Dies sind im wesentlichen auch die Bestimmungsfaktoren, die die Grenzen und Möglichkeiten deutsch-deutscher Politik des aus• gehenden 20.Jahrhundert umreißen.

Anmerkungen:

Vgl. 1heodor Schramm, Das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur DDR nach dem Grundvertrag, 2. Auflage Köln U.a. 1975. RudolfSchuster, Deutschlands staatliche Existenz im Widerstreit politischer und rechtlicher Gesichtspunkte 1945 -1963 (= Forschungsinstitut der Deut• schen Gesellschaft für Auswärtige Politik), Bd. 20, München 1963. Jens Hacker, Der Rechtsstatus Deutschlands aus der Sicht der DDR (= Ab• handlungen zum Ostrecht Bd. 13), Köln 1974 und ders., Deutsche unter sich. Politik mit dem Grundvertrag, Stuttgart 1977. Kay-Michael Wilke, Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokrati• sche Republik (= Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht, Bd. 4). 1976. 2 Stellvertretend für andere: Potsdarn und die deutsche Frage (mit Beiträgen von Deuerlein, Fischer, Menzel, Wenig) Köln 1970. Alfred Jüttner, Die deut• sche Frage. Eine Bestandsaufnahme, Köln u.a. 1971 oder Wolf D. Gruner, Die deutsche Frage, München 1985. 3 Als Ausnahme von der Regel mag hier etwa Günther Schmid, Politik des Ausverkaufs? Die Deutschlandpolitik Brand / Scheel, München 1975, gelten. Und: Margit Roth, Zwei Staaten in Deutschland, Opladen 1981 4 Vgl. etwa Institut für Internationale Politik und Wirtschaft der DDR (Hrsg.), Abrüstung-Überlebensfrage der Menschheit, Berlin(O) 1987. 5 Im Kern hebt die Konvergenzthese auf eine wachsende Ähnlichkeit der bei• den Systeme (Sozialismus und Kapitalismus) ab. Vgl. hierzu kritisch etwa Wilfried von Bredow, Vom Antagonismus zur Konvergenz? Studien zum Ost-West-Problem, Frankfurt/M. 1972. Mit der Divergenzthese (die insbesondere von DDR-Publizisten kommt, wie Rose, wird die Andersartigkeit von "Sozialismus" behauptet (siehe auch v. Bredow, a.a.O., S. 129-133). Der Begriff "Kommutation" ist in der westlichen Friedensforschung disku• tiert worden. Er ist aus der Ablehnung sowohl der Konvergenz- als der Di• vergenzthese entstanden. "Anstelle von Konvergenz, der illusionären Vor• stellung automatischer Annäherung, tritt Kommutation als Vorstellung und Forderung der Annäherung durch gemeinsame Gesellschaftsreform (LO.gesp., WB). Kommutation heißt, sich miteinander wandeln ... mit dem Ziel der gemeinsamen Umgestaltung der Systeme zu sozialistischen Demo• kratien." So ßblter Möller / Fritz Vilmar, Sozia1istische Friedenspolitik für Europa (= rororo-aktuell), Reinbeck 1972, S. 118. 6 Gerda Zellentin (Hrsg.) Annäherung, Abgrenzung und friedlicher Wandel in Europa (= Deutsche Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung,

224 Bd. 2), Boppard a. Rhein 1976, hier S. 33 in der editorischen Einleitung der Herausgeberin. 7 Bernard Willms, Zur Dialektik von Kooperation und Abgrenzung im Ent• spannungsprozeß zwischen Ost und West, in: Zellentin (s. Anm. 6), S. 69. 8 Diese Feststellung gilt auch unter Berücksichtigung des Buches von Werner Link, Der Ost-West-Konflikt, Stuttgart 1980, in dem der Autor wichtige Er• kenntnisse über den Ost-West-Konflikt vermittelt und weiterführende Ele• mente für die Analyse intersystemarer Beziehungen präsentiert. Über die politischen, ökonomischen, militärischen und humanitären Kom• ponenten der Ost-West-Beziehungen finden sich Analysen in: Wilhelm Bruns (Hrsg.), Die Ost-West-Beziehungen am Wendepunkt?, Bonn 1988. 9 Vgl. Ernst-o. Czempiel, Friede als Strategie für Systemwandel in: Manfred Funke (Hrsg.), Friedensforschung-Entscheidungshilfe gegen Gewalt, Mün• chen 1975, S. 177 - 200. Nachdem die DDR lange Zeit einen erweiterten Sicherheits- und Friedens• begriff, der über das Militärische hinausging, abgelehnt hat, arbeitet sie nun mit an der Formulierung des "positiven Friedens", vgl. Wilhelm Bruns, Was ist neu am "neuen Denken" in der DDR? in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 13 /1987, S. 3 -14. 10 Vgl.Peter C. Ludz, Die DDR zwischen Ost und West. Von 1961 bis 1976, München 1977. Zu berücksichtigen ist hier auch Klaus v. Beyme, Ökonomie und Politik im Sozialismus, München/ Zürich 1975. 11 Ansätze bei Bernd Kregel, Außenpolitik und Systemstabilisierung in der DDR, Opladen 1979. 12 Zur Preußen-Renaissance vgl. Ernst Engelberg, Bismarck, Berlin(O) 1985. 13 Eine authentische Vertragsinterpretation des deutsch-deutschen Grundla• genvertrages gibt der an den Verhandlungen beteiligte Diplomat Benno Zün• dO/1tPseudonym), Die Ostverträge, München 1979, hier insbes. S. 211ff. Et• was Vergleichbares aus der Sicht der DDR gibt es nicht! 14 Zitiert nach: Texte zur Deutschlandpolitik (Herausgeber: Bundesrninisterium für innerdeutsche Beziehungen) Oktober 1976, Reihe lI/Band 3, hier S. 18. 15 Schmidt, (Anm. 141, S.19). 16 Klaus Bollinger / Rainer Hagen, Die Perspektiven der Entspannung und die sowjetisch-amerikanischen Beziehungen, in: Deutsche Außenpolitik (DAP), 21. Jg. (1976), H. 5, S. 673 -686, hier S. 675. Vgl. auch das Interview mit in: Die ZEIT v. 30.1.1986. 17 G. Rosanow, Eine neue Etappe in den Beziehungen: UdSSR - entwickelte kapitalistische Länder, in DAP 21. Jg. (1976) H. 5, S. 686-697, hier S. 692. 18 Überschrift "Keine Diskussionen, nur Hin und Her, in: Die ZEIT vom 18.3.1977, S. 3. 19 Vgl. etwa Link (Anm. 8), Raymond Garthoff, Detente and Confrontation, Washington 1985 und Wilfried Loth, Die Teilung der Welt 1941- 1955, 2. Aufl. München 1982. 20 Siehe hierzu die Dokumentation von H. Siegler, Wiedervereinigung und Si• cherheit Deutschlands, Band I, 1944-1963 (= Dokumentationen der Deut• schen Gesellschaft für Auswärtige Politik), sechste erweiterte Auflage, Bonn / Wien / Zürich 1967.

225 21 Vgl. hierzu R. Morsey / K. Repgen (Hrsg.), Adenauer Studien, Band lli. Un• tersuchungen und Dokumente zur Ostpolitik und Biographie. Klaus Gotto präsentiert hier den sog. Globke-Plan. Kemgedanke: Die "Wiedervereini• gung" Deutschlands sollte unter der Voraussetzung versucht werden, daß die Bewohner der DDR das Selbstbestimmungsrecht erhalten. Es sollte funf Jahre nach Vertragsabschluß in beiden Teilen Deutschlands eine Volksab• stimmung über die Wiedervereinigung geben. Vgl. auch Rw:lolf Schuster Verfahrensvorschläge zur Wiedervereinigung Deutschlands, 1949 - 1959, Frankfurt/M. o.J. (1959). 22 Erstmalig wurde am 31.12.1956 von Kfllter Ulbricht die Konförderation als Übergang zur Wiedervereinigung vorgeschlagen. Kemgedanke: Nachdem in Deutschland zwei Staaten mit verschiedenen gesellschaftlichen Systemen bestehen, ist es notwendig, zunächst eine Annäherung der beiden deutschen Staaten herbeizufiihren, später eine Zwischenlösung in Form der Konföde• ration zu finden, bis es möglich ist, "die Wiedervereinigung und wirklich demokratische Wahlen zur Nationalversammlung zu erreichen." (Zitiert nach Siegler, Anm. 20, S. 86). 23 Hacker, Rechtsstatus ... (Anm. I), S. 445. 24 Eine solche Fallstudie findet sich bei Gerhard Wettig. Die Sowjetunion, die DDR und die Deutschland-Frage 1965-1976, Stuttgart 1976, hier S. 118ff. 25 So der Chefredakteur des Neuen Deutschland, Günter Kertzscher, in: ND 17. August 1974, S. 9. 26 Heinrich End. Zweimal deutsche Außenpolitik, Köln 1973. 27 Eberhard Schulz. Die DDR als Gegenspieler der Bonner Ost-Politik, in: Europa Archiv 8/ 1971, S. 287f. 28 Nikita S. Krushchev. On PeacefuJ Coexistence, in: Foreign Affairs. Vol. 38 (1959), No. I, pp. 1-18, hier p. 10. 29 In: R. Löwenthal / H.P. Schwarz. Die zweite Republik. 25 Jahre Bundesre• publik Deutschland - eine Bilanz, Stuttgart 1974, S. 926-959, hier S. 935 und S. 936. 30 Die Abkopplung von "deutscher Frage" und internationaler Entspannung und Abrüstung ist sorgfältig analysiert und dokumentiert bei Helga Haften• dom. Abrüstungs- und Entspannungspolitik zwischen Sicherheitsbefriedi• gung und Friedenssicherung. Zur Außenpolitik der Bundesrepublik 1955-1973, Düsseldorf 1974, hier insbes. S. 55-59. 31 Vgl. Wolfram F. Hanrieder. Die stabile Krise. Ziele und Entscheidungen der bundesrepublikanischen Außenpolitik 1949-1969, Düsseldorf 1971. Die Nichtanerkennungspolitik der Bundesrepublik gegenüber der DDR wurde innenpolitisch immer mehr als Nachteil identifiziert, vgl. etwa Peter Ben• der, Zehn Gründe fur die Anerkennung der DDR, Frankfurt/M. 1968. S. auch in jüngster Zeit: Peter Bender, Neue Ostpolitik, München 1986. 32 Zitiert bei Günther Schrnid (Anm. 13), S. 17. 33 Abgedruckt in: Die Auswärtige Politik der Bundesrepublik Deutschland (herausgg. vom Auswärtigen Amt), Köln 1972, S. 208ff. Hier ist insbeson• dere der Artikel 7 interessant. 34 VgI. Wilhelm Bruns, Die UNO-Politik der DDR, Stuttgart 1978. 35 Vgl. Bruns (Anm. 8).

226 36 Bulletin. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 13/1973, S. 109. 37 Siehe das Urteil im Dokumentenanhang am Schluß des Buches (vgl. auch Georg Rees, Die Rechtslage Deutschlands nach dem Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972, Berlin u.a. 1978). 38 Vgl. etwa die abgewogene und dennoch sehr kritische Bewertung des Urteils bei Wilke (Anm. 1), S. 137ff. 39 So Nikolaj Petersen, Deutschland-Politik aus nordischer Sicht, in: Europa• Archiv 9/1977, S. 285 - 292, hier S. 285. Petersen hebt hervor, daß die Moti• vation für eine breite Anerkennungsbewegung etwa im skandinavischen Raum weniger "von Sympathie für das Gesellschaftssystem als Opposition gegen den außenpolitischen Kurs der Regierung" getragen wurde (S.285). 40 w'UiIgner, Ein Modus vivendi in Deutschland. Der Grundvertrag und seine Bedeutung für Europa, in: Europa-Archiv 1/1973, S. 1-6, hier S. 4. 41 Durchaus repräsentativ bei Harald Neuben, Der antiimperialistische Kampf und die Politik der friedlichen Koexistenz, Berlin(O) 1974, S. 39f. 42 Paul Vemer (damaliges Mitglied des Politbüros) in: ND v. 7.11.1974, S. 3. 43 K. H. Domdey / J. L. Schmidt (Hrsg.), Europäische Sicherheit und internatio• nale Wirtschaftsbeziehungen, Berlin (0) 1970 (hier zitiert nach der westdeut• schen Ausgabe, Frankfurt1M. 1970) S. 126. 44 Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktionen der SPD, FDP "betr. Deutschlandpolitik", BT-Drucksache 7/2933 (vom 6.12.1974), S. 2. 45 Bei Knrlheinz Niclauß, Kontroverse Deutschlandpolitik. Die politische Aus• einandersetzung in der Bundesrepublik Deutschland über den Grundlagen• vertrag mit der DDR, Frankfurt1M. 1977. 46 Abgedruckt in: Europa-Archiv 8/1970, D 190-193. 47 So der damalige DDR-Außenrninister Otto Winzer "zur Begründung des Vertrages über die Grundlagen" der Beziehungen zwischen der Bundesrepu• blik und der DDR, in: ND 14.6.1973, S. 3f. "Tragender Pfeiler des Vertrages ist die in Artikel 2 niedergelegte Verpflichtung ...". Interessant auch die Be• merkung: "Die DDR ist kein Inland der Bundesrepublik und die Bundesre• publik kein Inland der DDR." Die Positivwendung, daß die Bundesrepublik für die DDR Ausland sei, erwähnte Winzer nicht. 48 Vgl. hierzu Wilhelm Bruns. Die beiden deutschen Staaten in der UNO, in: Deutschland-Archiv 8. Jg. (1975), H. 6, S. 592-601, hier S. 599. 49 Hermann Axen, Zur Entwicklung der sozialistischen Nation in der DDR. Berlin (0) 1973, S. 19. Kritisch zum DDR-Begriff von der Nation siehe Peter C. Ludz. Die DDR zwischen Ost und West. Von 1961 bis 1976, München 1977, hier insbes. S. 221ff. 50 So Alfred Kosing /Walter Schmidt, Zur Herausbildung der sozialistischen Nation in der DDR, in: Einheit 29. Jg. (1974), H. 2, S. 182f. 51 Vgl. etwa Gebhard Schweigler, Nationalbewußtsein in der Bundesrepublik und der DDR (= Studien zur Sozialwissenschaft), Düsseldorf 1973. Gene• rell zur Problematik: Banhold Witte, Die deutsche Nation nach dem Grund• vertrag, in: Europa-Archiv 7/1973, S. 2Zl-234. 52 Zitiert nach: Außenpolitische Korrespondenz (AK) Nr. 38/1977, S. 298.

227 Honecker fUgte hinzu: "Wir erwarten, daß die Bundesrepublik der Staatsbür• gerschaft der DDR, die sich aus dem Völkerrecht ergibt, Rechnung trägt" (S. 298). 53 Bundesminister Franke vor dem Ausschuß fUr innerdeutsche Beziehungen des Deutschen Bundestages, zit. nach: Woche im (wib) 7/14177-XIV/9, S. Zl. 54 So Gerhard Riege, Völkerrechtliche Beziehungen und Staatsbürgerschaft, in: Deutsche Außenpolitik (DAP) 19. Ig. (1974), H. 2., S. 382-404, hier S. 382 und S. 384. Die DDR hatte noch in ihrer ersten Verfassung (von 1949) den Satz enthalten: "Es gibt nur eine deutsche Staatsangehörigkeit" (Art. 1). Vgl. die Position der DDR "Die Ausübung der Personalhoheit eines Staates be• schränkt sich ausschließlich auf eigene Staatsbürger", in: ND 30.1.1985, S. 2. 55 Ernst Q Maetllce, Grundgesetz-Deutsche, in: FAZ v. 2.9.1977, S. 1. 56 So der DDR-Völkerrechtler Bemhard Graefrath, "Wie eine preußische Erb• krankheit", in: SPIEGEL (Interview) Nr. 5/1975, S. 20. 57 VgI.Karl-M. Meessen, Das Problem der deutschen Staatsangehörigkeit nach dem Grundvertrag, in: Europa-Archiv 1511973, S. 515 -524, hier S. 524. Siehe auch die Problemstudie von Ingo von Münch, Die deutsche Staatsan• gehörigkeit am Scheideweg? in: liberal 17. Ig. (1975) H. 7, S. 486-499. Fa• zit: Die jetzige Regelung ist zwar kompliziert, aber nicht die schlechteste. 58 Studio Bonn berichtet, RIAS vom Zl.3.1977, zitiert nach Dettmar eramer, Innerdeutsche Beziehungen besser als ihr Ruf? in: Deutschland-Archiv 10. Ig. (1977) H. 6, S. 561-565, hier S. 562. 59 Regierungserklärung zur Lage der Nation am 30. Ianuar 1975, zitiert nach: Bundesministerium fUr innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), Texte zur Deutschlandpolitik Reihe 11 1Band 3 (Oktober 1976), S. 9. 60 Otto Winzer in: ND 14.6.1973, S. 4. Beachtenswert ist der konzessive Neben• satz (eingeleitet mit "soweit dies . . ."), der semantisch der Hauptsatz ist. 61 Wilhelm &wenig, Sonderprobleme einer deutschen Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen, in: Scheuner/Lindemann (Hrsg.). Die Vereinten Na• tionen und die Mitarbeit der Bundesrepublik Deutschland, München 1Wien 1973, S. 3CJl- 338, hier S. 333. 62 Herwig Roggemann, Die DDR-Verfassungen (= Quellen zur Rechtsverglei• chung), Berlin(W) 1976, S. 35, siehe auch S. '57ff. Vgl. Edzard Schmidt• Jortzig, "gleichberechtigte" und "besondere" Beziehungen der beiden deutschen Staaten durch den Grundvertrag, in: Deutschland Archiv 6. Ig. (1973) H. 11, S. 1146 -1 158. 63 Abgedruckt beiFriedrich K. von Plehwe, Internationale Organisationen und die modeme Diplomatie (= Deutsches Handbuch der Politik, Bd. 6), Mün• chen/Wien 1972, hier S. 211-2'57. 64 Vgl. etwa Hans-H. Mahnke, Die Ständigen Vertretungen der beiden Staaten in Deutschland, in: Iahrbuch fiir Internationales Recht, Berlin(W) Bd. 17 (1984), S. 36-58. Siehe auch Dieter Blumenwitz, Die Errichtung Ständiger Vertretungen im Lichte des Staats- und Völkerrechts (= Völkerrecht und Außenpolitik), Baden-Baden 1975. Die DDR versucht, ihre Ständige Vertre• tung in Bonn in eine Reihe zu stellen mit ihren sonstigen diplomatischen Vertretungen.

228 65 So die DDR in einem Aide-memoire am 7:1. Januar Itn7, das Günter Gaus in Ost-Berlin übergeben wurde (zit. nach: Außenpolitische Korrespondenz (AK) 51 Itn7, S. 40). 66 Vgl.Wilhelm Bruns, Was ist neu am Neuen Denken in der DDR? in: Aus Po• litik und Zeitgeschichte 13 1 1987, S. 3 - 14. 67 Vgl. Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit, Bonn 1987. Dazu kommentierend Erhard Eppler, Wie Feuer und Wasser, Reinbek 1988 und Rüdiger Thomas, Koexistenz und Streitkultur, in: DDR-Report 1/1988, S. 1-4. 68 Vgl. Wilhelm Bruns, Gibt es in der DDR eine neue Theorie der internationa• len Beziehungen? in: DDR-Report 3/1988, S. 129 - 132. 69 v. Bredow (Anm. 5) S. 140. 70 So in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU "Deutschlandpolitik", Bundestagsdrucksache 8/255 (v. 4.4.ltn7), S. 2. 71 Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU 1CSU ("Deutschlandpolitik") Drucksache 7 12 934 (6.12.ltn4), S.1. 72 Anm. 71, S. 2 (Dies gilt bis heute fort). 73 In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" vom 18.3.ltn6, S. 1. 74 Vgl.Wilhelm Bruns, Kooperation oder Konflikt? in: Frankfurter Hefte 29. Jg. (1974) H. 2, S. 79f. 75 Vgl.llse Spittmann, Risiken des Wandels, in: Deutschland-Archiv 10. Jg. (1977) H. 3. S. 225-229. 76 Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor dem Deutschen Bundestag am 16.Dezember Itn6, abgedruckt in: Bulletin, Presse- und Inforrnationsamt der Bundesregierung, Nr. 135 (ltn6) S. 1285ff., hier S. 1305f. 77 Problematisierend durch Ublf-Rüdiger Baumann, Innerdeutsche Städtepart• nerschaften haben Konjunktur, in: Deutschland-Archiv 12 1 1987, S. 1235-1238. 78 Beate Schneider, Konflikt, Krise und Kommunikation. Eine quantitative Ana• lyse innerdeutscher Politik, München Itn6, S. 210. 79 Autorenkollektiv (Hrsg.) Friedliche Koexistenz in Europa Berlin(O) Itn7, S. 216. 80 Nr. 1/1988, S. 10 und S. 22. 81 Harald Schliwa, Individuelle Freiheit in Geschichte und Gegenwart, Ber• Iin(O) 1988, S. 296. 82 Vgl.Herwig Roggemann, Grenzübertritt und Strafrechtsanwendung zwischen beiden deutschen Staaten. Anmerkungen zum Fall Weinhold, in: Zeitschrift für Rechtspolitik, 9. Jg. (ltn6) H. 10, S. 243-248 und Horst Ubesner, Deutsch-deutsche Strafrechtskonflikte, ebenda, S. 248 -250. 83 Kleines politisches Wörterbuch, Berlin(O)2 1m, S. 475. Vgl. die kritische Studie von Hans lindemann / Kurt Müller, Auswärtige Kulturpolitik der DDR, Bonn-Bad Godesberg Itn4, wo die auswärtige Kulturpolitik als Ab• grenzungspolitik beschrieben wird. Vgl. auch: Autorenkollektiv, Zur Geschichte der Kulturpolitik in der BRD, Berlin(O) 1987, hier insbes. S. 195 - 223. 84 Vgl. hierzu die Zusammenstellung von Namen, die die DDR verlassen haben,

229 in: FAZ vom 30.8.1977, S. 17 "Die Abwanderung des Geistes aus der DDR: eine Chronik" Siehe auch Jtlrgen Rühle, Kein Platz für Poesie, in: Deutschland-Archiv 10. Jg. (1977) H. 9, S. 897f. 85 Vgl. die Übersicht von Ernst Martin, In guter Papierform, in: Die ZEIT 19.6.1987, S. 23. 86 Vgl. Völkerrecht, Teil 1 (herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft fiir Völkerrecht beim Institut für Internationale Beziehungen an der Akademie fiir Staats- und Rechtswissenschaft der DDR), Berlin(O) 1973, S. 328. 87 "Friedliche Koexistenz und ideologischer Kampf zwischen Sozialismus und Imperialismus" in: IPW-Berichte 5. Jg. (1976) H. 2, S. 2-20, hier S. 9 (Überschrift "Meinungsaustausch") . 88 Vgl. ND v. 18.5.1988, S. 1 oder Vtto Reinhold, Was Menschenrechte im So• zialismus garantieren: Ein sinnerfiilltes Leben in sozialer Sicherheit, in: ND 26./27.3.1988, S. 8. 89 Vgl. etwa Kilrl W. Fricke, Zwischen Resignation und Selbstbehauptung. DDR-Bürger fordern Recht auf Freizügigkeit, in: Deutschland -Archiv H. 11 1 1977, S. 1135 - 1139. Vgl. auch &kan Krüger, Menschenrechtsrealisie• rung nach der KSZE? In: Delbrück I Rnpers lZellentin, Grünbuch zu den Folgewirkungen der KSZE (= DGFK-Veröffentlichungen Nr. 3), Köln 1977, S. 177 - 195. Vgl. auch Uwe Ziegler, Menschenrechte im Ost-West-Konflikt. Das Beispiel DDR, in: Bruns (Anm. 8). 90 Vgl. hierzu Wilhelm Bruns, Die Diskussion über Menschenrechte. Zu eini• gen politischen und völkerrechtlichen Aspekten, in: Recht und Politik 13. Jg. (1977) H. 3, S. 149 -154. 91 Christian Tomuschat, Menschenrechtsschutz durch die Vereinten Nationen, in: Vereinte Nationen (Bonn) H. 6/1976, S. 166-173. 92 Vgl.Friedrich Meißner, Die Menschenrechtsbeschwerde vor den Vereinten Nationen, Baden-Baden 1976. 93 Umfassend bei Hannsjörg F. Buck, Der innerdeutsche Handel: Bedeutung, Rechtsgrundlagen, Geschichte, Organisation, Entwicklung, Probleme und politische-äkonomischer Nutzen, in: Deutsche Richterakademie (Hrsg.), Innerdeutsche Rechtsbeziehungen, Heidelberg 1988, S. 211- 302. Zusammenfassend bei Wilhelm Bruns, Klammer oder Hebel? Die Wirt• schaftsbeziehungen mit der DDR, in: Die Neue Gesellschaft (Bonn) H. 8/1977, S. 675-677. Vgl. c.D. Ehlermann et alii, Handelspartner DDR• Innerdeutsche Wirtschaftsbeziehungen, Baden-Baden 1975 (hier sind die rechtlichen, ökonomischen und politischen Aspekte sehr gründlich be• schrieben). Siehe auch Reinhold Biskup, Deutschlands offene HandeIs• grenze. Die DDR als Nutznießer des EWG-Protokolls über den innerdeut• schen Handel, Berlinl Frankfurt 1 M. 1Wien 1976 (hier ist zum erstenmal versucht worden, diese Vorteile zu quantifizieren). Aus der Sicht der DDR: Gerhard Huber, Zur Wirtschaftskooperation der RGW-Länder mit kapitali• stischen Industrieländern, in: Deutsche Außenpolitik H. 10/1975) S. 1478-1494. 94 Vgl. hierzu die Mitteilung des Bundesministerium fiir Wirtschaft, in: Bulle• tin. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 591 1976, S. 560. 95 Siehe hierzu aus der Sicht der Bundesrepublik: Bulletin. Presse und Infor-

230 mationsamt Nr. 142/1979 v. 1. Dez. 1978 und Klaus 0. Nass, Das Protokoll über die innerdeutsche Grenze, in: Europa-Archiv, Folge 1 / 1979, S. 19 - 28. Aus der Sicht der DDR. Knrl Kormes (Delegationsleiter der DDR) in einem Interview in der Deutschen Außenpolitik H. 2/1979, S.4O-47). 96 Eine ausführliche politische Würdigung des Verhandlungsergebnisses findet sich bei Peter J. Winters, Ein Schritt auf dem Wege der Normalisierung, in Europa-Archiv Folge 9/ 1979, S. 269 - 278. 97 , Beiträge zur Deutschlandpolitik, Eine vom Bundesministe• rium für innerdeutsche Beziehungen herausgegebene Broschüre, Bonn 1987, S.83. 98 Vgl.Hans H. Mahnke (Hrsg.) Dokumente zur Berlin-Frage 1967 -1986, München 1987. 99 Vgl. z.B. M. v. Berg, Die Folgeverhandlungen nach dem Grundvertrag, in: Deutschland-Archiv 8. Jg. (1975) S. 33-39 (Stand Ende 1974); Franz-C. Zeit• ler, Perspektiven der Folgeverträge mit der DDR, in: Zeitschrift für Politik 22. Jg. (1975) H. 2, S. 140-164. Bislang ist in der DDR-Literatur nur ein ein• ziger kommentierender Bericht über den Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der DDR erschienen, in: Deutsche Außenpolitik 19. Jg. (1974) H. 1, S. 56-59 (Über die Arbeit der gemeinsamen Grenzkommis• sion Interview mit dem DDR-Delegationsleiter). 100 So die FAZ vom 13.8.1977 S. 1: "Deutsche Möglichkeiten" (Rm.). 10 1 Gaus soll angeblich von der "relativen Normalisierung" als allenfalls er• reichbares Ziel gesprochen haben. Auf einer "Geheimkonferenz der in osteu• ropäischen Staaten akkreditierten Botschafter der Bundesrepublik (WELT 30.6.1976, S.7). 102 Jörg R. Mettke, Das Draufsatteln reicht nicht aus. Provozierende Anmerkun• gen zur Deutschlandpolitik, in: Vorwärts 18. November 1976, S. 3. 103 SPIEGEL 6/1977, S. 21-24. 104 VgI.Hans-P. Schwarz, Brauchen wir ein neues deutschlandpolitisches Kon- zept? in: Europa-Archiv 11/1977, S. 3T1 338. 105 SPIEGEL Nr. 25/ 1977, S. 24. 106 Anm. 104 107 Vgl. etwa Wilhelm Bruns, Die beiden deutschen Staaten auf der 40. UNO• Generalversammlung in: Deutschland-Archiv 4/1986, S. Y76-380. 108 So Hermann Axen, Starker Sozialismus, sicherer Frieden, Berlin(O) 1981 S. 595. 109 Vgl. den informierenden Artikel von Knrl Wilhelm Fricke, Schwerpunkt Rechtsschutz. Zur Arbeit der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin, in: Deutschland-Archiv 11 / 1977, S. 1200 -1203. 110 Vgl. Günter Gaus, Die Welt der Westdeutschen, Köln 1986. 111 Erste Regierungserklärung von Bundeskanzler , hier zit. nach: Zehn Jahre Deutschlandpolitik. Bericht und Dokumentation (hrsg. vom Bun• desministerium für innerdeutsche Beziehungen), 0.0. 1980, S. 119. 112 Vgl. ND v. 12. / 13.9.88, S. 1. 113 Die DDR hat diesen Besuch in ihre allgemeine Dialog- und Koexistenzpolitik gegenüber dem Westen eingebettet. Vgl. Horst Grunen, Markenzeichen der DDR-Außenpolitik: konstruktiv-ausgewogen-berechenbar, in: Horizont

231 8/1987, S. 3f. (unmittelbar vor dem Honecker-Besuch). 114 Vgl. Bulletin. Presse- und Infunnationsamt der Bundesregierung Nr. 80/ 1987 v. 71. Aug. 1987, S. 68lf. 115 Diese Reden von BundeskanzlerHelmut Kohl sind auch im "Neuen Deutschland" (ND) im Wortlaut wiedergegeben, so auch die Mahnung: "Wir wollen Friede in Deutschland, und dazu gehört auch, daß an der Grenze Waffen auf Dauer zum Schweigen gebracht werden. Gerade Ge• walt, die den Wehrlosen trifft, schädigt den Frieden", in: ND 8.9.1987, S. 3. Die Quelle "ND" ist für den DDR-Bürger zitierbar und könnte als Refe• renzgrundlage für heikle Diskussionen in der DDR dienen. 116 Das Schlußkommunique wird hier nach dem Bulletin. Presse- und Infor• mationsamt der Bundesregierung, Nr. 83/1987, S. 710 - 713 zitiert und refe• riert. 117 Stellvertretend für andere Medien bei uns, die sich offenbar mehr erhofft hatten: Süddeutsche Zeitung: "Ein Besuch, der vieles offen läßt" von Klaus Dreher, v. 9.9.1987, S. 4. Im Vorfeld des Besuches wurde von der Bundesregierung unertnüdlich die Parole verkündet: "Nur nicht zu viel von diesem Besuch verlangen!" Vgl. beispielsweise das Interview mit dem für die Vorbereitungen zuständigen Bundesminister Kblfgang Schiiuble vom Bundeskanzleramt: Ein schwieriges und delikates Ereignis, in: SPIE• GEL 35/1987, S. 25-32. 118 Kohl, zit. nach Bulletin. Presse- und Infortnationsamt der Bundesregierung 83/87 v. 10.9.87, S. 709. 119 ND v. 11.9.87, S. 5. 120 Bemhard Friedmann, Einheit statt Raketen, Herford 1987. Bundeskanzler Kohl hat Friedmanns Ansatz dezidiert zurückgewiesen (WELT v. 18.2.1988, S. 4). 121 Haftendam, Anm. 30. 122 So , Zum europäischen Frieden, Berlin(W) 1988, S. 98. 123 Die sowjetischen "Optionen" hat erst kürzlich Kblfgang Pfeiler sehr um• sichtig und nachwllziehbar untersucht: Deutschlandpolitische Optionen der Sowjetunion, Meile 1988. 124 So Honecker mit dem damaligen sowjetischen Parteichef Breschnew, in: Außenpolitische Korrespondenz 33/1982, S. 266 oder Horst SchIJtzki, Quo vadis, BRD?, in: Horizont 29/ 1979, S. 5f. 125 Vgl. Wilhelm Bruns, Der Beitrag der beiden deutschen Staaten zur Sicher• heit und Entspannung, in: u.a. (Hrsg.) Zwanzig Jahre Ostpo• litik, Bonn 1986, S. 195 -213. 126 Vgl. Kblfgang Seiffert, Das ganze Deutschland, München / Zürich 1986 und Bemhard Friedmann (Anm. 120). l7J Vgl. etwa Rolf Stolz (Hrsg.), Ein anderes Deutschland, Berlin 1985. 128 Wilhelm Grewe, Die deutsche Frage in der Ost-West-Spannung, Herford 1986, S. 39f. 129 Vgl. Konrad Adenauer. Erinnerungen 1955 - 1959, Stuttgart 1967, S. 177f. 130 Sehr lesenswert 1heodor Schweisfurth "Europabekenntnis und Wiederver• einigungsgebot des Grundgesetzes", in: RwJolf Bemhardt u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Rechtsordnung (Festschrift für Hennann Mosler), Berlin

232 u.a. 1983, S. 857 - 880 und Hans-Jörg Bücking, Deutsche Einigung - Europäische Einigung: Ein Widerspruch?, in: Deutschland-Archiv 11/1985, S. 1170-1186. Günter Nonnenmacher, In Genschers Schatten, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (Leitartikel am 13.6.1988, S. 1) spießt den Widerspruch von Westintegration und Wiedervereinigungsgerede auf. 131 Dokumentiert in: Europa-Archiv Folge 20/1967, D 475. 132 Im Deutschlandfunk am 2.12.1987 ("Information am Morgen").

Auswahlbibliographie

Aus der umfangreichen Literatur zu den verschiedenen Aspekten der deutsch• deutschen Beziehungen soll hier auf einige neuere Publikationen verwiesen wer• den, wobei sich der Verfasser bemüht hat, eine "ausgewogene" Literaturliste zu• sammenzustellen. Bis 1982 ist das einschlägige Schrifttum nahezu vollständig erfaßt durch die Bibliographie zur Deutschland-Politik 1975 -1982 (= Doku• mente zur Deutschlandpolitik, Beihefte Band 1), Frankfurt 1M. 1983 (Herausge• ber ist das Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen). Es handelt sich um den Fortsetzungsband einer gleichnamigen Ausgabe, die 1975 erschien und das einschlägige Schrifttum von 1941 bis 1974 erfaßt. Akademie der Wissenschaften der DDR (Hrsg.), Friedliche Koexistenz, Ber- lin(O) 1987 Bahr, Egon, Was wird aus den Deutschen? Reinbek 1982 ders., Zum europäischen Frieden, Berlin(W) 1988 Bender, Peter, Wenn es West-Berlin nicht gäbe, Berlin(W) 1982 ders., Neue Ostpolitik, München 1986 Bölling, Klaus, Die femen Nachbarn, Hamburg 1983 Bruns, Wilhelm, Die Außenpolitik der DDR, Berlin(W) 1985 ders. (Hrsg.), Ost-West-Beziehungen am Wendepunkt?, Bonn 1988 Buch, Günther, Namen und Daten wichtiger Personen der DDR, 4. überarbei• tete und erweiterte Auflage, Bonn 1987 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), DDR Handbuch, 3. überarbeitete und erweiterte Auflage, 2 Bände, Köln 1985 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), Innerdeutsche Be• ziehungen - Die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepu• blik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 1980-1986, Bonn 1986 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen (Hrsg.), Materialien zum Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland, Bonn 1987 Deutsche Richterakademie (Hrsg.), Innerdeutsche Rechtsbeziehungen, Heidel• berg 1988 Deutschlandvenrag, Westliches Bündnis und Wiedervereinigung, Berlin (W) 1985

233 Deutschlandvertrng, Westliches Bündnis und Wiedervereinigung, Berlin(W) 1985 Lehmonn, Hans-G., Chronik der DDR, München 1987 MaJmke, Hans-H., Dokumente zur Berlin-Frage 1967 -1986, München 1987 Mayer, TIlman, Prinzip Nation, Opladen 1986 Merseburger, Peter, Grenzgänger, München 1988 Nawrocki, Ioachim, Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten in Deutsch• land, Berlin(W) 1986 Pfeiler, Wolfgang, Deutschlandpolitische Optionen der Sowjetunion, Meile 1988 Protokoll der Verhandlungen des XI. Parteitages der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Berlin(O) 1986 Riege, Gerhard, Die Staatsbürgerschaft der DDR, Berlin(O) 1986 Roth, Margit, Zwei Staaten in Deutschland, Opladen 1981 Schröder, Dieter, Die EIbe-Grenze, Baden-Baden 1986 Schütte, Hans-D., Zeitgeschichte und Politik. Deutschland- und blockpolitische Perspektiven der SED in den Konzeptionen marxistisch-leninistischer Zeitge• schichte, Bonn 1985 Schulz, Eberhard, Die deutsche Nation in Europa, Bonn 1982 Seiffen, Wolfgang, Das ganze Deutschland, München I Zürich 1986 Sommer, Theo (Hrsg.), Reise ins andere Deutschland, Reinbek b. Hamburg 1986 Spanger, Hans-I., Die SED und der Sozialdemokratismus, Köln 1982 Spittmann, I1se (Hrsg.), Die SED in Geschichte und Gegenwart, Köln 1987 I%!ber, Hermann, DDR. Dokumente zur Geschichte der Deutschen Demokrati- schen Republik 1945 -1985, München 1986 I%!idenfeld, Wemer (Hrsg.), Die Identität der Deutschen, Bonn 1983 I%!isenfeld, Ernst, Welches Deutschland soll es sein? München 1986 I%!izsäcker, von, Richard, Die deutsche Geschichte geht weiter, Berlin(W) 1983 I%!ngler, WIlhelm, Schriften zur deutschen Frage 1948 - 1986 (hrsg. von Gottfried Zieger), Berlin/New York 1987 Zivier, Ernst R., Der Rechtsstatus des Landes Berlin, 4. erweiterte und aktuali- sierte Auflage, Berlin(W) 1987 ZiJndorf, Benno, Die Ostverträge, München 1979 Zeitschriften Sehr zu empfehlen ist die in Köln erscheinende Monatsschrift "Deutschland• Archiv", die kontinuierlich und kompetent die deutsch-deutschen Beziehun• gen unter verschiedenen Aspekten analysiert und dokumentiert. Wichtig für jene, die die DDR-Literatur nicht verfügbar haben, ist die Referate• zeitschrift "DDR REPORf" (Sonn I), die monatlich aus über"iU Zeitungen und Zeitschriften der DDR zitiert. Auch die Schriftenreihe "Die DDR - Re• alitäten - Argumente", die von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn heraus• gegeben wird, befilßt sich mit Sachverhalten in beiden deutschen Staaten, die für die deutsch-deutschen Beziehungen von Wichtigkeit sind. In der DDR hin• gegen gibt es bislang keine Zeitschrift, die die deutsch-deutschen Beziehungen zum exklusiven Gegenstand der Analyse machte. Die deutsch-deutschen Be• ziehungen werden hier unter der Überschrift "friedliche Koexistenz" bzw. "Politik des Dialoges" abgehandelt. Dazu finden sich Beiträge in den "IPW• Berichten" und in der Wochenschrift "Horizont".

234 Dokumentation (Anhang)

Es sollte insbesondere in der deutschlandpolitischen Bildungsarbeit, wenn verfügbar, mit Texten gearbeitet werden. Wegen des Umfangs und der Zahl der in Frage kommenden Texte und des begrenzten Raumes, der hier vorgesehen ist, werden hier nur einige einschlägige Doku• mente abgedruckt. Die Schlußakte der KSZE, der Deutschlandvertrag, die DDR-Verfassung, der "Freund• schaftsvertrag" zwischen der DDR und der UdSSR können in nahezu beliebiger Stückzahl beim Gesamtdeutschen Institut, Adenauerallee 10, 5300 Bonn, bezogen werden. Das Gesamtdeutsche Institut ist sicher auch bei der Beschaffung von wichtigen Reden und Aufsätzen führender DDR-Politiker behilflich. Die UNO-Charta, die für beide deutsche Staaten verbindlich ist, sowie die beiden Men• schenrechtspakte von 1966, die gleichfalls die DDR und die Bundesrepublik binden, sind beim Generalsekretariat der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Poppelsdorfer Allee 55, 5300 Bonn, erhältlich.

Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik - Brief der Regierung der BundesrepublIk Deutsch• land zur deutschen Einheit an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972 - Zusalzprotokoll zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik - Protokollver• merk zum Vertrag - Vorbehalt zu Staatsangehörigkeitsfragen durch die Bundesrepublik Deutschland - Urfeil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag über die Grundlagen der Be• ziehung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Repu• blik - "Anmerkungen zu Träumereien einiger Karlsruher Richter" (, 16. a 1973). Zur "Dialektik" von Abgrenzung und Entspannung aus DDR-Sicht. - Deutsch-Deutsche Beziehungen aus der Sicht der DDR-Führung - Bundeskanzler Helmut Schmidt zu den deutsch-deutschen Beziehungen - Deutschlandpolitischer Teil der Geraer Rede von Erlch Ho• neclmr - Vergleich zweier Reden von Honeclmr und Schmidt zur nahezu gleichen Zeit - Korn• munique nach dem deutsch-deutschen Spitzentreffen von Helmut Schmidt und Erlch Honeclmr. - Erster Bericht der Regierung Kohl zur "Lage der Nation" vom 23. Juni 1983 (Auszug). - Zu den Beziehungen zwischen der DDR und der BRD. Kommentar des "Neuen Deutschlands" vom 3. Mai 1983, S. 2. - Deutsch-deutsches Kommunique vom 8. 9. 97 nach dem ersten HonecImr• Besuch in der Bundesrepublik

235 Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik 21. Dezember 1972

Die Hohen Vertragschließenden Seiten eingedenk ihrer Verantwortung für die Erhaltung des Friedens in dem Bestreben, einen Beitrag zur Entspannung und Sicherheit in Europa zu leisten, in dem Bewu8tsein, daß die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und der Souveränität aller Staaten in Europa in ihren gegenwärtigen Grenzen eine grundle• gende Bedingung für den Frieden sind, in der Erkenntnis, daß sich daher die beiden deutschen Staaten in ihren Beziehungen der Andro• hung oder Anwendung von Gewalt zu enthalten haben, ausgehend von den historischen Gege• benheiten und unbeschadet der unterschiedlichen Auffassung der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu grundsätzlichen Fragen, darunter zur nationa• len Frage, geleitet von dem Wunsch, zum Wohle der Menschen in den beiden deutschen Staaten die Vor• aussetzungen für die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu schaffen, sind wie folgt übereingekommen:

Artikel 1 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik entwickeln nor• male gutnaChbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung.

Artikel 2 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden sich von den Zielen und Prinzipien leiten lassen, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind, insbesondere der souveränen Gleichheit aller Staaten, der Achtung der Unabhängigkeit, Selbständigkeit und territorialen Integrität, dem Selbstbestimmungsrecht, der Wahrung der Menschenrechte und der Nichtdiskriminierung.

Artikel 3 Entsprechend der Charta der Vereinten Nationen werden die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik ihre Streitfragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln Iö• san und sich der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt enthalten. Sie bekräftigen die Unverletzlichke~ der zwischen ihnen bestehenden Grenze jetzt und in der Zukunft und verpflichten sich zur uneingeschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität.

Artikel 4 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik gehen davon aus, daß keiner der beiden Staaten den anderen international vertreten oder in seinem Namen han• deln kann.

Artikel 5 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden friedliche Beziehungen zwischen den europäischen Staaten fordern und zur Sicherheit und Zusammenar• beit in Europa be~ragen. Sie unterstützen die Bemühungen um eine Verminderung der Streitkräfte und Rüstungen in Eu• rapa, ohne daß dadurch Nachteile für die Sicherheit der Beteiligten en_hen dürfen. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden mit dem Ziel einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter wirksamer internationaler Kontrolle der internationalen Sicherheit dienende Bemühungen um Rüstungsbegrenzung und Abrü• stung, insbesondere auf dem Gebiet der Kemwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen, unterstützen.

Artikel 6 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik gehen von dem Grundsatz aus, daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet be• schränkt. Sie respektieren die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten.

236 Artikel 7 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik erklären ihre Be• reitschaft, im Zuge der Normalisierung ihrer Beziehungen praktische und humanitäre Fragen zu regeln. Sie werden Abkommen schließen, um auf der Grundlage dieses Vertrages und zum bei• derseitigen Vorteil die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Wissenschaft und Technik, des Verkehrs, des Rechtsverkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, des Gesundheits• wesens, der Kultur, des Sports, des Umweltschutzes und auf anderen Gebieten zu entwickeln und zu fördern. Einzelheiten sind in dem Zusatzprotokoll geregelt. Artikel 8 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden ständige Vertretungen austauschen. Sie werden am Sitz der jeweiligen Regierung errichtet. Die praktischen Fragen, die mit der Einrichtung der Vertretungen zusammenhängen, werden zusätzlich geregelt. Artikel 9 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik stimmen darin überein, daß durch diesen Vertrag die von ihnen früher abgeschlossenen oder sie betreffenden zweiseitigen und mehrseitigen internationalen Verträge und Vereinbarungen nicht berührt werden. Artikel 10 Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation und tritt am Tage nach dem Austausch entsprechender No• ten in Kraft. ZU URKUND DESSEN haben die Bevollmächtigten der Hohen Vertragschlie6enden Seiten die• sen Vertrag unterzeichnet. GESCHEHEN in Berlin, am 21. Dezember 1972, in zwei Urschriften in deutscher Sprache. Für die Bundesrepublik Deutschland Egon Bahr Für die Deutsche Demokratische Republik Michael Kohl

Brief der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zur deutschen Einheit an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972

Bundesminister für besondere Aufgaben beim Bundeskanzler Bonn, den 21. Dezember 1972 An den Staatssekretär beim Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik Herrn Dr. Michael Kohl Berlin Sehr geehrter Herr Kohl! Im Zusammenhang mit der heutigen Unterzeichnung des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik beehrt sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland festzustellen, daß dieser Vertrag nicht im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf

237 auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt. Mit vorzüglicher Hochachtung

Bahr

Zusatzprotokoll zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik

Zu Artikel 3: Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik kommen überein, eine Kommission aus Beauftragten der Regierungen beider Staaten zu bilden. Sie wird die Mar• kierung der zwischen den beiden Staaten bestehenden Grenze überprüfen und, soweit erforder• lich, erneuern oder ergänzen sowie die erforderlichen Dokumentationen über den Grenzverlauf erarbeiten. Gleichermaßen wird sie zur Regelung sonstiger mit dem Grenzverlauf im Zusam• menhang stehender Probleme, zum Beispiel der Wasserwirtschaft, der Energieversorgung und der Schadensbekämpfung, beitragen. Die Kommission nimmt nach Unterzeichnung des Vertrages ihre Arbeit auf.

11 Zu Artikel 7: ,. Der Handel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokrati• schen Republik wird auf der Grundlage der bestehenden Abkommen entwickelt. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden lang• fristig Vereinbarungen mit dem Ziel abschließen, eine kontinuierliche Entwicklung der wirt• schaftlichen Beziehungen zu fördern, überholte Regelungen anzupassen und die Struktur des Handeins zu verbessern. 2. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik bekunden ih• ren Willen, zum beiderseitigen Nutzen die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wissen• schaft und Technik zu entwickeln und die hierzu erforderlichen Verträge abzuschließen. 3. Die mit dem Vertrag vom 26. Mai 1972 begonnenen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Verkehrs wird erweitert und vertieft. 4. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik erklären ihre Bereitschaft, im Interesse der Rechtsuchenden den Rechtsverkehr, insbesondere in den Bereichen des Zivil- und des Strafrechts, vertraglich so einfach und zweckmäßig wie mög• lich zu regeln. 5. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik stimmen überein, auf der Grundlage der Satzung des Weltpostvereins und des Internationalen Fern• meldevertrages ein Post- und Fernmeldeabkommen abzuschließen. Sie werden dieses Ab• kommen dem Weltpostverein (UPU) und der Internationalen Fernmelde-Union (UIT) notifi• zieren. In dieses Abkommen werden die bestehenden Vereinberungen und die für beide Seiten vorteilhaften Verfahren übernommen werden. 6. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik erklären ihr Interesse an einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens. Sie stimmen Oberein, daß in dem entspreChenden Vertrag auch der Austausch von Medikamenten sowie die Behandlung in Spezialkliniken und Kuranstalten im Rahmen der gegebenen Möglich• kenen geregelt werden. 7. Die Bunclesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik beabsichti• gen, die kulturelle Zusammenarben zu entwickeln. Zu diesem Zweck werden sie Verhand• lungen Ober den Abschluß von Regierungsabkommen aufnehmen. a Die BuncleSrepUblik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik bekräftigen ihre Berenschafl, nach Unterzeichnung des Vartreges die zUSlAndigen Sportorganisalionen bei den Absprachen zur F8rderung der Sportbeziehungen zu unterstützen. 238 9. Auf dem Gebiet des Umweltschutzes sollen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik Vereinbarungen geschlossen werden, um zur Abwendung von Schäden und Gefahren für die jeweils andere Seite beizutragen. 10. .Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden Ver• handlungen mit dem Ziel führen, den gegenseitigen Bezug von Büchern, Zeitschriften, Rundfunk- und Fernsehproduktionen zu erweitern. ". Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden im In• teresse der beteiligten Menschen Verhandlungen zur Regelung des nichtkommerziellen Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs aufnehmen. Dabei werden sie im gegenseitigen In• teresse vorrangig für den kurzfristigen Abschluß von Vereinbarungen unter sozialen Ge• Sichtspunkten Sorge tragen.

Protokollvermerk zum Vertrag Wegen der unterschiedlichen Rechtspositionen zu Vermögensfragen konnten diese durch den Vertrag nicht geregelt werden.

Vorbehalt zu Staatsangehörigkeitsfragen durch die Bundesrepublik Deutschland

Die Bundesrepublik Deutschland erklärt: "Staatsangehörigkaitsfragen sind durch den Vertrag nicht geregelt worden." Die Deutsche Demokratische Republik erklärt zu Protokoll: "Die Deutsche Demokratische Republik geht davon aus, daß der Vertrag eine Regelung der Staatsangehörigkaitsfragen erleichtern wird."

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik

31. Juli 1973 leitsätze zum Urteil des Zweiten Senats vom 31. Juli 1973 - 2 BvF 1/73- ,. Art. 59 Abs. 2 GG verlangt für alle Verträge, die die politiSChen Beziehungen des Bundes re• geln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die parlamentarische Kontrolle in der Form des Zustimmungsgesetzes, gleichgültig, ob der als Vertragspartner beteiligte Staat nach dem Recht des Grundgesetzes Ausland ist oder nicht. 2. Der Grundsatz des judicial sell-restraint zielt darauf ab, den von der Verfassung für die an• deren Verfassungsorgane garantierten Raum freier politischer Gestaltung ollenzuhalten. 3. Mit der Entscheidung des Grundgesetzes für eine umfassende Verlassungsgerichlsbarkait ist es unvereinbar, daß die Exekutive ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Ver• fahren überspielt. Ergibt sich, wie in diesem Fall, ausnahmsweise einmal eine Lage, in der das Inkrafllreten eines Vertrags vor Abschluß des verfassungsgerichtlichen Verfahrens nach AuHassung der Exekutive unabweisbar geboten erscheint, so haben die dafür verantwortlichen Verlas• sungsorgane für die sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen einzustehen. 4. Aus dem Wiedervereinigungsgebol folgt: Kein Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland darf die Wiederherstellung der staallichen Einheit als politisches Ziel aufge• ben, alle Verfassungsorgane sind verpllichtet, in ihrer Politik auf die Erreichung dieses Zie-

239 les hinzuwirken - das schlieBt die Forderung ein, den Wiedervereinigungsanspruch im In• neren wachzuhalten und nach auBen beharrlich zu vertreten - und alles zu unterlassen, wes die Wiedervereinigung vereiteln würde. 5. Die Verfassung verbietet, daß die Bundesrepublik Deutschland auf einen Rechtstitel aus dem Grundgesetz verzichtet, mittels dessen sie in Richtung auf Verwirklichung der Wieder• vereinigung und der Selbstbestimmung wirken kann, oder einen mit dem Grundgesetz un• vereinbaren Rechtstitel schafft oder sich an der Begründung eines solchen Rechtstitels be• !eHig!, der ihr bei ihrem Streben nach diesem Ziel entgegengehalten werden kann. 6. Der Vertrag hat einen Doppelcharakter: er ist seiner Art nach ein völkarrechtlicher Vertrag, seinem spezifischen Inhalt nach ein Vertrag, der vor allem inter-se-Beziehungen regelt. 7. Art. 23 GG verbietet, daß sich die Bundesregierung vertraglich in eine Abhängigkeit begibt, nach der sie rechtlich nicht mehr allein, sondern nur noch im Einverständnis mit dem Ver• tragspartner die Aufnahme anderer Teile Deutschlands verwirklichen kann. 8. Art. 16 GG geht davon aus, daß die "deutsche Staatsangehörigkeit", die auch in Art. 116 Abs. 1 GG in Bezug genommen ist, zugleich die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist. Deutscher Staatsangehöriger im Sinne des Grundgesetzes ist also nicht nur der Bürger der Bundesrepublik Deutschland. 9. Ein Deutscher hat, wann immer er in den Schutzbereich der staatlichen Ordnung der Bun• desrepublik Deutschland gelangt, einen Anspruch auf den vollen Schutz der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland und alle Garantien der Grundrechte des Grundgesetzes.

BundelMlrfassungsgericht

-2BvFI/73- Verkündet am 31. Juli 1973 Im Namen des Volkes In dem Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes zum Vertrag vom 21. De• zember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. Juni 1973 (BGBI. 11 S. 421). Antragsteller: Die Bayerische Staatsregierung, vertreten durch den Ministerpräsidenten, München, Staatskanzlei, EkNoIlmächtigter: Professor Dr. Dieter Blumenwitz, 8011 Zorneding, Herzog-Albrecht-Straße 26. Beleil/gIIJr: Die Bundesregierung, vertreten durch den Bundesminister der Justiz, Bonn, Rosen• burg. EkNoIlmächtig/er: Professor Dr. Martin Kriele, Köln. Rechtsanwalt Dr. Bernhard Leverenz, Karlsruhe, hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat - unter Mitwirkung der Richter Vizeprä5ldent Seuffert als Vorsitzender. Dr. v. Schlabrendorff, Dr. Rupp, Dr. Geiger, Hirsch, Dr. Rinck, Wand, auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 1973 durch Urteil für Recht erkannt: Das Gesetz zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlegen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. Juni 1973 (Bundesgesetzbl. Teil 11 S. 421) ist in der sich aus den Gründen ergebenden Auslegung mit dem Grundgesetz vereinbar.

Gründe: A. I. Am 8. November 1972 wurde der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ausgehandelte Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwi• schen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik - im fol• genden: der Vertrag - paraphiert. Er wurde am salben Tag zusammen mit einer Reihe ergän• zender Texte im Bulletin Nr. 155, S. 184111. ver6ffentlicht mit dem Hinweis (a.a.O. S. 1853), die Bundesregierung _rde "vor der Unterzeichnung des Vertrags an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ein Schreiben richten, in dem sie ihre Ziele in der nationalen Frage darlegt". Der Vertrag lautet:

Artikel 1 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik entwickeln nor• male gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung.

240 Artikel 2 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden sich von den Zielen und Prinzipien leiten lassen, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind, insbesondere der souveränen Gleichheit aller Staaten, der Achtung der Unabhängigkeit, Selbständigkeit und territorialen Integrität, dem Selbstbestimmungsrecht, der Wahrung der Menschenrechte und der Nichtdiskriminierung. Artikel 3 Entsprechend der Charta der Vereinten Nationen werden die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik ihre Streitfragen ausschließlich mit friedlichen Mitteln lö• sen und sich der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt enthalten. Sie bekräftigen die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze jetzt und in der Zukunft und verpflichten sich zur uneingeschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität. Artikel 4 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik gehen davon aus, daß keiner der beiden Staaten den anderen international vertreten oder in seinem Namen han• deln kann. ArtikelS Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden friedliche Beziehungen zwischen den europäischen Staaten fördern und zur Sicherheit und Zusammenar• beit in Europa beitragen. Sie unterstützen die Bemühungen um eine Verminderung der Streit• kräfte und Rüstungen in Europa, ohne daß dadurch Nachteile für die Sicherheit der Beteiligten entstehen dürfen. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden mit dem Ziel einer allgemeinen und vollständigen Abrüstung unter wirksamer internatio• naler Kontrolle der internationalen Sicherheit dienende Bemühungen um Rüstungsbegrenzung und Abrüstung, insbesondere auf dem Gebiet der Kernwaffen und anderen Massenvernich• tungswaffen, unterstützen. Artikel 6 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik gehen von dem Grundsatz aus, daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet be• schränkt. Sie respektieren die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten.

Artikel 7 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik erklären ihre Be• reitschaft, im Zuge der Normalisierung ihrer Beziehungen praktische und humanitäre Fragen zu regeln. Sie werden Abkommen schließen, um auf der Grundlage dieses Vertrages und zum bei• derseitigen Vorteil die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft, der Wissenschaft und Technik, des Verkehrs, des Rechtsverkehrs, des Post- und Fernmeldewesens, des Gesundheits• wesens, der Kultur, des Sports, des Umweltschutzes und auf anderen Gebieten zu entwickeln und zu fördern. Einzelheiten sind in dem ZusatzprotOkoll geregelt. Artikel 8 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik werden ständige Vertretungen austauschen. Sie werden am Sitz der jeweiligen Regierung errichtet. Die praktischen Fragen, die mit der Einrichtung der Vertretungen zusammenhängen, werden zusätzliCh geregelt. Artikel 9 Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik stimmen darin überein, daß durch diesen Vertrag die von ihnen früher abgeschlossenen oder sie betreffenden zweiseitigen und mehrseitigen internationalen Verträge und Vereinbarungen nicht berührt werden. Artikel 10 Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation und tritt am Tage nach dem Austausch entsprechender No• ten in Kraft. Der Vertrag wurde am 21. Dezember 1972 durch die Bevollmächtigten der Vertragsparteien in Berlin unterzeichnet; dem Vertrag war ein Zusatzprotokoll, über das die Vertragsteile sich geei• nigt hatten, beigefügt. Außerdem lagen im Zusammenhang mit dem Vertrag vor: ein Protokollvermerk, wonach "wegen der unterschiedlichen Rechtspositionen zu Vermägens• fragen ... diese durch den Vertrag nicht geregelt werden" konnten:

241 zwei "Erklärungen zu Protokoll", von denen die für die Bundesrepublik Deutschland abgege• bene lautet: "Staetsangehörigkeitsfragen sind durch den Vertrag nicht geregelt worden" und die für die Deutsche Demokratische Republik abgegebene laute!: "Die Deutsche Demokratische Republik geht davon aus, daß der Vertrag eine Regelung der Staetsangehörigkeitsfragen er• leichtern wird"; zwei Erklärungen der Vertragsteile zu Protokoll zum Antrag auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen; eine Erklärung beider Delegationsleiter zu Protokoll über die Aufgaben der Grenzkommission; eine Erklärung des Delegationsleiters der Deutschen Demokratischen Republik zu Protokoll über den Verwaltungsverkehr; eine Erklärung beider Seiten über die Ausdehnung von Abkom• men und Regelungen auf Berlin (West); eine Erklärung beider Seiten über "politische Konsultation"; Erklärungen zu Protokoll im Zusammenhang mit dem Briefwechsel über die Arbeitsmöglichkei• ten für Journalisten; eine Erklärung beider Seiten über die Ausdehnung der Vereinbarung über Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten auf Berlin (West); ein Schriftwechsel vom 21. Dezember 1972 zur Familienzusammenführung, zu Reiseerleichte• rungen und Verbesserungen des nichtkommerziellen Warenverkehrs; ein Briefwechsel vom 21. Dezember 1972 zur Eröffnung weiterer (vier) Grenzübergangsstellen; ein Briefwechsel vom 21. Dezember 1972 mit dem Wortlaut der Noten der Bundesrepublik Deutschland an die drei Westmächte und der Deutschen Demokratischen Republik an die So• wjetunion zu Art. 9 des Vertrages; ein Briefwechsel zum Post- und Fernmeldewesen; ein Briefwechsel zum Antrag auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen; ein Briefwechsel über die Arbeitsmöglichkeiten für Journalisten. Unmittelbar vor der Unterzeichnung des Vertrages ging der Regierung der Deutschen Demokra• tischen Republik der Brief der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zur deutschen Ein• heit vom 21. Dezember 1972 zu. Nach Beratung und Behandlung in den gesetzgebenden Körperschaften erging das Gesetz vom 6. Juni 1973 zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (BGBI. 11 S. 421) - im folgenden: das Vertragsgesetz -, dessen Artikel I lautet: Dem am 21. Dezember 1972 unterzeichneten Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwi• schen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ein• schließlich

des dazugehOrigen Briefes der Regierung der Bundesrepublik Deutschland zur deutschen Einheit an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972, des Zusetzprotokolls zum Vertrag, des Protokollvermerks zu Vermögensfragen, des Vorbehalts zu Staetsangeh6rigkeitsfragen durch die Bundesrepublik Deutschland, des Briefwechsels vom 21. Dezember 1972 zur Familienzusammenführung, zu Reiseer• leichterungen und Verbesserungen des nichtkommerziellen Warenverkehrs, des Briefwechsels vom 21. Dezember 1972 zur Öffnung weiterer Grenzübergangsstellen, des Briefwechsels vom 21. Dezember 1972 mit dem Wortlaut der Noten der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland an die Regierungen der Franz/lsischen Republik, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordinand und der Vereinigten Staaten von Amerika und der Note der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik an die Re• gierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken zu Artikel 9 des Vertrages, der Erklärung in bezug auf Benin (West),

wird zugestimmt. Der Vertrag, der Brief, das Zusatzprotokoll, der Protokollvermerk, der Vorbe• hall, die Briefwechsel und die Erklärungen werden nachstehend ver6ffentlicht. Der Vertrag ist nach der Bekanntmachung über sein Inkrafttreten vom 22. Juni 1973 (BGBI. 11 S. 559) am 21. Juni 1973 "nach dem Austeusch entsprechender Noten zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschtand und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, der am 20. Juni 1973 in Bonn erfolgte", in Kraft getreten.

242 11. 1. Am 28. Mai 1973 hat die Bayerische Staatsregierung gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbin• dung mit § 13 Nr. 6 und § 76 Nr. 1 BVerfGG beim Bundesverfassungsgericht beantragt, festzu• stellen: Das Gesetz zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar und deshalb nichtig. Für die Zulässigkeit des Antrages bezieht sie sich auf die bisherige Rechtsprechung des Ge• richts. Zur Begründetheit ihres Antrags trägt sie im wesentlichen vor: Der Vertrag verstoße gegen das Gebot der Wahrung der staatlichen Einheit Deutschlands. Er beruhe auf der vom Grundgesetz verworfenen Rechtsauffassung vom Untergang des Deutschen Reiches und dem Neuentstehen zweier unabhängiger Staaten auf dem Gebiet des alten Reiches. Die Bundesrepublik könne nicht mehr für Gesamtdeutschland handeln. Daran ändere auch nichts der Brief zur deutschen Einheit, der weder auf das Selbstbestimmungsrecht noch auf das Recht auf Wiedervereinigung verweise, sondern nur auf das politische Ziel, eine Veränderung des Status quo mit friedlichen Mitteln anzustreben. Nach dem Grundgesetz besuche die deutsche Einheit nicht nur in alliierten Vorbehaltsrechten, sondern auch in den Rechtsnormen und Organen der Bundesrepublik Deutschland fort. Der Vertrag verletze auch das grundgesetzliche Wiedervereinigungsgebot. Der Vertrag erkenne die Deutsche Demokratische Republik als mit der Bundesrepublik Deutschland gleichberechtig• ten, unabhängigen und selbständigen Staat an. An die Stelle des Deutschen Reiches träten zwei souveräne Staaten, die sich gegenseitig ihren Bestand garantierten; das führe zur Teilung Deutschlands. Aus der bisherigen Demarkationslinie mache der Vertrag eine freiwillig und ver• traglich vereinbarte Staatsgrenze. Das bedeute eine Vertiefung der schon bestehenden Spal• tung und verstoBe gegen das Wiedervereinigungsgebot. Deshalb lasse sich der Vertrag auch nicht damit rechtfertigen, daß der durch ihn geschaffene Zustand "näher beim Grundgesetz" stehe als der vorher bestehende. Der Vertrag sei außerdem mit den Vorschriften des Grundgesetzes über Berlin unvereinbar: Die Berlinklausel des Vertragsgesetzes unterscheide sich von der üblichen Formel; sie bestimme nur, das Gesetz gelte "soweit sich die Regelungen des VertragswerkS auf das Land Berlin bezie• hen, auch im Lande Berlin, sofern das Land Berlin die Anwendung dieses Gesetzes feststellt". Danach würden von der Klausel nur die Erklärungen beider Seiten in bezug auf Berlin (West) er• faBt. Das Vertragswerk regle aber auch Fragen, die nicht den Status betreffen, beispiels• weise Verbesserung des nichtkommerziellen Warenverkehrs, von denen das Vertragsgesetz Berlin nicht ausschlieBen dürfe. Auch die Erklärung, Berlin (West) betreffend, selbst sei verfas• sungswidrig, weil nur vereinbart sei, daB die im Zusatzprotokoll zu Artikel 7 vorgesehenen Ab• kommen und Regelungen im jeweiligen Falle auf Berlin (West) ausgedehnt werden können; das hänge aber künftig von der Zustimmung der Deutschen Demokratischen Republik ab, sei also nicht mehr gewährleistet und verstoBe deshalb gegen Art. 23 Satz 1 GG. Mit dieser Vorschrift sei auch die Anerkennung der Souveränität der Deutschen Demokratischen Republik über Berlin (Ost) unvereinbar. Der Vertrag verletze schließlich die im Grundgesetz begründete Schutz- und Fürsorgepflicht ge• genüber den Deutschen in der Deutschen Demokratischen Republik. Die in der Deutschen De• mokratischen Republik lebenden Menschen seien Deutsche im Sinne des Art. 116 GG. Art. 6 des Vertrags verwehre jedoch der Bundesrepublik Deutschland rechtlich, zugunsten der im Ge• biet der Deutschen Demokratischen Republik beheimateten Deutschen zu intervenieren; als Folge davon müBten zusätzliche Schwierigkeiten entstehen, wenn die Vertretungen der Bundes• republik Deutschland in Drittländern Deutschen aus der Deutschen Demokratischen Republik Hilfe leisten wollten. Der Vertrag habe zudem, auch wenn er Staatsangehörigkeitsfragen nicht geregelt habe, Auswirkungen auf das Staatsangehörigkeitsrecht des Grundgesetzes. Jedenfalls dürfe ein Vertrag mit der Deutschen Demokratischen Republik nur abgeschlossen werden, wenn in ihm - gewissermaBen als verfassungsrechtliches Minimum - ein Ausreiserecht für alle Deutschen aus der Deutschen Demokratischen Republik nach der Bundesrepbulik Deutschland bindend vereinbart sei. Insgesamt sei es nicht gelungen, im Vertrag ein "besonderes Verhältnis" zwischen der Bundes• republik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu konstituieren. Nicht ein• mal die Einheit der Nation sei vertraglich festgehalten. Auch als "modus vivendi" sei der Vertrag nicht interpretierbar, weil er ohne Befristung und ohne Kündigungsklausel abgeschlossen sei und nicht einmal den Vorbehalt einer friedensvertraglichen Regelung enthalte. Der Vertrag habe

243 die deutsche Frage nicht dem Ziel des Grundgesetzes nähergebracht; das gelte auch, wenn man die begrüßenswerten menschlichen Erleichterungen berücksichtige, die mit dem Inkralltre• ten des Vertrages verbunden seien. Die Bayerische Staatsregierung legte außerdem zur Unterstützung ihrer Auffassung ein Rechts• gutachten von Professor Wengler, Berlin, vor. 2. Die Bundesregierung hat beantragt, festzustellen: Das Gesetz vom 6. Juni 1973 zu dem Vertrag vom 21. Dezember 1972 zwischen der Bundesrepu• blik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Bezie• hungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Repu• blik ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Zur Begründung hat sie im wesentlichen folgendes vorgetragen: Nach der bisherigen Recht• sprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verlassungsrechtlichen Prüfung völkerrechtli• cher Verträge müsse zunächst verlangt werden, daß der Antrag der Bayerischen Staatsregie• rung schlüssig sei; dazu gehöre, daß er die maßgebenden Erwägungen der Bundesregierung und der parlamentarischen Verhandlungen zur Kenntnis nehme und belege, daß ein Verlas• sungsverstoß ernsllich in Betracht gezogen werden müsse. Dabei sei im Antrag bereits erkenn• bar zu berücksichtigen, daß bei der Überprüfung völkerrechtlicher und zwischenstaatlicher Maß• nahmen ein hohes Maß an Justitiabilität und Evidenz zu fordern sei. Entspreche ein Antrag die• sen unverziehtbaren Erfordernissen nicht, sei vielmehr die von der Bundesregierung und von den gesetzgebenden Körperschaften beobachtete Sorgfalt in der Wahrnehmung des Verlas• sungsrechts evident, so genüge ein Antrag nicht den an eine eingehende Sachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu stellenden Anforderungen. Er sei dann offensichtlich oder mindestens eindeutig unbegründel. Er müsse insbesondere scheitern, weil die Bayerische Staatsregierung ihre rein politischen Vorstellungen als Rechtssätze in das Grundgesetz hineini• nterpretiere, weil sie ihre politischen Wertungen auch bei der Auslegung des Vertrags in einseiti• ger Weise einführe, weil sie die politische Ausgangslage gänzlich außer Betracht lasse und weil sie die mit dem Vertrag in Übereinstimmung mit den elementaren Zielen des Grundgesetzes ver• folgten Absichten entgegen dem eindeutigen Inhalt dieses Vertrags leugne. Eine Alternative zum Vertrag gebe es nicht. Vergleiche man die Lage nach dem Inkralltreten des Vertrags mit der Lage, die bestehen würde, wenn er nicht geschlossen worden wäre, so seien seine Vorteile evidenl. Der Vertrag diene praktisch dem Verlassungsziel der Friedenssicherung, er diene dem Verfassungsziel der Humanität, indem er den Menschen praktische Vorteile bringe, er halte in Übereinstimmung mit dem Grundgesetzgeber am Fortbestand Deutschlands lest, er sei gemäß den Vorstellungen des Grundgesetzgebers ein Dokument für eine Politik, die sich nicht an den Interessen der Bundesrepublik, sondern an den Belangen der ganzen Nation orientiere und er halte die deutsche Frege offen. Das Grundgesetz enthalte keine Festlegung auf die "Identitätsthese", sondern unterscheide zwi• schen der Bundesrepublik Deutschland und Deutschland. Der Vertrag setze sich auch nicht in Widerspruch mit dem Vereinigungsgebot. Denn die drei Westmächte blieben daran gebunden, den Viermächtevorbehal1 auf Deutschland als Ganzes zu beziehen; der Vertrag gebe nicht die Fortexistenz Deutschlands als Rechtssubjekt auf; er vermeide die Qualifizierung der Deutschen Demokratischen Republik als Ausland; er halte lest an der Einheit der deutschen Nation und an der deutschan Staatsangehörigkeit; er enthalte auch keine völkerrechtliche Anerkennung der DeuIIIchen Demokratischen Republik_ Mit dem Vertrag sei das politisch Enaichbare erreicht worden_ Er wrbaue jedoch weder rechtlich noch praktisch die Wiedervereinigung, gleichgültig, in welcher Form sie einmal verwirklicht werden könne. Er bringe aber Verbaserungen sowohl im politischen als auch im menschlichen Bereich und begründe darüber hineus den Anspruch auf Abkommen, die zu weiteren Verbesserungen führen könnten_ Der Vertrag schließe nichts ab, regele nichts endgültig, sondern halte im Gegenteil die Situation für künltige Verbesserungen of• fen und schaffe die Grundlage dafür. Der Status Berlins bleibe vom Vertrag unberührt, schon deshalb, weil er durch die Viermächte• Vereinbarung fixiert sei, an der die Vertragsteile nichts zu ändern wrmöchten. Eina Verpflich• tung der Bundesregierung, innerhalb des Gebietes der Deutschen Demokratischen Republik für den Schutz und die Fillsorge der Deutschen, die dort ihren ständigen Aufenthal1 haben, einzu• stehen, bestehe nach dem Grundgesetz nicht. An der Schutz- und FiinIoIgebeIugnis der Bun• desorgana für Deutsche im Ausland andere der Vertrag weder rechtlich noch f8ktisch etwas. Die Gewthrung der Ausreisefreiheit für alle Deutschen aus der Deutschen Demokratischen Repu• blik aai keine wrfassungsrechttiche ~ung für Vereinbarungen, die kOnkreten Verbes• aarungen in den menschlichen Beziehungen dienen soIlen_ 3. Dem Gericht lagen u.a_ alte ProtokOlle über die Beratungen der gesetzgebenden Körperschaf• ten vor, die den Vertrag betreffen, außerdem die den Verfahrensbeleiligten in der mündlichen

244 Verhandlung eingeräumten Schriftsätze zu der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ur• kunde über den Empfang des Briefes zur deutschen Einheit. B. I. Der Antrag ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat fest• hält, zulässig (vgl. insbesondere BVerfGE 4, 157 '161ff.]). Das gilt auch, obwohl, wie im folgenden dargelegt wird, die Deutsche Demokratische Republik nach dem Recht des Grundgesetzes nicht Ausland ist. Denn Art. 59 Abs. 2 GG verlangt für alle Verträge, die die politischen Beziehun• gen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, die par• lamentarische Kontrolle in der Form des Zustimmungsgesetzes, gleichgültig ob der als Vertrags• partner beteiligte Staat nach dem Recht des Grundgesetzes Ausland ist oder nicht.

11. 1. Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ist das Vertragsgesetz vom 6. Juni 1973 und der in ihm in Bezug genommene Vertrag samt Zusatzprotokoll. Die in Art. 1 des Vertragsgesetzes nicht in Bezug genommenen Teile des Vertragswerks scheiden als Gegenstand der Normenkon• trolle von vornherein aus. Sie sind für die Gesamtwürdigung des Vertrages von Bedeutung und können - neben anderem - als Material zur Auslegung des Vertrags herangezogen werden. Ob auch die in Art. 1 des Gesetzes in Bezug genommenen weiteren Vermerke, Vorbehalte, Erklä• rungen und Briefe Gegenstand der Normenkontrolle sein können, kann dahinstehen, weil sie in Abhängigkeit vom Vertrag stehen, zum Teil nur einen deklaratorischen Inhalt besitzen und im übrigen nach ihrem Inhalt nicht mit dem Grundgesetz unvereinbar sein können, wie sich aus den im folgenden zu dem Vertrag angestellten rechtlichen Erwägungen ergibt. Jedenfalls sind sie wichtige Mittel zur Auslegung des Vertrags, ebenso wie die Präambel des Vertrags selbst. 2. Maßstab im Normenkontrollverfahren ist das Grundgesetz. Es verbindlich auszulegen, ist Sa• che des Bundesverfassungsgerichts. Auf dieser Grundlage gibt es kein Spannungsverhältnis zwischen politischer Wirklichkeit und Verfassungsordnung, das behoben werden könnte durch die Überlegung, die geltende Verfassungsordnung könnte durch einen Vertrag geändert wer• den. Er schafft weder materielles Verfassungsrecht noch kann er zur Auslegung des Grundge• setzes herangezogen werden. Es ist vielmehr umgekehrt: Ein Vertrag, der mit dem geltenden Verfassungsrecht in Widerspruch steht, kann verfassungsrechtlich nur durch eine entspre• chende Verfassungsänderung mit dem Grundgesetz in Einklang gebracht werden. Dies vorausgesetzt, gilt auch lür die verfassungsrechtliche Prüfung eines Vertrags der Grund• satz, den das Bundesverfassungsgericht in Rücksicht auf die Verantwortung der anderen Ver• fassungsorgane im freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat des Grundgesetzes allgemein ent• wickelt hat: Daß unter mehreren möglichen Auslegungen die Auslegung zu wählen ist, nach der der Vertrag vor dem Grundgesetz Bestand hat (vgl. BVerfGE 4, 157 1168j). Zu den gerade in der Verbindung mit der verfassungs rechtlichen Prüfung von Verträgen bedeutsamen Auslegungs• grundsätzen gehört außerdem, daß bei der Auslegung von Verfassungsbestimmungen, die sich auf Beziehungen der Bundesrepublik mit anderen Staaten beziehen, deren schrankensetzen• der, also Spielraum für die politische Gestaltung lassender Charakter nicht außer Betracht blei• ben darf. In dieser Begrenzung setzt das Grundgesetz jeder politischen Macht, auch im Bereich der auswärtigen Politik, rechtliche Schranken; das ist das Wesen einer rechtsstaatlichen ord• nung, wie sie das Grundgesetz konstituiert hat. Die Durchsetzung dieser Verfassungsordnung obliegt letztverbindlich dem Bundesverfassungsgericht. Der Grundsatz des judical sell-restraint, den sich das Bundesverfassungsgericht auferlegt, be• deutet nicht eine Verkürzung oder Abschwächung seiner eben dargelegten Kompetenz, son• dern den Verzicht "Politik zu treiben", d.h. in den von der Verfassung geschaffenen und begrenz• ten Raum freier politischer Gestaltung einzugreifen. Er zielt also darauf ab, den von der Verfas• sung für die anderen Verfassungsorgane garantierten Raum Ireier pOlitischer Gestaltung offenzuhalten. Aus diesen Überlegungen folgt, von welch entscheidender Bedeutung es ist, daß eine Entschei• dung im Normenkontrollverfahren, die einen Vertrag betrifft, vor dessen Inkralltreten ergeht. Dem müssen - entsprechend dem zwischen ihnen bestehenden verfassungsrechtlichen Grundverhältnis - alle Verfassungsorgane Rechnung tragen. Dies bedeutet einerseits, daß das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Prülung so rasch wie möglich zu Ende führt. Es bedeutet andererseits, daß die übrigen Verfassungsorgane die Prülungszuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts in ihre Überlegungen zum zeitlichen Ablauf des Verfahrens, das zur Vertragsratifikation führt, einbeziehen und alles unterlassen, was dem Bundesverfas• sungsgericht eine rechtzeitige und wirksame Ausübung seiner Kompetenz erschweren oder un• möglich machen könnte. Mit der Entscheidung des Grundgesetzes für eine umfassende Verfas-

245 sungsgerichtsbarkeit ist es unvereinbar, daß die Exekutive ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren überspielt. Ergibt sich ausnahmsweise einmal, wie in diesem Fall, eine Lage, in der das Inkrafttreten eines Vertrages vor Abschluß des verfassungsgerichtlichen Verfah• rens nach Auffassung der Exekutive unabweisbar geboten erscheint, so haben die dafür veran• twortlichen Verfassungsorgane für die sich daraus möglicherweise ergebenden Folgen einzu• stehen (vgl. Urteil vom la Juni 1973, S. 61. - 2 BvO 1/743 -).

111. Der Vertrag regelt die Grund/agen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Seine Beurteilung macht erforderlich, sich mit den Aussagen des Grundgesetzes über den Rechtsstatus Deutschlands auseinanderzusetzen : 1. Das Grundgesetz - nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! - geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliier• ten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist: das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 114 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [3191.]; 5, 85 [126]; 6, 3091336, 363i), besitzt nach wie vor Rechtsfä• higkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutio• nalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. Im Grundgesetz ist auch die Auffassung vom ge• samtdeutschen Staatsvolk und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt "verankert" (BVerfGE 2: 266 1277]). Verantwortung für "Deutschland als Ganzes" tragen - auch - die Vier Mächte (BVerfGE I, 351 [3621., 367]). Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert (vgl. Carlo Schmid in der 6. Sitzung des Parlamentarischen Rates - StenBer. S. 70). Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht "Rechtsnachfolger" des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat "Deut• sches Reich", - in bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings "teilidentisch", so daß in• soweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. Die Bundesrepublik umfaßt also, was ihr Staatsvolk und ihr Staatsgebiet anlangt, nicht das ganze Deutschland, unbeschadet dessen, daß sie ein einheitliches Staatsvolk des VölkerreChtssubjekts "Deutschland" (Deutsches Reich), zu dem die eigene Bevölkerung als untrennbarer Teil gehört, und ein einheitliches Staatsgebiet "Deutschland" (Deutsches Reich), zu dem ihr eigenes Staatsgebiet als ebenfalls nicht abtrenn• barer Teil gehört, anerkennt. Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den "Gel• tungsbereich des Grundgesetzes" (vgl. BVerfGE 3. 28813191.]; 6, 309 1338, 363J), fühlt sich aber auch verantwortlich für das ganze Deutschland (vgl. Präambel des Grundgesetzes). Derzeit be• steht die Bundesrepublik aus den in Art. 23 GG genannten Ländern, einschließlich Berlin; der Status des landeS Berlin der Bundesrepublik Deutschland ist nur gemindert und belastet durch den sogenannten Vorbehalt der Gouverneure der Westmächte (BVerfGE 7, 1 [7II.J; 19, 3771388J; 20,257 [2660 ). Die Deutsche Demokratische Republik gehört zu Deutschland und kann im Ver• hältniS zur BundeSrepublik Deutschland nicht als Ausland angesehen werden (BVerfGE 11, 150 [158]). Deshalb war z.B. der Interzonenhandel und ist der ihm entsprechende innerdeutsche Handel nicht Außenhandel (BVerfGE 18, 353 [354J). 2. Zum Wiedervereinigungsgebot und Selbstbestimmungsrecht, das im Grundgesetz enthaiten ist, hat das Bundesverfassungsgericht bisher II'kannt und daran Mit der Senat fest: Dem Vor• spruch des Grundgesetzes kommt nicht nur politische Bedeutung zu, er hat auch rechtlichen Gehalt. Die Wiedervereinigung ist ein verfassungsrechtliches Gebot. Es muß jedoch den zu poli• tischem Handeln berufenen Organen der Bundesrepublik üb

246 sind verpflichtet, in ihrer Politik auf die Erreichung dieses Zieles hinzuwirken - das schließt die Forderung ein, den Wiedervereinigungsanspruch im Innern wachzuhalten und nach außen be• harrlich zu vertreten - und alles zu unterlassen, was die Wiedervereinigung vereiteln würde. Die Bundesregierung hat allerdings in eigener Verantwortung zu entscheiden, mit welchen politi• schen Mitteln und auf welchen politischen Wegen sie das nach dem Grundgesetz rechtlich ge• botene Ziel der Wiedervereinigung zu erreichen oder ihm wenigstens näherzukommen ver• sucht. Die Abschätzung der Chancen ihrer Politik ist ihre und der sie tragenden parlamentari• schen Mehrheit Sache. Hier hat das Gericht weder Kritik zu üben noch seine Auffassung über die Aussichten der Politik zu äußern. Die politische Verantwortung dafür liegt allein bei den politi• schen Instanzen. Eine Grenze, die allerdings das Bundesverfassungsgericht deutlich zu ma• chen, zu bestimmen und u.U. durchzusetzen hat, liegt im Rechts- und Verfassungsstaatder Bun• desrepublik Deutschland darin, daß die Verfassung verbietet, daß die Bundesrepublik auf einen Rechtstitel (eine Rechtsposition) aus dem Grundgesetz verzichtet, mittels dessen sie in Rich• tung auf Verwirklichung der Wiedervereinigung und der Selbstbestimmung wirken kann, oder ei• nen mit dem Grundgesetz unvereinbaren Rechtstitel schafft oder sich an der Begründung eines solchen Rechtstitels beteiligt, der ihr bei ihrem Streben nach diesem Ziel entgegengehalten wer• den kann. Es ist ein Unterschied, ob man - solange daraus nicht die Gefahr der Verwirkung des Rechtstitels erwächst - politisch von einem Rechtstitel keinen Gebrauch macht oder ihn derzeit oder für absehbare Zeit nicht als politisches Instrument für tauglich hält, sich also damit abfin• det, daß mit ihm kein politischer Erfolg erzielt werden kann, oder ob man auf ihn im Rechtssinn verzichtet. Man kann sich in diesem Sinne also politisch mit Realitäten abfinden. Das Grundge• setz verlangt aber, daß insoweit kein in ihm begründeter Rechtstitel preisgegeben wird, der jetzt oder später ein Argument zur Förderung des Bestrebens nach Wiedervereinigung bieten kann. Und Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall: Politisches Verhalten mag sich später als "falsch kalkuliert" herausstellen und der Bundesregierung von anderen in ihrem Bemühen um Wiedervereinigung politisCh entgegengehalten werden können; dieser - vom Verfassungsge• richt mit keinem Wort zu kommentierende - Tatbestand unterscheidet sich wesentlich von dem anderen, daß die Bundesrepublik Deutschland mitwirkt bei einem Rechtsinstrument, das ihr von anderen in ihrem Bemühen um Wiedervereinigung entgegengehalten werden kann. Daraus er• gibt sich beispielsweise: Die klare Rechtsposition jeder Regierung der Bundesrepublik Deutsch• land ist: Wir haben von der im Grundgesetz vorausgesetzten, in ihm "verankerten" Existenz Ge• samtdeutschlands mit einem deutschem (Gesamt-)Staatsvolk und einer (gesamt-)deutschen Staatsgewalt auszugehen. Wenn heute von der "deutschen Nation" gesprochen wird, die eine Klammer für Gesamtdeutschland sei, so ist dagegen nichts einzuwenden, wenn darunter auch ein Synonym für das "deutsche Staatsvolk" verstanden wird, an jener Rechtsposition also fest• gehalten wird und nur aus politisChen Rücksichten eine andere Formel verwandt wird. Ver• steckte sich dagegen hinter dieser neuen Formel "deutsche Nation" nur noch der Begriff einer im Bewußtsein der Bevölkerung vorhandenen Sprach- und Kultureinheit, dann wäre das recht• lich die Aufgabe einer unverzichtbaren Rechtsposition. Letzteres stünde in Widerspruch zum Gebot der Wiedervereinigung als Ziel, das von der Bundesregierung mit allen erlaubten Mitteln anzustreben ist. Ebenso verhielte es sich, wenn die Verweisung auf die Viermächte• Verantwortung für Gesamtdeutschland bedeuten würde, künftig sei sie allein noch eine (letzte) rechtliche Klammer für die Fortexistenz Gesamtdeutschlands; verfassungsgemäß ist nur - wie es auch die Bundesregierung selbst versteht -, daß sie eine weitere Rechtsgrundlage für das Bemühen der Bundesregierung um Wiedervereinigung bildet, nämlich eine "völkerrechtliche" neben der staatsrechtlichen. Zur politischen These vom "Alleinvertretungsanspruch" hat sich das Bundesverfassungsgericht niemals geäußert. Es hatte und hat auch jetzt keinen Anlaß zu prüfen und zu entscheiden, ob sich aus dem Grundgesetz rechtlich ein AlleinvertretungsansprUCh der Bundesrepublik Deutschland für Gesamtdeutschland begründen läßt. 3. Der Vertrag kann so interpretiert werden, daß er mit keiner der dargelegten Aussagen des Grundgesetzes in Widerspruch gerät. Keine amtliche Äußerung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland kann dahin verstanden werden, daß sie bei der Interpretation des Vertrages diesen verfassungsrechtlichen Boden verlassen hat oder verläßt.

IV 1. Der Vertrag kann rechtlich nur gewürdigt werden, wenn man ihn in einen größeren Zusammen• hang stellt. Er ist ein Stück einer umfassenderen Politik, näherhin der von der Bundesregierung auf Entspannung angelegten Ostpolitik, innerhalb derer vor allem die Verträge von Moskau und Warschau herausragende Meilensteine sind; diese Verträge waren ebenso Voraussetzung für den Abschluß des Grundlagenvertrags, wie der Grundlagenvertrag seinerzeit für die Bundes-

247 regierung ein Ziel war, das sie durch Abschluß jener beiden Ostverträge zu erreichen hoffte. In diesem Zusammenhang gewinnt der Grundvertreg dieselbe fundamentale Bedautung wie der Moskauer und der Warschauer Vertreg. Er ist kein beliebig korrigierbarer Schritt wie viele Schritte in der Politik, sondern er bildet, wie schon sein Name sagt, die Grundlage für eine auf Dauer angelegte neue Politik. Dementsprechend enthält er wedar eine zeitliche Befristung noch eine Kündigungsklausel. Er stellt eine historische Weiche, von der aus das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik neu gestaltet werden so". Dieser Zusammenhang ist für die rechtliche Beurteilung des Vertrags von mehrfa• cher Bedeutung: Er ist zwar in ähnlicher Weise wie das Grundgesetz (vgl. Präambel, Art. 23 und 146 GG) keine endgültige Lösung der deutschen Frage. Gleichwohl kann er nicht als eine bloße "Übergangslö' sung" bis zu einer späteren "endgültigen" Neubestimmung des Verhältnisses zwischen den beiden Staaten qualifiziert werden; er ist kein vereinbarter "modus vivendi", der in absehbarer Zeit durch eine andere gurndsätzliche Neubestimmung des Verhältnisses zwischen diesen bei• den Staaten abgelöst werden soll. Er selbst ist die ernsthaft gewollte neue Grundlage für die Be• stimmung des Verhältnisses der beiden Staaten zueinander, - unbeschadet dessen, daß die Vertragsteile rechtlich frei sind, jederzeit übereinzukommen, den Vertrag in Übereinstimmung mit den für ihn geltenden Rechtsgrundsätzen zu ändern oder zu ergänzen. Aus der dargelegten politischen Bedeutung des Vertrags ergibt sich weiter die rechtliche Folge• rung: Als Grundlage für die neuen Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten er· wächst aus ihm in der kommenden Zeit mit Notwendigkeit eine Vielzahl von rechtlichen Konkret;· s;erungen des neuen Neben· und Miteinander der beiden Staaten (vgl. Art. 7 des Vertrags). Je• der dieser weiteren rechtlichen Schritte muß nicht nur vertragsgemäß, sondern auch grundgesetzmäßig sein. Es bedarf also heute schon der Klarste"ung, daß alles, was unter Beru• fung auf den Vertrag an weiteren rechtlichen Schritten geschieht, nicht schon deshalb rechtlich in Ordnung ist, weil die vertragliche Grundlage (der Vertrag) verfassungsrechtlich nicht zu bean• standen sei. Deshalb sind schon in diesem Normenkontrollverfahren, soweit übersehbar, die ver· fassungsrechtlichen Grenzen aufzuzeigen, die für das "Ausfüllen" des Vertrags durch spätere Vereinbarungen und Abreden bestehen. 2. Der Vertrag ist eingebettet in umgreifendere und speziellere Rechtsverhältnisse, die ebenfalls bei seiner rechtlichen Würdigung zu beachten sind: Das wird besonders deutlich durch die Be• zugnahme auf die Charta der Vereinigten Nationen in Art. 2 und Art. 3 des Vertrags und durch die Regelung in Artikel 9, wonach "durch diesen Vertrag" die von den Vertragspartnern "früher abgeschlossenen oder sie betreffenden zweiseitigen und mehrseitigen internationalen Verträge und Vereinbarungen nicht berührt werden", das sind insbesondere die von der BundesrepUblik abgeschlossenen "Westverträge" - es bleibt also vor allem auch unberührt Art. 7 des Deut• schlandvertrags, nach dem die Bundesrepublik und die Drei Mächte nach wie vor vertraglich verpflichtet bleiben (Abs. 2), zusammenzuwirken, "um mit friedlichen Mitteln ihr gemeinsames Ziel zu verwirklichen; ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung ähnlich wie die Bundesrepublik besitzt und da sind die europäische Gemeinschaft integriert ist" - sowie die Verträge von Moskau und Warschau und die Deutschland als Ganzes betreffenden Viermächte-Vereinberungen, aber auch beispielsweise der zwischen der Deut· sehen Demokratischen Republik und der Volksrepublik Polen abgeschlossene Grenz- und Freundschaftsvertrag, soweit er Deutschland (als Ganzes) berührt. Die Bedeutung der Klausel des Art. 9 des Vertrags wird auch sichtber in dem Briefwechsel zwischen den beiden Unterhänd• lern, in dem sie sich wechselseitig unterrichten über die Noten an die Botschafter Frankreichs, Englands und der Vereinigten Staaten sowie an den Botschafter der Sowjetunion, und in den "Erklärungen beider Seiten in bezug auf Berlin {West)", in denen auf das Viermächte• Abkommen vom 3. September 1971, das Bertin Betrifft, Bezug genommen wird. 3. Berücksichtigt man die dargelegten Zusammenhänge, so wird deutlich, welche Bedeutung den in der politischen Diskussion verwendeten Formeln "zwischen den beiden Staaten beste• hen besondere Beziehungen" und "der Vertrag besitze eine diesen besonderen Verhältnissen entsprechenden besonderen Charakter" zukommt: Die Deutsche Demokratische Republik ist im Sinne des Völkerrechts ein Staat und als solcher Völkerrechtssubjekl. Diese Festste"ung ist unabhängig von einer völkerrechtlichen Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik durch die Bundesrepublik Deutschland. Eine solche Anerkennung hat die Bundesrepublik Deutschland nicht nur nie förmlich ausgesprochen, sondern im Gegentail wiedarholt ausdrück• lich abgelehnt. Würdigt man das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik im Zuge ihrer Entspannungspolitik, insbesondere das At>• schließen des Vertrages als faktische Anerkennung, SO kann sie nur als eine faktische Anerken• nung besonderer Art verstanden werden.

248 Das Besondere dieses Vertrags ist, daß er zwar ein bilateraler Vertrag zwischen zwei Staaten ist, für den die Rege!n des Völkerrechts gelten und der die Geltungskraft wie jeder andere völker• rechtliche Vertrag besitzt, aber zwischen zwei Staaten, die Teile eines noch immer existieren• den, wenn auch handlungsunfähigen, weil noch nicht reorganisierten umfassenden Staates Ge• samtdeutschland mit einem einheitlichen Staatsvolk sind, dessen Grenzen genauer zu bestim• men hier nicht nötig ist. Daraus ergibt sich die besondere rechtliche Nähe, in der die beiden Staaten zueinander stehen, daraus ergibt sich folgerichtig die Regelung in Artikel 8, wonach beide Staaten nicht Botschafter, sondern ständige Vertretungen am Sitz der jeweiligen Regie• rung austauschen, daraus ergibt sich die Besonderheit des Ratifikationsverfahrens, das nicht endet mit dem Austausch von Ratifikationsurkunden aufgrund Vollmacht des Bundespräsiden• ten,sondern mit dem Austausch .. entsprechender Noten", von denen die eine auf seiten der Bun• desrepublik Deutschland von der Bundesregierung ausgefertigt wird, und ergibt sich schließlich die Gesamttendenz des Vertrags, zu einer möglichst engen Zusammenarbeit zwischen den Ver• tragspartnern mit dem Ziele einer Verbesserung der menschlichen Beziehungen über die ge• meinsame Grenze hinweg zu gelangen (6. Absatz der Präambel, Art. 7 des Vertrags und Zusatz• protokoll). Die Erklärung in Nr. 1 des Zusatzprotokolls zu Artikel 7, daß der Handel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage der bestehenden Abkommen entwiCkelt wird, macht außerdem deutlich, daß dieser Handel von den Vertragspartnern übereinstimmend nicht als Außenhandel betrachtet wird. Insofern läßt sich das Besondere dieses Vertrags auch durch die Formel verdeutlichen, daß er .. inter-se• Beziehungen" regelt. Er regelt aber nicht ausschließlich solche Beziehungen und fällt deshalb nicht aus der Ordnung des allgemeinen Völkerrechts heraus, gehört also nicht einer spezifi• schen, erst durch ihn geschaffenen, gegenständlich beschränkten Sonderrechtsordnung an. Diese Deutung verbietet sich durch die Regelungen in Art. 2 und Art. 3 des Vertrags, die als für das Verhältnis zwischen den Partnern wesentlich ausdrücklich die Charta der Vereinten Natio• nen nennen. Der Vertrag hat also einen Doppe/charakter: er ist seiner Art nach ein völkerrechtli• cher Vertrag, seinem spezifischen Inhalt nach ein Vertrag, der vor allem inter-se-Beziehungen regelt. Inter-se-Beziehungen in einem völkerrechtlichen Vertrag zu regeln, kann vor allem dann nötig sein, wenn eine staatsrechtliche Ordnung, wie hier wegen der Desorganisation des Ge• samtstaats, fehlt. Selbst im Bundesstaat bemessen sich, falls eine Regelung in der Bundesver• fasssung fehlt, die Beziehungen zwischen den Gliedstaaten nach den Regeln des Völkerrechts (vgl. die Entscheidung des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich, Lammers-Simons, I, 17ßff., 207ft.: dazu die Fortentwicklung nach dem Recht des Grundgesetzes: BVerlGE 1, 14 151i: 34, 216 [230ff.i). Unrichtig ist also die Auffassung, jedes .. Zwei-Staaten-Modell" sei mit der grundgesetzlichen Ordnung unvereinbar.

V. Im einzelnen ist zur verfassungsrechtlichen Beurteilung des Vertrags noch folgendes auszu• führen: 1. Wie oben dargelegt, setzt das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes der Gestaltungs• freiheit der Staatsorgane verfassungsrechtliche Grenzen: Es darf keine Rechtsposition aus dem Grundgesetz, die der Wiedervereinigung auf der Grundlage der freien Selbstbestimmung des deutschen Volkes dienlich ist, aufgegeben werden und es darf andererseits kein mit dem Grund• gesetz unvereinbares Rechtsinstrument unter Beteiligung der Verfassungsorgane der Bundes• republik Deutschland geschaffen werden, das der Bemühung der Bundesregierung um Wieder• vereinigung entgegengehalten werden kann. In diesem Zusammenhang hat der Brief der Bun• desregierung zur deutschen Einheit an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik seine Bedeutung: Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 1973 steht fest, daß der wesentliche Inhalt des Briefes vor Abschluß der Verhandlungen angekündigt und der Brief der Gegenseite unmittelbar vor Unterzeichnung des Vertrags zugestellt worden ist. In ihm ist festgehalten, daß der Vertrag nicht in Widerspruch steht .. zu dem politischen Ziel der Bundes• republik Deutschland, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deut• sche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt". Dieser Brief, der im Lichte der oben dargelegten Verfassungslage und der früher eingegange• nen, oben zitierten vertraglichen Verpflichtung aus Art. 7 des Deutschlandvertrags zu verstehen ist, bestätigt nur, was sich aus der Interpretation des Vertrags selbst ergibt: In der Präambel des Vertrags heißt es: .. unbeschadet der untersChiedlichen Auffassungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zu grundsätzlichen Fragen, darunter zur nationalen Frage". Die .. nationale Frage" ist für die Bundesrepublik Deutschland konkreter das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes, das auf die .. Wah• rung der staatlichen Einheit des deutschen Volkes" geht. Die Präambel. so gelesen, ist ein en!-

249 scheidender Satz zur Auslegung des ganzen Vertrags: Er steht mit dem grundgeselzlichen Wie• dervereinigungsgebot nicht in Widerspruch. Die Bundesregierung verlierl durch den Vertrag nicht den Rechtstitel, überall im internationalen Verkehr, auch gegenÜber der Deutschen Demo• kratischen Republik, nach wie vor die staatliche Einheit des deutschen Volkes im Wege seiner freien Selbstbestimmung fordern zu können und in ihrer Politik dieses Ziel mit friedlichen Mitteln und in Übereinstimmung mit den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts anzustreben. Der Vertrag ist kein Teilungsvertrag, sondern ein Vertrag, der weder heute noch für die Zukunft aus• SChließt. daß die Bundesregierung jederzeit alles ihr Mögliche dafür tut, daß das deutsche Volk seine staatliche Einheit wieder organisieren kann. Er kann ein erster Schritt sein in einem länge• ren Prozeß, der zunächst in einem der dem Völkerrecht bekannten verschiedenen Varianten ei• ner Konförderation endet, also ein Schritt in Richtung auf die Verwirklichung der Wiedervereingi• ung des deutschen Volkes in einem Staat, also auf die Reorganisation Deutschlands. 2. In Art. 3 Abs. 2 des Vertrags bekräftigen die vertragschließenden Teile "die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze jetzt und in der Zukunft und verpflichten sich zur unein• geschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität". Es gibt Grenzen verschiedener rechtlicher Qualität: Verwaltungsgrenzen, Demarkationsgrenzen, Grenzen von Interessensphären, eine Grenze des Geltungsbereichs des Grundgesetzes, die Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937, staatsrechtliche Grenzen und hier wiederum solche, die den Gesamtstaat einschließen, und solche, die innerhalb eines Gesamtstaates Gliedstaaten (z.B. die Länder der Bundesrepublik Deutschland) voneinander trennen. Daß in Artikel 3 Abs. 2 eine staatsrechtliche Grenze gemeint ist, ergibt sich unzweideutig aus dem übrigen Inhalt des Ver• trags (Arl. 1,2, 3 Abs. 1; 4, 6). Für die Frage, ob die Anerkennung der Grenze zwischen den bei• den Staaten als Staatsgrenze mit dem Grundgesetz vereinbar ist, ist entscheidend die Qualifizie• rung als staatsrechtliche Grenze zwischen zwei Staaten, deren "Besonderheit" ist, daß sie auf dem Fundament des noch existierenden Staates "Deutschland als Ganzes" existieren, daß es sich also um eine staatsrechtliche Grenze handelt ähnlich denen, die zwischen den Ländern der Bundesrepublik Deutschland verlaufen. Mit dieser Qualifizierung der Grenze ist einerseits ver• einbar die Abrede, daß die beiden Staaten "normale gutnachbarliChe Beziehungen zueinander auf der Grundlage der Gleic~berechtigung" entwickeln (Art. 1 des Vertrags), die Abrede, wo• nach beide Staaten sich von dem Prinzip der "souveränen Gleichheit aller Staaten", das in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt ist, leiten lassen (Art. 2 des Vertrags) und die Ab• rede, daß beide Staaten von dem Grundsatz ausgehen, daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt und daß sie die Unabhängigkeit und Selbständig• keit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten respektieren (Art. 6 des Vertrags). Andererseits trägt diese Qualifizierung der Staatsgrenze in Art. 3 Abs. 2 des Ver• trags dem Anspruch des Grundgesetzes Rechnung, daß die nationale Frage, das ist die Forde• rung nach Erreichung der staatlichen Einheit des deutschen Volkes, offenbleibt. Wenn Art. 3 Abs. 2 des Vertrags das Wort "bekräftigt" verwendet, so läßt sich daraus nicht herlei• ten, daß hier nur eine anderweit - im Moskauer Vertrag - getroffene Regelung, die der Grenze den Charakter der staatsrechtlichen Grenze verliehen hat, in Bezug genommen wird, der Ver• tragsbestimmung also keinerlei konstitutive Bedeutung zukommt. Man kann Grenzen als Staats• gre~zen mehrfach vertraglich anerkennen und garantieren. Und das hat rechtliche Bedeutung, weil das Schicksal der verschiedenen vertraglichen Anerkennungen verschieden sein kann. Ohne daß es also nötig wäre zu untersuchen, welche rechtliche Bedeutung der entsprechenden Regelung im Moskauer Vertrag zukommt, ist davon auszugehen, daß Art. 3 Abs. 2 des Vertrages eine neue und zusätzliche vertragliche Anerkennung der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik enthält und diese Grenze konstitutiv garantiert. Sie ist in der oben gegebenen Qualifizierung (und nur in dieser Qualifizierung) mit dem Grundgesetz vereinbar. Daß nach den auf den Vertrag anzuwendenden Regeln des Völkerrechts auch die Vereinbarung in Art. 3 Abs. 2 des Vertrags über Bestand und Verlauf der Grenze einer einvernehmlichen Ände• rung in Zukunft nicht entgegensteht, versteht sich von selbst. 3. In Artikel 6 kommen die Vertragsteile dahin überein, daß sie von dem Grundsatz ausgehen, daß die Hoheitsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt und daß sie die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äu• ßeren Angelegenheiten respektieren. Auch diese Vereinbarung ist nur mit dem Grundgesetz ver• einbar, wenn man sie dahin auslegt, daß für die Bundesrepublik Deutschland die Basis dieses Vertrags der von ihr nach dem Grundgesetz anzuerkennende Fortbestand Deutschlands als (zwar nicht organisierter und deswegen handlungsunfähiger) Staet ist und daß deshalb die wechselseitige Beschränkung der Hoheitsgewalt auf je das eigene Staatsgebiet und die Re• spektierung der Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren

250 und äußeren Angelegenheiten ihren Bezug auf das besonde18 Verhältnis haben, in dem beide Staaten als Teilstaaten Gesamtdeutschlands zueinander stehen. 4. Art. 23 GG bestimmt "Dieses Grundgesetz gilt zunllchst im Gebiet der Länder ... In andemn Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen." Daß diese Bestimmung in einem inneren Zusammenhang mit dem Wiedervereinigungsgebot steht, liegt auf der Hand. Doch darauf kommt es hier nicht an. Die Bestimmung hat ihre eigene Bedeutung und gehört nach ihrem Inhalt zu den zentralen Vorschriften, die dem Grundgesetz sein besonderes Gepräge geben. Sie besagt, daß sich diese Bundesrepublik Deutschland als gebietlich unvollständig versteht, daß sie, sobald es möglich ist und die Bereitschaft anderer Teile Deutschlands zum Beitritt vorliegt, von sich aus kraft dieser Verfassungsbestimmung das dazu Nötige zu tun verpflichtet ist, und daß sie erst "VOllständig" das ist, was sie sein will, wenn die anderen Teile Deutschlands ihr angehören. Dieses "rechtliche Ottensein" gegenüber dem erstrebten Zuwachs liegt spezifisch darin, daß sie, die Bundesrepublik, rechtlich allein Herr der Entschließung über die Aufnahme der anderen Teile ist, sobald diese sich dafür entscheiden ha• ben, beizutreten. Diese Vorschrift verbietet also, daß sich die Bundesregierung vertraglich in eine Abh6ngigkeit begibt, nach der sie rechtlich nicht mehr allein, sondern nur noch im Einverständ• nis mit dem Vertragspartner die Aufnahme verwirklichen kann. Das ist etwas anderes als die polI• tische, die faktische Abhängigkeit jeder Bundesregierung, derzeit Gelegenheit zur Aufnahme ei• nes weiteren Teils Deutschlands nur zu haben, wenn die inzwischen anderwe~ staatlich organi• sierten Teile Deutschlands nach deren Vertassungsrecht die Voraussetzung für eine "Aufnahme" schaffen. Art. 23 ist weder durch die politische Entwicklung überholt, noch sonst aus irgendeinem Grund rechtlich obsolet geworden. Er gilt unverändert fort. "Andere Teile Deutschlands" haben allerdings mittlerweile in der Deutschen Demokratischen Republik ihre Staatlichkeit gefunden. In dieser Weise organisiert, können sie ihren Willen zur Vereinigung mit der Bundesrepublik (ihren "Be~ritt") nur in der Form äußern, die ihre Verfas• sung zuläßt. Die Voraussetzung für die Realisierung des Beitritts ist also ein _rechtlicher Vorgang in der Deutschen Demokratischen Republik, der einem rechtlichen Einfluß durch die Bundesrepublik nicht zugänglich ist. Das berührt jedoch nicht die beschriebene in Art. 23 GG enthaltene Verfassungspflicht, den anderen Teilen Deutschlands den Beitritt otfenzuhalten. Und daren hat auch der Vertrag nichts geändert. Anders ausgedruckt: Die im Vertreg hingenommene Abhängigke~ vom Rechtswillen der Deutschen Demokratischen Republik bei der Realisierung der Aufnahme anderer Teile Deutschlands ist nichts weiter als eine Bestätigung dessen, was oh• nehin rechtens Ist, nachdem andere Teile Deutschlands sich in einem Staat Deutsche Demokra• tische Republik organisiert haben. Das heißt dann allerdings zugleich, daß keine der Vertragsbe• stimmungen dahin ausgelegt werden kann, daß die Bereitschaft (und Aufforderung) der Bundes• regierung, daß ihr gemäß Art. 23 GG zur Pflicht gemachte zur verwirklichen, ein vertregswidrlges Verhalten wäre. Diese Aufnahme der anderen Teile Deutschlands in einen freien deutschen Staat, der rechtlich auch nach Inkrafllreten des Vertrags möglich bleiben muß, ist die grundgesetzIIch gebotene Rechtsauttassung, die der politischen Vorstellung der Deut• schen Demokratischen Republik entgegenzusetzen ist, daß es eine Vereinigung nur in einem kommunistischen deutschen Staat der Zukunft geben durfte. 5. Was die Vereinbarkeit der Vertrags m~ den grundgesetzlichen Regelungen der Staatsangehö• rigkeit in Art. 16 und 116 Abs. 1 GG angeht, so gilt folgendes: Die Bundesrepublik hat zu Protokoll erklärt: "Staatsangehörigkeitsfragen sind durch den Vertreg nicht geregelt worden." Aber damit, daß eine Regelung der Staatsangehörigkeitsfragen nicht getroffen worden ist, ist die Frege nicht ausgeräumt, ob der Vertrag nicht Auswlrlcungen auf die Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 und des Art. 116 Abs. 1 GG hat und welche dieser Auswirkungen im Widerspruch mit den ge• nannten grundgesetzlichen Vorschriften steht. Art. 16 GG geht davon aus, daß die "deutsche Staatsangehörigkeit", die auch in Art. 116 Abs. 1 GG in Bezug genommen ist, zugleich die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland ist. Deutscher Staatsangehöriger im Sinne des Grundgesetzes ist also nicht nur der Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Für die Bundesrepublik Deutschland verliert ein Deutscher diese deutsche Staatsangehörigkeit nicht dadurch, daß sie ein andemr Staat aberkennt. Eine solche Aberkennung darf die Bundesrepu• blik Deutschland nicht rechtlich anerkennen; sie ist für sie ohne Wirkung. Der Status des Deutschen im Sinne des Grundgesetzes, der die in diesem Grundgesetz _u• ierte deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, darf durch keine Maßnahme, die der Bundesrepublik Deutschland zuzurechnen ist, gemindert oder verkürzt werden. Das folgt aus der m~ dem Status des Staatsangehörigen verbundenen Schutzpflicht des Heimatstaates. Dazu gehört insbeson• dem, daß ein Deutscher, wann immer er in den Schutzbereich der staatlichen Ordnung der Bun• desrepublik Deutschland gelangt, - solange er nicht darauf verzichtet - einen Anspruch dar-

251 'h t, n eh dem Recht der Bundesrepublik Deutschland vor deren Gerichten sein Recht zu su• chen. Deshalb het das Bunct.wrfassungsgericht auch gegenOber Urtallen von Gerichten der Deutschen Demokratischen Republik, die kaln Ausland ist, den ordre public durchgreifen lassen (BVerfGE 11, 150 [1601.J). Die weiteren Konsequenzen ki>nnen hier auf sich beruhen. Jedenfalls: MOb der Vertrag dahin verstanden werden, daß die Bürger der Deutschen Demokratischen Re• publik im Geltungsbereich des Grundgesetzes nicht mehr als Deutsche im Sinne des Art. 16 und des Art. 116 Abs. 1 GG behandelt werden dürften, so stünde er eindeutig im Widerspruch zum Grundgesetz. Der Vertrag b8darf daher, um verfassungskonform zu sein, der Auslegung, daß die Deutsche Demokratische Republik auch In dieser Baziehung nach dem Inkrafttreten des Ver• trags für die Bundesrepublik Deutschland nicht Ausland geworden ist. Der Vertrag bedarf weijer der Auslegung, daß - unbeschadet jader Regelung des StaatsangehOrigkeilsrechts in der Deutschen Demokratischen Republik - die Bundesrepublik Deutschland jaden Bürger der Deutschen Demokratischen Republik, der in den Schutzbereich der Bundesrepublik und ihrer Verfassung gerät, gemäB Art. 116 Abs. 1 und 16 GG als Deutschen wie jaden Bürger der Bundes• republik behandelt. Er genießt deshalb, soweit er in den Geltungsbereich des Grundgesetzes gerät, auch den vollen Schutz der Gerichte der Bundesrepublik und alle Garantien der Grund• rechte des Grundgesetzes, einschließlich des Grundrechts aus Art. 14 GG. Jade Verkürzung des verfassungsrechtlichen Schutzes, den das Grundgesetz gewahrt, durch den Vertrag oder eine Vereinbarung zur Ausfüllung des Vertrags, wäre grundgesetzwidrig. 6. Entsprechendes gilt für die Interpretation des Protokollvermerks "Wegen der unterschiedli• chen Rechtspositionen zu Vermögensfragen konnten diese durch den Vertrag nicht geregelt werden". 7. Aus der dargalegten besonderen Natur des Vertrags folgt, daß der Vertrag auch nicht unver• einbar ist mit der nach dem Grundgesetz der Bundesregierung eufgegebenen Pflicht, allen Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG Schutz und Fürsorge angedeihen zu lassen. Sie ist nach wie vor betugt, innerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes, durch alle ihre diplo• matischen Vertretungen und in allen internationalen Gremien, deren Mitglied sie ist, ihre Stimme zu erheben, ihren Einftuß geltend zu machen und einzutreten für die Interessen der deutschen Nationen, zum Schutz der Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG und Hilfe zu leisten auch jadem einzelnen von ihnen, der sich an eine Dienststelle der Bundesrepublik Deutschland wen• det mit der Bijte um wirksame Unterstützung in der Verteidigung seiner Rechte, Insbesondere seiner Grundrechte. Hier gibt es für die Bundesrepublik Deutschland auch künftig keinen rechtli• chen Unterschiad zwiSChen den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland und "den anderen Deutschen". Das Eigentümliche dieses Vertrags liegt gerede darin, daß er selbst als "Grundla• genvertreg" neben den Rechtsgrundlegen, die schon vorher das rechtlich besondere Verhältnis zwiSChen Bundesrepublik Deutschland und Deutscher Demokratischer Republik begründet ha• ben - die Rechtslage des nicht untergegangenen, aber nicht organisierten Gesamtdeutsch• lands und die Viermichte-Verantwortung für dieses Deutschland als Ganzes -, eine zusätzliche neue Rechtsgrundlage btldet, die die beiden Staaten in Deutschland enger als normale völker• rechtliche Verträge zwischen zwei Staaten aneinander binden. 8. Der Vertrag Andert nichte an der Rechtslage BerIIns, wie sie seit je von Bu~g, Bundesrat und Bundeereglerung, den LAndern der Bundesrepublik und dem Bundesverfassungsgericht gemeinsam unter Berufung auf des Grundgesetz verteidigt worden Ist. Das Grundgesetz ver• pftichtet auch für die ZUkunft alle Verfassungsorgene in Bund und Lindern, diese Rechtsposi• tion ohne Einschränkung geltend zu machen und dafür einzutreten. Nur in diesem Kontext dür• fen die Erklärungen beider Selten in bezug auf Bertin (West) ausgelegt und verstenden werden. Das bedeutet u.a., des Einvernehmen in Abeatz 1 der Ertdlrungen, wonach die Ausdehnung von Abkommen und Regetungen, die im ZUsatzprotokoII zu ArtIkel 7 vorgesehen sind, in Oberein• stimmung mit dem ViermAchte-Abkommen vorn 3. September 1971 auf Berlin (West) Im jeweili• gen Fall vereinbart werden kann, schränkt in keiner Weise die grundgesetzliche Pllicht der für die Bundesrepublik Deutschland handelnden Organs ein, bei jedem Abkommen und bei jeder Vereinbarung mit der Deutschen Demokratischen Republik, die ihrem Inhaft nach auf des Land Bertin und seine Bürger auegedehnt werden ki>nnen, auf der Ausdehnung auf Berlin zu beste• hen und nur abzuschließen, wenn der Rechtsstand Berllns und seiner Bürger gegenOber dem für den Geltungsbereich des Grundgeselzes geltenden Rechtsstand - vorbehaltlich des für Bertin geltenden alliierten Vorbehafts und "In Obereinatimmung mit dem lIiermAchte• Abkommen vorn 3. September 1971" - nicht verkürzt wird. Entsprechendes gilt für die Vereinbarung In Abeatz 2, wonach die IllAndIge Verlnltung der Bun• dasrepublik Deutschland in der Deutschen DemokratiscI*1 Republik die "Inte_n" von Ber• lin (West) vertreten wird. Schließlich ist festzuheit8n, daß die in Abeatz 3 vorgesehene Möglichkeit von "Veretnbarungen

252 Entsprechendes gilt für die Vereinbarung in Absatz 2, wonach die ständige Vertretung der Bun• desrepublik Deutschland in der Deutschen Demokratischen Republik die "Interessen" von Ber• lin (West) vertreten wird. Schließlich ist festzuhalten, daß die in Absatz 3 vorgesehene Möglichkeit von "Vereinbarungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und dem Senat" das Land Berlin nicht von der Beachtung der grundgesetzlichen Ordnung befreit. 9. Alles, was bisher zur Auslegung des Vertragswerks ausgeführt worden ist, gilt sinngemäß auch für den Abschluß der im ZusatzprotokOll zu Artikel 7 vorgesehenen und der sonst zur Aus• füllung des Vertrags noch denkbaren Folgeverträge und -vereinbarungen mit der Deutschen De• mokratischen Republik. Das bedeutet beispielsweise: a) Das im Zusatzprotokoll zu Artikel 7 Nr. 5 vorgesehene Post- und Fernmeldeabkommen darf weder für die Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland noch für die Deutschen in der Deut· schen Demokratischen Republik eine Verkürzung oder Lockerung der Garantie des Brief-, Post· und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 GG) noch eine in Art. 5 GG nicht vorgesehene Einschrän• kung des freien Austausches von Meinungen und Informationen enthalten. Auch der im Zusatz• protokoll zu Artikel 7 Nr. 1 in Bezug genommene Handel zwischen der Bundesrepublik Deutsch• land und der Deutschen Demokratischen Republik auf der Grundlage der bestehenden Abkom• men darf im Zuge der Fortentwicklung kein Außenhandel werden; d.h. es darf in diesem Bereich keine Zollgrenze vereinbart werden. b) Was Fernsehen und Rundfunk angeht, die in der Programmgestaltung staatsunabhängig sind, ist klarzustellen, daß sich daran auch nach dem Vertrag nichts ändert, daß insbesondere der Ver• trag keine Rechtsgrundlage dafür abgibt, durch entsprechende gesetzliche oder verwaltungsmä• ßige Maßnahmen Sendungen, die der Deutschen Demokratischen Republik unerwünscht sind, zu unterbinden. Was immer in der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der allgemeinen anstaltsei• genen Richtlinien und im Rahmen der bestehenden Anstaltsorganisalionsgesetze ausgestrahlt wird, kann nicht als mü dem Vertrag unvereinbar angesehen werden; erst recht nicht darf die Bun• desrepublik Deutschland sich in eine Vereinbarung einlassen, durch die diese Freiheit der Ansta~ ten eingeschränkt wird. Mü anderen Worten: Das Grundrecht aus Art. 5 GG kann unter Berufung auf den Vertrag auch dann nicht eingeschränkt werden, wenn die andere Seü& mit der Behauptung arbeitet, gewisse Sendungen widersprächen dem Inhalt und Geist des Vertrags, weil sie eine Ein• mischung in die inneren Angelegenheiten des Vertregspartners seien, und mü6ten deshalb in Er• füllung der vertraglich übernommenen Pflicht unterbunden werden. c) Entsprechendes gilt für das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit. Auch die Bildung von Verei• nigungen, die der anderen Seite wegen ihres Programms unerwünscht sind, kann, solange sie sich an die grundgesetzliche Ordnung halten,nicht an die Zügel genommen werden, wenn der Vertragspartner ihre Ziele und Propaganda als mit dem Inhalt und Geist der Verträge unverein• bar angreift und verlangt, daß sie wegen angeblicher Einmischung in innere Verhältnisse der Deutschen Demokratischen Republik verboten werden. d) Ebensowenig darf der Vertrag dahin verstanden werden, daß er die Bundesregierung und alle übrigen Organe in Bund und Ländern von der verfassungsmäßigen Pflicht entbinde, das öffentli• che Bewußtsein nicht nur für die bestehenden Gemeinsamkeiten, sondern auch dafür wachzu• halten, welche weltanschaulichen, politischen und sozialen Unterschiede zwischen der Lebens• und Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und der Lebens- und Rechtsordnung der Deutschen Demokratischen Republik bestehen. Jeder Versuch, die Bundesregierung in diesem Bereich in ihrer Freiheit und verfassungsmäßigen Vertretung der Interessen der freiheitlich• demokratischen Grundordnung zu beschränken mit der Behauptung, sie verstoBe gegen den In• halt und Geist des Vertrages und mische sich in die inneren Angelegenheiten der Deutschen De• mokratischen Republik ein, handle als vertragswidrig, stellt seinerseits die Vertragswidrigkeit dar. e) Schließlich muß klar sein, daß mit dem Vertrag schlechthin unvereinbar ist die gegenwärtige Praxis an der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokrati• schen Republik, also Mauer, Stacheldraht, Todesstreifen und Schießbefehl. Insoweit gibt der Vertrag eine zusätzliche Rechtsgrundlage dafür ab, daß die Bundesregierung in Wahrnehmung ihrer Grundgesetzlichen Pflicht alles ihr Mögliche tut, um diese unmenschlichen Verhältnisse zu ändern und abzubauen.

VI. AbschlieBend bedarf es zur KlarsteIlung der Bedeutung dieser Begründung des Urteils noch fol• gender Bemerkungen: 1. Die vorstehende Begründung behandelt den Vertrag wie ein vom Bundesgesetzgeber erlasse• nes Gesetz, läßt also beiseite, daß es auch spezifische Grenzen für die Vertragsauslegung gibt.

253 Ihnen ist Rechnung getragen durch die Überlegung: Alle AusfOhrungen zur verfassungslcionfor• men Auslegung des Vertrags lassen sich zuriickfühl8l1 euf den einen Grunddissens, den der Vertrag selbst in der Pnlambel ofIeniegt; die VertragschlieBenden sind sich einig, daß sie über die "nationale Frage" nicht einig sind; wOrtIlch heiBt es: "unbeschadel der unterschiedlichen Auffassungen der Bundesrepublik Deulschlsnd und der Deulschen Demokratischen Republik zu grundsAtzlichen Fragen, darunter zur nationalen Fr8ge". Es entspricht aIsc in diesem Fall den besonderen Regeln über die Auslegung von Vertrigen, wenn das Urteil aus diesem Dissens für die Auslegung des Vertrags alle Konsequenzen zieht, die die Bundesrepublik Deulschland als Vertragspartner nach dem Recht des Grundgesetzes für sich in Anspruch nehmen muß. 2. Aus dem bisher Dargelegten ergibt sich, daß der Vertrag als ein Vertrag, der auf Ausfüllung an• gelegt Ist, rechtlich au8erofclentlich bedeutsam ist nicht nur durch seine Existenz und durch sei• nen Inhalt, sondern vor allem auch als Rahmen für die künftigen Folgeverträge. Alle Ausführun• gen der Urteilsbegründung, auch die, die sich nicht ausschließlich auf den Inhalt des Vertrags selbst beziehen, sind nötig, also im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Teil der die Entscheidung tragenden Gründe. 3. Die Deutsche Demokratische Republik hatte vor Inkraftsalzen des Vertrags (20. Juni 1973) volle Kenntnis von dem beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren. von der Kompe• tenz des Bundesverfassungsgerichts, von der Bindung der Bundesregierung und aller Verfas• sungsorgane, Gerichte und Bshörden des Bundes und der Länder an die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, kannte die rechtlichen Darlegungen der Bundesregierung im Ge• setzgebungsverlahren, die in der Substanz mit der durch dieses urteil verbindlich gewordenen Rechtsauffassung nicht in Widerspruch stehen, und den vollen, im Bundesgesetzblatt veröffent• lichten Text des Vertragsgesetzes einschließlich des schon bei der Paraphierung des Vertrags angekündigten Briefes zur deutschen Einheit und war von der Bundesregierung - ohne daß ihr von der anderen Seite Widersprochen wurde - immer wieder darauf hingewiesen worden, daß sie den Vertrag nur abschließen könne so, wie er mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Diese Um• stände sind geeignet auch in der völkerrechtlichen Auseinandersetzung, insbesondere auch ge• genüber dem Vertragspartner dem Vertrag die Auslegung zu geben, die nach dem Grundgesetz erforderlich ist. Das steht im Einklang mit einem Satz des allgemeinen VOlkergewohnheitsrecht, d." in der Staatenpraxis BscIeutung hat, wenn es darum geht, ob ausnahmsweise ein Vertrags• teil sich dem anderen gegenüber derauf berufen kann, dieser hätte erkennen können und müs• sen, daß dem Vertrag in einer bestimmten Auslegung das innerstaatliche Verfassungsrecht ent• gegensteht.

VII. Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen. (gez.) Seuffert Dr. v. Schlabrendorff Dr. Rupp Dr. Geiger Hirsch Dr. Rinck Wand

Anmerkungen zu Träumereien einiger Karlsruher Richter

16. August 1973

"Die POlitik der Entspannung ... wird von den VOlkern und der gesamten fortschrittlichen, fried• liebenden WeItOIfentlichkeit aus vollem Herzen unterstützt. Daneben bestehen jedOCh weiterhin Kräfte, die Im Geiste des ,kalten Krieges' handetnd, sich der internationalen Entspannung wider• setzen ..... Aus der Mitteilung über das Freundschaftstrellen der Führer der kommunistischen und Arbeiter• parteien sozialistischer Länder auf der Krlm. Da hat sich dieser Tege der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts der BRD in einem Urteil zum Grundlegenvertrag DDR - BRD geäußert. Nun ist es sicherlich jedermann unbenommen, seine Meinung zu internationalen Vertrigen, aIsc auch zum Berliner Vertreg zu segen. Das än• dert allerdings nichts an den Verträgen, auch nicht am Grundiagenvertrag. Er ist unterschrieben, ratifiziert, in Kraft gesetzt. Wird er von beiden Seiten nach Geist und Buchsteben verwirklicht, dient dies dem FrIeden, haben die Menschen den Nutzen davon. Die Ansichten des GerIchts blieben nicht ohne Resonanz. Eine Z8itschrift der BRD qualifizierte

254 sie als absonderlich, und eine Westberliner ZeHung stellte fest, daß die in diesem Urteil verkün• deten Thecrien nicht mH den politischen Realitäten übereinstimmen. Selbst maßgebliche Juri• sten der BRD warnen vor den gefährlichen Illusionen, die das Urteil wecken könnte. Eitel Frohlocken gab es allerdings bei denjenigen, die die alte revanchistische Politik glauben auch mit den neuen Verträgen fortsetzen und das Rad der Geschichte zurückdrehen zu können. Dies genügte eigentlich schon, um das Urteil zu qualifizieren. Erneut wird in ihm deutlich, daß in der BRD nach wie vor einflußreiche Kräfte am Werk sind, die sich der Entspannung entgegen• stemmen. Wie anders soll man es bewerten, wenn von den Richtern in Karlsruhe behauptet wird, es bestehe noch ein Volkerrechtssubjekt "Deutsches Reich" und die BRD sei als Staat "iden• tisch" mit dem Staat "Deutsches Reich"? Ganz offensichtlich haben die Karlsruher Richter die• ses verstaubte Vokabular einem Anfang der 50er Jahre von Prof. Mangoldt verlaßten Kommentar zum Bonner Grundgesetz entnommen. Zu diesen ebenso unrealistischen wie reaktionären The• orien Mangoldts stellte dieser Tage der in Westberlin erscheinende "Tagesspiegel" zu Recht fest, daß sie bereits damals selbst unter den Gelehrten der BRD umstrillen waren und im Aus• land fast durchweg abgelehnt wurden. Das ist durchaus verständlich, denn auch nach bürgerli• chen Rechtsmaßstäben war die Fortexistenz eines "Deutschen Reiches", das bekanntlich im Er• gebnis des zweiten Weltkrieges zerschlagen worden war, nicht zu begründen. Selbst das bürger• liche Staats- und Völkerrecht fordert als Merkmale eines Staates die Existenz einer einheitlichen Staatsgewalt, eines Staatsgebietes und eines Staatsvolkes. Kein einziges dieser Elemente kann jedoch von den Karlsruher Richtern als Beweis für die Richtigkeit ihrer These erbracht werden. Es ist eine unwiderlegbare Tatsache: Seit über zwei Jahrzehnten existieren die sozialistische DDR und die kapitalistische BRD - zwei souveräne, voneinander unabhängige Staaten. Diese These von der Identität der BRD mit dem ehemaligen "Deutschen Reich" wurde mit dem Ab• schluß des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD vollends ad absurdum geführt. Bekanntlich wurde im Artikel 2 des Vertrages klar und unmißver• ständlich festgelegt, daß sich die DDR und die BRD von den Zielen und Prinzipien leiten lassen, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind. Dazu gehören insbesondere die Prinzipien der souveränen Gleichheit aller Staaten und der Achtung ihrer territorialen Integrität. Offenkundig sind die Richter in Karlsruhe noch nicht in der Lage, die unzweideutigen völker• rechtlichen Festlegungen eines Vertrages zur Kenntnis zu nehmen. Was soll man sonst von ihrer Behauptung halten, die Grenze zwischen der DDR und der BRD sei nicht als Grenze zwischen souveränen Staaten, sondern ähnlich zu qualifizieren wie die zwischen den Ländern in der BRD verlaufenden Grenzen? An das Märchen, die DDR als Bundesland einverleiben zu können, glau• ben doch selbst nicht mehr die Schüler der Zwergschulen in der Bundesrepublik Deutschland. In Artikel 3 (Abs. 2) des Vertrages heiBt es unmißverständlich: "Sie (die DDR und die BRD - A.K.) bekräftigen die UnverletzlichkeH der zwischen ihnen bestehenden Grenze jetzt und in der Zukunft und verpflichten sich zur uneingeschränkten Achtung ihrer territorialen Integrität." Und in der Präambel haben beide Vertragsstaaten zum Ausdruck gebracht, daß sie den Grundlagen• vertrag in dem Bewußtsein schließen, "daß die Unverletzlichkeit der Grenzen und die Achtung der territorialen Integrität und der SouveränMt aller Staaten in Europa ihren gegenwärtigen Grenzen eine grundlegende Bedingung für den Frieden sind". Allein diese vertraglichen Festlegungen sind bindend und rechtens. Wenn man die im Karlsruher Urteil aufgestellte Behauptung liest, daß die Bürger der DDR der in der BRD geltenden Staatsangehorigkeilsgesatzgebung unterstehen sollen, so fragt man sich, ob die Verfasser dieses Urteils überhaupt den Grundlagenvertrag bis zu seinem Artikel 6 gele• sen haben. Dort heißt es klar: "Die DDR und die BRD gehen von dem Grundsatz aus, daß die Hoheilsgewalt jedes der beiden Staaten sich auf sein Staatsgebiet beschränkt. Sie respektieren die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der belden Staaten in seinen inneren und äuße• ren Angelegenheiten." Aus der Behauptung des Urteils, daß Westberlin ein Land der BRD sei, ist ersichtlich, daß die Ju• risten in Karlsruhe nicht nur mit der UN-Charta und dem Grundvertrag, sondern auch mit dem Vierseitigen Abkommen über Westberlin gefunden haben. Man fragt sich, in welcher Zeit und in welcher politischen Landschaft die Mitglieder dieses Ge• richts eigentlich zu leben glauben. Was sie mühsam wiederzubeleben versuchen, liegt doch längst auf dem Müllhaufen der Geschichte. Es ist vergebliChe Mühe, daß einige Herren im Talar diese verrotteten Reste wieder aufzuputzen versuchen. Eines ist doch völlig klar: Allein das gilt, was die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland im Vertrag über die Grundlagen ihrer Beziehungen unterschrieben haben. Dieser Vertrag gründet sich auf die Realitäten der Ergebnisse des zweiten Weltkrieges und der Nachkriegsentwicklung. Zu diesen Realitäten zählt die Existenz der beiden souveränen und voneinander unabhängigen Staaten, die ihre Beziehungen zueinander entsprechend den Zielen

255 und Prinzipien der U~harta ordnen. Weder die reale Lage noch Wortlaut und Geist des Vertra• ges '-" irgendwek:hen Raum Iilr "innerdeutsche" Pflichtübungen. Es Ist natiirlich jedermanns eigene Sache, sind in grotesken, juristischen Konstruktionen zu er• gehen. Ernsthaft zu warnen wAre aber vor dem Versuch, diese revanchistische Auslegung des Grundlagenvertrages auch in die Praxis umsetzen zu wollen. Selbstverständlich wäre ein soi• cher VenIuch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Doch könnte er sich sehr belastend auf die Beziehungen zwischen der DDR und der BRD auswirken. Die DDR hAlt sich an den Grundsatz: Vertrige sind einzuhalten. Sie wird auch in Zukunft alles tun, um den Grundlagenvertreg nach Buchstaben und Geist zu erliillan. Sie erwartet dies aber auch von der BRD. A.K.

Qualle: Neues Deutschland: Berlin (Ost), 110m 16. August 1973

Zur "Dialektik" von Abgrenzung und Entspannung sollte die SED-Provinzzeitung "Freie Presse" vom 8. Juni 1971 beachtet werden

Abgrenzung und Ent.pllnnung Von Charlotte Löffler Nun sind ja die DDR und BRD nicht SChlechthin zwei souveräne, voneinander unabhängige Staaten. Was sie voneinander trennt, ist vor allem der gegenSätzliche Charakter ihrer Gesell• schaftsordnungen. Und damit sind wir beim Kern des Problems der Abgrenzung, die entweder eine "Erfindung" noch eine "Kampagne" der SED ist. Die Abgrenzung ergibt sich vielmehr aus dem antagonistischen Widerspruch zwischen Sozialis• mus und Imperialismus. Sie ist ein objektiver ProzeB, der im WeltmaBstab bereits mit der GroBen Sozialistischen Oktoberrevolution begonnen hat. Auf deutschem Boden nahm dieser prozeB sei• nen Anfang mH der Herausbildung des sozialistischen Staates, der DDR, und der im Gegensatz zum PoIsdamer Abkommen vollzogenen Restauration des Imperialismus in der BRD. Selbst BnIndt mußte eingestehen, daB die .. Kluft" zwischen der BRD und der DDR .. tiefer wird". Nur, die notwendige SchluBfolgerung zog er nicht daraus, nämlich gleichberechtigte, völker• rechtliche Beziehungen zur DDR herzustellen. Um so nachdriicldicher werden wir diesen (objektiven) prozeB der Abgrenzung fördern. Nicht zu• letzt unterstreichen wir damit: Alle Bonner Spekulationen auf Einverleibung der sozialistischen DDR in die imperialistische BRD sind auf Sand gebaut. Abgrenzung also dient vor allem der Entspannung, dient der Herstellung von Beziehungen der friedlichen Koexistenz zwischen der DDR und der BRD, dient damit der europäischen Sicher• heit. ZU dem Zwecke wurde und wird von der DDR immer wieder die Initiative ergriffen, um die staaIIichen Beziehungen zwischen der DDR und BRD auf der Basis das Völkerrechts zu regeln. Wann es bISher zu solchen Beziehungen noch nicht kam, dann liegt es an der fehlenden Bereit• schaft der Bonner Regierung, mit der DDR friedlich zu koexistieren. Wer ist also nicht willens der Enispannungspolitik zu folgen? Dia Tatsachen weisen eindeutig Bonn als den Friedensstörer aus.

DeulKh-deut8Che BezIehungen aua der Sicht der DDR-Führung Wir '-" uns davon leiten, daB Iilr die Lage auf unserem Kontinent die Beziehungen zwischen der DDR und der BRD von nicht zu unterschltzander Bedeutung sind, denn hier stehen sich die balden groBen BOndnissysteme des Warschauer Vertrages und der NAlO unmittelbar gegen• Ober. Deshalb ist unser BemOhen stets darauf gerichtet, mit der Verbesserung der bilateralen BezIehungen zwischen beldan Staaten zugleich dem Frieden in Europa zu dienen. Das setzt na• !iirllch voraus, daB diese konstrukti118 Politik von balden Seiten betrieben wird und jede Einmi• schung in die inneren Angaiegenhelten das anderen Staates unterbleibt. Grundlage der Bezie• hungen zwischen der DDR und der BRD ist der unverriickbare Tatbestand, daB es sich um Be• ziehungen zwischen zwei souwrInan, voneinander unabhängigen Staaten handelt. UllVIIfZichtbarer Grundsatz normaler Beziehungen zwischan der DDR und der BRD ist die Ach• tung und Unverletzlichkait der Staatsgrenzen. Dieses völkerrechtliche Prinzip erhält besonderes

256 Gewicht an dieser Nahtstelle in Europa, wo, wie Genosse Erich Honecker erklärte, "das Barome• ter der Entspannung besonders empfindlich reagiert". Deshalb kommt der am 29. November in Bonn erfolgten Unterzeichnung eines Protokolls zwischen den Regierungen der DDR und der BRD über die Markierung der Staatsgrenze auf einer Länge von rund 1 300 Kilometern große Be• deutung zu. Diese Markierung der Staatsgrenze entspricht der Anwendung des Völkerrechts in den Beziehungen zwischen souveränen Staaten. Damit ist ohne Zweifel ein wichtiger Schritt im Sinne des Grundlagenvertrages zwischen der DDR und der BRD sowie der Schlußakte von Hel• sinki getan worden. Wir sind für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD entsprechend den Prinzipien des Völkerrechts und auf der Grundlage des inzwischen geschaffenen Vertrags• systems zwischen den sozialistischen Ländern und der BRD. Im einzelnen braucht man dies hier nicht anzuführen. Allerdings übersehen wir nicht, daß in der BRD Kräfte an Boden gewinnen, de• nen normale Beziehungen nicht ins Konzept passen, sondern die "großdeutschen Träumereien" nachhängen. Obwohl solche Auffassungen ohne jede reale Chance sind, können wir diese Ten• denzen nicht auf die leichte Schulter nehmen, weil dahinter entscheidende Kräfte des mit der Rüstung und der Bonner Generalität verfilzten Monopolkapitals stehen, die ihre expansionisti• schen Ziele nicht aufgegeben haben.

Quelle: Aus dem Bericht des Politbüros der SED an die 9. Tagung des ZK, in: Neues Deutsch• land, 14. 12. 1978, S. 3.

Bundeskanzler Helmut Schmidt am 26. April 1979 im Deutschen Bundestag Eine Nation Unsere Deutschlandpolitik ist frei von Illusionen. Wir werden durch zähe und geduldige Arbeit den Zusammenhalt der Menschen in Deutschland wahren. Dem dient die Politik, die wir gegen• über dem anderen deutschen Staat auf der Basis des Grundlagenvertrages verfolgen. Jeder weiß - das ist heute mehrfach gesagt worden -, daß es das Ziel unserer Politik ist, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestim• mung seine Einheit wiedererlangt. Die DDR-Führung zielt auf lange Sicht auf eine Ablösung, auf eine Niederlage unserer politi• schen Ordnung. Wir wissen das, aber wir können diese Grundvorstellungen der SED ertragen. Umgekehrt wird die SED-Führung, die DDR-Führung ertragen müssen, daß wir an der einen Na• tion festhalten. Wir vertrauen auf die friedliche Entwicklung für Europa und damit für unser eige• nes Volk. Wir sehen die DDR, wie sie ist. Die DDR muß auch uns sehen, wie wir sind und wie un• ser pluralistisches System ist, zu dem die offene Debatte, die öffentliche Debatte aller großen Fragen unserer Gesellschaft, unseres Volkes gehört, also auch die große öffentliche Debatte über die Lage der Nation. Die Sätze, die ich soeben zu Ihnen sprach, meine Damen und Herren, werden einigen von Ihnen vielleicht nicht ganz unbekannt vorkommen. Alles was ich sagte, sind sehr sorgfältig bedachte Formulierungen, die ich Wort für Wort aus der Regierungserklärung dieser Bundesregierung vom 16. Dezember 1976 zitiert habe. Ich habe in dieser Debatte jener Regierungserklärung we• der etwas hinzuzufügen noch etwas davon abzustreichen. Sie ist unverändert die verbindliche Aussage zur Deutschlandpolitik dieser Regierung. Im übrigen - das füge ich heute hinzu - hat die Bundesregierung nicht die Absicht, zum Zwecke der Repression oder, so will ich besser und verständlicher sagen, zum Zwecke der Repressalien selber Verträge und Abmachungen zu ver• letzen, die wir geschlossen haben. (Beifall der SPD und bei der FDP) Die SED-Führung hat aus einer Situation der inneren Schwäche gehandelt. Die Bundesregie• rung wird unsere starke Position nicht gefährden. (Beifall bei der SPD und bei der FDP.)

Quelle: Das Parlament Nr. 18 vom 5. Mai 1979, Seite 7.

257 Deutschlandpolitischer Teil der Rede Erich Honeckers am 13. Oktober 1980 in

Zum Verhältnis DDR - BRD Liebe Genossinnen und Genossen! In letzter Zeit war viel von der Entwicklung des Verhältnisses zwischen der DDR und der BRD die Rede. Für uns versteht sich von selbst, daß unsere Vertragspolitik mit der BRD ein Teil der abgestimmten Politik unseres Bündnisses der Staaten des Warschauer Vertrages zur Friedens• sicherung ist. Dies nochmals deutlich zu machen, entspricht den Erfordernissen unserer Zeit. Niemand soll doch ernsthaft glauben, er könne aktiv die Politik des westlichen Bündnisses ver• treten, aus Solidarität mit der USA die Olympischen Spiele in Moskau boykottieren, als Erfinder und Einpeitscher des Brüsseler Raketenbeschlusses auftreten und gleichzeitig so tun, als brau• che man mit der DDR nur über "Reiseerleichterungen" zu sprechen. Wer dies tut, geht an den Lebensfragen der Menschen vorbei. Er übersieht geflissentlich, daß die Fragen von Frieden, Si• cherheit und Zusammenarbeit entsprechend der Schlußakte von Helsinki nur in ihrer Wechsel• beziehung zu lösen sind. Vor einer Woche wurde in der BRD ein neuer Bundestag gewählt. Die bisherige SPD I FDP• Koalition stellt demnach, wie wir erwarteten, für weitere vier Jahre die Bundesregierung. Diese Tatsache ist durchaus positiv zu bewerten. Wie der Bundeskanzler der BRD, Helmut Schmidt, zu erkennen gab, will die Koalition in Bonn ihre Ostpolitik, gestützt auf das westliche Bündnis, fort• setzen. Dazu gehöre auch die Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten, ein wesentliches Moment der Entspannungs- und Friedenspolitik in Europa. Eine Poli• tik im Sinne weiterer Entspannung in Europa ist durchaus begrüßenswert. Allerdings kann man die Widersprüchlichkeit der BRD-Politik nicht übersehen. DDR hat vieles für Fortschritte unternommen Die Deutsche Demokratische Republik strebt nach gutnachbarliChen Beziehungen zur Bundes• republik Deutschland, und ebenso wie gegenüber anderen westlichen Staaten ist ihre Politik auch hier die Politik der friedlichen Koexistenz. Davon ausgehend, haben wir in der Vergangen• heit vieles unternommen, um Fortschritten in den Beziehungen zwischen der DDR und der BRD den Weg zu ebnen. Zahlreiche Verträge und Abkommen konnten geschlossen werden, die im wesentlichen funktionieren. Damit entstanden wichtige Voraussetzungen für eine gleichberech• tigte und gegenseitig vorteilhafte Zusammenarbeit. Natürlich kann man nicht übersehen, daß zwischen der DDR und der BRD weiterhin viele Pro• bleme bestehen und wir von einer umfassenden Normalisierung noch ein beträchtliches Stück entfernt sind. Die HauptursaChe dafür sind fortgesetzte Versuche der BRD, in den Beziehungen der DDR, unter Verletzung des Grundlagenvertrages, entscheidende Prinzipien der Souveräni• tät unseres Staates zu mißachten. In diesen Beziehungen kann sich aber nur dann etwas vor• wärtsbewegen, wenn ohne jeden Vorbehalt von der Existenz zweier souveräner voneinander un• abhängiger Staaten mit unterschiedlicher Gesellschaftsordnung ausgegangen wird. Jegliches Streben nach einer Revision der europäischen Nachkriegsordnung muß die Normalisierung des Verhältnisses zwischen beiden deutschen Staaten belasten, ja in Frage stellen. BRD verhindert Regelungen Ganz wesentlich ist, daß das Prinzip der Nichteinmischung sowohl im bilateralen Verhältnis als auch in den Beziehungen zu dritten Staaten von beiden Seiten uneingeschränkt akzeptiert und eingehalten wird. Dazu verpflichtet übrigens der Grundlagenvertrag. Die Mißachtung gerade des Prinzips der Nichteinmischung, das ja auc!' von der BRD in Helsinki unterschrieben wurde, ist mit einer Normalisierung der Beziehungen auf keinen Fall zu vereinbaren. Weitergehenden Regelungen verschiedener Art, die den Bürgern der BRD und der DDR nützlich wären, werden von seiten der BRD noch immer schwerwiegende Hindernisse entgegengestellt. Wir haben oft auf ihre Beseitigung gedrungen, aber kein Entgegenkommen gefunden. Das gilt vor allem für die Anerkennung der Staatsbürgerschaft der DDR. Da die BRD an völkerrechtswidrigen Konzep• tionen festhält und sich weigert, die Staatsbürgerschaft der DDR zu respektieren, wird die Perso• nalhoheit unseres Staates geleugnet. Aber Tatsache ist doch, daß es zwei souveräne, voneinan• der unabhängige deutsche Staaten gibt. Es gibt, und auch das ist Tatsache, Bürger der sozialisti• schen DDR und Bürger der kapitalistischen BRD. Wir halten es für notwendig, daß sich die BRD in der Frage der DDR-Staatsbürgerschaft endlich auf die Realitäten besinnt, was ihr auf die Dauer ohnehin nicht erspart bleibt. Das würde es auch erleichtern, die dringendsten praktischen Fragen im Reiseverkehr, im Rechtshilfeverkehr und auf verschiedenen anderen Gebieten zu regeln. Überfällig ist die Auflösung der sogenannten 258 "Zentralen Erfassungsstelle" Salzgitter. Schluß gemacht werden muß mit der Ausstellung vor• läufiger Reiseausweise der BRD für Bürger der DDR bei deren zeitweiligem Aufenthalt in der BRD, ebenso mit der Ausstellung von BRD-Pässen für Bürger der DDR durch Botschaften der BRD in dritten Staaten. Wir halten auch die Zeit für gekommen, auf diplomatischem Gebiet, so wie es den Beziehungen zwischen zwei souveränen, voneinander unabhängigen Staaten zu• kommt, Botschafter auszutauschen, das heißt, die Ständigen Vertretungen der DDR und der BRD in das zu verwandeln, was dem Völkerrecht entspricht - in Botschaften. Das wäre ein sichtbarer Schritt zur Normalisierung der Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten. Von großer Bedeutung ist die Lage an der Staatsgrenze DDR-BRD, die zugleich die Trennlinie zwischen den Staaten des Warschauer Vertrages und der NATO darstellt. Die gemeinsame Grenzkommission beider deutscher Staaten hat eine positive Arbeit geleistet, und es kam zu wichtigen Vereinbarungen. Den Interessen des Friedens und der guten Nachbarschaft würde es dienen, möglichst bald eine Regelung des Grenzverlaufs auf der Eibe entsprechend dem inter• nationalen Recht herbeizuführen, die bisher an unannehmbaren Standpunkten der BRD schei• tert.

Gegen den Mißbrauch des Transitabkommens Was das Abkommen über den Transitverkehr zwischen der BRD und Berlin (West) betrifft, so er• bringt die DDR große Leistungen, um diesen Verkehr in der einfachsten, schnellsten und gün• stigsten Weise abzuwickeln. Die Zahlen belegen das. Allein im Jahr 1979 wurden die Transitwege zwischen der BRD und Berlin (West) in beiden Rich• tungen von mehr als 6243500 Kraftfahrzeugen mit über 19688300 Personen benutzt. Aber noch immer gibt es von westlicher Seite Aktivitäten zum Mißbrauch des Transitabkommens, ob• wohl in diesem Abkommen der REgierung der BRD und dem Senat von Berlin (West) eindeutige Verpflichtungen auferlegt sind. Die DDR tut, was notwendig ist, um den Mißbrauch und die stän• digen Verletzungen des Transitabkommens zu unterbinden. Ein entsprechendes Verhalten er• warten wir auch von der anderen Seite.

Verantwortung tür den Frieden Für uns bleibt es beim Kurs der friedlichen Koexistenz, zu dem es keine annehmbare Alternative gibt. Die Gestaltung normaler Beziehungen zwischen der DDR und der BRD geht weit über bila• terale Fragen hinaus. Sie ist von wesentlicher Bedeutung für Frieden und Entspannung in Eu• ropa. Ungeachtet aller Schwierigkeiten und Probleme halten wir neue, positive Ergebnisse auf dem Wege zur Normalisierung der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD für möglich, wenn die Prinzipien uneingeschränkt respektiert werden, die für die Beziehungen zwischen sou• veränen Staaten üblich sind. Fortschritte in den wirtschaftlichen Beziehungen sind auch nach unserer Ansicht gut und richtig. Aber mit der gebotenen Deutlichkeit muß man hinzufügen, daß die Sicherung des Friedens vor allem eine pOlitische Frage ist. Sie zielt auf solche Schritte, die direkt zur Lösung der wichtigsten Aufgaben unserer Zeit, zum Stopp des Wettrüstens und zur Abrüstung führen. Dann besteht die solideste Untermauerung von Beziehungen zwischen Staaten unterschiedlicher sozialer Ord• nung. Gerade für die Friedenssicherung tragen beide deutsche Staaten kein geringes Maß an Verantwortung. Die DDR wird nicht nachlassen, ihren aktiven und konstruktiven Beitrag zu Frie• den und Sicherheit in Europa zu leisten.

Originaltitel: Zu aktuellen Fragen der Innen- und Außenpolitik der DDR. Aus der Rede des Gene• ralsekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, auf der Aktivtagung zur Eröffnung des Parteilehrjahres 1980/81 in Gera. Quelle: Neues Deutschland vom 14. Oktober 1980.

Vergleich zweier Reden von Honecker und Schmidt zur nahezu gleichen Zeit

Schmidt und Honecker Notierenswert ist ein Vergleich zweier Erklärungen zur nahezu gleichen Zeit: die Erklärung des ehemaligen Bundeskanzlers zur Lage der Nation im geteilten Deutschland am 9. April 1981 und die Honecker-Rede zwei Tage später in Ost-Berlin auf dem X. Parteitag. Auch wenn die "Gemein• samkeiten" nicht überbewertet werden sollten, gilt es doch einen Konsens in vier Punkten in ei• ner Synopse festzuhalten:

259 Helmut Schmidt Erich Honecker am 9. April 1981 am 11. April 1981 im Deutschen Bundestag vor dem X. Parteitag "Je intensiver die Beziehungen zwischen "Auch träumen wir nicht von der Möglich• Ost und West, je besser die Beziehungen keit, gute Beziehungen zur Bundesrepublik zwischen den USA und der Sowjetunion - Deutschland, einem der stärksten NATO• desto besser für uns Deutsche". Staaten, unterhalten zu können, wenn sich die Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR durch eine unberechenbare, auf Konfrontation zielende Politik der USA verschärfen". "Beide deutsche Staaten tragen Verant• "Wir gehen jeweils davon aus, daß die Ent• wortung dafür, daß von ihrem Verhältnis zu• wicklung normaler Beziehungen zwischen einander keine zusätzlichen Belastungen der DDR und der BRD in dieser lebenswich• für das Ost-West-Verhältnis ausgehen". tigen Frage nicht nur für beide Staaten, son• dern darüber hinaus für die Gesamtsitua• tion in Europa von nicht geringer Bedeu• tung ist".

"Die Bundesrepublik Deutschland gehört "Wir spielen - um kein Mißverständnis auf• zum Westen". kommen zu lassen - nicht mit dem Gedan• ken, die Beziehungen der Bundesrepublik zu ihren Bündnispartnern, insbesondere den USA, zu lockern". "Aus unserer geographischen und aus un• "Auch in der Politik gegenüber der BRD serer geschichtlichen Situation folgert in geht es uns vor allem darum, dem Frieden besonderem Maß die Pflicht zum Frieden. zu dienen und ihn dauerhaft zu sichern. Nur Nicht als illusionärer Pazifismus, sondern was dem Frieden nützt, ist von Vorteil für die als Pflicht zu einer konkreten Politik". Menschen in den beiden deutschen Staa• ten, für alle Völker unseres Kontinentes". ("Bulletin", Presse- und Informationsamt ("Neues Deutschland", 12. April 1981) der Bundesregierung 36/1981 vom 10. April 1981)

Gemeinsames Kommunique

über das Treffen von Bundeskanzler Helmut Schmidt mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR und Generalsekretär des ZK der SED Erich Honecker Auf Einladung des Generalsekretärs des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik, Er• ich Honecker, hielt sich der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Schmidt, vom 11. bis 13. Dezember 1981 zu einem Besuch in der Deutschen Demokratischen Republik auf. Helmut Schmidt und Erich Honecker führten einen umfassenden Meinungsaustausch über Stand und Entwicklungsmöglichkeiten der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staa• ten sowie über aktuelle internationale Fragen mit europäischem und weltweitem Bezug. Die Gespräche fanden in einer sachlichen und aufgeschlossenen Atmosphäre statt. An den Ge• sprächen nahmen teil auf seiten der Bundesrepublik Deutschland Bundesminister Egon Franke, Bundesminister Dr. 0110 Graf Lambsdorff und weitere Persönlichkeiten, auf seiten der Deut• schen Demokratischen Republik das Mitglied des Politbüros und Sekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Mitglied des Staatsrates der Deutschen Demo• kratischen Republik, Dr. Günter Mittag, das Mitglied des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Minister für Auswärtige Angelegenheiten, Oskar Fischer, und wei• tere Persönlichkeiten. Helmut Schmidt und Erich Honecker bekräftigten ihre Überzeugung, daß von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf. Beide Seiten sind sich ihrer großen Verantwortung für die Sicherung des Friedens in Europa be- 260 stehen und sie verschiedenen Bündnissen angehören, bekundeten belde Seiten ihren Willen, den Entspannungsprozeß aktiv zu fördern und zur Sicherung eines dauerhaften Friedens und zu einer stabilen Entwicklung der internationalen Lage beizutragen. Helmut Schmidt und Erich Honecker verwiesen auf die große Bedeutung des politischen Dialogs zwischen den Staaten, insbesondere in der gegenwärtigen internationalen Situation und auf die groBe Verantwortung aller Staaten für die Festigung des Friedens und den Abbau bestehender Spannungen. Sie sind überzeugt, daß es zur friedlichen und gleichberechtigten Zusammenarbeit der Staaten keine vernünftige Alternative gibt und daß diese Zusammenarbeit von den Zielen und Prinzipien ge• leitet sein muß, die in der Charta der Vereinten Nationen und in der Schlußakte von Helsinki nieder• gelegt sind. Beide Seiten würdigten die Entwicklung seit dem Abschluß des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Re• publik vom 21. Dezember 1972. Sie stellten fest, daß dieser Vertrag und die seither geschlossenen Vereinbarungen und Regelungen Möglichkeiten für die Lösung bestehender Probleme und Voraus• setzungen für eine beiderseits vorteilhafte und sich weiter vertiefende Zusammenarbeit geschaffen haben. Unbeschadet der weiter bestehenden Meinungsverschiedenheiten in Grundsatz1ragen bekräftigen sie ihren Willen, im Interesse von Frieden und Sicherheit in Europa und zum Wohl der Menschen in beiden deutschen Staaten die Bemühungen um gutnachbarliche Beziehungen stetig fortzuführen. Sie beabsichtigen, die Verhandlungen und Gespräche in den verschiedenen Sachbereichen fortzusetzen, bestehende Schwierigkeiten zu überwinden und Möglichkeiten für eine weitere ver• tragliche Ausgestaltung ihrer Beziehungen zu prüfen. Beide Seiten würdigten die Bedeutung des Viermächte-Abkommens vom 3. September 1971. Sie stellten mit Befriedigung fest, daß dieses Abkommmen seit mehr als zehn Jahren wesentlich zur Verbesserung der Lage im Zentrum Europas beigetragen hat und seine strikte Einhaltung und volle Anwendung ein wichtiges Element für dauerhafte Entspannung in Europa bleibt. Sie erörterten Fragen der Familienzusammenführung, der Milderung von Härtefällen und andere humanitäre Fragen und stimmten darin überein, daß die Bemühungen auf diesem Gebiet in kon• struktivem Geiste fortgesetzt werden. Beide Seiten führten einen offenen Meinungsaustausch über Probleme und Fragen des Reise• und Besucherverkehrs einschließlich Fragen des Tourismus. Sie legten in diesem Zusammenhang ihre unterschiedlichen Auffassungen über die am 9. Okto• ber 1980 erfolgte Erhöhung des Mindestumtausches dar. Beide Seiten würdigten die Arbeit der Grenzkommission. Sie sind übereinstimmend der Auffas• sung, daß die Bemühungen um die Klärung noch offener Fragen des Grenzverlaufs und um wei• tere Verbesserungen der Situation im Grenzbereich fortgesetzt werden sollen. Sie führten einen Meinungsaustausch über dringliche Fragen des Umweltschutzes. Sie erwar• ten, daß die laufenden Expertengespräche über Gewässerschutzfragen zügig zu konkreten lö• sungen führen. Es wurde die Absicht bekräftigt, die Zusammenarbeit im Bereich von Wissenschaft und Technik sowie des Bildungswesens zu fördern. Die Bemühungen werden fortgesetzt, auch auf diesem Gebiet zu vertraglichen Regelungen zu kommen. Es ist beabsichtigt, Themenvorschläge für ei• nen Erfahrungsaustausch auf diesen Gebieten auszutauschen. Beide Seiten würdigten die Bedeutung des Viermächte-Abkommens vom 3. September 1971. Sie stellten mit Befriedigung fest, daß dieses Abkommmen seit mehr als zehn Jahren wesentlich zur Verbesserung der Lage im Zentrum Europas beigetragen hat und seine strikte Einhaltung und volle Anwendung ein wichtiges Element für dauerhafte Entspannung in Europa bleibt. Sie erörterten Fragen der Familienzusammenführung, der Milderung von Härtefällen und andere humanitäre Fragen und stimmten darin überein, daß die Bemühungen auf diesem Gebiet in kon• struktivem Geiste fortgesetzt werden. Beide Seiten führten einen offenen Meinungsaustausch über Probleme und Fragen des Reise• und Besucherverkehrs einschließlich Fragen des Tourismus. Sie legten in diesem Zusammenhang ihre unterschiedlichen Auffassungen über die am 9. Okto• ber 1980 erfolgte Erhöhung des Mindestumtausches dar. Beide Seiten würdigten die Arbeit der Grenzkommission. Sie sind übereinstimmend der Auffas• sung, daß die Bemühungen um die Klärung noch offener Fragen des Grenzverlaufs und um wei• tere Verbesserungen der Situation im Grenzbereich fortgesetzt werden sollen. Sie führten einen Meinungsaustausch über dringliche Fragen des Umweltschutzes. Sie erwar• ten, daß die laufenden Expertengespräche über Gewässerschutzfragen zügig zu konkreten Lö• sungen führen.

261 Es wurde die Absicht bekräftigt, die Zusammenarbeit im Bereich von Wissenschaft und Technik sowie des Bildungswesens zu fördern. Die Bemühungen werden fortgesetzt, auch auf diesem Gebiet zu vertraglichen Regelungen zu kommen. Es ist beabsichtigt, Themenvorschläge für ei• nen Erfahrungsaustausch auf diesen Gebieten auszutauschen. Beide Seiten erörterten die Möglichkeiten für die weitere Entwicklung der kulturellen Zusam• menarbeit sowie des Austausches in anderen Bereichen. Sie bekundeten übereinstimmend die Absicht, dies im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten wechselseitig zu verstärken, damit die gegenseitige Kenntnis des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens vertieft werden kann. Sie führten einen Meinungsaustausch über die Arbeitsmöglichkeiten der Journalisten. Sie be• tonten die große Bedeutung einer umfassenden Information für das Verhältnis zwischen den bei• den deutschen Staaten. Beide Seiten sind bestrebt, die im gegenseitigen Interesse liegende wirtschaftliche und indu• strielle Zusammenarbeit langfristig zu entwickeln, zu erleichtern und zu vertiefen. Es bestand Übereinstimmung, den Warenaustausch auf der Grundlage der bestehenden Abkommen und nach Maßgabe der Möglichkeiten beider Seiten auszubauen und seine Struktur zu verbessern. Sie unterstrichen die Bedeutung der Zusammenarbeit bei Projekten und der Unternehmensko• operation einschließlich der Zusammenarbeit auf dritten Märkten. Beide Seiten hoben die Notwendigkeit kooperativer Anstrengungen zur Lösung des Energiepro• blems im europäischen sowie im weltweiten Rahmen hervor. Sie erklärten ihre Bereitschaft, die Möglichkeiten konkreter bilateraler Zusammenarbeit im Energiebereich zu sondieren. Im Zusammenhang mit der Vereinbarung über die Lieferung sowjetischen Erdgases zur Versor• gung der Bundesrepublik Deutschland und anderer westeuropäischer Länder bekräftigt die Deutsche Demokratische Republik ihr Einverständnis, daß Europa aus der Sowjetunion durch die Deutsche Demokratische Republik auch nach Berlin (West) geliefert wird. Notwendige Rege• lungen werden zügig zwischen den Beteiligten getroffen. Helmut Schmidt und Erich Honecker sprachen sich dafür aus, die durch die Konferenz über Si• cherheit und Zusammenarbeit in Europa eingeleitete Entwicklung kontinuierlich fortzusetzen und ihr neue Impulse zu verleihen. Zu diesem Zweck setzen sie sich dafür ein, daß alle Prinzipien und Bestimmungen der Schluß• akte von Helsinki volle Wirksamkeit erlangen - zum Wohl der Menschen und im Interesse der Zusammenarbeit der Staaten. In diesem Zusammenhang wurden Stand und Aussichten des Madrider Folgetreffens erörtert. Sie sprachen sich für weitere beharrliche Anstrengungen im Interesse von Fortschritten in allen Bereichen der Schlußakte und für einen Abschluß des FOlgetreffens möglichst bald mit substan• tiellen Ergebnissen aus. Besondere Aufmerksamkeit widmeten beide Seiten der WeiterentwiCklung vertrauensbildender Maßnahmen. Sie brachten ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, darauf hinzuwirken, daß auf dem Folgetreffen in Madrid die Einberufung einer Konferenz über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnah• men und Abrüstung in Europa mit einem klar definierten Mandat beschlossen wird. Helmut Schmidt und Erich Honecker hoben die Bedeutung hervor, die wirksamen vereinbarten Maßnahmen der RQstungsbegrenzung und Abrüstung beizumessen ist. Sie sind der Auffas• sung, daß es im Interesse der Sicherheit notwendig ist, durch konkrete Vereinbarungen zu einem stabilen Gleichgewicht der Kräfte auf möglichst niedrigem Niveau beizutragen. Fortschritte auf diesem Gebiet sind in hohem Maße geeignet, zur Verbesserung des politischen Klimas und zur Wiederherstellung des Vertrauens in den internationalen Beziehungen beizutragen. Beide Seiten sind entschlossen, ihre Bemühungen um konkrete positive Ergebnisse in den Gre• mien, in denen diese Probleme behandelt werden, fortzusetzen und zu verstärken. Sie unterstrichen die Bedeutung der bevorstehenden Zweiten Sondertagung der Generalver• sammlung der Vereinten Nationen über Abrüstung und die Notwendigkeit, diese sorgfältig vor• zubereiten. Helmut Schmidt und Erich Honecker legten ihre Positionen zur Frage der Begrenzung von Nu• klearwaffen dar. Sie sprachen sich für die Fortsetzung des Prozesses zur Begrenzung und Redu• zierung strategisCher nuklearer Waffen aus. Sie brachten ihre Befriedigung darüber zum Ausdruck, daß die am 23. September 1981 verein• barten Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion am 30. November 1981 in Genf aufgenommen wurden. Sie legten ihre jeweiligen Auffassungen zu den damit zusammenhängenden Problemen dar, wo• bei sie von den Positionen ihrer Bündnisse ausgingen. Sie gaben der Hoffnung Ausdruck, daß diese Verhandlungen möglichst bald zu konkreten Ergebnissen führen werden. Helmut Schmidt und Erich Honecker erörterten den Stand der Wiener Verhandlungen über die

262 gegenseitige Verminderung von Streitkräften und Rüstungen und damit zusammenhängende Maßnahmen in Mitteleuropa. Sie unterstrichen die Bedeutung dieser Verhandlungen für Sicher• heit und Stabilität in Europa und bekräftigten ihren Willen, aktiv zum Erfolg dieser Verhandlun• gen beizutragen. Helmut Schmidt und Erich Honecker führten einen Meinungsaustausch über Konfliktsituationen in verschiedenen Regionen der Welt und legten ihre jeweiligen Positionen dar. Sie betonten die Notwendigkeit zuverlässiger politischer Regelungen, die von allen Beteiligten Zurückhaltung und Mäßigung und eine abgewogene und konstruktive Haltung verlangen. Die Lage in Asien, Afrika und Lateinamerika wurde erörtert, wo die Entwicklung wesentliche Be• deutung unter dem Aspekt der internationalen Sicherheit hat. Indem beide Seiten unverändert für die Notwendigkeit einer politischen Regelung der im Zusammenhang mit Afghanistan ent• standenen Lage eintraten, legten sie ihre unterschiedliche Position dar. Beide Seiten stimmten darin überein, daß die Rolle und Tätigkeit der Vereinten Nationen bei der Regelung der internationalen Beziehungen und der Lösung der wichtigsten Probleme, denen sich die Welt gegen übersieht, gestärkt werden sollte. Sie führten einen Meinungsaustausch über die ernsten wirtschaftlichen Probleme, vor denen die sich entwickelnden Länder stehen. Sie erachten es als wichtig, daß alle erforderlichen Bemü• hungen zu ihrer Bewältigung unternommen werden. Dabei wurde unterstrichen, daß die internationale Zusammenarbeit einschließlich der Beziehun• gen zwischen industriell entwickelten und sich entwickelnden Staaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung, des gegenseitigen Nutzens, der Partnerschaft und der fairen Berücksichti• gung der Interessen aller Länder aufbauen muß. Beide Seiten gaben ihrer Überzeugung Ausdruck, daß die weitere Entwicklung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ein wesentliches Element der Entspannung und Friedenssicherung in Europa ist. Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland lud den Generalsekretär des Zentralkomi• tees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik zu einem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland ein. Die Einladung wurde dankend angenommen. Der Termin wird später vereinbart werden.

(Quelle: Bulletin. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 121 vom 15. Dezember 1981, S. 103311.)

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung Nr. 811 S. 745 Bonn, den 19. August 1983 Deutschlandpolitik heute

Von , Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen Seit gut zehn Jahren unterhalten die beiden Staaten in Deutschland, die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik, offizielle Beziehungen. Basis und Rah• men dieser Beziehungen bildet der zwischen ihnen am 21. Dezember 1972 geschlossene Grundlagenvertrag. Durch das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 31. Juli 1973 bestätigt, hat dieser Vertrag zwischen den beiden deutschen Staaten ein Verhältnis besonderer Art geschaffen. Die beiden Staaten sind füreinander nicht Ausland, eine völkerrechtliche Anerkennung der Teilung Deutsch• lands kann aus dem Vertrag nicht abgeleitet werden. Was unter den Kriterien des Völker- und Staatsrechts als "Verhältnis besonderer Art" zu klassifi• zieren ist, spielt sich indessen nicht im international luftleeren Raum ab. Die Beziehungen beider Staaten untereinander haben nicht nur Auswirkungen für diese selbst, sondern auch - weniger in materieller als in politischer Hinsicht - für deren Verhältnis zu Drittstaaten, zu Drittstaaten nicht nur im jeweils eigenen Bündnis, sondern auch im jeweils anderen Bündnis. Letzteres gilt insbesondere für das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjet• union. Die Sowjetunion weiß genau, daß die Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland die Veran• twortung und die Pflicht fühlen, gemäß Artikel 1 des Grundlagenvertrages gutnachbarliche Be• ziehungen zur DDR anzustreben, um die Folgen der Teilung erträglicher zu machen und die per• sönlichen Verbindungen mit den Deutschen in der DDR wachzuhalten und zu pflegen. Seit Mitte der siebziger Jahre gab die Sowjetunion immer unverblümter zu erkennen, daß sie als

263 Gegenleistung für innerdeutsche Beziehungen von der Bundesrepublik Deutschland "politi• sche Zusammenarbeit" erwarte. Diese Erwartung konzentrierte sich gegen Ende des Jahr• zehnts und danach mehr und mehr darauf, sowjetischen Wünschen und Interessen entgegenzu• kommen. Das galt besonders in der Frage der NaChrüstung auf dem Feld kontinentalstrategi• scher Mittelstreckenraketen in Europa, also in einer Frage von essentieller sicherheits- und bündnispolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland. Das besondere innerdeut• sche Verhältnis drohte damit zum Hebel für das sowjetische Streben zu werden, die Bundesre• publik Deutschland von ihren eigenen Sicherheitsinteressen und ihren Verbündeten wegzu• ziehen. Die Rechnung, das innerdeutsche Verhältnis von der allgemeinen Ost-West-Lage zu separieren, konnte niemals aufgehen, da sie ohne den sowjetischen Wirt gemacht war. Dies war die außen- und deutschland politische Situation, welche die neue Bundesregierung im Herbst 1982 vorfand. Man kann sie als "Sackgasse" bezeichnen, denn unser vor allem humani• tär und moralisch motiviertes Engagement gegenüber der DDR trieb einem unerträglichen Kon• flikt mit unseren elementaren Sicherheitsinteressen entgegen. Dazu trug auch eine zunehmende Verwirrung der Geister hinsichtlich der Formulierung unserer nationalen deutschen Interessen bei. Es entwickelte sich eine Neigung, unser nationales deut• sche Interesse unseren Bündnispflichten und -interessen entgegenzusetzen. Dies war nun wirk• lich lebensgefährlich. Deutschlandpolitik erschöpft sich nicht in innerdeutschen Beziehungen, in Politik gegenüber der DDR. Politik im Sinne aller und für alle Deutschen schließt die Siche• rung des Bestandes, der Unabhängigkeit und der Wohlfahrt der Bundesrepublik Deutschland ein. Die Fähigkeit der Bundesrepublik Deutschland zu selbstbestimmtem Handeln nach außen ist grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik der Zusammenarbeit gegenüber der DDR. Diese Fähigkeit steht und fällt mit unserer eindeutigen Zugehörigkeit zur westlichen Al• lianz. Unsere Sicherheitspartnerschaft mit den westlichen Demokratien befriedigt das vitale na• tionale Interesse schlechthin, nämlich das Interesse an militärischer Sicherheit und politischer Unabhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Dieses vitale Interesse haben wir mit unseren Bündnispartnern gemeinsam. Daneben haben wir in der Tat nationale Eigeninteressen, die un• sere Partner so nicht mit uns teilen: das ist unser Interesse an Zusammenarbeit mit dem anderen deutschen Staat zum Wohle der Menschen, die Deutsche sind wie wir. Es ist also zu unterschei• den zwischen nationalen Interessen, die wir mit unseren Bündnispartnern gemeinsam haben, und besonderen nationalen Interessen, für deren Verfolgung wir das Verständnis und den Rück• halt unserer Verbündeten brauchen. Aus all diesen Überlegungen zog die Deutschlandpolitik der neuen Bundesregierung unter Hel• mut Kohl die einzig mögliche Konsequenz. Sie gab unmißverständlich ihre deutschlandpoliti• schen Prioritäten zu erkennen. Diese lassen sich in einem Satz zusammenfassen: Das Verteidi• gungsbündnis mit den westlichen Demokratien ist die Staatsräson der Bundesrepublik Deutsch• land und auch die Räson ihrer Deutschlandpolitik. Bündnisse werden nicht auf Ewigkeit geschlossen, das hat schon Konrad Adenauer gesagt. Aber solange die Machtstruktur in Europa und der Welt so ist, wie sie ist, ist das Bündnis unver• zichtbar. Wir Deutschen sollen nach den Erfahrungen unserer Geschichte von jeder Neuauflage einer deutschen Sondermission oder eines deutschen Sonderweges absehen, jetzt mit dem Ziel, um der Menschheit, des Friedens und der Nation willen die bestehende Machtstruktur zu unterlaufen oder sachte aus den Angeln zu heben, wie da und dort spekuliert wird. Diesen Spe• kulationen hat der Bundeskanzler im Bericht zur Lage der Nation am 23. Juni dieses Jahres das klare Wort entgegengehalten:

"Die deutsche Frage war zu jeder Zeit auch eine existentielle Frage des europäischen Gleichge• wichts. Dies wird immer so sein. Wer dies verkennt, wer einen neutralistischen deutschen Son• derweg in der Mitte Europas für möglich hält, der steigt aus geschichtlicher Erfahrung aus. Er er• liegt einem unseligen nationalistischen Irrtum." Wie hat die östliche Seite auf die KlarsteIlung unserer deutschlandpolitischen Prioritäten rea• giert? Mit Wut, Enttäuschung, Türzuschlagen? Keinesfalls. Sie hat, ihre Interessen fest im Blick, sich auf die neue Situation eingestellt. Im Bericht des Politbüros an das 6. Plenum des Zentralko• mitees der SED vom 15. Juni 1983 findet sich die Aussage: "Alleinige Basis der Beziehungen zwischen den beiden deutschen Staaten ist der Grundlagen• vertrag, den beide Seiten unterschrieben haben. Fortschritte kann es nur geben, wenn man von der Existenz zweier souveräner, voneinander unabhängiger deutscher Staaten, der sozialisti• schen DDR und der kapitalistischen BRD, ausgeht, die verschiedenen Bündnissen, dem War• schauer Vertrag und der NATO, angehören." Nicht weniger aufschlußreich war der umfangreiche Leitartikel des "Neuen Deutschland" vom

264 6. Juni dieses Jahres. Sein Hauptadressat war die deutsche Öffentlichkeit in beiden Staaten. Im Kern stellte er eine Antwort auf die Frage dar, wie die SED zu einer spezifisch innerdeutschen Zu• sammenarbeit auf dem Feld von Sicherheit und Abrüstung, also zu einer "innerdeutschen Si• cherheitspartnerschaft", stehe. Die Antwort war so wortreich wie unmißverständlich: Von solcher Partnerschaft will die SED nichts wissen. Was sie konkret vorschlug, läuft im Kern nicht auf gemeinsame, sondern auf "pa• rallele Initiativen" der beiden Staaten hinaus, noch genauer gesagt auf die Aufforderung an die Bundesrepublik Deutschland, sich den diversen Vorschlägen des Warschauer Pakts zu Sicher• heit und Abrüstung "gemeinsam" mit der DDR anzuschließen. Trotz dieser Absage an eine innerdeutsche Sonderbeziehung auf dem Gebiet der Sicherheitspo• litik wußte der genannte Artikel des "Neuen Deutschland" gesamtdeutsche Gefühlswerte ge• schickt einzusetzen. Er folgte damit der östlichen Gesamtstrategie seit 1980, die Erwartungen und Gefühle, die in beiden deutschen Staaten mit den innerdeutschen Beziehungen verbunden sind, für die Antinachrüstungskampagne einzuspannen. Allerdings wird man sagen müssen, daß die Wirksamkeit dieser Strategie durch die Politik der Bundesregierung stark eingeschränkt wird. Diese hat überaus deutlich und faßbar vorgeführt, daß sie einerseits die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland konsequent wahr• nimmt und andererseits der DDR - wenn dies deutschen Interessen dient - ihr helfende Hand nicht versagt. Das wirkt nach allen Seiten, innenpolitisch, außenpolitisch und auch in die DDR hinein. Unser Standpunkt ist: Die DDR-Führung trägt für das Wohl und Wehe der Bürger ihres Landes Verantwortung. Wir wollen Dialog und konkrete Zusammenarbeit im Vertrauen darauf, daß die konkrete Verantwortung, die beiden Seiten jeweils obliegt, zu einvernehmlichen Lösungen zum Wohle der Menschen führt. Unsere Verantwortung als Deutsche und als Europäer sehen wir darin, alles Mögliche und Ver• antwortbare zu tun, um den Ost-West-Konflikt in Deutschland und Europa soweit wie möglich einzugrenzen. Wir sind nicht darauf aus, der DDR zu schaden, sondern wir wollen in Zusam• menarbeit mit ihr dem Ziel des Grundlagenvertrages näherkommen: Normalisierung und gut• nachbarliche Beziehungen. Dies liegt auch im wohlverstandenen Interesse der Sowjetunion. Bei allen ihren Versuchen, Westeuropa von den Vereinigten Staaten abzukoppeln - und diesen Versuchen haben wir zu widerstehen -, ihre erste europapolitische Priorität besteht doch darin, ihr osteuropäisches Vor• feld, das sich bis nach Mitteleuropa hinein erstreckt, ruhig zu halten. Das kann nach Lage der Dinge nicht mehr durch Kalten Krieg, Abschottung und Konfrontation, sondern nur durch Zusam• menarbeit und Verbindung mit den Ländern Westeuropas gelingen. Hier liegt, wenn auch von unterschiedlichen Ausgangspositionen, eine Interessenüberschneidung zwischen West und Ost vor, mit der sich auch und insbesondere im innerdeutschen Verhältnis arbeiten läßt.

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung Nr. 68/S. 629 Bonn, den 24. Juni 1983 Bulletin

Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation im geteilten Deutschland Erklärung der Bundesregierung vor dem Deutschen Bundestag Bundeskanzler Dr. gab in der 16. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. Juni 1983 folgenden Bericht der Bundesregierung zur Lage der Nation im geteilten Deutschland ab.: Nationale Einheit im europäischen Rahmen Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Bericht zur Lage der Nation kehrt die Bundesregierung zum ursprünglichen Auftrag des Deutschen Bundestages zurück, alljährlich einen Bericht zur Lage der Nation im gespalte• nen, im geteilten Deutschland vorzulegen. In den siebziger Jahren hatte der Bericht nur noch den Titel "Bericht zur Lage der Nation" getra• gen. Der Hinweis auf das geteilte Deutschland war unterblieben. Der Schwerpunkt der Berich• terstattung und damit auch der Diskussion hatte sich zunehmend auf die politische Lage der Bundesrepublik Deutschland verlagert.

265 Heute wenden wir uns wieder dem eigentlichen Zweck dieser Berichterstattung zu. Es geht um Deutschland. Es geht um Selbstbestimmung, um Menschenrechte, und es geht um die Einheit unserer geteilten Nation. Wir finden uns nicht damit ab, daß deutschen Landsleuten das Recht auf Selbstbestimmung vor• enthalten und daß ihre Menschenrechte verletzt werden. Wir Deutsche finden uns mit der Teilung unseres Vaterlandes nicht ab. Wir werden den Auftrag des Grundgesetzes zielstrebig und beharrlich weiter verfolgen, "in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Wir resignieren nicht, denn wir wissen die Geschichte auf unserer Seite. Der gegenwärtige Zustand ist nicht unabän• derlich. Aus geschichtlicher Erfahrung sind wir uns bewußt, daß die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit nur im F'lahmen einer gesamteuropäischen Friedensord• nung zu verwirklichen ist. Meine Damen und Herren, die Teilung Deutschlands ist immer zugleich die Teilung Europas. Deutschlandpolitik muß sich deshalb immer auch als Beitrag zum europäischen Einigungswerk und damit als europäische Friedenspolitik verstehen. Die ersten, die nach dieser Einsicht gehandelt haben, waren die Vertriebenen und Flüchllinge, die als Folge des Zweiten Weltkrieges ihre Heimat verloren hatten. Sie haben damals mit großem Lebensmut die Bundesrepublik Deutschland als ihre neue Heimat angenommen und mit aufge• baut. Für die Überwindung der deutschen Teilung brauchen wir den Rückhalt im Atlantischen Bündnis und in der Europäischen Gemeinschaft. Das Bündnis und das geeinte Europa, wir brauchen sie mehr als andere.

Lage in Deutschland 1. Gemeinsame Geschichte Es gibt zwei Staaten in Deutschland. Aber es gibt nur eine deutsche Nation. Ihre Existenz steht nicht in der Verfügung von Regierungen und Mehrheitsentscheidungen. Sie ist geschichtlich ge• wachsen, ein Teil der christlichen, der europäischen Kultur, geprägt durch ihre Lage in der Mitte des Kontinents. Die deutsche Nation war vor dem Nationalstaat da, und sie hat ihn auch überdauert; das ist für unsere Zukunft wichtig. Die Bundesrepublik Deutschland gehört zum Westen. In der Auffassung der westlichen Welt von der Würde und Freiheit des Menschen hat unsere Verfassung ihr Fundament. In allen Parla• mentswahlen seit 1949 haben unsere Bürger die Grundentscheidung für das freie Europa und für das Werk der europäischen Einigung bestätigt. Wir haben eine Idee von der deutschen Nation, die unvereinbar ist mit dem Bild von Deutsch• land, das sich die amlliche DDR heut noch macht. Wir wollen die Nation freier Bürger, die Nation,

die Klassengegensätze überwindet, widerstreitende Interessen versöhnt und Gemeinschaft stiftet im Bekenntnis zum geschichtlichen Erbe und zu den Werten und Tugenden, die allen Deutschen eigen und verpflichtend sind.

In dem freiheitlichen Menschenbild des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland erken• nen sich die Deutschen - ich meine, alle Deutschen - wieder.

2. Gedenktage Meine Damen und Herren, 1983 jähren sich wichtige Gedenktage, wichtig, weil unübersehbar in ihrer fortwirkenden Bedeutung für unsere Gegenwart: Übermorgen, am 25. Juni, erinnern wir uns in Krefeld an die Auswanderung der ersten deut• schen Familien nach Amerika vor 300 Jahren. In diesen 300 Jahren wuchs ein großes Band, eine gewaltige Verbindung von Menschen im Auf und Ab der Geschichte. Vor sechs Tagen hat der Herr Bundespräsident hier von dieser Stelle aus den 30. Jahrestag des 17. Juni 1953 gewürdigt. Er hat aus diesem Anlaß betont, daß das deutsche Volk an seinem Wil• len zur Einheit in Freiheit auch nach 30 Jahren geduldig festhält. Denn, so sagte der Bundesprä• sident: Die Deutschen in der Bundesrepublik Deutschland und die Deutschen in der DDR sehen nicht die Bundesrepublik und nicht die DDR, sondern Deutschland als ihr Vaterland an. Meine Damen und Herren, der 17. Juni wirkt politisch weiter. Die Bundesrepublik Deutschland hat dieses Datum zum Tag der deutschen Einheit, zum nationalen Gedenktag des deutschen Volkes gemacht. Ich möchte feststellen: Dabei bleibt es!

266 Wenn wir in der Bundesrepublik Deutschland das Andenken an den Aufstand von 1953 bewah• ren, dann tun wir das für alle Deutschen - auch für unsere Landsleute in der DDR. "Wir wollen freie Menschen sein", riefen bereits am Vormittag des 16. Juni die Bauarbeiter der Stalinallee. Wir wollen freie Menschen sein - meine Damen und Herren, bündiger und präziser kann der Wille der Nation nach der gemeinsamen Erfahrung mit der totalitären NS-Diktatur nicht ausge• drückt werden. Wir alle wissen, daB Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung höchste Werte sind; sie sind auf Dauer nicht teilbar. Dann liegt für uns, für unser Volk - im Sinne der Präambel unseres Grundgesetzes - groBe Hoffnung. In diesem Jahr, meine Damen und Herren, erinnert sich unsere Nation aber auch des Aufstiegs der deutschen Diktatur durch Hitlers Machtergreifung vor 50 Jahren. Auch das gehört zur ge• meinsamen Geschichte der Deutschen. Aber der totalitäre Staat, die Diktatur, ist nicht das Ziel der deutschen Geschichte gewesen und nicht ihr letztes Wort geblieben. Er ist Vergangenheit, widerlegt durch seine Tagen und überwun• den durch die Entscheidung der Deutschen für die Freiheit und die Würde des Menschen. Ich denke, wirkungsmächtiger vor der Geschichte sind der Glaube und die Ideen, die Martin Lu• ther den Deutschen und der Welt hinterlassen hat. Die Erinnerung an Martin Luther und die Frage, was er für Zeit und Zukunft bedeutet, führen die Deutschen in diesem Jahr zusammen. Martin Luther ist eine Gestalt der deutschen Geschichte und der Geistesgeschichte der Welt. Vor 500 Jahren in Eisleben geboren, stand er an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit. Er war kein Mensch der Renaissance, und ihm ging es nicht um Revolution. Er wollte die Kirche erneu• ern. Seine Bibelübersetzung und seine zahlreichen Schriften haben die deutsche Sprache, ha• ben unsere Sprache lebendig und kraftvoll geformt. Meine Damen und Herren, Martin Luther steht an den Anfängen der deutschen Kultur der Neu• zeit. Wir Deutschen sind so, wie wir sind, ohne die Gestalt des Reformators nicht zu denken. Zu Martin Luthers Gedenken gibt es in beiden Teilen Deutschlands eine Vielzahl wichtiger Veran• staltungen. Bei uns in der Bundesrepublik werden sie vor allem von der Kirche gestaltet. In der DDR dagegen zeigt das Luther-Jubiläum besonders deutlich das Bemühen um eine par• teiische, vom Staat diktierte Aneignung der Geschichte. Die staatliChe Sicht auf Luther in der DDR will den Reformator als Vorläufer der sozialistischen Gesellschaft vereinnahmen. Das Luther-Komitee der Evangelischen Kirche in der DDR sagt aber ganz einfach: Luther ist ohne die Kirche nicht zu denken. Die großen Gedenktage dieses Jahres - dazu gehört auch der hundertste TOdestag von Karl Marx - zeigen die Einheit der Nation in ihrer ganzen, in ihrer vieldeutigen Geschichte. Die SED hat seit ihrer Entstehung stets auf das sozialistische Deutschland gepocht. Das ist ihr Ziel bis heute geblieben. Geändert haben sich in den letzten Jahren historische Begründungen. Früher hat sich die DDR nur mit parteiisch ausgewählten Epochen und Gestalten unserer Geschichte identifiziert; alles andere hat sie abgewiesen und verdammt, PreuBen nicht anders als Friedrich den GroBen, den Aufstieg des Bürgertums nicht anders als Martin Luther. Wer sich - wie die DDR - der deutschen Geschichte bemächtigen will, um daraus nationale Ansprüche abzuleiten, der muß sich der ganzen deutschen Geschichte stellen. Wir müssen, um die Zukunft zu meistern, mit unserer Geschichte leben, wie sie nun einmal war, und wir müssen versuchen, daraus zu lernen. Ich finde, es ist gut, daß in den beiden Staaten in Deutschland der Blick wieder mehr auf die ge• meinsame Geschichte gerichtet wird. Denn in ihrer Geschichte, in ihrer Sprache und in ihren Werten ist die Einheit der Nation unverlierbar. Ein Regime, das sich mit Mauer und Stacheldraht umgibt, mag die Geschichte umschreiben wol• len. Bestehen wird es vor der Geschichte nicht. Solche Regime - das zeigt die Geschichte• werden vom Freiheitswillen der Menschen und Völker überlebt.

3. Berlin Dieses Wissen begründet auch unsere Zuversicht und begründet den Lebensmut der Menschen im freien Teil Berlins. Die Lage unserer Nation spiegelt sich im Schicksal der Stadt Berlin. Seit Kriegsende geteilt, ge• hört die Stadt zwei verschiedenen politischen Welten an, die sich hier auf engstem Raum gege• neinander darstellen und abgrenzen. Die Mauer in Berlin ist zum weltweit bekannten Symbol der gewaltsamen Teilung Deutschlands geworden. 1987 wird Berlin 750 Jahre alt. Dieses Jubiläum wird an die in einer langen Stadtge• schichte gewachsenen Bindungen mitten in Deutschland erinnern. Ich hoffe, daß unser gemein• sames Ziel, zu diesem Zeitpunkt das deutsche historische Museum in Berlin zu eröffnen, er• reichbar sein wird.

267 Berlin bleibt Gradmesser für die Ost-West-Beziehungen, Berlin bleibt das Symbollür die offene deutsche Frage. Deshalb wollen wir die Lebensfähigkeit der Stadt sichern, ihre Attraktivität wirt• schaftlich, kulturell und politisch fördern. Die Festigung und Weiterentwicklung der Bindungen Berlins an den Bund bleibt eine Aufgabe von nationalem Rang. Unser besonderes Anliegen ist die Aufrechterhaltung einer stabilen Lage in und um Berlin. Dazu gehört vor allem der ungehinderte Verkehr auf den Zugangswegen. Die strikte Einhaltung und volle Anwendung des Viermächte-Abkommens über Berlin ist von entscheidender Bedeutung für die Qualität der Ost-West-Beziehungen. Wir stellen dankbar fest, daß das Schlußkommunique der NATO-Ministerratstagung, die am 9. und 10. Juni, also vor wenigen Tagen, in Paris stattfand, erneut zeigt, daß diese Haltung von un• seren Verbündeten ohne jeden Vorbehalt geteilt wird. Die wirtschaftliche Lage Berlins, die seit Jahren Anlaß zu Besorgnis gibt, zeigt erstmals wieder leicht positive Ansätze. Die Bundesregierung und der Berliner Senat - ich sage ganz bewußt: ich folge hier auch jenen Anregungen, die mein Amtsvorgänger gegeben hat - haben In vertrauensvollem Zusammen• wirken verbesserte Rahmenbedingungen geschaffen. Ich gehe deshalb davon aus, daß die deutsche, aber auch die ausländische Wirtschaft Berlin als attraktiven Industriestandort wieder stärker in ihre Unternehmensplanungen einbezieht. Die Berliner Wirtschaftskonferenz Ende 19ß2, die erste in meiner Amtszeit, hat diese Erwartun• gen bereits bestätigt, und ich freue mich darüber, daß die von der deutschen Industrie angekün• digten Investitionsvorhaben schneller umgesetzt werden konnten, als seinerzeit zu erwarten war. Aber, meine Damen und Herren, es gibt auch Bereiche, die uns weiterhin Sorgen bereiten, so

der ilberproportionale Abbau von Arbeitsplätzen insbesondere in der gewerblichen Wirt• schaft Berlins, die hohe Arbeitslosenquote, die mit 11,6 Prozent im Mai deutlich über dem Bundesdurch• schnitt lag, und die rückläufige Zuwanderung westdeutscher Arbeitnehmer in die Stadt.

Die Bundesregierung und der Berliner Senat haben eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um die Lebensfähigkeit der Stadt durch neue, zukunltsorientierte Arbeitsplätze zu sichern. Hier möchte ich nur die zum 1. Januar 1983 in Kraft getretene Novellierung des Berlinförderungs• gesetzes und das vom Berliner Senat beschlossene Struktur- und Ausbildungsprogramm nen• nen. Damit sind Weichen für Erneuerung und Modernisierung der Berliner Wirtschaft gestellt. Ein wichtiges Ereignis für Berlin war die Unterzeichnung der kommerziellen Verträge über die Lieferung von Erdgas aus der Sowjetunion. Sie schaffen weitere grundlagen für die langfristige und kostengünstige Energieversorgung der Berliner Wirtschaft. Diese Vereinbarungen tragen dazu bei, im Rahmen der innerdeutschen Beziehungen die Situation von Berlin zu erleichtern und zu verbessern. In diesen Zusammenhang gehört auch die Einbeziehung der S-Bahn in das Berliner Nahverkehrs• system. Das Bundeskabinett hat - in Übereinstimmung mit dem Be~iner Senat - am 1. Juni dem dazu erarbeiteten Konzept zugestimmt. Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Bundesregierung wird sich auch in Zukunft im Rah• men der Berlin-Hilfe an der Finanzierung des Berliner haushalts beteiligen. Diese Hilfe ist für uns ein selbstverständlicher Akt unserer Solidarität mit den Menschen einer Stadt, die in ihrer geogra• phischen Lage von den Auswirkungen der Teilung Deutschlands in besonderem Maße betroffen ist.

4. Verhältnis der beiden Staaten in Deutschland Zehn Jahre nach Inkralttreten des Grundlagenvertrages mit der DDR sind die beiden Staaten in Deutschland von dem dort formulierten Ziel .. normaler gutnachbarlicher Beziehungen" nach wie vor weit enllernt. Normalität kann nicht entstehen, solange es an der Grenze mitten durch Deutschland Mauer, Stacheldraht, Schießbefehl und Schikanen gibt. Gutnachbarliche Beziehungen kann es nicht geben, solange landsleute aus der DDR immer wieder Leben und persönliche Freiheit aufs Spiel setzen, weil ihnen elementare Menschen• rechte vorenthalten werden. Dazu können und dazu werden wir nicht schweigen; denn Friede kann nicht gedeihen, wo Men• schenrechte mißachtet werden. Auch die Schlußakte der KSZE von Helsinki und die Menschen• rechtsdokumente in allen anderen Bereichen stellen diesen Zusammenhang immer wieder ein• deutig her.

268 Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Deutschen ist trotz nunmehr 38 Jahre währender Teilung unseres Vaterlandes unverändert lebendig. Dies zeigen die vielfältigen Verbindungen, die nicht• staatliche Organisationen auf ihren Ebenen in die DDR aufgebaut haben und unterhalten. Ich möchte hier ganz besonders die grenzüberschreitende Partnerschaft der Kirchen innerhalb Deutschlands dankbar würdigen. Bis hin zu den Gemeindemitgliedern werden hier nicht nur Kontakte gepflegt, sondern wird zusammengearbeitet und tatkräftige Hilfe geleistet. Aus all dem ergibt sich: Praktische Deutschlandpolitik kann nur als Politik des Dialogs, des Aus• gleichs und der Zusammenarbeit erfolgreich sein. Den Zustand, wie er heute ist, wollen wir nicht bloß verwalten. Mit konkreten Schritten wollen wir die Teilung erträglicher machen und vor allem weniger gefährlich. Wir wollen dies tun in mitmenschlicher Verantwortung für die Deutschen in der DDR, die unsere Nächsten, also mehr als unsere Nachbarn sind. Über ein geregeltes Nebeneinander hinaus erstreben wir einen Zustand des Zusammenlebens in Deutschland,

in dem das gewachsene Geflecht der Beziehungen sich verdichtet und weiter verfestigt, einen Zustand, in dem beide Seiten durch ausgewogenes Geben und Nehmen ihrer Verant• wortung für die Menschen gerecht werden, einen Zustand, der für beide Seiten Verpflichtungen enthält, auf die sie sich verlassen können.

Wer sich zum Erbe der gemeinsamen deutschen Geschichte bekennt, kann sich dem nicht ver• schließen. Auch das gehört zur historischen Kontinuität. In den Regierungserklärungen vom Oktober 1982 und Mai 1983 habe ich die Grundsätze be• zeichnet, die für unsere deutschlandpolitik bestimmend sind. Die Bundesregierung wird die Ver• träge mit der DDR als Instrument aktiver Friedenspolitik im Interesse der Menschen im geteilten Deutschland nutzen. Deutschlandpolitik muß ausgehen von den realen Machtverhältnissen in unserer Zeit, Aber, meine Damen und Herren, zu der Macht der Tatsachen zählen nicht nur die Politik der Regierun• gen und die Stärke der Waffen, sondern auch der Wille der deutschen Nation zur Einheit. Nicht nur die Rechtslage, sondern auch die geschichtliche Kraft dieses Willens unseres Volkes hält die deutsche frage offen. Wer anders spricht, kann weder für unsere Freunde im Westen noch für unsere Nachbarn im Osten glaubwürdig sein. Generalsekretär Honecker hat sich auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1983 dafür ausgespro• chen, diejenigen Fragen in Angriff zu nehmen, die jetzt lösbar sind, und andere zurückzustellen. Ich halte es in der Tat für richtig, daß wir uns auf diejenigen Fragen konzentrieren, die ohne Preis• gabe unserer elementaren Grundsätze mit Kompromissen lösbar sind. Zusammenarbeit, meine Damen und Herren, liegt - wo immer sie möglich ist - im wohlverstandenen Interesse beider Staaten in Deutschland. Die politische Führung der DDR muß wissen: Die Bundesregierung hält sich strikt an das Grund• gesetz und an Geist und Buchstaben des Grundlagenvertrage und der übrigen rechtsverbindli• chen Vereinbarungen. Aber Vertragstreue erwarten wir selbstverständlich auch von der DDR. Seit dem letzten Bericht zur Lage der Nation gab es keinen Stillstand - trotz fortbestehender Belastungen und trotz neuer Beeinträchtigungen des Klimas. Wir setzen uns auch in Zukunft in• tensiv für die Familienzusammenführung ein. Die DDR hat in jüngster Zeit wiederholt Mitbürger ausgebürgert und zwangsweise in die Bun• desrepublik Deutschland abgeschoben, die sich in der Friedensbewegung in der DDR engagiert haben. Wir werden diesen Vorgang immer wieder klar und deutlich auch gegenüber der DDR ansprechen. Auch im vergangenen Jahr sind wieder weniger Menschen aus der Bundesrepublik Deutsch• land in die DDR gereist: 1982 nur noch fünf Millionen gegenüber früher acht Millionen. Hier wirkt sich immer noch die Erhöhung und Ausweitung des Mindestumtausches vom Oktober 1980 aus. Sie trifft gerade Menschen mit geringem Einkommen und Kinderreiche besonders hart. Wir be• stehen mit Nachdruck auf der Senkung der Mindestumtauschsätze. In diesem Jahr kam es zu schwerwiegenden Vorfällen im Berlin-Transitverkehr und im Reisever• kehr in die DDR. Der Tod von zwei Menschen hat uns alle tief betroffen gemacht. Er hat die Pro• bleme harter Grenzkontrollen erneut in das Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt. Die Entwicklung im Reiseverkehr in die DDR kann uns nicht zufriedenstelien. Zwar hat die DDR im vergangenen Jahr einige kleine Erleichterungen eingeführt. Einen nennenswerten Zuwachs im Reiseverkehr haben diese Maßnahmen indes nicht bewirkt. Im Reiseverkehr in die DDR haben Klagen über Schikanen, über hohe Zollstrafen, seit einiger Zeit erheblich zugenommen. Die Bundesregierung hat dieses Thema aus Anlaß der jüngsten

269 Fälle auf politischer Ebene gegenüber der DDR zur Sprache gebracht. Wir werden das immer wieder und entschieden tun, bis diese Vorkommnisse abgestellt sind. Ich füge aber auch hinzu, daß die ersten Anzeichen für Verbesserungen, die wir beobachten, auf eine dauerhafte Entwicklung hinweisen. Im Transitverkehr mit Berlin macht uns vor allem die starke Zunahme der Verdachtskontrollen Sorge. Die Bundesregierung hat sich mit großem Nachdruck in der Transitkommission und auf politischer Ebene gegenüber der DDR-Regierung gegen diese Praxis gewandt. Die Belastungen - auch das gehört in diesen Bericht - im Transitverkehr unterstreichen vor al• lem auch die Bedeutung des Luftweges als des einzigen freien und unkontrollierten Zugangs von und nach Berlin. Die Bundesregierung hat den von der Vorgängerregierung beschlossenen stufenweisen Abbau der Subventionen für Flüge von und nach Berlin rückgängig gemacht. Sie hat dafür im Bundes• haushalt 1983 einen Betrag von 95 Millionen DM bereitgestellt. Der Reiseverkehr aus der DDR in das Bundesgebiet hat seit Anfang der siebziger Jahre nicht wesentlich zugenommen. Die weitaus meisten Reisenden sind ältere Menschen, überwiegend Rentner, sie sind uns herzlich willkommen. Eine erfreuliche Entwicklung können wir bei Reisen jüngerer Menschen in dringenden Familienan• gelegenheiten feststellen. In manchen Fällen genehmigt die DDR Reisen jüngerer Menschen in• zwischen etwas großzügiger als bisher. In den ersten Monaten dieses Jahres waren es doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum 1982. Gleichwohl bleibt die Zahl bei nur 46 000 Reisen im vergange• nen Jahr auch weiterhin unzureichend. Wichtigstes Ziel - und ich unterstreiche das auch sehr persönlich - unserer Politik im Ost-West• Reiseverkehrbleibt deshalb die Erweiterung der Reisemöglichkeiten auch für jüngere Menschen. Solange die persönliche Begegnung der Menschen im geteilten Deutschland nur unter Schwie• rigkeiten möglich ist, könnte der innerdeutsche Post- und Fernmeldeverkehr die Grenze durch Deutschland wenigstens etwas durchlässiger machen. Aber trotz einiger Verbesserungen ist zum Beispiel die zahl der Fernsprechleitungen für einen reibungslosen Telefonverkehr noch im• mer nicht ausreichend. Die Bundesregierung wird sich daher bemühen, auch auf diesem Gebiet Fortschritte im Interesse der Menschen zu erreichen. Meine Damen und Herren, um es noch einmal deutlich zu sagen: Alle Fortschritte bei den Bemü• hungen, über die Grenze in Deutschland hinweg Verbindungen und Kommunikation zwischen den Menschen zu vermehren und zu erleichtern, ändern nichts daran, daß diese Grenze uner• träglich bleibt. Das gilt nicht nur für die Menschen in Deutschland, das gilt in zunehmendem Maß auch für die natürlichen Lebensgrundlagen unseres Landes. Sie pfleglich zu behandeln, sie zu erhalten und unversehrt an die nachwachsenden Generatio• nen weiterzugeben, muß der gemeinsame Auftrag der Verantwortlichen in beiden Teilen Deutschlands sein. Hier geht es um ein gemeinsames, ein gesamtdeutsches Lebensinteresse, das nicht notleidend werden darf. Alle Staaten in Europa - in Ost und West - werden mehr und mehr mit Umweltschutzproble• men konfrontiert, die kein Staat für sich allein lösen kann. Umweltbelastungen machen nicht an Grenzen halt. Die großräumige Luftverunreinigung und die alarmierenden Waldschäden berei• ten nicht nur uns schwere Sorgen. Bei gutem Willen, so denke ich, können die beiden Staaten in Deutschland ein Beispiel dafür ge• ben, was Zusammenarbeit beim Umweltschutz zum Wohl der Bürger zu leisten vermag. Deshalb muß das im Grundlagenvertrag vorgesehene Umweltabkommen mit der DDR endlich zustande kommen. Bis dahin wird die Bundesregierung jede Gelegenheit nützen, um mit der DDR bei besonders dringlichen Problemen konkrete Verbesserungen zu erzielen. Ich verweise auf die Gespräche über die Schadstoffbelastung von Eibe und Werra. Gestern konnte in Leipzig ein erstes Fachgespräch über Fragen der Rauchgasentschwefelung geführt werden. Ein weiteres soll im Juli 1983 in Bonn folgen. Ich habe die Hoffnung und vor al• lem den Wunsch, daß diese Gespräche dazu beitragen werden die Luftreinhaltung auf beiden Seiten der Grenze zu verbessern. Herr Präsident, meine Damen und Herren, unsere Bereitschaft zu langfristigen Abmachungen gilt auch für Umweltprobleme im Energiebereich. Die Bundesregierung sucht deshalb weiterhin das Gespräch über die Sicherheit kerntechnischer Anlagen sowie über Fragen des Strahlen• und des Katastrophenschutzes. Möglichst vielfältige Kontakte und Zusammenarbeit im Bereich von Kultur, Bildung, Wissen• schaft und Technik und nicht zuletzt des Sports tragen zum besseren Verständnis zwischen den Menschen bei.

270 Die DDR hat sich im September 1982 bereit erklärt, die 1975 unterbrochenen Verhandlungen über ein Kulturabkommen wieder aufzunehmen. Wir wissen, daß diese Gespräche ganz beson• ders schwierig sein werden. Aber wir wünschen, daß die Verhandlungen jetzt endlich beginnen. Die Beziehungen auf dem Gebiet des Sports hält der Deutsche Sportbund - und ich stimme ihm zu - für noch nicht befriedigend. Wir wünschen dringend, daß möglichst viele Sportler, möglichst viele junge Leute aus beiden Teilen Deutschlands Gelegenheit haben, sich im sportli• chen Vergleich zu begegnen. In den Rechlshilfeverhandlungen mit der DDR hat die Bundesregierung Vorschläge unterbreitet, die sich auf die derzeit lösbaren Fragen konzentrieren und für beide Seiten praktikable Lösun• gen anbieten. Der innerdeutsche Handel bietet Chancen für beide Seiten. Er ist ein wichtiges Element der Be• ziehungen zur DDR und bringt gerade auch der DDR vielfältigen Nutzen. 1982 wurde mit einem Handelsumsatz von über 14 Milliarden DM eine Zuwachsrate von 13 Prozent erreicht. Das kann günstige Aussichten für die Zukunft eröffnen. Die Bundesregierung ist bereit, die innerdeutschen Wirtschaftsbeziehungen auf der Grundlage der bestehenden Abkommen auszubauen und ihre kontinuierliche Entwicklung zum beiderseiti• gen Vorteil zu fördern. Diese Beziehungen sind über alle Veränderungen der internationalen Lage hinweg ein Element der Stetigkeit und der Berechenbarkeit für beide Seiten. Wir wissen, daß die DDR bei der Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik andere politische Ziele verfolgt als wir. Abgrenzung steht gegen mehr Freizügigkeit, und wir wollen mehr Freizü• gigkeit für Menschen, für Informationen, für Gedanken, für Meinungen. Freizügigkeit, in diesem umfassenden Sinne verstanden, dient dem Frieden. Je mehr die Men• schen voneinander wissen, desto besser können sie sich verstehen und desto lebendiger bleibt das Gefühl der Verbundenheit, desto schwerer ist es, sie durch Feindbilder zu manipulieren. Aber auch an uns hier in der Bundesrepublik liegt es, die DDR, diesen anderen Teil deutscher Wirklichkeit, nicht hinter einer Mauer des Vergessens sich selbst zu überlassen. Was in der DDR geschieht, wie die Menschen dort leben, was sie denken und empfinden - das alles ist Teil der deutschen Gegenwart. Ich möchte hier ausdrücklich ein Wort des Dankes an die Korrespondenten aus der Bundesrepu• blik Deutschland sagen, die sich trotz mancher Einschränkungen durch die Behörden der DDR tatkräftig bemühen, die Öffentlichkeit über die DDR zu informieren. Die Bundesregierung wird sich dementsprechend auch weiterhin für eine Verbesserung der Ar• beitsmöglichkeiten von Journalisten einsetzen. Meine Damen und Herren, jeder von uns macht die Erfahrung bei Begegnungen mit Mitbürgern aus der jüngeren und mittleren Generation, daß es eine erhebliche Unkenntnis über die Verhält• nisse in der DDR gibt. Politische Bildung in den Schulen, Medien und nicht zuletzt die Parteien und die Politiker sollten das Ihrige dazu beitragen, um diesen Mangel zu beheben. Vor allem soll• ten Schulen und Lehrer mehr als bisher die Gelegenheit zu Schülerreisen in die DDR und zu per• sönlichem Kontakt mit Jugendlichen dort nutzen. Damit das klar ist: Ich spreche hier nicht nur die Lehrer und die Eltern und die Schüler an, ich spreche hier auch ganz bewußt die Kultusministerien und die Kultusminister der deutschen Bun• desländer an. Ich glaube, wenn in all diesen Bereichen wieder die Überzeugung wächst, daß es wichtig ist, daß junge Leute hinausfahren in die Welt, daß sie Paris, Rom, daß sie Stockholm, daß sie London kennenlernen, daß es aber noch wichtiger ist, daß sie einmal in ihrem jungen Leben in Dresden, in Leipzig und auf der Wartburg waren, dann haben wir einen wichtigen Beitrag zur Einheit der Nation geleistet. Wir alle müssen die Bereitschaft fördern, die Realität der DDR als alltägliche Lebenswirklichkeit unserer Landsleute kennenzulernen, die Alltagssorgen, die die Menschen dort bewegen, und natürlich auch ihre Meinungen und ihre Urteile über uns. Auch dies, meine Damen und Herren, gehört zum gesamtdeutschen Bewußtsein. Unsere Landsleute in der DDR sind Deutsche so gut wie wir. Ihr Schicksal, ihr Leben, ihr Denken geht uns etwas an. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die der Grundlagenvertrag eröffnet, sind noch längst nicht ausgeschöpft. In der Regierungserklärung vom Mai habe ich festgestellt, daß Gespräche auf allen Ebenen nützlich sein können. Die Bundesregierung hat deshalb jede Gelegenheit zum Dialog mit der Regierung der DDR wahrgenommen. Ich erinnere auch in diesem Zusammenhang an meine Kontakte mit Generalsekretär Honecker vor und nach dem Aufschub seines Besuches in der Bundesrepublik Deutschland. Ich erinnere an die Begegnungen, die Mitglieder dieser Bundesregierung mit hochrangigen Gesprächspart• nern aus der DDR-Führung hatten.

271 Deutschlandpolitik als europäische Friedenspolitik Deutschlandpolitik ist europäische Friedenspolitik. Sie ist eine Politik

für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen, fOr die Überwindung der Teilung Deutschlands und der Spaltung Europas.

Zu dieser Politik gibt es keine Alternative. Die Erfahrungen unseres Volkes mit den Schrecken des zweiten Weltkrieges haben uns zu über• zeugten Anhängern einer strikten Politik des Gewaltverzichts und der Friedenssicherung ge• macht. Wir, die Deutschen, haben die Lektion der Geschichte gelernt. Unser oberstes Ziel ist und bleibt die Wahrung von Frieden und Freiheit. Wir wissen um die tiefe Friedenssehnsucht der Menschen in beiden Staaten in Deutschland. Ich begrüße dankbar, daß sich die Kirchen über Konfessionen und Grenze hinweg in sehr grundsätz• licher Weise dieses Themas annehmen und damit auch die Sorgen und Ängste vieler, nicht zu• letzt aus der jungen Generation, zum Ausdruck bringen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag für Deutschland. Frieden in Freiheit ist Voraussetzung für Fortschritte in allen Bereichen. Gewalt, Erpressung und Drohung dürfen niemals mehr ein Mittel deutscher Politik sein. Die Bundesrepublik Deutschland hat auf Gewalt als Mittel der Politik verzichtet. Krieg ist für uns kein Mittel der Politik. Wir wünschen uns, daß die Jugend in diesem Geiste in beiden Teilen Deutschlands heran• wächst. Wir wünschen uns vor allem, daß die DDR damit aufhört, junge Menschen zum Haß auf den "Klassenfeind" zu erziehen. Dabei erinnere ich daran: Die beiden Staaten in Deutschland tragen eine große Verantwortung für die Sicherung des Friedens in Europa und in der Welt. Unsere Rolle in Europa, aber auch die Lage des geteilten Deutschlands erfordern historische Einsicht, damit sich die politische Gestaltung von der Wirklichkeit nicht trennt. Sie erfordert ei• nen zuverlässigen Kompaß für den hindernisreichen Weg, bis sich Deutschlands Einheit in einer europäischen Friedensordnung vollenden kann. Es sind die Ideen, es sind die Ideale, die ein Volk bewegen, die Geschichte bewegen. Unsere Na• tion schöpft Kraft aus den gemeinsamen Werten, die ihre Identität mitbestimmen. Deutschland ist immer ein Land der Mitte gewesen, über Jahrhunderte hindurch allen Einflüs• sen offen, in alle Richtungen wirkend und stets eingebunden in einen größeren europäischen Rahmen. Die deutsche Frage war zu jeder Zeit auch eine existentielle Frage des europäischen Gleichge• wichts. Dies wird immer so sein. Wer dies verkennt, wer einen neutralistischen deutschen Son• derweg in der Mitte Europas für möglich hält, der steigt aus geschichtlicher Erfahrung aus. Er er• liegt einem unseligen nationalistischen Irrtum. Wir brauchen die Einigung Europas, wie die Völker Europas die Überwindung der deutschen Tei• lung nötig haben. Unsere Nachbarn, unsere Verbündeten und unsere partner wissen, daß die Lösung der deutschen Frage auch in ihrem Interesse liegt. Zu den Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland gehört die Idee der europäischen Eini• gung. Dieses Ziel gilt unverändert. Indem sie aufeinander zugehen und indem sie ihre Möglichkeiten einer Zusammenarbeit nut• zen, schaffen beide Staaten in Deutschland eine notwendige Voraussetzung für die europäische Friedensordnung. Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir brauchen heute in unserer Generation den Mut und die Kraft, über den Tag, über die Gegenwart hinauszudenkan. Die geschichtliche Leistung unserer Generation wird später daran gemessen werden, ob es uns gelingt, die politische Eini• gung Europas, die Freiheit der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland und den Fortbe• stand der deutschen Nation zusammenzudenken und in die politische Wirklichkeit unseres Vol• kes umzusetzen.

272 Zu den Beziehungen zwischen der DDR und der BRD

(Neues Deutschland vom 3. Mai 1983, S. 2) Am 28. April 1983 ließ der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, dem Bundeskanzler der BRD, Helmut Kohl, mitteilen, daß "angesichts der jüngsten Entwicklung im Verhältnis zwischen der BRD und der DDR bei uns niemand ernsthaft daran glaubt, daß er jetzt, also in diesem Jahr, die Bundesrepublik besuchen kann". I... J Nach den vorangegangenen Ereignissen konnte diese Mitteilung an Bundeskanzler Kohl nie~ manden überraschen. Schließlich war für keinen zu übersehen, daß durch solche Scharfmacher wie Strauß, Springer und andere bewußt eine Situation herbeigeführt wurde, die an Feindselig• keit gegenüber der DDR kaum zu übertreffen ist. I ... J Wir erinnern uns. Als Bundeskanzler Kohl die Geschäfte in Bonn übernahm, hörte man sehr oft, daß er in seiner Außenpolitik gedenke, auf Grund des bestehenden Vertragssystems die Bundes• republik fester im westlichen Bündnis zu verankern und gleichzeitig die bisherige Ostpolitik fort• zusetzen. Die Feststellung wurde allgemein begrüßt, und am Vorabend der Neuwahlen vom 6. März gab es nicht wenige, die davon ausgingen, daß mit dem von Kohl verkündeten Aufschwung der Wirt• schaft in der BRD, der Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit und der Bereitstellung von mehr Lehrstellen gleichzeitig beste Voraussetzungen geschaffen werden, um die Beziehungen zwi• schen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik breit aus• zubauen. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch den regen gegenseitigen Ministerbesuch, der noch von der vorangegangenen Regierung in Gang gebracht worden war und von der neuen Bundesregierung weitergeführt wurde. Aber es ist alles anders geworden. Obwohl sich die DDR in den zurückliegenden Monaten deut• lich um gute Beziehungen mit Bonn bemüht hat und dabei bis an die Grenze ihrer Möglichkeiten ging, fegte von der BRD aus trotz der Frühlingstage am Rhein ein eisiger Wind über die deutsch• deutsche Grenze. Mit groben Verdächtigungen und plumpen Verleumdungen, mit schrillen Tö• nen und wahrheitswidrigen Behauptungen wurde zur Wende in den Beziehungen zur DDR ge• blasen. Eine Wende zum Guten? Davon konnte keine Rede sein. Der ganze Ballast längst ver• gessener großdeutscher Träume senkte sich erneut auf die deutsch-deutsche Wirklichkeit. Dem Feindbilddenken und dem kalten Krieg wurde erneut das Wort geredet. Der Tod des Transitreisenden an der Grenze, der restlos aufgeklärt ist, wofür die DDR, wie auch die zuständigen Vertreter der BAD wissen und bestätigen, in absolut korrekter und äußerst groß• zügiger Weise gesorgt hat, wurde zum Anlaß genommen, die Atmosphäre bewußt anzuheizen. Selten ist von Leuten, die nicht genug über Menschenrechte schwadronieren können, wenn es sich um sozialistische Staaten handelt, ein bedauerlicher Todesfall so rücksichtslos für politi• sche Zwecke mißbraucht worden. Das Bedenklichste daran ist, daß einflußreiche Politiker der Koalition und ihr nahestehende Blätter dabei tonangebend waren. Es wurde eine Angstpsychose geschürt, die ganze Kiste der alten Vorurteile geöffnet und auf die Pauke gehauen. Stunk gegen die Beziehungen zur DDR hieB das Motto der CSU in diesen Ta• gen. Sie machte Politik nach dem alten Muster: Die Enttäuschung und Unzufriedenheit im In• nern über die weiter anwachsende Arbeitslosigkeit und den Sozialabbau auf einen äußeren Feind umzulenken. Statt mit den deutsch-deutschen Beziehungen in kritischer weitpolitischer Lage pfleglich umzugehen, waren Kraftmeierei und Drohungen an derTagesordnung. Die Einla• dung an den Generalsekretär des ZK der SED zum Besuch der BRD wurde zum Gegenstand un• würdiger Spekulationen gemacht. Beinah täglich kam es zur Veröffentlichung von Forderungen, ja von ganzen Forderungskatalogen an die Adresse der DDR - ein Verfahren in Vorbreitung auf ein Treffen von Spitzenpolitikern, das schon in der Vergangenheit kläglich versagte, denn es ist absolut unvereinbar mit dem Grundsatz der Achtung der Souveränität und eigentlich sogar mit den einfachsten Regeln des zwischenstaatlichen Miteinanders. Da man in Bann die Dinge treiben ließ, kamen die Scharfmacher voll zum Zuge, die einen Scher• benhaufen anrichteten. Sie hatten vergessen, daß die DDR als Prügelknabe für Entspannungs• feinde nicht zur Verfügung steht, auch nicht für koalitionsinterne Rangeleien in Bonn. Dies sei ein für allemal festgestellt. In Rechnung zu stellen sind auch Einflüsse aus Übersee. Schon im Herbst 1982 hatte auf einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bann ein Abgesandter der Reagan-Mannschaft ver• langt, nach den Bundestagswahlen im März 1983 müsse die Ost-Politik der Bundesrepublik ei• ner "gründlichen Überprüfung" unterzogen werden. Jetzt, da die Konsequenzen dieser feindseligen, ja geradezu haßerfüllten Kampagne gegen die DDR eintreten, wird in Bonn versucht, zu retten, was noch zu retten ist. Bundeskanzler Kohl er-

273 klärte, man habe eben Pressefreiheit, ohne sich auch nur mit einem Wort von den unverschämten, beleidigenden, feindseligen, gegen Geist und Buchstaben des Grundlagenvertrages gerichteten Angriffen auf die DDR und ihre Repräsentanten zu distanzieren. Lassen wir beiseite, wie es um diese Pressefreiheit bestellt ist. In ihrem Zeichen versucht gerade ein solches Massenblatt wie der "Stern", Hitler reinzuwaschen. Die Sache verlangt aber, sich nicht selbst und der Welt etwas vorzumachen. Dürftige Ausflüchte sind dem Ernst der Angelegenheiten nicht angemessen. Wer in einem der beiden deutschen Staa• ten Verantwortung trägt, muß ihr gerecht werden. Der Beginn dazu war seit dem Jahr 1969 in Gang gekommen. Niemand sollte das unterschätzen. Ein Zurück in die Schützengräben des kalten Krie• ges würde keinem nutzen. Jedermann weiß doch mittlerweile, daß die von den Medien des Springerkonzerns begonnene und weijergeführte Kampagne von den Feinden einer konstruktiven Ostpolitik zum Vorwand genom• men wurde, um in regierenden Kreisen der BRD ein lange verfolgtes Ziel zu erreichen: die Entspannungspolijik, die Politik der Verständigung und der gutnachbarschaftlichen Beziehungen zur DDR zu zerstören. Oder sind die Worte vom CSU-Vorsitzenden Strauß nicht gesprochen wor• den, er wolle nicht KontinUität, sondern die Wende in der Ostpolitik? Und ist nicht auch von ihm, dem Vorsitzenden einer Regierungspartei, mündlich und schriftlich erklärt worden, jetz1 gelte es, die Bevölkerung der Bundesrepublik psychologisch auf die Stationierung der neuen USA-Raketen vorzubereiten? Man kann diesen Zusammenhang nicht übergehen. Selbst den Vertretern der BRD werden besorgt die schlimmen Wirkungen der Hetzkampagne gegen die DDR in der Bevölkerung der BRD beklagt. Was während und nach dem Eishockeyspiel in Dortmund gegenüber unseren Sportlern geschah, ist alarmierend. Soweit sind wir schon wieder. Und man muß annehmen, daß dies nur der Anfang war. Mit den Stichworten von Mord und vom Totschlagen wurde ein Klima des Hasses erzeugt, aus dem ein Raketenstationierungsklima werden soll. Und jeder weiß, von wem diese Stichworte geliefert wurden. Gewiß ist die Frage, wer in Bonn die Richtlinien der Politik bestimmt und von welcher Stadt aus das geschieht, eine innere Angelegenheit der BRD. Die DDR hat aber als Nachbar und Vertrags• partner der Bundesrepublik einen legitimen Anspruch zu wissen, ob die Bonner Politik noch bere• chenbar ist. Unsere Politik ist es. Die DDR ist trotz der unerfreulichen Ereignisse, was Bundeskanzler Kohl mit• geteilt wurde, an der Entwicklung normaler Beziehungen zwischen der DDR und der BRD weiter• hin interessiert. Das zeugt von der Weitsicht ihrer Politik und ihrer Berechenbarkeit. Dabei muß man selbstverständlich vom bestehenden Vertragssystem ausgehen, zu dem die Verträge zwi• schen der DDR und der BRD, vor allem der Grundlagenvertrag, gehören. Wer an einer Stelle rüt• telt, stellt dabei das Funktionieren auch anderer Teile des Vertragssystems in Frage. In enger Abstimmung mit der Sowjetunion und ihren anderen Verbündeten ist die Außenpolitik der DDR auf Frieden und Zusammenarbeit gerichtet. Vom Boden der DDR geht keine Bedrohung ihrer westlichen Nachbarn aus. Und wir sind stets bemüht, alle strittigen Fragen auf dem Verhandlungs• wege zu lösen. Alle Schichten unseres Volkes stehen fest zu diesem Kurs, der mit der UNCJ..Charta, der Schlußakte von Helsinki, dem Grundlagenvertrag und dem Abschlußkommunique des Treffens am Werbellinsee übereinstimmt. Auch das Transitabkommen zwischen der DDR und der BRD ist ein Teil des europäischen Ver• tragssystems und steht in besonders enger Beziehung zum Vierseitigen Abkommen vom Septem• ber 1971. An seinem Zustandekommen haben sowohl die DDR als auch die BRD aktiv mitgewirkt, und es steht außer Zweifel, daß es sich bewährt hat und zur Beruhigung der Lage im Zentrum Eu• ropas erheblich beitrug. Vor allem ist die Lage von Berlin-West durch das Vertragssystem sicherer geworden, zum Vorteil für alle Seiten, besonders jedoch zum Nutzen für die Bevölkerung von West• berlin. So ist zu verstehen, daß dieser Tage Sprecher aller im Abgeordnetenhaus von Berlin-West verlretenen Parteien, der CDU, der SPD, der FDP und der AL, die schrillen Töne und starken Worte aus Bayern verurteilten und darauf verwiesen, die Politik der "Wende" bedeute die Abkehr vom Dialog und von vernünftigen wirtschaftlichen Beziehungen und schade den Interessen Westber• lins. Bei allen Mängeln, die im Laufe der Zeit hier und da zutage getreten sind, hat sich der Reise- und Besucherverkehr und inzwischen auch der Tourismus zwischen der DDR und der BRD positiv ent• wickelt. Immerhin besuchen jährlich 6 bis 7 Millionen Bundesbürger und Einwohner von Berlin• West die DDR. Umgekehrt reisen jährlich etwa 1,5 bis 2 Millionen Bürger der DDR in die BRD bzw. nach Westberlin, wobei die Tendenz der Reisen in dringenden Familienangelegenheiten sowie im Rahmen des Tourismus ansteigend ist. Denkt man an die Kommunikalionsmöglichkeiten zwischen der DDR und der BRD sowie zwischen der BRD und Berlin-West, so sind hier entsprechend dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung ebenfalls beachtliche Fortschritte erreicht worden. Man denke nur an den Bau bzw. Ausbau der Au-

274 tobahnen, an den Telefon- und Postverkehr, an die Erhöhung der zollfreien Einfuhr in die DDR, an die Verlängerung von Tagesaufenthalten für Westberliner bis nachts 2 Uhr. Insgesamt vollzieht sich angesichts seines Umfanges der Transitverkehr zwischen der BRD und Berlin-West im wesentlichen reibungslos, trotz des häufigen Mißbrauchs der Transitwege durch be• rufsmäßige Schieber und Schmuggler sowie verbrecherische Organisationen. Man stelle sich vor, die DDR würde alles an die große Glocke hängen, was da gegen ihre Interessen geschieht! Da bliebe vom reibungslosen Transitverkehr wenig übrig. Also: Weniger Mißbrauch der Transitwege würde die wenigen Verdachtskontrollen noch verringern. Auch der Handel zwischen der DDR und der BRD verläuft gut, was der Bundesregierung bekannt ist. Er könnte durch den Abbau von Restriktionen seitens der BRD noch umfassender gestaltet wer• den. Abgesehen von der Zusammenarbeit zwischen großen Firmen beider Staaten, die sich mittler• weile auch auf Drittmärkten vollzieht, sind an ihm etwa 6000 kleine und mittlere Betriebe der BRD beteiligt, und es werden an die Adresse der DDR immer wieder Wünsche herangetragen, ange• sichts der Krisenlage in der BRD noch mehr Firmen einzubeziehen. Er vollzieht sich nach dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung, was den Beteiligten bekannt ist, und selbstverständlich zum Vorteil für beide Seiten. Wer etwas anderes sagt, der kennt die Dinge nicht oder er lügt. Ent• sprechend dem Grundlagenvertrag und den Vereinbarungen vom Werbellinsee ist der Handel zwi• schen den beiden deutschen Staaten zu fördern. Kein Wunder also, daß von angesehenen Wirt• schaftszeitungen der Bundesrepublik, wie vom "Handelsblatt", darauf hingewiesen wird, daß die Störmanöver aus Bayern die Rahmenbedingungen für die Außenwirtschaft der Bundesrepublik beeinträchtigen können. Wenn es bei der Entwicklung der bilateralen Beziehungen Hemmnisse gibt, so liegt das zum Teil daran, daß eine Reihe von Fragen bis jetzt nicht geklärt wurden, die einer Lösung auf dem Verhand• lungswege bedürfen. Das betrifft die Elbgrenze, denn es gibt keinerlei stichhaltigen Grund, weshalb nach der Regelung aller Fragen der Landgrenze die wenigen Kilometer Flußgrenze nicht einver• nehmlich entsprechend den internationalen Prinzipien geregelt werden können. Immerhin hat es dazu schon einmal ein gemeinsames Protokoll gegeben. Weiter geht es um die Respektierung der Staatsangehörigkeit der DDR, die unverzichtbar ist, wenn es um solche gerade für die Menschen wichtigen Probleme wie den Reise- und Besucherverkehr, die Rechtshilfe und anderes gehl. Das betrifft die Existenz der vertragswidrigen Einrichtung in Salzgitter und das Thema der Umwandlung der Vertretungen beider Staaten in Botschaften. Von der DDR wurden diese Themen in die Gesprä• che und Verhandlungen eingeführt, nicht, wie gelegentlich behauptet wird, als Maximalforderun• gen, sondern weil von ihrer Regelung viele praktische Dinge, die das Leben der Menschen in bei• den Staaten berühren, abhängen. Ungünstig wirkt sich die Spekulation mit der Mark der DDR auf dem Geldmarkt der BRD und von Berlin-West aus. Keiner kann bestreiten, daß das Verhältnis von eins zu vier bzw. eins zu fünf nicht real, sondern manipuliert ist. Das aber verleitet zum Schmuggel mit der Mark der DDR zum Scha• den der Wirtschaft der DDR und der Bürger unseres Landes. Wie bekannt, ist sowohl die Ausfuhr als auch die Einfuhr der Mark der DDR in bzw. aus dem nichlsOzialistischen Ausland verboten. Bis jetzt gibt es nur StiChkontrollen, und es ist unschwer zu verstehen, daß die Einführung von gründli• chen Kontrollen sowohl den Transitverkehr als auch den Besucherverkehr erheblich stören würde. Die DDR hat bisher davon abgesehen und will es auch in Zukunft nicht tun. Nicht aus Liebe zu de• nen, die von Zeit zu zeit ihre Muskeln spielen lassen, sondern im Interesse eines reibungslosen Be• sucherverkehrs. Daraus erwächst aber die Notwendigkeit, durch die Festlegung des Mindestumtausches ein annä• hernd reales Tauschverhältnis zu sichern. Im übrigen gibt es nicht nur zwischen der DDR und der BRD einen Mindestumtausch. Auch andere Staaten haben solche Festlegungen getroffen. Was den Sport- und Kulturaustausch betrifft, so wird er durch die Anpäbelungen, die Ausschreitun• gen, denen die Vertreter der DDR bei ihrem Aufenthatt in der BRD ausgesetzt sind, gefährdet. Das gleiche trifft auch für die Jugendtouristik, für den Jugendaustausch zu. Es wäre nur zu wünschen, daß man das auch in Bonn mit dem gebÜhrenden Ernst beachtet. Alles in allem, das zeigen die angeführten Tatsachen, wurden durch die Verwirklichung des Grund• lagenvertrages sowie der anderen Abkommen nach Buchstaben und Geist günstige Bedingungen für die Entwicklung der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD sowie der DDR und BerIin• West geschaffen. Das gilt auch für die Lage an der Grenze, die - das darf man nicht aus den Au• gen verlieren - zugleich die Grenze ist zwischen den Streitkräften der NAlO und des Warschauer Paktes. Dabei versteht es sich von selbst, daß die Minderung von Spannungen an ihr, die Regelung von Problemen, die Verwirklichung dieser oder jener Maßnahme, die nach dem Treffen am Werbel• linsee bereits in Angriff genommen wurde, durch die gegenwärtige Atmosphäre der Feindseligkeit, für die die DDR nicht verantwortlich ist, erschwert wird. Für die DDR gitt das abgeschlossene Vertragssystem nach Geist und Buchstaben einschließlich

275 des gemeinsamen Kommuniques vom Werbellinsee. Falls die BRD entgegen den vielen Versiche• rungen des Bundeskanzlers etwas anderes will, dann soll sie es sagen. Die alles übergreifende Frage ist die Friedenssicherung, das heißt die Verhinderung eines atoma• ren Krieges. Das war auch der Kern des Telefongesprächs zwischen dem Bundeskanzler der BRD, Helmut Kohl, und dem Generalsekretär des ZK der SED, Erich Honeckar, am 18. April, worauf auch in einigen Zeitungen der BRD verwiesen wurde, und nicht vorrangig die Vorgänge an der Grenze. Es ging vor allem um die Übereinstimmung, daß es gegenwärtig nichts Wichtigeres gibt als die Si• cherung des Friedens und daß die beiden deutschen S1aaten hier in einer besonderen Verantwor• tung stehen, die ihnen niemand abnehmen kann. Zur Sprache dabei kamen die Vorschläge der UdSSR und die Prager Deklaration der Warschauer Vertragsstaaten sowie die Notwendigkait, das Madrider Treffen positiv zu beenden. Das alles ist von um so gröBerer Tragweite, als durch die Hochrüstungs- und Konfrontationspolitik der Reagan-Administration die Gefahr eines nuklearen Krieges heraufbeschworen wird. Man spricht in den USA von einem gewinnbaren Atomkrieg und ist darauf aus, in Wesleuropa durch die Stationierung der neuen Raketensysteme sich eine Erstschlagskapazität zu verschaffen und so das militärstrategische Gleichgewicht zu verändern. Ein mit atomaren Waffen geführter Krieg wäre aber nichts anderes als ein gegenseitiger Selbstmord und ist darum durch nichts zu rechtfertigen. Weder die Bürger der BRD noch der DDR würden den Erstschlag und den Gegenschlag überleben. Eine Friedenspflicht, ein Verzicht auf die Stationierung neuer USA-Raketen, die Befreiung Europas von Atomwaffen ist deshalb geradezu geboten. Die DDR unterstützt voll und ganz die entsprechenden Darlegungen des Generalsekretärs der KPdSU, Juri Andropow, die er kürzlich in einem Interview mit einer BRD-Zeitschrift machte und die er in seiner Antwort an die Wissenschaftler der USA zum Ausdruck brachte. Es ist nicht das Ziel der DDR, die Verankarung der BRD im NAlO-Bündnis zu lockern. Allerdings möge man in Bonn auch nicht vergessen, daß die DDR ebenfalls fest in ihrem Bündnis verankart ist. So würde die S1aJionierung von neuen USA-Nuklearraketen, von Pershing-li und Cruise Missiles keinesfalls zur Herstellung von normalen, ganz zu schweigen von gutnachbarschaftliChen Bezie• hungen zur DDR beitragen. Ganz im Gegenteil. Zieht man die Bilanz der Entwicklung der Beziehungen zwischen der DDR und der BRD seit dem Jahre 1971, so ist das Ergebnis durchaus beeindruckend, besonders wenn man die vielen Wider• stände in Rechnung stellt, die zu überwinden waren. Es steht also vieles auf dem Spiel, wenn jetzt eine Wende im Zeichen der Feindseligkeit gegen die DDR betrieben wird. Es ist ein untaugliches Rezept, Vertragstreue zu bekunden, um dann im gleichen Atemzuge Bedingungen und Vorbehalte zu formulieren, die gegen die Substanz und auch gegen den Buchstaben des Grundlagenvertrages gerichtet sind. Bei allen Überlegungen, die in Bonn angestellt werden, bei allen Fragen, die zur Ent• scheidung stehen, solHe niemand aus dem Auge verlieren: Die DDR ist nicht erpreßbar. Jeglicher Versuch dieser Art würde nicht nur zum Nachteil sein für die DDR, sondern auch für die BRD und nicht zuletzt für Benin-West, das bekanntlich nicht zur BRD gehört und von ihr nicht regiert werden darf. Die Deutsche Demokratische Republik ist ein souveräner sozialistischer Staat, der fest im öst• lichen Bündnis verankart ist. Ihr Spielraum ist überall dort gegeben, wo es sich darum handelt, dem Frieden zu dienen und die Zusammenarbeit zwischen den S1aaten zu fördern. Die Haltung der DDR ist von Kontinuität, Stetigkeit und Zuvenässigkeit geprägt. Wir hatten und ha• ben die gleiche Grundkonzeption und vertreten sie auch künftig. Auf der Basis der abgeschlosse• nen Verträge wollen und werden wir entsprechend den Prinzipien der friedlichen Koexistenz für die Sicherung des Friedens in Europa und für die Entwicklung von guten Beziehungen zwischen bei• den deutschen Staaten wirken. Das liegt im Interesse der Menschen in der DDR und in der BRD. Es ist zugleich ein wichtiger Beitrag zum Wohle aller Völkar, die keine Politik der Konfrontation wol• len, schon gar nicht hier, an der Trennlinie zwischen dem Warschauer Pakt und der NAlO. Es geht um die Verhütung eines nuklearen Infernos, um Abrüstung in Ost und West nach dem Grundsatz der Gleichheit und der gleichen Sicherheit, um einen dauerhaften Frieden. Kurzum: Es geht um das Recht der Menschen, in Frieden ihrer Arbeit nachgehen zu können und einer guten Zukunft für ihre Kinder und Enkel gewiß zu sein. A.Z.

Gemeinsames Kommunique

über den offiziellen Besuch des Generalsekretärs des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheit• spartei Deutschlands und Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik, Erich Honeckar, in der Bundesrepublik Deutschland vom 7. bis 11. September 1987 276 Auf Einladung des Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Helmut Kohl, hält sich der Generalsekretär des Zentralkcmitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsit• zende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik, Erich Honecker, vom 7. bis 11. September 1987 zu einem offiziellen Besuch in der Bundesrepublik Deutschland auf. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker trafen am 7. und 8. September in Bonn zu Ge• sprächen zusammen. Generalsekretär Honecker wurde auch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker empfangen und führte Gespräche mit weiteren Persönlichkeiten. Im Anschluß an die Gespräche in Bonn wird Generalsekretär Honecker Nordrhein-Westfalen (Köln, Düsseldorf, Wuppertal, Essen), das Saarland (Saarbrücken, Neunkirchen), Rheinland-Pfalz (Trier) und Bayern (München, Dachau) besuchen. Während des Besuches wurden folgende Abkommen und Vereinbarungen unterzeichnet: Vereinbarung zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratrischen Republik über die weitere Gestaltung der Beziehungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes; Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über Informations- und Erfahrungsaustausch auf dem Gebiet des Strahlenschutzes; Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wis• senschaft und Technik.

Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und der Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vorsitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik führten in sachlicher und aufgeschlossener Atmosphäre einen umfas• senden Meinungsaustausch über Stand und Entwicklungsmöglichkeiten der Beziehungen zwi• schen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik sowie über aktuelle Fragen der internationalen Beziehungen. An den Gesprächen nahmen teil: Von seiten der Bundesrepublik Deutschland: Bundesmin. Dr. , Bundesmin. Dr. Dorothee Wilms, Bundesmin. Dr. Wolfgang Schäuble und weitere Persönlichkeiten, von seiten der Deutschen Demokratischen Republik: das Mitglied des Politbüros und Sekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik, Dr. Günter Mittag, das Mitglied des Zen• tralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Minister für Auswärtige Angelegen• heiten, Oskar Fischer, das Mitglied des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutsch• lands, Minister für Außenhandel, D, Gerhard Beil und weitere Persönlichkeiten. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker stimmten darin überein, daß die Bundesrepu• blik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik angesichts einer sich aus der gemein• samen Geschichte ergebenden Verantwortung besondere Anstrengungen für das friedliche Zu• sammenleben in Europa unternehmen müssen. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, von deutschem Boden muß Frieden ausgehen. Sie betonten, daß das Verhältnis der beiden Staaten zueinander ein stabilisierender Faktor für kon• struktive West-Ost-Beziehungen bleiben muß. Von ihm sollten positive Impulse für friedliche Zu• sammenarbeit und Dialog in Europa und darüber hinaus ausgehen. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker würdigten die Entwicklung des Verhältnisses zwischen beiden Staaten seit dem Abschluß des Vertrages über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland un der Deutschen Demokratischen Republik vom 21. Dezember 1972. Sie betonten, daß dieser Vertrag zusammen mit den bisher getroffenen Vereinba• rungen und Regelungen Grundlage und Rahmen für die Beziehungen zwischen beiden Staaten bildet. Sie bekräftigten ihre Gemeinsame Erklärung vom 12. März 1985. Unter Berücksichtigung der Gegebenheiten und unbeschadet der Unterschiede in den Auffassun• gen zu grundsätzlichen Fragen, darunter zur nationalen Frage, ist es die Absicht beider Seiten, im Sinne des Grundlagenvertrages normale gutnachbarliche Beziehungen zueinander auf der Grund• lage der Gleichberechtigung zu entwickeln und die Möglichkeiten des Vertrages weiter auszuschöp• fen. Es bestand Übereinstimmung, das Erreichte unter Beachtung des Grundsatzes zu bewahren und auszubauen, daß beide Staaten die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staa• ten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten respektieren. Verständigungswille und Realis• mus sollen Richtschnur für eine konstruktive, auf praktische Ergebnisse gerichtete Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten sein. Beide Seiten würdigten die anhaltend positive Wirkung des Vier• mächte-Abkommens vom 3. September 1971 auf die Lage im Zentrum Europas und die West-Ost• Beziehungen und bekräftigten die Notwendigkeit seiner strikten Einhaltung und vollen Anwendung.

277 Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker behandelten eingehend Fragen des Reise• und Besucherverkehrs einschließlich der Reisen in dringenden Familienangelegenheiten. Sie wür• digten die bisher erzielten Fortschritte und bekräftigten die Absicht, auf weitere Verbesserungen und Erleichterungen im Interesse der Menschen hinzuwirken. Sie begrüßten die zwischen den Verkehrsministern beider Staaten getroffene Vereinbarung über Fahrpreisermäßigungen im gegenseitigen privaten Reiseverkehr sowie im Transitverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) auf den Strecken der Deutschen Bundesbahn und der Deutschen Reichsbahn. Sie erörterten ferner die Voraussetzungen für eine WeiterentwiCklung des Tourismus. Sie stimmten darin überein, Möglichkeiten für eine schrittweise Entwicklung des touristischen Reiseverkehrs zu schaffen. Sie bekräftigten die Absicht, den touristischen Jugendaustausch im Interesse der Begegnungen junger Menschen von beiden Seiten zu fördern und weiterzuentwickeln. Sie begrüßten das Zustan• dekommen von Partnerschaften zwischen Städten in der Bundesrepublik Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik als einen wichtigen Beitrag zu Begegnungen zwischen den Bürgern - auch unter Einbeziehung kultureller Veranstaltungen - und damit zum Ausbau friedli• cher Nachbarschaft zwischen beiden Staaten. Sie werden solche Bemühungen auch künftig unter• stützen. Sie betonten ihre Bereitschaft, die Begegnungen auf dem Gebiet des Sports weiter zu fördern. Da• bei sollen auch die Möglichkeiten im Rahmen von Städtepartnerschaften genutzt werden. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker erörterten humanitäre Fragen einschließlich der Familienzusammenführung und der Lösung von Härtefällen. Sie würdigten positive Ergebnisse und stimmten darin überein, entsprechende Bemühungen konstruktiv fortzusetzen. Beide Seiten würdigten die Absicht der Grenzkommission. Sie bekundeten ihre Absicht, im Sinne des Regierungsprotokolls vom 29. November 1978 Aufgaben der Grenzkommission, soweit sie noch nicht gelöst sind, zum Abschluß zu bringen. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker brachten zum Ausdruck, daß sie den Fragen des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen große Bedeutung beimessen. Sie werteten den Abschluß der Vereinbarung über die weitere Gestaltung der Beziehungen auf dem Gebiete des Umweltschutzes als Ausdruck des Willens, die Zusllmmenarbeit auf diesem Gebiet zu vertiefen. Beide Seiten stimmten überein, die Verhandlungen zu Fragen der Reduzierung der Salzbelastung der Werra sowie der Kaliabwassersenkung zügig fortzuführen und möglichst bald mit einem ausge• wogenen Ergebnis positiv abzuschließen. Es bestand Einvernehmen, die Aufnahme von Gesprä• chen über Fragen des Gewässerschutzes der Eibe zu prüfen. Beide Seiten würdigten den Abschluß des Abkommens über Informations- und Erfahrungsaus• tausch auf dem Gebiet des Strahlenschutzes als wichtigen Schritt zum Ausbau der gegenseitigen Beziehungen. Sie begrüßten den Abschluß des Abkommens über die Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wis• senschaft und Technik und sind sich darin einig, auf dieser Grundlage die Beziehungen mit Kontak• ten zwischen Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen entsprechend den vereinbarten Pro• jekten zum gegenseitigen Nutzen zu intensivieren. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker unterstrichen die groBe Bedeutung einer um• fassenden sachlichen Information durch Presse, Funk und Fernsehen für die weitere Entwicklung gutnachbarlicher Beziehungen. Dementsprechend gewähren beide Seiten Journalisten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit größtmögliche Unterstützung. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker würdigten das am a Mai 1986 abgeschlossene Kulturabkommen, das der Entwicklung der Kulturbeziehungen dient und zu einer deutlichen Zu• nahme des kulturellen Austausches geführt hat. Sie unterstrichen die Absicht, die Zusammenarbeit auf der Grundlage dieses Abkommens zielstrebig fortzusetzen und weitere Bereiche einzubezie• hen. Die Vorhaben für 1988/89 sind im wesentlichen abgestimmt. Beide Seiten würdigten, daß im Zuge der vereinbarten Rückführung kriegsbedingt verlagerter Kul• turgüter inzwischen der Austausch wertvoller Archivbestände weitgehend abgeschlossen werden konnte. Noch in diesem Jahr wird die Rückführung ausgelagerter Gemälde einvernehmlich gere• gelt werden. Im Bereich des Gesundheitswesens, der Landwirtschaft sowie des Wohnungs- und Städtebaus sol• len Erfahrungsaustausch und Zusammenarbeit fortgesetzt und ausgebaut werden. Beide Seiten sprachen sich dafür aus, die Bemühungen um eine vertragliche Regelung des Rechtsverkehrs fortzusetzen. Im Interesse der Rechtsuchenden soll der Rechtsverkehr so einfach und zweckmäßig wie möglich geregelt werden. Beide Seiten erörterten Fragen des nichtkommerziellen Zahlungsverkehrs und werden .bemüht

278 bleiben, einschränkende Bestimmungen abzubauen und Verfügungsmöglichkeiten über Vermö• gen im Interesse der Menschen in beiden Staaten zu erleichtern, Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker stellten mit Befriedigung fest, daß sich die Wirt• schaftsbeziehungen zwischen beiden Staaten in den letzten Jahren insgesamt positiv entwickelt haben, Sie betrachten den Handel als wichtiges stabilisierendes Element der Gesamtbeziehungen und erklärten ihr Interesse, die wirtschaftliche Zusammenarbeit auf der Grundlage der Gleichbe• rechtigung und des gegenseitigen Vorteils unter Einschluß auch kleiner und mittlerer Unternehmen kontinuierlich auszubauen, Sie bekräftigten ihre Absicht, die Struktur des Handels weiter zu verbes• sern und verstärkt auf den Austausch von Investitionsgütern, insbesondere von Erzeugnissen des Maschinenbaus, der Elektrotechnik sowie auf dem Gebiete der Energie- und Umwelttechnik, hinzu• wirken, Beide Seiten unterstrichen die Bedeutung der Zusammenarbeit auf dritten Märkten, Sie be• kräftigten die Absicht, die regelmäßigen Kontakte im Bereich des Handels und der Wirtschaft fortzu• setzen, Im Interesse eines kontinuierlichen Ausbaus der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auf der Grund• lage der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Vorteils wurde Einvernehmen erzielt, Gesprä• che über die Bildung einer Gemischten Kommission zur weiteren Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen auf der Grundlage der bestehenden Abkommen und Regelungen aufzunehmen, Beide Seiten stimmten überein, zur weiteren Verbesserung der Vekrehrsverbindungen - ein• schließlich von und nach Berlin (West) - Regelungen und Vereinbarungen zum gegenseitigen Nutzen vor allem auf dem Gebiet des Eisenbahnverkehrs anzustreben und Gespräche darüber mit dem Ziel deutlich kürzerer Reisezeiten und höherer Zugfrequenzen aufzunehmen, Es bestand Einvernehmen, auf der Grundlage des Abkommens auf dem Gebiet des Post- und fern• meldewesens im Rahmen der technischen und ökonomischen Möglichkeiten weitere Verbesserun• gen des Post- und Fernmeldevekehrs - einschließlich von und nach Berlin (West) - vorzusehen, Beide Seiten begrüßten die zur Zeit auf kommerzieller Ebene geführten Gespräche über den Bezug und die Lieferung von Elektroenergie zwischen Energieversorgungsunternehmen der Bundesrepu• blik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik unter Einbeziehung von Berlin (West), Sie erwarten, daß diese Gespräche zum Abschluß entsprechender langfristiger Verträge führen werden, Bundeskanzler Helmut Kohl und Generalsekretär Honecker erörterten Fragen der internationalen Entwicklung, Im Bewußtsein, daß in beiden Staaten unterschiedliche gesellschaftliche Ordnungen bestehen und daß sie verschiedenen Bündnissen angehören, legten sie ihre Auffassungen zu Stand und Perspektiven der West-Ost-Beziehungen dar, Sie bekundeten ihren Willen, im Rahmen ihrer Bündnisse für eine Politik des Abbaus von Spannun• gen und der Sicherung des Friedens zu wirken sowie für die Fortsetzung von Dialog und langfristig angelegter Zusammenarbeit einzutreten, In dem gemeinsamen Bemühen, alle Gelegenheiten für einen immer breiter und konstruktiver an• gelegten Dialog, der sich mit dem Anliegen der Menschen in West und Ost belaßt, auszuschöpfen, und in der Überzeugung, daß ein langfristiger, stabiler und dauerhafter Zustand des Friedens in Eu• ropa nicht durch militärische Mittel allein erreicht werden kann, messen beide Seiten dem KSZE• Prozeß besonderen Wert bel. Dabei sind ausgewogene greifbare Fortschritte in allen Bereichen der Schlußakte von Helsinki ein wichtiger Maßstab für den Willen zur Entspannung und für die Bereit• schaft, durch Vertrauensbildung die Lösung von Sicherheitsfragen zu erleichtern, Beide Seiten setzten sich dafür ein, daß alle Prinzipien und Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki und des Abschließenden Dokuments von Madrid volle Wirksamkeit erlangen - zum Wohle der Menschen und im Interesse der Zusammenarbeit der Staaten, Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker führten in diesem Zusammenhang einen offe• nen Meinungstaustausch über die Verwirklichung aller Menschenrechte, Beide Seiten brachten ihre Absicht zum Ausdruck, in Zusammenarbeit mit den anderen Teilneh• merstaaten auf ein substantielles Ergebnis des Wiener KSZE-Folgetreffens hinzuwirken, Sie hoben die große Bedeutung hervor, die im Rahmen des West-Ost-Dialogs Ergebnissen von Ver• handlungen über wirksame Maßnahmen der RüstungSkontrolle und Abrüstung in allen Bereichen beizumessen ist, Solche Ergebnisse müssen, beruhend auf dem Prinzip der Gleichheit und Parität, ein stabiles Gleichgewicht der Kräfte auf möglichst niedrigem Niveau, verbunden mit dem Abbau von Ungleichgewichten. verwirklichen. Sie müssen wirksam verifizierbar sein. In diesem Sinne werden beide Seiten auf Fortschritte und Ergebnisse in den laufenden Verhand• lungen und Konferenzen in Genf und Wien, an denen sie selbst teilnehmen, hinarbeiten sowie bei den bilateralen Verhandlungen zwischen den USA und der Sowjetunion konstruktiven Einfluß aus• üben, Beide Seiten betonten die besondere Bedeutung eines Abkommens über Mittelstreckensysteme und erklärten, daß die weltweite Beseitigung amerikaniseher und sowjetischer Mittelstreckenflug-

279 körper mit über 500 km Reichweite die Stabilität und Sicherheit in Europa und Asien wesentlich er• höhen. Sie teilten die Überzeugung, daß von dem Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung posnive Wirkungen sowohl für andere Bereiche der Rüstungskontrolle und Abrüstung als auch für das West• Ost-Verhältnis insgesamt ausgehen werden. Die hier liegende Chance muß genutzt werden. Bundeskanzler Kohl legte das im Atlantischen Bündnis abgestimmte Konzept dar, daß im Zusam• menhang mit der Herstellung eines konventionellen Gleichgewichts und einer weltwenBn Beseit~ gung chemischer Waffen amerikanische und sowjetische bodengestützte nukleare Flugkörpersy• steme kürzerer Reichweite auf niedrige gleiche Obergrenzen reduziert werden sollen. Generalsekretär Honecker lenkte die Aufmerksamkeit auf die Vorschläge der Teilnehmersteaten des Warschauer Vertrages zur Reduzierung der taktischen Atomwaffen im Komplex mn den Streitkräften und konventionellen Rüstungen in Europa. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker unterstützten die am 8. Januar 1985 zwischen den USA und der Sowjetunio'n vereinbarten Ziele der Genfer Verhandlungen, nämlich: ein Wettrü• sten im Weltraum zu verhindern und es auf der Erde selbst zu beenden und zugleich die Kernwaffen zu begrenzen und zu verringern sowie die strategische Stabilität zu stärken. Beide Seiten unterstützten die fünfzigprozentige Reduzierung der strategischen OIIensivwaffen. Sie wiesen auf die Bedeutung des ABM-Vertrages hin. Beide Seiten setzten sich für die Vereinbarung eines zuverlässig verifizierbaren nuklearen Teststops im Rahmen der Genfer Abrüstungskonferenz zum frühestmöglichen Zenpunkt ein. Sie halten ein schrittweises Herangehen an dieses Ziel in den laufenden Kontakten zwischen den USA und der So• wjetunion für möglich. Beide Seiten bekannten sich zu ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtweiterverbrei• tung von Kernwaffen und drückten ihr Interesse an einer Stärkung des Regimes der Nichtweiterver- breitung gemeinsam mit anderen Ländern aus. . Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker stimmten überein, daß Fortschritte bei der nu• klearen Abrüstung die konventionelle Abrüstung mit dem Ziel größerer Sicherheit und Stabilität in Europa vom Atlantik bis zum Ural besonders dringlich machen. Sie unterstrichen die Bedeutung entsprechender Verhandlungen und stimmten darin überein, daß sie alles tun werden, damit bei den Gesprächen zwischen den 23 Mitgliedstaaten des Nordatlan• tischen Bündnisses und des Warschauer Vertrages in Wien möglichst bald ein substantielles Man• dat vereinbart wird. Beide Seiten würdigten die Ergebnisse der Stockholmer Konferenz über Vertrauens- und Sicher• heitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa als einen wichtigen Schritt zur Herstellung von mehr Vertrauen und Berechenbarkeit auf militärischem Gebiet. Sie betonten die Notwendigkeit der Implementierung des Stockholmer Dokuments nach Geist und Buchstaben und werden sich für Ver• handlungen über wenere Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen einsetzen. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker bekräftigten ihren Willen, zum Erfolg derWiener Verhandlungen über die gegenseitige Verminderung von Streitkräften und Rüstungen und damit zu• sammenhängende Maßnahmen in Mitteleuropa beizutragen. Beide Seiten werden sich nachdrücklich für den baldigen Abschluß eines Vertrages über ein welt• weites und verläßlich überprüfbares Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsat• zes chemischer Waffen einsetzen. Sie legten ihre unterschiedlichen Standpunkte zu Fragen regionaler Vereinbarungen im Bereich von Kernwaffen und chemischen Waffen dar. Sie würdigten, daß die Konsultationen zwischen den Absrüstungsbeauftragten ihrer Regierungen zu einem festen Bestandteil ihres politiSChen Dialogs geworden sind und begrüßten deren Fortsetzung. Beide Seiten stimmten darin überein, weiterhin zu Stärkung der Vereinten Nationen als des universa• len Forums zur friedlichen Gestaltung der internationalen Beziehungen, zur Lösung der vordringli• chen weltpolitischen, ökonomischen, sozialen und humanitären Probleme und des Dialogs über Fragen der Rüstungsbegrenzung und Abrüstung beizutragen. Sie würdigten die Bewegung der Nichtpaktgebundenen Staaten als einen Faktor von Bedeutung für die internationale Stabilität. Bundeskanzler Kohl und Generalsekretär Honecker bezeichneten ihren Meinungsaustausch als notwendig und förderlich für die weitere Entwicklung der Beziehungen. Sie sprachen sich für die Fortsetzung und Intensivierung der Kontakte auf hoher polnischer und auf anderer Ebene aus. Der Generalsekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und Vor• sitzende des Staatsrates der Deutschen Demokratischen Republik lud den Bundeskanzler der Bun• desrepublik Deutschland zu einem Gegenbesuch ein. Die Einladung wurde mit Dank angenom• men. Termin und Einzelheiten werden später vereinbart.

Quelle: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 83 vom 10. 9. 1987.

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