jugendstil auch als Nachfolge-Experiment gelesen werden, in dem der Umkehrschluss durch die Naturnachahmung erprobt wird. Kann denn Architektur Natur werden? Mit den damals zur Verfügung stehenden Mitteln und Techniken wurde vor allem in der Innenraumgestaltung des Wiener Jugendstils der Versuch unternommen, lebendige Architektur zu erzeugen. Dass dabei die Mimesis und Sempers Stoffwechseltheorie eine große Rolle in der Entwicklung dieser Raumkonstrukte spielen, wurde schon erläutert. Die Wiener Moderne bezieht sich somit auf das Teilgebiet des konzeptionellen, sozialen und psychologischen Experiments in der Wohnarchitektur, technische Erneuerungen kommen schließlich bei Wagner (z.B. Wehrschleuse oder Österreichische Postsparkassenamt) hinzu. Die radikale Avantgarde versteht sich per se als Experiment, in der eine neue Formensprache entwickelt wird, wobei hier der Ansatz zu tragen kommt, dass sich der experimentelle Charakter fern der dominierenden Kunst der Institutionen entwickelt. In diesem Fall ist dies die Secession, die sich gegen das Künstlerhaus stellt und sich dermaßen als Avantgarde versteht, dass sie sich bei eintretender Imitation ihres Stiles aufzulösen beginnt.

Experiment und Olbrich

Das in die Realität übertragene Experiment des Wiener Jugendstils steht somit in Widerspruch zu der These, der experimentellen Architektur sei der provisorische Charakter immanent – als Gegenbild zur realen Architektur. Das Experiment des Jugendstils besteht jedoch genau darin, reale Architektur dazu zu verwenden, um in eine irreale Welt einzutauchen. Gerade Olbrich steht in Wien mit seinen Häusern für diese Versuche, das Lebensgefühl nahezu zu mystifizieren, auf alle Fälle jedoch zu psychologisieren. Denkt man nun diesen Gedanken konsequent weiter, so kommt man zu dem Schluss, dass auch der florale Jugendstil zumindest teilweise experimentell ist. Das Experiment bezieht sich auf die

142 Moravánszky, Experiments, S. 16

100 ornamentalen Auswüchse, die in der Zeit des Jugendstils mehr als nur Dekoration sind. Sie sollen auch nicht, wie bei Alberti, zur bloßen Verschönerung oder Kaschierung dienen, sondern werden zum Ausdruck eines Lebensgefühls hochstilisiert. Im Gegensatz zu seiner bisherigen Geschichte, die dem Ornament eine höchstens sekundäre Rolle zusprach, wird es im Jugendstil an erste Stelle katapultiert um mit der Architektur derart zu verschmelzen, so dass sich teilweise die Frage aufwirft, was denn nun Architektur, und was Ornament ist. Olbrich experimentiert mit Wahrnehmung und dem daraus resultierenden Lebensgefühl, und der florale Jugendstil ist das Mittel der Wahl, um derartige Traumwelten zu konzipieren. Er spielt mit dem Spannungsfeld, das sich ihm zwischen Ornament und Experiment bietet und treibt das Ornament in seinen vegetabilen Auswüchsen so weit, dass sie für den Bewohner mit der Architektur verschmelzen und sie zum Leben erwecken sollen.

Die Villa Friedmann von Joseph Maria Olbrich ist hierfür ein eindrucksvolles Beispiel. Bei dieser Villa handelt es sich um eine konsequente Durchführung des floralen Jugendstil in der Architektur, bei der Naturornament und Wohnhaus in einem ähnlichen Verhältnis zu einander stehen wie die experimentelle naturbezogene Architektur 100 Jahre später. Es wird versucht, den leblosen Stein mit Hilfe der Natur zu beleben um eine höhere Wohnqualität zu erreichen. Die Pflanzen, die das Gebäude heutzutage in der visionären Architektur in realitas umschlingen und für sich einnehmen, sind im Jugendstil stilisierte Formen aus Eisen, Stein oder Holz. Der Versuch, das Gebäude zu einem Naturobjekt zu machen ist vorhanden und der Gedanke, den diese architektonischen Versuche prägen, ist beiden Beispielen gleich. Olbrichs Häuser, die als Inbegriff des Wiener Jugendstils in seiner floralen Ausformung gelten können, werden außen wie innen vom Ornament eingenommen. Die Natur erobert den Bau, nimmt ihn für sich ein und formt ihn schlussendlich, wobei sich Olbrich durchaus einer eklektischen Formensprache bedient. Gotische, barocke und mediterrane Einflüsse werden in experimenteller Art und Weise zusammengefügt, sodass sich in seinem raren Frühwerk eine „Diskontinuität von glücklichen Momenten und raffinierten Perioden neben ebenso vielen Fragmenten von sogar fragwürdigem Geschmack“143 ergibt.

143 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 82

101 Die Villa Friedmann (ABB. 41), außen ein Gemisch aus Heimatstil und leeren weißen Wänden, ist eine Kompromisslösung, 144 die auf den Plänen Ludwig Schönes beruhen, die von Olbrich 1899 während der Bauarbeiten in secessionistischer Art und Weise verändert und vollendet wurden. Im Gesamten gesehen handelt es sich hierbei um die Verwirklichung eines Gesamtkunstwerkes in feinster Manier: Alles, vom Kellergitter bis zum Blitzableiter, von den Möbeln bis zum Geschirrtuch, wurde hier von Olbrich selbst entworfen. Das Ergebnis ist ein „Musterstück der Wiener Secession“145, mit dem die Idee des Gesamtkunstwerkes bis in das letzte Detail verwirklicht wurde.

Die Außenfassade wurde von Olbrich in Bezug auf die Holzarchitektur vereinfacht, er versah sie mit typischem Dekor des floralen Jugendstils und fügte die für Olbrich typische überdachte Eingangshalle mit hufeisenförmiger Öffnung hinzu. Mit Sicherheit ließ er sich hierbei auch von Camillo Sittes Entwurf einer Doppelvilla in Fachwerkkonstruktion inspirieren (ABB. 102), die auf der ersten Tafel in der ersten Ausgabe von „Der Architekt“ abgebildet war, auch wenn es sich bei Olbrich um keine echten Fachwerke mit statischer Funktion handelt. Die weißen Wände und das Walmdach dominieren die Villa, die berauschenden Innenräume lassen sich von außen nur erahnen.

Sei es ob der als Blumen gestalteten Außenleuchtkörper (ABB. 103), sei es ob der Wellen der Ziegel am Wasserpumpenhaus. Das Schlafzimmer, in dem die Malerei mit den Möbeln zu verschmelzen scheint, Strebwerk, das zu Bäumen wird: die Mimesis ist ein Grundmittel der Gestaltung. Und Olbrich ist ein Meister darin, wenn es darum geht, ein rauschendes Fest der Formen zu inszenieren. Fast ist man an Makart erinnert, wenn nicht Olbrich auch bewusst nüchterne Einheiten einstreuen würde, um Ruhe zu gönnen. Als Verkleidungskünstler im Sinne des im Historismus agierenden Architekten Sempers, erreicht er sein Ziel durch das Aufsetzen einer neuen Maske, nicht durch das Abstreifen des historischen Kostüms. Denn das Kostüm, so Semper in seiner Bekleidungstheorie, ist das poetische Element in der Architektur und Träger

144 Tatsache aber ist, dass der Heimatstil neu interpretiert als Mixtur von historisierenden Elementen, wie Erkerchen und Aufbauten, und secessionistischen Elementen, wie einzelne hufeisenförmig gebogene Fachwerke, bis zum 1. Weltkrieg typisch für die rustikalen Landhäuser in der Monarchie waren. Olbrich selbst ebtwarf auch ein Modellhaus im Heimatstil. 145 Koller Glück, Elisabeth, Jugendstil rund um Wien, Herold, Wien/München: 1985, S. 10

102 sämtlicher Mitteilungen. 146 Und Poesie ist auch der Begriff, den Ludwig Hevesi in seinem Vorwort für Olbrichs Werk „Ideen von Olbrich“ für den Architekten findet. „Raum Poet“147 und „Raumdichter“148 nennt er unter anderem den Künstler schon fast ehrfürchtig, und der Villa Friedmann speziell attestiert er gar lyrische Aspekte.

Olbrich ist bestrebt, die Architektur zu personalisieren und dem Bewohner einen Pol der Ruhe in der immer schneller werdenden Welt zu bieten. Die Architektur soll in der durch die Industrialisierung immer rastlos werdenden Umwelt ein Zufluchtsort sein. Der Ansatz ähnelt jenem der englischen Gartenstadtbewegung, für die das mittelalterliche Dorf mit seinem auf die Familie bezogene Miteinander der Impulsgeber war und wenn man so will, so hat Olbrich versucht, diesen Gedanken auf ein Haus reduziert. Auch wenn die erste Gartenstadt erst 1902 in Hertfordshire, also erst nach Olbrichs Werken seiner Wiener Zeit, entstand, so ist ihnen doch der Grundgedanke einer naturbezogenen Architektur gleich. So ist denn auch der Wiener Baustil Olbrichs mit den Häusern der französischen Gartenstadt „Le Parc du Saurupt“ zu vergleichen, zumindest was die Außengestaltung betrifft. Die ab 1901 in Nancy entstehende Kolonie weist teilweise einen ähnlichen Bautyp auf, schlichte Baukörper, große, gebogene Fensterpartien und das Walmdach deuten auf den ähnlichen Grundgedanken der Architektur hin. Im Vergleich mit der Villa Majorelle (1898-1900, Nancy), deren Außenbau unverkennbar mit der geschwungenen Terrasse oder den flügelartigen Elemente organisch inspiriert ist, wirkt Olbrich schlicht, die Villa Majorelle erhebt einen eindeutig höheren Anspruch in Bezug auf naturnahes Bauen, das Olbrich vielmehr im Inneren suchte. Aus architektonisch-künstlerischer Sicht her drängt sich jedoch der Vergleich mit Victor Horta, dem Urvater des floralen Jugendstils, geradezu auf.

Olbrich und Horta

Der Vergleich mit dem Hauptvertreter des europäischen Jugendstils Victor Horta liegt auf der Hand. Der belgische Architekt gilt als der Vater der floralen Formen im Jugendstil und hat auf

146 Vybíral, Junge Meister, S. 52 147 Olbrich, Ideen von Olbrich, 2. Auflage, Arnold’sche, Wien: 1904, S. VIII 148 Olbrich, Ideen von Olbrich, S. VIII

103 Architekten wie Olbrich, Hoffmann, Guimard aber auch Mackintosh oder Behrens Einfluss ausgeübt. Diese führten entweder die geschwungene Linie und die typischen einwärts gewölbten Flächen Hortas weiter, um sich dann von ihnen zu lösen oder sie sahen, wie im Falle Mackintoshs, seine Kunst insofern als veraltet an, als dass sie ein neues, fließenderes Profil für die Linie finden wollten.149

Horta erreicht mit dem Jugendstil seinen Höhepunkt im Schaffen, der mit dem 1. Weltkrieg abrupt endet. Seine Architektursprache ist der Olbrich‘schen insofern verwandt, als dass er ebenso wie der Wiener Architekt sich der Natur entlehnten Formen bediente, wobei er diese in eine rhythmische Form brachte. Die für Horta typische Form des ‚Peitschenschlages’ hat dieser aus den holzgebogenen Möbeln des Wiener(!) Bugholzmöbelfabrikanten Michael Thonets heraus entwickelt, wobei er diese mit Hilfe eines Tangentialpunktes bündelte.150 Anders als Olbrich setzte er diese zumeist in Eisen um, was ein filigraneres Gesamtbild als bei Olbrich ergibt. Da Olbrich in seiner Wiener Zeit wenige Möglichkeiten hatte, Bauten von Grund auf zu errichten, ist der Vergleich mit den rhythmischen Fassaden eines Horta obsolet, jedoch zeigen die Details eine ähnliche Sprache. Vergleicht man das Schlafzimmers der Villa Friedmann (ABB. 105) etwa mit dem Treppenhaus des Haus Tassel (1893-94, Brüssel, ABB. 104), einem Schlüsselwerk des belgischen Architekten, so sind Parallelen erkennbar. Hier wie dort entsteht eine gewisse Unruhe durch die Linienführung der Wandgemälde, wobei Horta dem Auge Ruhemomente verschafft, indem er nicht die gesamte Fläche mit den sich immer wieder treffenden geschwungenen Linien überzieht. Jedoch sind rhythmisch-harmonische Ornamente wie sie in der achteckigen Halle desselben Hauses (ABB. 106) zur Anwendung kommen, typischer für Horta. Das Motiv des Peitschenschlages findet sich in den Glasfenstern, im Fußbodenmosaik, im Geländer, Säulen und Deckengestaltung wieder, und nur ab und zu fühlt man sich hier an Blumen oder Blüten erinnert. Horta hat die Naturform weitestgehend abstrahiert und nur selten findet man konkrete Anspielungen an den Ursprung der Horta-Linie (ABB. 107).

149 Borsi, Victor Horta, S. 388 150 Borsi, Victor Horta, S. 23

104

Olbrich hingegen übersetzt die Linie auf der Suche nach neuen Raumkonzepten in eine konkretere Naturform, die den Raum einnimmt und mit den Möbeln koexistiert. Sie ist klarer Bestandteil seiner Architektur, wie es am Haus Bahr mit dem äußeren hölzernen Geäst und der Lorbeerkuppel der Wiener Secession klar ersichtlich ist. Auch nimmt Olbrich nicht immer wieder das gleiche Motiv auf, sondern bedient sich der geschwungenen Form in all ihren Facetten und entwirft, ganz dem Prinzip des Gesamtkunstwerkes entsprechend, auch die gesamte Inneneinrichtung, was mitunter zu einem robusteren Charakter führt als es bei Horta der Fall ist. Olbrich lässt die Grenzen zwischen den einzelnen Elementen verschwinden, setzt gewellte Linien neben streng geometrische Momente und verbindet dies zusätzlich mit zarter Sgrafitto- Malerei. Rechteckige Öffnungen versucht er zu vermeiden, meist lässt er einen Bogen um sie spannen, die bis zum Boden verlaufen oder sich in den Möbeln verlieren. Ein flirrender, mitunter gar übertriebener, Gesamteindruck ist oftmals das Ergebnis, das nichts mit der wohldurchdachten, feinen und einheitlichen Wohnwelt Hortas zu tun hat, der jedes Detail genau durchdacht und anhand unterschiedlichster Skizzen untersucht hat. Olbrich ist vielmehr daran interessiert, mit Andeutungen an die Gotik und den Barock zu spielen, nicht ohne mediterrane Klarheit zwischendurch einzustreuen. Zwischen diesen Motiven herrscht keine rationale Verbindung, vielmehr kann es als Experiment gelesen werden, das neben raffinierten Details auch fragwürdige Momente hervorgebracht hat.151 Der Wunsch, die Wohnwelt zu Gunsten des Naturvorbildes umzuformen lässt Olbrich in experimenteller Weise verfahren, während bei Horta das Gebäude außen wie innen ein harmonisch abgestimmtes Gebäude bleibt. Die Linienführung selbst ist bei Olbrich zwar zurückgenommener als bei Horta, jedoch auch dicker und gröber, zudem in Holz ausgeführt, was wiederum den in Wien zu der Zeit der Jahrhundertwende aufkommenden und beliebten Heimatstil geschuldet ist. Die Feinheit, die Horta mit seinen Bauten und Details (auch in Holz) erzielt, übersetzt der Secessionsarchitekt in ein ästhetisches Konstrukt, das in der Volkskunst seine Wurzeln hat. Das vorherrschende

151 vgl. Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 82

105 Interesse der Wiener Moderne an der Tradition im Sinne eines ästhetischen Erbes ist bei Olbrich nicht zu leugnen.

Olbrich und van de Velde

So ist auch das zweite Gebäude Olbrichs für einen Privatmann in Wien dem Heimatstil verpflichtet. Für Hermann Bahr, einem Dramatiker und wohlgesinnten Kritiker, entwirft und baut er 1899-1900 eine Villa in Hietzing (ABB. 108, 109) auf dem Grundstück eines ehemaligen Weingartens, Olbrich fügt, in der von ihm typischen Manier, einfache geometrische Baukörper aneinander und belässt die Wand wie schon bei der Villa Friedmann, vor allem auf der unteren Geschoßebene größtenteils weiß und glatt verputzt. In der oberen Hälfte zitiert er mit der in den Verputz eingelassenen gebogenen Fensterlaibung das Fachwerk alter Bauernhäuser, die äußeren Streben wiederum, die beide Geschoße wie Bäume miteinander verbinden, sind Ergebnis seiner Suche nach Originalität, eine gewisse Experimentierfreudigkeit ist Olbrich auch hier nicht abzusprechen. Mögen sie dem einen unnütz und übertrieben erscheinen, so sind sie für sich betrachtet doch phantastische Momente, die den Willen zur formalen Reformierung Olbrichs zu jener Zeit zum Ausdruck bringen.

Das Innere der Villa ist weitestgehend nicht mehr erhalten. Nachdem das Haus für 12 Jahre Treffpunkt der Wiener Intellektuellen war, übersiedelt Bahr 1912 mit den hölzernen Möbeln nach Salzburg und bereits 1916 befinden sich die Holzarbeiten der Villa Bahr in desolatem Zustand und das Haus wird als baufällig beschrieben.152

Das „Haus Bloemenwerf“ (1895, Uccle bei Brüssel, ABB. 110) ist ein Frühwerk van de Veldes und keineswegs charakteristisch für sein Jugendstil-Werk. In den folgenden Jahren entwickelt sich der gelernte Maler zu einen der vielseitigsten Architekten des Jugendstils im Sinne William Morris, dennoch soll es hier als Vergleich dienen, da sich im Bau einige Parallelen finden. Glatt

152 http://www.hietzing.at/Bezirk/geschichte2.php?id=285

106 verputzte Mauern, Walmdach und Erker lassen eine traditionsgebundene Architektur erkennen, die einen idyllischen Charakter mit sich bringen. Wie das Haus Bahr, war auch das Haus des belgischen Architekten, das er selbst bewohnte, ein Treffpunkt vieler Künstler, unter ihnen Henri Toulouse-Lautrec oder Karl Ernst Osthaus, einer der wichtigsten deutschen Kunstmäzene jener Zeit. Und obwohl das Haus bis in die Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts Vorbild für viele dörfliche Siedlungshäuser ist, bleibt es in der Architektur van de Veldes einmalig.153 Zwar spürt man in den folgenden Entwürfen noch den traditionellen Charakter, doch ist ihr Aufbau deutlich gespannter. Van de Velde schafft mit seinem Haus eine Synthese zwischen Landhaus und Villa, die seinem Lebensideal als gesellschaftlicher Vermittler gerecht wurde, eine Einstellung, die Olbrich mit van de Velde teilte.

Auch im architektonischen Detail sind sich die Bauten ähnlich. So sind die Fenster bei Haus Bloemenwerf oftmals an ihrer Oberseite gewölbt und die Giebel der Vorderfront sind geknickt, Momente, wie sie sich wenige Jahre später bei Olbrich stärker ausgeprägt wieder finden. Auch das Haus Bahr besitz eine große, bogenförmige und verglaste Öffnung, und für die Villa Friedmann sind derartige Öffnungen charakteristisch. Sie dienen zur Auflockerung in einem geometrischen Gebilde und sind Zeichen für Olbrichs scheinbare Abneigung gegenüber rechter Winkel jener Zeit. Und selbst die baumartigen Streben scheinen mit dem Haus van de Veldes vergleichbar, erinnern sie doch an den Bewuchs, der sich dem Gemäuer entlang ziehen. Olbrich überlässt jedoch nichts dem Zufall, die Natur wird durch seine Phantasie reguliert. Sein Versuch, Natur im Sinne des Jugendstil zu formen um sie für seine Ideen einzusetzen, steht an der Spitze der floralen Jugendstilbewegung in Wien. Vielleicht erkannte er jedoch, dass diese Experimente ins Nichts führen, denn als Olbrich die Hauptstadt verlässt, beendet er damit das ‚Experiment floraler Jugendstil’.

Olbrich und Gaudí

Ein Architekt des Jugendstils, der das Experiment ausgeweitet hat und bauliche Struktur gänzlich zu biomorphen Formen werden hat lassen ist Gaudí. Er sieht Architektur als etwas

153 Sembach, Klaus Jürgen, Henry van de Velde, Hatje, Stuttgart: 1989, S. 37

107 Künstlerisches an, jedoch lehnt er jegliche Improvisation ab. Von Perfektion getrieben, verifizierte er seine Entwürfe zunächst auf ihre Durchführbarkeit hin, indem er seine Entwürfe z.B. für den Park Güell (1900-1914, ABB. 111) in Barcelona mittels eines Hängemodells untersuchte. Gaudí betrieb das experimentelle Bauen somit im Sinne der Naturwissenschaft, immer mit Blick auf die soziale Rolle der Architektur. So war es auch er, der als erster Architekt Flachdächer ablehnte und mittels Stahlbetonträger Bögen und Gewölbe mit streng mechanischen Achsen entwickelte. Er entdeckte die schräge Säule für sich, entwickelte Belüftungssysteme und sah das Licht als wesentlichen Bestandteil der Architektur an. Speziell die Bauten des Park Güell stellten ein besonderes Novum dar, die durchaus expressionistische Züge tragen, Skelettkonstruktionen, Modellierungen und Stereoskopie gehörten zu seinem gestalterischen Repertoire. 154 Seine phantastischen Bauten wurden zum Vorbild für naturnahes Bauen, ohne an Funktionalität einzubüßen.

Sein expressionistischer Naturalismus geht neben gotischen und islamischen Einflüssen auch auf den Barock zurück, eine Epoche, die bei Olbrich und seinem Wiener Werk ebenfalls starken Einfluss ausübt. Das schwelgende auf und ab der Formen, die runde, mächtige Sprache der Ornamente sind eindeutig auf die Paradezeit Österreichs zurückzuführen, die so manch einer gerne als Nationalarchitektur inthronisiert hätte. Bezüge Gaudís zu John Ruskin sind nicht von der Hand zu weisen, der als Kunsthistoriker und Sozialphilosoph vor allem für die Idee der Gartenstadt eintrat, die der katalonische Architekt mit seinem Park für den Grafen und Industriellen Eusebi Güell auf seine Art verwirklichte. Ein gemeinsames Gedankengut in künstlerischem wie sozialen Sinne ist Olbrich und Gaudí nicht abzusprechen, auch wenn Gaudí mit einem wesentlich komplexeren Anspruch an die Architektur heranging.

Vergleicht man Bauten wie das Pförtnerhäuschen des Park Güell mit der Villa Bahr Olbrichs, so werden auch formale Parallelen ersichtlich. Große gerundete Fenster, hohe Dächer, Türmchen bzw. Erker sind hier wie da vorhanden, vor allem aber wird der Bau als Gesamtkunstwerk

154 Bergós i Massó, Juan, Llimargas, Marc, Gaudì. Der Mensch und das Werk, Hatje, Ostfildern: 2000, S. 37

108 begriffen. Natürlich ist Olbrichs Architektur strenger, geometrischer, jedoch spielt er ebenso mit der Form im Sinne der Naturrezeption wie sein spanischer Kollege. Das, was Gaudí auch auf das Äußere des Baus übertragen hat, schaffte Olbrich jedoch nur im Inneren zu verwirklichen, obwohl Beispiele wie die Villa Franz Kurz (1902-03, Jägerndorf, ABB. 112) des Wagnerschülers Leopold Bauer zeigen, dass eine expressivere Architektur in Österreich möglich gewesen wäre. So ist bei dieser Villa der Erker, welcher zu einem Mädchenzimmer gehört, mit dem Motiv der Pfauenfeder geschmückt, die im Jugendstil als Symbol für das irdische Paradies galt. Der Bau erhält somit im Äußeren jenen phantastischen und sich öffnenden Charakter, den Olbrich mit seiner intimen Einstellung vielleicht sogar vermeiden will. Das Feuerwerk der Formen und Farben wird erst bei Eintreten der Olbrich’schen Gebäuden bewusst, die von außen im Vergleich zu Innen relativ schlicht wirken, dennoch haben beide, Gaudí wie Olbrich, experimentelle Architektur im Sinne Woods betrieben – Naturkonzept als Raumkonzept. Die Architektur lässt den Wunsch zu Gefallen hinter sich, schließt die psychologische Funktion mit ein und variiert in der naturnahen Gestaltung, ohne den funktionalen oder mechanischen Prozess zu verneinen.

„More a landscape than an urbanism; more a forest than architecture.“155 Ein Satz, der zweifellos für die vegetabile Architektur des Jugendstils und jener Olbrichs Gültigkeit besitzt. Doch so beschreibt Francois Roche seinen Entwurf für das „new Museum of Modern Art“ (2004), dessen Baukomplex er mit einer künstlichen Naturhülle versah. Die Rückeroberung der Natur ist hier wie dort das Thema, auch Olbrich möchte mit seinem architektonischen Ansatz und den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln der Natur zu mehr Sprachraum verschaffen, indem er Struktur und Dekor ineinander übergehen lässt. Sie wird zum Ornament und darüber hinaus zum Vermittler zwischen zwei Sphären, zum Ausdruck meditativer Spiritualität. Sein Experiment beschränkt sich vorwiegend auf konzeptionelle und sozial-psychologische Komponenten des Wohnens, weniger auf technische. Durch seine Versuche gab Olbrich dem Bau neue gestalterische Aspekte die über das bisher gewohnte hinausgehen. Er schlägt mit seinem Ansatz, der sich weitestgehen über das Ornament definiert, neue Wege ein, die jedoch zunächst keine Zukunft hatten. Das Dekor wurde schon nach kurzer Zeit als zu überschwänglich empfunden, die Anziehung der Pole einer geometrisch ornamentierten Architektur in

155 François Roche, zitiert nach: Jodidio, Architecture:Nature, S. 166

109 Verbindung mit den symbolischen Ausstattungen größer; der erste Weltkrieg setzte letztendlich jenen scharfen Schnitt für diese Wohnkultur, die durch die Dekadenz des guten Geschmacks gekennzeichnet war. Das die Natur am Ende wie beschrieben den Weg in die Architektur zurückfindet, war um 1900 nicht vorherzusehen.

110

EXPERIMENT UND UTOPIE

Wesentlicher Bestandteil des architektonischen Experiments ist nicht allein das Untersuchen physikalischer Gesetzte, sondern auch der weiterführende Entwurfsprozess, in dem das Resultat der Versuche interpretiert und anschließend in einer architektonischen Ausformulierung mündet.156 Die Utopie (‚Nicht-Ort’) unterscheidet sich dahingehend vom Experiment, als dass es sich hierbei um einen Entwurf eines von vornherein fiktiven Gebäudes oder ähnliches handelt, der zur gegebenen Zeit als nicht durchführbar gilt. Untersuchungen, die auf die Durchführbarkeit des Projektes abzielen, werden somit obsolet. Jedoch kann auch die Gesellschaft derart negativ auf Entwürfe reagieren, dass allein dies ein Grund für den utopischen Charakter einer Arbeit sein kann. Vor dem Hintergrund, dass allein der Begriff der experimentellen Architektur (wie schon ausgeführt) die Theoretiker zu unterschiedlichen Begriffserklärungen führt, kann die Utopie durchaus als Teilgebiet des Experiments angesehen werden, als experimentelle Architektur, die nicht zur Ausführung bestimmt ist. In der Wiener Moderne speziell hat sich vor allem ein Architekt und seine Schule auf den Gebieten der experimentellen Architektur und der Architekturphantasien hervorgetan: Otto Wagner und seine Wagner-Schule.

Utopie und Wagner

Die Architektur Otto Wagners lässt sich nicht allein auf ihre Vorarbeit für die Moderne in Europa beschränken. Ein nicht unerheblicher Teil seiner Arbeit beschäftigt sich mit utopischen Projekten wie dem Museumsbezirk Artibus oder der Idealstadt. Wie wichtig Wagner das unkonventionelle Denken war, zeigt auch der Umstand, dass er seine Schule als Laboratorium verstand, in der man sich mit dem Experimentellen beschäftigen sollte, um nicht im Sumpf der Mittelklasse stecken zu bleiben. Er lehrte seinen Schülern, individuell zu sein und erreichte dies mit phantastischen bzw. experimentellen Aufgaben, in denen der Schüler ohne Rücksicht auf

156 Moravánszky, Experiments, S. 46 ff.

111 beschränkende Umgebung und kommerziellen Erfolg entwerfen und planen konnte.157 So arbeiteten Wagners Schüler an Idealprojekten wie Weihestätten für Tänzerinnen am Mittelmeer od. Tempelbezirken für okkulte Weltreligionen.158

Wagner und die Kunst: Artibus (et Aloisiae)

Wagner selbst beschäftigte sich immer wieder mit Architekturphantasien, in denen er seiner Kreativität freien Lauf ließ. Aus einer ‚Jugendidee’, wie immer wieder zu lesen ist, ist die Museumsstadt Artibus (zu Deutsch ‚den Künsten’, ABB. 113, 114) entstanden, die er über Jahrzehnte hin entwickelte. Es handelt sich hierbei um eine fiktive Anlage für ein Museum der modernen Künste, deren Förderung Wagner ein wichtiges Anliegen war. Das Thema des Museums war im 19. Jahrhundert ähnlich den Theorien zu einer geglückten Stadtgestaltung ein äußerst beliebtes und diente als Symbol für eine sich ändernde Gesellschaft.159 Mit der Planung seines monumentalen Projektes begann Otto Wagner 1880, also in jener Zeit seiner Karriere, die noch dem eklektischen Ringstraßenstil verhaftet ist, dennoch wird diese „realistische Utopie“160 zum Vorbild vieler Entwürfe der Wagnerschule.

Das zentrale Thema, die Kunst, wird isoliert in einem aus dem Zentrum entrückten Pantheon dargestellt, dass unschwer als Reminiszenz an Fischer von Erlachs Karlskirche gesehen werden kann, die Wagner als das schönste Gebäude Wiens ansieht.161 Ebenso sind Remineszenzen an Berninis St. Peter auszumachen, die in etwa unschwer im Motiv der Kolonnaden zu erkennen sind, welche die Anlage im vorderen wie hinteren Bereich abschließen. Auch der Obelisk an der Vorderseite der Anlage mit Nashorn und Büffel, sowie die die Anlage flankierenden Obelisken mit Elefanten sind eine Anspielung an diesen bedeutenden Architekten und Bildhauer des barocken Rom. Diese Tatsachen verleihen dem Idealentwurf einen durchaus sakralen Charakter.

157 Graf, Otto Maria,. Die vergessene Wagnerschule, Schriften des Museums des 20. Jahrhunderts, Jugend und Volk, Wien: 1969, S. 10 158 Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 84 159 Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 99 160 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 24 161 Oechslin, Stilhülse und Kern, S. 106

112 Verbunden werden diese Elemente durch zwei streng gegliederte Flügel, in denen Bibliotheken, Museumsräume sowie vier Fakultäten im vorderen Bereich untergebracht werden sollten. Das Pantheon der Kunst selbst ist mit einer Tambourkuppel überdacht, die mit Lorbeerblättern geschmückt ist – dies schon ein Hinweis auf den Umschwung zur Secessionsarchitektur. Ihm sind zwei Triumphsäulen vorgesetzt, vor dem sich ein großer künstlicher See befindet, der das Zentrum der Anlage bildet. Gespeist wird dieser See durch einen Wasserlauf, der durch die im hinteren Teil steil ansteigenden Kaskaden fließt, die ihrerseits durch Gärten wie Schönbrunn inspiriert sind. Als Gesamtkomposition „erräumt“162 Wagner Artibus streng axial: die erste Masse bildet der hintere Garten, es folgt der Zentralbau in Form des Pantheons, eine Querachse, die zweite Masse der Flügel und die zweite Querachse, bevor diese nach vorne hin offen abschließt. Die dritte Querachse wird durch einen Fluss gebildet, das komplette Konstukt in eine Ideallandschaft nahe dem Meer und dessen Hafen gesezt.

Parallelen zu Sempers Plänen zum Kaiserforum (1871-1913; ABB. 115) rund um die Hofburg in Wien sind zu erkennen, das die Krönung der Ringstraßen Erneuerung hätte bilden sollen. Tatsächlich wurde auf Grund der schleppenden Bautätigkeit nur ein Teil, darunter das Naturhistorische und das Kunsthistorische Museum sowie ein Burgflügel, vollendet. Wie Semper hat auch Wagner seinem Projekt ein streng geometrisches Raster zu Grunde gelegt, der Mittelbau wird auch hier von zwei flankierenden Gebäuden umrahmt.

Gemäß Wagners Sinnspruch „Sine Arte Sine Amore Non Est Vita!“163 ist Artibus jedoch mehr als ein nach ausgeklügelten kompositorischen Regeln erdachtes Quartier, die persönliche Bedeutung und die Anspielung auf ein „kosmisches Zentrum“ wird bei Betrachtung der unzähligen Skizzen (ABB. 117, 118, 119) bewusst, die Otto Graf zur Erläuterung anfertigte.

162 ‚Erräumen’ ist ein Begriff, den Graf gerne für die Arbeit Wagners benutzt, um auf die exakte mathematische Komposition in Wagners Werk anzuspielen. Vgl. Graf, Baukunst des Eros, S. 1430 ff. 163 Neben seinem architektonischen Leitspruch „Artis Sola Domina Necessitas“ handelt es sich hierbei um die zweite Inschrift, die Wagner an seiner ersten Villa anbringen ließ.

113 Die Idee des Dreiecks als eine Anspielung an das Weibliche ist immer wieder ersichtlich (zum Beispiel bei den Kaskaden). Und auch der vollständige Name des Kunstbezirkes lässt erkennen, das Artibus nicht nur den Künsten der Gegenwart und der Zukunft geweiht ist, sondern auch Louise, der großen Liebe Otto Wagners. Die komplette Anlage ist als symbolisches Bild zu lesen, was dem ganzen Entwurf nicht nur „größte kompositorische Kühnheit“164 verleiht, sondern auch den Charakter eines utopischen Idealentwurfs unterstreicht. So kann der Garten als das weibliche Pendant zum männlich besetzten Pantheon gesehen werden, in dem laut Graf die Heilige Hochzeit von Wagner und seiner Frau stattfinden sollte,165 in das Meer ist die Inseln der Seligen Otto und Louise gesetzt. Sogar die Villa Schottenring 23 (1877) findet Einbezug in die Architekturphantasie, wird mit ihr homolog gesetzt, aber auch Parallelen zur „Nussdorfer Wehr“ (1894 – 1899) finden sich in Artibus. Die Bedeutung von Artibus für Wagner erschließt sich vor allem in dem Umstand, dass es diese Utopie gewesen sein soll, die der Grund für Wagners Benennung zum Stadtbaurat war. Auch kehrt Wagner in seinen Entwürfen immer wieder zu den klassizistischen Formen von Artibus zurück und Entwürfe wie der Flughafen des Wagnerschülers Friedrich Pindts (1912; ABB. 117) wären ohne sie undenkbar.

Vergleicht man diese Utopie mit Wagners weiteren Entwürfen für ein Museum, so wird formal die spätere Hinwendung zum Jugendstil ersichtlich. In dem gedrungenen zweigeschossigen Bau für eine „Galerie für Kunstwerke unseren Zeitalters“ von 1900 nimmt er wie schon beim Majolikahaus das Thema der tätowierten Fassade auf. Die sich über die gesamte Breite des fensterlosen 2. Obergeschosses erstreckenden Majolikafliesen stellen in einem Basrelief die Künste dar, die den symbolischen Schleier heben, der auf die Menschheit gefallen ist. Die seitlichen Fronten wie den Innenraum gestaltete Wagner bewusst nicht – dies sollte Aufgabe der Generation der zukünftigen Künstler sein. Der Glaube an die Reform der Kunst ist hier ersichtlich, der Wandel in der Wirkungskraft eines Museum ebenso. Er verwarf die Vorstellung eines Museums als starres Gebilde und plädierte für einen dynamischen Schauraum (selbst der Begriff Museum wird ihm zum Gräuel), der selbstbestimmt unter der Leitung zeitgenössischer

164 Graf, Otto Maria, Otto Wagner 5. Baukunst des Eros: 1863 – 1888, Böhlau, Wien (u.a.): 1997, S. 1426 165 Graf, Otto Wagner. Baukunst des Eros, S. 1426

114 Künstler geführt werden sollte. Jedoch die Erfahrung, dass auch die Secession immer mehr zu einem institutionalisiertem Betrieb geworden war, der routinemäßig Ausstellungen abwickelte, hatte Einfluss auf sein Verständnis von einem Museum.

Mit dem Projekt für das Kaiser Franz Joseph-Stadtmuseum (1900 – 1913; ABB. 120) und einem späten Entwurf Otto Wagners für eine Kunstgalerie „MCM-MM“ (1913) kehrt der Architekt in der Gestaltung zu Artibus zurück.166 Vor allem für das Projekt rund um die Karlskirche kämpfte Wagner verbissen und mit Leidenschaft und schuf über Jahre hinweg immer wieder neue Ansätze zur Ausgestaltung des Platzes, jedoch immer ohne Erfolg. Sein Entwurf von 1903 etwa bindet den gesamten Platz mit ein und ist darauf ausgelegt, dass notwendige bauliche Maßnahmen die Wirkung der Karlskirche nicht stören. So schließt er die Ostseite des Platzes und verlegt den Haupteingang des Museums an die Schmalseite des Museums, wodurch er einen freien Blick auf das Gebäude Fischer von Erlachs erreicht. Das Museum selbst plant der Architekt in diesem Entwurf im Gegensatz zur Vertikalität der Kirche als längsgestreckten zweigeschossigen Bau mit Empfangspavillon für den Kaiser, den er bei späteren Entwürfen weglässt, mit Oberlicht und einer skelettierten Kuppel. Triumphengel und andere Plastiken bekrönen das Gebäude und stehen im herben Widerspruch zu Wagners funktionalistischen Theorien, jedoch sollten moderne Materialien wie Granit, weißer Marmor, das bei Wagner beliebte Aluminium und vergoldete Bronze zum Einsatz kommen. Um mit seinem Entwurf zu überzeugen, setzt der Architekt hier auf experimentelle Mittel: er geht weg von der herkömmlichen Visualisierung des Projektes am Papier und lässt auf eigene Kosten 1:1 Modelle an Ort und Stelle aufstellen, um Kunstkritiker von seinen Ansichten zu überzeugen. Doch zerstört der Wind sein Experiment und sein Projekt wird vom Gemeinderat 1910 endgültig abgelehnt. Mehr noch, man legte ihm nahe, sich herkömmlicher Bauweisen und –stile zu bedienen, was für Wagner einen herben Rückschlag bedeutete; die Postsparkasse sollte sein letzter öffentlicher Auftrag bleiben.

166 Generell hält sich der Historismus bei Imperialbauten in Wien bis zum 1. Weltkrieg.

115 Wagner und die Stadt

Auch die beiden städtebaulichen Projekte Otto Wagners blieben Utopie. Weder der Generalsanierungsplan von 1893 noch seine Studie „Die Großstadt“ (1911; ABB. 121, 122) gelangten zur Verwirklichung.

Wagner nimmt in der von der Columbia University veranlassten Studie „Die Großstadt“ von der Annahme an, dass die Mehrzahl der Bürger es vorzieht, in der Masse zu verschwinden, um so ungestört als Individuum zu leben. Die Konzentration immer größerer Bevölkerungsmassen waren für Wagner nichts erschreckendes, im Gegenteil, Wagner ging 1911 davon aus, dass sich die Bevölkerung in den nächsten 30 – 50 Jahren verdoppeln würde.167 Sein Blick für eine Großstadt ist eindeutig in die Zukunft gerichtet, geht er doch schon in seiner Studie davon aus, dass sich das Leben in einer Art ändern wird, wie man es sich um die Jahrhundertwende nicht vorzustellen vermag. So spricht er von fahrbaren oder zusammenstellbaren Häusern, die heutzutage tatsächlich zum Programm der Standardarchitektur gehören.168 Der Ansatz Wagners ist allerdings kein sozial-utopischer, vielmehr geht es ihm um eine funktional und gestalterisch befriedigende Lösung. Demnach sah er das Ideal in einer nach allen Seiten hin ausdehnbaren Stadt, die das Wachstum nicht beschränkt, architektonische Überbauung soll jedoch unterbunden werden um das Zentrum aus dem baulichen Focus zu nehmen. Wagner erreicht dies mit einem strengen Rastersystem, in dem die einzelnen Bezirke nach Erreichen ihrer maximalen Dichte in den nächsten übergehen.

Die Entstehung von Randbezirken soll somit verhindert werden, da jeder Bezirk derselben gleichmäßigen Gliederung unterliegt. Insgesamt erstellt Wagner einen Plan für 12 modulare Bezirke mit Straßenzügen von 50 km Länge die in ihrer axialsymmetrischen Ausrichtung an Anlagen des Absolutismus erinnern. Jeder Wohnblock grenzte an eine Grünanlage, einen Grüngürtel vermeidet Wagner bewusst, da dieser eine Einschränkung des Wachstums bedeuten

167 Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 44 168 Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 49

116 würde. Und selbst öffentlichen und kulturellen Bauten wird ein fester Platz zugewiesen. Wagner sieht jeden Bezirk als Verbindung von Arbeiter- und Wohnviertel, die sich halb selbst verwalten. Natürlich lässt die Standardisierung des Monumentalplanes die individuellen Möglichkeiten in der Kunst missen, doch für Wagner ist diese Einheitlichkeit nicht zuletzt Mittel zum Zweck um öffentliche Bauten (von Wagner) zur Geltung zu bringen. Ein strahlenförmiges Verkehrsliniennetz, in dessen Maschen neue Bezirke entstehen können, und ein finanzielles Konzept komplettiert seine Studie zur Idealstadt.

Mit seiner Utopie ähnelt er in den Grundzügen jener der ‚City Beautiful’ - Bewegung in Amerika (ab 1890; ABB. 123), die zum Ziel hatte, alle Bauten in einem einheitlichen Stil – dem klassischen - zu errichten: „Der Wirrwarr von Gebäuden, der uns in unseren neuen Städten umgibt, trägt nichts Wertvolles zum Leben bei; er stört im Gegenteil unser friedliches Dasein und vernichtet die innere Ruhe...“169, so einer der Initiatoren, Daniel Burnham. Die Bewegung spricht sich wie Wagner für eine funktionale Stadt aus, mit der Vorstellung, dass eine einheitliche Ordnung eine einheitliche Gesellschaft egal welchen Standes und welcher Kultur hervorbringen würde.

Ebenezar Howard oder Camillo Sitte (ABB. 124) zeigen jedoch, dass sich Utopien für eine ideale Stadt auch in die andere Richtung entwickeln können. Im Vergleich zu dem an den Fortschritt glaubenden Wagner, der mit seinem Projekt das städtebauliche Interesse in den Mittelpunkt stellt, mutet es fast romantisch an, den Fokus auf das Individuum zu lenken. Beide sahen eine Stadtentwicklung im Sinne Wagners (oder auch des Pariser Stadtplaners Georges-Eugéne Baron Haussmann) als menschenfeindlich an, und während Howard für einen ganze Stadt im Grünen plädierte, sah Sitte seine Idealvorstellung in einem natürlich gewachsenem Ort die perfekte Stadt verwirklich, wobei die freien Formen der Antike und des Mittelalters für ihn zum Ideal avancierten. Um dieses Ideal abseits von einer schablonenhaften Stadtplanung zu erreichen, berief er sich auf die traditionelle Handwerkerkultur, wie sie auch William Morris vertrat, und verband diese mit den ästhetisch-kritischen Ansichten eines John Ruskin, beide wichtige Vorausdenker des Jugendstils.

169 Daniel Burnham, zitiert nach: Kostof, Geschichte der Architektur, S. 623

117 Gebogene Straßen, intime Einblicke, Plätze unterschiedlicher Größen und Formen, um dem Bürger die Möglichkeit zu ruhen zu geben: all das soll dazu beitragen, vor allem eine humanistische Stadt zu bilden, in dem der Einzelne an erster Stelle steht. Die natürliche Ausdehnung wird jedoch in solchen Modellen außer Acht gelassen und Kritiker weisen alsbald darauf hin, dass es sich vor allem bei der Gartenstadt um nichts anderes als um eine Satellitenstadt handelt, die trotz des Wunsches autark zu sein, von der nächstgelegenen Großstadt abhängig ist.

Eine Mischung von Wagners Ideen und Sittes Vorschlägen stellt die imaginäre Industriestadt Tony Garniers dar (ABB. 125). Im Grundriss entspricht sie der französisch-akademischen Tradition, doch bettet der Franzose seine Utopie in eine parkähnliche Umgebung ein. Das bemerkenswerte an seinen Entwürfen ist jedoch die Tatsache, dass seine Darstellungen nicht nur Gebäude im typischen Stil jener Zeit beinhalten sondern auch Gebäude aus Stahlbeton, die wie der Bahnhof stark in die Zukunft verweisen. Mit seinen Zeichnungen wird er später auch Corbusier inspirieren, der sich, wie schon erwähnt, auch von Wagner beeindruckt zeigte.

Mit der Darstellung seines Wohnviertels kommt die Utopie Garniers jener Wagners nahe: beide sehen in der Uniformität den Schlüssel zur geordneten Gesellschaft, jedoch gibt Garnier der Monumentalität Wagners keinen Raum. Eingeschossige Wohnbauten mit Flachdach und reichliche Begrünung zeigen, dass Garnier sozial-utopischer plant als Wagner, der den Schwerpunkt seiner Studie in der Bewältigung der rasch ansteigenden Bevölkerungsdichte setzt. Der Rationalist Wagner glaubt fest daran, dass sein utopischer Entwurf zu einer besseren Gesellschaft führt, nicht ohne zu erkennen, dass ein Idealplan immer eine Utopie bleiben wird: „Auch kann das künftige Stadtbild überhaupt nicht präcise vorgezeichnet werden, da ein Katechismus des Städtebaues nicht existiert. Vieles muß dem „Was da kommt!“ überlassen werden.“170

170 Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 48

118 Utopie und die Wagnerschule

Die Schule Wagners ist bekannt dafür, nach völliger künstlerischer Freiheit verlangt zu haben. So war es Wagner auch ein besonderes Anliegen, seinen Schülern die Möglichkeit der reinen Experimentation ohne Rücksicht auf eine beschränkende Umgebung, finanzielle Realisierbarkeit oder kommerziellen Erfolg zu bieten – das ganze letzte Lehrjahr seiner Schule beschäftigt sich mit diesem Thema, das auch die Abschlussarbeit darstellt.171 Mit seinem „Forum orbis – Insula Pacis“ (ABB. 126) erwirbt Josef Hoffmann 1895 sogar das Romreisestipendium. Formal ist dieses Projekt an Wagners Museumskomplex „Artibus“ angelehnt und entspricht den damaligen pazifistischen Tendenzen, ein internationales Schiedsgericht entstehen zu lassen. Die Glorifizierung des universellen Versöhnungsideals führt zu dem Gedanken, einen Ort entstehen zu lassen, an den Menschen aller Völker und Nationen sich wenden können, um bei „strittigen Fällen socialer und politischer Natur schiedsrichterliche Urtheile zu fällen, zur Abwehr der gewaltsamen Entscheidung durch ernste Fehde, insbesondere aber des menschenmordenden Krieges“172. Dementsprechend ist der Ort der Bebauung als Insel gewählt, die den neutralen Boden versinnbildlicht. Mit dem Festland durch eine Drahtseilbrücke verbunden, führt diese zunächst zum Eingang des Forums, der von gedrehten Säulen gesäumt wird, an deren oberen Ende sich Globen befinden. Ein weiterer Weg führt zu einem gewaltigen Platz, der von Kolonnaden und Exedren begrenzt wird, an dessen Ende sich ein monumentaler Pantheon befindet, in dem die Friedenskongresse abgehalten werden sollen. Das Thema ist auch Projekt anderer Abschlussarbeiten. Fenzl etwa entwirft 1900 seinen Friedenspalast (ABB. 127) als eiförmiges Gebilde, dem alle Strukturen untergeordnet sind und im kreisförmigen Hauptbau seine Erfüllung findet. Ein gigantischer Globus soll den Bau überragen, der in der Nacht elektrisches Licht ausstrahlt, um „der weiten Welt die Heils- und Friedensbotschaft“173 zu verkünden. Unter diesem Aspekt des übernationalen Friedens entsteht wenige Jahre später der Friedenspalast in Den Haag (1905).

171 Graf, Die vergessene Wagnerschule, S. 10 172 zitiert nach Alfred Fenzel, in: Graf, Otto Maria, Die vergessene Wagnerschule, S. 31 173 zitiert nach Alfred Fenzel, in: Graf, Otto Maria, Die vergessene Wagnerschule, S. 32

119 Das Wissen um die Wagnerschule ist gering, doch sind einige der Arbeiten und Utopien durch Veröffentlichungen wie in der Zeitschrift „Der Architekt“ überliefert. Die radikale Geometrisierung ist oftmals das Thema, die das Wagnerpostulat einer ebenen Tafel ausreizt. Extreme Positionen werden unter dem Aspekt der Phantasieschulung eingenommen und puristische Entwürfe sind oftmals das Resultat. Grundlegende Überlegungen zur Möglichkeit einer ‚reinen Architektur’ als eigene Kunstgattung werden angestrebt, puristische Tendenzen gehen in der ursprünglichsten Form der Architektur – dem Kubus – auf. Das Experimentierfeld auf der Suche nach autonomer Architektur bewegt sich zwischen radikaler Abstraktion und klassizistischen Tendenzen mit einem antinaturalistischen Anspruch.174 So ist der Friedhofabschluss von August Vaugoin (1904; ABB. 128) auf vier in die Höhe ragenden Stelen reduziert, die weder ein Ornament noch sonst eine Akzentuierung aufweisen. Nackt stehen sie da, nur mit kreuzförmigen Eisenelementen verbunden und sind für die Zeit um 1900, der Belle- Epoque, äußerst radikal. Wenn selbst die Architektur, die unter Corbusier oder Gropius entsteht, noch Jahrzehnte später die Gemüter erregt, wenn selbst das klar formulierte Secessionsgebäude auf Abneigung stößt, so wird der utopische Aspekt dieser Arbeit ersichtlich.

Die Abstraktheit in der Architektur bietet die Möglichkeit, unter anderem die Beziehung von Innen und Außen neu zu überdenken. Mit ihrer raumlosen Architektur ist sie das Pendant zur gegenstandslosen Malerei in der bildenden Kunst.175 Weiß, rein und übermächtig stellt auch Karl Maria Kerndle seine Utopie einer Gruftkapelle von 1903 dar (ABB. 129), die er wie Vaugoin mit der Hilfe von freistehenden Platten entwickelt. Er lässt die Wand in Form zweier Prismen monumental in die Höhe schießen, die Treppe zum Eingang wird durch zwei in den Raum vorspringende Platten förmlich eingezwängt. In Zusammenspiel mit dem schmalen Eingang und dem deutlich überhöhten Fenster entsteht eine Sogwirkung, die den Besucher regelrecht in das Innere zieht. Ein Spannungsfeld zwischen der weißen Architektur und der Anziehung des dunklen Eingangsbereiches entsteht, die abstrakte Geometrie des Gebäudes spielt mit dieser Wirkung. Bei der Beurteilung des Entwurfes muss man sich stets bewusst sein, dass Kerndle

174 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 185 175 Graf, Die vergessene Wagnerschule, S. 13

120 schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Architekturgeschichte auf alle gliedernde oder körperlichen Aspekte der Architektur verzichtet.

Vorbilder kann man in der utopischen Revolutionsarchitektur suchen (ABB. 129), die als experimentelles Entwerfen im ausgehenden 18. Jahrhundert eine Entwicklungsphase des Klassizismus darstellt. Der Klassizismus an sich wiederum beeinflusst die Denkart der Wagnerschule und man kann davon ausgehen, dass die jungen Architekten mit den Arbeiten eines Ledoux oder Boulées vertraut waren. Eine erhöhte Monumentalität unter dem Leitbegriff ‚Immensité’ ist kennzeichnend für die Architekturvisionen der Revolutionsarchitektur. Sie zeichnet sich zumeist durch die radikale Reduzierung der Bauform auf einfache Prismen aus, denen ein symbolischer Gehalt inne wohnt. In diesen Punkten sind die Utopien mit jener eines Kerndle deckungsgleich, die aus geometrischen Grundformen heraus entwickelte und überhöhte Architektur ist wesentlicher Bestandteil der Arbeit des Wagnerschülers. Abstrahierte Bauformen sind das Ergebnis, der symbolische Gehalt ist in diesen Entwürfen nicht wegzudenken. Die Variation der Formen führt zu einer rein abstrakten Tätigkeit, die schon in der ‚architecture parlante’ wesentlicher Bestandteil der Architektur war, und in der Lehre Wagners im Sinne eines abstrakten Klassizismus dezidiert erwünscht ist.

Die Abstraktion der Architektur überträgt Hoffmann 1902 in sein Supraportenrelief der Beethoven-Ausstellung (ABB. 131), welches nicht mehr erhalten ist und nur durch eine Photographie überliefert ist. Die sich in verschiedenen Höhen asymmetrisch überlappenden Rechtecke kann als skulpturale Übertragung der Architektur in die Plastik gelesen werden. Die Abstraktion nimmt den um 1907 entstehenden Kubismus vorweg, in der Architektur selbst wird er erst 1917 mit der Gründung der „De Stijl“-Gruppe schlagend. Wegweisende Bauten wie die Villa Henny (Robert van ’t Hoff, 1915-1919, Huis der Heide; ABB. 132) oder das Haus Schröder (Gerrit Rietveld, 1924, Utrecht; ABB. 133) zeigen strenge kubisch-lineare Züge und einen Aufbau, der von schmucklosen Flächen bestimmt wird. Die sich überlappenden Rechtecke werden als Platten aufgefasst, die eine ebensolche Dynamik entwickeln wie die Geometrie der Villa Stoclet. Ihr Ziel, die geometrische Abstraktion in die Architektur unter dem Gesichtspunkt

121 des Funktionalismus einzubringen, wird wiederum schon 15 Jahre zuvor in den utopischen Entwürfen der Wagnerschule untersucht. Wenngleich die Wagnerschule oftmals noch der Symmetrie verpflichtet ist, so sind ihre experimentellen Forschungen zum Thema der dritten Dimension in der abstrakten Kunst nicht zu unterschätzen. Die Zeit um die Jahrhundertwende steht allerdings noch dermaßen im Geist der Ringstraße, dass derlei Architektur, die noch dazu weder plastische noch malerische Ornamentation kennt, ohne Zweifel als experimentelles Entwerfen bezeichnet werden darf. Das Relief Hoffmanns stellt in diesem Zusammenhang ein Symbol für die radikalen Vorstellungen der jungen Architekten der Wagnerschule dar, die durch die Variation geometrischer Formen in die Zukunft blickten.

Die Neigung zur Immaterialisierung kommt auch in dem monumentalen Betonrelief Bohumil Hübschmanns von 1903 zur Geltung (ABB. 134). In eine Felsennische eingelassen, ist diese skulpturale Architektur durch einen schmalen Eingangsbereich betretbar, der die Höhe des Kriegerdenkmals betont. Sie stehen in keinem realistischen Verhältnis zu den quadratischen Aussparungen (Fenster), nicht nur normative Größen, sondern auch ihr Bezug zueinander wird aufgehoben. Das durch die Öffnungen entstehende Kreuz kann positiv (bei Tageslicht) wie negativ (nachts bei Beleuchtung) gelesen werden, was auf die Mehrdeutigkeit der abstrakten Geometrie hinweist.176 Der Kontrast zwischen dem modernen Material und der Ursprünglichkeit des Felsens wird zusätzlich durch in den Beton eingelassene unbehauene Steine betont, eine dialektische Spannung zwischen Geometrie und Natur entsteht.

Einer 1899 von Josef Plecnik entworfenen Skizze (ABB. 135) liegt ein ähnlicher Grundgedanke wie dem Projekt Hübschmanns zu Grunde. Ein monumentaler Bau entwächst dem Felsen, der teilweise unbehauen das Dach der Arkadengänge bildet. Die Architektur manifestiert sich aus dem Stein heraus, ist aber als solche noch gegenständlich. Die Phantasie, den Bau aus seiner ursprünglichen Materie heraus zu formulieren, findet sich bei Hübschmann einige Jahre in Kombination mit modernster Materialien deutlich abstrahierter wieder. Das skulpturale Entwerfen findet sich auch bei Emil Hoppe, der neben Otto Schönthal und Marcel Kammerer mit seinen atektonischen Entwürfen eine stark klassizistisch geprägte Spielart

176 Graf, Die vergessene Wagnerschule, S. 16

122 des Art Deco einleitet. In einer Skizze (ABB. 136), die 1902 entsteht, nimmt er die Form eines Zylinders auf, die sich schneckenhausförmig nach oben dreht und verjüngt. Diese Phantasie steht für ein Entwerfen ohne konkrete Bestimmung, die auf kompositorische Übungen mit elementaren geometrischen Körpern abzielt. Mit diesen Skizzen beeinflusst Hoppe den futuristischen Architekten Antonio Sant’Elia, dessen kegelartigen Entwürfe mit mächtigen Strebepfeilern, welche von einem tiefergelegten Standpunkt aus dargestellt sind, auf den Wagnerschüler zurückgeführt werden können.177

Es ist somit klar ersichtlich, dass die Wagnerschule mit ihren Phantasieübungen, die über die geometrische Abstraktion führen, ihrer Zeit voraus waren. Angeleitet vom funktionalistisch agierenden Wagner entstehen experimentell-architektonischen Entwürfe in seiner Schule, die in ihrer Monumentalität jeglichen Anthropomorphismus ablehnen, die Reduzierung auf die Primärformen geht immer wieder mit „einer Neigung zum antitektonischen Paradoxon einher“178. In diesem Sinne wird die Wagnerschule immer wieder als Versuchslabor gesehen, in der durch utopische Architekturvorstellungen wichtige Tendenzen der Nachkriegs-Avantgarde vorbereitet werden. Auch wenn der Begriff der experimentellen Architektur erst viel später aufgenommen wurde, können die Phantasien der Wagnerschule diesem Gebiet der Architektur zugeordnet werden.

177 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 181 178 Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 188

123

SCHLUSSBETRACHTUNG

Die Zeit der Wiener Moderne ist durch die einmalige Situation gekennzeichnet, dass sich in ihr floraler und geometrischer Jugendstil vereinen und vermischen, wodurch eine klare Trennung nicht immer möglich ist. Geometrische Bauten mit verspieltem Dekor, Gebäude im Heimatstil oder klar formulierte funktionelle Architektur sind typisch für die Wiener Zeit des Fin de Siècle, die sich alle unter dem Begriff der Wiener Moderne subsumieren. Die kurze Lebensdauer der einzelnen Perioden und die rasche Entwicklung der Architekturformen sind auf die politische sowie zeitgeistige Situation im Habsburgerreich zurückzuführen, das als Vielvölkernation zum Schmelztiegel der Moderne wird. Das gelebte „Experiment Weltuntergang“, wie eine Ausstellung zum Thema der Wiener Moderne 1981 betitelt wurde, war der ideale Nährboden für die Wohnraum-Experimente eines Olbrich und gleichermaßen regte der ungemeine Fortschritt in Österreich in der Zeit um 1900 Künstler dazu an, sich und die Umwelt neu zu erfinden. In diesem Kontext entstanden die Utopien Wagners und seiner Schüler, die eindeutig in die Zukunft weisen.

Die Folgen der Architektur der Wiener Moderne sind international einzustufen. Wagner, Hoffmann und Loos stehen für ein klares Bild in der Formfindung, das durch die Architekten der modernen Architektur weiter reduziert wurde. Neue Sachlichkeit, Bauhaus oder International Style lassen zumindest in Ansätzen ihre Verwandschaft erkennen: die zur Wiener Moderne.

124

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

ABB. 1a, Illustration im „Dix-huitième Entretien“, Eugène-Emmanuel Viollet-le-Duc, 1863-72; Borsi, Victor Horta, S. 47

ABB. 1b, Illustration im „Treizième Entretien“, Eugène-Emmanuel Viollet-le-Duc, 1863-72; Borsi, Victor Horta, S. 46

ABB. 1c, Haus Tassel, Victor Horta, 1893-94, Brüssel; Borsi, Victor Horta, S. 117

ABB. 2, The Barn, Edward S. Prior, 1897, England; http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isch&tbni d=WugoTfeeuQI9OM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fhome.arcor.de%2Famokameise%2FPrior 1.html&docid=_dNck_9y2GWHVM&imgurl=http%3A%2F%2Fhome.arcor.de%2Famokameise%2 FPriorBarn.jpg&w=542&h=343&ei=0IflUveBIMKPtQaHnIHICA&zoom=1&iact=rc&dur=2963&pag e=1&start=0&ndsp=24&ved=0CFcQrQMwAA

ABB. 3, Images from Salomé, The Yellow book, and others. (no erotica), Aubrey Beardsley, 1898; http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isch&tbni d=WugoTfeeuQI9OM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fhome.arcor.de%2Famokameise%2FPrior 1.html&docid=_dNck_9y2GWHVM&imgurl=http%3A%2F%2Fhome.arcor.de%2Famokameise%2 FPriorBarn.jpg&w=542&h=343&ei=0IflUveBIMKPtQaHnIHICA&zoom=1&iact=rc&dur=2963&pag e=1&start=0&ndsp=24&ved=0CFcQrQMwAA

ABB. 4, Stuhl mit hoher Rückenlehne für 120 Main Street, Charles Rennie Mackintosh, 1900; Fiell, Charles Rennie Mackintosh (1868-1928), S. 74

ABB. 5, Hill House, Charles Rennie Mackintosh, 1903, Helensburgh; Fiell, Charles Rennie Mackintosh, S. 31

125

ABB. 6, Titelblatt Wren City Churches, Arthur H. Mackmurdo, 1883 http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=aixOoV9tU8gpKM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.designishistory.com%2F1850 %2Fart- nouveau%2F&docid=mgvV0f7tI5CTpM&imgurl=http%3A%2F%2Fwww.designishistory.com%2Ffi les%2Fgimgs%2F34_nouveau01.jpg&w=490&h=618&ei=AYvlUpOxKMGKtAaHzIDQBg&zoom=1& iact=rc&dur=553&page=1&start=0&ndsp=34&ved=0CF0QrQMwAg

ABB. 7, Book of Kells, um 800 http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=wYq7t4pGA67y1M%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.digitalmedievalist.net%2F20 10%2F12%2Fxpi-autem-generatio-the-book-of-kells-and-the-chi-rho- page%2F&docid=EAvVMEh74IZsxM&imgurl=http%3A%2F%2Fdigitalmedievalist.net%2Fwordpre ss%2Fwp-content%2Fuploads%2F2010%2F12%2Flindisfarne-big.jpg&w=1969&h=2202&ei=- ovlUouFIMPNtAa27IDQAg&zoom=1&iact=rc&dur=1112&page=1&start=0&ndsp=28&ved=0CHk QrQMwCQ

ABB. 8, Unter der Welle im Meer vor Kanagawa, Katsushika Hakusai, 1830, Farbholzschnitt, 25 : 37 cm http://www.google.de/imgres?imgurl=http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons /0/0a/The_Great_Wave_off_Kanagawa.jpg&imgrefurl=http://de.wikipedia.org/wiki/Die_gro%2 5C3%259Fe_Welle_vor_Kanagawa&h=2990&w=4335&sz=2622&tbnid=7zMwq8OVdUVoSM:&tb nh=97&tbnw=141&zoom=1&usg=__QetxnCM0pAFXYlioIgRoIasE0ts=&docid=POOrcrj8YR1PcM& sa=X&ei=YI3lUte0O4jAswbeo4GwBg&ved=0CEAQ9QEwAg&dur=456

ABB. 9, Getty Mausoleum, , 1890, Chicago http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=RlI0Rl3rssecOM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fchicago-architecture- jyoti.blogspot.com%2F2009%2F11%2Fgraceland-

126 cemetery.html&docid=KB6GQxznKbiaAM&imgurl=http%3A%2F%2F3.bp.blogspot.com%2F_zJpn Tu57Koc%2FTKXeywyALBI%2FAAAAAAAAXTE%2FgC5QboCnyU0%2Fs1600%2FLI-archi-GC- 101b.jpg&w=950&h=633&ei=Wo7lUsPXLMSZtQaOyYGwCw&zoom=1&iact=rc&dur=599&page= 1&start=0&ndsp=23&ved=0CIMBEK0DMA4

ABB. 10, Villa Majorelle, Henri Sauvage, 1898-1900, Nancy http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=LhBvDN6RfSrjpM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.culture.gouv.fr%2Fculture%2F inventai%2Fitiinv%2Farchixx%2Fimgs%2Fp42-01.htm&docid=BMZGMJT6aUC- TM&imgurl=http%3A%2F%2Fwww.culture.gouv.fr%2Fculture%2Finventai%2Fitiinv%2Farchixx% 2Fimgs%2Fp42- 01im.jpg&w=259&h=296&ei=go_lUqiRNIiTtQaNlYD4Ag&zoom=1&iact=rc&dur=748&page=1&st art=0&ndsp=25&ved=0CGkQrQMwBg

ABB. 11, Silberne Gürtelschließe, Henry van de Velde, vor 1900; Sembach, Henry van de Velde, S. 10

ABB. 12, Sessel, 1898, Nähtisch um 1905, Henry van de Velde; Sembach, Henry van de Velde, S. 51

ABB. 13, Haus Horta, Balkon, Victor Horta, 1898-1901, Brüssel; Borsi, Victor Horta, S. 22

ABB. 14, Haus Ciamberlani, Paul Hankar, 1897, Brüssel http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=twexQYNPj_gL8M%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fagermanyear.blogspot.com%2F201 0_05_01_archive.html&docid=6wchQ8T8tde6bM&imgurl=http%3A%2F%2F1.bp.blogspot.com% 2F_aQE- 4419LRY%2FS_w7CXNRLiI%2FAAAAAAAABLU%2FROi1aqGHai0%2Fs1600%2FMaison%252BCiam berlani.jpg&w=1200&h=1600&ei=CpTlUvbZFcrZsgbcyoHgCA&zoom=1&iact=rc&dur=356&page= 1&start=0&ndsp=25&ved=0CGYQrQMwBQ

127

ABB. 15a, Metró-Station Porte Dauphin, Hector Guimard, um 1900, Paris http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=5zPDsfp71S8K1M%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FHector _Guimard&docid=_RTUoDmbcDRhGM&imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikip edia%2Fcommons%2F8%2F82%2FMetro_station_entrance_(%2525C3%2525A9dicule_Guimard) _Porte_Dauphine_Paris_16e_002.jpg&w=3634&h=2770&ei=aJXlUti- IOHV4gTw54D4Cg&zoom=1&iact=rc&dur=3284&page=1&start=0&ndsp=24&ved=0CGAQrQMw Aw

ABB. 15b, Villa Lang, Lucien Weissenburger, 1905-06, Nancy http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Villa_Lang_Saurupt_Nancy_11-06-2006.jpg

ABB. 16, Casa Battló, Antonio Gaudí, 1904-06, Barcelona http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Gaudi_b1.jpg

ABB. 17, Park Güell, Pförtnerhäuschen, Antonio Gaudí, 1900 – 1914 http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=WWFhd7P9QA3K5M%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fen.wikipedia.org%2Fwiki%2FPar k_G%25C3%25BCell&docid=POUmc95K5A8h0M&imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org %2Fwikipedia%2Fcommons%2Fc%2Fcb%2FPark_G%2525C3%2525BCell_02.jpg&w=2868&h=22 07&ei=0ybkUuT6FYmztAaX1ICwDw&zoom=1&iact=rc&dur=1635&page=1&start=0&ndsp=20&v ed=0CF4QrQMwAA

ABB. 18, Ernst-Ludwig-Haus, Joseph Maria Olbrich, 1900, Darmstadt http://static.panoramio.com/photos/large/20534997.jpg

ABB. 19a, Wiener Secession, Joseph Maria Olbrich, 1897-98, Wien; Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 135

128 ABB. 19b, Österreichische Postsparkassenamt, Otto Wagner, 1904-05, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 52

ABB. 20, Palais Epstein, Theophil Hansen, 1868-71, Wien http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Palais_Epstein_Vienna_Aug_2006_092.jpg

ABB. 21, Palais Todesco, Ludwig Förster, Theophil Hansen, 1861-64, Wien http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Palais_Todesco_Aug_2006_070.jpg

ABB. 22, Sanatorium Purkersdorf, Josef Hoffmann, 1904-05, Purkersdorf http://www.google.de/imgres?client=safari&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isch&tbn id=7adeKXAlM27xxM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FSanatorium _Purkersdorf&docid=utZPOerSdIpqtM&imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikip edia%2Fcommons%2Fb%2Fbb%2FSanatoriumpurkersdorf1- 2.JPG&w=2264&h=1649&ei=2p_mUpveFo7Dswbn1oCgBg&zoom=1&iact=rc&dur=2541&page=1 &start=0&ndsp=20&ved=0CFUQrQMwAA

ABB. 23, Villa Bahr, Joseph Maria Olbrich, 1899-1900, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 83

ABB. 24, Reichsratstraße, um 1880, Wien; Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 47

ABB. 25, Österreichische Parlament, Theophil Hansen, 1874-83, Wien; Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 40

ABB. 26, Wiener Zimmer, Pariser Weltausstellung, Joseph Maria Olbrich, 1900; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 84

129 ABB. 27, Nuda Veritas, Gustav Klimt, 1899, Öl/Leinwand, 252:56,2 cm, Österreichisches Theatermuseum, Wien; Nebehay, Gustav Klimt, S. 86

ABB. 28, Philosophie, Gustav Klimt, 1899-1907, Öl/Leinwand, 430:300 cm, 1945 verbrannt; Nebehay, Gustav Klimt, S. 65

ABB. 29, Medizin, Gustav Klimt, 1900/07, Öl/Leinwand, 430:300, verbrannt; Nebehay, Gustav Klimt, S. 70

ABB. 30, Kalenderblatt Februar, aus Ver Sacrum Heft 1, Josef Auchentaller, 1901, 18,6:18,1; Hofstätter, Jugendstil. Graphik und Druckkunst, S. 215

ABB. 31, Geschäftsniederlage „Apollo“, Josef Hoffmann, 1899, Am Hof, Wien; Borsi, Bauten der Jahrhundertwende, S. 91

ABB. 32, Majolikahaus, Fassadendetail, Otto Wagner, 1898, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 84

ABB. 33, Buchschmuck zu einem Gedicht von Franz von Saar, Josef Auchentaller,1898; Hofstätter, Jugendstil. Graphik und Druckkunst, S. 216

ABB. 34, Apotheke zum weißen Engel, Oskar Laske, 1901-02, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 215

ABB. 35, Villa Vojcik, Otto Schönthal, 1901, Wien http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Villavojcik.jpg

ABB. 36a, Vorstudie zum ersten Entwurf der Secession, Joseph Maria Olbrich, 1897; Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 17

130 ABB. 36b, Secession, Gesamtansicht, Joseph Maria Olbrich, 1897; Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 135

ABB. 37a, Secession, Blick von Innen in die Lorbeeruppel, Joseph Maria Olbrich, 1897; Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 49

ABB. 37b, Secession, Seitenansicht, Joseph Maria Olbrich, 1897; Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 31

ABB. 38, Studie zu einem Saison Wohnhaus für Lovrana, Marcel Kammerer, 1901; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 25

ABB. 39, Studie zu einem Stipendistenheim, Oskar Felgel, 1901; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 31

ABB. 40, Villa Bahr, Joseph Maria Olbrich, 1899-1900, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 83

ABB. 41, Villa Friedmann, Joseph Maria Olbrich, 1899, Hinterbrühl http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c7/Hinterbrühl_3487.jpg

ABB. 42, Schlafzimmer Villa Friedmann, Joseph Maria Olbrich, 1899, Hinterbrühl; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 80

ABB. 43, Haus Paul Wittgenstein, Innenansicht, Josef Hoffmann, 1899, Hohenbach; Sekler, Josef Hoffmann, S. 35

ABB. 44, Wohnhäuser Linke Wienzeile und Köstlergasse, Otto Wagner, 1898-99, Wien; Schorske, Wien. Geist und Gesellschaft im Fin de Siècle, S. 82/83

131 ABB. 45, Festplatz mit Kaiserzelt vor dem Äußeren Burgtor anlässlich der Silbernen Hochzeit des Kaiserehepaares 1879, Wien; http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/museum/401565_Triumphale-Schau- des-Wiener-Buergerfleisses.html

ABB. 46, Generalsanierungsplan der Stadt Wien, Otto Wagner, 1893; Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 62

ABB. 47, Nußdorfer Wehr, geschlossener Zustand, Otto Wagner, 1894-98, Wien; Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 103

ABB. 48, Stadtbahn-Haltestelle ‚Unter-Döbling‘, Otto Wagner, 1899, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 32

ABB. 49, Stadtbahn-Haltestelle ‚Karlsplatz‘, Otto Wagner, 1898-99, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 33

ABB. 50, Mietshaus Linke Wienzeile 38, Ecklösung, Otto Wagner, 1898-99, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 45

ABB. 51, Majolikahaus Linke Wienzeile 40, Fassadendetail, Otto Wagner, 1898-99, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 48

ABB. 52, Majolikahaus Linke Wienzeile 40, Gesamtansicht, Otto Wagner, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 49

ABB. 53, Fassade eines Mietshauses, Entwurf, Hans Schlechta, 1900; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 47

132 ABB. 54, Fassade eines Mietshauses, Entwurf, Wunibald Deininger, 1900; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 48

ABB. 55, Mietshaus Köstlergasse 3, Otto Wagner, 1898-99, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 50

ABB. 56, Adele Bloch-Bauer I, Gustav Klimt, 1907, Öl/Leinwand, Österreichische Gallerie, Wien; Nebehay, Gustav Klimt, S. 223

ABB. 57, Adele Bloch-Bauer II, Gustav Klimt, 1912, Öl/Leinwand, Österreichische Gallerie, Wien; Nebehay, Gustav Klimt, S. 224

ABB. 58, Österreichische Postsparkassenamt, Vorderansicht, Otto Wagner, 1904-06, Georg- Koch-Platz 2, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 52

ABB. 59, Österreichische Postsparkassenamt, Haupteingang, Otto Wagner, 1904-06, Georg- Coch-Platz 2, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 52

ABB. 60, Österreichische Postsparkassenamt, Schaltersaal, Otto Wagner, 1904-06, Georg-Coch- Platz 2, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 56

ABB. 61, Österreichische Postsparkassenamt, Warmluftausbläser, Otto Wagner, 1904-06, Georg- Coch-Platz 2, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 57

ABB. 62, Kirche am Steinhof, Vorderansicht, Otto Wagner, 1902-07, Baumgartnerhöhe, Wien; http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/2d/Otto_Wagner_Kirche_- _Am_Steinhof_IMG_3758_Lr.jpg/400px-Otto_Wagner_Kirche_-_Am_Steinhof_IMG_3758_Lr.j

133 ABB. 63, Kirche am Steinhof, Gesamtansicht, Otto Wagner, 1902-07, Baumgartnerhöhe, Wien; http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/2d/Otto_Wagner_Kirche_- _Am_Steinhof_IMG_3758_Lr.jpg/400px-Otto_Wagner_Kirche_-_Am_Steinhof_IMG_3758_Lr.j

ABB. 64a, Kirche am Steinhof, Engel über dem Haupteingang, Otto Wagner, 1902-07, Baumgartnerhöhe, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 61

ABB. 64b, Kirche am Steinhof, Innenansicht, Otto Wagner, 1902-07, Baumgartnerhöhe, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 63

ABB. 65, Mietshaus Neustiftgasse 40, Otto Wagner, 1909-10, Wien; Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 139

ABB. 66, Villa Wagner II, Otto Wagner, 1912-1913, Wien http://www.planet-vienna.com/spots/wagnervillen/wagnervillen.htm

ABB. 67, Villa Wagner I, Otto Wagner, 1886-1888, Wien http://www.planet-vienna.com/spots/wagnervillen/wagnervillen.htm

ABB. 68, Studie zu einer Villa, Otto Schönthal, 1903; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 21

ABB. 69, Warenhaus, Karl Reinhart, 1913; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 76

ABB. 70, Wohnhaus Dr. Vojczik, Zeichnung, Otto Schönthal, 1901, Linzerstrasse 375, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 233

ABB. 71, Wohnhaus Dr. Vojczik, Haupteingang, Otto Schönthal, 1901, Linzerstrasse 375, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 234

134 ABB. 72, Palais Zacherl, Josef Plecnik, 1903-05, Wildpretmarkt 2-4, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 218

ABB. 73, Palais Zacherl, Fassadendetail mit Atlanten, Josef Plecnik, 1903-05, Wildpretmarkt 2-4, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 218

ABB. 74, Saal der Erkenntnis, Josef Hoffmann; Sekler, Josef Hoffmann, S. 254

ABB. 75a, Studie zu einem Ausstellungspavillion, Josef Hoffmann; Sekler, Josef Hoffmann, S. 254

ABB. 75b, Erster Entwurf zur Wiener Secession, Joseph Maria Olbrich, 1897; Olbrich, Ideen von Olbrich, S. 18

ABB. 76, Linker Seitensaal der IV. Secessionsausstellung, Josef Hoffmann, 1900, Wien; Sekler, Josef Hoffmann, S. 256

ABB. 77a, VIII. Secessionsausstellung, Blick von Saal 3 gegen Eingang, Josef Hoffmann, 1900, Wien; Forsthuber, Moderne Raumkunst, S. 54

ABB. 77b, VIII. Secessionsausstellung, Ver Sacrum Zimmer, Mackintoshgruppe, 1900, Wien; Forsthuber, Moderne Raumkunst, S. 55

ABB. 78, VIII. Secessionsausstellung, Blick von Hauptsaal auf den Sall 5 mit der Kollektion Ch. R. Ashbees, 1900, Wien; Forsthuber, Moderne Raumkunst, S. 55

ABB. 79, Blick in den Saal A der Wiener Secession mit Klimts Beethovenfries und Durchblick in den Mittelsaal auf die Beethoven-Skulptur Max Klingers, 1902; Nebehay, Gustav Klimt, S. 105

135 ABB 80, Sanatorium ‚Westend’, Gesamtansicht, Josef Hoffmann, 1904-05, Purkersdorf; http://www.google.de/imgres?client=safari&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isch&tbn id=7adeKXAlM27xxM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FSanatorium _Purkersdorf&docid=utZPOerSdIpqtM&imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikip edia%2Fcommons%2Fb%2Fbb%2FSanatoriumpurkersdorf1- 2.JPG&w=2264&h=1649&ei=2p_mUpveFo7Dswbn1oCgBg&zoom=1&iact=rc&dur=2541&page=1 &start=0&ndsp=20&ved=0CFUQrQMwAA

ABB. 81, Sanatorium ‚Westend’, Innenansicht, Josef Hoffmann, 1904-05, Purkersdorf; Zednicek, Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte, S. 117

ABB. 82, Ernst-Ludwig-Haus, Joseph Maria Olbrich, 1900, Darmstadt http://static.panoramio.com/photos/large/20534997.jpg

ABB. 83, ‚Sitzmaschine’, Josef Hoffmann, um 1905, Buchenholz, mahagonigebeizt; Fahr-Becker, Wiener Werkstätte, S. 35

ABB. 84, Palais Stoclet, Gesamtansicht, Josef Hoffmann, 1905-11, Brüssel; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 108

ABB. 85, Palais Stoclet, Speisesaal, Josef Hoffmann, Brüssel, 1905-11 http://www.pinterest.com/pin/111534528242948415/

ABB. 86, Stoclet-Fries, Gustav Klimt, 1905 http://www.google.de/imgres?client=safari&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isch&tbnid=Epb 2lIQtvYvcpM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.klimt.com%2Fen%2Fgallery%2Fstoclet- frieze.html&docid=1g_5inBbKTR36M&imgurl=http%3A%2F%2Fwww.klimt.com%2Fdocuments% 2Fpictures%2Fen%2Fstoclet-frieze%2Fklimt-stoclet-fries-total-1905.jpg&w=529&h=332&ei=- QnlUpH7OIjJsgajqID4Bg&zoom=1&iact=rc&dur=2177&page=1&start=0&ndsp=29&ved=0CGEQr QMwBA

136

ABB. 87, Karl-Marx-Hof, Vorderansicht, Karl Ehn, 1927-30, Wien-Döbling; http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karl-Marx-Hof_2009.jpg

ABB. 88, Karl-Marx-Hof, Karl Ehn, 1927-30, Wien-Döbling; Vereinigung bildender KünstlerInnen Wien (Hrsg.), Secession, S. 100

ABB. 89, Wohnhaus Beer-Hofmann, Josef Hoffmann, 1905-06 (nicht erhalten), Hasenauerstrasse 52, Wien; http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/7/71/Moderne_Villen_in_Mei steraquarellen_Serie_II_Tafel_039_Wien-Währing_Villa_Hasenauerstraße_59.JPG/220px- Moderne_Villen_in_Meisteraquarellen_Serie_II_Tafel_039_Wien

ABB. 90, Villa Skywa-Primavesi, Josef Hoffmann, 1913-15, Gloriettegasse 14-16, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 129

ABB. 91, Tortenheber und Kuchenzange, Josef Hoffmann und Antoinette Krasnik, um 1905, Silber, gestanztes Quadratmuster; Fahr-Becker, Wiener Werkstätte, S. 30

ABB. 92, Veilchenjardiniere, Topf und Weinglas, Ludwig Hirsch und Urban Janke, um 1911, mattiertes Glas mit Schwarzbronzit, oval geschält; Fahr-Becker, Wiener Werkstätte, S. 60

ABB. 93, AEG, Montagehalle für Großmaschinen, Peter Behrens, 1912, Berlin http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=DG7r8MtVHZkwUM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FPete r_Behrens&docid=d6a7hnr3vk4JmM&imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikipe dia%2Fcommons%2Ff%2Ff5%2FBerlin-wedding_aeg- premises_20060407_321_part.jpg&w=1992&h=1194&ei=B3XnUvTxIMbFtAarioG4Cw&zoom=1& iact=rc&dur=2538&page=1&start=0&ndsp=24&ved=0CGEQrQMwAQ

137 ABB. 94, Haus Steiner, Vorderansicht, Adolf Loos, 1910, St.-Veit-Gasse 10, Wien; http://www.hietzing.at/fotos/1218631486_1.jpg

ABB. 95, Haus Steiner, Gartenansicht, Adolf Loos, 1910, St.-Veit-Gasse 10, Wien; http://www.hietzing.at/fotos/1218631486_2.jpg

ABB. 96, Looshaus, Gesamtansicht, Adolf Loos, 1910, Michaelerplatz 3, Wien; http://austria- forum.org/attach/AEIOU/Looshaus/Looshaus.jpg

ABB. 97, Looshaus, Detail Eingangsbereich, Adolf Loos, 1910, Michaelerplatz 3, Wien http://www.google.de/imgres?client=safari&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isch&tbn id=tseJvyLkZZR5CM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fcommons.wikimedia.org%2Fwiki%2FFile% 3ALooshaus_Wien_Detail_2013.jpg&docid=znsDHICZQfYNCM&itg=1&imgurl=http%3A%2F%2Fu pload.wikimedia.org%2Fwikipedia%2Fcommons%2Ff%2Ff8%2FLooshaus_Wien_Detail_2013.jpg &w=3600&h=2400&ei=XizlUvniI83Mswaw8IHABQ&zoom=1&iact=rc&dur=3041&page=1&start= 0&ndsp=25&ved=0CFUQrQMwAA

ABB. 98, Villa Savoye, Le Corbusier und Pierre Jeanneret, 1928-32, Poissy http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=Mjo5664VDNmoHM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.bc.edu%2Fbc_org%2Favp %2Fcas%2Ffnart%2FCorbu.html&docid=b2OlRffkCnY2tM&imgurl=http%3A%2F%2Fwww.bc.edu %2Fbc_org%2Favp%2Fcas%2Ffnart%2FCorbu%2Fsavoye1.jpg&w=640&h=392&ei=tYPnUrO8A8n asgaR14DgCg&zoom=1&iact=rc&dur=969&page=1&start=0&ndsp=22&ved=0CGoQrQMwBA

ABB 99, Genesis der gotischen Baukunst, James Hall, 1798; Rykwert, Adams Haus im Paradies, S. 87

ABB. 100, Diagramm einer Gartenstadt und ihres Geländes, Ebenezer Howard, 1898; Kostof, Geschichte der Architektur, S. 631

138 ABB. 101a, Residence Tower Mumbai, SITE, 2003; Jodidio, Architecture:Nature, S. 171

ABB. 101b, Extension to a House, R&Sie, 2004, Lausanne; Jodidio, Architecture:Nature, S. 180

ABB. 102, Entwurf einer Doppelvilla, Camillo Sitte, 1895; Sekler, Josef Hoffmann, S. 44

ABB. 103, Beleuchtungskörper der Villa Friedmann, Josef Maria Olbrich, 1899, Hinterbrühl; Olbrich, Ideen von Olbrich, S. 72

ABB. 104, Haus Tassel, Treppenhaus, Victor Horta, 1893-94, Brüssel; Borsi, Victor Horta, S. 125

ABB. 105, Villa Friedmann, Schlafzimmer, Joseph Maria Olbrich, 1899, Hinterbrühl; Olbrich, Ideen von Olbrich, S. 18

ABB. 106, Haus Tassel, Gesamtansicht der achteckigen Halle und des Zwischengeschoßes, Victor Horta, 1893-94, Brüssel; Borsi, Victor Horta, S. 121

ABB. 107, Haus Deprez-van de Velde, Schmiedeeisernes Gartengitter, Victor Horta, 1895-97, Brüssel; Borsi, Victor Horta, S. 219

ABB. 108, Villa Bahr, Gesamtansicht, Joseph Maria Olbrich, 1899-1900, Winzerstrasse 22, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 82

ABB. 109, Villa Bahr, Eingang und Fenster des Wohnraumes, Joseph Maria Olbrich, 1899-1900, Winzerstrasse 22, Wien; Borsi, Wiener Bauten der Jahrhundertwende, S. 83

ABB. 110, Haus Bloemenwerf, Henry van de Velde, 1895, Uccle bei Brüssel; Sembach, Henry van de Velde, S. 43

139 ABB. 111, Park Güell, Pförtnerhäuschen, Antonio Gaudí, 1900 – 1914 http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=WWFhd7P9QA3K5M%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fen.wikipedia.org%2Fwiki%2FPar k_G%25C3%25BCell&docid=POUmc95K5A8h0M&imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org %2Fwikipedia%2Fcommons%2Fc%2Fcb%2FPark_G%2525C3%2525BCell_02.jpg&w=2868&h=22 07&ei=0ybkUuT6FYmztAaX1ICwDw&zoom=1&iact=rc&dur=1635&page=1&start=0&ndsp=20&v ed=0CF4QrQMwAA

ABB. 112, Villa Franz Kurz, Erker des Mädchenzimmers, Leopold Bauer, 1902-03, Jägerndorf; Vybíral, Junge Meister, S. 88

ABB. 113, Artibus (et Aloisiae), Grundriß, Otto Wagner, 1880; Geretsegger, Otto Wagner 1841- 1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 84

ABB. 114, Artibus (et Aloisiae), Axonometrie, Otto Wagner, 1880; Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 87

ABB. 115, Kaiserforum 1869, Gottfried Semper, 1871-1913 http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=p9v7D_ccfzvV8M%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.oeaw.ac.at%2Fkunst%2Fproje kte%2Fhofburg%2F0_kaiserforum_g.html&docid=OTtWuciS6hdMBM&imgurl=http%3A%2F%2F www.oeaw.ac.at%2Fkunst%2Fprojekte%2Fhofburg%2F0_kaiserforum_g.jpg&w=862&h=567&ei =_i3kUu7MN4OEtAaIk4DoBg&zoom=1&iact=rc&dur=4311&page=1&start=0&ndsp=24&ved=0C FcQrQMwAA

ABB. 116, Flughafen, Friedrich Pindt, 1912; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 80

ABB. 117, WV 40, 4, Sinnikonologie 4, Otto M. Graf; Graf, Otto Wagner 5. Baukunst des Eros: 1863 – 1888, S. 1429

140 ABB. 118, WV 40, 7, Apotheose 3, Otto M. Graf; Graf, Otto Wagner 5. Baukunst des Eros: 1863 – 1888, S. 1429

ABB. 119, WV 40, 3, Sinnikonologie 3, Otto M. Graf; Graf, Otto Wagner 5. Baukunst des Eros: 1863 – 1888, S. 1428

ABB. 120, Kaiser Franz Joseph-Stadtmuseum am Karlsplatz mit Karlskirche, Otto Wagner, 1903; Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 196

ABB. 121, 12. Wiener Gemeindebezirk, Übersichtsplan der Studie ‚Die Großstadt‘, Otto Wagner, 1910/11; Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 58

ABB. 122, 12. Wiener Gemeindebezirk, Vogelperspektive der Studie ‚Die Großstadt‘, Otto Wagner, 1910/11; Geretsegger, Otto Wagner 1841-1918. Unbegrenzte Großstadt, S. 60

ABB. 123, Chicago, Plan von 1908, Daniel H. Burnham, 1908; Kostof, Geschichte der Architektur, S. 627

ABB. 124, Ausschnitt aus dem Plan der Stadtmitte Wiens, Camillo Sitte, 1889; Kostof, Geschichte der Architektur, S. 629

ABB. 125, Une cité industrielle, étude pour la construction des villes, Wohnviertel, Tony Garnier, 1917; Kostof, Geschichte der Architektur, S. 630

ABB. 126, Forum orbis – Insula Pacis, Josef Hoffmann, 1895; Sekler, Josef Hoffmann, S. 14

ABB. 127, Friedenskongreßpalast, Friedrich Fenzl, 1900; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 54

141 ABB. 128, Friedhofabschluss, Auguste Vaugoin, 1904; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 10

ABB. 129, Gruftkapelle, Karl Maria Kerndle, 1903; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 2

ABB. 130, Kenotaph für Isaac Newton, Étienne-Louis Boullée, 1784 http://www.google.de/imgres?client=safari&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isch&tbn id=mVYlNoOFwXH_lM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FRevolution sarchitektur&docid=krCTyIaR0_pVEM&imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikipe dia%2Fcommons%2F6%2F66%2F%2525C3%252589tienne- Louis_Boull%2525C3%2525A9e_Memorial_Newton_Night.jpg&w=1080&h=616&ei=RrrmUlrBzr UGuPKAsAg&zoom=1&iact=rc&dur=991&page=1&start=0&ndsp=23&ved=0CFUQrQMwAA

ABB. 131, Supraportenrelief, Josef Hoffmann, 1902 (nicht erhalten), Gipsschnitt http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=wTglSuN_CH0OcM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.woka.com%2Fde%2Fdesign %2Fdesigner%2Fjosef- hoffmann%2F&docid=zG1lFpb3MNAOXM&imgurl=http%3A%2F%2Fwww.woka.com%2Ffileadm in%2Fuser_upload%2Finfoseiten%2Fsuppraportenrelief.jpg&w=300&h=292&ei=37vmUrugHMit tAar6oGQAg&zoom=1&iact=rc&dur=489&page=1&start=0&ndsp=28&ved=0CFcQrQMwAA

ABB. 132, Villa Henny, Robert van ’t Hoff, 1915-19, Huis ter Heide http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=OouCqQH6k44rVM%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.albertvleer.nl%2F%3Fattach ment_id%3D282&docid=QL4f_LMfDNThiM&imgurl=http%3A%2F%2Fwww.albertvleer.nl%2Fsite %2Fwp- content%2Fuploads%2F2007%2F02%2Fseminar02.jpg&w=600&h=450&ei=ZbzmUrikFo_GswbNs QE&zoom=1&iact=rc&dur=2621&page=1&start=0&ndsp=22&ved=0CHsQrQMwDA

142 ABB. 133, Haus Schröder, Gerrit Rietveld, 1924, Utrecht http://www.google.de/imgres?client=safari&sa=X&rls=en&biw=1280&bih=738&tbm=isc h&tbnid=lTQ7HA5G85NS_M%3A&imgrefurl=http%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2Fwiki%2FGerri t_Rietveld&docid=UWPlai3Ty9ZTDM&imgurl=http%3A%2F%2Fupload.wikimedia.org%2Fwikipe dia%2Fcommons%2F9%2F9c%2FRietveldSchroederhuis.jpg&w=2048&h=1536&ei=lL3mUuiyBM KTtAaT9YDwCg&zoom=1&iact=rc&dur=1171&page=1&start=0&ndsp=24&ved=0CGEQrQMwAQ

ABB. 134, Kriegerdenkmal Semmering, Bohumil Hübschmann, 1903; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 9

ABB. 135, Skizze, Josef Plecnik, 1899; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Abb. 58

ABB. 136, Skizze, Emil Hoppe, 1902; Graf, Die vergessene Wagnerschule, Wien: 1969, Abb. 59

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LITERATURVERZEICHNIS

Buchquellen

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Klimt und die Kunstschau 1908 im Wiener Belvedere - Die Rheinische Kulturraumverdichtung

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Klimt und die Kunstschau 1908 im Wiener Belvedere Die schöne Danae und Nippesgedöns

Das Untere Belvedere in Wien zeigt noch bis Mitte Januar 2009 die Ausstellung 'Gustav Klimt und die Kunstschau 1908'. Die damalige Leistungsschau der Wiener Moderne wird darin anhand von Fotographien, Modellen und Entwürfen umfassend dokumentiert und das Gros der seinerzeit ausgestellten Exponante in teils rekonstruierten Räumlichkeiten der Originalausstellung anschaulich gemacht.

Die muss sehr eindrucksvoll gewesen sein, diese “Kräfterevue österreichischen Kunststrebens”, wie Klimt sie nannte. Im Sommer 1908 konnte die Künstlergruppe um Gustav Klimt unweit des Wiener Schwarzenbergplatzes ein halbes Jahr lang ihr ästhetisches Konzept von einer Durchdringung des Lebens durch die Kunst inszenieren. Ein Gesamtkunstwerk, “Lebenskunst”, die als Parallelaktion zu den Feierlichkeiten zum sechzigsten Thronjubiläum von Kaiser Franz Joseph I., die alte Ordnung auf dem Feld der Kunst zugleich herausforderte. Als Motto über der Eingangshalle zum Ausstellungskomplex stand ein Zitat von Thomas Carlyle:

Der Untergang des Alten ist verkündet und ist unwiderruflich. Das Alte ist dahingegangen. – Aber ach, das Neue erscheint noch in den Geburtswehen um das Neue.

[Das ist übrigens reichlich verschwurbelt übersetzt. Bei Carlyle ist es die Zeit, die mit dem Neuen noch in den Wehen liegt, nicht das Neue selbst - das macht ja auch anders gar keinen Sinn: The doom of the Old has long been pronounced, and irrevocable; the Old has passed away: but, alas, the New appears not in its stead; the Time is still in pangs of travail with the New.]

149 Die Dissidenten der Secession

Drei Jahre zuvor war Klimt und sein Kreis aus der Wiener Secession ausgetreten: Es hatte Streit um ästhetische und kommerzielle Ausrichtung der Künstlervereinigung gegeben. Nachdem nun diese Dissidenten der Secession in den Folgejahren keine Möglichkeit für eine umfassende Gruppenausstellung gefunden hatten, bot das Kaiserjubiläum Abhilfe, öffentliche Gelder flossen, ein Baugrund stand bereit.

Auf dem rund 6.500qm großen Gelände neben dem Eislaufverein wurde einige Jahre später das Akademietheater und das Konzerthaus gebaut. Jetzt erstmal aber ließ der Architekt Josef Hoffmann in wenigen Wochen ein System von Ausstellungsgebäuden aus Holz errichten, das selbst Kunstrang beanspruchte. Das einstöckige Geflecht aus Galerien, Ausstellungssälen, Kabinetten, Höfen und Gärten integrierte über eintausend Exponate von knapp 180 Künstlern. Ziel war es, im Sinne des Gesamtkunstwerks, alle Lebens- und Kunstbereiche zu umfassen und zusammen zu führen: von der Kunst des Kindes bis zu einer kleinen, von Karl Bräuer entworfenen, Friedhofsanlage, von der Architektur über Bildhauerei, Malerei, Graphik bis zum Kunstgewerbe der Wiener Werkstätte und weiter zu einem Musikzimmer und einem Freilufttheater. In letzterem wird u.a. Kokoschkas Skandalstück “Mörder, Hoffnung der Frauen” uraufgeführt.

Ökonomisch war die Kunstschau nicht gerade erfolgreich: knapp 40.000 Besucher reichten nicht zur Refinanzierung, die Abschlussrechnung wies einen Fehlbetrag von 76.000 Kronen aus und der Verkauf der ausgestellten Werke war eher schleppend. Zumindest was die Besucherzahlen angeht, wird die Jubiläumsausstellung sicher erfolgreicher sein.

Klimts Kirche der Modernen Kunst

Höhepunkt jener Kunstschau wie dieser Jubiläumsausstellung war und ist ohne Zweifel der Gustav Klimt Saal, die “Gustav Klimt Kirche der Modernen Kunst” hat der Wiener Kaffeehausliterat Peter Altenberg den seinerzeit genannt – und damals lag dieser Saal zwischen einem Raum mit sakraler Kunst auf der einen und der oben aufgezählten Friedhofsanlage auf der anderen Seite. Ein siebzehn Meter langer, fast sieben Meter breiter und knapp viereinhalb Meter hoher Saal, dezente Ornamente an den weißen Wänden – das hat etwas protestantisch Sachliches als Folie für das Barocke von Klimts Malerei der goldenen Periode. Das Belvedere hat den Raum rekonstruiert und das Fehlen jener Bilder, die nicht für die Ausstellung geliehen werden konnten, durch Schwarzweißreproduktionen markiert. An den Stirnseiten hängen sich die formatgleichen Das Liebespaar (Der Kuss) und Die Drei Lebensalter gegenüber, seitlich abwechselnd Blumenlandschaften und die großen Frauenportraits, darunter das majestätische Portrait der Fritza Riedler. Diese sakrale Inszenierung der Kunst würde meinem alten Dorfpfarrer nicht wirklich gefallen, schon gar nicht die schöne Danae im Moment der Schwängerung durch den Goldregen des Zeus – und ich bin mir nicht sicher, ob mein Wohlgefallen an dieser Danae gänzlich interesselos ist.

Was an Malerei ansonsten im Belvedere zusammen getragen ist, hält den Vergleich damit nicht aus, ausgenommen Adolf Hölzels Anbetung der Engel in Grün: eine weit in die Abstraktion getriebene Marienhuldigung, deren kontrastierend gegeneinander gesetzte Farbflächen eine sehr mächtige Wirkung von Dynamik und zugleich von großer Seelenruhe macht. Für meine

150 areligiöse Seele gibt es dagegen Labsal im graphischen Kabinett vor den sehr hübschen Aquarell- Halbakten von Kokoschka und vor den Farbholzschnitten von Carl Anton Reichel.

Reklame und Nippes

Ein weiterer Raum, der im Belvedere rekonstruiert ist: der seinerzeit von Berthold Löffler gestaltete Raum für Plakatkunst, in dem sämtliche Wandflächen deckenhoch mit Reklamearbeiten beklebt sind, vornehmlich Löfflers eigene Werke und die seiner Schüler aus der Kunstgewerbeschule. Mit “Heiterkeit und Phantasie” sollte diese Collage “dem Auge des Eintretenden” entgegen kommen, das funktioniert noch heute.

Ansonsten: Viel Nippesgedöns aus der Wiener Werkstätte, das sicher seine Liebhaber unter den Ausstellungsbesuchern findet, Monumentalplastiken von Franz Metzner, die ich sehr unangenehm heroisch-pathetisch finde, spannende Bühnen- und Kostümentwürfe von Czeschka, Roller und Orlik im teilweise rekonstruierten Raum der Theaterkunst. Viel dekorative Gebrauchskunst. Der hübsche, rekonstruierte Raum mit der “Kunst für das Kind”. Für jeden etwas also.

Der Katalog zur Ausstellung ist im Prestel Verlag erschienen und ist 560 Seiten und dreieinhalb Kilogramm schwer. Die Herausgeber sprechen selbstbewusst davon, er könne “die Qualität eines neuen Standard-Nachschlagewerks der Wiener Kunst um 1900 beanspruchen” – mag sein. Die Sachinformationen jedenfalls sind umfassend, die Reproduktionen sind ausgezeichnet und das Ding ist seine 38 Euro (Museumsausgabe) mehr als wert. Ich könnte den Katalog uneingeschränkt empfehlen, wenn nur auch der Ausstellungsplan von 1908 wiedergegeben wäre. Immerhin ist der Katalog nach den damaligen Räumlichkeiten strukturiert und im Text wird gefühlte einhundert Mal auf diesen Plan verwiesen, ohne ihn selbst wiederzugeben. Dafür muss man sich den Reprint des Katalogs von 1908 besorgen (9,90€), hätte ich ja auch gemacht, wenn mir’s nur jemand gesagt hätte.

Gustav Klimt und die Kunstschau 1908. Unteres Belvedere, Wien. 01.10.2008-18.01.2009. K: Alfred Weidinger.

Dieser Eintrag wurde im Oktober 2008 veröffentlicht und wurde zugeordnet zu: Ausstellung, Bildende Kunst, Wien. Sie können Reaktionen auf diesen Eintrag über diesen RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar abgeben, oder einen Trackback zu ihrer eigenen Seite hinterlassen.

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151 http://www.hietzing.at/Bezirk/geschichte2.php?id=285

Hietzing › Der 13. Bezirk › Villa Bahr

Daten Baujahr: 1899/1900 Architekt: Joseph Maria Olbrich Bauherr: Hermann Bahr

Fotogalerie Villa Bahr

Von J. M. Olbrich für den Dramatiker Hermann Bahr erbaute Villa im Stil eines süddeutschen Bauernhauses.

„Und erinnern Sie sich, wie wir voriges Jahr in St. Veit auf der Höhe standen? Es war im Herbst, Sie steckten den Platz für mein Haus ab. Tief unten liegt die Stadt in Dampf und Dunst, rings rauscht es aus Gärten, hier ist Alles rein und frei. (...) Und ich höre Sie heute noch, wie Sie mit Ihrer festen und heiteren Stimme sagten: Stil! Englisch! Secession! Was sind das für alberne Worte! Jeder soll machen, was er fühlt, wie er's eben fühlt – mit der Zeit wird sich's dann schon zeigen, was er wert ist!'“ (Hermann Bahr in „Secession“. S. VII) An der Grenze Ober-St. Veits zum Lainzer Tiergarten ließ der Dramatiker und Kritiker Hermann Bahr (1863–1934) von J. M. Olbrich für sich und seine Frau eine im Typus dem süddeutschen Bauernhaus verwandte Villa errichten.

Der Baugrund – ehemalige Weingärten – gehörte zwischen 1886 und 1893 den alteingesessenen Ober-St.Veiter Familien Puraner und Glasauer, 1893 wurde er von dem Direktor des Deutschen Volkstheaters, Emmerich von Bukovics, erworben, der auf dem Areal 1899 eine Villa in historistischem Stil erbauen ließ (heute stark verändert). Einen Teil dieses Grundstückes verkaufte er an H. Bahr. Diese Tatsache fand auch in einem Ehrenbeleidigungsprozeß gegen den Herausgeber der Zeitschrift „Die Fackel“, Karl Kraus, Erwähnung. H. Bahr war von dem Beklagten der nicht stichhältige Vorwurf gemacht worden, aufgrund seiner positiven Kritiken der Aufführungen des Deutschen Volkstheaters von dessen Direktor den Baugrund geschenkt erhalten zu haben. Tatsächlich wurde jedoch ein Kaufvertrag zum üblichen Preis abgeschlossen. Daß es sich um einen Freundschaftsdienst E. v. Bukovics' an H. Bahr gehandelt haben mag, versucht der Verteidiger von K. Kraus in dem Prozeß mit den folgenden Worten zu erläutern: „Wenn man eine so schöne Aussicht hat wie Herr v. Bukovics aus seiner Villa, so muß man

152 schon ganz besonders gefällig sein, wenn man sich so ein secessionistisches Haus wie das goldene Krauthäuptel auf der Wienzeile (Heiterkeit) vor die Nase bauen läßt.“

In der ruhigen Abgeschiedenheit entstand ein Haus, das in den Jahren 1900 bis 1912 zu einem Treffpunkt des künstlerischen Wien werden sollte. Zu den Gästen zählten , , Richard Beer-Hofmann, Gustav Klimt, Kolo Moser, Otto Wagner, Joseph Maria Olbrich, weiters nach der 1909 geschlossenen zweiten Ehe Bahrs mit der Hofopernsängerin und -Interpretin Anna von Mildenburg und .

1912 übersiedelte H. Bahr nach Salzburg, wohin er auch die von J. M. Olbrich entworfenen Möbel mitnahm.

1914 wurde durch den Stadtbaumeister Friedrich Gurtmann eine Erweiterung des gesamten Baues gegen Süden vorgenommen, durch die im Parterre die Vergrößerung der Halle, im ersten Stock der Einbau eines Studierzimmers sowie im Dachgeschoß die Einrichtungen eines zweiten Bades und einer Garderobe erfolgten. Bereits 1916 wird das Haus als unbewohnt und baufällig beschrieben; die Holzdekorationen befanden sich durch Witterungseinflüsse in desolatem Zustand. Sie bestehen heute nicht mehr.

Eine weitere Adaptierung führte 1955 Paul Berghof durch. Im Osten wurde eine Garage mit darüberliegender Terrasse angebaut, im Haus selbst veränderte man Tür- und Fensteröffnungen, einige Scheidemauern wurden abgetragen. [...]

Quellennachweis:

Dieser Artikel ist ein Auszug aus den Büchern „In Hietzing gebaut, Band I und II“ von Gerhard Weissenbacher, erschienen im Verlag Holzhausen Buchbeschreibung

Franziska Lainzerin

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